Ich sah ans Fenster des Mietwagens gelehnt nach draußen, folgte mit den Augen den vorbeiziehenden Wäldern und immergrünen, schier endlosen Wiesen, die immer wieder von Seen und Flüssen unterbrochen wurden. Zugegeben war es ein klimatischer und kultureller Schock für mich als Italiener, mich in einem Land wie Norwegen wieder zu finden. Aber ich würde mich wohl oder übel an das feucht-kalte Wetter gewöhnen müssen, wenn ich mein altes Leben wirklich gänzlich hinter mir lassen wollte. Andererseits war es sicher auch nicht verkehrt, wenn mich hier Nichts an meine Heimat erinnern konnte - nicht, dass ich eine Wahl gehabt hätte, nachdem ich mich der Polizei gestellt und ausgepackt hatte. Sie hatten mich wie so viele andere hochrangigere italienische Mafia-Midglieder schon lange auf dem Schirm, mich aus gutem Grund nur niemals aufgefunden oder gar dingfest machen können... dementsprechend grob war ich bei meinem vollkommen friedlichen Eintreten auf dem Polizeirevier empfangen worden. Zu Boden gestoßen und in Handschellen verfrachtet, trotz erhobenen Händen und keinerlei Waffen, die ich sonst für gewöhnlich bei mir getragen hatte. Obwohl sie jedes Recht hatten derartig mit einem Mörder und Drogenverticker umzugehen, nahm ich es den Bullen übel. Mied auch hier jetzt so weit es mir möglich war den Kontakt zu der FBI-Agentin, die mir zwangsweise auf Schritt und Tritt durchs Land folgte, um bloß sicher zu gehen, dass ich keinen Mist baute oder irgendwas anderes Verrücktes vor hatte. Ich hatte keine bösen Absichten, wollte wirklich einfach nur mit der ganzen Scheiße abschließen, zeigte das auch eigentlich in sämtlichen Gesprächen - die ich halt nunmal eben führen musste - ganz offensichtlich, aber mir wurde natürlich trotzdem nicht auch nur einen Millimeter über den Weg getraut. Und das, obwohl ich niemals wieder zurück konnte, selbst wenn ich wollte, weil es mein sicherer Tod wäre. Man konnte nicht zahlreiche Informationen zum Aufenthalt und zu den Geschäften eines Mafia-Bosses, der Dank mir jetzt auch ein Gesicht hatte, bei der Polizei ausplaudern und dann frisch fröhlich weiter durchs Land spazieren, als wäre Nichts dergleichen passiert. Deswegen auch Norwegen als Zeugenschutzprogramm. Ich hatte die ewig lange Fahrt quer durchs Land einfach über mich ergehen lassen, weil wir aus Sicherheitsgründen nicht direkt in Oslo hatten landen dürfen, wo wir jetzt Gott sei Dank endlich zum Stehen kamen. Nicht mitten in der Stadt, viel mehr in einem unauffällig wirkende Vorort direkt am Rande der Landeshauptstadt. Ich trug zwar keine Handschellen mehr, aber die Blicke, die vehement auf mir ruhten, als ich langsam aus dem dunkelblauen Volvo stieg, ersetzten diese sinnbildlich ziemlich gut. Als würde ich auch nur ansatzweise Anstalten zur Flucht machen. Ich sah mich ein wenig um, drehte mich dabei einmal um die eigene Achse, um die neue Nachbarschaft genauer unter die Lupe zu nehmen. Wirkte wie jeder andere Vorort einer Großstadt recht ruhig, auch wenn vereinzelt ein paar Autos an uns vorbeizogen. Es war Alles viel weiter und offener gebaut, als in meinem Italien, was mich zwangsweise schon ein unangenehmes Gefühl entwickeln ließ. Schien mir persönlich nicht so gut zum Untertauchen, wenn die Häuser so vereinzelt und mit Grünfläche außenherum gebaut waren, aber die würden schon wissen, was sie da taten. Jedenfalls ging ich zum Kofferraum, zog die Klappe hoch, um das bisschen an Klamotten und Co., was ich hatte mitnehmen dürfen, herauszunehmen. Ich hatte mich auf das Nötigste beschränken müssen, aber das war in Ordnung. Man packte ja auch nicht all seinen alten Kram ein und nahm ihn mit, wenn man einen Neustart hinlegen wollte.
Ich verharrte nun schon seit mehreren Stunden in ein und derselben Position - Arme verschränkt, der Blick so kalt, dass man bei einem direkten Anblick davon hätte Frostbeulen bekommen können. Seitdem wir von unserem Zwischenhalt in Göteborg - Schweden - mit dem Auto zu unserem eigentlichen Zielort abgeholt worden sind, hing ich mit den Gedanken bei meiner Familie und ließ das, was passiert ist, noch einmal Revue passieren. Es war letzte Woche Dienstag gewesen, der Tag verlief normal, einige böse Jungs wanderten ins Gefängnis und eigentlich hatte ich allen Grund, mit einem zufriedenen Lächeln nach Hause zu gehen. Wenn mich nicht in aller letzer Sekunde mein Vorgesetzter in sein Büro gebeten hätte. In der Annahme, dass er noch einmal über den Fall von letzter Woche reden wollte, nahm ich Platz. Noch bevor meine vier Buchstaben final den abgenutzten Ledersessel erreichten, teilte mir mein Chef mit, dass ich ab nächste Woche für mehrere Monate in Norwegen eingesetzt werden würde. Noch bevor ich fragen konnte, wieso und weshalb, schob er mir eine dicke Kriminalakte zu. So voll, dass sie in ihrem jetzigen Behältnis kaum mehr zuzuklappen war. "Sabin Mazzanti, 28 Jahre alt, ein nicht unwichtiger Teil der italienischen Mafia, die sich, wie du sicher weißt, auch hierzulande immer ausbreitet. Er kam gestern mir nichts, dir nichts ins Polizeipräsidium spaziert und hat ausgepackt", erklärte Woods. Misstrauisch hob ich eine Augenbraue "Ausgepackt?", fragte ich verwundert. "Einfach so?" Woods nickte. Während ich ihm auf einem Ohr zuhörte, was mich in der kommenden Woche erwarten würde, warf ich ein Blick in die Unterlagen. Drogenschmuggel, Hehlerei, Mord... es war alles dabei. Gut eine halbe Stunde verging, bis ich das Büro wieder verlasse und endlich nach Hause gehen konnte. Wobei ich mir das mit der Entspannung wohl abschminken konnte. Daheim angekommen musste ich wohl oder übel sowohl meinen Ehemann, als auch meinem Sohn erklären, dass Frau bzw. Mama erst einmal weg sein würden. Es stand einiges zur Diskussion an, sodass ein Zubettgehen erst weit nach Mitternacht möglich war. Tja. Und eine Woche später saß ich hier. Im dunkelblauen Volvo der mich straight in Richtung mehr oder weniger unbekanntes Terrain führte. Gänzlich unbekannt war mir die Umgebung zwar nicht, immerhin war das erst der ausschlaggebende Punkt gewesen, warum gerade ich diesem Einsatz zugeteilt worden war. Woods erklärte mir lang und breit, dass ein Leben für Mazzanti in Italien nicht mehr möglich war und auch Amerika keinen guten Schutz bot. "Norwegen!", stieß er schließlich freudig aus. "Dein Norwegisch ist perfekt. Du wirst ihn begleiten und ihm grundlegend beibringen, wie es sich in Europa lebt!" Hm. Damit hatte er mich dran gekriegt. Leider war ich einer der wenigen Spezialagents, die eine Fremdsprache gut bis sehr gut beherrschten. Grund dafür ist, dass ich jahrelang mit meinen Eltern dort gewohnt hatte, als Hillbilly irgendwo in den norwegischen Bergen. War also klar, dass ich wusste, wie man dort überlebt. Trotzdem fand man mein Bild nicht neben der Erklärung, die man im Duden zum Wort begeistert finden würde. Na ja. Als wir nach einer schier endlosen Zeit des Schweigens endlich unser Ziel erreicht hatten, hatte ich Mühe, meine Arme schmerzlos durchzustrecken. Ein leises Stöhnen begleitete mich beim Ausstieg aus dem Wagen. Prompt merkte ich, dass die Witterungsverhältnisse hier ganz anders waren, als im warmen Amerika. Auch Italien, wo ich de Bengel hatte abholen müssen, war deutlich wärmer gewesen. Vorsorglich hatte ich mir bereits eine Mütze ins Handschuhfach des Wagens gesteckt, die ich mir kurze Zeit später über die dunkelblonden Haare zog. Mit den Augen meinen Schützling fixierend, holte auch ich mein Gepäck aus dem Kofferraum, bedankte mich auf norwegisch bei unserem Fahrer, der uns wenig später alleine inmitten der kleinen Nachbarschaft alleine ließ. Auch ich drehte mich einmal um meine eigene Achse, stellte fest, dass ich diesen Teil Norwegens nicht kannte und ließ dann nicht lange darauf warten, die Unterkunft für die nächsten Monate anzusteuern. Seit Italien wechselte ich jetzt das erste Mal wieder ein Wort mit Mazzanti. "Ich muss Ihnen hoffentlich nicht noch erklären, wie das hier so läuft. Sie verhalten sich ruhig, Amtswege erledigen wir gemeinsam. Als erster Punkt wartet ein Sprachkurs auf Sie. Anders werden sie hier draußen schwer überleben. Die Norweger sprechen kaum Englisch", leierte ich in einer monotonen Stimmlage herunter. Mit einem Finger zeigte ich auf ein kleines Drei-Zimmer-Bungalow. "Hier werden Sie künftig leben. Zumindest solange, wie Sie die Sprache lernen und noch nicht arbeiten, verstanden?" Ohne überhaupt eine Antwort zu erwarten, setzte ich mich schlurfend in Bewegung. Zum Glück lag noch kein Schnee, aber das Klima ließ darauf schließen, dass dieser nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Meine Hand wanderte auf halben Weg zur Tür in die Hosentasche. Dort hatte ich den Haustürschlüssel verstaut, mit dem ich die Unterkunft wenig später öffnete. Schön war anders, aber es sollte ja auch nur vorübergehend etwas taugen..
