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Moni
Beiträge: 14265 | Zuletzt Online: 05.05.2024
Name
𝕸𝖔𝖓𝖎
Geburtsdatum
4. März 1997
Registriert am:
24.10.2013
Geschlecht
weiblich
    • Moni hat einen neuen Beitrag "Until We Break || Moni & Gweny" geschrieben. Heute


      Aryanas Stimme verdünnisierte sich stetig weiter, was angesichts der Emotionen, die sich mehr und mehr in ihrem Gesicht breit machten, kein Wunder war. Trotzdem willigte sie ein, mir die drei Monate zu spendieren. Noch drei Monate länger mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen, als wäre der Job für Easterlin mental noch nicht fordernd genug. Ich nickte nur einmal kaum sichtbar vor mich hin und hatte meinen vorherigen Worten eigentlich nichts mehr anzufügen, denn ich hatte auch ohne weitere Konversation schon mit mir selbst zu kämpfen. Aryanas aufgewühltes Hirn verfolgte jedoch einen anderen Plan: Sie dankte mir. Wofür? Für dieses Minimum an Schadensbegrenzung, das ich bieten konnte, nachdem ich den noch lebenden Teil ihrer Familie mit meinen dummen Entscheidungen nachhaltig traumatisiert hatte? Faye und Victor hätten sterben können – Aryana und Mitch hätten sterben können und sie waren noch immer nicht in Sicherheit. Ich hatte noch nichts auf ihren Dank erwidert und wollte mit angestrengter Mimik lediglich ein Kopfschütteln zum Abwimmeln andeuten, als die Brünette endgültig den Tränen verfiel. Sie fing wieder zu Reden an und es folgte ein Schwall an Worten, der meine Gesichtszüge erneut erschütterte. Schon die Tatsache, dass immer wieder eine oder zwei Tränen über ihre Wangen rollten, machte es schwierig, gleichzeitig auch noch inhaltlich ihren Worten zu folgen. Denn die hatten es in sich und sollten mir noch mal mit ordentlich Nachdruck einprügeln, dass ich mir keinen einzigen Tag zu viel Zeit lassen konnte. Egal wie unfair das sein mochte. Egal wie wenig sie das persönlich meinte. Die ganze Sache war viel zu persönlich geworden, als ich Faye da mit reingezogen hatte. Vielleicht war es nicht meine Schuld, dass die ältere der Cooper-Schwestern schon sehr lange sehr viel Schutt mit sich herum schleppte, den sie inzwischen nie mehr loszuwerden glaubte. Trotzdem würde ich mir für immer eine Teilschuld zuschreiben, wenn sie mir hier lang und breit sagte, dass Selbstmord so ziemlich der einzige Ausweg war, den sie überhaupt noch sah und ich nichts unternahm, um sie davon abzuhalten. Sie und Mitch. Aryanas Wut auf mich hatte ich nie persönlich genommen – das hier aber schon.
      Ich machte einen flattrigen, sehr tiefen Atemzug, ging auf Aryana zu und kramte im selben Moment irgendwo ganz tief in meinem Schädel nach einem Teil von mir, den ich nicht mehr wirklich angefasst hatte, seit ich aus der Army geflogen war. Nicht, weil ich ihn nicht gebraucht hätte, sondern weil die richtige Situation gefehlt hatte, um ihn wachzurütteln. Ich stellte mich selbst ganz hinten an, schluckte sämtliche Emotionen mitsamt Stolz runter und fokussierte mich auf das einzig wichtige im Raum - das von ihr losgelassene, wild umher schlagende Ruder der jungen Frau direkt vor mir. “Okay, hör mir zu…”, setzte ich an und legte meine Hände seitlich an ihre Oberarme, die endlos tief hängenden Schultern. “...und sieh mich an.”, forderte ich sie dazu auf, nicht mehr nur in die Leere zu starren, sondern mich ganz bewusst wahrzunehmen. Das ging auch durch den Tränenschleier, wenn sie sich ein bisschen anstrengte. “Ich nehme nichts von dem, was du mir für gewöhnlich alles an den Schädel knallst, jemals persönlich... aber das hier schon. Nicht wegen irgendeiner Schuld, sondern weil ich nicht zulassen werde, dass die einzigen zwei Soldaten, die mir in diesem Scheißladen was bedeuten, in irgendeinem sinnlosen Kugelhagel oder am nächstbesten Baum draufgehen." Wir waren nicht sowas wie Freunde – dafür fehlte seitens des Paares noch eine ganze Menge Vertrauen, das nicht aus einer Situation heraus erzwungen war. Doch ich vertraute ihnen längst. Vertraute darauf, dass meine Menschenkenntnis mich bei ihnen nicht täuschte. Ich mochte sie. Auf eine sehr schräge Art, die vermutlich darauf zurückging, dass wir allesamt völlig geschädigte, kaputte Veteranen waren. Jeder auf seine eigene und doch alle auf dieselbe Weise. "Und fair gibt’s in dieser Welt sowieso nicht… jedenfalls nicht umsonst, nicht wenn man sich’s nicht selbst nimmt. Genau deswegen müsst ihr einen Weg dafür finden, zumindest ein bisschen Energie zu tanken. Denn ganz egal, worauf der Plan am Ende genau hinausläuft – es wird definitiv kein Spaziergang, für mich nicht und für euch vermutlich noch weniger. Ihr braucht genug Kraft und auch euren Verstand, um noch diesen einen letzten Kampf durchzustehen… um Easterlin in den Arsch zu treten, weil er's nicht anders verdient hat und um euch endlich euer verdammtes Fair zu holen. Vielleicht siehst du das gerade nicht, weil dir alles zu viel geworden ist und du nicht klar denken kannst… aber ihr verdient das, alle beide.” Für einen kurzen Moment sah ich sie schweigend an, dann fuhr ich fort. “Ihr kommt gelegentlich vom Weg ab, aber eure Herzen sind rein. Sie sind so ehrlich wie kaum ein anderes… das hast du mir nie deutlicher gezeigt als jetzt und es ist mir unheimlich viel wert.” Keiner der geldgierigen Söldner in Easterlins Heer würde sich jemals hier vor mich hinstellen und wegen schlechten Gewissens an Suizid denken. Aryana und Mitch gehörten nicht hierher, all die Gewalt und die üble Moral innerhalb dieser Mauern machten sie endgültig kaputt. Zusätzlich zu allem anderen, weiß Gott was sonst noch in ihren Köpfen begraben lag… vielleicht wollte ich das lieber gar nicht wissen, weil es selbst eine unabhängige Frau wie Aryana in die Knie zwang und dazu brachte, ausgerechnet bei mir um Hilfe zu rufen.
      “Wenn ich also noch irgendwas tun kann, um euch mehr Luft zum Atmen zu geben, damit ihr ansatzweise zurück auf Kurs kommt, dann sag es mir bitte. Ich kann euch eine längere Schonfrist bis zum nächsten Einsatz einräumen, auch wenn ich mir dafür fünf gute Gründe aus dem Ärmel schütteln muss… ihr habt in den mehr als eineinhalb Jahren auch nicht alle erarbeiteten Urlaubstage abgebaut, die kann ich euch geben. Dafür brauch’ ich nicht mehr als eure Unterschriften auf den Urlaubszetteln. Ich greif' euch unter die Arme so gut ich kann, aber dafür muss ich wissen, womit ich euch am ehesten helfen kann, Aryana. Wir müssen auf Biegen und Brechen was von dem Wasser aus euren Fässern kriegen, sonst haben wir keine Chance da heil rauszukommen.” Ich sah die junge Frau ernst an, weil die Situation ganz genau das war – wortwörtlich todernst. Trotzdem schimmerten meine meist kühlen, graubraunen Augen ihr weich entgegen. Weil ich wusste, wie sie sich fühlte. Weil ich ihr keine Vorwürfe dafür machen würde, mit ihrer schier endlosen Kraft doch mal am Ende angekommen zu sein und das aus Verzweiflung nun alles auf mir abzuladen. Ihre Herzen waren stark, aber ganz ohne Verstand kamen sie damit nicht mehr weit. Nicht in einem Gefecht. Angesichts Aryanas Verfassung war es ein Wunder, dass sie überhaupt noch so gut funktionierten und noch nicht durchlöchert worden waren. Nur reichte blankes Überleben nicht, um sie hier rauszuboxen.
      Später, wenn sie aus der Armee raus waren, brauchten sie den Urlaub jedenfalls nicht mehr. Es gäbe kaum einen besseren Zeitpunkt als sofort, um ihren geschundenen Körpern und Seelen eine Pause zu gönnen. Jetzt, bevor es zu spät dafür war. Ich konnte zwar aufgrund noch nicht vorhandenen Plans nur schwer abschätzen, ob uns eine tendenziell auffällige Ausfallzeit der beiden letztendlich in die Karten oder gegen uns spielte, aber das würde am Ende keine Rolle spielen, wenn sie ohne ein paar freie Tage mehr als üblich überhaupt nicht mehr bis zu ihrer Befreiung durchhalten konnten. Letzteres hatte oberste Priorität, denn andernfalls gingen wir ohnehin alle zusammen über Bord.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Until We Break || Moni & Gweny" geschrieben. Gestern


      Ich zuckte mit den müden Schultern. „Naja, draußen fühlt ihr euch offenbar auch scheiße und in der Hand hat er euch trotzdem. Pest oder Cholera.“, seufzte ich angestrengt. Ich fand es auch nicht unbedingt super, direkt auf der Arbeit zu wohnen. Zwar war ich das von den langen Jahren bei der Army so gewohnt, aber gerade mit einem Partner an der Seite wurde das schwierig. Hier waren Beziehungen erlaubt, aber alle Soldaten wussten, dass das nicht immer gut ging und es allgemein mit großer Vorsicht zu genießen war. Es gab hier ohnehin nicht viele Paare, was mitunter sicherlich an der niedrigen Frauenquote lag. Es war jedenfalls nicht so, dass ich nicht verstand, warum sie nicht hier unterkommen wollten. Wahrscheinlich war es am Ende auch trotzdem besser, wenn Aryana und Mitch ihren Kollegen nicht noch deutlicher unter die Nase rieben, dass etwas nicht stimmte. Nur der Aspekt der Sicherheit vor den Hernandez sprach akut für einen Einzug in einen von Easterlins Wohnkomplexen.
      Kurz atmete ich auf, als ich für einen Moment noch einmal Aryanas Aufmerksamkeit zu haben schien. Bis jetzt war ihr ein Ausweg aus Easterlins Armee-Zug, zusammen mit ihrem Liebsten, also wirklich noch lieber als einfach stumpf ins Gras zu beißen. Das war gut. Sehr viel weniger gut war aber die Frage, die sie mir daraufhin stellte. Einen Augenblick lang sah ich sie so an, als würde sie mich jetzt komplett verarschen wollen. „Ich kann doch nicht…“, setzte ich schnaubend an, vollendete den Satz jedoch nicht, sondern musterte ihr Gesicht. Jemandem, dem man auf irgendeiner Ebene offensichtlich nicht egal war, eine Frist für den eigenen Suizid aus der Nase ziehen zu wollen, pflichtete ein weiteres Mal ihrem Wahnsinn bei. Denn es war kein schlechter Scherz, Aryana meinte das ernst. Ihre erschöpften Augen schrien förmlich nach einem festen Datum, an dem sie nicht mehr blinzeln mussten.
      Ich lachte aus purer Verzweiflung leise in mich hinein, als ich mich von dem Mensch gewordenen Elend abwendete und beide Hände hob, um mir erst übers Gesicht zu reiben und dann die Haare zu raufen. Dabei machte ich ein paar wenige Schritte durch den Raum, als würde das tatsächlich den Druck von meinem Schädel und meiner Brust nehmen. Oder von meinem Magen, mir wurde übel. Nicht nur, weil ich nicht versagen und damit Aryana und Mitch von der Klippe stoßen wollte, sondern auch, weil Faye mir das Aussprechen einer solchen Frist nie verzeihen würde. Nicht, wenn dermaßen offensichtlich war, wofür es stand. Aber war dann eigentlich egal, oder? Ich würde glatt hinterher springen wollen, wenn das Paar endgültig abstürzte und Aryana würde dieses Zimmer sowieso nicht ohne eine Antwort verlassen. Oder vielleicht schon, aber dann nur um daraufhin den direkten Weg in die hässlichsten Viertel der Stadt zu suchen, um irgendwo hoffentlich auf das Rattenpack zu treffen.
      Es war eine halbe Minute still im Raum gewesen, abgesehen von meinen Schritten. „Du hast echt Nerven.“, grummelte ich leise, mehr in mich selbst hinein, als ich mir gerade noch das Nasenbein massierte. Daraufhin drehte ich mich schwer durchatmend zu ihr um. „Schafft ihr sechs Monate?“, fragte ich stumpf, so als würde ich damit nicht gerade den Stand der suizidalen Dinge abfragen. Ich sah ihr allerdings nur einen kurzen Moment ins Gesicht und holte mir damit selbst eine Antwort, ohne eine von der jungen Frau abzuwarten. „Gib mir drei.“ Ich klang kühler als vorher, was daran lag, dass sich langsam aber sicher kalter Schweiß auf meinem Rücken bildete und ich es nicht anders ertrug, eine tatsächliche Frist auszusprechen. Weil ich all die Schuldgefühle, den Selbsthass und die Sorge um mein erneutes Versagen für den Moment komplett runterschlucken und in den Survival-Mode schalten musste, wenn ich nicht jetzt schon einen Nervenzusammenbruch haben wollte.
      Noch ein bisschen durchhalten, hatte ich gesagt. Ich hätte mir selbst lieber noch ein ganzes Jahr zum Nachdenken gegeben, aber das war nicht ein bisschen. Nicht mal ein halbes Jahr war ein bisschen, wenn man schon an einem Punkt stand, an dem jeder einzelne Tag längst viel zu viel war. Drei Monate könnten zu wenig sein. Es klang nicht machbar und ich würde irgendwo ganz sicher gewaltig nachhelfen müssen, auf eigene Gefahr. “Bis dahin hab ich einen Plan, okay?” Wenn ich ihnen nach dieser Zeit zumindest eine gute Idee präsentieren konnte, dann hielten sie unter Umständen vielleicht auch noch ein paar Tage länger bis zur Umsetzung durch, weil die Freiheit dann doch wieder greifbar war, oder? Mussten sie. 90 Tage waren schon für eine lückenlose Strategie spärlich bemessen, für die Umsetzung reichte das erst recht nicht. Ich fühlte mich in die Zeit zurückversetzt, als die Mexikaner mir eine wahnsinnige, unlösbare Aufgabe für viel zu wenig Zeit auferlegt hatten. Das hier war genau dasselbe – es standen wieder Leben auf dem Spiel, die ich nicht riskieren wollte, die ein viel zu hoher Preis für mein Versagen waren. Faye indirekt inklusive, natürlich.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Until We Break || Moni & Gweny" geschrieben. 03.05.2024


