Naja - das hatte den einen oder eben den anderen Weg gehen können. Und eigentlich hatte Aryana sie wirklich ausreichend vorgewarnt, dass Faye hätte kommen sehen sollen, dass mit Mitch momentan immer alles den schlechteren Verlauf nahm, wenn zwei Optionen gegeben waren. Und wenn nur eine gegeben war, dann schuf er sich spontan eine zweite, würde ihre Schwester nun bestimmt sagen. Nur hatte Faye das nicht ganz wahrhaben wollen, weil sie grundsätzlich gerne vom bestmöglichen Ergebnis ausging und noch immer dazu veranlagt war, stets auf ein kleines oder grosses Wunder zu hoffen. Ausserdem war dieser Ausflug ihrem persönlichen Empfinden nach bisher eigentlich sehr gut verlaufen. Sie war nicht mit der Erwartung hergekommen, dass Mitch ihr gegenüber alle seine Sorgen offenlegte oder sich ordentlich ausheulte. Aber doch hatte sie einen Einblick in seine Gedankenwelt bekommen, auch wenn er vielleicht der Meinung war, nichts preisgegeben zu haben. Sie hatte Einiges erfahren, wenn auch nichts, das sie wirklich überraschte. Wobei die Brünette insgeheim bezweifelte, dass sowas überhaupt existierte. Sie konnte sich nämlich relativ gut vorstellen, was in Mitch vor sich ging, auch wenn sie nicht an seiner Stelle war und sein Denken nur selten teilte. Vermutlich war es mehr oder weniger die gleiche Problematik wie vor ein paar Monaten. Sie liesse sich selbstverständlich auch vom Gegenteil überzeugen, aber dazu würde es kaum mehr kommen heute und das war in Ordnung. Es wäre - wie er selbst wusste - sehr viel wichtiger, dass er mal ein bisschen Deep Talk mit seiner Freundin praktizierte... Aber gut, hier waren sie nun. Er war eindeutig wieder pissig und sie legte mit einem innerlichen Seufzen das Lächeln komplett ab - wenn auch nur, um ihn nicht weiter zu reizen, da das sicher nicht zielführend wäre. Normalerweise war sie nicht sonderlich schlecht darin, die Wogen wieder zu glätten, also schob sie gerade noch keine Panik, bloss weil sein Gesichtsausdruck wieder dezent unentspannter strahlte. Und da sie hier und heute kaum plötzlich eine neue, bestenfalls auch noch aggressive Methode der Konfliktbewältigung ausprobieren würde, wollte sie mal hoffen, die Situation irgendwie wieder geradebiegen zu können. Ansonsten wars das dann wohl leider gewesen mit ihrem kleinen Spaziergang. "Das hab ich auch nicht behauptet, Mitch... und ich hatte auch nicht vor, dich mit dieser Behauptung zu reizen, tut mir leid", gab sie noch ziemlich ruhig zu. Mal schauen inwiefern das die Stimmung noch retten konnte, vielleicht war er bereits zu tief in seinen Gedanken versunken, um sich so leicht wieder beruhigen zu lassen. "Ich glaube trotzdem, dass es so ist. Würden ich nicht an diesem Glauben festhalten, wäre ich sicher nicht mit dir Spazieren gegangen. Würde Aryana das nicht auch tun, hätte sie mir auf jeden Fall verboten, dir überhaupt zu schreiben, da ich definitiv nicht in einem psychischen Zustand bin, in dem ich mich gerne mit jemandem Treffe, nur um mich von dieser Person zusammenstauchen zu lassen, während keine fünf Minuten einer normalen Unterhaltung drinliegen. Aber da sind wir. Und bisher hatte ich weder das Bedürfnis, sofort wieder das Weite zu suchen, noch bin ich in Tränen ausgebrochen. Also besteht möglicherweise die Chance, dass du nicht ganz so schrecklich bist, wie du dir das selber einredest. Oder dass du dich zumindest besser im Griff hast, als du erzählst, was weiss ich", okay, wahrscheinlich war das doch der falsche Ansatz beziehungsweise nicht die passendste Wortwahl gewesen, sie hörte den Spott in seiner Antwort schon in ihren Ohren klingeln. Aber auch sie konnte nicht immer gewinnen, auch wenn sie es gerne möchte. Ausserdem war sie keine Therapeutin und selbst wenn, stand Mitch ihr definitiv zu nahe, als dass sie sich besonders distanziert mit ihm hätte unterhalten können. "Ich weiss nicht, ob es dir was bringt, darum habe ich dich ja gefragt, ob du's hören willst", ein ziemlich pragmatischer Ansatz, war vielleicht sinnvoller. "Jedenfalls hat Aryana allein schon fünf Eigenschaften aufgezählt, die sie am meisten liebt. Was bedeutet, dass die Liste kaum vollständig oder abgeschlossen war. Sie kann sie dir persönlich nennen, wenn dir das lieber ist, oder es auch ganz bleiben lassen - mein Punkt ist lediglich, dass sie noch immer mindestens fünf Gründe hat, dich jedem anderen vorzuziehen. Fünf Gründe, die dich für sie unersetzlich machen. Dich. Nicht der, den du mal warst oder irgendwann sein könntest", falls er davonrennen möchte, wäre das sonst jetzt der geeignete Zeitpunkt.
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Ich war - wie so oft - zu nicht mehr imstande, als Fayes Entschuldigung kommentarlos mit einem Nicken hinzunehmen. Gab halt auch nicht wirklich was dazu zu sagen, weil ich jetzt trotzdem genervt war und das frühestens in ein paar Minuten wieder verfliegen würde. So wie vorhin eben auch, ich brauchte was das anging meine Zeit und davon grundsätzlich eher mehr als weniger. Trotzdem bemühte ich mich darum, ihr weiterhin meine Aufmerksamkeit zu schenken und nicht stumpf auf die zum einen Ohr rein und zum anderen gleich wieder raus Taktik umzusteigen. Es fiel mir aber ein bisschen schwer, weil ich das, was die zierliche Brünette weiterhin sagte, aus Prinzip eben nicht sofort zu einhundert Prozent glauben konnte - schon nur, weil ich mir den Großteil des Tages gedanklich etwas anderes eintrichterte. Mochte schon sein, dass ich mich gerade verhältnismäßig gut um Griff hatte... aber Faye und ich hatten eben auch nicht sowas wie eine schlechte Vorgeschichte. Ich hatte keinen Grund, von ihr übermäßig angepisst zu sein. Weder stritten wir uns regelmäßig, noch konnte sie irgendwas für den beschissenen Rest meines Lebens, noch war sie anderweitig darin involviert. "Man kann ganz allgemein nicht davon reden, dass ich mich im Griff habe. Auf keiner Ebene. Ein bisschen mehr oder weniger macht da wirklich keinen Unterschied... und dass wir uns normalerweise ähnlich sind ist mindestens immer dann absolut nicht zielführend, wenn mein Sturschädel an ihren knallt.", stellte ich stumpf fest. Ich rauchte noch immer zu viel, hatte inzwischen den Alkohol zur zweiten Sucht gemacht und von meinen unkontrollierten emotionalen Reaktionen wollten wir mal lieber ganz schwiegen. Dass die hier gerade mild ausfielen, lag an Faye selbst und nicht daran, dass ich mich abgesehen davon weniger scheiße verhielt, als Aryana oder ich ihr das schilderten. Sie bekam es ja nur nicht mit, wann und wie auch? Mir erschien die Unterhaltung darüber dementsprechend eher sinnfrei oder zumindest nicht zielführend. Die zierliche Brünette hier war viel zu wenig in meinen Alltag verstrickt, um all das ansatzweise realistisch beurteilen zu können. Es war sicher nett gemeint, dass sie mich davon zu überzeugen versuchte, dass ich meine inneren Dämonen angeblich weniger nach außen verkörperte, als ich mir ständig einredete - sie konnte es nur halt gar nicht einschätzen, also redete sie auch damit gegen eine Wand. Ehrlich gesagt wunderte es mich aber wirklich, dass Aryana so gar keine Bedenken hinsichtlich eines Treffens von uns beiden hatte. Wäre ja nicht das erste Mal, wenn ich in Fayes Nähe einen Ausraster hinlegen würde... Vielleicht lag das einfach daran, dass sie trotz allem weiterhin gewillt war, hinter der hässlichen Fassade noch immer das Gute in mir zu sehen. Sie schien ihrer jüngeren Schwester mehr als eine Eigenschaft an mir genannt zu haben, die all den Stress und Ärger mit mir wirklich wert waren. Zumindest in ihren Augen, was auch alles was, das in dieser Hinsicht zählte. Es war nur leider wirklich schwer zu glauben, so lang wie es inzwischen her war, dass wir einander allgemein auch nur irgendwas Positives gesagt hatten. Aber dass das einer der Fehler im aktuellen System war, wusste ich auch nicht erst seit jetzt. Ich hatte ihr ja nicht mal gesagt, dass ich sie auch liebte, seit sie das vor ein paar Tagen auf den Zettel geschrieben hatte... womit wir dann wieder beim Selbsthass angekommen wären. Zum fünfhundertsten Mal allein am heutigen Tag, was wiederum der Grund dafür war, dass ich jetzt endgültig genug von diesem Gespräch hatte. Ich setzte also schließlich doch wieder zum Laufen an, um den Rückweg schneller zurücklegen zu können und nebenbei effektiv die Unterhaltung zu erschweren. Außerdem konnte ich mir dann in Ruhe den Kopf darüber zerbrechen, welche fünf Gründe bitte ausreichend dafür sein sollten, meine Hölle in Person freiwillig weiter ertragen zu wollen.
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Awwww it's kinda cool tho x'DD Ich werd eins suchen, wenn wir mit dieser Seite fertig sind, weil wir dann 2000 haben. Dann hab ich auch nen Grund. xD ______________
Und da begann er direkt wieder damit, sich selbst schlecht zu reden, als wäre es ihm einfach sehr wichtig, zu verhindern, dass sie zu wohlwollend von ihm dachte. Als müsste sie dringend wissen, dass er sich echt nicht im Griff hatte und wirklich anstrengend war und stur und halt einfach ein Stück Scheisse. Er drückte sich natürlich etwas anders aus, aber im Grunde lief es genau wieder darauf hinaus. "...und damit wären wir übrigens wieder an einem Punkt, an dem du mir lieber erzählst, dass ich mit meiner zu positiven Einschätzung deiner Person falsch liege, anstatt zu akzeptieren, dass du vielleicht kein so schrecklicher Mensch bist, wie du dir einredest. Und das soll jetzt nicht der nächste Vorwurf sein - nur ein Hinweis", merkte sie mit einem schwachen Kopfschütteln an, drückte sich aber weiterhin betont nüchtern und ruhig aus. Er musste ihr wirklich nicht beweisen, wie schlecht er sich im Griff hatte. Oder wie oft er sich mit Aryana stritt, weil sie beide stur waren. Das hatte sie alles schon mindestens einmal - eher öfter - gehört und es brachte keinen weiter. Es würde ihm wesentlich besser gehen, wenn er versuchen würde, sich an seine positiven Eigenschaften zu klammern, anstatt sich immer wieder vor Augen zu halten, dass er ein Versager war. Das konnte sie ihm so direkt nicht sagen, weil sie zu wissen glaubte, dass er es nicht gut auffassen würde... Darum redete sie hier ja die ganze Zeit so durch die Blume, versuchte ihn ganz sachte in die angestrebte Richtung zu schieben. Dahin wo die Ressourcen begraben lagen. Nicht die Schwächen, Ecken und Kanten, die momentan so viel präsenter waren... Aber das war nicht so leicht mit einer einzigen Unterhaltung alle paar Monate und diesem Level an Frustration. Ausserdem hatte er das Gespräch gerade beendet, indem er das Tempo wieder beschleunigte, was Faye mit einem innerlichen Augenrollen akzeptierte, weil sie eigentlich keine Lust mehr auf Laufen hatte. Hatte sie sich leider selbst eingebrockt, als sie mit der Idee der Joggingrunde aufgekreuzt war. Trotzdem gönnte sie Mitch den kleinen Sieg, indem sie tatsächlich eine ganze Weile die nervige Klappe hielt und ihn mit seinen Gedanken mehr oder weniger alleine liess. Sie waren schon ziemlich nahe an den Autos, als sie ein wahrscheinlich letztes Mal heute einen Wortwechsel vom Zaun brach. "Glaub mir, ich versteh ziemlich viel von Selbsthass und -Zweifel, Victor würde dir das sicher augenblicklich bestätigen", begann sie ihre finale Ansprache, kurz nachdem sie wieder ins Gehen zurückgefallen war, um die letzten fünf Minuten noch etwas durchzuatmen. "Und es war bei ausnahmslos jeder Therapie immer das Thema Nummer Eins - wurde von jeder Therapeutin und jedem Psychologen zum Kernproblem gemacht. Mittlerweile bin ich an dem Punkt, an dem ich selbst glaube, dass das Sinn ergibt. Wie willst du jemals vom Fleck kommen, wenn du selbst nicht an dich glaubst? Wenn du dich nur hasst, beschimpfst und hinterfragst? Wie willst du besser sein, als du selbst dir einredest, sein zu können? Wie willst du Grenzen überschreiten, die du dir gedanklich selbst gesetzt hast? Das geht nicht", führte sie ihr Statement aus, immer mal wieder durch ihre leichte, der Anstrengung verschuldete Kurzatmigkeit unterbrochen. "Frag Aryana nach ihrer Meinung... Wenn dus heute nicht hören willst oder heute nicht bereit dazu bist, dann vielleicht Morgen? Oder erst nach eurem Einsatz, falls sich das besser anfühlt. Aber frag sie bitte und wenn sie dir die Antwort darauf gibt, dann versuch dran zu glauben, dass sie als der Mensch, der dich wahrscheinlich am besten kennt, weiss, wovon sie spricht und dass sie die Wahrheit sagt. Dann versuch, an den Worten festzuhalten und dich an diesem Mitch zu orientieren. Nicht an deinen Schwächen."