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Ich hatte mich eigentlich an das angenehmere Schweigen gewöhnt, als das Weib jetzt der Meinung war, mir noch einmal erklären zu müssen, dass ich Regeln zu befolgen hatte. Regeln und auch Pflichten, einen Sprachkurs zum Beispiel. Norwegisch war jetzt weder vom Klang, noch von der Schreibweise her eine Sprache, von der ich auf Anhieb sagen würde, dass ich sie mit Freuden lernen würde. Aber ich hatte wohl nicht wirklich eine Wahl, wenn die Hinterweltler hier nicht bereit dazu waren, sich eine Allerweltssprache anzueignen. Englisch sprach ich fließend, wenn auch natürlich mit dem gewissen südländischen Akzent. Auch Französisch, das ebenfalls eine weit verbreitete Sprache war, sprach ich zumindest ein bisschen, wenn auch weniger gern. Aber Norwegisch? Keine Chance, hatte ich nie gebraucht. Dann war da noch das siezen. Ich würde die Agentin siezen müssen, was allein für sich auch schon wieder eine Umstellung für mich war. Bis auf meinen Boss hatte ich gefühlt schon seit meiner Jugend nie wieder Jemanden gesiezt. War nicht notwendig, immerhin war sonst ich einer derjenigen gewesen, die der 0815-Drogenverkäufer hatte höflich ansprechen müssen. Mit Respekt. Es war wohl auch kein Geheimnis, dass ich die Bullen - so auch die noch verhältnismäßig junge Agentin an meiner Seite - nicht wirklich respektierte, sie sich in meinen Augen mindestens dadurch beweisen müssen würden, dass sie den Hurensohn von Kindermörder in Italien zur Strecke brachten. "Ja, weiß ich.", war auch schon Alles, was ich nüchtern darauf erwiderte. Ich hatte das Alles ja schonmal gehört, wenn auch eher nur in Stichpunkten und weit weniger ausführlich. Aber im Grunde genommen wusste ich, was ich zu tun und wie ich mich zu verhalten hatte, damit ich weiterhin das Zeugenschutzprogramm genießen und nicht doch noch eingesperrt wurde. Wobei ich mich immernoch fragte, wie die Cops oder ich selbst Jemanden mit gesundem Menschenverstand dazu kriegen wollten, mich für sich arbeiten zu lassen. Aber gut, war wieder ein anderes Bier. So folgte ich Evans etwas übermotiviert bis zur Tür, wartete fast hektisch darauf, dass sie aufschloss, damit ich aus der kalten Hölle raus und ins warme Innere des kleinen Hauses verschwinden konnte. Schließlich drinnen angekommen folgte blanke Ernüchterung. Ich hatte kein Fünf Sterne Hotel erwartet, aber ich würde mich schon sehr umgewöhnen müssen, hatte ich vorher in einer kleinen, gut von Wäldern getarnten Villa an einem leichten Berghang gewohnt. Meine Kohle hatten sie natürlich beschlagnahmt. Also zumindest den größten Teil, von dem ich erzählt hatte, weil sie keine Ruhe gegeben hatten. Ich wäre ein wirklich schlechter Verbrecher, würde ich all mein Geld an ein und demselben Ort oder gar auf einem nachvollziehbaren Konto bunkern. Trotzdem kam ich von Norwegen aus an den Rest nicht ran. Demnach ließ ich meine Tasche mit einem resignierten Seufzen auf den Boden sinken, nachdem ich mich einmal flüchtig im Wohnbereich umgesehen hatte, wanderte danach mit meinen Augen das erste Mal am heutigen Tag freiwillig zu Evans'. "Nehmen wir an, ich bin ein Musterschüler... wie lang muss ich's dann mindestens hier aushalten?", hakte ich trocken nach, raufte mir die Haare, von denen mir beim Ablegen der Tasche ein paar Strähnen verrutscht waren. Wurde wieder Zeit für einen kürzeren Haarschnitt, entpuppten sich die längeren Haare nach einer gewissen Zeit doch immer wieder als nervig.
Ich stellte das Köfferchen, in dem sich nur das Nötigste befand, neben einer abgewetzten Couch inmitten des verhältnismäßig großen Wohnzimmers ab. Für gewöhnlich war ich ein sehr naiver Mensch, versuchte, in jedem das Gute zu sehen, aber wenn man dann für mehrere Monate mit einem Schwerverbrecher und potenziell sehr gefährlichem Menschen unter einem Dach leben sollte, überdachte man doch so Manches. Wie auch ich in diesem Moment. Vielleicht mag er es akustisch verstanden haben, aber ich bezweifelte, dass es auch bei ihm im Kopf und nicht nur in den Ohren angekommen war. Früher oder später würde sich herausstellen, ob er dann auch wirklich die Wahrheit sagte. Fürs Erste nickte ich seine Antwort schweigend ab. Ich inspizierte Küche und Bad, während ich mir eine geeignete Antwort auf seine Frage einfallen ließ. Tja, wie lange würde es wohl dauern? "Kommt ganz darauf an, wie gewillt Sie sind, die Sprache zu lernen. Mindestens können Sie mit einem halben Jahr rechnen", murmelte ich. Die Einrichtung war für den optischen Zustand top gepflegt. Vor unserer Ankunft wurde die Wohnung scheinbar grundgereinigt, denn ich konnte keinen Staub oder irgendwelche Verschmutzungen feststellen. Nach abgeschlossener Inspektion wandte ich mich Mazzanti zu, lehnte mich gegen die Küchentheke, an der ich zuletzt Halt gemacht hatte. "Es kann aber gut auch ein Jahr oder länger dauern", fügte ich hinzu. Grund dafür wäre in meinen Augen das mangelnde Interesse am Lernen der Sprache und der Aspekt, dass kaum einer einen solchen Typen einstellen würde. Seine Strafakte war hierzulande zwar leer, aber alleine vom äußerlichen her war er doch das schwarze Schaf unter den Skandinaviern. Es würde schwer werden, ihn auf dem norwegischen Arbeitsmarkt unter zu bekommen, aber es blieb uns nicht viel übrig, als es zu versuchen. "Da wir früh angekommen sind" - es war etwa 12 Uhr Mittags Ortszeit - "haben wir noch genug Zeit, zumindest den Gang zum Arbeitsamt zu erledigen." Zwar wurde die Unterkunft und auch der Sprachkurs erst einmal von der Regierung bezahlt, aber auch für Essen und Trinken war nur begrenztes Budget vorhanden. Zumindest für Mazzanti. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als nebebei jobben zu gehen, um den Kühlschrank füllen zu können - und das auf ganz legale Art und Weise. Mag sein, dass er in Italien viel Geld besessen hatte, aber das würde ihm hier nicht viel bringen. "Ich halte es für eine gute Idee, wenn wir uns kurz darber unterhalten, wie das Ganze ablaufen wird und was sie sich vorstellen könnten, hier zu machen", ich deutete auf die Couch, auf der ich wenig später an der äußersten Kante Platz nahm "setzen wir uns doch kurz. Haben Sie Interessen, die man eventuell bei einem Gespräch mit dem Sachbearbeiter einbringen kann? Sie werden vermutlich keine allzu große Auswahl neben dem Sprachkurs haben, aber wenn sich eine Möglichkeit anbietet, dann sollten wir diese nutzen." Erfahrungsgemäß machte eine Arbeit, für die man sich interessierte doch ein wenig mehr Spaß.
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Ein halbes Jahr. Ich würde diese Frau ein ganzes halbes Jahr gefühlt zu jeder Sekunde hinter mir her gehen sehen und hören. Oder vielleicht auch noch länger, wenn mir Norwegisch so gar nicht in den Genen lag und ich mit der Sprache nicht zurecht kam. Gott, ich würde vermutlich wahnsinnig werden. Es minimierte mein Wohlbefinden um mindestens fünfzig Prozent, wenn ich einen zweiten Schatten an mir kleben hatte, war das noch aus meiner Anfangszeit als Dealer gewohnt, wo die ersten paar meiner Kaufabwicklungen doch akribisch aus sicherer Entfernung bewacht worden waren. Aber das hier war viel schlimmer. Doppelt und dreimal so unangenehm. Nicht, dass sie mich einschüchterte oder dergleichen, das nicht. Wenn ich wollte, hätte ich sie sicher schon längst aus dem Weg räumen können, Dienstwaffe hin oder her, ich sah sie wirklich nicht als Bedrohung. Aber sie... ging mir schlicht unfassbar auf die Nerven. Auch mit dem nächsten Teil des Gesprächs wurde ich nicht zufriedener, bewegte mich erst nach einem kurzen Innehalten mit einem tiefen Seufzen auf das Sofa zu, um mich auf dessen Polster sinken zu lassen - ziemlich genau am anderen Ende, weil ich ihr jetzt wirklich nicht auf die Pelle rücken wollte. Prompt vermisste ich das bequeme, hochwertige Ledersofa, auf dem ich meinen Arsch normalerweise geparkt hatte. Es würde vermutlich noch eine ganze Weile dauern, bis ich mich an meine neuen Lebensumstände gewöhnen würde... oder gar ans arbeiten. Ob ich irgendwelche Fertigkeiten hatte? Keine Ahnung, vermutlich nicht. Ich hatte die letzten Jahre mit Einschüchterung meiner Handlanger und deren Strafen verbracht, wenn sie Mist gebaut hatten. Mich hier und da an der Produktion des Kokains und Heroins beteiligt, aber das doch eher nur wenig. Zumal das selbst auch keine auch nur ansatzweise hilfreiche Sache in dieser Hinsicht war. Deshalb zuckte ich mit den breiten, durchtrainierten Schultern, fiel mir doch nur wenig dazu ein. "Keine Ahnung... ich hab' mal ne Ausbildung im Büro angefangen, aber das ist gut zehn Jahre her... Papierkram wär an sich vermutlich kein Problem.", stellte ich in relativ neutralem Tonfall fest - ich gab mir Mühe-, weil ich mit Computern schon immer gut hatte umgehen können und ich von Zeit zu Zeit auch für meinen Boss von der Mafia auf dem Schreibtisch hatte aufräumen müssen, sortieren müssen, wenn der Herr mal wieder zu faul dazu gewesen war. Manchmal hatte ich mich wirklich gefragt, ob er überhaupt noch was Anderes als Leute abschlachten und herumkommandieren tat. "Und Pizza. Alles, was italienische Küche ist, liegt mir quasi im Blut...", schob ich die einzige weitere Option, die mir einfiel, gemurmelt an. Von mir aus konnte sie mich auch Pizza ausliefern oder in der Küche helfen lassen, solange ich dabei meine Ruhe vor ihr hatte und einfach in Ruhe arbeiten konnte. In der Hoffnung, dass mir keinerlei Kollegen zu sehr auf den Sack gehen würden... aber solche Kandidaten fand man leider fast überall.