      Natürlich waren wir nicht sicher. Das war einer von mehreren Gründen dafür, warum ich mich so konsequent innerhalb der Grundstücksgrenze des Stützpunkts verschanzte. „An dieser Stelle erinnere ich dich liebend gerne daran, dass ihr beide euch genauso hinter diesen Mauern“, ich machte eine allumfassende Handgeste in der Luft zwischen uns, „verstecken könntet, wie ich das tue und absolut Niemand irgendwen besuchen sollte.“, entgegnete ich nicht weniger trocken. Ich war mir inzwischen bewusst darüber, dass ich wahrscheinlich ebenso gegen eine Wand redete, wie Aryana das mit ihren guten Gründen bei mir tat. Trotzdem durfte ich die Versuche, zu ihr durchzudringen, auf keinen Fall einstellen. Allerspätestens die Träne, mit der ich schon wieder überhaupt nicht gerechnet hatte, machte das überdeutlich. Ich hatte Mühe, die junge Frau nicht völlig perplex anzusehen. Sie hatte sich mir gegenüber noch nie verletzlicher gezeigt, als sie das musste. Nur ihre Angst um Faye hatte diese Fassade mal minimal bröckeln lassen… und jetzt stand sie hier und war gefühlt nicht mal mehr richtig anwesend. Starrte mich aus ihren leeren Augen an, die scheinbar schon damit aufgehört hatten, ein winziges Licht am Ende des pechschwarzen Tunnels zu suchen. Als wäre längst jeder Funken Hoffnung in ihr vergiftet worden… was nachvollziehbar war gemessen an der Tatsache, dass sie und Mitch selber schon elend lange nach einer Ausflucht suchten. Erfolglos. Dennoch war es schlicht keine Option, in dem aussichtslosen Tunnel einfach tatenlos oder gar ganz bewusst zu verrecken.
      Es rollte noch eine zweite unscheinbare Träne über Aryanas Wange und ich spürte Druck auf der Kehle, als ich schluckte und kaum sichtbar den Kopf hin und her wog. „Ich kann dir keine Zeitspanne geben.“, musste ich die Brünette enttäuschen, aber das hatte sie ihrem Tonfall nach zu urteilen ohnehin schon erwartet. Sie ging wahrscheinlich fest davon aus, dass ich ein weiteres Mal an einer unlösbaren Aufgabe zerbrechen würde und ich musste mich selbst täglich ermahnen, nicht in genau dasselbe Denkmuster zu rutschen. Es war ja leider nicht so, als hätte ich schon eine genaue Vorstellung davon, wie genau ich das Paar befreien würde. „Und auch keinen Plan… aber ich hab Ansätze, die keine weiteren Straftaten von euch beinhalten.“, sprach ich sehr oberflächlich in Rätseln. Schon allein deswegen, weil große Teile etwaiger Pläne auch für mich noch in den Sternen standen. Ich nicht wusste, ob auch nur einer der besagten Ansätze jemals in Erfüllung enden würde. Dass Mord oder Bestechung auf amerikanischem Boden keine Option war, brauchte ich Aryana nicht zu erzählen. Egal was der Grund für ihr Ausscheiden aus der Armee sein würde, es musste woanders als in den Staaten passieren. Irgendwo, wo der Milliardär nicht genug Augen und Macht hatte. Wo er das Geschehen nur bedingt manipulieren konnte. „Es ist unmöglich, ihn hier auf US-amerikanischem Boden auszutricksen… zumindest für normal sterbliche Menschen wie uns.“ Eben solche, die nicht alle möglichen Leute mit einem riesen Haufen Kohle umpolen konnten. „Deswegen muss es auswärts passieren… und bis ich einen entscheidenden Vorteil gefunden habe, den er nicht wieder irgendwie zu seinen Gunsten umdrehen und euch einen Strick daraus drehen kann, musst du noch ein bisschen durchhalten. Ihr beide.“ Zum Ende hin wurde ich etwas leiser und obwohl ich wirklich kein sentimentaler Mensch war, machte sich das Bedürfnis in mir breit, die Brünette trösten zu wollen. Leider hatte ich im selben Moment schreckliche Gewissheit darüber, dass sie das nicht wollte. Ich erwartete nicht mehr von den beiden, als sich noch ein bisschen ans Leben zu klammern. Von mir aus nur mit dem kleinen Finger, solange sie bloß nicht endgültig losließen. Offensichtlich war das allein aber schon eine riesige Hürden für Aryana und das machte mir nicht nur heftigen Zeitdruck, sondern auch Angst.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Until We Break || Moni & Gweny" geschrieben. 02.05.2024


      Mich nicht weiter beelenden… sie sollte lieber weiter meine Nerven strapazieren, als ihre eigenen endgültig über Bord zu werfen und uns alle dem nächsten Racheakt der Hernandez zu weihen. Möglicherweise würde ich es nie in Aryanas Schädel reinkriegen, dass sie und auch ihr Freund mir nicht völlig am Arsch vorbei gingen. Natürlich waren sie mir nicht so ans Herz gewachsen wie Faye, aber ich schätzte sie auf einer anderen Ebene. Beide hatten schon so einige kaputte Tassen im Schrank, bevor sie die Brüder gefoltert hatten, aber sie trugen dennoch ein paar Eigenschaften mit sich herum, die heutzutage selten und umso wertvoller waren. Eine davon war, dass sie im Normalfall nicht bloß heiße Luft von sich gaben, sondern man ihre Worte für bare Münze nehmen konnte.
      Genau das war jetzt wiederum aber etwas, das mir Angst machen sollte. Ich war absolut nicht darauf eingestellt, dass die ältere Cooper sich mittels Handgreiflichkeit weiter in meinem Zimmer einnisten und sich dann auch noch vor die Tür schieben würde. Dafür allein erntete sie schon einen überrumpelten Blick und ich ging einen Schritt rückwärts, bevor sie mich lange einfach nur ansah – normalerweise sahen wir uns nicht länger als nötig in die Augen. Die Worte, die sie danach noch von sich gab, forderten jedoch meine primäre Aufmerksamkeit und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als besser aus der älteren Cooper lesen zu können. Sie hatte so gar nichts mit Faye gemeinsam. Ich wusste nicht, ob sie das tatsächlich durchziehen würde, wenn ich ihr keine andere Wahl ließ. Sie machte sich nicht länger die Mühe, ihre Emotionen zu verbergen – absichtlich, um mich in die nächste Bredouille schlittern zu lassen. Ich konnte sie genauso wenig planlos nach den Hernandez suchen lassen, wie ich ihr die Nummer geben konnte. Aryana und Mitch lebend aus Easterlins Armee zu boxen war die einzige kleine Chance auf Wiedergutmachung, die ich je bekommen würde. Sie durfte jetzt nicht blind in ihr Verderben laufen, sie würde Mitch mitnehmen und ich könnte nie wieder in den Spiegel sehen. Nicht nach allem, was die beiden durchgemacht und letzten Endes auch für mich getan hatten, sei es auch nur ein Nebeneffekt von Fayes Rettung.
      Ich spürte leichte Panik in meinem Genick nach oben kriechen und ich verengte mit einem tiefen Atemzug die Augen. “Es wäre mir lieber, du würdest mir von jetzt an 24/7 auf die schon kaputten Nerven gehen, als völlig sinnlos in den Tod zu marschieren.”, grummelte ich. Dabei wusste ich nicht, was mich letztendlich mehr reizte: Das respektlose aus dem Weg schaffen meiner Hand oder doch ihr verzweifelter, egoistischer Wahnsinn? “Da, wo diese mexikanischen Ratten herkommen, gibt’s noch mehr. Wenn du eine umbringst, kriechen garantiert noch zwei mehr aus demselben Loch. Warum glaubst du denn, dass ich nie ernsthaft gegen sie in den Kampf gezogen bin? Du hast keine Ahnung, womit du dich da anlegst. Das ist auch mit der bescheuerten Telefonnummer nichts als Selbstmord und damit tust du Niemandem außer dir einen Gefallen.”, versuchte ich weiter, ihr ein bisschen Verstand einzutrichtern, weil davon offenbar nichts mehr übrig war. Vielleicht war das vergeudete Liebesmüh. Ich wollte nicht so denken, aber vielleicht gab es wirklich nichts, das Aryana davon abhalten könnte, ihre eigene Hinrichtung zu provozieren. Es war auch nicht so, als würde ich es nicht verstehen – sie machte mit ihrem ganzen Auftreten sehr deutlich, wie non-existent ihre Kraftreserven waren. Dass sie nicht mehr wollte, so nicht mehr weitermachen konnte und ich wünschte mir wirklich, ich hätte eine sofortige Lösung für sie. Ihr Anblick tat weh und schubste mich nur noch tiefer in die Grube aus Schuldgefühlen, in der ich irgendwas absaufen würde, wenn es so weiterging.
      “Egal was du vorhast, du wirst dich damit umbringen. Du wirst Faye ihre Schwester nehmen. Du wirst Mitch töten… und du wirst mir die einzige verdammte Chance nehmen, mit mir selber weiterleben zu können.” Die Worte kamen mit Nachdruck über meine Lippen und ich entließ Aryana nicht aus meinem Blick. Ich würde sie besser doch nicht wieder durch diese Tür gehen lassen, bevor sie nicht ansatzweise zurück auf dem Boden der Tatsachen saß. Nicht nachdem sie mir hier gerade so deutlich vor Augen führte, dass ihr Verstand irgendwo wie ein entgleister Zug zerschellt war. Ich wusste nur auch nicht, wie ich an etwas appellieren sollte, das aktuell scheinbar akut nicht vorhanden war. “Ich weiß, dass einfach abzuwarten und still zu hoffen ungefähr die schlimmste Tortur für euch beide sein muss und dass ihr mir wahrscheinlich noch immer keinen Meter über den Weg traut.” Schließlich kannte ich das Gefühl bestens und es machte einen nur zusätzlich kaputt… und weiter kaputtzugehen, wenn man schon in Scherben am Boden lag, überstieg irgendwann die Grenze des Erträglichen. “Aber ich zerbreche mir jeden einzelnen Tag den Schädel darüber, wie ich euch beide hier rausholen kann und ich werde nicht zulassen, dass du das kaputt machst.” Es klang so formuliert viel egoistischer, als ich es eigentlich meinte. Die beiden verdienten ihre Entlassung und damit die einzige Form eines Lebens, das sie hoffentlich noch aus dieser Misere rausholen konnte. Ein Leben ohne Mord, ohne Flucht und ohne weitere moralische Zerwürfnisse. Faye verdiente es, irgendwann wieder eine Aryana neben sich sitzen zu haben, die sich tatsächlich auch wie ihre Schwester verhielt. Die lachen konnte, statt mich so anzusehen, wie sie es gerade tat… und auch Victor verdiente es, dass diese kaputte Familie aus Veteranen irgendwann gesund und glücklich, nur noch mit absolut banalen Problemen gesegnet war. Ihn nahm das sicher auch mit und am Ende verdiente auch ich es, endlich aus der endlosen Spirale aus dummen Entscheidungen und Pech rauszukommen. Ich würde gerne von mir behaupten mental stabil zu sein, aber aus dieser sehr kurzen Phase war ich schon wieder raus. Aryana würde mit dieser dummen Idee auch mich an die nächstbeste Wand fahren und das durfte ich nicht zulassen. Zwar hatte ich Faye nur gesagt, dass ich sehen würde, ob ich etwas tun konnte, weil die Angelegenheit eine ziemlich aussichtslose war und so würde ich ihr gegenüber kein Versprechen brechen, wenn ich es nicht hinbekam, das Paar auszulösen... aber mir selbst hatte ich es versprochen. Dieses einzige verdammte Mal würde ich nicht wieder scheitern.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Until We Break || Moni & Gweny" geschrieben. 02.05.2024

      Ja stimmt eigentlich, es würde sie wohl keiner im Thread vermissen. x’D
      ______