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Wäre ich nicht schon am Laufen gewesen, hätte ich sicherlich mit den Augen gerollt. Mochte schon sein, dass ich meine eigene Person aktuell grundsätzlich ziemlich schwarz redete - das hatte den einfachen Vorteil, dass dann ganz bestimmt nie irgendwer mehr von mir enttäuscht war, als unabdingbar war. Ich konnte momentan grundsätzlich keinerlei Erwartungen an mich gerecht werden. War also besser, wenn gar nicht erst Jemand welche stellte, weil meine eigenen schon viel zu hoch waren. Vielleicht unverhältnismäßig hoch. Zumindest würde das in das Bild passen, dass mich irgendwer besser mal darauf hinweisen sollte, dass ich nicht nur schlecht war. Meine Vergangenheit zu kritisieren, weil ich nun mal einfach ein paar schlimme Dinge getan hatte, zeugte schließlich davon, dass ich inzwischen wenigstens in dieser Hinsicht besser geworden war. Wie gesund jene Selbstkritik in diesem Ausmaß noch war, mal außen vor gelassen. Ich konnte grade sowieso nicht anders. Das Laufen half auch dieses Mal nur semi gut dabei, den Kopf leer zu bekommen. Mitunter deshalb, weil es nicht halb so anstrengend war locker tendenziell bergab zu joggen, statt aufwärts. Es war sicher ganz angenehm für die Muskeln durch eine leichte Abschlussaufgabe runterzukommen, aber mehr dann auch nicht. Selbst das anhaltende Schweigen half mir nicht wirklich dabei mit meinem Schädel zurück auf einen grünen Zweig zu kommen. Meine Genervtheit verlief sich im Sand und dennoch kam ich nicht umher, einige von Fayes Worten x Mal in Gedanken zu wiederholen. Ich wusste nicht, ob ich ihr dafür danken oder sie dafür zum Teufel jagen sollte. Es war Segen und Fluch zur gleichen Zeit. Die letzten Meter zum Parkplatz mit langsameren Schritten zurückzulegen hieß ich willkommen. Nicht unbedingt das damit einhergehende Gespräch, aber die zierliche Brünette würde sich bestimmt davor hüten, mir erneut etwas zu sehr in den sowieso schon stark gereizten Nerven herumzustochern. Es war selbst für mich durchaus nachvollziehbar, dass man nur schwer mehr aus sich machen konnte, als man selbst zuließ. Genauso wie die Tatsache, dass die junge Frau sich eine ganze Weile lang - und vielleicht noch immer - zu viele Selbstvorwürfe serviert hatte. Trotzdem war ich mir wirklich nicht sicher damit, wie viel Wirkung positive Worte seitens Aryana am Ende haben würden. Mein Dickschädel machte schließlich auch vor ihr nicht Halt... aber wenn sie nicht zu mir durchdringen konnte, dann konnte es sonst erst recht Niemand. Es war im Grunde also der einzige Versuch, der mir übrig blieb. Auch unabhängig davon, dass unsere Beziehung das gut brauchen konnte. Trotzdem folgte erstmal ein recht schweres, angestrengtes Seufzen meinerseits. Einfach weil die ganze Thematik verflucht kräftezehrend war, ganz egal wie mild Faye all das zu formulieren versuchte. "Das hab' ich vor, ja. Sonst hätt ich dir nicht gesagt, dass du's nicht sagen sollst.", erwiderte ich verhältnismäßig neutral, aber die Unruhe ließ sich nicht vollständig aus meiner Stimme vertreiben. Wenn ich Aryana danach fragen würde, wie sie auf die Frage ihrer jüngeren Schwester geantwortet hatte, würde sich daraus ziemlich sicher ohnehin ein längeres Gespräch ergeben... nur wann ich dazu dann tatsächlich bereit war, würde ich jetzt sicherlich nicht in Stein meißeln. Ein paar Schritte lang atmete ich einfach nur durch und als wir schließlich an den Autos ankamen, fühlte ich mich so als hätte ich nicht genug dazu gesagt, obwohl meine Antwort eigentlich völlig ausreichend war. Das war wohl der einzige Grund dafür, dass ich mich nicht sofort ans Einsteigen machte, sondern mich noch einmal der jüngeren Cooper zuwendete. "Ich... weiß das zu schätzen, Faye. Dass du versuchst mir zu helfen... auch wenn's wahrscheinlich nicht so wirkt." Weil du dich 24/7 angepisst und genervt gibst, Mitch. "Irgendwann krieg ich das wieder hin... dauert wohl nur noch 'ne Weile...", seufzte ich und hob die Hand an, um mir die Mütze vom Kopf zu ziehen. Ich hatte darunter unweigerlich geschwitzt und die kühle Luft tat gut, noch ein bisschen runterzukommen. Warum genau ich die letzten beiden Sätze noch sagte, wusste ich nicht. Vielleicht fühlte ich mich irgendwie auch ihr gegenüber schuldig und verpflichtet - war schließlich ihre Schwester, die ich da mit mir runterzog. Die Schwester, für die sie selbst in den Krieg gezogen war. Ich würde unweigerlich auch Faye den Boden unter den Füßen wegziehen, wenn ich das nicht wieder hinbekam. Damit wiederum dann auch wieder Victor... ich glaube diese Kettenreaktion war inzwischen allen bekannt.
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Ach, keine zu hohen Erwartungen, ich werd einfach ne 2000 anstelle deiner 100 hinknallen... x'D _______________
Immerhin war sein Seufzen mittlerweile angestrengt statt genervt - klang nach einem Gewinn in ihren Ohren. Wahrscheinlich hatten sie sich für heute - oder auch nur für die Dauer dieses Treffens - ausreichend aufgeregt und das hiess die Brünette zweifellos willkommen. Sie war sich relativ sicher, dass Mitch sich die ganze Zeit über ziemlich zusammengerissen hatte und sie hatte nach der Erzählung ihrer Schwester definitiv Schlimmeres erwartet, aber war natürlich sehr froh, dass es dazu nicht gekommen war. Faye hatte sich ja auch dezent bemüht, um in kein Fettnäpfchen zu treten oder ihn sonstwie wütend zu machen und mehr zu reizen als gewissermassen nötig, beziehungsweise unvermeidbar, wenn sie sich nicht nur übers Wetter unterhalten wollte. Ein entsprechendes Gespräch hätte wohl auch nicht allzu lange gehalten. Es wäre ihr neu, dass Mitch sich für Smalltalk begeistern konnte und auch sie war in ihrem Privatleben selten dafür zu gebrauchen. Besonders dann nicht, wenn so offensichtliche Probleme im Raum standen. Inwiefern sie sich in den letzten zwei Stunden der Lösung dieser Probleme angenähert hatten, blieb wohl abzuwarten. Immerhin hatte sie Mitch eine Grundlage für ein hoffentlich irgendwie hilfreiches Gespräch mit Aryana mitgegeben, die er scheinbar auch zu nutzen plante. Sie nickte nochmal leicht, hatte dazu nichts mehr zu ergänzen. Das Schlimmste, was damit passieren könnte, wäre ein weiterer Streit - warum auch immer. Aber da Mitch und Aryana sich momentan eh ständig stritten, konnte Faye das Risiko gerade so in Kauf nehmen. Der einzige Weg nach vorne führte eben offensichtlich durch Chaos und Schmerz und wenn es irgendwann besser werden sollte, mussten sie da wohl durch. Davon konnte sie übrigens ein Lied singen, auch wenn bei Mitch und Aryana wohl keine gefühlt ewige vorübergehende Trennung in Frage kam, die mit ihrem eigenen Beziehungsdrama vergleichbar war. Ihre Probleme hatten auch komplett unterschiedliche Ursprünge. Mitch stritt sich mit Aryana, weil er - aber eben teilweise auch sie - grundsätzlich unzufrieden mit sich und der Welt war und in einer schwierigen Lebenslage, inklusive schwer zu leugnenden psychischen Problemen, steckte. Faye hatte sich so gut wie nie mit Victor gestritten - ihre Schwierigkeiten hätten sich nicht - oder jedenfalls nicht in nützlicher Frist - mit Gesprächen lösen lassen, das hatten sie ja schon lange versucht. Ihr Problem lag in ihrer Abhängigkeit und dem unumstösslichen Fokus auf der jeweils anderen Person, bis zu dem Punkt, an dem sie alleine kaum mehr hatten existieren können. Sie wusste nicht so ganz, welche Ausgangslage am Ende leichter zu bewältigen war - wahrscheinlich keine davon. Für sie und Victor wäre es einfacher, einfach über ihre Probleme zu reden, für Aryana und Mitch wäre es wahrscheinlich - abgesehen von den Lebensumständen, die das kaum zulassen würden - leichter, sich einfach ein paar Monate räumlich zu trennen und zu warten, während die Probleme sich gefühlt von selbst lösten... Aber das war wieder so ein Thema, das ihre Gedanken eigentlich nicht wert war. Mittlerweile hatten sie sowieso den Parkplatz erreicht und waren damit am Ende ihres kleinen Ausfluges an der frischen Luft angekommen. Auch Faye schälte ihre Ohren aus dem Stirnband, war schon fast dabei, irgendwelche jämmerlichen Abschiedsworte zusammenzukratzen, als Mitch ein paar definitiv unerwartete Sätze von sich gab. Wahrscheinlich wirkte ihr Gesichtsausdruck im ersten Moment entsprechend etwas überrascht, wurde dann aber ziemlich rasch von einem ehrlich erfreuten Lächeln erfüllt. Sie hatte schon nicht angenommen, dass er überhaupt keine Lust hatte, sich mit ihr zu unterhalten, weil er sonst eben gar nicht erst zugesagt, geschweige denn überhaupt etwas geredet hätte. Aber es war natürlich weitaus schöner, das so direkt von ihm zu hören, als nur zu denken. "Das... freut mich. Ich mach das relativ gerne, wie du vielleicht mittlerweile gemerkt hast", meinte sie mit einer Prise Ironie, womit sie selbstverständlich an all die Ratschläge dachte, nach denen er meistens eher nicht wirklich gefragt hatte, bevor er sie zu hören bekommen hatte. Aber was will man machen mit dem chronischen Helfersyndrom, das auch vor ihrem engeren Bekanntenkreis nicht Halt machte? "Und ja, ich bin mir sicher, dass du das schaffst. Wirklich. Wir glauben alle an dich und irgendwann werdet ihr beide zurückblicken und es wird keine Rolle mehr spielen, ob das jetzt eine Woche oder ein Jahr gedauert hat", natürlich wäre es schöner, wenn sie sich nicht mehr ewig mit den gleichen Problemen rumquälen müssten. Aber es war zweifelsfrei wichtiger, dass sie die Sache nachhaltig klärten, als dass es einfach schnell vorbeiging. "Und wenn ich irgendwie helfen oder dasein kann oder du mal wieder Lust auf eine Pseudo-Sprechstunde im Wald hast, lass es mich wissen, ja?", möglicherweise wäre es am Ende doch wieder sie, die sich bei ihm meldete, aber das Angebot stand selbstverständlich trotzem.
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Ich hab das jetz über mehrere Tage sehr zerhackt geschrieben und dementsprechend kagge ist es leider auch geworden - hab auch immer noch das Gefühl ich wiederhole mich nur noch, aber was soooolls. :'D ________
Möglicherweise war mir das schon aufgefallen, ja. Es war schwer nicht zu merken, wie gerne die zierliche Brünette ihren Mitmenschen unter die Arme griff. Es war sicherlich eine ihrer am stärksten ausgeprägten Eigenschaften und eigentlich gar keine schlechte. Außer natürlich sie uferte etwas zu sehr aus, was in nicht allzu weit entfernter Vergangenheit leider passiert war. Sicherlich auch nicht zum ersten Mal, weil Faye einfach ganzheitlich eine ziemlich selbstlose Person zu sein schien - teilweise in ungesundem Ausmaß. Während ich hingegen früher eindeutig zu selbstsüchtig gewesen war und jetzt wiederum nicht wusste, wie man in dieser Sache einen sinnvollen Mittelweg fand. Ich tat mir schwer damit eine ausgewogene Beziehung zu führen und für Aryana da zu sein, was mitunter daran lag, dass ich damit schlichtweg keine Erfahrung hatte. Der Hauptgrund blieb aber, dass ich einfach viel zu viel mit mir selbst zu tun hatte, um es überhaupt effektiv versuchen zu können. "Ist mir schon beiläufig aufgefallen.", erwiderte ich eher trocken, was die junge Frau längst wusste. Sie könnte mir davon ruhig mal was abgeben, weil es zweifelsohne eine Eigenschaft war, die meiner Person nur bedingt innewohnte. Oder eben immer nur dann, wenn mir gerade der Sinn danach stand, was nicht ausreichend war. Zumindest nicht für den Menschen, der mir unangefochten am meisten bedeutete. Ob ich mich allerdings tatsächlich irgendwann für eine weitere Laufrunde bei Faye melden würde, stand in den Sternen. Ich war nicht grade bekannt dafür mir freiwillig Hilfe von außen zu suchen. Dementsprechend hielt ich es für relativ unwahrscheinlich, dass sich das in naher Zukunft plötzlich änderte. Vielleicht stiegen die Chancen dafür zwar ein bisschen, wenn sich aus dem baldigen Gespräch mit Aryana tatsächlich eine maßgebliche Besserung der Umstände ergeben würde, aber ob das reichte? Ich behielt meine berechtigten Zweifel daran. "Ich merks mir.", ließ ich sie mit einem schwachen Nicken aber zumindest wissen, dass ich es im Hinterkopf behielt. Eben für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich plötzlich doch gerne von ihr therapiert werden oder erneut eine Runde mit ihr Laufen gehen wollte. Wobei ich letzteres für etwas weniger unwahrscheinlich hielt - Bewegung tat mir schließlich gut und war auch essentiell dafür, dass ich nicht völlig die Kontrolle verlor. An der frischen Luft war es auch noch ein bisschen besser als im Fitnessstudio. Wäre vielleicht keine so schlechte Abwechslung für Zwischendurch. So alle paar Wochen, wenn ich mich mal dazu bereit fühlte mich potenziell nebenbei löchern zu lassen. Mal sehen. "Komm gut nach Hause, Faye." , setzte ich kurz darauf zur Verabschiedung an, weil ich ihr meinerseits im Augenblick nichts mehr zu sagen hatte. Ich zog sogar den linken Mundwinkel ein klein wenig nach oben, auch wenn es abgequält wirken musste. Das ließ sich so bald wohl nicht aus meinem Gesicht vertreiben und wurde maximal zeitweise durch die altbekannte Wut abgelöst. Ich hielt noch einen Moment lang den Blickkontakt aufrecht, bevor ich mich endgültig von der Brünetten abwendete und zur Fahrerseite des Wagens ging um einzusteigen. Hinterm Lenkrad angekommen schmiss ich die Mütze achtlos auf den Beifahrersitz und griff kurz darauf nach der Wasserflasche. Ich blieb noch gut eine Minute lang sitzen und nahm immer wieder ein paar Schlucke, bevor ich mich schließlich auf den Heimweg machte. Nicht unbedingt in rasantem Tempo, weil ich mir den ganzen Nachhauseweg lang den Kopf darüber zerbrach, wann ich denn nun am besten das hoffentlich klärende - oder zumindest ein kleines bisschen helfende - Gespräch mit Aryana führen sollte...