Noch während Mazzanti sich schlurfend zu mir bewegte und auf dem Sofa nieder ließ, kramte ich aus meiner Handtasche einen Stift samt Zettel heraus, um mir einige Notizen machen zu können. "Na, das ist doch schon mal was", murmelte ich, während ich Gesagtes in Buchstaben zu Papier brachte. Ich ging nicht unbedingt davon aus, dass man ihn als Koch oder Buchhalter irgendwo einstellen würde, aber für Pizza ausliefern, oder Empfangsarbeiten würde es wohl gut aussehen. Da ich lange nicht mehr hier war, konnte ich die Arbeitsmarktlage nur schwer einschätzen, aber da beides eher schwach bezahlte Arbeiten waren, würden hier wohl einige Stellen ausgeschrieben sein. Ich nickte geistesabwesend. "Okay, dann werden wir das beim Arbeitsamt mal mit einbringen", ich sah mich um. "Und es könnte sicher nicht schaden, wenn wir danach direkt einkaufen gehen. Ich bezweifle, dass das FBI uns den Kühlschrank gefüllt hat." Es war seltsam, von uns zu reden. Man könnte glatt meinen, wir hätten eine engere Beziehung zueinander. Leider würde ich mich an diesen Gedanken gewöhnen müssen, zumindest fürs Erste. Mein Job war es nun mal... na ja, ihn als wir hier durch Norwegen zu begleiten. Dabei fiel mir noch eine Frage ein. Auch wenn ich kein großes Interesse an einer längeren Konversation hatte, hielt ich es für nur menschlich, in diesem Fall meine Hilfe anzubieten. Ich war ja perfektionistisch - manchmal zumindest. "Gibt es für Sie aktuell offene Fragen? Ich bin vielleicht nicht gerade der Ansprechpartner, mit dem Sie sich groß austauschen wollen, aber wenn Ihnen etwas unklar ist oder Sie Hilfe brauchen, können Sie mich jederzeit fragen und wenn ich nicht da bin, auch anrufen", ich zückte mein Handy, um darauf zu zeigen, "meine Nummer ist in Ihrem Handy eingespeichert, das Sie bekommen haben." Ich erinnerte mich gut daran, wie meine Familie und ich nach Norwegen gekommen sind. Wir standen exakt mit dem gleichen Budget, wie Mazzanti es aktuell hat, in unserer kleinen Wohnung. Keiner von uns sprach die Sprache, oft wurden wir über den Tisch gezogen, weil wir es einfach nicht besser wussten. Aus diesem Grund konnte ich auch gegenüber einem Schwerverbrecher nur menschlich Handeln. Ich wollte mich nicht in seine Lage hineinversetzen, wollte nicht verstehen, warum man Menschen tötete oder warum man Drogen verkaufte, aber ich wollte dem Mann eine zweite Chance geben. Noch war ich mir nicht sicher, ob er diese auch nutzen wollte, aber mehr als anbieten konnte ich nicht. Ich merkte selber, dass der Grad an Motivation und vielleicht auch der Freundlichkeit ziemlich weit unten waren, aber das würde sich in den nächsten Tagen ändern. Ich brauchte einfach einen Augenblick, um mich geistig fürs Erste von meiner Familie zu verabschieden. Und danach konnte ich dann Sabin helfen, seine Gedanken zu ordnen...
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Zugegeben war ich charakterlich noch nie der Typ dazu gewesen, Hilfe anzunehmen, wenn ich sie nicht wirklich äußerst dringend benötigte und es gar nicht anders ging. Vielleicht meinte Sydney das wirklich nur gut und ehrlich, aber ich war... speziell. Vermutlich würde ich erst auf sie zurückkommen, wenn ich gar nicht mehr weiter wusste, völlig am verzweifeln war. Aber war immerhin lieb gemeint. Vielleicht sagte sie das aber auch nur, weil sie es irgendwie musste. Ich war zwar kein Kind mehr, doch trug sie einfach ein ganzes Stück weit die Verantwortung dafür, dass ich auf der geraden Bahn blieb und anfing, mir ein Leben aufzubauen. Ein Normales. So ganz ohne Kugelhagel und rollende Köpfe. Ohne Schnee - also den Pulverschnee, den man sich sorgfältig in eine Reihe schob und dann inhalierte. Zwar war ich nicht abhängig von dem Zeug, hatte mir bei Gelegenheit aber doch hin und wieder mal eine Nase gegönnt. Ich würde darauf wetten, dass es hier bald mehr richtigen Schnee geben würde, als mir lieb war. Die Skandinavier waren da mit ihrer blassen Haut wenigstens getarnt, ich stach heraus wie ein bunter Hund. Semi-optimal, wenn man nicht erkannt werden wollte, glaube ich. Aber wenn die Bullen ihre Arbeit zumindest ein einziges Mal richtig machen würden, dann war mir sehr bald Niemand mehr auf den Versen und ich konnte vielleicht wirklich richtig zur Ruhe kommen. Mich darauf fokussieren, noch einmal von vorne anzufangen. "Nein, keine Fragen... aber ich behalt's im Hinterkopf.", beantwortete ich der Agentin ihre Frage noch immer eher nur so dahingemurmelt, bevor ich schon langsam wieder aufstand. "Gib... Geben sie mir nur fünf Minuten.", war ich kurzzeitig verwirrt, wie ich mein Anhängsel ansprechen sollte. Siezen war angebracht, aber das wir hatte in diesem Zusammenhang doch komisch geklungen. Ohne noch lange darüber nachzudenken verzog ich mich für zwei, drei Minuten ins Bad. Auch da empfing mich kein Luxus, aber es war wohl Alles da, was ich brauchte. Ich wusch mir mit eisigem Wasser das Gesicht, um den Kopf zumindest ein bisschen freier zu kriegen, war er doch furchtbar überfüllt und geplagt von Gott weiß was Alles für Gedanken. Dann folgte noch ein etwas längerer Blick in den Spiegel. Ich sah müde aus und so fühlte ich mich auch, obwohl ich auf der Fahrt sogar für eine gute Stunde einfach eingenickt war. Es war wohl eher die Psyche, die meinem Körper zu schaffen machte, als Schlafmangel selbst. Danach trat ich noch einen kurzen Gang in die Küche an, sah in den Kühlschrank. Ja, zwei Flaschen Wasser und sonst Nichts. Gastfreundschaft war auch was Anderes, aber wundern tat ich mich darüber nicht. Dann trat ich in den Türrahmen des Wohnzimmers, nickte Mc Evans kurz zu, bevor ich mir im Flur die ungewohnt dicke Jacke wieder anzog. Ich vermisste meine Lederjacke jetzt schon, obwohl ich sie mitgenommen hatte - konnte man in Norwegen überhaupt jemals damit rumlaufen, ohne zu frieren? Der Gang zum Arbeitsamt war lästig. Zwar genoss ich es Etwas von der Großstadt kennen zu lernen, mich auf der Hinfahrt in der Straßenbahn ein wenig umsehen zu können, aber der Sachbearbeiter war in meinen Augen gelinde gesagt unfähig. Er war ja an sich wirklich nett und offen, aber schon recht betagt und unfassbar langsam beim Tippen am Computer. So langsam, dass ich kurz davor war zu fragen, ob er nicht einfach in Rente gehen und mir seinen Job überlassen wollte, weil selbst ich als blutiger Anfänger das nach kurzer Einweisung sicher schneller hinbekommen würde. Aber gut, egal, ich hatte es jetzt hinter mir und trat doch ein wenig erleichtert - sowohl ihn los zu sein, als auch die Sache an sich hinter mir zu haben - wieder an die frische Luft, hatte dabei einige Blätter Papier gefaltet in der rechten Hand. Er hatte mir doch recht viele Stellen ausgedruckt und die Bezahlung war angesichts meiner nicht vorhandenen Qualifikationen bei fast jeder davon nur gerade so über dem Mindestlohn, aber Ansprüche stellen konnte ich in meiner Position einfach keine. Dann ging es weiter zum Einkaufen, das mich nur noch mehr frustrierte. Ich musste an all den saftigen Steaks und den vielen anderen Delikatessen vorbeigehen, ohne sie mitnehmen zu dürfen, weil es schlicht viel zu teuer war. Also nur billiger Kram vom Discounter. Eben das Nötigste, um über die Runden zu kommen und den Geldbeutel nicht zu sehr zu strapazieren. Das einzig Positive an der Geschichte war, dass immerhin sämtliche Formen von Pasta nicht teuer waren. Würde man mir auch noch meine Nudeln und meine Pizza wegnehmen, würde ich vermutlich Amok laufen. Wobei ich mir nie im Leben eine Fertigpizza kaufen würde - da machte ich mir lieber selbst eine und nahm den Zeitaufwand in Kauf, als diesen qualitativen Schrott in mich rein zu schieben. Danach folgte noch ein kurzer Abstecher in einen Schreibwarenladen, wo wir allerhand Kram für die Bewerbungen mitnahmen, die ich verfassen müssen würde. Auch eine Sache, auf die ich hätte verzichten können, aber es musste leider sein, genauso wie der ganze andere mühsame Mist. Als wir auf dem Rückweg wieder in der Straßenbahn saßen, war ich doch froh die großen Papiereinkaufstüten einen Moment lang auf dem Boden abstellen zu können. Ich war nicht schwach, aber es taten einem nach einigen Minuten doch langsam die Ellbogen und Handgelenke weh, weil das Gewicht permanent an ihnen zog. Ein Blick auf meine silberne Armbanduhr - eines des wenigen teuren Dinge, die ich hatte mitgehen lassen - verriet mir, dass es inzwischen schon fast 16 Uhr war. Mein Magen war auch wenig begeistert darüber, wie lange ich jetzt Nichts mehr gegessen hatte, denn außer dem Frühstück hatte ich Nichts zu mir genommen. Demnach knurrte der Gute auch fröhlich weiter vor sich hin, als wir wieder aus der Bahn ausstiegen und die letzten zweihundert Meter zu Fuß gingen. "Wer kocht?", schob ich aus dem Schweigen heraus eine Frage zu der Brünetten rüber. Dabei klang ich vollkommen ruhig, weder auffordernd noch sonst was in der Richtung. Obwohl das sehr viele Italiener anders sahen, war ich nicht der Meinung, dass immer die Frau im Haus zu kochen hatte. Wieso auch? Wir schrieben das Jahr 2019, langsam sollten wir alle aus der Sache mit der strikten Rollenverteilung raus sein.