      Meine Augenbrauen wanderten zusammengezogen nach oben. Aryana machte es sich hier gerade schon sehr einfach. So als wüsste sie nicht, dass ich Fayes Wünsche dennoch befolgen würde – ganz gleich, wie weit weg sie in diesem Augenblick sein mochte und wie wenig ihre jüngere Schwester hoffentlich von diesem Gespräch, das mehr und mehr einen unschönen Verlauf zu nehmen schien, rückwirkend mitbekommen würde. Meine Meinung darüber änderte sich auch nicht, nur weil sie für Aryana irrelevant war. So funktionierte die Welt nicht.
      Ich mahlte mit dem Kiefer und schüttelte den Kopf, als sie ihr Ziel zu erreichen versuchte, indem sie mir Vorwürfe und ein schlechtes Gewissen machte. Für etwas, das ich genauso gerne vermieden hätte, wie sie auch. Für etwas, das ich absolut gar nicht gewollt hatte. Aryana hatte wirklich ein Händchen dafür, in längst noch nicht verheilten Wunden herumzustochern, aber wenn sie mich damit aus der Reserve zu locken glaubte, musste ich sie auch damit enttäuschen. Sie war bei Weitem nicht die erste Person in den vergangenen 20 Jahren, die mich auf diese Weise zu manipulieren versuchte. “Meine Meinung ändert sich aber nicht, nur weil sie dich nicht interessiert.”, stellte ich erstmal klar, wobei ich mich von ihrem genervten Tonfall anstecken ließ. Sie ging mir hier nämlich nicht weniger auf die Nerven, als es umgekehrt auch der Fall war. “Und ich wollte überhaupt gar nichts davon, es gab nur offensichtlich unter dem vorhandenen Zeitdruck keine andere Option.”, folgte der nächste Fakt. Es war nicht so, als hätten wir viel Zeit dafür gehabt, uns eine bessere, für alle Beteiligten bessere Idee auszudenken. Eine, bei der bestenfalls Niemand beinahe sterben und auch Niemand traumatisiert werden musste. Außerdem war von Aryana und Mitch genauso wenig ein Plan B vorgeschlagen worden, wie von meiner Seite. Sie hatten sich die eigenhändige Befreiung ja quasi schon in den Kopf gesetzt gehabt, als sie in mein Büro geplatzt waren.
      Ich war mir nicht sicher, ob ich schon jemals eine an mich ausgesprochene Bitte von Aryana gehört hatte. Todsicher hätte ich sie aber unter anderen Umständen sehr viel mehr geschätzt. “Und so dankbar ich auch dafür bin, dass ihr das durchgezogen habt, bringt mir meine Sicherheit ziemlich wenig, wenn das hier”, ich machte eine flüchtige Handgeste in Aryanas Richtung, “der Preis dafür war. Was zum Teufel denkst du, wird passieren, wenn du bei diesen Wahnsinnigen auf der Matte stehst?” Ich hielt mich damit zurück, es ihr ins Gesicht zu sagen, aber sie schien wirklich den Verstand verloren zu haben. Während ihrer Zeit bei der Army war sie sicherlich mal eine gute Strategin gewesen, aber das Trauma machte sie noch kaputter, als ich befürchtet hatte. Aryana war verzweifelt und das war wirklich kein Zustand, den ich bei ihr erkennen müssen wollte. Verzweifelte Menschen taten nämlich leichtsinnige, hoffnungslose Dinge. Ich war selbst ein hervorragendes Beispiel dafür und würde der Brünetten gewiss nicht dazu verhelfen, sich in eine ähnlich ausweglose Situation zu verrennen, nur um am Ende umgelegt zu werden. Egal ob sie das hier wirklich alleine durchziehen oder Mitch da mit reinziehen wollte – so oder so würde er mit ihr fallen, auf die eine oder andere Weise. “Ich werd’ dir nicht geben, wofür du hergekommen bist. Das ist nicht nur deine Entscheidung, wir hängen da nach wie vor alle drin.”, teilte ich ihr endgültig mit und schüttelte ein weiteres Mal den Kopf, bevor ich die Hand an die noch in Reichweite liegende Türklinke legte. Aryana war umsonst mit ihrer Forderung hergekommen und konnte getrost wieder gehen, statt gegen die Wand in meinem Schädel zu boxen. Das tat uns beiden nur unnötig mehr weh und wir trugen sicherlich beide schon genug Schmerz für einige Jahrzehnte in uns herum.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Until We Break || Moni & Gweny" geschrieben. 01.05.2024

      Ihre Blütezeit ist schon verstrichen, jep... echt ungünstig für uns Monks. x.x
      Mal sehen, was seine Zukunft hier abgesehen des Escapes noch so bringt, lel. x'D
      _________


      Aber natürlich, komm doch rein, möchtest du was trinken? Eine freundliche Begrüßung wie diese würde in diesem Leben wohl niemals zwischen Aryana und mir zustande kommen. Obwohl ich das eisige Klima zwischen uns längst gewohnt war und ich mir auch nicht sowas wie ein freundschaftliches Miteinander erhoffte, war es doch ziemlich dreist, wie die Brünette sich einfach Zugang zu meinen schlichten vier Wänden verschaffte. Nur, um mir im direkten Anschluss, kaum war die Tür ins Schloss gefallen, eine Forderung vor die Füße zu knallen. Normalerweise war mir der direkte Weg der Kommunikation tatsächlich lieber, als erst unnötige Nachrichten hin und her zu schicken, aber in diesem Fall wäre mir eine Vorwarnung gelegen gekommen. Ich blickte gerade noch mit einem etwas tieferen Atemzug auf die Tür, die ich lieber hätte offen stehen lassen, um hässliche Konfrontation der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – was offensichtlich nicht in Aryanas Sinn stand – als sie auch schon eine konkrete Frage an mich richtete, deren Antwort sie bereits kannte oder mindestens erahnte. Ich schluckte und sah das erste Mal, seit sie ungefragt den nur mehr oder weniger in verschiedene Bereiche unterteilten Raum betreten hatte, wieder in ihre Augen. In ihren gewohnt kalten Blick, der trotzdem leerer wirkte als sonst. Ich hatte ihr lange nicht mehr direkt gegenüber gesessen oder gestanden, aber von nahem sah die junge Frau noch eine gute Spur kaputter aus, als über etliche Tische hinweg am anderen Ende der Kantine.
      Natürlich hatte ich die Nummern der mexikanischen Brut noch. Nur für den Fall, dass sie die nicht wechselten und mich nochmal zu kontaktieren versuchten – damit ich vorgewarnt war, bevor ich den grünen Hörer drückte. Aber eigentlich musste Aryana doch klar sein, dass ich ihr die nicht guten Gewissens geben konnte, oder? “Theoretisch, ja.”, war meine erste, recht trockene Antwort. Ich musterte ihren Gesichtsausdruck noch einen kleinen Moment, bevor ich weitersprach. “Aber Faye würde nicht wollen, dass ich sie dir gebe.”, vor allem nicht in diesem Zustand. Ich konnte mir schon denken, weshalb sie die Hernandez kontaktieren wollte und ich verstand sie. Es war ein schrecklich folterndes Gefühl, nicht zu wissen, ob nicht doch noch irgendwo der nächste Racheakt lauerte. Das änderte nur nichts daran, dass ich Aryana nicht schon wieder mutwillig der nächsten Gefahr aussetzen würde. Erst recht nicht, solange kein akuter Grund bestand, der das auch nur ansatzweise rechtfertigte oder notwendig machte. “Und ganz unabhängig davon halte ich das genauso wenig für eine gute Idee.”, untermauerte ich meinen Standpunkt mit fester Stimme und klang nicht so, als würde ich mich zeitnah umstimmen lassen wollen. Ich bemühte mich trotz meiner eigenen, mäßig guten Laune um einen neutralen Gesichtsausdruck.
      Man stach nicht mit einem Stock in ein Hornissennest, von dem man sich nicht sicher war, obs noch bewohnt war. Wir hatten leider keine ansatzweise ungefährlich Möglichkeit dazu, besagtes Nest erst ein paar Tage vorab zu beobachten und es war viel zu riskant, einfach mal so den Kontakt zu suchen. Vielleicht nachzufragen, ob die Message denn angekommen war. Oder schlimmeres, was ich sowohl Aryana, als auch Mitch zutraute. Ich konnte der Brünetten nicht einfach die Nummer geben und ihr viel Glück bei was auch immer wünschen – das würde ich mir nie verzeihen und Faye würde es auch nicht.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Until We Break || Moni & Gweny" geschrieben. 01.05.2024

      Ich mach jetzt mal ‘nen größeren ZS, weil bis zum Escape ja sowieso noch einiges an Zeit vergehen sollte und Victor seine sterbende Verwandtschaft auch nicht schon morgen besuchen muss. Und ja, auch Ryatt hat nochmal neue Bilder gekriegt, auch wenn ichs mir bei ihm möglicherweise so gut wie hätte sparen können… mein Monk lässt keine sich in der Form unterscheidenden Banner zu, ich kann mir nicht helfen. XD
      ______


      Letztendlich hatte ich nach dem Abschied von Faye, der etwa drei Monate zurücklag, wahrscheinlich kaum mehr als drei oder vier Stunden geschlafen, wobei die Hälfte davon eher unter unruhiges Dösen fiel. Die Verabschiedung mochte im Guten vonstatten gegangen sein, aber das hatte es nicht weniger schmerzhaft oder das Gedankenkarussell weniger turbulent gemacht. Ich hatte mich noch früher als geplant aus den Laken gerollt, weil ich ohnehin nicht wieder hatte einschlafen können. Als ich das Zimmer später verließ, hielt ich auf dem Flur nochmal inne und ich hätte lügen müssen, um zu sagen, dass ich Faye nicht gerne nochmal aus dem Schlaf gerissen hätte. Ganz gleich wie egoistisch und sinnlos das war, brauchte es mich viel Überwindung, mit meinem Kram stattdessen den Flur runter und zum Frühstück zu gehen. Appetit war keiner vorhanden und so stocherte ich am Ende mehr im Müsli herum, als es zu essen. Ich schindete unbewusst nur Zeit damit, obwohl ich wusste, dass Faye erst später aufstehen und dem Essbereich des Hotels nicht beiwohnen würde, bevor ich los musste. Mein Fokus für Easterlins Geschäfte ließ noch stark zu wünschen übrig, als ich das Gebäude verließ und daraufhin mittels Taxi den ersten Checkpoint meiner Liste ansteuerte.
      Mein Ausflug nach Portland sollte dennoch Früchte tragen. Nicht sofort, weil der Kauf des auserwählten Grundstücks hinsichtlich diverser Genehmigungen auf militärischer Ebene noch eine ganze Weile in der Luft hing, aber sobald Easterlin alles hatte, was er dafür brauchte, gehörte ihm ein Strandabschnitt nahe der Staatsgrenze zwischen Oregon und Washington. Der Bau für diese Außenstelle seines Imperiums hatte mittlerweile begonnen, die Grundstücksgrenzen wurden dicht gemacht. Die Pluspunkte, die ich mit dieser Errungenschaft bei ihm gesammelt hatte, halfen mir aber trotzdem nicht dabei, mich wieder am Leben zu erfreuen. Ganz gleich wie wichtig sein Vertrauen in meine Person war, um Aryana und Mitch bestenfalls irgendwann aus seinem Würgegriff zu befreien, vermisste ich Faye. Es dauerte lange, bis ich nicht mehr ständig daran dachte, dass ich sie vielleicht nie wiedersehen würde. Dass Aryana und Mitch sich – verständlicherweise – sehr schwer damit taten, mich auch nur ansatzweise neutral anzusehen und mich nicht quer durch die Kantine mit Blicken zu ermorden, machte die Situation nicht erträglicher. Es ging ihnen nicht gut, das konnte selbst ich deutlich sehen. Ihre Leistung im Training und auf Einsätzen fiel zwar nicht massiv ab, aber das schrieb ich der Tatsache zu, dass sie die Sache mit dem einfach weiter funktionieren schon seit ewig perfektioniert hatten und das sehr lange durchziehen konnten, bevor etwas – oder eher Jemand – zu Bruch gingen. Mitch hatte auswärts schon einmal versagt und ich wollte nicht erleben, dass das einem der beiden noch einmal passierte. Wollte vor allem nicht auch noch Schuld daran sein, wenn Easterlin endgültig die Geduld mit ihnen verlor. Die Schuldgefühle zerfraßen mich, aber bisher hatte jede meiner Ideen hinsichtlich ihrer Entlassung entweder eine unumgängliche Sackgasse oder viel zu riskante Haken, als dass die Umsetzung auch nur zu versuchen ansatzweise sinnvoll wäre.
      Vor allem um die Weihnachtszeit herum hingen meine Gedanken ständig bei Faye fest, obwohl ich mit dem Besuch bei meiner Familie vermeintlich gut abgelenkt hätte sein sollen. Der erste Abend im Hause meiner Eltern war extrem aufwühlend. Sie fragten nicht nach, was denn alles in der Zwischenzeit passiert war, aber das Gefühl ihrer unterschwellig fragenden Blicke erschlug mich so sehr, dass es immerhin eine sehr oberflächliche Kurzfassung von mir über die vergangene Zeit in Seattle für sie gab. Die geschockten, wenn auch bemüht verhaltenen Reaktionen darauf machten das alles nicht erträglicher, aber damit war die Vergangenheit zumindest abgehakt und wir konnten neu starten. Sie würden mich wohl nicht einmal dann aus ihrem Leben verbannen, wenn ich dauerhaft vor der Polizei flüchten und sie damit zu Beihelfern und Mitwissern machen würde. Ich wusste nicht, womit ich das verdient hatte, aber ich würde von jetzt an versuchen, das auch wirklich zu würdigen und die noch holprige Beziehung zu meinen Eltern richtig zu kitten. Als meine Mutter danach fragte, ob sie Faye irgendwann vielleicht mal kennenlernen würde – weil sie ihr danken wollte, nahm ich an – betrank ich mich als verspätete Resonanz darauf am nächsten Abend bei vollem Haus mit ein paar Cousins, deren eintönige Erzählungen mich eigentlich überhaupt nicht interessieren. Die waren trotzdem besser, als an Faye und unsere verrückte weihnachtliche Clubnacht oder das Kekse backen zu denken. Auch das Snowboarden, das ich in den Tagen danach in die Tat umsetzte, half dabei den Kopf freizukriegen. Jedenfalls so lange, bis ich Faye ein Foto von der Piste schickte, damit sie sich im besten Fall so wenig Gedanken oder gar Sorgen um mich machte, wie nur möglich war.
      Wieder in Seattle angekommen empfing mich der gleiche Alltag, den ich zurückgelassen hatte. Ich verließ Easterlins Stützpunkt seit Fayes Entführung nur selten, obwohl meine mentale Gesundheit nur zusätzlich darunter litt, jeden Tag die fast identischen Wege zurückzulegen. Aryana und Mitch war bis dato zwar nichts passiert und es schien wirklich so, als hätten die Hernandez stillschweigend die weiße Flagge gehisst… aber das hatte ich schon mal gedacht und mich damit geirrt. Ich konnte den beiden nicht mehr aus Easterlins Armee helfen, wenn ich gekidnappt und zu Tode gefoltert wurde. Das wollte ich nicht riskieren, den beiden und Faye zuliebe, also hatte ich auch zu Dylan überwiegend lediglich übers Handy Kontakt. Nur zwei Mal hatte ich ihn in den letzten Monaten in der Bar besucht und beide Male war ich nicht alleine hingefahren, sondern hatte mindestens einen Kollegen mitgenommen, um nirgends auch nur einen Schritt alleine im Dunkeln auf der Straße zu machen. Selbst meine Einkäufe, die dank dem Entfall von Lebensmittelkäufen nur hin und wieder mal notwendig waren, versuchte ich immer mit denen anderer Kameraden zu verbinden – einer der Vorteile davon, auf dem Stützpunkt zu wohnen war, dass Irgendwer eigentlich immer Irgendwas brauchte. Ich hatte Faye versprochen, dass ich auf mich aufpassen würde und obwohl ich nie das Gefühl hatte, tatsächlich beobachtet oder verfolgt zu werden, wenn ich denn mal außerhalb der Mauern des Stützpunkts war, hielt ich mich strikt an dieses Versprechen. Schließlich galt es noch das letzte bisschen Verstand des geschädigten Paares zu retten… wie auch immer ich das letztendlich anstellen würde. Die Frage danach raubte mir nicht selten den ohnehin schlechten, von Alpträumen gespickten Schlaf.
      Oder den vermeintlich entspannenden Feierabend. Ich dachte oft während der meist entspannteren Arbeitszeit am Nachmittag schon darüber nach und schleppte die kreisenden Gedanken übers offene Feld bis in mein Zimmer. Heute wars besonders schlimm. Ich hatte das Gefühl, mir würde trotz des Kaffees, der meinen Blutfluss vermeintlich optimierte, gleich der Schädel platzen, während ich am Fenster stand und von meinem Zimmer aus das nur mehr spärliche Treiben draußen auf dem Platz völlig oberflächlich studierte, während mein Kopf ganz anderes verfolgte. Doch je verbissener ich drüber nachdachte, desto mehr verrannte ich mich meistens in den immergleichen ausweglosen Szenarien. Ich stellte also letztendlich mit einem schweren Seufzen die Tasse beiseite und wandte mich vom Fenster ab. In Hausschuhen ging ich zur Garderobe nahe der Tür und wollte gerade nach meinen Sneakern greifen, als es an der Tür klopfte. Ich hielt in der Bewegung inne und verengte die Augen, weil ich meines Wissens nach keinen Besuch erwartete. Zögerlich wendete ich mich der Zimmertür zu, statt mir Schuhe anzuziehen und öffnete sie, nur um geradewegs in Aryanas Gesicht zu blicken. Mir schossen die Augenbrauen nach oben. "Was... führt dich her?", fragte ich irritiert mit unguter Vorahnung nach, ohne sie wirklich ins Zimmer zu bitten.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Until We Break || Moni & Gweny" geschrieben. 20.04.2024