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Guess it's time for a litte Zeitsprung then... x'D Und eigentlich wäre das deiner und ich hab mich gefreut, weil ich den nicht schreiben wollte, weil ich keine Vorstellung habe, wie das gleich laufen soll. Aber okkkkkk, Queni regeltttt.... dann bleibts halt unrealistisch wie immer.. x'D ______________
...wie wahrscheinlich so ziemlich jeder Person, die jemals irgendwas mit ihr zu tun gehabt hatte. Es war eben eine ihrer Kerneigenschaften, dass sie sehr gerne versuchte, zu helfen. Auch wenn es manchmal - oft - nur beim Versuch blieb und in seltenen Fällen sogar total hinten raus ging. Ein bekanntes Beispiel brauchte hier wohl nicht erneut genannt zu werden. Faye reagierte auf seine Feststellung noch mit einem schwachen Lächeln, das sowohl auf seine erste, als auch auf die zweite Aussage bezogen war. Wahrscheinlich würde das Angebot mit dem Laufen am Ende genauso in der Luft hängen bleiben, wie die Nachricht mit der Adresse der Psychotherapie-Praxis, die sie ihm in den nächsten Tagen noch zukommen lassen würde. Aber sie wollte es trotzdem gesagt haben, ungeachtet dessen, ob es am Ende dann doch sie wäre, die sich irgendwann wieder bei ihm meldete. Hoffentlich zu einem Zeitpunkt in nicht allzu ferner Zukunft, an dem es ihm mental endlich ein markantes Stück besser ging... Es war ihm wirklich zu wünschen und sie drückte ihm sehr sehr fest beide Daumen. So wie sie das für Victor tat auf seinem Weg zur Besserung und für Aryana, damit sie endlich heilen konnte. Und für sich selbst natürlich auch, aber wenn alle anderen - bei Victor wusste sie das zwar nicht so genau - so weitermachten, bekam sie ja fast das Gefühl, sie wäre momentan tatsächlich die mit der stabilsten Psyche. Sie legte immerhin nicht mehr täglich oder mehrmals wöchentlich diese kräftezerrenden, katastrophalen Bruchlandungen hin, liebäugelte gedanklich schon lange nicht mehr mit ihrem Ableben, konnte ihren Job mehr oder weniger komplett ohne Einschränkungen und Ausfälle ausführen, hatte eine Handvoll Freunde und ein paar Hobbys... Und sie ging zur Therapie, damit auch der Rest irgendwann in absehbarer Zukunft wieder solide funktionierte. Eigentlich so betrachtet wirklich gar nicht schlecht. Zwar noch nicht perfekt, aber sie arbeitete dran. Übrigens auch so wie sie alle... war ja nicht so, als würde jemand von ihnen gerne in der immer gleichen, elenden Misere sitzen bleiben. Mal schauen, inwiefern Mitch es schaffte, sich in den nächsten Wochen endlich wieder ein Stück aus seinem Loch zu hangeln... "Danke, du auch", verabschiedete sie sich ihrerseits von dem Tätowierten, lächelte ihm ebenfalls ein letztes Mal zu, bevor sie sich auf den Heimweg machte. Zu der kleinen Wohnung, in der niemand auf sie wartete.
---- Zeitsprung, eine oder eineinhalb Wochen oder so, ich hab keine Ahnung ----
Sie war fast froh gewesen, als sie den Flieger besteigen konnten, um diesem Ort mal wieder für eine kurze Zeit zu entkommen. War nicht gerade so, als würde sie sich je auf irgendeinen ihrer Einsätze freuen, aber es war doch eine Erleichterung, wieder für ein paar Tage beschäftigt und abgelenkt zu sein. In ihrem Job mussten sie sich konzentrierten, den Kopf immer voll bei der Sache haben - da war schlicht kein Platz für das Drama, welches sich zuhause immer so schön entfaltete, wenn sie beide einfach viel zu viel Freizeit und viel zu wenig Hobbys oder überhaupt Ahnung von Freizeitgestaltung hatten. Sie waren am frühen Montagmorgen in der Mongolei gelandet und gleich im Anschluss abgeholt und zu ihrem Stützpunkt gefahren worden. Seit da waren ein paar Tage vergangen, die der zusätzlichen Vorbereitung gedient hatten. Also dem Teil, in den sie sich nicht schon im Vorfeld zuhause hatten einlesen sollen. Ihr anschliessender, eigentlicher Auftrag wäre dann ziemlich rasch erledigt - erforderte ein einziges erfolgreiches Ausrücken und der Job wäre getan und sie praktisch wieder auf dem Heimweg. Klang simpel, war es aber definitiv nicht. Denn Aryana wurde den unschönen Eindruck nicht los, dass sie es hier mit einer eindeutig nicht ungefährlichen Mission zu tun hatten. Ausserdem hatten ihre Gegner deutlichen Heimvorteil und waren sehr sicher in Überzahl. Ihrer Meinung nach etwas zu viele unschöne Faktoren, aber was will man machen... sie würden auch das geschafft kriegen, daran zweifelte sie keine Sekunde, weil sie das schlicht nicht tun durfte. Sie war lange genug bei der Army gewesen, um zu wissen, dass der Kopf die halbe Miete war und wenn sie sich an ihren Erfolg klammerte und die Überzeugung behielt, dass sie alle unversehrt wieder zurück nachhause kehrten, würde das schon schief gehen. War ja nicht wirklich so, als hätten sie eine Wahl. Sie wusste nicht genau, wie Easterlin mit Rückzieher - gerade, wenn sie so kurz vor knapp kamen - umging, aber es würde ihrem sonst schon mühsamen Ziel, sich irgendwie in die höheren Ränge zu schleichen, sicher nicht in die Finger spielen. Und genau darum war sie hier und nicht in Amerika. Stritt sich nicht wieder unnötig mit ihrem Freund, sondern war dabei, sich für den Einsatz einzukleiden, der nämlich ganz genau heute Nacht stattfinden würde. Noch war sie mit Mitch auf ihrem Zimmer, welches sie aber in zehn Minuten angezogen verlassen sollten, um einem letzten Briefing beizuwohnen und dann aufzubrechen. Er würde die Nacht nicht an ihrer Seite verbringen. Das war immer dann der Fall, wenn auf ihren Einsätzen ein Sniper gebraucht wurde - das war dann nämlich so gut wie immer Mitch, weil ihm auf diesem Gebiet einfach so gut wie keiner was vormachen konnte. Sie hatte andere Qualitäten, die auch heute glänzen mussten, wenn sie die Nacht - bevorzugt erfolgreich - überleben wollte. Da sie zu den Gesegneten gehörte, die in die Festung der Chinesen eindringen durfte, um die Dokumente zu sichern, wäre alles andere als eine Bestleistung tendenziell fatal. Aber das hatte ihr Berufsleben ja so an sich. "Bist du bereit..?", wandte sie sich schliesslich an ihren Freund, als sie gerade ihre Jacke übergestreift hatte. Sie trug das Kleidungsstück erstmal noch offen, da ihr Weg sie ja noch nicht direkt nach draussen führte. Es würde bald genug kalt genug sein. Aryana musterte Mitch ein paar Sekunden lang prüfend, versuchte so seine momentane Stimmung zu erheben, auch wenn das vielleicht gar keine gute Idee war. Sie sollte nämlich besser nicht mit dem schlechten Gefühl im Herzen in den Einsatz starten, wenn sie die möglicherweise daraus resultierende Ablenkung nicht in Kauf nehmen konnte. Eigentlich wusste sie ja sowieso, dass seine Laune aus tausend mehr oder weniger schlechten Gründen nicht gut war. So wie meistens halt.
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Ich hab da beim "Abwechseln" eh schon komplett den Überblick verloren, um ehrlich zu sein... XD Hättest auch einfach schreien können, dann hätt ichs schon noch gemacht Meeensch :'D Außerdem passt das doch so, was hast du nur wieder. x'DDD ______________
Es wunderte sicherlich Niemanden, dass ich bis zum heutigen Tag noch nicht dazu angesetzt hatte, Aryana auf ihr Gespräch mit Faye anzusprechen. Auf die Dinge, die sie an mir mochte. Ich schob es gerne weiter mit der Begründung auf, dass ich nicht wusste, wie ich dieses Gespräch überhaupt anfangen sollte. Dass ich mir einfach dumm dabei vorkam sie nach all den Streits und den Vorwürfen, die ich ihr schon an den Kopf geworfen hatte, nun plötzlich wie aus dem Nichts nach Dingen zu fragen, die sie an mir mochte. Es ließ sich mit dieser guten Begründung schön außer Reichweite halten, obwohl ich gleichzeitig trotzdem wusste, dass ich mir damit nicht half. Mir nur weiter damit schadete, weil sich in den restlichen paar Tagen in heimischen Gefilden natürlich keinerlei Besserung der Umstände auftat. Wie auch, von Nichts würde auch Nichts kommen. War halt nur vermeintlich sehr viel leichter, einfach nichts zu tun... Aber genug des ewigen Leidens. Easterlins nächster Auftrag verlangte nach unserem Einsatz und so traten wir den gefühlt endlos langen Flug in die Mongolei an. Komischerweise fand ich während der Flüge meistens erstaunlich gut Ruhe und verschlief nicht selten einige Stunden freiwillig. Vielleicht lag das daran, dass die Erdoberfläche mit all den dort wartenden Problemen angenehm weit weg war. Es war trotzdem ziemlich unmöglich in Aryanas Anwesenheit komplett abzuschalten - mit ihr hatte ich den Spiegel meiner Selbst schließlich ständig vor der Nase. Umso wichtiger, dass wir uns auf den Einsätzen für gewöhnlich gut im Griff hatten. Von der erfolgreichen Vorbereitung und der abschließenden Umsetzung einer Mission hingen schließlich auch unsere beiden Leben ab, es lag also in unserem Interesse uns einfach darauf zu konzentrieren und das Privatleben hintenan zu stellen. Ganz so gut wie sonst gelang mir das dieses Mal aber nicht. Meine Gedanken kreisten immer wieder um das noch nicht geführte Gespräch - so auch jetzt, als wir uns daran machten unsere Montur anzulegen. Heute beinhaltete das auch eine Thermo-Schicht als Basis, weil es hier in den Wintermonaten verflucht kalt war. Glücklicherweise behinderte die aber nur wenig bis gar nicht die Beweglichkeit, was dezent essentiell war und man von der Thermo-Unterwäsche der US Army nur bedingt behaupten konnte. So viele Steuern wie dafür draufgingen könnte man meinen es sollte anders sein. Ich versank beim Anziehen ein weiteres Mal in meinem Kopf und setzte den gerade zugebundenen zweiten Schuh von der Bettkante wieder ab, als mich die Frage der Brünetten erreichte. Mich beschlich für einen kurzen Moment seltsame Melancholie - was, wenn einer von uns diesen Einsatz nicht überlebte und ich den Mund nicht aufgekriegt hatte? Dann musste ich dieses hundsmiserable Gefühl mit ins Grab nehmen. Deshalb schwieg ich auch noch zwei, drei Sekunden, ehe ich nach meiner Jacke griff. "Ja, schon. Nur...", setzte ich an, während ich fast schon bedächtig mit den Armen in die Jackenärmel schlüpfte. Als ich aber erstmal in der Jacke drin war, schüttelte ich kaum sichtbar den Kopf. "Nevermind.", schob ich die blöden Gedanken daran dann doch einfach beiseite. Erstens hatten wir keine Zeit für ein solches Gespräch und außerdem war das ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt - wir sollten uns jetzt hier nicht vor dem Gefecht aufwühlen. Damit würde die Wahrscheinlichkeit auf einen tödlichen Ausgang unnötig steigen, also steuerte ich doch entschieden dagegen mit einem "Geh'n wir." die Zimmertür an. Der Rest des Ausrüstung war schon in den Fahrzeugen verstaut und geprüft, mich hielt also nichts außer einem unangenehmen Gefühl in der Magengegend in diesem Zimmer fest.