Der Tag verging förmlich wie im Flug. Der Gang zum Arbeitsamt war schnell erledigt gewesen und verlief doch erfolgreicher, als ich gedacht hatte. Der doch sehr nette Sachbearbeiter überreichte Mazzanti einige Stellenausschreibungen, versuchte auch, diese in einem sehr brüchigen Englisch zu erklären. Ich winkte lachend ab und übernahm den Part des Übersetzens, bevor ich die Dokumente erst einmal in meiner Tasche verstaute. Der nächste Weg, nach einem verabschiedenden Handschlag, führte uns in einen Schreibwarenladen, in dem Sabin Materialien für seine Bewerbungen einkaufte. Das wäre dann wohl der nächste Schritt, die anzugehen. Da der junge Mann kaum ein Wort norwegisch sprach, hieß es für mich, den Schriftsteller zu spielen, um eine geeignete Arbeit für ihn zu finden. War ja jetzt nicht so, als wäre Englisch hier komplett weltfremd, man würde sicher auch in Norwegen eine Stelle finden, in der man gut kommunizieren konnte, aber es war halt verdammt schwer. Seufz. Gen Abend hin fanden wir uns nebeneinander nach Hause schlurfend kurz vor dem etwa 200 m entfernten Bungalow wieder. Mazzanti mit zwei vollen Einkaufstüten in den Händen, während ich meine in den Tiefen meiner Manteltaschen versteckte. Vor unserem Aufbruch hatte ich mir meinen Schal aus dem Koffer gesucht, damit ich jetzt, wo der Wind eisiger wurde, mein Gesicht darin verstecken konnte. Seitdem wir in die Straßenbahn eingestiegen waren, hatten wir kein Wort mehr gewechselt. Entsprechend verwundert blickte ich auf, als Sabin mir eine Frage stellte. Hm. Gedankenverloren zuckte ich mit den Schultern. "Wenn Sie möchten, können wir zusammen etwas kochen. Laut meiner Familie mache ich sehr gute Teigtaschen", schmunzelte ich, schüttelte dann den Kopf. "Mir ist' grundsätzlich aber egal", gestand ich, während ich vor der Haustür nach dem Schlüssel kramte. Da ich Mazzanti die Tüten nicht unnötig schleppen lassen wollte, beeilte ich mich dabei sogar ein bisschen. Nachdem wir das Wohnzimmer - einen Flur gab es in diesem Haus nicht - betreten und Sabin die Tüten abgestellt hatte, pellte ich mich aus meiner Jacke und dem Schal. "Ich würde vorher aber gerne duschen gehen, das heißt, wenn Sie jetzt schon essen wollen, müssten Sie wohl das kochen übernehmen." Ich seufzte. "Ich bin im Übrigen Sydney. Ich denke, dass ein halbes Jahr mit einer Frau zusammen wohnen zu müssen, die gesiezt werden muss auf Dauer ziemlich anstregend ist." Ohne eine Art von Reaktion zu erwarten - etwa, dass auch er mir das Du anbot - suchte ich in meinem Koffer nach bequemen Klamotten und Unterwäsche um wenig später im Bad zu verschwinden. Da ich seinen Namen ohnehin kannte, brauchte er ihn mir auch nicht unbedingt zu verraten. Und wenn er ein Problem damit hatte, dass ich ihn nicht mehr beim Nachnamen nannte, dann würde er mir das nach dem Duschen klar machen können.
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War ihr also im Grunde vollkommen egal. Mir auch. Wir hatten also immernoch nicht wirklich geklärt wer jetzt kochen würde, oder ob wir uns zusammen an den Herd stellten, damit es schneller ging. Zuhause - auch, wenn ich es noch nicht wirklich so nennen konnte - angekommen stellte ich die Tüten erst einmal kurz ab, um mir die jetzt überflüssigen Klamotten wie die Jacke und die schwarzen Stiefel von den Füßen zu schieben. Dann nahm ich die Taschen wieder hoch und McEvans richtete ihr Wort erneut an mich. Damit klärte sich die Frage dann auch endgültig - ja, ich wollte so bald wie möglich essen, also kochte ich wohl selbst. War aber okay für mich. "Dann fang' ich schon an..", meinte ich diesbezüglich noch, bevor die junge Frau sich mir noch einmal ganz offiziell vorstellte. Mir dazu noch mehr oder weniger mitteilte, dass wir das mit dem Siezen eigentlich lassen konnten, was für mich persönlich eine angenehme Überraschung war - die erste durchweg positive Nachricht des Tages. Es wäre einfach anstrengend, würden wir doch sicher irgendwann eine andere Art von Beziehung miteinander haben, als diese ausschließlich förmlichen Gesten miteinander zu führen. Wir würden lange zusammen wohnen und egal ob es sowas wie Freundschaft geben würde oder auch nicht: Es wäre irgendwann nur noch nervig. Ich nickte Sydney nur einmal kurz zu, bevor sie im Badezimmer verschwand und machte mich dann auf in die Küche. Erstmal verstaute ich alle Sachen dort, wo sie hin mussten. Manches in den Kühlschrank, Anderes nur in einen der Hängeschränke, wieder Anderes in das kleine Kühlfach über dem Kühlschrank. Nur die Dinge, die ich zum Kochen brauchen würde, ließ ich gleich auf der Theke liegen. Als alle Sachen verstaut waren krempelte ich die schwarzen Ärmel des Pullovers hoch und wusch ich mir nur noch die Hände am Waschbecken, bevor ich ohne Umschweife anfing. Teigtaschen waren eine gute Idee - wenn auch meine italienischen, eher nudelmäßigen sicher anders sein würden, aber das würde keine allzu große Rolle spielen, solange es schmeckte, denke ich. Wenn doch war das dann auch einfach nicht mein Problem. So bereitete ich den Teig vor und formte ihn entsprechend, bevor mir kurz danach beim Anfertigen der Füllung auffiel, dass ich keine Ahnung davon hatte, ob sie Vegetarierin oder gar Veganerin war. Hätte sie das erwähnt? Egal. Ich entschied mich dazu, heute einfach bei fleischloser Kost zu bleiben und machte eine Spinat-Ricotta-Füllung, packte diese in den Teig und kochte das Ganze kurz darauf im Topf, während ich mich um die Soße kümmerte. Weil mir der deftige Teil noch fehlte, wurde es eine Käse-Sahne-Soße, um meine Muskeln mit den nötigen Kalorien zu versorgen. Gegen Ende hin deckte ich nebenher den Tisch, nutzte jede Sekunde irgendwie aus, um den immernoch knurrenden Magen bald voll zu bekommen, räumte auch beiläufig schon einige Sachen in die kleine Spülmaschine, um nach dem Essen nicht mehr zu viel Arbeit zu haben. Schließlich goss ich die Tortelli noch ab und stellte sie ebenso wie den Topf mit der Soße auf die Untersetzer auf dem Esstisch.