      Hallohohooo, ich lebe noch… Arbeit und Leben allgemein war bisschen sehr viel in letzter Zeit, aber hab jetzt ein langes Wochenende wegen dem Tattoo und dachte ich versuch’ jetzt nach einem themenmäßig passenden Film zumindest mal aus meinem gegenwärtigen KreaTief rauszukriechen - gebe allerdings keine Garantie für hochwertigen Lesestoff hier, fühl mich grade als hätt ich drei Jahre am Stück gar nix geschrieben, lel. x’D
      Womit machen wir nach der Szene eigentlich weiter, hattest du rEiN ZuFäLLiG schon was im Sinn?
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      Es war nicht so, als hätte ich eine klare Ansage von Ryatt erwartet, was die Situation und die entsprechende Prognose anging. Sicher wäre auch das wieder etwas zu schön gewesen, um wahr zu sein. Ich sollte mich wohl darüber freuen, dass er überhaupt so weit gegangen war, zu sagen, dass er erneute Attacken der Hernandez für relativ unwahrscheinlich hielt. Bekanntlich war mir leider alles außer absolut sicher nicht sicher genug, nicht wenn es um Faye ging. Auch nicht für Aryana und Mitch, die möglicherweise ein leichteres Ziel als gewöhnlich waren, so als psychische Wracks… ich würde mir am liebsten die schändliche Haut vom Gesicht ziehen.
      “Das ist wohl die beste Prognose, auf die wir hoffen konnten…”, murmelte ich angestrengt und schüttelte kurz darauf für mich selbst ein klein wenig den Kopf. Es wurde nicht besser, je länger wir darüber sprachen und Faye würde ohnehin etwas Zeit brauchen, um für sich selbst zu eruieren, was sie von meinem Geständnis nun letztendlich tatsächlich denken sollte. Ich würde das Gespräch am liebsten schlagartig auf ein ganz anderes Thema verschieben, aber die Verdrängungstaktik funktionierte nur kurzfristig und war nicht zielführend. Deshalb suchte ich einen Moment lang schweigend nach irgendeinem positiven Funken, den ich dieser Sache beizutragen hatte. Irgendetwas, das sich in den letzten Tagen zum Guten gewendet hatte und im Gegensatz zu den Hernandez nicht nur für Kopfzerbrechen und Angst sorgte. “Wenn wir schon bei Ryatt sind…”, setzte ich an und räusperte mich dann erstmal leise, weil auch bei dieser Angelegenheit ein dicker Frosch auf meiner Kehle zu sitzen vermochte. Es war mir nicht weniger unangenehm als das vorherige Geständnis, aber wahrscheinlich genauso notwendig. “...über die hirnrissige Eifersucht bin ich weg, glaube ich.”, legte ich das nächste Geständnis ab. Ich zuckte kaum sichtbar mit den Schultern und suchte im Anschluss zögerlich nach Fayes Blick. Die zierliche Brünette hatte mich immer klar priorisiert und trotzdem war die Eifersucht da gewesen, weiß der Himmel wieso. Es hatte ja nur die nächste Beinahe-Katastrophe gebraucht, die mich an den Schultern packte und wachrüttelte, um aus diesem bescheuerten Film rauszukommen. Ich war zwar trotzdem froh darüber, jetzt erstmal eine lange Auszeit von Ryatts Präsenz genießen zu können, war mir im gleichen Atemzug aber auch sicher damit, dass ich ihn nicht mehr in meinen Träumen zusammen mit den Hernandez von einer Klippe schubsen wollte. Das war ein- oder zweimal durchaus vorgekommen, worauf ich ganz und gar nicht stolz war, weil er wirklich nicht in denselben Topf wie die Teufelsbrut gehörte. "Ich hab' zwar meine Zweifel daran, dass wir sowas wie gute Freunde werden, aber er trägt an diesen Gefühlen meinerseits weniger Schuld, als ich mir stur eingeredet habe. Das war halt nur am einfachsten.", fügte ich noch ein paar weitere Worte mit einem Seufzen an. Eigentlich war der Kerl einfach nur ein verdammter Pechvogel, der ständig zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein schien. Erst bei den Hernandez, dann bei Faye. Dass er meiner Freundin überhaupt erst so nahe gekommen war, ging mitunter außerdem auch auf meine eigene Kappe, was ich mir nur ungerne eingestand. Von jetzt an würde ich meiner besseren Hälfte nicht mehr von der Seite weichen und auch dafür sorgen, dass das mit uns beiden endlich mal so richtig funktionierte... angefangen mit der Aufarbeitung meiner offensichtlich vorhandenen, eigenen Defizite auf mehr als einer Ebene. Egal wie oft mein Therapeut mir vermittelte, dass das ein langer Prozess war und ich mir nicht immer erhoffen sollte, irgendwelche Risse in meinem Schädel mit Sekundenkleber zusammenkleben zu können, wurde es auch mit der Zeit nie wirklich einfacher. Es fühlte sich schon wieder so an, als würde ich von einem Selbstheilungsprozess in den nächsten stolpern und es nervte zunehmend.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Until We Break || Moni & Gweny" geschrieben. 10.04.2024


      „Es ginge so einigen Menschen besser, wären sie nicht mehr da.“, stellte ich leise grummelnd das Offensichtliche fest. Allem voran vor allem ginge es uns beiden besser, natürlich. Es war ja nicht so, als wäre ich meine eigene Paranoia schon losgeworden. Viel mehr blühte sie dank jüngster Ereignisse wieder fröhlich auf. Dass wir hier sehr weit weg von dieser Pest waren, würde dagegen hoffentlich helfen. Das hatte mir bis hierhin schon alleine einzuschlafen leichter gemacht und das würde es weiterhin. „Ich bin mir eigentlich sicher, dass das, genauso wie alles andere, mit der Zeit wieder verblassen wird, wenn nicht ständig... naja, neuer Mist desselben Themas dazukommt… oder zumindest hoffe ich das noch immer.“, zeigte ich mich dessen noch relativ optimistisch. Bis die Hernandez sich Faye erneut unter den Nagel gerissen hatten, bevor sie sich wieder in unser Leben gedrängt hatten, waren die Gedanken an ausgleichende Gerechtigkeit nur noch selten in mir aufgeflammt. Meistens nur dann, wenn mir aufgefallen war, was sie für einen langfristigen Einfluss auf mich haben würden. Das konnte ich nicht vollständig ungeschehen machen und das wiederum machte mich wütend. Abgesehen davon empfand ich Wut glücklicherweise jedoch nach wie vor nicht oft. Ich hatte auch Warren zum Teufel gewünscht, was mir ohne mein Zutun erfüllt worden war. Er würde nicht nur Faye, sondern gar keine Frau jemals wieder anfassen. Das hatte ich Aryana und Mitch zu verdanken – vielleicht hatte ich mir unterbewusst gewünscht, ihnen brannte auch dieses Mal die Sicherung durch. Aber das war nicht richtig, war egoistisch. Mitch würde eine Ehrenrunde in Gefängnis nicht überleben und ich wollte auch nicht herausfinden müssen, was das mit Aryana anstellte… ein Teil von ihr würde mit ihm sterben, so wie ich jedes Mal aufs Neue ein bisschen gestorben war, wenn die jüngere Cooper auf dem Silbertablett eines Unmenschen gelegen hatte. Nichts davon hätte je passieren sollen.
      Ich hob eine Hand an, um mir damit durchs Haar zu fahren. „Ich hoffe wirklich, dass es den beiden bald wieder gut… oder wenigstens okay geht…“, nuschelte ich vor mich hin, während ich mir einen Augenblick lang die Kopfhaut massierte. „Hat Ryatt was dazu gesagt? Wie er die Situation einschätzt?“, hakte ich nach, kurz bevor ich die Hand wieder sinken ließ. Ich konnte nur schwer einschätzen, ob Aryana und Mitch sich unter anderem auch deswegen so schlecht fühlten, weil sie Angst vor rückwirkenden Besuchen hatten, oder ob sie das vielleicht gar nicht tangierte, weil sie mit dem Rest schon ein riesiges Problem hatten. Sicher war für mich nur, dass diese Taten sie verfolgten und ich Mitschuld daran trug. Blieb also nur noch zu hoffen übrig, dass sie sich schnell erholten und es sonst keine Folgen haben würde.
      Was mich und mein eigenes Dilemma betraf, hatte ich die Hoffnung jedenfalls noch nicht aufgegeben. Dessen weigerte ich mich weiterhin kontinuierlich. „Wir werden glücklich, Faye. Dafür sind wir hier und genau dafür sind wir noch immer zusammen.“, gab ich mein abschließendes Fazit dazu ab. Trotz allem, was uns zugestoßen war und uns das Leben schwer gemacht hatte, hielten wir noch aneinander fest, um genau das endlich in die Tat umzusetzen – glücklich werden. Das gemeinsame Glück war uns schon viel zu oft vor der Nase weggeschnappt worden und das würde jetzt ein Ende haben.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Balance in Life [Moni & Tiger]" geschrieben. 06.04.2024


      Wie schon zuvor folgte ich der Erklärung des blonden Engels sehr aufmerksam und nickte leicht vor mich hin. “Hmm, verstehe.”, war mein erstes, sehr kurzes und offensichtlich noch nachdenkliches Fazit dazu. Im Grunde änderte sich für mich dadurch ja aber überhaupt nichts – Riccarda war trotzdem fähig dazu, mir das Leben mit einer einzigen Berührung aus dem Körper zu pusten. Rein in der Theorie könnte ich sie sogar dazu treiben, das bei jeder x-beliebigen Person in meinem Willen zu tun, obwohl sie das eigentlich gar nicht wollte. Ein verstörender Gedanke, den ich sofort mit einem minimalen Kopfschütteln verwarf. “Ist wahrscheinlich besser so… und tut deiner Fähigkeit sowieso keinen Abbruch.”, stellte ich abschließend fest. Jedenfalls wusste ich jetzt genau um ihre Fähigkeit und das war das Ziel meiner Fragerei gewesen.
      “Ich finde es sieht einfach cool aus. Der Donner ist unangenehm, aber die hellen Blitze haben was an sich.”, erklärte ich Riccarda neutral, was ich an Gewittern fand. Der Krach war für mich auch nicht toll, aber man gewöhnte sich irgendwann dran. So oder so würden wir wohl eher bei Regen auf unserer zukünftigen Veranda sitzen und uns dazu Kaffee oder Tee genehmigen… ohne wölfische Engelskinder, die durch Wasserpfützen rollten, vermutlich.
      Die Angelegenheit rund um die kleinen Narben am Körper des Engels war nicht so schwarzweiß, wie ich sie gerne hätte. Denn ja, natürlich hatte ich die Streits von damals nicht alleine provoziert. Riccarda hatte ihren Teil dazu beigetragen und trug eine Mitschuld am Ausgang der Dinge. “Ich weiß, dass ich nicht alleine der Auslöser dafür war… trotzdem ist es nicht okay für mich, dass du als einzige einen bleibenden Schaden aus solchen Situationen ziehst.”, untermauerte ich ihr meinen Standpunkt und legte dabei auch meine zweite Hand an ihren Rücken, um sie richtig zu umarmen. Denn das war es, worum es mir hier primär ging: Nicht um den Auslöser oder die Schuldfrage dessen, sondern um die bleibenden Folgen auf nur einer Seite – bei Riccarda. “Solange du mit deiner Energie keinen Teil meines Körpers in Nichts auflöst, passiert mir überhaupt nichts. Alles, was noch in Ansätzen vorhanden ist, kann mein Körper heilen oder neu bilden. Deswegen gibt es bei fitten Werwölfen auch keine bleibenden Nervenschäden oder sowas… erst wenn ich sowieso schon steinalt bin, solltest du vielleicht besser die Finger von meinem Pelz lassen, dann lassen nämlich auch die Heilkräfte nach.”, endete ich mit einem Bild vor Augen, das automatisch einen humorvollen Unterton in meine Stimme schleuste. Alte Werwölfe verwandelten sich immer seltener. Es wurde anstrengender und schmerzhafter, wenn der ganze Körper langsam aber sicher doch mal damit anfing, Alterserscheinungen zu zeigen. Wir wurden meist älter als gewöhnliche Menschen, aber der Alterungsprozess machte selbst vor uns nicht Halt. “Ein Salamander bin ich allerdings nicht, also lass’ bitte alle Gliedmaßen dran.”, musste ich – weiterhin mit Humor wegen des ohnehin unwahrscheinlichen Szenarios – doch noch ein bisschen spezifizieren. Das mit dem neu bilden hörte bei komplett fehlenden Armen oder Beinen auf. Knochen, Muskeln, Sehnen, Nerven und Blutbahnen mussten noch im Ansatz vorhanden sein, damit mein Körper die Sache geregelt bekam. Was komplett weg war, konnte also nicht wieder aufgebaut werden.
      Riccardas Menschlichkeit hingegen war absolut kein Problem für mich. Immerhin hatte ich es ihrer Empathie, von der sie definitiv mehr besaß als ich, zu verdanken, jetzt hier mit ihr liegen zu dürfen. Ich ließ die Angelegenheit erstmal so stehen und war gerade dabei, etwas zu diesem kurzen, aber sehr offensichtlichen Grinsen sagen zu wollen, als die Frau des Alphas unser Gespräch unterbrach… mit einer Nachricht, die mich für meinen Teil nun zu einem breiten Grinsen verführte. Ich gönnte es ihm, weil ich bekanntlich eine überaus nachtragende Persönlichkeit hatte. Er war hochnäsig gewesen im Glauben, das leicht wegstecken zu können und ich würde ihm, bei egal welcher ersten Gelegenheit, sofort das ’Ich habs dir ja gesagt.’ unter die Alpha-Nase reiben.
      “Warte mal, Charlotte…”, hielt ich meine Stiefmutter durch die Tür hinweg dazu an, nicht gleich wieder zu gehen, bevor ich mich mit einem flüchtigen Blick zu dem Engel aus unserer Kuscheleinheit löste und völlig ungehetzt zur Zimmertür ging. Ich zog sie auf und sah in Charlys aufgeschmissenes Gesicht. “Worüber beklagt er sich genau?”, hakte ich nach. Aus Neugier, weil ich noch keinen anderen Werwolf nach seinen Beschwerden nach Kontakt mit Riccardas grillenden Fingern hatte fragen können. Sie seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust. “Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit… einen gefühlt abfallenden Arm...”, erwiderte Charlotte etwas trocken. Das Grinsen auf meinen Lippen wurde zu einem süffisanten Lächeln. “Es wird eher eine Woche als eine Stunde dauern, bis das ansatzweise weg ist.”, ließ ich sie wissen, was sie wahrscheinlich längst selbst befürchtet hatte – einen Ehemann, der ihr wie ein hilfloser Welpe die ganze Zeit jaulend in den Ohren lag und das über etliche Tage hinweg. “Na das sind ja rosige Aussichten.”, jammerte sie und hob eine Hand, um sich die Schläfen zu massieren. “Er sollte liegen bleiben, Bewegung macht’s in den ersten Tagen sowieso nur schlimmer. Bring’ ihm das Essen lieber ins Zimmer, da ist er weniger Reizen ausgesetzt.”, riet ich ihr nicht ganz uneigennützig, aber sehr wahrheitsgemäß. Charlotte ließ die Hand wieder sinken und sah mir direkt ins schadenfrohe Gesicht. “Dein Mitgefühl ist wirklich maßlos, Isaac.”, ermahnte sie mich mit hochgezogener Augenbraue zu mehr Anstand, aber da war sie ein paar Jahre zu spät dran. “Ich hab ihn sogar gewarnt... er wollte es nur nicht hören, Charlotte.”, brachte ich ein und zuckte allzu unbekümmert mit den breiten, vollkommen schmerzfreien Schultern.
      Drei Kreuze würde ich machen, wenn Sylvan später zum Abendessen gar nicht aufkreuzen würde. Ob er sich diese Blöße tatsächlich geben würde, konnte ich noch nicht abschätzen und es hing stark davon ab, wie schlecht seine Verfassung nun tatsächlich war. Sicher war bis jetzt also nur, dass ich dann der ranghöchste Wolf am Tisch sein und es ausnahmslos genießen und in mehr oder weniger humanem Ausmaß ausnutzen würde.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Until We Break || Moni & Gweny" geschrieben. 06.04.2024


