Beiträge: 14351
| Zuletzt Online: 13.12.2024
-
-
Da hat Faye mal eben kurz braune Augen gekriegt. <.< xD Hab grad zufällig gelesen, dass sie irgendwann mal eine Segeltour machen will (laut Notizen) und dass das ja gar nicht mal soooo schlecht passt mit Vickys neuem Interesse für… naja, Bootsfahrten. :’D __________
Eigentlich brachte ich Menschen nicht gerne zum Weinen. Nicht mehr. Auf diese Weise war’s aber okay. Es tat auch ein bisschen weh, wenn Faye anfing zu weinen, weil sie sich freute, aber es war eine befremdlich angenehme Art von emotionalem Schmerz. Nicht die, die sich für die nächsten zwanzig Jahre pechschwarz auf die Seele legte, sondern die Sorte, die einen im Nachgang seltsam beflügelte. Die beim Abflug ein bisschen was von dem ganzen anderen Schmerz aufwirbelte und mitnahm. Es war die einzige Art von Schmerz, die sich noch von allem anderen abzuheben schaffte. Es war jedoch Fayes leicht irritiertes Lachen, das es letztendlich schaffte, das Lächeln in meinem Gesicht fester zu verankern. Der Moment, der danach kam, wurde mir ab einem gewissen Punkt – als es schon zu lange still war – wieder etwas unangenehm. Ich hatte an dieser Stelle noch nichts weiter zu sagen und so hielt ich Fayes Hand weiter fest, spürte ihre zweite auch noch und musste mich selbst daran hindern, mich noch nicht zurückzuziehen. Als die jüngere Cooper den Mund schließlich wieder aufmachte, hatte ich dadurch etwas, auf das ich mich konzentrieren konnte. Ich hab’ deine Schwester in diese ganze Scheiße reingezogen, wofür genau dankst du mir da eigentlich? Es war der erste Gedanke, der mir kam und auch der erste, den ich zu ersticken versuchte. Das gehörte eindeutig zu den ungesunden Denkmustern, die ich dringend loswerden musste. So oder so verpuffte das sofort, als Faye mich wortwörtlich ihren Bruder nannte und das auch noch in eine Relation setzte, die wiederum mir die Sprache verschlug und sie mich mit leicht geweiteten Augen ansehen ließ. Ich war mir darüber klar, dass ich nicht Julian war und ihn auch niemals ersetzen konnte oder wollte. Sie wünschten sich ihn sicher beide zurück, so wie ihre zu früh gestorbenen Eltern. Aber wenn ich in dieser Sache einen definitiv spürbaren Unterschied für Faye machen konnte, dann war das mehr, als ich mir ursprünglich einmal erhofft hatte. “Bedeutet mir viel… dass du das sagst.”, kamen mir etwas undeutlich gesprochene Worte über die Lippen, begleitet von einem vielleicht minimal überforderten Lächeln. Ich würde wohl auf ewig etwas unbeholfen damit umgehen, wenn mich Jemand offenkundig mochte. Außer bei Aryana, das war was anderes. Sie war wie ich. Ich löste ebenfalls wieder eine Hand von Fayes, um sie stattdessen nach Aryanas Fingern auszustrecken, meine mit ihren zu verschränken und ihr einen etwas längeren Blick zu schenken. Allem voran ihr hatte ich diese sonderbare Adoption zu verdanken und ich war froh darüber, dass sie mich nie hatte spüren lassen, es jemals als Fehler empfunden zu haben. Erst war ich irritiert davon, dass Mitch nach der Hand meiner Freundin verlangte. Anschließend war ich perplex darüber, dass er – wenn er es denn ausnahmsweise mal wollte – durchaus sehr gekonnt um zerbrechliche Gemüter herumtanzen konnte, statt darauf rumzutrampeln. Ganz gleich, ob er diese Art von Taktgefühl in den letzten Jahren nur wiedergefunden oder neu erlernt hatte, war ich ihm aber unheimlich dankbar dafür, dass er die Karte jetzt ausspielte, obwohl er sich stellenweise merklich schwer damit tat. Es lenkte nicht nur Fayes Gedanken erfolgreich in eine andere Richtung, sondern auch meine. Mein Kopf machte einen kurzen Exkurs in die Vergangenheit und ich wusste noch, wie gleichermaßen entsetzt und wütend er mich mit seinem Auftritt in unserem Wohnzimmer gemacht hatte. Wie