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Naja, gefühlte Faustregel: immer wenn ichs mache, wärst du dran. XD Aber am Ende machts halt der, der nichts mehr zu schreiben weiss, und das war in dem Fall mal wieder ich. Hab mich aber dann beim Schreiben letztendlich doch sehr schwammig gehalten, darum passt schon... XD Unnnnd wie gehts deinem neuen Tattoo? ^-^ ______
Eigentlich hatte sie die Frage im Vorfeld als ungefährlich eingestuft, weil sie doch immer eher oberflächlicher Natur war. Eine dieser Fragen, auf die man gar nicht unbedingt eine ehrliche, tiefgründige Antwort erwartete eben. Also schon ehrlich, aber mehr so darauf bezogen, ob er fertig angezogen war, die Uniform montiert hatte und in die Schuhe geschlüpft war... Das was nötig war, bevor sie aufbrachen. Nur schien ihr Freund mit den Gedanken gerade etwas zu weit gewandert zu sein, wenn diese einfache Frage schon fast ein dezent unpassendes Gespräch anzettelte. Das war nicht gut. Er musste sich konzentrieren, wenn sie diesen Auftrag erfolgreich ausführen wollten und das mussten sie zwingend, wenn sie die Nacht überleben wollten. Wenn er so kurz vor ihrem Einsatz an irgendwelche Dinge dachte, die definitiv nicht an diesen Ort gehörten, dann war das gefährlich - und zwar für sie alle. Wusste er selbst am besten, wie er gleich im Anschluss bewies, indem er den angefangenen Satz gleich wieder abbrach. Und trotzdem hatte er etwas gesagt und ihren Kopf damit unweigerlich ebenfalls auf Abwege gelockt und mit weiteren Sorgen beflügelt. Sie war sehr versucht, nachzufragen, wohin das nur in der ursprünglichen Version des Satzes geführt hätte, aber es wäre unverantwortlich, oder? Sie hatten keine Zeit für dieses Gespräch hier. Die anderen warteten vielleicht schon und wenn nicht, würden sie es kurzum tun. Der Elefant im Raum war sicherlich nichts, was sich in zwei Minuten klären liesse und alles andere ging eben schlicht nicht. Trotzdem war deutlich aus ihrem Gesicht zu lesen, dass sie eigentlich wissen musste, was los war und eigentlich sehr gerne nachfragen würde. Dass sie sich Sorgen machte und nicht mit halb so viel Selbstvertrauen und Siegessicherheit in diesen Einsatz startete wie üblicherweise. Und Zweifel führten sofort zu Angst. Ein sehr wichtiger, oder sogar der Hauptgrund, warum sie damit gar nicht erst anfangen durfte. Aryana schüttelte innerlich den Kopf und ging hinter Mitch zur Zimmertür, griff aber noch bevor er diese geöffnet hatte nach seinem Arm, um ihn für ein paar letzte Worte aufzuhalten. Die Brünette musterte sein Gesicht, sobald er sich ihr zugewandt hatte, hob die freie Hand, die nicht an seinem Arm hing, an seine Wange an. Sie wusste gar nicht, was sie sagen sollte, weil irgendwie alles zu wenig und doch schon zu viel für jetzt wäre. Darum suchte sie auch ein paar Sekunden nach Worten, bevor diese schliesslich leise aber eindringlich über ihre Lippen glitten. "Mach dich nicht kaputt okay..? Wir können morgen oder später reden - oder auch nicht, wenn du nicht möchtest. Aber ich will nicht, dass dir etwas passiert...", nein, das war nicht genug und ihre offenen Lippen verrieten auch, dass sie eigentlich noch nicht fertig war. Gleichzeitig war es irgendwie alles, was sie von sich geben konnte, ohne das grösste Drama vom Zaun zu reissen... Ihre Finger strichen über seine Haut und sie streckte sich ihm für einen Kuss entgegen. Einen kurzen Kuss, der aber ihre Worte sehr deutlich unterstrich und nichts anderes aussagte, als dass sie ihn nicht verlieren konnte. Vielleicht war es auch ihr ich liebe dich, welches sie zu selten teilten und sie hoffte, dass er die Sprache verstand, denn mehr Zeit blieb ihnen nicht... Entsprechend löste sie sich auch sehr bald wieder von ihm, um kurz ihre kaum verrutschte Kleidung wieder gerade zu zupfen und dann den Weg nach unten anzutreten. Mit keinem guten Gefühl, selbstverständlich. Und sie hasste es, wenn sie einen Einsatz mit einem schlechten Gefühl startete. Das war so gut wie immer ein zuverlässiger Indikator für eine Katastrophe, die sie sich nicht leisten konnten. Und Aryana bemühte sich krampfhaft darum, all die bösen Gedanken umgehend mit positiven Mantras zu ersetzen. Sie würden nicht sterben, der Auftrag wurde erfüllt, Mitch passierte nicht, sie hatte ihren Kopf unter Kontrolle und alles, was sie tat, würde gelingen. Denn das war die einzige Option für den Ausgang dieser Nacht.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Das erklärt, warum mir die Reihenfolge schon komplett abhanden gekommen ist... XD Dem geht's bestens - "fusselt" fleißig vor sich hin, verheilt quasi wie im Bilderbuch. Bisschen nervig sind die schwarzen Fitzel überall schon bei so verhältnismäßig großer Fläche, aber hält ja zum Glück nicht so lange an. Ich hab die leise Hoffnung, dass es bis Freitag fast damit durch ist, da fahren wir fürs Wochenende zu nem Festival. :3 Außerdem liebe ich den Geruch meiner Tattoobutter, würd mich am liebsten einfach ganz reinlegen. x'D _________
Ich nahm mir vor in solchen Situationen auf eine derartige Frage in Zukunft nur noch zu nicken, weil man damit nichts falsch machen konnte. Es suggerierte ein angenehm neutrales Ja, bei dem man nicht unbedingt weiter nachfragen musste, auch wenn es gelogen war. Schien als wüsste ich nicht mal wie man am effektivsten nicht redete. Das Fass lief möglicherweise gerade über und heute war ein denkbar schlechter Tag dafür. Auch wenn das streng genommen nicht erst seit heute oder gestern so war - das Fass war schließlich schon seit Wochen bis eher Monaten randvoll und ich hatte nie mehr als das Allernötigste abgeschöpft. Es war blankes Eigenverschulden, dass ich nun auch die Brünette in den ungünstigen Gedankenstrudel hineinzog. Denn es entging Aryana natürlich nicht, dass ich in diesem Augenblick wenig vom dem so abgestumpften, abgeklärten Soldaten in Syrien hatte. Spätestens dann nicht mehr als sie mich gestoppt hatte, ihr Blick auf meinen traf und wir uns einen stummen Moment lang in die Augen sahen. Ich musste nicht in den Spiegel sehen, um zu wissen, dass mein Blick in diesen Sekunden nicht so ruhig war, wie er es sein sollte. Allein deswegen schon, weil die Brünette das sofort in ihrer eigenen Mimik wiedergab. Die Dämonen, die mir nun schon ewig den Kopf verschleierten, lachten amüsiert vor sich hin, als sie sagte, ich solle mich nicht kaputt machen. Dafür wars irgendwie schon zu spät, oder? Zumindest bis zu einem gewissen Grad. Ich wusste, dass ich so nicht denken sollte, aber manche Narben ließen sich wohl einfach nicht mehr flicken - egal ob körperlich oder seelisch. "Müssen wir...", murmelte ich lediglich zwei knappe Worte zurück, die aber kaum mehr Wahrheit in sich tragen könnten. Es schien final bei mir angekommen zu sein, dass es so nicht weitergehen konnte - nicht, wenn mich diese ganze Scheiße jetzt selbst bis auf die andere Seite der Erdkugel verfolgte. Ich mied Aryanas Blick nach meiner Antwort für maximal zwei Sekunden, weil anschließend ihre Lippen auf meine trafen. Zumindest für den Moment legte sich der Wirbelsturm in meinem Kopf durch diesen simplen Kuss. Mein Herz blieb trotzdem schwer, als ich der Brünetten aus dem Raum folgte und den Weg zur Besprechung mit ihr antrat. Ich hätte mich lieber im Zimmer vergraben. Der Großteil des Teams hatte schon Platz genommen und auch wir machten es uns auf den Stühlen bequem. Als die Instruktion kurz darauf mit allen Anwesenden startete, löste das zuerst eine milde Beruhigung meines Gemüts aus. Routine wirkte oft Wunder. Allerdings musste ich mich doch sehr darauf konzentrieren die neutrale Mimik zu wahren, als Cohen - Stuart mit Vornamen, für diesen Einsatz unser oberstes Tier, das sich hier im Sicheren mit Funkkontakt den Arsch plattsitzen durfte - einen taktisch angeblich notwendigen Personalwechsel ankündigte. Er hatte von unseren Spähern vor Ort kürzlich noch neue Informationen bekommen und hielt es deswegen für sinnvoll, meinen eigentlichen Scharfschützen-Partner durch Noah zu ersetzen. Ich mahlte zwar mit dem Kiefer, hielt meine eigentlichen Gedanken dazu aber zurück, als ich bei Nachfrage mit einem sehr gut sichtbaren Nicken bestätigte, dass die Info bei mir angekommen war. Es war unvermeidbar, dass meine Augen zu Noah schwenkten und sich unsere Blicke trafen, als Cohen weiterredete und auch dem in zwei Gruppen gespaltenen Bodentrupp noch einmal unmissverständlich erklärte, was zu tun war. Mein Abend war auf jeden Fall gerade nochmal ein Stück beschissener geworden. Es fiel mir eindeutig schwer Noahs angehobenen Mundwinkel zu erwidern und so sah ich lieber zurück zu Stuart. Am Ende der knappen zwanzig Minuten wurde dann nochmal nachgehakt, ob alle verstanden hatten und daraufhin folgte seine vorerst letzte Anweisung - ab zu den Fahrzeugen, in sieben Minuten war Abfahrt.
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Das klingt doch ganz gut. :3 Was ists denn jetzt eigentlich geworden? Gweny will seheeeeennn! x'D Und viel Spass auf dem Festival :) _________
Sie wusste nicht, ob sie ihn so kurz vor einem Einsatz schon einmal in so schlechtem Zustand gesehen hatte. Es spielte auch keine Rolle, ob es schon einmal so gewesen war, denn Fakt war, dass es nicht so sein sollte oder durfte. Ihre Arbeit war auch bei voller Konzentration nichts weniger als lebensgefährlich - wenn er dann dabei auch noch mit dem Kopf woanders war und in seinen Problemen festhing wie ein verlorener Pinguin in den Maschen eins Fischernetzes, war das absolut beunruhigend. Sie hätte ihm gerne noch irgendwas gesagt, irgendwas mit auf den Weg gegeben, das ihm ein Stück Vernunft garantiert hätte, an das er sich klammern könnte - aber ihr fiel ja selbst nichts ein und sie war genauso verloren. Nur war sie heute wahrscheinlich besser darin, ihre Probleme für ein paar Stunden hinter eine fette Mauer zu sperren, als er. Die Mauer war nicht stabil, wenn das, was dahinter lag, so persönlich war und sie so dringend belastete. Aber sie war da und würde Aryana wesentlich dabei helfen, hoffentlich gleich ohne Ausfälle zu funktionieren. Allerdings wusste sie nicht, wie gut ihr Kopf letztendlich mitmachte, wenn sie wusste, dass Mitch gleichzeitig in noch grösserer latenter Gefahr schwebte, als er das üblicherweise eh schon tat. Der Gedanke daran, dass er mit seinem Gewehr immerhin nicht mitten im Gewusel stand, sorgte für ein kleines bisschen Beruhigung, aber ob das ausreichte, stand in den Sternen... Gerade wenn man das mit einbezog, was ihnen gleich darauf unten noch mit auf den Weg gegeben wurde. Eigentlich betraf es sie überhaupt nicht, weil sie bekanntlich nicht zu den Scharfschützen gehörte, aber es war eine dezent schlechte Idee, Mitch in seinem Zustand auch noch mit Noah nach draussen zu schicken. Das wusste keiner ausser Mitch und ihr und darum legte auch keiner sein Veto ein. Aber es störte auf jeden Fall direkt wieder ihren bemühten Fokus, auch wenn ihr Blick nur unauffällig für ein paar Sekunden auf ihrem Freund lagen. Sie hatte Noah nie von Mitchs Eifersuchtsanflug erzählt. Erstens nicht, weil sie Noah seit dem entsprechenden Streit mit Mitch nicht mehr gesehen hatte - sie hatte sich immerhin rückwärts aus dem Ausflug geschlichen und diesen in der kurzen Zwischenzeit natürlich auch nicht nachgeholt - und zweitens, weil sie ihre Beziehung nicht noch problematischer darstellen musste, als Noah sie aufgrund dessen, was er auf der Arbeit so mitbekam, sicherlich eh schon sah. Noah hatten nichts gegen Mitch und Aryana würde sich schwer davor hüten, ihren Freund bei irgendwem unbeliebter zu machen, als er es wegen seiner Impulsivität und seiner aneckenden Art zum Teil eh schon war. Im Gegenteil versuchte sie viel eher, seine positiven Seiten hervorzuheben, wo immer das möglich war. Aber das half hier und heute eben auch nichts. Die Teams waren gesetzt und ihre Aufgaben klar und es interessierte keinen, ob Mitch seinen Kollegen mochte oder nicht. Wäre der Vorfall von vor ein paar Tagen nicht gewesen, wäre sie sogar glücklich darum gewesen, die beiden zusammen ausrücken zu sehen, weil sie Noah vertraute und Mitch damit gewissermassen in sicheren Händen gesehen hätte, auch wenn das blöd klingen musste. Sie arbeiteten hier mit sehr vielen (ehemaligen) Kriminellen, es war also wahrscheinlich nicht sehr erstaunlich, dass Aryana grundsätzlich nichtmal der Hälfte der Menschen in ihrer Arbeitsumgebung vertraute, auch wenn sie auf der gleichen Seite kämpften. Aber gut. Sie hatte noch immer wenig bis nichts mitzureden, weshalb es auch heute die Klappe zu halten gab, als sie wenig später zu den Autos gingen. Sie war innerlich schwer damit beschäftigt, ihre Mitte zu finden und sich wieder in den Zustand zu bringen, in dem sie sein musste, um die Nacht zu überleben, ging akribisch nochmal alle Details durch, die sie kannte und an die sie sich erinnern konnte, setzte den Fokus auf ihre Aufgabe und das, was vor ihnen stand. Mitch warf sie einen letzten Blick zu, bevor sie in unterschiedliche Autos stiegen - irgendwie nichtssagend, weil sie nicht wusste, wie sie ihm helfen sollte und gleichzeitig darum kämpfte, die definitiv vorhandene und vorherrschende Sorge um ihn nicht überwuchern zu lassen, weil sie sich das nicht leisten konnten. Der Fahrer startete den Motor und die Nacht nahm ihren Lauf. Sie erreichten ihr Ziel nach ungefähr einer halben Stunde Fahrzeit und nach dem Aussteigen wurde der Rest der Ausrüstung angelegt - inklusive Nachtsichtgerät, weil es hier selbstverständlich erstmal schön dunkel war. Bis auf die Lichter der Festung, die sie plündern sollten, aber unter diese Lichter wollten sie bekanntlich lieber nicht treten. Sie waren in erster Linie ja nicht hier um zu kämpfen, sondern nur um zu stehlen. Wäre ja wirklich schön, wenn das eine ohne das andere gehen würde...