      Ich konnte nicht mal sagen, was mir lieber war. Es war genauso unangenehm, schweigend mit Faye in den Armen hier zu sitzen, wie über diese schrecklichen Gedanken zu sprechen. Ich würde sie wahrscheinlich gar nicht erst teilen, wären wir damit nicht in der Vergangenheit auf die Nase gefallen. Heimlichtuerei funktionierte bei uns beiden nicht, vollkommene Offenheit war jedoch nicht immer die beste Wahl. Als Faye sich übers Gesicht rieb und mich anschließend fragte, was noch in mir schlummerte, musste ich ein weiteres Mal tief durchatmen. Es war eine schwierige Frage für mich. Große Teile meiner Gedankenmuster hatten sich in ihrer gesamten Struktur verändert, weil die vorherige mit dem ständigen Sorgen machen und grundsätzlich zu viel nachdenken ungesund für mich gewesen war. Meine Gedanken unterschieden sich also per se in sehr vielen Bereichen stark von denen, die ich vor unserer Trennung gehabt hatte. Aber es war nicht so, als würde ich weitere heimliche Rachegelüste mit mir herumschleppen, also tendierte ich zu einem Nein…
      Bis die Brünette noch eine beziehungsweise zwei Fragen anhängte und damit erneut meine Antwort ins Wanken brachte. Ich wollte wirklich nicht weiter darüber reden, aber andererseits brachte es nun auch nichts mehr, dieses Gespräch auf irgendwann später zu vertagen. Faye jetzt noch im Unklaren darüber zu lassen, wäre nicht fair und vielleicht war es das von Anfang an nicht gewesen. “Ganz ehrlich…”, seufzte ich und ließ den Hinterkopf an der Lehne andocken, weil dieser Schädel schon wieder viel zu schwer auf meinem – unserem – Leben lastete. “...könnte ich es mir ohne jegliche Folgen aussuchen, würde ich sie tot sehen wollen. Sie verdienen’s nicht anders für das, was sie in mir zerstört haben.” Ich sprach recht leise, aber es schwang trotzdem ein verbitterter Unterton mit und meine Miene verfinsterte sich. Denn genau das war es, was über die letzten Jahre Stück für Stück mit mir passiert war – Verbitterung, die sich auf vielen Ebenen durch meine Seele fraß. Das Resultat von Angst und Schmerz. Ich hatte die Vergangenheit überstanden, aber dass sie völlig folgenlos blieb, davon träumte ich schon länger nicht mehr. Ich mochte in mancher Hinsicht auch gerne mal naiv sein, aber in diesem Fall hatte ich damit abgeschlossen. „Versteh das nicht falsch: Ich würde niemals einfach so losziehen, um das in die Tat umzusetzen. Aber ich will keinem von denen je wieder begegnen, weil ich einfach nicht wissen möchte, was dann passiert.“, rückte ich meine Worte ins rechte Licht, damit Faye sie nicht falsch interpretierte. Meine Augen waren inzwischen wieder geschlossen. Auch das war einer von vielen Gründen gewesen, sofort zu verschwinden, sobald die Hernandez wieder aufzukreuzen drohten. Würden die Geschwister einfach wieder umdrehen und flüchten, wenn sie mich sahen, würde ich vielleicht keine Anstalten dazu machen, ihnen nachzurennen. Aber ich könnte kein gefühltes hundertstes Mal dabei zusehen, wie sie Faye bedrohten. Egal ob mit einem Messer, einer Pistole oder sonst irgendwas. Ich würde mich eher erschießen lassen, als tatenlos die Hände zu heben und noch einmal Jemandem dabei zuzusehen, wie er das Zentrum meines Lebens hinzurichten versuchte. Gefühlt hatte ich die ganzen letzten Jahre über nie etwas anderes getan, als die Finger zu kreuzen und still zu hoffen, dass das reichte… und das hatte es nicht, also sträubte sich in mir jetzt absolut alles dagegen, so weiterzumachen.
      „Ich schätze, ich… bin allgemein etwas rücksichtsloser geworden… etwas… kühler... vielleicht egoistischer. Das war, was ich meinte, als ich dir nach meiner Rückkehr gesagt habe, dass ich anders bin, wenn du nicht da bist… deswegen fällt dir das wahrscheinlich auch nicht so auf… zu dir könnte ich so nie sein.”, murmelte ich etwas wirr und rollte im Sinnbild eines Kopfschüttelns minimal den Kopf auf der Lehne hin und her. Faye hatte genauso wie ich im Laufe unserer Beziehung Fehler gemacht. Trotzdem würde sie immer mein Engel bleiben und niemand könnte jemals ihren Platz in meinem Herzen einnehmen. Außerhalb ihrer Nähe fiel mir hingegen immer wieder auf, dass ich anders reagierte als früher. Wenn mir etwas nicht passte, dann ging ich viel schneller auf Konfrontation und wo ich früher einem Streit aus dem Weg gegangen war, weil ich heftige Auseinandersetzungen eigentlich nicht leiden konnte, suchte ich ihn jetzt sogar manchmal fast schon gezielt. Als müsste ich mir selber beweisen, dass ich das überhaupt noch konnte. Ich hieß Fremde auch nicht mehr einfach mit offenen Armen willkommen. Hier in Los Angeles war das nochmal extremer, als vorher in Vegas - danke, Ryatt. Früher oder später würde sicherlich mal eine Situation entstehen, in der Faye erkennen könnte, wovon ich gerade gesprochen hatte. „Abgesehen davon bin ich aber… derselbe wie vorher.“, schloss ich nuschelnd und wagte erst danach wieder einen kurzen Blick nach unten zu Faye, ohne den Kopf anzuheben.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Balance in Life [Moni & Tiger]" geschrieben. 03.04.2024


      “Aber könntest du… Elektrizität, die auf deinen Körper trifft, gezielt weiterleiten? Wenn vielleicht auch nicht unbedingt einen Blitz, dessen Einschlag nur sehr bedingt vorhersehbar und absolut maßlos ist… weniger starke Elektrizität?”, hakte ich noch spezifischer nach, weil Riccarda mir diese Frage nicht so richtig beantwortete oder zumindest war mir ihre Wortwahl zu undefiniert, um ganz klare Schlüsse zu ziehen. Ich wollte sicher sein, dass ich nicht mehr in ihre Worte hinein interpretierte, als sie bedeuteten. Dass sonst nicht viel passierte war schön, weil ich andernfalls nie wieder freiwillig mit dem Engel bei Gewitter im Regen stehen würde. Einmal hatten wir das gemacht, wenn auch nur mit sehr großer Überwindung seitens Riccarda, aber auf eine Wiederholung war ich jetzt nicht mehr sonderlich scharf. „Jedenfalls werde ich dich jetzt nie wieder nötigen, mit mir unter Gewitterwolken zu tanzen… begrenzen wir uns lieber auf harmlosen Regen.“ Zukünftig würde ich diesbezüglich sehr viel einsichtiger sein, schließlich wusste ich jetzt besser um den Grund für ihre Angst davor. Davor war sie mir unerklärlich gewesen. Regen hingegen würde ich weiterhin mögen. In Strömen stundenlang vor einem Zelt zu liegen war natürlich bescheiden, aber unter einem Vordach zu sitzen, den Geruch aufzusaugen und das Prasseln der vielen Tropfen zu genießen, war herrlich.
      Meine Finger wanderten noch immer über das feine Narbengewebe, inzwischen glich es jedoch mehr wieder einem Streicheln ihrer weichen Haut. Für ihre so oder so auslegbare Antwort auf meine Bitte nach schmerzhafter Gegenmaßnahme kassierte Riccarda eine hochgezogene Augenbraue, weil mich das nicht zufriedenstellte. Ich konnte der Blondine ansehen, wie sehr es ihr widerstrebte, mir im Ernstfall wehtun zu müssen… und es war ein weiterer guter Grund dafür, sie zu lieben. Genauso wie es einer war, frühzeitig ins Gras zu beißen. „Es ist mir lieber, wenn du mich temporär verletzt, als wenn du noch mehr Narben verbüßt, für die ich mir auf ewig die Schuld geben muss.”, stellte ich mit ruhiger Stimme fest. Natürlich war ich nicht scharf auf ein verbranntes Gesicht, auch die unsagbaren Kopfschmerzen damals waren die Hölle gewesen. Vielleicht beschränkte sie sich also bestenfalls auf ein anderes Körperteil, aber wie gesagt – mir war alles lieber, als noch mehr dieser Narben auf ihrem sonst so makellosen Körper. Optisch störten sie mich kein bisschen, aber der Grund dafür zu sein war mehr als unangenehm.
      Sie brauchte hier gar nicht so mit den Augen zu rollen, was war das denn für eine aus der Luft gegriffene Unterstellung? “Bin ich tatsächlich nicht. Ich kämpfe zwar hart, aber für gewöhnlich sehr fair. Außerdem wäre es keine Schlacht, wenn ich dich gar nicht erst kämpfen lasse.”, musste ich Riccarda in ihrer Annahme korrigieren, was das nächste Schmunzeln auf meine Lippen lockte. Ich musterte ihr Gesicht – ohne richtigen Grund, einfach nur weil ich sie gerne ansah. Weil selbst das Augenrollen seinen Reiz hatte und weil wir das Gespräch über mein großes Ego nicht weiter zu vertiefen brauchten. Wir wussten beide sehr gut, dass es da war, auch wenn ich es inzwischen seltener als früher zur Schau stellte.
      “Selbst euer Immunsystem ist erschreckend menschlich.”, stellte ich mit trockenem Sarkasmus fest. Das hatte sich mein Engelchen allerdings genauso wenig ausgesucht, wie ihre zerstörerische Fähigkeit, deshalb wollte ich durchaus etwas Mitgefühl zeigen: „Außerdem würd‘ ich mich schon um dich kümmern, sollte es wegen einer spontanen Idee so weit kommen, die definitiv auch auf meinen Mist gewachsen ist… wie in guten, so in schlechten Tagen. Damals hab ichs vielleicht nicht so gemeint, aber hier sind wir nun.“, grinste ich und neigte mich ihren Lippen für einen flüchtigen Kuss entgegen. Ich wäre vielleicht nicht sonderlich begeistert davon, das überdurchschnittlich gutaussehende Pflegepersonal zu verkörpern, aber es gab Schlimmeres.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Until We Break || Moni & Gweny" geschrieben. 02.04.2024