verwirrt Aryana und ich von der Kehrtwende danach waren und zwangsläufig unser eigenes Gespräch geführt hatten. Faye hatte mir damals direkt im Anschluss gesteckt, wie schlecht es um Mitch gestanden hatte. Wir hatten uns beide Sorgen gemacht, auch um Aryana. Hilfe angeboten, die ja doch wieder nicht so wirklich angenommen wurde, weil das Paar grundsätzlich alles lieber selbst machte. Doch anders als damals ließen sie sich jetzt unter die müden Arme greifen – nicht unbedingt von einem von mir bevorzugten Teampartner, aber wenn Ryatt sie tatsächlich da rausbekam, dann… dann wäre das ein guter Grund für mich, den letzten vorhandenen Funken Kriegsbeil doch noch zu begraben. Ich erwiderte Fayes Blick mit einem kleinen Lächeln, als sie sich mir schließlich für einen Moment zuwandte. Verstärkte meinen Griff um ihre Taille kurzzeitig, als Geste für meine vorerst noch stumme Zustimmung und Beistand, der Tränen wegen. Ich kam trotzdem nicht umhin, eine relativ trockene Ecke meines Handtuchs anzuheben und ihr ein paar noch verbliebene feuchte Stellen an der Wange abzutupfen. Im Augenwinkel konnte ich sehen, dass sich Mitchs zweite Hand ebenfalls von Fayes Fingern löste. Deshalb sah ich zu ihm rüber, als ich auch das Handtuch wieder sinken ließ. “Na dann bin ich jetzt doch froh, dass ich dich damals nicht rausgeschmissen hab.” Da war ein minimaler humorvoller Unterton in meiner Stimme, für mehr reichte es in diesem Moment noch nicht. Ich lächelte ihn jedoch ehrlich an und er begann den Kopf abwägend, langsam hin und her zu kippen. “Ich werd’ euch beide dran erinnern, was ihr gerade gesagt habt, wenn ich euch das erste Mal so richtig auf die Nerven gehe, weil ich keine Ahnung habe, wie man… normal lebt. Vielleicht brauch’ ich da auch wieder ein paar Ratschläge.” Er grinste schief und ich zog die rechte Augenbraue nach oben. Ja, jetzt wo er es sagte, da fiel es mir schon irgendwie schwer, ihn mir in irgendeiner völlig normalen beruflichen Tätigkeit vorzustellen. Oder auch nur in einem Supermarkt beim Einkaufen… wohl noch am ehesten in einem Gym, weil er da die Energie loswerden konnte, die er aktuell eher nicht mehr – oder viel mehr noch nicht wieder – versprühte. Aber das war mit Aryana alles ähnlich. Es würde bestimmt etwas dauern, aber sich an einen verhältnismäßig gewöhnlichen Lebensstil zu adaptieren, schien mir eine vergleichsweise kleine Herausforderung für die beiden zu sein.
-
-
Oh ja, sie hatte einen Wasserfall an Worten ausgespuckt und ich hatte fest vor, mich dafür jetzt zu revanchieren. Trotzdem erinnerte ich mich noch an beinahe jedes ihrer Worte und genau deswegen zuckte ein flüchtiges Lächeln über meine Lippen, als sie es erwähnte. Nicht vieles davon waren für mich leere Worte gewesen, obwohl sie sich beinahe verzweifelt den Mund fusselig geredet hatte im Versuch, mir all die Dinge aufzuzeigen, die ich damals nicht mehr hatte sehen können. “Eins der ersten Dinge, die du gesagt hast, war, dass du mich eigentlich gar nicht richtig kennst…” Ich hatte sie gezielt danach gefragt, was sie von mir hielt. In der völlig falschen Intention, dass sie meinen Selbsthass weiter befeuern und mir damit einen Grund mehr geben würde, von der nächstbesten Brücke zu springen. Stattdessen war ich jetzt aber immer noch hier und konnte ihre Hand halten, im verzweifelten Versuch, ihr Irgendwas zurückzugeben. “...und trotzdem hast du mir sofort deine Hand gereicht. Mir schon da alles vergeben und mir sogar nachdrücklich angeboten… ein Teil eurer Familie zu sein, wenn ich das möchte.” Ich sah kurz zu Aryana, dann nochmal zu Victor und im Anschluss wieder zu Faye. Vielleicht waren wir Vier nicht viel. Trotzdem waren wir mehr Familie, als ich geglaubt hatte, jemals haben zu können. “Du hast mich darum gebeten, es