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Cohen hätte mir genauso gut auch irgendeinen anderen Beobachter an die Seite tackern können, warum musste es Noah sein? Es war vielleicht nicht ausnahmslos jeder dafür qualifiziert, aber er war nicht die einzig mögliche Wahl. Das Schicksal schien es sehr zu genießen auch heute den Salzstreuer für die ohnehin schon klaffenden Wunden rauszuholen. Der Druck in meiner Magengegend verstärkte sich, als ich nach einem letzten Blick in Aryanas Richtung hinten ins Fahrzeug stieg. Die ersten paar Kilometer ging es noch in dieselbe Richtung, als sich die Wege der Kolonne aber trennten warf ich den nächsten Blick durch die getönte Seitenscheibe. Ein offenbar sehr unmissverständlicher Blick - nicht aber dass ich so aussah, als wäre mir nach Kommunikation darüber. "Sie wirds auch diesmal heil rausschaffen.", meldete sich mein ungeliebter Komplize zu Wort, was ich nur mit einem genervten Blick in seine Richtung kommentierte. Ich war gewöhnlich nicht der schweigsame Typ, aber ich wusste, dass ich nur giftige Antworten für ihn parat hatte. Es blieb also auch diesmal bei einem vielsagenden Blickwechsel. Noah war glücklicherweise intelligent genug um die Schnauze zu halten, bis wir uns einige Minuten später auf den Weg machten. Für den Ernstfall auch mit Nahkampf-Waffen ausgestattet und mit den schicken weißen Tarn-Schnee-Überzügen eingekleidet - Tarnung war leider nicht irrelevant -, ging es mit dem Gewehr im Koffer auf dem Rücken und dem Nachtsichtgerät am Helm die Anhöhe rauf. Die Temperaturen mussten irgendwo um den Gefrierpunkt liegen, denn schon nach einigen Metern machte uns teils rutschiger Schnee den Anstieg unnötig schwer. Noah hielt den Funkkontakt zu Cohen und dem Rest der Truppe, wann immer es notwendig war und blieb damit ausreichend beschäftigt, um mir nicht mehr auf die Nerven zu gehen, als er das mit seiner bloßen Existenz ohnehin schon tat. Es dauerte um die 15 Minuten, bis wir die Zielkoordinaten erreicht hatten. Als Noah das im Funk durchgab, begann die Uhr zu ticken - unsere Ankunft am Zielpunkt bedeutete für die Bodentrupps nämlich die beiden Stahl-Gitter durchzuflexen, die als Zugangspunkte fürs Gelände fungieren würden. Eines davon gehörte zum großräumigen Abluft-System der Gebäude, in denen Dank vorhandener Labore die eine oder andere Maschine sonst zu heiß laufen würde, wohingegen das andere zum Abwasserkanal gehörte, der ein Stück tiefer unter der Erde verlief. Pest oder Cholera - stickige Industrieluft oder gammliges Miefwasser, da war die Luft hier oben deutlich besser. Dafür allerdings deutlich dünner. Während Noah mittels Fernrohr die Lage abschließend zu checken begann und mir darauf basierende Informationen gab, war ich schon dabei den Boden nahe eines Busches ausreichend vom Schnee zu befreien, damit ich mich einigermaßen bequem hinter dem Gewehr breit machen können würde. So bequem wie es eben ging, wenn der Boden aus Schnee und eisigem Fels bestand. Ich öffnete den Koffer und bastelte wie gewohnt alle Teile des Gewehrs zusammen, das ebenfalls überwiegend weiß war. Eben bis auf die Teile, die sich nur schwarz anfertigen ließen, wenn man keinen negativen Effekt beim Schießen herbeirufen wollte. Als ich den leeren Koffer zuklappte und im Schnee beiseite schob, erreichte mich Noahs Stimme erneut. "Du bist langsamer als sonst... fünf Sekunden drüber.", gab er mir den zeitmäßigen Zwischenstand und klang dabei unterschwellig drängelnd. "Könnte an den fünf Tonnen Schnee liegen, die nicht einkalkuliert wurden.", maulte ich nur zynisch zurück, als ich mich hinter dem Gewehr auf dem Boden breitmachte. Ich klappte grade das Nachtsichtgerät hoch um stattdessen durch das Visier mit Wärmebild-Funktion sehen zu können, als er antwortete. "Wurden sie.", korrigierte er mich und ließ meinen besserwisserischen Arsch damit einwandfrei auflaufen. Er hatte sich beim Reden neben mir im Schnee niedergelassen und klang eigentlich sehr neutral - nur in meinen gereizten Ohren natürlich nicht. "Dann stiehl mir nicht noch mehr Zeit und sag mir was ich wissen muss, verdammt nochmal.", fauchte ich dementsprechend zurück, woraufhin er nur kopfschüttelnd durchatmete und nach vorne durch das Fernrohr sah. Während er mir verschiedenen Zielpersonen durchgab, verfolgte ich seine Worte mit einem Blick durchs Visier und blieb letztendlich dann am Mann auf dem fast mittig auf dem Gelände stehenden Wachturm hängen. Der, der sich zwischen den Schutzplatten seines großkalibrigen Geschützes verkroch - offensichtlich gelangweilt, weil er selten bis niemals etwas zu tun hatte. Er hing leicht schief im Sitz. "Sicher, dass alles in Ordnung ist, Mitch? Wir können tauschen, ich..." Noah konnte kaum so schnell gucken, wie ich das Auge vom Visier genommen und mich zu ihm rüber gebeugt hatte. "Du bist nicht mein Seelenklempner, sondern mein Spotter.", knurrte ich ihm wütend ins Gesicht, woraufhin er den Kopf etwas in den Nacken zog und die Augenbrauen hob. "Mag sein, aber einen Schuss über 600 Meter bekomm ich unter den gegebenen Umständen mit Sicherheit genauso gut hin wie du... es ist fast windstill. Nordöstlich, 4km/h.", sprach er mit einem Seitenblick seine Instrumente checkend weiter. War ich so undeutlich gewesen? Er sollte sich seine Menschenkenntnis in den Allerwertesten schieben und mich einfach nur meine Arbeit machen lassen, war das so schwer zu verstehen? "Dann hab ich ja jetzt alles, was ich für den Schuss brauche - danke.", funkelte ich ihn gereizt an, bevor ich mich wieder hinters Visier verkroch. Mit einem Seufzen und den Worten "Gut, wie du willst." griff Noah dann zum Funkgerät und machte die finale Durchsage - 10 Sekunden, dann würde ich abdrücken. Sobald der Schuss gefallen war, hieß das für die Bodentrupps weiter in die vermehrt mit Feinden gespickten Bereiche und bis zum Büro vorzudringen. Mit Deckung von mir von hier oben aus, soweit möglich war. Wie immer, wenn ein solcher Schuss bevorstand, konnte ich mein Herz förmlich in meinem Kopf schlagen hören und spürte das Adrenalin durch meine Blutbahnen rauschen. Trotzdem war es anders diesmal. Abgesehen von diesen beiden körperlichen Gefühlen spürte ich sonst immer ein angenehmes Nichts - mein Kopf war leer, der Fokus stur auf das Ziel gerichtet und ich war eigentlich ruhig, trotz des beflügelnden Hormons im Blut. Aber der Druck im Magen war noch da, wurde durch die Bauchlage gefühlt sekündlich schlimmer. Meine Halsschlagader pochte spürbar und während ich Noahs - in meinen Gehörgängen Allergien auslösende - Stimme die Sekunden runterzählen hörte, merkte ich, dass mir die Hände zitterten. Nicht wirklich sichtbar, aber ich spürte es. Spürte, wie der Zeigefinger mal minimal mehr, mal weniger Druck auf den Abzug ausübte, obwohl ich ihn nicht wissentlich bewegte. Ich atmete tief ein und wieder aus, schloss dabei für eine Sekunde lang die Augen. Als ich sie aufmachte war Noah bei Eins angekommen, also drückte ich kurz darauf ab. Das fortschrittliche Gewehr mit wenig Rückstoß ließ mich auch gleich durchs Visier sehen, dass ich getroffen hatte. Nur nicht den Kopf, sondern die Schulter. Ganz gleich wie zügig ich nachzuladen versuchte - als ich für den nächsten Schuss bereit war, zeigte der Lauf des Geschützes schon in unsere Richtung und es war wohl Noahs Glück, dass er selbst mit dem Fernrohr noch das Ziel im Auge hatte. So schnell wie die Kugeln eher ziellos ungefähr in unsere Richtung hagelten hätte keiner von uns beiden noch rechtzeitig 'Runter!' rufen können. Es war nur ein Sekundenbruchteil, der darüber entschieden hatte, dass wir uns noch gerade so rechtzeitig zu den Seiten hatten wegrollen können. Das nächste, was ich hörte, war die unter Kugelhagel erfolgende Durchsage von Noah an den Rest des Teams - vorwiegend aber an Cohen, damit der uns sagte, wie wir das jetzt grade biegen sollten. Ich war noch dabei zu begreifen, dass ich mich gerade tatsächlich bei einem so vermeintlich leichten Ziel verschossen hatte, als das Alarmsignal im Turm zwischen den beiden Hauptgebäuden einsetzte.
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Es war kalt, als sie aus den Autos stiegen. Nicht kälter als erwartet, aber die Nachtluft im Schnee löste ein leicht prickelndes Gefühl auf ihrem Gesicht aus - da, wo die Haut freilag und nicht von gefühlt tausend Schichten behütet wurde. Sie mochte dieses Gefühl. Es tat eigentlich ganz gut und half vor allem auch weiter dabei, sich zu konzentrieren und den verrutschten Fokus zu korrigieren, den sie so dringend nötig hatte. Sie alle packten ihre Ausrüstung mehr oder weniger im Stillen, bevor sie sich auf den Weg zu den beiden geplanten Einstiegspunkten machten. Bis hierhin waren sie noch kaum in Eile, was der Brünetten weiter in die Karten spielte bei ihrem Plan, ihre übliche Leistung auch diese Nacht abzurufen und sich dafür wieder ganz zu erden. Sie konnte nicht an Mitch und schon gar nicht an ihre Beziehung denken, wenn sie diese noch retten wollte. Ablenkung war ein Todesurteil und das konnte sie nicht brauchen. Eine gewisse Unruhe schleppte sie wohl trotzdem mit sich rum, aber es besserte sich doch wesentlich in der Zeit zwischen dem Moment im Sitzungszimmer und da, wo das Funkgerät ihnen die Weisung zum Starten gab. Louis und Harper waren für das Gitter des Abwasserkanals zuständig, der wenig später als Route in die nächste Hölle fungieren sollte. Fand sie dezent uncool und sie wäre lieber den anderen Weg nach drinnen gegangen - bekanntlich war sie dezent wasserscheu und Abwasser war in dieser Problematik auf jeden Fall auch hoch im Kurs. Brauchte sie nicht in ihrem Leben, wenn es sich - so wie heute - doch eigentlich auch relativ gut hätte vermeiden lassen. Dann lieber ein bisschen trocken und warm und eng, wobei eng auch beim Abwasserschacht ein Begleitproblem sein würde. Aber gut, das hatten solche inoffiziellen Eingänge eben an sich, waren ja nicht dazu da, einladend zu wirken. Ihr Einstieg war auf jeden Fall rechtzeitig gebaut und sie begaben sich nach entsprechendem Funkkontakt mit Cohen in den unliebsamen Kanal. Spencer ging voran, gefolgt von Isaac, Aryana, Audrey, Louis und zuletzt Harper. Ihre Gruppe war hauptsächlich dafür zuständig, die Gegner vom eigentlichen Geschehen abzulenken, welches bei der anderen Gruppe passierte. Diese machte sich nämlich auf möglichst direktem Weg auf in die Büroräume, um die Dokumente zu holen, die für die Mission verantwortlich waren. Sie hingegen waren die Lockvögel, die mehr oder weniger auf alles schiessen sollten, was gefährlich werden könnte. Natürlich war das moralisch komplett falsch - sie drangen hier in fremdes Territorium ein und töteten Leute, die ihnen nichts getan hatten und höchstens darum gefährlich werden würden, weil sie hier nicht sein sollten - aber darüber durfte sie sich keine Gedanken machen. Schon gar nicht jetzt. Ihr Leben war ja eh eine Talfahrt In Sachen Negativkarma, irgendwie spielte das jetzt auch keine Rolle mehr, ob sie heute noch ein paar zusätzliche Menschenleben frühzeitig beendete, oder? Sie tat es, um sich selbst und die Leute, mit denen sie hergekommen war, zu beschützen. Genau wie Mitch und Noah im Grunde genommen. Die sollten nun aber primär die grösste Gefahr in Form des Gegners auf dem Geschützturm aus dem Weg schaffen. In zehn Sekunden, um genau zu sein. Aryana hegte, wie wahrscheinlich alle hier, eigentlich überhaupt keine Zweifel, dass der Schuss so sitzen würde, wie er das sollte. Mitch traf immer. Und zwar immer genau in die Mitte - genau das, was er hatte treffen wollen, aus jeder Entfernung und unter allen Umständen. Zumindest wenn es sich um einen entscheidenden ersten Schuss handelte. Sie hatte ihn sowas noch nie vermasseln sehen und auch wenn er heute kopftechnisch ganz sicher nicht in Höchstform war, hätte sie nie einkalkuliert, dass seine nicht-Höchstform solche fatalen Konsequenzen haben könnte. Es konnte auch einfach Pech gewesen sein. Ein Ziel, das sich im falschen Moment ganz per Zufall ungünstig bewegt hatte. Ein Windstoss. Eine falsche Anweisung seitens Noah. Aber Aryana wusste ganz genau, dass all das nicht der Grund für den Funkspruch war, der nur Sekunden vor der Sirene ertönte, welche die ganze kleine Festung im Nu in Alarmbereitschaft versetzen dürfte. What the fuck. Sie würde sich ja gerne fragen, wie zur Hölle das passieren konnte - aber das musste sie wirklich nicht. Sie wusste ganz genau, wie es so weit gekommen war. Weil sie es nicht auf die Reihe gekriegt hatten, einmal Klartext zu reden, bevor sie hierher geflogen waren. Das war so lächerlich dumm. Wenn einer von ihnen hier heute verreckte, dann... "Aryana!", Audreys zischende Stimme riss sie erfolgreich aus ihrem Stillstand, als die Rothaarige sie vorwärts drängte. Sie hatten einen Auftrag, verdammt. Und sie konnten nicht einfach nachhause, ohne den zu erfüllen - nicht wegen einem einzigen, zu ungenauen Schuss. Das war es auch, was Cohen verlautete. Die anderen sollten so rasch wie möglich ans Ziel, bevor die ganze Chinesenmannschaft mit Waffen durch die Gänge rannte. "Sorry", kam es gemurmelt an Audrey gerichtet zurück, bevor Aryana sich wieder an Isaacs Fersen heftete, Mitch aus ihrem Kopf verdrängte und in diesem stinkenden Loch vorwärts ging. Die Zeit drängte noch mehr als zuvor, als sie, einer nach dem anderen, schliesslich aus dem unterirdischen Loch ausstiegen. Die kalte Frischluft war eigentlich auch diesmal eine Erleichterung als sie aus dem Schacht stieg, aber hier hatten sie sicherlich keine Zeit, diese zu geniessen. Sie teilten sich in zwei Gruppen auf und zogen in entgegengesetzte Richtungen los, begleitet vom noch immer schrillenden Alarm. Die Waffen stets schussbereit näherten Aryana, Spencer und Harper sich raschen Schrittes ihrem Ziel. Ein Labor - glücklicherweise nicht sehr weit von ihrem Schacht entfernt. Kein wichtiger Ort, darum hoffentlich auch nicht allzu gut bewacht. Sie wollten ja keinen Kampf ausfechten, sondern nur Ablenkung schaffen. Eigentlich. Das Labor erreichten sie noch relativ problemlos und dort brannte auch kein Licht, weshalb sie möglichst lautlos die Tür aufbrachen. In dem Moment, in dem Spencer jedoch die mit Zeitzünder versehene Granate ins Innere des Gebäudes warf, fiel wohl der Startschuss für die aufkommenden Komplikationen. Noch bevor sie sich ausreichend von der wieder geschlossenen Tür entfernen konnten oder die Granate detonierte, bohrte sich eine Kugel unmittelbar vor ihnen in die Mauer. Sie rannten zur nächsten Deckung, wo sie jedoch aufgrund des noch nicht lokalisierten Schützen und den anhaltenden Kugeln länger verharren mussten, als sie das geplant hatten. Entsprechend waren sie noch ziemlich nah bei dem Labor, als dort die Granate explodierte und das Gebäude in Brand setzte. Eigentlich planmässig und fast gleichzeitig mit der Explosion, welche Isaac, Aubrey und Louis gelegt hatten. Nur sollten sie nicht mehr so nah dran sein, wenn das passierte, weil sie sonst mit den sicherlich gleich herbeieilenden Soldaten kollidierten, anstatt zum ausgemachten Ausgang zu gelangen.