      Die Worte hatte ich irgendwie rausgekriegt. Jetzt musste ich es nur noch schaffen, Faye wieder in die Augen zu sehen. Mit der Scham und der nur halb vorhandenen Reue. Es war eigentlich überhaupt kein Wunder, dass die letzten Jahre ein paar Teile von mir zerstört oder stark verändert hatten. Vielleicht brachten sie auch nur hervor, was längst da gewesen war. Trotzdem wollte ich nicht, dass Faye das hören musste, dass sie es in meinen Augen lesen konnte. Sie nicht mehr ausnahmslos vor allem schützen zu wollen, gehörte zu den Dingen, die ich mir erst hatte beibringen müssen. Ich wollte aber um keinen Preis eines der Dinge sein, vor denen ich sie sowieso nicht schützen konnte.
      Nur mühsam erwiderte ich schließlich ihren Blick, mitunter auch wegen ihrer dirigierenden Hände, blinzelte aber auffällig oft und sah letztlich doch wieder nach unten weg. Ich ertrug den Ausdruck in ihren Augen nicht. Das Entsetzen, die Überforderung, während sie zu begreifen versuchte, was ich ihr gerade gesagt hatte. Das Schlimme war, dass ich das verstand. Dass ich sie nicht anders ansehen würde, wenn sie mir sowas offenbart hätte - weil ich es genauso wenig von Faye erwartete, wie sie von mir. Ich schluckte ein weiteres Mal, als die Brünette sich wieder an meiner Brust verkrümelte, weil ich nicht wusste, was ich davon halten sollte. Natürlich war ich froh darüber, dass sie nicht wie von der Tarantel gestochen aufsprang und mich verteufelte… aber sollte sie nicht wütend auf mich sein? Wenigstens ein bisschen, weil ich das einzige Mitglied ihrer Familie, das ihr geblieben war, zu dieser exzessiven Handlung animiert hatte? Alles, was Faye am Ende dazu sagte, war, dass es nicht gut war und das sagte so viel Nichts aus, dass es meine innere Unruhe ganz und gar nicht linderte. Die Umarmung fühlte sich auch nicht so an, als hätte ich sie verdient. „Ich hab gedacht, dass das verschwindet… wenn ich zurückkomme… wenn wir neu anfangen…“, murmelte ich leise vor mich hin, machte aber keine Anstalten dazu, die Umarmung meinerseits wieder zu vertiefen. Meine Arme lagen weiterhin eher locker um Fayes Körper. „Aber das ist es noch nicht. Ich fühl's noch genauso.“, gestand ich, den letzten Satz beinahe tonlos. Jetzt nur nicht mehr begleitet von derselben Wut und Hilflosigkeit wie damals im Gespräch mit Aryana. Die Rache selbst war in meinem Kopf auch nicht mehr präsent, sie war schon getan. Trotzdem wollte ich diese Teufelsbrut noch immer am liebsten tot sehen… und könnte ich es mir aussuchen, wäre es sicher kein schneller Tod.
      Doch vielleicht brauchte ich wirklich nur noch mehr Zeit. Einkehrende Ruhe und ein normales Leben, in dem ich wieder ich selbst sein konnte, weil keiner mehr hinter mir her war. Es blieb zu hoffen, denn ich wollte dieser Art von Dunkelheit eigentlich überhaupt keinen Platz in meinem Leben lassen. "Aber das wird schon. Ich... ich will nicht so enden.", versuchte ich ein bisschen sehr verzweifelt, noch einen Funken Optimismus in diese verlorene Konversation einzustreuen. Wie genau war eigentlich so? Wie Aryana und Mitch?

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Until We Break || Moni & Gweny" geschrieben. 01.04.2024


      Ich nickte zäh vor mich hin. Es stimmte schon, Faye hatte Recht damit. Ich half ihr auch damit, dass ihr hier in Los Angeles ein paar der allerersten schweren Schritte erspart blieben, weil ich beispielsweise unser neues Heim schon grob fertig eingerichtet hatte. Damit, dass ich mich hier zumindest schon ansatzweise ein bisschen auskannte. Damit, ihr den Einstieg so leicht wie nur möglich zu machen. Es half auch nichts, wenn ich mir ewig weiter Gedanken darüber machte – der Zug für Veränderung in dieser Sache war ohnehin abgefahren und wir konnten jetzt nur noch das Beste daraus machen. “Ja, das… glaub’ ich dir gerne.”, war aber alles, was ich am Ende noch dazu sagte, mit einem kaum merklichen Lächeln auf den Lippen. Es war wichtig zu wissen, dass Faye keineswegs ein Übel darin sah, dass ich nicht bei ihr gewesen war. Trotzdem würde ich wohl Zeit brauchen, um mir darüber eine gesündere Meinung zu bilden.
      Außerdem rauschte kurzerhand der nächste Zug aus dem Bahnhof: der Rachefeldzug. Ich hätte einfach die Klappe halten und nicht fragen sollten. Würde Faye nicht auf meinem Schoß sitzen, hätte ich vermutlich damit angefangen, betreten auf dem Sofa rumzurutschen. Oder eines der Kissen angehoben, um den Kopf darunter zu verstecken. So hingegen war meine erste Reaktion ein hörbares Schlucken, dicht gefolgt von einer noch schraubstockartigeren Umarmung. Es war nicht so, als hätte ich nicht längst geahnt, dass die beiden mächtig mit den Spuren der angerichteten Zerstörung zu kämpfen hatten. Als wäre das nicht ersichtlich allein aus der Tatsache, dass sich keiner von beiden so richtig bei mir meldete. Es war auch vorhersehbar gewesen… umso schlimmer, dass ich nicht wenigstens noch versucht hatte, zurückzurudern. Als ich Aryana vor einigen Wochen darum gebeten hatte, gemeinsam mit Mitch nichts als puren Schmerz an die Hernandez auszurichten, war es mir schlecht gegangen. Wirklich schlecht. Es war mir auch hier alleine in L.A. noch nicht wirklich gut gegangen. Das war aber eine verdammt bescheidene Ausrede, die nicht mal bei mir selbst zog. Es war leider auch fragwürdig, inwieweit es überhaupt eine andere Option als heftige Vergeltung gegeben hatte. Mit Gesprächen kam man bei diesen Mexikanern, wie wir alle wussten, ohnehin nicht weit. Sicher auch in dieser Sache nicht. Vielleicht änderte meine Bitte an die ältere Cooper nichts oder zumindest nicht viel am Resultat dieser desaströsen Nacht, von der ich wahrscheinlich nicht mal selber genau wissen wollte, was passiert war. Nicht mehr, als ich schon ahnen konnte. Umso schlimmer, dass es in den Köpfen unserer beiden Freunde – die viel mehr auch für mich längst Familie waren – schlimmstenfalls irreparablen Schaden angerichtet hatte.
      Ich schwieg länger, als Faye das zuvor getan hatte. Die weitreichende Verspannung meines Körpers machte deutlich, wie mies auch ich mich damit fühlte. Dass ich mir schwer damit tat, dafür überhaupt irgendwelche Worte zu finden. Mein Kopf kreiste vehement um die Frage, ob ich Faye den Tag mit der Eröffnung dieses Details wirklich versauen sollte. Doch Schweigen war nicht viel besser als Lügen. Irgendwann kam sowas raus und es war auch einfach nicht richtig. Meine eben noch erleichterten Schultern trugen binnen weniger Sekunden gefühlt wieder die Last der ganzen letzten 10 Jahre, zusätzlich zum Gewicht meiner noch nicht wieder vollständig funktionsfähigen Beziehung zu Faye.
      Trotzdem atmete auch ich schließlich mit bebenden Lungenflügeln tief durch, bevor ich den Kopf anhob und über Faye hinweg in den Raum sah. “Das ist nicht wahr, Faye. Es ist…” Gott, ich wollte das nicht sagen. Wirklich nicht. Es brauchte weitere, träge Sekunden der Überwindung. “Es ist wahrscheinlich mehr meine Schuld, als deine.”, murmelte ich. Man konnte den Druck an meiner Kehle förmlich hören. “Erinnerst du dich an die Tage, nachdem Ryatt bei uns auf der Matte stand? Nach uns gesehen hat, weil die Hernandez ihm Druck gemacht haben… an das Gespräch, das ich kurz darauf mit Aryana geführt habe, als du arbeiten warst?” Ich hatte Faye damals darüber informiert, dass ich mich mit ihrer Schwester treffen würde, um mit ihr zu reden. Um was es dabei gegangen war, hatte ich aber nie wieder angeschnitten, weil mir alles davon absolut unangenehm war. Jeder noch so kleine Brocken. “Ich hab sie darum gebeten… Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Rache zu üben für das, was sie dir und mir angetan haben, sollte dir wirklich nochmal etwas zustoßen…” Meine Arme um Faye lockerten sich mehr und mehr. Nur für den Fall, dass sie gleich weglaufen wollte, weil sie angewidert davon war, zu welch bösartigen Wünschen mein kaputter Schädel mittlerweile fähig war. Ich bereute den Wunsch nach Rache auch noch immer nicht, sondern nur, wem ich damit geschadet hatte. “Ich hab noch gesagt, dass sie das nicht machen sollen, wenn das zu viel verlangt ist… aber du weißt, wie Aryana ist… wie Mitch ist...” Meine Stimme wurde immer dünner, je länger ich sprach und ich kniff die Augen ein bisschen zu. Es bildeten sich Falten auf meiner Stirn und ich rieb die Lippen aneinander. Weil ich mir das nicht vor Augen halten wollte, aber noch viel weniger ins Fayes Gesicht blicken konnte. Die ältere Cooper hatte sicherlich selbst schon Vergeltung üben wollen und meine Bitte war ihr dann sowas wie gelegen gekommen. Sie hatte mich nie für meinen Rachewunsch verurteilt und ihr Komplize würde nicht viel Überredung gebraucht haben, um bei dieser Sache mitzumachen. Die Befreiung verstand sich aufgrund der Vergangenheit schon von selbst und die Folter hätte Mitch seine Freundin sicherlich auch nie alleine übernehmen lassen. Ich hatte also kurzerhand entschieden, das blöde Feuerzeug zu nehmen und es auf den Zunder zu werfen, der ohnehin schon kleine Funken sprühte.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Balance in Life [Moni & Tiger]" geschrieben. 01.04.2024


      “Merkt man.”, platzte es trocken mit hochgezogener rechter Augenbraue aus mir raus. Es war schlichtweg nicht so, als würden die Engel ihren Hochmut gut zu verstecken versuchen. Viele trugen ihn fröhlich nach außen mit ihrer übereleganten Gestik und dem genauso perfekt einstudierten, unterschwellig abfälligen Lächeln. Spätestens wenn letzteres aufkam, wand ich mich ohnehin aus diesen ‘Ich bin das Zentrum der Welt’-Gesprächen. Die bereiteten mir nichts als Kopfschmerzen, obwohl ich früher fast genauso durch die Welt stolziert war. Hochmut kam bekanntlich vor dem Fall und vielleicht sollte ich dem einen oder anderen Engel dabei helfen, sich mit dem Arsch zurück auf den Boden der Tatsachen zu setzen. Vielleicht reichte es sogar, ihnen ein Bein zu stellen, wenn sie hochnäsig davon stolzieren wollten. Ich hob mir diese Idee für einen Tag mit schlechter Laune auf.
      Ich rieb die Lippen nachdenklich aneinander, als Riccarda mir weiteres Nachhaken anbot. Das wollte ich gerne nutzen, andererseits vielleicht aber auch lieber nicht zu tief bohren – nicht, dass ich doch noch irgendeinen wunden Punkt erwischte. Nur wusste ich absolut nicht, wo die potenziell vergraben lagen, also blieb mir nichts als ins Blaue nachzufragen. “Du hast gesagt, dass du deine eigene Energie dafür nutzt… funktioniert das auch mit Energie von außen? Nehmen wir die Blitze als Extrembeispiel, wenn wir schon dabei sind.”, hakte ich nun doch bezüglich meines Gedankens von vorhin nach. Es interessierte mich einfach, was dann passiert – ob überhaupt etwas Nennenswertes passierte, wenn eine derartig heftige Energie auf ihren Körper traf.
      Riccarda führte meine Hand zu der vernarbten Haut an ihrem Rücken, die auf meinen wölfischen Kiefer zurückzuführen war. Es ließ mich ein wenig tiefer durchatmen, was schlussendlich einem leisen Seufzen glich, während ich die verjährte Bissspur mit geschlossenen Augen ganz genau nachfühlte. Um mich selbst daran zu erinnern, warum es so wichtig war, dass ich die Kontrolle nicht verlor. Ganz allgemein nicht, aber vor allem niemals in der Gegenwart meines Engels. Egal wie unwahrscheinlich es war, dass ich sie erneut biss, da ich mich offensichtlich selbst beim tollwütig machenden Vollmond noch davon abhalten konnte… ein Restrisiko blieb für immer, auch ohne Vollmond. „Verbrenn‘ mir zukünftig bitte vorher die Schnauze, sollte es jemals wieder dazu kommen.“ Ich öffnete die Augen wieder, als ich die blonde Schönheit um diese Präventivmaßnahme bat. Damit sie in meinen Augen sehen konnte, dass ich das absolut ernst meinte. Ich wollte diese Schmerzen nicht wieder durchleben müssen, aber das war dennoch besser als Riccarda weitere Narben zuzufügen. Mein Fleisch regenerierte sich von einer ihrer Attacken in mildem Ausmaß vollständig, ihres nicht. Wenn ich zubiss, dann niemals halbherzig.
      Die in naher Zukunft scheinbar noch anstehende Schneeballschlacht war ein sehr viel unverfänglicheres Thema. Sie dabei zu besiegen, würde nämlich nicht zu Schuldgefühlen oder Selbstvorwürfen führen. Der Gedanke daran, das Engelchen einfach über die Schulter zu werfen und sie zum nächstgelegenen Schneehaufen zu tragen, der tief genug war ihren Fall ohne blaue Flecken zu bremsen, erheiterte mich ungemein. Das schelmische Grinsen auf meinen Lippen machte daraus absolut kein Geheimnis. „Ein netter Gedanke.“, tat ich mit kurzem Blick an die Zimmerdecke so, als würde ich tatsächlich darüber nachdenken, von vornherein kurzen Prozess bei der Schlacht zu machen. Ob ihr Ego einen Unterschied dabei machte, ob es sofort oder erst nach ein paar Minuten von meinem eigenen Ego frech angegrinst wurde? Das Funkeln in Riccardas Augen war da keine Hilfe. Vielleicht bettelte sie ja um einen weiteren Waffenstillstand, wenn ich sie fertig machte… oder sie nutzte mein dahingehend aktuell sicher noch recht leichtgläubiges Hirn aus und verwandelte den Moment in ein arglistiges Täuschungsmanöver. „Gegen mich zu verlieren ist selten ein Grund für Scham.“, bestätigte ich leichthin mit einem wissenden Grinsen und einem leichten Tätscheln am Rücken des blonden Engels. Mein älterer Bruder hatte ab einem gewissen Zeitpunkt nie wieder eine spielerische Auseinandersetzung gewonnen. Auch dank Chad und dem ständigen Gerangel in Kindertagen war ich auf körperlicher Ebene derart schlagfertig geworden und hatte überdurchschnittlich gute Reflexe entwickelt. Er hatte, im Gegensatz zu mir, schon als Kind nicht immer mit fairen Mitteln gekämpft. „Ziehen wir uns dieses Mal aber wenigstens angemessen dafür an, ja? Nicht, als hätte ich was gegen die Folgen einer Schneeballschlacht in Hausschuhen, aber auf Charlottes Weisheiten dazu kann ich diesmal gut verzichten, glaube ich.”