Zugegeben war die heiße Dusche nach dem heutigen Tag Balsam für meine Seele. Nicht nur, dass sie meine Muskeln entspannte. Nein, sie lockte auch die Kälte aus meinen Knochen, die sich durch den spontanen Klimawechsel zunehmend in den Knien und im Rücken gesammelt hatte. Nach etwa dreißig Minuten verließ ich das Bad mit einem Handtuch auf dem Kopf, die Glieder steckten in bequemen Schlabberklamotten. Als ich sah, dass Sabin bereits aufgetischt hatte, ließ ich mich mit einem leichten Lächeln ihm gegenüber an dem kleinen Esstisch fallen. Ich hatte im Vorbeigehen noch die Papiere vom Arbeitsamt aus der Tasche gekramt, wollte sie mir noch einmal in Ruhe beim Essen ansehen. Während ich die ausgesprochen guten Tortellini in mich rein schob, blätterte ich beiläufig durch die Unterlagen, schob Mazzanti ein, zwei Stellenausschreibungen über den Tisch und bat ihn, morgen dort einmal vorbei zu schauen. Als wichtigstes Kriterium selektiere ich erst einmal nach Stellen, die er auch mit Englisch bewältigen konnte. Die erste Ausschreibung war bei einem Lieferservice, die einen Fahrer suchten. In der anderen wiederum war ein Barkeeper in einem kleinen Pub gesucht. Beides hörte sich nicht gänzlich verkehrt an. Nach dem Essen räumten wir das Geschirr in die Spülmaschine und verabschiedeten uns relativ schnell ins Bett. Der Tag war lang genug gewesen und es wurde Zeit, neue Energie für den morgigen Tag zu sammeln. ... Am nächsten Morgen, als der Wecker mich um Punkt acht aus dem Bett klingelte, stieg ich verschlafen in ein paar Hausschuhe, schlurfte Haare raufend in die Küche. Noch war alles still und ich nutzte die Gunst der Stunde, erst einmal vollständig wach zu werden. Da das Budget auch für Kaffee relativ knapp bemessen war, blieb uns nichts anderes übrig, als auf Instant Kaffee umzusteigen. Nachdem ich ein paar Löffel davon in eine Tasse gegeben hatte, goss ich ihn mit heißen Wasser auf und wurde schon vom Geruch deutlich wacher. Mit der Tasse in der Hand nahm ich wieder an dem kleinen Esstisch Platz, an dem noch die Unterlagen von gestern lagen. Gedankenverloren las ich mir das Ganze nun schon zum dritten Mal durch und entschloss mich schließlich dazu, ein paar Notizen für eine Bewerbung aufzuschreiben. Noch bevor Sabin aufgestanden war, hatte ich einen Lebenslauf formuliert - die Infos dazu holte ich mir aus unserer internen Datenbank - verschlüsseltes Intranet auf dem Handy und so. Nach einer Weile, als auch der junge Mann erwacht war und sich zivilisiert hatte, drückte ich ihm die Bewerbungsmappe in die Hand und bat ihn, so bald wie möglich aufzubrechen. Auf sein Handy schickte ich ihm noch die Routen via Google Maps.
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Mein Gemüt war bis aufs letzte Bisschen besänftigt, nachdem ich einen vollen Magen gekriegt hatte. Nachdem Alles bei Seite geräumt und erledigt war - zumindest für den heutigen Tag -, ging ich auch ziemlich bald schlafen, steckte mir die Reise doch ordentlich in den nicht mehr so ganz jugendlichen Knochen. Demnach verschob ich das Duschen gehen auf den nächsten Morgen, den ich auch nicht allzu bald anbrechen ließ. Einfach deshalb, weil ich den Schlaf brauchte und weil Sydney mir keine feste Uhrzeit zum Aufstehen genannt hatte. Warum sollte ich also um 5 Uhr morgens schon auf der Matte stehen? Also ließ ich Alles etwas langsamer angehen und ließ mir auch beim Duschen Zeit, obwohl ich auch da gleich wieder meine alte Dusche vermisste. Wenigstens war das Wasser hier aber nicht kalt, so konnte ich es doch zumindest ein bisschen genießen und dabei wach werden, bevor ich zu der Agentin in die Küche trat. Offenbar war sie heute schon sehr fleißig gewesen und ich nahm die Bewerbungen nur mit einem Zähneknirschen entgegen. Ich hatte Nichts gegen das Arbeiten an sich, es war halt nur Alles ein bisschen viel. Die neue Umgebung, ausschließlich fremde Menschen um mich herum und dann noch all die Aufgaben, die in naher Zukunft auf mich zukamen - mit Bewerbungsgesprächen angefangen. So gönnte ich mir nur noch eine Tasse voll schlechtem Kaffee, der mit dem Koffein und dem billigen Geschmack lediglich seinen Zweck des Aufweckens erfüllte, und ein schlicht belegtes Brot, bevor ich mich wieder in viel zu viele Klamotten hüllen musste und mich mit den Bewerbungen auf den Weg in die Stadt machte. Während ich die Augen immer wieder aufs Handy abwandte, überlegte ich schon fieberhaft, was ich eigentlich dazu sagen sollte, wenn mich Jemand nach der jahrelangen Arbeitslücke fragte. Vielleicht hatte ich Glück und noch etwas mehr Zeit zum Nachdenken, sofern beide Arbeitgeber erst einmal nur die Mappe annehmen und sich in Ruhe ansehen würden, bevor sie sich meldeten und mich einluden. Oder eben auch nicht, je nachdem, aber ich würde das Ding schon schaukeln. Wenn ich es doch versaute, gab es sicher noch andere Stellen, aber ich hoffte dennoch, nicht zu viele der lästigen Vorstellungen abhaken zu müssen. Bei der Pizzeria angekommen setzte ich ein charmantes Lächeln auf. Mörder hin oder her, wenn ich wollte, dann hatte ich eine ordentliche Portion Charme. Ich wusste mit Menschen zu reden und umzugehen. Es waren da schon Alle ziemlich im Stress, weil sie ab der Mittagszeit anfangen würden, Pizza auszuliefern. Demnach hatte auch der Chef selbst zum jetzigen Zeitpunkt nur wenig bis gar keine Zeit, warf nur einen sehr flüchtigen Blick auf meine Mappe, ehe er sie schulterzuckend bei Seite legte und sich noch vergewisserte, dass ich einen Führerschein hatte, bevor er mir einen Probearbeitstag für Montag ab 12 zusicherte. Das war wirklich sehr viel leichter gegangen, als ich erwartet hatte - aber klar, zum Pizza ausliefern musste man nur Autofahren und Abrechnen können, was alles Andere als eine Schwierigkeit für mich darstellen sollte. Demnach verabschiedete ich mich schon sehr bald mit einem ordentlichen Handschlag von dem Mann Mitte 40 und machte mich auf den Weg zu meinem nächsten "Termin". Ich hetzte mich nicht, weshalb gut eine halbe Stunde vorbeizog, bis ich letztendlich an dem Pub ankam. Eine junge Frau mit auffälliger Haarfarbe unterschrieb vor dessen Türen gerade noch auf einem Klemmbrett, hatte gerade eine Lieferung angenommen wie es schien. Der Lieferant bedankte sich noch und fuhr dann auch schon mit dem kleinen Lieferwagen weg, weshalb ich schon zum zweiten Mal heute etwas tiefer durchatmete und auf die vermutliche Inhaberin zuging. Vielleicht war sie auch nur Angestellte, aber für den ersten Kontakt war das auch nicht so relevant. "Entschuldigung..?", griff ich bei ihr angekommen mit einem einzigen Wort nach ihrer Aufmerksamkeit, streckte ihr dann zur Begrüßung meine Hand entgegen, als sie mich ansah. "Hallo, ich bin Sabin Mazzanti. Sind sie die Inhaberin? Ich würde mich gerne um die offene Stelle als Aushilfe hinter der Bar bewerben.", schilderte ich ihr meine Absichten, wieder das dezente, aber aufrichtige Lächeln auf den Lippen, während ich den Blickkontakt ebenfalls nicht scheute. Selbstbewusstsein war quasi mein zweiter Vorname.
Auch wenn ich das relativ oft dachte und auch aussprach... heute war ein wirklich beschissener Tag. Alles ging irgendwie nach hinten los und nichts wollte so richtig funktionieren. Umso glücklicher war ich, dass die Lieferung, die ich bestellt hatte vollständig und unbeschadet an der Smith and Wesson angekommen war. Ich schenkte meinem Lieferanten ein schiefes Lächeln, als ich den Lieferschein unterschrieb und ihm noch einen schönen Tag wünschte. Ich hatte mir die Haare zu einem Zopf gebunden und wollte gerade dazu ansetzen, die Kisten in die Bar zu schleppen, als mich von der Seite plötzlich jemand ansprach. Die Augenbrauen tief ins Gesicht gezogen, wandte ich mich von den Kisten ab und der Person, die mich angesprochen hatte, zu. Es dauerte einen Augenblick, bis ich die Worte in mich aufgenommen hatte. Dann seufzte ich. Eigentlich hatte ich die Ausschreibung nur aufgegeben, weil es vom Amt bezuschusst wurde, wenn man Menschen aus schwierigen Verhältnissen einstellen würde und die Kohle wollte ich natürlich nicht ins Leere laufen lassen. Das sich darauf tatsächlich jemand bewerben würde, hatte ich nicht mehr im Hinterkopf gehabt. "Ehm.. ja", setzte ich an. Alleine die Tatsache, dass mich der junge Mann auf Englisch und nicht auf Norwegisch ansprach ließ mich zögern. "Die Stelle ist nur für schwer Vermittelbare, sorry." beendete ich schließlich mein Gestammel. Da ich davon ausging, dass er trotz Migrationshintergrund keine schwer vermittelbare Person war, drehte ich mich wieder meinen Kisten voller Wein und Schnaps zu. Für mich hatte sich das Gespräch erledigt. Ich wollte mir nicht unnötig Arbeit aufhalsen, indem ich wirklich x-beliebige Personen in meiner Bar arbeiten ließ. Denn auch wenn das Geschäft in meiner Bar nicht immer ganz legal war, legte ich viel Wert darauf, dass Gebäude und Personal korrekt angemeldet und bezahlt wurden. Und das bedeutete hier in Norwegen unheimlich viel Aufwand, den ich einfach nicht investieren wollte. Heute war Motto Party, ich hatte noch so viel vorzubereiten. Nachdem ich zwei Kisten aufeinander gestapelt hatte, bahnte ich mir den Weg in meine Bar, merkte, dass der Kerl mir noch immer zu folgen schien. Wollte wohl nicht locker lassen. Seufzend stellte ich an der Theke die Kartons ab, drehte mich dann wieder zu dem ungebetenen Gast um und stützte die Arme in die Hüften. Wartend, mit welchem Argument er mich zu überzeugen versuchte.