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Wie weit würde ich kommen, wenn ich jetzt einfach meine Beine in die Hand nahm und irgendwo hier im Nirgendwo verschwand? Könnte Easterlin mich überhaupt aufspüren auf chinesischem Boden, wenn ich soweit kam? Irgendwelche Connections hatte er sicher - nicht, dass das tatsächlich eine Rolle gespielt hätte. Ich wusste längst, dass ich nicht loslaufen würde, um die Anderen hier im Stich zu lassen. Ich dachte wohl nur darüber nach, weil es das war, was ich immer tat, wenn ich in so einer vermeintlich unlösbaren Situation festhing: Ich versuchte mich irgendwie rauszuwinden, um den Konsequenzen zu entgehen. Über kurz oder lang würde ich mir sowieso selbst die Kugel geben, denn wenn ich Aryana hier im Stich ließ, hatte ich einen wirklich triftigen Grund dafür. "Mitch! ... gottverdammt nochmal, Warwick!" Ich reagierte erst nach dem zweiten Part, weil Noah mir an den Stiefel trat. Darauffolgend versuchte er erneut Cohens Anweisung an mich weiterzugeben, weil ich wohl grade eben nicht zugehört hatte. Ich hingegen begann mit in Deckung gehaltenem Kopf und ausgestrecktem Arm nach meinem Gewehr zu angeln und machte kurz darauf schon Anstalten damit aufzustehen. Noahs Hand bremste mich an der Schulter aus. "Was hast du vor?! Du hast sonst nirgends freies Schussfeld und sollst warten, bis wir nicht mehr unter Beschuss stehen!" Ich schnaubte nur und hob mich zurück auf die Füße, blieb jedoch in der Hocke. Mein zweiter Schatten tat es mir gleich, allerdings nur um mich am Arm festzuhalten. "Easterlin wird dich sowieso schon in der Luft zerreißen, willst du's wirklich noch schlimmer machen?" Ich entriss ihm mit einem gezielten Ruck meinen Arm. "Das spielt am Ende keine Rolle, wenn die Anderen da unten sterben und die Chinesen sich dann über durchlöcherte Amerikaner freuen, die sehr viele unangenehme Fragen aufwerfen.", knurrte ich zurück und setzte mich dann auch schon in Bewegung. Ich hörte Noah hinter mir noch fluchen, als ich mich an Gebüsch vorbei weiter in Richtung Norden schlich. Es dauerte nur gute zehn Sekunden, bis ich Cohen im Funk zu hören bekam, der mich danach fragte, wohin ich bitteschön auf dem Weg war - GPS-Peilsender in Uniformem neigten leider nicht zu Falschinformationen. Ich schnallte noch während ich weiterging den Gurt zum Umhängen an das Gewehr, um es mir auf den Rücken werfen zu können. "Schicken sie künftig mich zum Spähen raus und nicht die anderen beiden Idioten. Da ist ein ausgezeichneter Felsvorsprung... nördlich, gute hundertfünfzig Meter.", war meine stumpfe Antwort, bevor ich den Finger wieder von der Taste nahm. Alles was ich danach noch aus dem Funkgerät zu hören bekam, beantwortete ich nicht mehr. Ich würde nicht umkehren und abwartend rumsitzen, während da unten die Hölle ausbrach. Logischerweise wurden es nämlich nicht grade weniger Schüsse, seit die geplanten Explosionen auf der To-Do-Liste abgehakt waren. Diese Party war zwar geplant, aber nicht so. Ich konnte mir nicht im Funk anhören, dass Aryana mit ihrem Trupp da feststeckte, wo sie schon längst nicht mehr sitzen sollte, und währenddessen ein bisschen Däumchen drehen. Zwar schuldete ich jetzt definitiv auch Noah eine Entschuldigung, weil er gewöhnlich höhergestellt als ich fungierte und deswegen sicherlich dumm angemacht wurde, weil er mich nicht dingfest gemacht hatte, aber das war mir im Augenblick sehr zweitrangig. Ich hatte schon über die Hälfte der größtenteils verschneiten Strecke hinter mir, als Cohen die Bekehrungsversuche aufgab und stattdessen Noah befahl für Ablenkung zu sorgen. Er ging dafür einfach ein paar Meter in entgegengesetzte Richtung und würde Schüsse abgeben. Auf diese Distanz zu treffen war schwer ohne entsprechende Schusswaffe, aber auch gar nicht Ziel dieser Aktion. Als ich im Schutz ein paar weniger Bäume für die letzten Meter zum Lauf ansetzte, musste ich kurz an Faye denken. Damals, als sie mir im Wohnzimmer unschöne Dinge an den Kopf geworfen hatte, hatte ich ihr kurz zuvor noch versprochen, dass ich ihre Schwester mit meinem Leben beschützen würde, wenn sie schon dumm genug war wegen mir diesen Vertrag zu unterschreiben. Sie vor Easterlin zu schützen stand nochmal auf einem anderen Blatt, aber sie würde nicht hier sterben. Durfte sie nicht. Es gestaltete sich dank des rutschigen Schnees schwieriger als gedacht, mich auf den leicht erhabenen Vorsprung zu ziehen. Ich bekam nur schwer eine Kante zu packen, wurde aber in meiner Entscheidung bestätigt, als ich endlich oben ankam - fast ebener Fels, der nach hinten leicht abfiel. Ich brauchte nicht mal den Kopf übermäßig einzuziehen und wäre ein untreffbares Ziel. Hätte ich nicht den Zeitdruck im Nacken und ein labiles Hirn zwischen den Schultern, hätte ich es fast als Spaziergang bezeichnet. Ich nahm zuerst Stellung ein und atmete dann mehr als einmal tief durch, ehe ich per Funk verlautete, dass ich in Position und bereit war. Noah war zwar nicht mehr an meiner Seite, hatte in der Zwischenzeit aber zwei frisch geschlüpfte Scharfschützen ausgemacht, die ich - neben dem Affen am Geschütz - doch bitte wegpusten sollte und zwar schleunigst. Den ersten Scharfschützen erwischte ich auf Anhieb, mit dem anderen musste ich mich leider duellieren, weil er zwei Mal sehr geschickt die Position wechselte. Dann aber war auch der hinüber und ich konnte mich dem schon verwundeten Kerl am Geschütz widmen. Wegen der stählernen Schutzplatten an der Front des Geschützes musste er sich aber zwingend ein Stück mehr von mir abwenden, weil er sonst unerreichbar blieb. Ich griff also nach dem Funkgerät und bat Noah um gezielte Unterstützung, was auch ausreichend gut funktionierte, um diesmal seitlich seine Rippen zu durchbohren. Man sollte also meinen es liefe jetzt fast wie am Schnürchen, da gab der Trupp mit den ergatterten Informationen im Gepäck bekannt, dass auf geplantem Fluchtweg kein Durchkommen war - das Tor wurde grade mit bemannten Fahrzeugen dicht gemacht, die Verstärkung gebracht hatten. Kein Wunder, unser Team hätte ja eigentlich schon draußen sein sollen. Die engen Zeitpläne waren leider nicht für menschliches Versagen meinerseits ausgelegt...
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Sie gab das ja nicht gerne zu, aber die Lage sah schlecht und schlechter aus. Sie sollten von hier aus wenn möglich nicht schiessen, wenn sie nicht riskieren wollten, gleich eingekesselt zu werden. Immerhin waren sie nur zu dritt und auch wenn sie alle eine top Ausbildung genossen hatten und sehr gute Schützen waren, konnten sie es nicht einfach mit einer halben Armee Chinesen aufnehmen, die sich hier definitiv besser auskannten als sie. Das wäre sehr leichtsinnig und Leichtsinn wäre in ihrer Situation wohl die nächste tödliche Eigenschaft. Allerdings konnten sie sich auch nicht ewig einfach still hier verstecken und hoffen, dass alle Feinde an ihnen vorbeirannten und sie sich irgendwann, wenn das Gewitter vorbeigezogen war, nach draussen schleichen konnten. Sie hatten sich ausserplanmässig in einem Gebäude verkrochen, das jederzeit von ihren Gegnern aufgesucht werden könnte - ein gutes Versteck sah eindeutig anders aus. Cohen versuchte bereits, ihnen eine sinnvolle Fluchtroute zu suchen, aber eigentlich kannten sie diese bereits. Hatten in der Vorbereitung ja akribisch herausgeschrieben, wie viele Schritte sie in welche Richtung machen sollten, um am Ende zum angepeilten Ausgang zu gelangen. Momentan waren sie nicht auf Kurs. Und irgendwo im Inneren des Gebäudes waren Schritte zu hören. Erst kamen sie nur von einem Paar Stiefel, aber sie vermehrten sich ziemlich schnell auf mindestens sechs Füsse. "Wir müssen raus", stellte Isaac, in Anbetracht fehlender Versteckmöglichkeiten hier drinnen relativ überflüssig, fest. Spencer nickte und huschte, gefolgt von den anderen beiden, durch die Tür - gerade rechtzeitig, bevor drinnen die Lichter angingen. Schade nur, dass dieses Licht durch die Fenster nach draussen fiel und offenbar irgendein Auge im falschen Moment in die falsche Richtung blickte. Ein zischender Schuss gefolgt von einem stechenden Schmerz - Aryana riss ihre beiden Kollegen mit sich um die Hausecke, bevor der Kugelhagel erneut einsetzte. Diesmal aber präziser und ohne Aussicht auf ein Ende, da offensichtlich jemand sie entdeckt hatte. Die Brünette fluchte leise ob dem lähmenden Schmerz an der Innenseite ihres linken Oberarms. Sie hatte keine Ahnung, ob der Schuss im Knochen steckte oder sie nur gestreift hatte und das hier war auch nicht die Zeit, um das zu prüfen. Fakt war, dass es brannte wie die Hölle und ihre Treffsicherheit, wie auch ihre allgemeine Kampffähigkeit wesentlich einschränken dürfte. Es wurde dringend Zeit, zu gehen. Zu der ganzen Ausgangsthematik gab es allerdings wenig später ebenfalls kaum erfreuliche News. Das Positive war, dass der Luftschacht-Trupp seine Aufgabe ebenfalls erfüllt und die Dokumente tatsächlich ohne Ausfälle im Schatten des Ablenkungsmanöver ergattert hatte. Nicht gut war hingegen, dass der Rückweg durch die Hintertür - der für sie alle hätte funktionieren müssen - scheinbar keine Option mehr war, weil sie dafür zu langsam gewesen waren oder ihre Feinde zu schnell. Sie hatten keinen Plan B ausgemacht, was - rückblickend betrachtet - wirklich dumm war. Man sollte sich nie nur eine Option zur Flucht offen halten, das war fahrlässig... Man sollte aber auch nicht ohne Einladung von der Karte gestrichene Minen in der Mongolei besuchen, das war nämlich erstaunlicherweise mindestens genauso fahrlässig. Der Kugelhagel liess auf einmal sehr abrupt nach - wer auch immer sie da im Visier gehalten hatte, war entweder mit Nachladen, Warten oder Sterben beschäftigt. Sie konnten auf Eins oder Drei hoffen, mussten aber in jedem Fall die Beine in die Hand nehmen, wenn sie hier nicht Wurzeln schlagen und auf ihr Schicksal warten wollten. Aus dem Funkgerät klang Aubreys drängende Stimme, die auf eine Flucht durch die Minen pochte. Was auch sonst, hier draussen war die Hölle los und es war naheliegend, dass mittlerweile jeder Ausgang dicht gemacht sein dürfte und die ganze Umgebung abgeleuchtet wurde. Aryana fand den Gedanken an Minen - unbekannte Gänge durch fremde Hügel, ein zartes Déjà-vu - absolut abstossend. Aber Verbluten oder weiter Durchlöchert-Werden waren die anderen Optionen und die existierten in ihrem Kopf nicht. Nicht, solange Mitch noch lebte und Faye und Victor. Also eilte sie hinter Spencer her, als dieser zur nächsten Deckung eilte. Versuchte, sich so gut es ging an der Feuerdeckung zu beteiligen, als sie sich weiter vorkämpften. Aber ihr Arm machte ziemlich bald ziemlich schlapp, zitterte und schickte die Schüsse überall hin, nur nicht an die prädestinierten Ziele. Harper schien ebenfalls was abbekommen zu haben, wie sich herausstellte, als sie auf ihre drei Kollegen trafen, um fortan wieder zu Sechst den Heimweg zu bestreiten. Er malte eine genauso reizende Blutspur auf den Boden wie Aryana. Auch Isaac bekam einen Streifschuss ab, den der Absender allerdings mit dem Leben bezahlte, bevor er irgendwas in die Welt posaunen konnte. Und trotz der Zwischenfälle erreichten sie den Eingang der Minen vollzählig und bis dahin hatte Cohen ihnen eine Alternativroute vorgelegt. Das Minennetz war kompliziert und sie konnten wohl nur darum beten, dass ihre Karten aktuell waren und ihnen keiner begegnete, sie einen Ausgang fanden und dort keine chinesische Flagge auf sie wartete. Und sie es alle noch so weit schafften, ohne dass irgendwer vorher kollabierte. Unter all den Klamotten war schwer abzuschätzen, wie gravierend die Verletzungen waren... Aber immerhin hatte es sie alle auf wundersame Weise an den Armen getroffen - keine allzu hinderlichen Beinverletzungen oder Organe. Wahrscheinlich.
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Als Scharfschütze hatte man den angenehmen Vorteil nur selten mitten im Geschehen zu sitzen. Meistens war man dort, wo man als Tod von oben wartete, relativ sicher. Gewöhnlich war mir das ein angenehmer Bonus, aber wenn ich gleichzeitig gut begründet mehr als gewöhnlich um Aryanas Leben bangen musste, hätte ich die sichere Stellung gerne eingetauscht. Es lag wohl nicht nur an meiner Liebe zu ihr, dass ich ihr gerne Rückendeckung da unten geben würde, sondern auch daran, dass mir nicht mehr so besonders viel am Leben lag. Wahrscheinlich fast genauso wenig wie in Syrien, was total dämlich war, weil mein Leben jetzt eigentlich trotz der miesen Umstände deutlich besser war. Ich versuchte durch das Visier unsere Truppen auszumachen, aber das Feuer und die streuenden Funken in der Luft machten das zunehmend schwerer - alles daran war heiß, bewegte sich und leuchtete fröhlich im Visier auf. Ich konnte die Mannschaft unten also erst wieder effektiver unterstützen, als ich sie kurze Zeit später auf dem Weg zur Mine einfing. Die Versuchung durch die Art der Bewegung Aryana ausfindig machen zu wollen war groß und deshalb zögerte ich unangebracht, bevor ich mich mit einem Kopfschütteln zur Vernunft brachte. Ich versuchte ihnen die Chinesen so gut es ging vom Arsch zu halten, bevor sie endgültig in der Mine abtauchten und damit aus meinem Sichtfeld verschwanden. Ich konnte nicht alle der chinesischen Soldaten daran hindern, ihnen in den Berg zu folgen, aber es rückten nach ein paar Treffern keine mehr nach. Es war schwer zu definieren, was sie nun stattdessen ausheckten, weshalb ich kurz ausharrte und in der Zwischenzeit nachlud. Ich behielt sie weiter im Auge, kam aber nicht dahinter... bis Noah mir hektisch mittels Funk mitteilte, dass gerade zwei Drohnen abgehoben hatten, von denen er nicht sagen konnte, ob sie bewaffnet waren. Es war allerdings schwer davon auszugehen, weshalb Cohen uns befahl endgültig den Rückzug anzutreten. Ich rutschte also von der Felskante weg und sprang seitlich vom Felsen. Sich mit dem langen Gewehr abzurollen war holprig ausgefallen, weshalb mir als Kollateralschäden Knöchel und Handgelenk wehtaten, aber es hatte mir ein paar Sekunden erspart. Sekunden, die ich dringend brauchte, wie mir unangenehm bewusst wurde, als ich das näher kommende Surren der Drohne erstmals hörte. Ich nahm zwar alles an Deckung mit, was ich irgendwie auf dem Weg einbauen konnte, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis meine Bewegung ins Radar der fortschrittlichen Technologie fielen. Wann immer das blöde Ding schussfreie Bahn hatte, versank ein um die andere kleine Kugel irgendwo neben oder hinter mir im Schnee. Nach einigen Metern ging es steiler abwärts, was der Vorbote für die nächste Katastrophe war - ich blieb nämlich an einem gut im Schnee getarnten Stein hängen und stürzte fröhlich den Berg runter. Ich konnte grade so das Gewehr bei mir halten, während ich die Höhenmeter im Flug hinter mir ließ. Die wegen der Witterung dickere Ummantelung meines Körpers hatte insofern ihren Vorteil, dass ich mir dabei nichts aufriss, aber die Prellungen würden mir für die nächsten Wochen auch ausreichen. Als ich in einer Senke schließlich liegen blieb, rollte ich mich auf den Rücken, ließ ich das Gewehr los und zückte stattdessen die Pistole. Ich brauchte das Nachtsichtgerät nicht, um das kleine, rot blinkende Licht an der Drohne auszumachen. Schon als ich die Arme mit der Waffe ausstreckte, spürte ich den ziehenden Schmerz in meiner Schulter. Ich ignorierte ihn lange genug, um mit dem zweiten Schuss das blöde Ding aus der Luft zu fischen. Danach brauchte ich einen Moment. Ich wusste nicht, wann mir zuletzt der Körper so ganzheitlich weh getan hatte. Da bevorzugte ich wirklich eine Kugel, die irgendwo punktuell ungefährlich im Fleisch steckte... apropos - mein rechter Oberschenkel wurde zunehmend feuchter und äußerlich war keine Beschädigung des Anzugs sichtbar, abgesehen von einem kleinen Loch. Das blöde Ding hatte mir also grade tatsächlich noch eine mitgegeben. Der Sturz hatte mir die Luft aus den Lungen gepresst und ich kam nur schwer zum Durchatmen, während ich mich unter Schwindel wieder aufraffte. Zum Ausruhen war keine Zeit, also fischte ich das Gewehr wieder aus dem Schnee und schleppte mich zurück zum Fahrzeug. Gefühlt in Zeitlupe, weil Rennen mit dem angeknacksten Knöchel und der Kugel schwer möglich war. Noah kam mir schon entgegen, ohne jegliche Blessuren. Nach kurzem Wortwechsel - ob alles okay war - machten wir uns auf Cohens Befehl direkt auf den Rückweg. Am Steuer einer der beiden Späher, der heute nur als Fahrer fungierte. "Sieht aus als hättest du rausgefunden, warum die Idioten von dem Plätzchen im Gebüsch überzeugter waren.", gab er mir süffisant grinsend die Retourkutsche für meine Überheblichkeit. Mir fehlte zum Glück Aller gerade vollkommen die Energie für diese Diskussion und ich war nach dem Ausziehen des wasserdichten Überzugs damit beschäftigt das Einschussloch abzubinden, um den Blutfluss zu stoppen. Noah hingegen schwieg. "Nichts zu sagen..?", hakte ich trocken nach, weil ich seinen nervigen Blick immer wieder auf mir spürte, als ich den Verband abschließend festmachte. Er schüttelte den Kopf. "Die Strafe fürs Versagen und aus der Reihe tanzen wird schlimm genug sein.", stellte er ruhig fest und griff sich dann mein Gewehr, um es restlos vom Schnee zu befreien und in den Koffer zurück zu packen, den er mitgenommen hatte. Ich dachte zuerst an die Strafe, die ich von Aryana dafür kassieren würde, bevor ich an den reichen Milliardär dachte. Es war erleichternd im Funk zu hören, dass auch die anderen erfolgreich aus der Mine hatten kriechen können und sich inzwischen ebenfalls auf dem Rückweg befanden. Die Bilanz dabei war allerdings ernüchternd, um nicht zu sagen schmerzlich - es wurde selten Jemand getroffen und dass ich auch einen Treffer bei Aryana zu verschulden hatte, ließ sich mir gleich wieder die Magengrube umdrehen. Mir wurde nur selten übel, aber grade war mir danach in den Fußraum zu kotzen. Sie hätte draufgehen können, nur weil ich ein überdimensionales Problem mit mir selbst - und mit Eifersucht - hatte. Mein Blick fiel zurück auf Noah, kurz bevor wir am Stützpunkt ankamen. Hätte ich ihn schießen lassen sollen? Ich hatte gemerkt, dass ich nicht schussfähig war und wider besseren Wissens selbst abgedrückt. Es hätte mich auch in Erklärungsnot gebracht, den Schuss an ihn abzutreten... aber es hätte Aryana und auch die Anderen vor diesem Desaster retten können, wie mir mehr und mehr bewusst wurde, als ich von Noah zu der kleinen medizinischen Station begleitet wurde, die eigentlich nicht für mehrere Verletzte gleichzeitig ausgelegt war. Der Arzt fertigte also nur hektisch die Kugel in meinem Bein ab und drückte mir stumpf Schmerzmittel in die Hand, bevor ich entlassen war - quasi pünktlich zum Eintreffen der Anderen.