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Until We Break || Moni & Gweny" geschrieben. 31.03.2024

      Vielleicht sollten wir beide uns diese Pinnwand auch mal irgendwo “aufhängen”... x'D
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      So wie Faye meine Idee nochmal wiederholte, klang es wirklich so, als hätten wir nicht mehr alle Tassen im Schrank. Was nüchtern betrachtet den Gegebenheiten entsprach, wenn auch eher nicht in Hinblick auf Halluzinationen. “Bin schon gespannt, wo ich sie schlussendlich entdecke.”, stellte ich abschließend mit leicht angehobener Augenbraue fest. Vielleicht würde die Pinnwand gar nicht plötzlich da sein, sondern stattdessen in meinem Beisein aufgehängt werden. Das hing von Fayes ebenfalls noch nicht wirklich detailliert existenter Planung der nächsten Tage ab. Das ließ ich also einfach mal auf mich zukommen.
      “Besser als jeder andere Mensch, um genau zu sein.”, korrigierte ich Faye unnötigerweise, weil wir das ohnehin beide wussten, in ihrer weit untertriebenen Aussage. Ich war zwar ein relativ geselliger Mensch, aber den meisten zeigte ich ja doch nicht, was alles in mir begraben lag. Es war einfacher, den Victor zu präsentieren, der auf Anhieb sichtbar war – ein Kerl in Großformat, der anhand von erkennbaren Narben möglicherweise schon einiges durch hatte, sonst aber ziemlich normal war. Deswegen musste Faye sich mit all den noch nicht abgeschlossenen Baustellen in mir herumschlagen… und natürlich auch deswegen, weil sie leider oft ein Teil davon war. Es war uns beiden kein Geheimnis, dass unsere Traumata eng mit uns als Paar verwoben waren. Ich glaubte noch immer gerne daran, dass uns das am Ende stärker machte, auch wenn es sich häufig wie das Gegenteil anfühlte.
      Es war nicht meine Absicht, mit meinem Lagebericht dafür zu sorgen, dass die Brünette sich unwohl fühlte. Leider war das unumgänglich gewesen, als wir das Thema angeschnitten hatten. Es half uns nicht, wenn ich es schön redete oder sie gar anlog. Ganz unabhängig davon, dass ich sowieso ein schlechter Lügner war. Faye sagte, dass es ihr leid tat und ich schüttelte fast sofort den Kopf. Ich war vielleicht nicht unbedingt begeistert von ihrer Freundschaft zu Ryatt, aber sie hatte die Länge dieses elenden Rattenschwanzes nicht vorhersehen können. Sie hätte bei diesem letzten Durchlauf kaum noch mehr tun können, als sie ohnehin schon versucht hatte. Ihr musste das nicht leid tun und eigentlich waren wir beide froh, dass ich diese letzte Runde durch die Hölle nicht mitgedreht hatte. Eigentlich. Bevor ich darauf antwortete, legte ich jedoch meine Arme instinktiv um Fayes schlanken Körper, als sie sich wie so oft bei mir zu verkriechen versuchte. Ich hielt sie fest, setzte einen sanften Kuss auf ihr Haar und stützte dann vorsichtig meinen Kopf auf ihren. “Ich weiß… es hätte nichts zum Guten geändert, wäre ich da gewesen.”, hauchte ich leise, weil diese Erkenntnis auf ihre Weise schmerzhaft war. Ich konnte diese Machtlosigkeit nicht leiden. Es hätte schon irgendwas geändert, wäre ich in Seattle gewesen, nur nicht zum Positiven. Vielleicht hätte ich sogar irgendwas dummes, leichtsinniges unternommen, weil ich nicht bis in die Nacht hinein hätte warten können, wenn Faye doch eigentlich so greifbar und in Gefahr war. Darauf hatten alle Beteiligten wirklich gut verzichten können, inklusive meiner eigenen Person. Meine bessere Hälfte jedoch nicht einmal im Anschluss an die Befreiung in die Arme schließen zu können, war Stoff für Alpträume gewesen.
      Die Gedanken daran, womit Aryana und Mitchell sich nun herumschlugen, machten all das überhaupt nicht besser. Eigentlich wollte ich nicht danach fragen, wie es um die beiden stand, weil ich die Antwort wahrscheinlich lieber nicht hören wollte und weil es Faye wieder weh tun würde, an ihre zurückgelassene Schwester zu denken. Bis jetzt antwortete Mitch auf meine ohnehin spärlichen Nachrichten an ihn jedoch nur sehr knapp oder gar nicht, was zwangsweise zu weiterer Besorgnis und auch mehr Schuldgefühlen führte. “Wie geht’s den anderen beiden..?”, fragte ich leise nach, ohne die Augen bis jetzt wieder geöffnet zu haben. Streichelte wieder über Fayes Rücken, im Versuch, ihr den Rest dieses unangenehmen Themas irgendwie erträglicher zu machen.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Until We Break || Moni & Gweny" geschrieben. 30.03.2024


      Meinerseits konnten wir absolut alles, was nicht wichtig war, wofür wir uns nicht bereit fühlten und worauf wir noch nicht akut Lust hatten, auf ein bisschen später verschieben. Wann auch immer das genau sein würde. Unsere imaginären Listen konnten noch auf uns warten und die Erwähnung allein reichte aus, um mich schmunzeln zu lassen. Wir waren wahnsinnig gut darin, uns Dinge vorzunehmen und sie dann wenig bis gar nicht umzusetzen. “Möglicherweise sollten wir die neue Aktivitäten-Liste an unsere noch nicht vorhandene Pinnwand heften, damit wir ständig dran vorbeilaufen und nicht wieder vergessen, dass sie existiert.”, schlug ich genauso ironisch vor, meinte das aber durchaus ernst. Vielleicht fand Faye ja ein Korkbrett oder Ähnliches und dafür wiederum einen passenden Platz an welcher Wand auch immer. Vielleicht im Eingangsbereich oder der Küche. Sie durfte sich bei der Innengestaltung völlig ungehindert austoben.
      “Mit beidem sollte ich klarkommen.”, konnte ich Entwarnung bezüglich der Schlafproblematik geben. Es war ja auch nicht erst seit gestern so, dass wir uns übermäßig oft gegenseitig versicherten, dass beim jeweils anderen alles in Ordnung war. Bevorzugt zwar nur noch aus Gewohnheit und weniger aus ernsthafter Sorge, aber das hatten wir uns noch nie aussuchen können. Wenn es mir auf der Arbeit mehr Ruhe gab und Faye dadurch besser oder eben wieder einschlafen konnte, sollten ein paar Textnachrichten zu viel kein Problem werden. Es durfte nur keine dauerhaft ungesunden Ausmaße behalten, aber wir würden es sicher auch aus dieser Phase wieder raus schaffen.
      Ich wusste gar nicht, ob ich die tieferen Ebenen des Hernandez-Themas lieber noch sein lassen, oder einfach gleich mit abhandeln wollte. Es fühlte sich wieder ein kleines bisschen wie der Fall auf den Boden der Tatsachen an, aber das würde zu späterem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht anders sein. Außerdem war es eigentlich nicht so schlimm, nur etwas unangenehm, aufwühlend. Ich hörte Faye zu, nickte zwischendurch einmal leicht vor mich hin und strich ihr eine kleine Strähne hinters Ohr, um mich physisch von den unangenehmen Tatsachen abzulenken – ohne vollständig davor wegzulaufen. “Ich versteh’ das, Faye. Dass ich direkt angerufen habe, als ich ein Lebenszeichen von dir hatte, war… eher ein Reflex, als auch nur ansatzweise gut durchdacht.” Als hätte ich in dem Moment sowas wie klare Gedanken fassen können. Völlig unmöglich. “Ich wollte deine Stimme hören, weil es mir schwer gefallen ist, zu glauben, dass es dieses Mal gut ausgegangen ist. Aber ich hätte mir trotzdem weiter Sorgen gemacht, so wie du geklungen hättest. Es war in dem Moment vielleicht nicht schön, aber es war wahrscheinlich richtig so.”, räumte ich mit nach unten abfallendem Blick ein und zuckte ein wenig mit den Schultern. Sie hatte explizit geschrieben, dass sie nicht sofort mit mir reden wollte und ich hatte mir leider sehr schwer damit getan, das einfach runterzuschlucken, weil ich zu jenem Zeitpunkt eine andere Meinung dazu vertreten hatte. “Ich weiß, dass ich dir nach unserer vorübergehenden Trennung Vorwürfe dafür gemacht habe, dass du mir die mögliche Gefahr nicht früher gebeichtet hast… es fällt mir offensichtlich manchmal schwer, das anzunehmen, aber manchmal weißt du besser als ich, was gut für mich ist. Auch wenn ich das erst irgendwann später merke.”, sprach ich weiter und sah erst danach zurück in ihre großen Augen, ein bisschen schief lächelnd.
      Indessen ließ ich auch die Hand sinken und spürte kurz darauf wiederum Fayes sanfte Finger auf der Haut. Bereitwillig wog meine Seele sich in dieser Zärtlichkeit und sie ließ sich auch durch die Frage der Brünetten nicht dabei stören. “Jetzt… wieder okay.”, war mein erstes, viel zu grobes Fazit. Ich brauchte aber noch einen Moment, um herauszufinden, womit ich anfangen wollte. “Es war auch dieses Mal nicht viel weniger als die Hölle, nicht zu wissen, ob du die Sache überstehst… ich kann von Glück reden, dass ich in der Nacht eine sehr ruhig Schicht hatte, weil das sonst echt schief gegangen wäre." So war es glücklicherweise nur ein etwas mit meinem emotionalen Ich überforderter Samuel gewesen, dem ich mich hatte stellen müssen. Übrigens noch ein guter Grund dafür, ihn nicht hierher einzuladen, bevor hier alle Anwesenden stabil wirkten. Er brauchte sicherlich keine Wiederholung davon. "Und ich hab weit mehr als ein paar Stunden Schlaf gebraucht, um irgendwie mit Alledem klarzukommen, obwohl ich dann eigentlich schon wusste, dass es dir… naja, eben den Umständen entsprechend gut geht. Ich hab mir Vorwürfe und Sorgen ohne Ende gemacht. Das Haus hier weitgehend einzuräumen hat mir dann ein bisschen dabei geholfen, auch mich selber wieder einigermaßen zu sortieren… so weit das eben möglich war, ohne dich in der Nähe zu haben.", seufzte ich leise und schloss für den nächsten Moment die Augen. Es waren halt auch wieder ein paar sehr hässliche, sehr anstrengende Tage gewesen, die ich zu all den anderen auf meinem längst übervollen Konto buchen konnte. Als würden die da überhaupt noch auffallen. "Ich weiß, dass es für mein eigenes Wohlergehen richtig war, Seattle vor dem Knall zu verlassen... und trotzdem wird es sich nie ganz richtig anfühlen, dich damit allein gelassen zu haben.", murmelte ich und schüttelte mit weiterhin geschlossenen Lidern kaum sichtbar den Kopf. Vielleicht siegte mein Verstand inzwischen, wenn es um das abschließende Fällen einer solch todernsten Entscheidungen ging. Das hieß nur nicht, dass mein Herz besagte Entscheidung daraufhin einfach so für immer stillschweigend akzeptieren würde.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Until We Break || Moni & Gweny" geschrieben. 29.03.2024


      Heute oder Morgen wäre auch mir in jedem Fall zu früh gewesen. Nicht nur, weil ich selbst die Päckchen der letzten Tage und Wochen noch nicht abgearbeitet hatte, sondern weil ich die neu gewonnene Zeit mit Faye am liebsten erstmal zu zweit auskosten wollte. Ich hatte sie vermisst und auch, wenn man – gemeinsame – verlorene Zeit bekanntlich nicht aufholen konnte, wollte ich es zumindest versuchen. Meinen Alltag wieder gemeinsam mit ihr gestalten, soweit wie die Arbeit mir das erlaubte. Die Zeit auch in vollen Zügen genießen und schätzen, statt mich nur irgendwie alleine von einem Tag zum nächsten zu schleppen. “Das wäre mir sowieso auch zu früh.”, stellte ich erstmal beiläufig gemurmelt fest, während ich versuchte noch irgendwelche Haken in Fayes Wortwahl zu finden. Vielleicht merkte sie das. Vielleicht lag es daran, dass sie noch weiter ausholte. Oder vielleicht einfach daran, dass ich noch kein abschließendes ’Okay, dann lade ich ihn natürlich gerne ein’ von mir gegeben hatte und offensichtlich im inneren Alleingang versuchte, die Situation einzuschätzen – was ja sowieso nicht funktionieren konnte. Es war gut, dass Faye von sich aus den Schritt machte, mich zumindest oberflächlich in ihre Psyche und ihre Gefühlswelt blicken zu lassen. Während die zierliche Brünette erzählte, konnte ich einen tiefen Atemzug zum Ende hin nicht vermeiden. Es war niemals ein schönes Thema und wir hatten uns schon viel zu oft damit befassen müssen.
      Trotzdem war das Durchatmen gleichzeitig auch ein wenig Erleichterung zuzuschreiben. Ich freute mich nie, wenn meine bessere Hälfte unter hundert Prozent war, aber es könnte Faye unter diesen Umständen sehr viel schlechter gehen. Das war es auch, was ich mir unterm Strich nach ihrer Erzählung mit einem Neonschild vor Augen halten wollte: Das Gute, nicht das Schlechte. “Das erleichtert mich.”, zog ich erst nur ein kurzes Fazit, aber der Ansatz eines Lächelns umspielte dabei schon meine Mundwinkel. Ich löste meine Finger nach kurzem Zögern wieder voneinander, um eine Hand stattdessen an Fayes Wange zu legen und über ihre weiche Haut zu streicheln, während ich ihren Blick erwiderte. “Auch wenn ich mit regelmäßiger Schlafenszeit aktuell leider nur selten dienen kann, was für das Absetzen wahrscheinlich nicht unbedingt hilfreich ist.”, seufzte ich leise, was das Lächeln etwas angespannter aussehen ließ. Ich machte Faye gewiss keinen Vorwurf dafür, auf dieses medikamentöse Hilfsmittel zurückgegriffen zu haben. Viel lieber das, als dass sie mir hinterm Steuer einschlief. Ich fürchtete nur ein bisschen darum, dass ich ihr beim Absetzen keine so große Hilfe sein konnte, wie sie sich das erhofft hatte. Wenn sie nicht unnötig ewig lang mit dem Schlafen auf mich warten wollte, wenn ich eine Nachtschicht schob, würde ich manchmal erst spät zu ihr unter die Decke schlüpfen können. Ich musste mir den Dienstplan für die nächsten Tage nochmal genau ansehen, am besten taten wir das gemeinsam – unter all der Vorfreude auf Fayes Ankunft war mir gefühlt die Hälfte davon schon wieder entfallen. Was Termine anging, war ich wirklich dankbar fürs digitale Zeitalter. “Möglicherweise werde ich dir die ersten ein oder zwei”, oder mehr, “Tage in meiner Abwesenheit schrecklich auf die Nerven gehen. Obwohl ich jetzt schon ein paar Tage hier wohne und gemerkt habe, wie ruhig die Nachbarschaft ist… naja.” Ich rollte über meine eigene Paranoia flüchtig die Augen nach oben und machte einen weiteren, etwas tieferen Atemzug.
      Streng genommen war es sehr gegen die Arbeitsrichtlinien, immer wieder aufs Handy oder auch nur die Smartwatch zu sehen. Das waren ein, zwei Sekunden, in denen sich eine Situation komplett drehen konnte. Ich würde das auch nie machen, wenn die Art des Jobs es mir nicht erlaubte und ich keine Pause hatte, weil ich dafür viel zu verantwortungsbewusst war – aber während ich außerhalb eines Meetings auf den reichen Schnösel wartete, der im Anschluss wieder woanders hin eskortiert werden wollte, was sollte da beispielsweise schiefgehen? Meine neu entfachte Paranoia würde in derart ruhigen Minuten, in denen ich sowieso bloß rumstand und wartete, förmlich danach schreien, eine kurze Vergewisserung von Fayes Wohlergehen zu erhalten. Trotzdem hatte ich die Hoffnung, dass sich mein Verlangen danach schnell beruhigen würde. Mit einem stabilen Alltag würde auch mein stabiles Gemüt zurückkommen. Ich brauchte nur einen Rhythmus, an den ich mich halten konnte, um zurück in die Erfolgsspur zu kommen. Dazu gehörte vor allem, Faye jeden Tag unbeschadet Zuhause vorzufinden, egal zu welcher Uhrzeit.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Balance in Life [Moni & Tiger]" geschrieben. 29.03.2024