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Autsch, sympathische Reaktion war was Anderes. Hätte ich eine Wahl, dann hätte ich vermutlich gleich auf dem Absatz Kehrt gemacht und hätte mir was Anderes gesucht, weil ich wie gesagt absolut keine Lust dazu hatte, mich mit Leuten auf der Arbeit herumärgern zu müssen, mit denen ich so gar nicht auf einer Wellenlänge war. Beim Pizzafahren wäre mir das schnuppe, schließlich wäre ich zu neunzig Prozent der Arbeitszeit im Auto oder an fremden Haustüren, nicht mit dem restlichen Personal involviert. Hinter der Theke hier wäre das anders. Ich würde zwangsläufig mit dem Rest des Teams klar kommen müssen und mich weitgehend auch anpassen. Aber wie gesagt - ich hatte keine Wahl und stand in der Pflicht, auch hier einen guten Eindruck zu hinterlassen. Vielleicht war es mein gepflegtes Äußeres, dass die junge Frau dazu brachte, sich nicht einmal vorzustellen und mich in irgendeine Schublade zu stecken, in die ich absolut gar nicht hinein gehörte. Man musste ja nicht wie ein Penner rumlaufen, nur, weil man vielleicht in einem anderen Land einige Straftaten hinter sich hatte. Ich versuchte ihr das nicht übel zu nehmen, als sie sich gänzlich abwendete und mit ein paar Kisten nach drinnen verschwinden wollte. Daraufhin legte ich die Bewerbungsmappe auf zwei der noch übrigen Kisten in der Gasse, ehe ich es ihr einfach gleich tat und mir diese schnappte, um ihr zu folgen. Stellte keine große Herausforderung da, war ich doch wie gesagt körperlich ziemlich fit. Das war wohl auch einfach ein Punkt, der mich wohl wenig nach schwer vermittelbar aussehen ließ - ich war einfach gut genährt und es schien mir an nichts zu mangeln. Ich konnte die Tür nur geradeso mit dem Fuß weit genug offen halten, um ebenfalls nach drinnen zu schlüpfen und unweit von der Inhaberin - sie schien diese zu sein, sonst hätte sie mich normalerweise ja weiter geleitet - die Kisten wieder abzustellen. "Ich muss mich leider zu den schwer Vermittelbaren zählen..", setzte ich erneut zum Reden an, zuckte ein klein wenig mit den breiten Schultern. Das zu begründen war aber schwierig, konnte ich hier ja schlecht meine Vergehen auflisten, ohne, dass sie mich gleich in der nächsten Schubladen verstaute. "Ich bin wegen eines... unwiderruflichen Problems von Italien nach Norwegen gekommen.", erklärte ich zumindest in einem winzigen Bruchstück, warum es mich zu ihr verschlug. Ich konnte ja nicht einmal den Zeugenschutz selbst wörtlich aussprechen. Wenn ich Pech hatte und die Frau, die mir hier gegenüber stand, zufällig sehr redselig war, dann hätte ich ein Problem. Solange ich nicht wusste, ob die Bullen in meinem ehemaligen Zuhause es hinbekamen mir den Bastard und den Großteil seines Gefolges vom Hals zu schaffen, würde ich mein Bestes tun, auch nicht nur ein einziges Wort diesbezüglich über meine Lippen kommen zu lassen. Weder über die Sache selbst, noch was das Zeugenschutzprogramm anging. "Ich brauche einfach einen Nebenverdienst, solange ich den Sprachkurs belege... und der nette Herr vom Arbeitsamt hat mir die Stelle hier gegeben.", unterstrich ich damit wohl unwiderruflich, dass ich ganz offiziell auch von Letzterem als schwer vermittelbar eingestuft worden war und was das anging hier an der richtigen Adresse war. Was den Rest anbelangte war ich mir noch nicht sicher, ob das hier eine gute Idee war, so karg wie mir die Leiterin des Ladens hier entgegen getreten war.
Eigentlich hatte ich jetzt mir irgendeiner billigen Ausrede a la Ich brauche das Geld oder Ich hab irgendwas oder irgendwen zu finanzieren gerechnet. Aber das er scheinbar wirklich als schwer vermittelbar galt wollte ich ihm irgendwie genau so wenig glauben, wie ich es bei einer der eben genannten Aussagen getan hätte. Erneut seufzte ich leise. Das wie vielte Mal heute? Ich hatte aufgehört mitzuzählen, seitdem der Tag alles in allem nicht sonderlich rosig war. Noch immer mit den Augenbrauen tief ins Gesicht gezogen, nahm seine Bewerbungsunterlagen von den Karton, die er mir freundlicherweise rein getragen hatte. Ein Danke gab es dafür aber nicht, ich hatte schließlich nicht gefragt. Nachdenklich nahm ich auf einem der Barhocker platz und schlug die Unterlagen auf. Ich überflog beiläufig seinen Lebenslauf, der ganz offensichtlich nicht von ihm geschrieben worden ist. Ich ging zumindest nicht davon aus, dass er mich auf Englisch ansprechen würde, wenn er Norwegisch beherrschte. Aber gut, diese Tatsache ließ ich unbeachtet, interessierte mich nicht, solange das, was drin stand, der Wahrheit entsprach. Als ich alle relevanten Informationen aufgenommen hatte, sah ich ihn kommentarlos mit hochgezogener Augenbraue an. Zwischen den ganzen Minijobs, die er irgendwann vor etlichen Jahren mal gemacht hatte fand lediglich irgendein italienischer Schulabschluss, nichts in Richtung Ausbildung. Okay, jetzt konnte ich tatsächlich auch nachvollziehen, warum er als schwer vermittelbar galt. Auf der anderen Seite evaluierte ich, inwieweit sich seine Anstellung in meiner Bar rentieren würde. Immerhin hatte ich keinerlei Referenzen von vorherigen Arbeitgebern und kannte ihn nun wahrlich nicht so lange, als das ich mir ein Bild von ihm hätte machen können. Leider waren mir, was das anging, ein wenig die Hände gebunden, denn wenn die Agentur mitbekam, dass ich einen potenziellen Bewerber ohne triftigen Grund nach Hause schickte, könnte das bedeuten, dass das Geld mir wieder aberkannt wurde. Erneut ein Seufzen. Dieses Mal tief und unentschlossen. Jetzt musste ich mich entscheiden. "Okay... hör zu, heute Abend, 19 Uhr, steigt eine Mottoparty. Thema Abstrakte Kunst. Ist für einen Freund, der Geburtstag hat. Ich denke, die Hütte wird voll sein. Wenn du dich hinter der Bar beweisen kannst, gehört der Job dir, aber versuch nicht, mir irgendwelche Probleme zu machen", ich hob drohend den Zeigefinger, tippte aussagekräftig auf der Theke rum. "Ich hab echt keine Ahnung, wie ich aus deinem Lebenslauf schlau werden soll, für mich ist das hier pures Pokern. Wenn es nicht läuft, hab ich alles Recht der Welt, dir eine Absage fürs Amt mitzugeben... das du dich hier nicht benommen hast und so, verstanden?" Mein Blick wurde durchdringend und ich fixierte ihn eine ganze Zeit lang damit. Damit wollte ich direkt klar stellen, wer hier das Sagen hatte.