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Der Weg durch die Minen war in erster Linie dunkel, denn es war bekanntlich Nacht und nachts wurde hier drin nicht gearbeitet. Also bis auf ihre Taschenlampen keine Lichter, was die Orientierung auch nicht erleichterte. Immerhin wurden ihnen nicht sehr lange nachgestellt, da die Verfolgungsjagd nach einigen Verlusten scheinbar abgebrochen wurde. Sie blickte aber auch selten zurück, da sie aufgrund ihrer eingeschränkten Schiessfähigkeit mit Isaac und Harper in der Mitte der Gruppe vorwärts ging und sich lieber nicht mit Gegnern konfrontiert sehen wollte. Was auch nicht passierte. Es gab diverse Möglichkeiten, warum dem so war... Entweder glaubten die Chinesen nicht daran, dass sie als Nicht-Kenner einen Alternativausgang finden würden, der sie nicht direkt zurück zum Chaos führte, oder sie waren zu beschäftigt mit den beiden grossen Feuer im Lager. Oder sie stellten einfach bei jedem Tunnel, der nach draussen führte, eine Falle. Aber davon wollten sie jetzt mal lieber nicht ausgehen, sah es doch gerade viel eher danach aus, als würde die Beinahe-Katastrophe nochmal wirklich glimpflich ausgehen für sie alle. Bis auf die Wunden, die sie schon hatten, aber soweit ersichtlich dürfte keine davon lebensbedrohlich ausfallen. Nur äusserst unangenehm und schwächend in Anbetracht der Tatsache, dass sie Cohens Anweisungen folgend gefühlt ewig unter der Erde durch die Dunkelheit eilen durften, um den angepeilten Ausgang zu finden. Als sie an diesem Ziel ankamen und sie alle nach draussen geschlüpft waren, ohne dass ein einziger Schuss fiel oder ihr Taxi vor ihren Augen in die Luft ging, tätigte Aryana den wohl ersten tiefen Atemzug seit Beginn dieser dämlichen Aktion. Die Erleichterung versuchte fast sofort, das Restadrenalin aus ihren Adern zu verdrängen, was schlagartig zu noch höherem Erschöpfungsempfinden führte. Aber das war schon okay. Wenn wenigstens dieser Teil des Plans aufging, mussten sie heute Nacht genau gar nichts mehr tun, ausser zurück zum Lager zu kommen. Sie drängten sich allesamt ziemlich rasch in die beiden Autos, weil keiner so genau wusste, ob ihre Verfolger tatsächlich einfach aufgegeben hatten, oder doch noch irgendwas ausheckten. Erst während der Fahrt schälte Aryana schliesslich ihren Arm aus der Jacke, verzichtete jedoch darauf, sich auch von den restlichen Stoffschichten zu befreien, bevor Spencer so nett war, ihr beim Druckverband zu helfen. Sie würde auch so nicht verbluten bis zum Arzt und etwas mehr als einen Verband gab es bis dahin nicht zu machen. Sie lebte und irgendwie war das gerade das Einzige was zählte - weil der Weg hierher eben alles andere als entspannter Natur gewesen war. Nicht nur sie, sondern eben auch alle anderen hatten überlebt. Inklusive dem Mann, der längst wieder konstant in ihrem Kopf herumgeisterte, seit nicht mehr 100% ihrer angeschlagenen Gehirnkapazität fürs Überleben draufging. Aryana hatte nichts von Mitch's Verletzungen mitgekriegt, wusste bis dato nur, dass er und Noah genauso auf dem Rückweg waren und dass es ziemlich sicher er gewesen war, der ihnen mit massgeblicher Rückendeckung zur Flucht verholfen hatte. Die Flucht, die so kaum nötig gewesen wäre, wenn er davor nicht so unglücklich geschossen hätte. Warum auch immer - das würde sie ganz sicher noch herausfinden, konnte jeder hier Gift drauf nehmen. Nun galt es aber erstmal, das Lager wiederzufinden und darin schliesslich den Arzt. Für Ersteres war sie nicht zuständig, das erledigte ihr Fahrer sehr zuverlässig und tatsächlich ohne weitere Zwischenfälle, was wirklich erstaunlich war. Die letzten Meter zum Arzt standen jedoch in ihrer Verantwortung, weshalb sie sich mit einem angestrengten Ächzen vom Rücksitz schob. Selbstverständlich führte das umgehend zu nicht ganz so harmlosem Schwindel, den sie innerlich sofort verfluchte, während sie sich an die Autotür krallte, um nicht direkt in Richtung Boden zu segeln. Klassiker. Blutverlust war eine dieser Sachen, die ihr Körper wirklich jedes Mal absolut katastrophal mitmachte. Man erinnere sich an den Moment vor vielen Jahren, am Ende ihrer Syrien-Karriere... Als sie genau darum fast den Löffel abgegeben hätte, wenn Mitch sie nicht bis zum Fluchtwagen gezerrt hätte. So schlimm wars heute zum Glück nicht, aber dass sie den anderen beiden Verletzten beim Arzt den Vortritt lassen wollte, war trotzdem nicht ganz der einzige Grund, weshalb sie sich hier so langsam bewegte. Sie rechnete aber auch nicht unbedingt mit dem, der ihr auf dem Weg dorthin begegnete. Entsprechend blieb die Brünette auch unvermittelt stehen, als sie Mitch erkannte und damit mit einem Schlag siebentausend Gedanken und Gefühle aufs Mal auf sie einprasselten. Erstens: Er lebte noch, was pure Erleichterung bedeutete. Zweitens: Er hatte einen Verband, hinkte, war verletzt - das war nicht gut und stürzte ihr Herz zurück ins Sorgenkarussell. Drittens: Er hatte heute das, was er arbeitstechnisch am allerbesten konnte, hart vermasselt und sie erwartete definitiv eine Erklärung dafür. Viert- ach, was auch immer, sie starrte ihn bereits sekundenlang an, ohne etwas zu sagen und vielleicht sollte sie sich besser darum kümmern als um die Benennung ihrer Gedanken. "Mitch...", die Tonlage, in der dieses eine Wort - sein Name - über ihre Lippen kam, war leider genauso wenig aufschlussreich wie ihre Blicke. Genauso erleichtert, ärgerlich, verwirrt, wütend und besorgt. Dabei waren es nur ein Wort und ihre Augen. Ihr Arm schien sich dazu entschieden zu haben, mit Absicht noch ein bisschen mehr weh zu tun, damit sie in diesem Moment nicht vergas, dass er ihr den Schmerz mutmasslich hätte ersparen können. Aber er hätte auch komplett versagen können. Dann wäre sie jetzt nämlich tot. Aryana machte ein paar weitere Schritte auf ihn zu. "Was... was ist passiert??", als würde er ihr das hier und jetzt einfach so erklären... Als wäre das so einfach, was auch immer es gewesen war. Es war nie einfach, wenn es um Mitch ging…
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Ich wäre ihr gerne erstmal aus dem Weg gegangen. Am besten für mindestens eine Woche, um ausreichend Zeit dafür zu haben, die Antworten auf diverse Fragen zu finden - als hätte das bis dato jemals effektiv so funktioniert. Trotzdem war ich nicht wirklich bereit dafür, der Brünetten jetzt schon über den Weg zu laufen. Meine körperlichen Blessuren kümmerten mich kaum. Natürlich tat es weh, aber inzwischen war mein Leben wohl einfach etwas zu überschwänglich mit Schmerz getränkt. Was machte eine Kugel mehr oder weniger im Bein schon noch aus, bei all den Narben, die ich in den letzten Jahren gesammelt hatte? Der Knast war was das anging auch zu ergiebig gewesen, den einstigen Cut nahe der Augenbraue sah man noch immer deutlich. Im Grunde hatte es sich dort nach einer Weile ohnehin so angefühlt, als würde mir jeder Knochen und jeder Muskeln parallel zu meinem immer kranker werdenden Schädel nur noch weh tun. Ich schweifte ab. So wie ich das in letzter Zeit ständig tat. Immer und immer wieder, in den allerblödesten Momenten. Ich hatte versuchte mich zu konzentrieren, aber das hatte nicht gereicht. Wäre ich konzentriert gewesen, dann hätte ich es mir für nach dem Gefecht aufgehoben, Noah von der Seite anzufahren. So machte ich das sonst immer - also dann, wenn ich etwas keinesfalls in den Sand setzen wollte. Was normalerweise immer dann war, wenn ich im Einsatz war, weil ich Aryana nicht auf dem Gewissen haben wollte. Die anderen im Team eigentlich auch nicht, aber dass die absolut nicht meine Priorität waren, brauchte ich kaum zu erzählen. Waren sowieso größtenteils Arschlöcher. Was aber sollte ich jetzt auf diese Frage antworten? Ich war mit der Packung Schmerzmittel in der Hand stehen geblieben und schwieg, seit sie meinen Namen gesagt hatte. Starrte sie inzwischen also schon länger wortlos an, als das umgekehrt der Fall war. Hatte dabei auch schon ihren blutigen Arm - beziehungsweise den roten Verband darüber - gemustert und unterbewusst geschluckt. Das einzige, was mir noch wirklich lästig wehtat, war das Herz. Deshalb sah ich auch lieber auf das Blut, als ihr in die Augen zu sehen. Ein kurzer Moment hatte locker ausgereicht um zu merken, dass ich nicht sehen wollte, was sich alles darin widerspiegelte. "Hab nicht getroffen und fast alle umgebracht... inklusive dir, offensichtlich." Ich klang schrecklich stumpf, man hätte meinen können ich hatte beim Sturz vorhin mein letztes Bisschen Menschlichkeit im Schnee verloren. Mein Körper war so müde wie mein Kopf und es waren nur meine leicht glasigen Augen, die verrieten, dass in mir grade alles drunter und drüber ging. Natürlich war das nicht die Antwort, die Aryana hören wollte, aber letzteres konnte ich ihr hier und jetzt schlichtweg nicht geben. Nicht hier zwischen Tür und Angel, während sie nur dank des Verbands nicht den Boden volltropfte und potenziell ständig irgendwer vorbeikommen könnte, um zu lauschen. Nur einen kurzen Moment streifte mein Blick Aryanas, als ich mich in Bewegung setzte und an ihr vorbeiging. Wir mussten uns dieses Gespräch für später aufheben. Sie musste sich ihre Behandlung abholen und ich brauchte einen kurzen Wortwechsel mit Noah, der sich wegen seiner Überflüssigkeit auf der Versorgungsstation wieder verdünnisiert hatte. Er war allerdings ohnehin zu mir unterwegs, weil Cohen uns beide sprechen wollte. Da die anderen teils getroffen waren fiel die Gruppenversammlung zum Bilanzziehen wohl für heute noch aus - nur für mich gab es keine Schonfrist, weil ich Mist gebaut hatte und Noah war nun mal der einzige Augenzeuge dessen. Der einzige, der meine Aussage be- oder widerlegen konnte. Zeit zum Austausch über die Aussage blieb uns auf dem kurzen Weg nicht. So wie ich ihn vorhin angeschnauzt hatte, war ich wahrscheinlich doppelt am Arsch. Zumindest dachte ich das. Ich hatte die Wahl mein Versagen entweder auf Pech, körperliche Beschwerden oder auf die Wahrheit zu schieben. Der schlüpfrige Aal, der sich schon in Syrien aus der Verantwortung hatte ziehen wollen, als ich aufgeflogen war, kam auch dieses Mal als erster an den entscheidenden Hebel in meinem Kopf. Ich log also - sagte, dass er sich im letzten Moment unvorhersehbar bewegt hatte und ich danach zu langsam beim Nachladen gewesen war, weil der Rückstoß an meiner Schulter Schmerzen ausgelöst hatte. Im Grunde tat sie öfter mal weh, weil sie eben für immer geschädigt bleiben würde - war also gar nicht so unwahrscheinlich, selbst bei mildem Rückstoß dank guter Technik. Noah bestätigte das, ohne mit der Wimper zu zucken. Sagte sogar, dass ich anschließend über Schmerzen geklagt hatte. Obwohl er da schon wusste, dass er kurz darauf mitverantwortlich für meinen nicht autorisierten Alleingang gemacht wurde. Dementsprechend verwirrt musste ich ihn also auch ansehen, als wir Cohen nach dem Anschiss in seinem vorübergehenden Büro zurückließen und den Flur entlang gingen. "Ich bin kein Freund davon, Jemanden zu verpfeifen... was nicht heißen soll, dass ich diese Lüge befürwortet hätte, hättest du mich vorher gefragt." Mir erschien diese Erklärung mit gesenkter Stimme seinerseits noch nicht ausreichend, weshalb ich ihn weiterhin irritiert von der Seite ansah. Er seufzte und blieb stehen. "Krieg dich in den Griff und bleib das nächste Mal gefälligst Zuhause, wenn du nicht einsatzfähig bist. Du wusstest das lange bevor du abgedrückt hast. Den Arschabwischer da drin kannst du belügen, dich selbst aber nicht... und Easterlin wird ein Wehwehchen in der Schulter auch nicht interessieren, wenn er dich mit dem Bericht auf dem Schreibtisch dafür zur Rechenschaft zieht. Überleg dir also lieber schonmal sehr gut, was du sagst." Mit einem wissenden, trockenen Lächeln und einem leichten, dennoch schmerzhaften Klopfer auf die besagte Schulter ließ er mich im Flur zurück. Ich stand da sicher noch zwei Minuten lang, bevor ich mich in Bewegung setzte und das Zimmer aufsuchte, in dem Aryana und ich vorübergehend untergebracht waren. Kaum hatte ich mich am Fußende aufs Bett sinken lassen, war Noahs Güte auch schon völlig egal. Die Frage danach, ob ich Aryana bald Päckchenweise an die Haustür geliefert bekam, fühlte sich nach wenigen Sekunden so erdrückend an, dass ich zeitweise vergaß zu atmen und stur in den Raum starrte, statt anzufangen mir die Einsatzklamotten auszuziehen. Schließlich senkte ich den Kopf und übte mit den Handflächen Druck auf meinen Schädel aus. Das half aber auch nicht, sondern führte nur dazu, dass sich stumm die beiden vorhin verdrängten Tränen lösten und sich mein Blick auf die Pistole im Holster an meinem unverletzten Oberschenkel senkte.