      Sobald Riccardas Frage vollständig an meine Ohren übermittelt war, runzelte ich die Stirn. Ich hatte mir bisher keine konkreten Gedanken darüber gemacht, was einen Engel für mich ausmachte, was sie alle gemeinsam hatten. Außerdem klang es ein bisschen nach einer Fangfrage, was jedoch nicht automatisch bedeutete, dass ich ein Blatt vor den Mund nahm. Wie immer würde ich bei der Antwort meiner Ehrlichkeit treu sein. „Ich weiß nicht… nüchtern betrachtet kenne ich bis auf dich ja keinen Engel so richtig persönlich und kann mir daher nur bedingt vorurteilsfrei ein Bild machen.“ Ja, ich unterhielt mich natürlich immer mal wieder mit der Verwandtschaft meiner Angetrauten, doch die Masken fielen dabei viel zu selten wirklich weit genug, als dass ich felsenfest behaupten würde, Jemanden im Engelspalast richtig zu kennen. Ich war eben nach wie vor der Außenseiter, der Werwolf. „Aber mit den biblischen Engeln habt ihr, zumindest im heutigen Zeitalter, offensichtlich wenig gemeinsam. Bis auf euer übernatürlich perfektes Äußeres und die Fähigkeiten unterscheidet ihr euch kaum vom Menschen… was wahrscheinlich daran liegt, dass es euch leichter fällt, euch in deren Gesellschaft völlig unbemerkt einzugliedern. Es ist natürlich nicht zu übersehen, dass ihr eine gute Lebensweise zu pflegen und euch dadurch abzuheben, ein gutes Beispiel zu sein versucht. Da sind sicherlich auch einige sinnvolle Ansätze dabei. Das ändert nur nichts daran, dass eure Gemeinschaft untereinander ziemlich hinkt und allein das schon ein Strich in dieser Rechnung ist… in den Augen eines Wolfes zumindest.“, holte ich möglicherweise weiter aus, als es dem kleinen Engel an meiner Brust lieb war. Würde ich nicht liegen, hätte ich ratlos mit den Schultern gezuckt. Vielleicht hofften die Engel im Palast insgeheim noch immer, dass ich mich bald verdünnisieren würde. Ob sie sich mir mehr öffnen würden, wenn ihnen dämmerte, dass das nicht passieren würde? Zumindest nicht aus Trennungsgründen, sondern eher, weil wir irgendwann ausziehen würden, um dieser Fuchtel endgültig zu entgehen. Ich war schon irgendwie gespannt auf die Reaktionen und freute mich auf das eine oder andere entsetzte Gesicht.
      Mir war bis jetzt gar nicht bewusst, dass wir auch nicht darüber redeten, wie ich mein Unwesen in den Köpfen von Menschen – und manchen Engeln, manchen Wölfen – treiben konnte. Dabei hatte das keinen spezifischen Grund meinerseits, es gehörte genauso zu mir wie der ganze andere wölfische Kram. “Ist mir nicht aufgefallen, aber du hast Recht.”, stellte ich leicht verzögert fest. Mein Blick rutschte dennoch automatisch in Riccardas, als sie zu einer ausführlichen Erklärung ansetzte. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte. Vielleicht aber nicht unbedingt, dass sie mir völlig unverblümt sagte, mich allzu leicht umbringen zu können. Es war gar nicht so, als hätte ich vorher noch keinen Respekt vor ihrer zerstörerischen Fähigkeit gehabt, die höllischen Schmerzen hatten ihn mir zwangsläufig eingeprügelt… jetzt war er trotzdem größer. Ich hatte diese Worte noch gar nicht richtig verarbeitet – was mein nachdenklich bis zerstreuter Gesichtsausdruck untermauerte – als der blonde Engel noch auf Sylvan einging. Dennoch versuchte ich ihr weiter zu folgen, aber als Riccarda fertig war und mir eine Gegenfrage stellte, sah ich sie noch einen kurzen Moment lang schweigend an, während ich das Gesagte verarbeitete. Erst als das unterbewusst fortgesetzte Streicheln sich wandelte und ich die Hand am unteren Rücken unter ihr Oberteil schob, um das Gefühl zu kriegen, sie auch physisch noch näher bei mir zu haben, setzte ich zur Antwort an: “Ja… eigentlich sogar detaillierter, als ich mir erhofft hatte.”, stellte ich allem voran murmelnd fest. Im Gegensatz zu ihr hatte ich damals in meinem völlig blinden Wahnsinn ganz genau gewusst, wie weit ich gehen wollte. “Es wirkt noch ein bisschen surreal, bemessen an der Tatsache, dass ich bisher kaum etwas davon gesehen habe… und dich ehrlicherweise wohl auch etwas unterschätzt habe, weil ich es bis jetzt nicht besser wusste.” Woher auch? Trotzdem wusste ich, dass Riccarda mich nicht anlog. Es fiel ihr offensichtlich nicht leicht, das alles auszusprechen, aber ihre sich wieder lockernden Muskeln sprachen lediglich für vorangegangene Unbehaglichkeit in diesem Thema, nicht für eine Lüge. “Klingt so, als hättest du deswegen Einiges durchmachen müssen.”, fügte ich etwas leiser an. Ich selbst hatte keine schöne Kindheit besessen. Obgleich Riccardas besser gewesen sein mochte, stellte ich es mir unschön vor, wie auf dem Präsentierteller in ein Institut für Blitzforschung geschleift zu werden. Neben der Tatsache, dass sie ihre Kräfte ständig verbergen sollte, weil sie nicht gut waren. “Ich bin jedenfalls sehr froh darüber, dass du mich damals nur gebremst und nicht ausgelöscht hast.”, beendete ich meine Antwort mit einem schiefen Grinsen, um auch hier nicht in zu düstere Gefilde abzudriften. Es machte mich merkwürdig stolz, dass in dem unscheinbaren kleinen Engel ein solch tödlicher Tornado schlummerte. Dass sie etwas Besonderes war und zu mir gehörte. Wenn wir jetzt noch die Sache mit dem gut eingespielten Teamwork hinbekamen, wären wir kaum noch zu bremsen – sich uns in den Weg zu stellen, absolut töricht. Außer vielleicht, wenn wir einem ganzen Rudel angestachelter Werwölfe gegenüberstanden. Sie konnte ihre Hände nicht an zwanzig Pelze gleichzeitig legen und ich hatte noch immer bloß ein Maul.
      Der Schnee um das Haus meiner Familie herum würde Riccarda also kein zweites Mal das Genick brechen. Diese leichtfertige These allein führte dazu, dass ich leise in mich hinein lachte, während sich das Bild von vorhin nochmal in meinen Gedanken abspielte. „Nun, wenn du das sagst… “, ließ ich ihre Aussage zuerst so stehen. Mir entging jedoch der Blick des Engels zu dem Kissenberg am Kopfende nicht, was das Grinsen auf meinen Lippen weiter beflügelte. „…diesmal gibt es dann aber keinen Vorsprung und ich werde gnadenlos sein.” Ich hob beide Augenbrauen leicht an.

    • Moni hat einen neuen Beitrag "Balance in Life [Moni & Tiger]" geschrieben. 28.03.2024


      Es war zumindest in diesem Zusammenhang noch immer ein bisschen schwer verständlich für mich, wie Riccarda immer wieder aufs Neue so viel Verständnis für mich und mein verkorkstes Verhalten aufbringen konnte. Sicher, dass ich stellenweise nicht ganz richtig in der Birne war, das hatte sie schon vorher gewusst – dennoch stimmte mich so viel Nachsicht beinahe ungläubig und dementsprechend sah ich sie für einen Moment auch an. “Sonst magst du nicht allzu viel von einem Engel haben, aber deine Geduld mit mir ist wirklich engelsgleich.”, stellte ich mit leicht angehobener Augenbraue fest. Dass die Engelsspezies, wie sie tatsächlich existierte, nicht gänzlich mit der hoch gepriesenen, perfektionierten Figur aus Glaubenssätzen übereinstimmte, war mir schon länger bewusst. Die zierliche Blondine, die hier neben mir auf dem Bett lag, widersprach diesem altertümlichen Bild aber noch deutlich mehr als viele ihrer Verwandten… was wiederum vielleicht auch nur an deren Masken lag, die sich gar nicht so leicht durchschauen ließen.
      Als Riccarda gestand, bisher mit Kooperationen nicht besonders erfolgreich gewesen zu sein, dachte ich eingehender darüber nach, wie es bei mir selbst damit stand. Allein die Tatsache, dass der Wolf normalerweise im Rudel lebte und auch jagte, machte mich eigentlich schon zu einem guten Teamplayer. Allerdings wanderte ich nun schon eine ganze Weile ohne wölfische Gemeinschaft umher. “Ich kann das eigentlich schon… aber mit den Trust Issues kam irgendwann zwangsläufig der Alleingang auf allen Ebenen.”, folgte ich meinen Gedanken mit gemurmelten Worten. Das eine war mit dem anderen eng verwoben und nur nach meiner eigenen Nase zu gehen, war mir in Fleisch und Blut übergegangen. Es würde nicht die erste Gewohnheit sein, die ich mir zu brechen vornahm. Andererseits war es vielleicht auch deswegen ein bisschen schwer für mich, der zierlichen Blondine vollständig zu vertrauen und mich auch auf richtiges Teamwork einzulassen, weil ich nicht einhundertprozentig über ihre Fähigkeit Bescheid wusste. “Wie… präzise war das vorhin eigentlich wirklich dosiert? Ich frage mich jetzt zwangsläufig, ob ich entweder eine niedrigere Schmerztoleranz als Sylvan habe, oder ob du mir immer die volle Breitseite verpasst hast.”, fragte ich Riccarda gerade heraus, weil ich glaubte, dass es dafür keinen passenderen Tag als heute mehr geben würde. Jetzt, wo das alles noch frisch war und wir beide die Situation noch genau vor Augen hatten. “Wir reden oft über mein Dasein als Wolf, aber eigentlich nie über dich.”, stellte ich weiterhin fest, noch bevor ich eine Antwort von dem Engel bekommen hatte. Im Zusammenhang würde sich ihr schon erschließen, dass ich damit speziell ihre den Engelsgenen zugehörige Fähigkeit meinte.
      Als Riccarda meine Nähe suchte, musste ich ganz automatisch schmunzeln. Es löste ein wohlig warmes Gefühl in mir aus, das den Knoten in meiner Brust zielstrebig weiter dezimierte. Außerdem sah sie automatisch immer ein bisschen süß aus, sobald sie den eleganten Adel ablegte. Meine Mundwinkel hoben sich noch weiter an und ich legte einen Arm um ihre schlanke Taille, kaum hatte sie sich angekuschelt. Wir hatten uns vermisst, diese Worte waren heute schon einmal gefallen. Das zu hören würde so schnell aber gewiss nicht an Wirkung verlieren. Hoffentlich niemals. „Find‘ ich auch.“, stimmte ich Riccarda zu und streichelte wie zur Bestätigung ein bisschen über ihre Seite.
      Ein absolut alles aussagendes Grinsen wurde präsent auf meinen Lippen, als die zierliche Blondine noch eine Revenge forderte – falls man es denn überhaupt so nennen konnte, wo doch im Grunde nur zwei Schneebälle geflogen waren und es gar nicht erst zu einem richtigen Battle gekommen war. „Oh, ja, die Schlacht… die, die eigentlich nie richtig angefangen hat, weil der Schnee dich in die Knie gezwungen hat… bist du dir sicher? Ich meine, Kissen gibt‘s hier auch.“, zog ich die eher erschöpft wirkende Prinzessin auf, die gerade bevorzugt meine Brust als Kopfkissen nutzte und begann an einer ihrer blonden Strähnen herumzuspielen. Ob man sich bei einer rasanten Kissenschlacht weniger wahrscheinlich den Knöchel brach, als im verschneiten Garten, sei mal dahingestellt. Ich wollte nur ein bisschen den wieder eingekehrten Frieden genießen und spielerisch auflockern.

Empfänger
Moni
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