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Wieder ein alles andere als angenehmer Tonfall. Noch dazu war nicht einmal ein winziger Funke von Begeisterung oder anderweitig positiven Mimiken zu erkennen, was mich - aber nur innerlich - ebenfalls seufzen ließ. Herrgott, wenn sie keine Lust hatte, sich mit Bewerbern auseinander zu setzen, dann sollte sie doch bitte auch einfach keine Stellenausschreibung rausgeben. Zwar hatte ich keine Ahnung davon, wie alt sie wirklich war, aber zumindest auf den ersten Blick sah sie auch auf keinen Fall älter oder wenigstens genauso alt wie ich aus. Eher ein paar Jahre jünger, soweit man das als Kerl unter dem Make Up erkennen konnte, was ja wirklich nicht einfach war. Wenn sie immer so schlecht gelaunt war, dann müsste ich mich einem dauerhaft genervten Weib unterstellen, dass eigentlich gar keinen Bock darauf hatte, jemand Anderen als sich selbst hinter der Theke zu haben und auch noch jünger war als ich selbst. Ich hatte im Grunde jetzt schon absolut keine Lust mehr darauf, heute Abend überhaupt hier anzutanzen, so wie sie hier mit mir umging. Wenn man Andere nicht immerhin ein bisschen gleichwertig, respektvoll behandelte, konnte man auch nicht damit rechnen, dass einem selbst so ein Verhalten entgegen gebracht wurde. Aber noch immer hatte ich keine Wahl, was mich zunehmend weiter frustrierte, quasi mit jedem ihrer Worte nur noch weiter bestätigt wurde. Das Einzige, was ich nachvollziehen konnte, war die Sache mit meinem Lebenslauf. Viel zu viele Lücken, außer dem Schulabschluss nichts Brauchbares aufgelistet. Zumindest in dieser Hinsicht konnte ich es ihr nicht übel nehmen, dass sie so abweisend war - in allen anderen aber schon und das tat ich auch. Gute Voraussetzung für das Probearbeiten... nicht. Erneutes innerliches Aufseufzen. Ich nickte eindeutig, wenn auch nicht mehr lächelnd. Ich war eigentlich ein guter Schauspieler, aber mir war auch einfach die Lust dazu vergangen, weshalb ich zu einem neutraleren Gesichtsausdruck geschwankt war. Nicht, als würde es sie hier überhaupt interessieren, wie ich mich gab. Schien sowieso nicht der Fall zu sein. "In Ordnung, ich werde da sein.", willigte ich also in das probeweise Arbeiten am heutigen Abend ein, bevor ich doch noch auf ihre nächsten Worte einging. "Keine Sorge. Ich bin nicht ausgewandert, um es mir hier gleich wieder mit Jedem zu verscherzen.", meinte ich diesbezüglich nur leicht undeutlich, ein klein wenig gemurmelt. Aber ich wich ihrem Blick nicht aus, weil das ganz einfach nicht mein Ding war. Ich war nicht der Typ dafür, wegen ein paar harten Blicken einzuknicken, sondern hielt diesem einfach stand. Früher in meiner Schulzeit hätte das vielleicht noch funktioniert, aber das war lange verjährt. "Geben sie mir vielleicht noch einen Auszug der Karte mit? Dann kann ich mich entsprechend vorbereiten.", bat ich sie noch um einen Abzug der Cocktail-Karte, damit ich wusste, worauf ich mich heute Abend einstellen musste. Zwar waren mir die gängigsten Cocktails nicht fremd, weil ich mir hin und wieder zur Abwechslung neben meinem geliebten teuren Whiskey gerne mal welche an meiner hauseigenen kleinen Bar gemixt hatte, aber fast jede Bar und jeder Club hatten auch ein oder zwei eigene Kreationen auf der Karte stehen. War also nur gut, wenn ich vorher wusste, was auf mich zukam und mir das Ganze einprägen konnte.
Gut, ob er dann wirklich kam, stand auf einem anderen Blatt geschrieben, aber ich glaubte ihm jetzt erst einmal, nickte. "Gut", gab ich nur zurück, stand auf, um auf seine letzte Frage einzugehen. Ich erhob mich von meinem Hocker und umrundete die Theke, um aus einer kleinen Ablage eine Karte heraus zu fischen, die ich ihm wenig später in die Hand drückte. "Es ist nicht so schlimm, wenn du nicht alles drauf hast. Vieles wird gar nicht so oft getrunken", bemerkte ich, dieses mal ein wenig ausgelassener. Ich lächelte sogar ein bisschen. Zwar war ich von Natur aus sehr kalt - na ja, zumindest nach der Sache mit meinem Ex -, aber ich merkte einfach zunehmend, dass ich nicht gerade sehr nett rüber kam. Zwar war das auch nie wirklich meine Intention gewesen, aber alles von Anfang an schlecht reden war auch keine Option. Vielleicht hatte ich ja einmal seit den letzten Jahren wieder richtig Glück und konnte eine helfende Hand einstellen. Zwar passte mir der ganze Papierkram aktuell absolut nicht, hatte ich ja bereits erwähnt, aber einen zweiten Barkeeper zu haben wäre nicht schlecht. Dann könnte ich mich mal wieder intensiver mit Konzepten und neuen Ideen für Partys, Cocktails und den Räumlichkeiten auseinandersetzen. War im Endeffekt dann doch irgendwo den Aufwand wert. Dennoch wollte ich gerade gerne mürrisch sein. Der Tag war einfach scheiße. Da konnte man es hier und da auch mal mit ein bisschen Frust ablassen und streiten versuchen, oder? Wie auch immer. "Ich gehe davon aus, dass du nichts in Richtung Anzug oder so dabei hast?" Auf das Siezen verzichtete ich gänzlich, war einfach nicht mein Ding, ob er älter war oder nicht, erschien mir einfach nicht notwendig. "Ich müsste dann deine Größe wissen, dann leihe ich was aus. Heute gibt es einen Dresscode... ausnahmsweise. Normal taugt eine schlichte Jeans und ein einfarbiges Shirt völlig", erklärte ich weiter, wie es in der M&W ablief. War eigentlich ganz simpel, sehr viel anders als andere Barbesitzer arbeitete ich da nun nicht. Da ich selber merkte, wie so langsam aber sicher der total peinliche französische Akzent durchschlug - wie immer, wenn ich einfach nur ins Bett wollte, um eine Mütze voll Schlaf zu kriegen - wartete ich nur noch darauf, dass mir Sabin, so hatte ich es im Lebenslauf gelesen, mir auf meine Frage antwortete. Im Anschluss daran, kümmerte ich mich weiter um das Einlagern des Alkohols und der Ausleihe vom Anzug. Den Rest des Tages, bis etwa zwei Stunden vor regulärer Öffnungszeit der Smith and Wesson verbrachte ich in meinem kuschligen Bett über der Kneipe.
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Ah, sie konnte also auch zumindest ein bisschen anders, war nicht durch und durch eine abweisende Person, obwohl es auf den ersten Blick wirklich permanent so gewirkt hatte. Es würde vermutlich eine Zeit dauern, mich auf ihren Charakter einstellen zu können, wenn ich wirklich hier anfangen sollte, schien sie doch nicht ganz einfach zu sein. Und nein, mit Anzug war nicht. In Italien hatte ich ganze sieben davon besessen, allesamt maßgeschneidert. Aber ich war nicht im Traum darauf gekommen, einen davon mitzunehmen, war es einfach nicht eines der Dinge, die mir bei "nur das Nötigste mitnehmen" in den Sinn kamen. Aber egal, die junge Frau schien mir einen organisieren zu können und so nannte ich ihr nur noch meine Größe, bevor ich mich verabschiedete und bis zum Abend mein Dasein in meinem neuen Zuhause fristete. Ich erzählte Sydney natürlich vom Verlauf der Bewerbungsgespräche - beides konnte man irgendwie nicht wirklich so nennen, aber ja -, wobei mir dabei erst auffiel, dass es wirklich schlechter hätte laufen können. Zwar hatte ich selbstverständlich noch keine einzige Zusage in der Tasche, war aber doch guter Dinge, dass ich mich theoretisch bei beiden Jobmöglichkeiten durchsetzen konnte. Mal ehrlich - neben meinen Fertigkeiten sah ich halt auch einfach gut aus. Wer bestellte denn nicht gern einen Cocktail mehr, wenn er mit einem gut aussehenden Barkeeper dabei reden konnte? Auch ließ man sich Pizza ganz sicher lieber liefern, wenn da kein fetter Pizzabote angewatschelt kam und sich die Treppe zur Wohnung keuchend hochschleppte, einem das Wechselgeld mit verschwitzten Pfoten reichte. Sowas wie gutaussehende Pizzaboten sprachen sich in der Regel auch schnell herum. Hier in Oslo vielleicht weniger als in der Kleinstadt, in der ich in meiner Jugend noch gelebt hatte, aber dennoch. Gutes, gepflegtes Aussehen war in der Dienstleistung immer ein Pluspunkt, gab in der Regel auch deutlich mehr Trinkgeld, das ich in meiner Situation bestens gebrauchen konnte. Blicke auf mich ziehen tat ich in diesem Blasse-Gesichter-Land so oder so ohne jeglichen Zweifel. Wie dem auch sei - der Rest des Tages war schnell ins Land gezogen und so war ich gefühlt nur zwei Stunden später schon wieder auf dem Weg zurück zu der Bar. Auf direktem Weg waren es mit der Straßenbahn und ein paar Metern zu Fuß tatsächlich auch nur 21 Minuten, was auf Dauer doch deutlich besser wäre, als der längere Weg zu der Pizzeria, sollte die Geschichte hier Früchte tragen. Ich war aber doch ein wenig früher als 19 Uhr da - wenn die Party da schon losging, brauchte ich schließlich ein oder zwei Minuten Zeit zum Umziehen und eine kurze Einweisung wäre auch wirklich von Vorteil, wenn ich hier gut zurecht kommen wollte. Demnach schob ich die Ladentür schon um 18.32 Uhr wieder auf, erblickte die junge Frau auch recht schnell in einer der hinteren Ecken der Räumlichkeit, richtete Irgendwas auf einem der Tische an. Ich machte mich mit einem "Hey.", bemerkbar, waren wir doch schon vorher von Sie auf Du umgestiegen und so passten sich auch meine Worte ganz einfach dem an, waren weniger förmlich. Meine erste Amtshandlung als vielleicht anstrebender Barkeeper war dann das Umziehen. Der Anzug passte tatsächlich ganz gut, wenn er auch nicht so perfekt wie die maßgeschneiderten an meinem Körper anlag. War an den Schultern ein bisschen eng, fiel etwas zu klein aus. Aber das ging schon so, war nicht der erste und ansonsten passte er auch wirklich gut.