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Eigentlich hatte sie schon gewusst, dass es eine dumme Idee war, eine solche Frage hier zwischen Tür und Angel zu stellen. Sie hatte es aber trotzdem getan, weil sie ja irgendwie auch nicht einfach stumm an ihm vorbeispazieren und so tun konnte, als würde sie ihn nicht kennen. Oder was auch immer die Alternative zu ihrer Frage gewesen wäre. Sie fühlte sich auch einfach gerade kaum im Stande, irgendwie auch noch auf ihn und seine Empfindungen Rücksicht zu nehmen und aufzupassen, was sie hier sagte, das ihm allenfalls zu heikel sein könnte. Das war irgendwie eh nicht ihre Aufgabe, oder? Sie war ja nicht die, die mit einem falschen Schuss sowohl die Mission als auch die Leben gefühlt aller Teammitglieder gefährdet hatte. Das hatte er getan. Somit war ihrer Meinung nach momentan niemand so brennend an der Reihe mit einer Entschuldigung wie er. Sie wusste einigermassen, wie Mitch tickte und eigentlich konnte sie auch seine stumpfe Antwort, sein Auftreten und das verräterische Glänzen seiner Augen bestens einordnen. Wusste, dass er gerade unendlich mit sich kämpfte und aufgewühlter war als die ganzen letzten Wochen sowieso schon. Sie hatte es schon vor dem Einsatz gewusst, dank der Szene im Zimmer. Vielleicht war sie mitschuldig an diesem Desaster. Nicht nur vielleicht. Aber am Ende war es sein Finger gewesen, der den Abzug trotz Zittern getätigt und damit ihre Leben gefährdet hatte. Er hatte Noah dabeigehabt und Noah verstand durchaus ebenfalls was vom Handwerk eines Scharfschützen - Mitch hätte die Aufgabe abgeben können, wenn er sich nicht gut gefühlt hätte. Hatte er nicht getan. Und das machte sie wütend. So wie er aussah, hätte er sich dadurch nämlich selbst beinahe ins Jenseits befördert. Das war so unendlich leichtsinnig und idiotisch, hatten sie nicht abgemacht, füreinander am Leben zu bleiben?? "Inklusive dir.", waren die zwei trocken gemurmelten Worte, die er als Antwort auf seine Feststellung zurück bekam. Er fragte nicht mal, wies ihr ging. Einfach gar nichts - und dann trottete er davon. Aryana blickte ihm hinterher, ihr Kopf wiegte komplett ratlos von links nach rechts und es war gut möglich, dass das feuchte Glänzen in seinen Augen sie angesteckt hatte. Wo sollte das bitte noch hinführen? Die nächste Station in dieser Richtung war das Ende und das wussten sie beide. Nicht das Ende ihrer Beziehung, die hier so wundervoll funktionierte, sondern das wirkliche Ende, weil mindestens einer von ihnen draufging. Heute hatten sie es beide noch irgendwie geschafft, aber ihr Glück war aufgebraucht und das spürte sie. Wenn sie es jetzt nicht schafften, das Ruder ein für alle Mal rumzureissen, dann zerschellten sie an den Felsen, ertranken im Wasser und keiner würde unter den tosenden Wellen ihre Schreie hören, während sie erstickten. Es brauchte letztendlich die Hilfe von Aubrey, die Aryana bis zum Arzt führte, weil sie sonst wohl den Rest der Nacht auf dem Flur gestanden und ihrem Freund hinterhergetrauert hätte. Dazu kams aber nicht und sie wurde von Dr. Houston endlich dazu animiert, auch die restlichen Schichten der dicken Kleidung auszuziehen, damit sie ihm und sich selbst überhaupt mal freien Blick auf ihre Verletzung gewährte. Ein Durchschuss wie die beiden Löcher vorne und hinten an ihrem Oberarm verrieten, wobei hier und jetzt nicht ersichtlich war, was die Kugel in ihrem Arm angerichtet hatte und ob sie wirklich nur Haut und Muskeln erwischt hatte. Es war aber ehrlich hässlich genug so und die Schmerzen reichten ihr auch. Aber sie lebte noch. Was nicht zwingend der Fall wäre, wenn die Kugel sie um zehn bis zwanzig Zentimeter verschoben getroffen hätte. Ihr Herz war zwar unter die schusssichere Weste gepackt, aber auch die hatte ihre Schwachstellen - und ihr Hals war fast komplett ungeschützt. Sie sollte nicht darüber nachdenken. Wie gesagt, sie lebte noch. Und nachdem sich Houston soweit um die Verletzung gekümmert hatte, dass die umfangreichere Behandlung bis zuhause warten konnte, packte die Brünette ihre Kleidung zusammen und verpisste sich erstmal - natürlich auch mit einer netten Packung hoffentlich starker Schmerzmittel ausgestattet. Sie fühlte sich unendlich müde und ausgelaugt - mal wieder - aber dank dem Blutverlust sehnte sie hauptsächlich einfach den Schlaf herbei und wollte sich gar keine Gedanken mehr über irgendwas anderes machen. Auch nicht über ihren Freund, den sie wieder antraf, als sie die Tür zu ihrem gemeinsamen Zimmer aufschob. Sie hatte gar nicht den Nerv, irgendwas zu sagen, weil sie eine weitere Antwort wie vorhin ehrlich gerade nicht ertrug. Trotzdem lag ihr Blick natürlich eine ganze lange Weile unbewegt auf ihm, nachdem sie die Tür hinter sich ins Schloss geschoben hatte. Er sah absolut zerstört aus und zwar auf ganz genau jeder erdenklichen Ebene. Komplett gebrochen, zerstampft, verschlungen und wieder ausgekotzt. Kurz gesagt: Einfach am Ende. Er tat ihr unendlich leid. Aber zugleich war sie noch immer so wütend. Und mindestens genauso ratlos und überfordert. Wie gesagt fehlte ihr gerade jegliche Kraft, um eine weitere Abweisung wegzustecken oder aber so lange nachzuhaken, bis er ihr sagte, was es offensichtlich zu sagen gab und hier so erdrückend im Raum stand. Darum war es diesmal sie, die einfach nichts sagte. Sie schmiss die blutgetränkten Kleidungsstücke irgendwo in eine Ecke und begann damit, sich aus den restlichen Sachen zu schälen - möglichst ohne allzu stark zu wanken. Wäre schön, wenn sie die Dusche vor dem Schlafen noch hinbekam, ohne zu kippen. Wenn nicht halt nicht, schlimmer wurde dieser Tag sowieso nicht mehr.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Für ein paar sehr lange Sekunden verteufelte ich meinen Überlebensinstinkt. Die Drohne hätte mir mit den kleinen Kugeln zwar am ehesten einen langsamen Tod durch Verbluten beschert, wenn sie nicht meinen Kopf getroffen hätte, aber ich hätte nichts tun müssen, als nach dem Sturz im Schnee liegen zu bleiben. Das hätte mir den Blick auf die Waffe erspart, nach der ich sowieso nicht greifen würde. Auch die ätzend schmerzhafte Stille, die trotz Aryanas Anwesenheit vorerst anhielt, weil ich es nicht fertigbrachte sie anzusehen oder gar was zu sagen. Also das zu tun, von dem ich vor wenigen Stunden sogar noch gesagt hatte, dass es so bitter nötig war. Trotzdem zogen die schweigsamen Sekunden ins Land, bis die Brünette im anliegenden Band verschwunden war. Dass ich sie im Augenwinkel sichtlich an der Verletzung zehrend gesehen hatte, war wohl der Auslöser dafür, dass ich tonlos zu weinen anfing, kaum hatte sie die Tür hinter sich zugemacht. Nur ein Funken weniger Glück und ich hätte Faye Zuhause erklären müssen, warum sie ihre Schwester beerdigen durfte - sofern sie diese Möglichkeit dann überhaupt bekommen hätte. Dass ich meinen eigenen Tod willentlich in Kauf nahm war mir nicht neu und auch nicht erst seit gestern so. Vielleicht war es das, worauf ich es unbewusst angelegt hatte - vielleicht auch nicht. Aber wie selbstzerstörerisch und ignorant musste man bitte veranlagt sein, um auch noch mutwillig die Person mit in den Tod zu reißen, die einem am meisten bedeutete? Das ließ sich weiß Gott nicht einfach auf eine stark angeknackste Beziehung schieben... und es sah dem Mitch, nach dem ich schon etliche Monate auf der Suche war, ganz und gar nicht ähnlich. Es kam mir zugute, dass Aryana im Bad länger brauchte als gewöhnlich, weil es sich mit einer frischen Schussverletzung grundsätzlich scheiße duschen ließ. So hatten die Tränen genug Zeit zu laufen und ich konnte aufstehen, um unruhig im Kreis zu laufen und dabei krampfhaft zu versuchen mein Hirn umzukrempeln, weil es gerade alles tat, außer das wozu es eigentlich da war - sinnvoll denken, nicht so viel Schwarzmalerei, nicht zu viel Selbsthass, nicht zu viel was wäre wenn, hätte, könnte, sollte, müsste. Ich versuchte mich an die bekannten Fakten zu halten, um einen Anhaltspunkt dafür zu finden, was ich überhaupt sagen wollte und entwickelte dabei tatsächlich ansatzweise sowas wie einen roten Faden. Es war leichter sich von ganz vorne der Reihe nach durchzuarbeiten, als sich nur ein paar Dinge rauszunehmen und sie zusammenhanglos zu präsentieren. Ich hatte also einen wunderbaren Fast-Gesprächsplan, als Aryana sich zurück ins Zimmer schleppte, nur damit sich pünktlich auf die Sekunde die schier unüberwindbare Wand in meinem Kopf wieder hochzog. Als ich mich mit noch nassen Wangen - ich versuchte die noch vereinzelt laufenden Tränen inzwischen einfach komplett zu ignorieren, weil Weinen nicht zu meinem Ideal meiner Selbst passte - zu der jungen Frau umdrehte und den Mund aufmachte, kam da wieder ein herrliches Nichts. Natürlich war ich dann sofort gewillt das Weite zu suchen, nur konnte ich hier Nirgends hin. Raus auf den Flur und maximal raus aus dem Gebäude, aber ich konnte nicht einfach ziellos in der Mongolei spazieren gehen. Konnte mich hier in keine Bar flüchten, um die Gedanken und die Schuldgefühle zu ersaufen, nicht dieses Mal. Ich schien dieses Ultimatum zu brauchen, weil entweder mein Brustkorb oder mein Kopf zeitnah explodieren würde, wenn ich das Maul nicht aufbekam und einfach schweigsam ins Bett kroch. Nach schier endlosen weiteren Sekunden, in denen ich völlig aufgeschmissen mitten im Raum gestanden hatte, ließ ich den Kopf nach vorne kippen. Raufte mir die Haare nach hinten und hielt zum Ende hin einen Moment inne. Ich seufzte schließlich, ließ die Hand wieder sinken und hob das Kinn an, um Aryana ansehen zu können. Nach einem stockenden, schweren Atemzug war ich dann auch endlich mal soweit. Hatte mich ja nur den Fast-Tod eines geliebten Menschen gekostet, was solls. "Wenn ich jetzt zu reden anfange, dann... rede ich dich wahrscheinlich in den Schlaf, weil ich nicht aufhören sollte, wenn ich mal angefangen habe... ich weiß, dass du müde bist und den Schlaf mit der Verletzung mehr als nötig hast... aber es kann nicht warten, bis wir wieder Zuhause sind, weil... weil ich da wieder die Option habe, mich stattdessen einfach feige zu verpissen." Die Parts waren eindeutig wirr zusammengekratzt, aber der Kern war da. Der Rückflug war für morgen am frühen Mittag angesetzt, wenn alle wieder halbwegs fit und ausgeschlafen sein würden. Oder halt auch nicht, weil ich die Hälfte des Trupps in meinem Wahn fast gekillt hätte. Wir würden in jedem Fall vor dem Flug nicht die Zeit haben, noch ein endloses Gespräch zu führen. Ich hatte beim Reden längst wieder angefangen durch die Gegend zu tigern, weil ich dann überall hingucken konnte, außer in Aryanas Richtung. Ich war nicht fähig sie länger als fünf Sekunden anzusehen, ohne im nächsten Schub Selbsthass zu versinken. "Ich hab's jetzt grade wirklich nicht verdient und es ist ein echt schlechter Zeitpunkt dafür, aber bevor ich... ich... ich muss wissen, was du gesagt hast. Neulich, als du bei Faye warst und sie dich gefragt hat, was... was du am meisten an mir liebst." Ich fühlte mich scheiße damit ihr diese Frage ausgerechnet jetzt zu stellen, aber ich musste es hören, um den Stein ins Rollen zu kriegen. Ungeachtet der Tatsache, dass ich in diesem Augenblick wahrscheinlich gar nichts von dem verkörperte, was sie an mir zu schätzen wusste. Zero, Nada, Nichts.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