Nach dem Mittagsschläfchen fühlte ich mich in Anbetracht der Tatsache, dass der Tag bis jetzt echt Scheiße verlief, doch recht entspannt und ausgeruht. Ich war sogar früher wach geworden als geplant und natürlich eifrig am Werkeln gewesen, damit später auch alles perfekt war. Zwar legte ich nicht viel Wert darauf, was sogenannte Freunde und Bekannte von mir oder meiner Einrichtung hielten, aber ich gab mir hier und da doch ein wenig Mühe. Nur für mich. Als ich gerade dabei war, die Tische zu dekorieren, hörte ich eine mir bekannte Stimme aus Richtung der Tür kommen. Dieses mal etwas besser gelaunt drehte ich mich Sabin zu, nickte zur Begrüßung. "Hey", war alles, was ich ihm entgegen bringen konnte, denn es warteten noch ein paar Tische, bevor es um 19 Uhr dann los ging. Der junge Mann verschwand alsbald in einen der hinteren Räumlichkeiten, um sich dem Dresscode entsprechend anzupassen. Hierfür zeigte ich ihm kurz die Waschräume fürs Personal. Nachdem ich dann mit meinem Kram fertig war und auch Sabin wieder in den Hauptraum zurück gekehrt war, beäugte ich noch mal alles. Ich selbst hatte mich in eine schwarze Jeans geworfen, weißes Hemd und eine schwarze Fliege, die Haare hoch gesteckt. Es konnte im Prinzip alles losgehen. Die Räumlichkeiten waren fertig, das Personal auch vollständig und gut aussehend. Im Prinzip konnte es los gehen. Ich drehte mich auf dem Absatz zu Sabin, der kurz vorher aus dem Umkleideraum kam, nickte in Richtung Bar. "Ich zeig' dir noch schnell alles", ließ ich ihn ahnen, was ich mit ihm vorhatte. Hinter der Bar zeigte ich ihm, wo die Gläser standen und wie der Alkohol sortiert war. Außerdem öffnete ich einen kleinen Kühlschrank wo viel frisches Obst und Gemüse in kleinen Häppchen bereit stand. "Du hast ja sicher die Karte gelesen. Es gibt einige Cocktails mit frischem Obst und Gemüse. Martini, Gin Tonic und so weiter. Das wäre eine Aufgabe, die wir uns teilen würden, wenn du mich heute Abend überzeugst. Ich lege viel Wert darauf, dass alles hier in dem Maße frisch ist, wie es frisch sein kann. Was am Ende des Abends übrig bleibt, kannst du entweder mit nach Hause nehmen, oder ich nehme es morgen mit und gebe es bei der Tafel ab." Zwar war ich kein sonderlich sozialer Mensch mehr, aber das war von früher einfach drin. Normalerweise versteckte ich mich immer hinter meiner harten Schale und auch den Kern würde ich nicht unbedingt als weich definieren, sprach dennoch nichts dagegen, einfach nicht verschwenderisch zu leben. Und bevor ich sowas wegschmiss, sollte es eben jemand anderes bekommen. Meinetwegen. Nachdem ich Sabin alles Wichtige erklärt hatte, kamen auch schon die ersten Gäste, allen voran natürlich mein bester Freund. Schon von Weitem konnte ich das Buch von Johann Goethe zuschlagen hören, noch bevor er überhaupt durch die Tür schritt. "Dann wollen wir mal", sprach ich uns Motivation zu, bevor ich leicht lächelnd auf Richard zustiefelte, ihn mit einem "Alles Gute zum Geburtstag" um den Hals fiel.
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ich hab halt jetzt null Plan davon ob die Alle normal zahlen müssen oder es Leute gibt, die nicht blechen müssen, aber sie müssen jetzt einfach alle bezahlen, bis auf Mael weil Geburtstag und weil Freund. Ausgeben kann er ja später noch paar Runden, wenn ihm der Wind dafür in die richtige Richtung weht or whatever, ya know XD ____________________
Ich folgte ihren wörtlichen Anweisungen und auch ihren Händen aufmerksam mit meinen Blicken, während die junge Frau - die sich inzwischen auch beiläufig als Cosma vorgestellt hatte - mir Alles erklärte und zeigte, was ich in ihren Augen wissen musste. Sie schien auch auf den ersten Blick Alles erwähnt zu haben, was Irgendwie von Bedeutung sein konnte. Würde mir doch noch Etwas einfallen, wonach ich sie fragen musste, dann konnte ich das ja fast jederzeit tun, sofern ich nicht vollkommen überfordert mit eingehenden Bestellungen und Kunden war, aber davon ging ich jetzt erst einmal nicht aus. Ich war zwar doch fast ein klein wenig nervös, hatte ich einfach schon sehr lange nicht mehr wie ein normaler Mensch gearbeitet, war aber dennoch guter Dinge, dass ich das Alles hier geschaukelt bekommen würde. Auch war es sicher nicht verkehrt, wenn ich von dem Obst und Gemüse ab und an mal was mit nach Hause nehmen konnte, jetzt wo ich doch so akribisch auf jeden Cent achten musste. Die Preise für Lebensmittel waren wegen den vielen Importkosten doch schon deutlich höher, als es in Italien der Fall war, gerade bei Obst und Gemüse, dass hier oben vermehrt nur in Gewächshäusern herangezogen werden konnte. Noch dazu war beides überaus gesund und demnach war das absolut nicht verkehrt, ausschließlich gut dafür, meinen Körper so zu erhalten, wie er bis jetzt war. Wobei es mir ja allein schon nicht schmeckte, dass ich hier keinerlei Fitnessgeräte hatte und mich wieder einzig auf das Training mit dem eigenen Körpergewicht fixieren müssen würde. Ich ließ sie noch mit einem bestätigenden "Okay, alles klar.", wissen, dass ich soweit Alles verstanden hatte und es für mich auch losgehen konnte. Nicht, als hätte ich eine andere Wahl, immerhin kamen prompt waren wir mit der Einweisungen fertig auch schon die ersten Gäste. Ich ging im Kopf und mit den Augen immer auf den entsprechenden Bereich gerichtet nochmal Alles, was Cosma mir eben gesagt hatte, im Geiste durch und ließ es Revue passieren, stets in der Hoffnung, mir Alles richtig gemerkt zu haben. Würde ich ja gleich merken, ob die grauen Zellen noch ordentlich funktionierten oder ich mir langsam schon Gedanken um frühzeitiges Alzheimer machen musste. Nach der ersten Begrüßung der Barchefin dauerte es auch gar nicht lange, bis die ersten direkt zur Bar kamen oder es sich an einem der Tische bequem machten. Ich zögerte nicht, nach einer netten Begrüßung die erste Bestellung anzunehmen, bei der es sich lediglich um zwei Bier handelte. War einfach, musste ich nur abzapfen - was keine Kunst war, wenn man das vorher schon ein oder zwei Mal gemacht hatte - und abkassieren, was zwar noch ein klein wenig stockend passierte, aber doch an sich recht reibungslos verlief. Auch die ersten Cocktails stellten kein Problem dar, es war eher das Kopfrechnen, für das ich beim Zusammenrechnen ein oder zwei Sekunden länger brauchte, als ich es sollte. Aber auch das war nach ein paar Drinks nicht mehr der Fall und ich fand mich ziemlich schnell, ziemlich gut in meine Rolle als Mann hinter der Theke ein. Zumal bis jetzt auch alle wirklich in Ordnung waren, keiner unfreundlich zu mir war oder sich über den Geschmack beschwerte. Ab und an musste ich noch einen kurzen, prüfenden Blick auf die Karte werfen, ob ich auch wirklich alle Zutaten richtig in Erinnerung hatte, wofür aber nicht viel Zeit flöten ging... So weit, so gut.
Hmm. Zugegebenermaßen war ich alles andere als motiviert, an meinem heutigen Geburtstag hier in der Bar rum zu hängen. Allgemein war ich nicht der Typ Mensch, der es gerne feierte, dem Tod ein Schritt näher zu kommen. Ich liebte mein Leben und aus genau diesem Grund gab es für mich kein Anlass, das Älterwerden zu zelebrieren. Heute war das allerdings eine Ausnahme. Da ich mehr oder weniger von Freunden und Kollegen dazu genötigt wurde und sich scheinbar alle auf eine große Party freuten, minimierte ich das Übel, indem ich die Feier bei meiner guten Freundin Cosma steigen ließ. Es war kurz nach 19 Uhr, als ich die Smith and Wesson betrat. Ich war natürlich der Erste, die Räumlichkeiten waren leer und somit hatte ich zumindest noch für ein paar Minuten meine Ruhe. Kurz nachdem ich die Tür passierte, fiel mir die kleine rothaarige Frau in die Arme, gratulierte mir zu meinem Geburtstag, was ich nur mit einem Lachen und einem knappen Danke abtat. Schon in dem Augenblick war mir der junge Mann an ihrer Seite aufgefallen, was mich etwas irritierte. Ich ging davon aus, dass Cosma die Sache mit den Männern seit ihrem Ex-Freund abgehakt und eingesehen hatte, dass nur die Bar ihr Leben wirklich erfüllte. Umso verwunderter war ich, als ich feststellte, dass er scheinbar der neue Barkeeper in der S&W war. Wenn mich jemand fragen würde, was ich mir eher hätte vorstellen können: Cosma mit Freund oder Cosma mit Unterstützung in der Bar... nun, dann hätte ich gnadenlos auf Ersteres getippt und haushoch verloren. Wie dem auch sei. Es dauerte nicht lange, bis sich der Raum zunehmend mit Menschen füllte. Die einen kannte ich, andere wiederum waren nur Bekannte von Freunden oder reguläre Kneipenbesucher. Schließlich hatte ich nicht die ganze Bar gebucht, sondern nur einen Tisch. Auch wenn mir nicht wirklich nach Feiern war, versuchte ich diese negative Laune abzulegen, indem ich mich, ein Stück weit Abseits, an die Bar flezte, mit der Faust auf das Holz klopfte, um dem neuen Barkeeper zu signalisieren, dass ich gerne bestellen würde. Als der junge Mann zu mir aufgeschlossen war, begrüßte ich ihn freundlich "Hi, neu hier?", fragte ich mit einem schiefen Grinsen. Zwar war die Frage ein Stück weit ironisch, denn die Antwort war mir bereits klar. Dennoch schien es mir ein netterer Anfang für ein Gespräch zu sein, als einfach stumpf einen Drink zu bestellen. Und ich wollte schließlich wissen, was für einen Typ meine beste Freundin hier angeschleppt hatte.
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