nochmal zu versuchen, mit allem was ich habe… mir gesagt, dass du am selben Punkt gestanden hast, weil ich sagte, dass ich keinen Sinn mehr sehe.” Ein bisschen sehr viele Offenbarungen für die zwei Personen in diesem Boot, die damals nicht Teil der Konversation gewesen waren. Aber Victor wusste wohl am besten, wie schlimm es einst um Faye gestanden hatte und vor Aryana brauchte ich das auch nicht totzuschweigen. Sie hatte schließlich meinen Nervenzusammenbruch am Morgen danach auf unserem Balkon selbst mitbekommen. Wir waren alle kaputt, auf die eine oder andere Art. “Das meiste davon wollte ich gar nicht hören und trotzdem hast du nicht aufgehört, gegen die Wand in meinem Kopf zu reden… und du bist durchgekommen.” Es hatte eine Weile gedauert, bis ich es bemerkt hatte. Doch Faye hatte mit all ihren Worten und ihren nach außen getragenen Gefühlen wirklich ein paar Punkte in meinem Kopf getroffen, die mir schwer zu denken gegeben hatten. Sie hatte damit zwar sicher auch zu dem anschließenden Nervenzusammenbruch unter Alkoholeinfluss beigetragen – eben gerade weil sie mich so aufgewühlt hatte – doch der war rückblickend betrachtet einfach nötig gewesen. Die Dämme hatten brechen müssen, damit ich sie danach neu aufbauen konnte. “Ich bin sicher kein Vorzeigefreund, aber ich… ich versuche das bis heute noch. Mit aller Kraft daran festzuhalten, dass ich die Person sein kann, die du damals schon in mir gesehen hast, obwohl du mich kaum kanntest… die auch Aryana in mir sieht, obwohl sie von meinen üblen Seiten am allerwenigsten verschont bleibt.” Nochmal ein kurzer Seitenblick zu meinem Partner in Crime, bevor ich Faye wieder direkt aus klaren Augen ansah. “Ich habe heute mehr zu verlieren als jemals zuvor. In Syrien, als ich euch im Hügel eingesammelt habe… da war mir egal, ob ich sterbe. Wirklich. Deine Schwester hatte sich vorher von mir abgewandt. Es... hat unendlich weh getan und ich wollte, dass das aufhört. Auf die eine oder die andere Art… und diesmal ist das nicht so. Wegen Aryana, natürlich, aber auch wegen dir und Victor. Für Andere mag dieser kleine Kreis hier nicht viel sein, aber für mich… ist es alles, was ich habe… alles, was ich auf keinen Fall verlieren möchte… und du hast mir das einfach so ohne zu zögern angeboten, als wäre es eine Kleinigkeit. Dafür bin ich dir bis heute noch unheimlich dankbar. Für alles, was du gesagt hast.” Ich stockte mehrmals leicht und sah auf unsere Hände runter. Streckte auch die anderen Finger noch nach Fayes aus, um ihre Hand mit meinen beiden zu umschließen. “Ich hab deine Hand irgendwann heimlich und stillschweigend genommen", weil ich für alles andere zu stolz war, "also halt’ dich jetzt bitte an meiner fest, wenn ich dir sage, dass ich weiß, dass du diese Tage besser durchstehen wirst, als du jetzt glaubst. Weil du immer stark bist, für die Menschen, die dir wichtig sind… so wie an diesem Tag, als du deinen eigenen Schmerz runtergeschluckt hast, weil du meinen gesehen hast… und im Gegenzug tu’ ich alles dafür und glaube auch fest daran, dir deine Schwester heil zurückzubringen.”, weil ich mit jeder Faser meines Körpers daran denken wollte und musste, dass Aryana sich damals nicht falsch entschieden hatte, als sie mich als den einen ausgesucht hatte. Dass ich eine Bereicherung für ihr Leben und auch für das von Faye und Victor sein konnte, wenn ich nur erstmal an einen Punkt kam, an dem ich dafür genug Luft holen und Anlauf nehmen konnte. “Und mich selbst natürlich auch, damit hier Niemand jemals wieder auf meinen bodenlosen Humor verzichten muss. Das war schließlich alles, was uns im Krankenhaus damals noch zum Lachen bringen konnte, als alles irgendwie beschissen war.” Ich lächelte ein wenig. Sehr vorsichtig, aber schon auch ein winziges bisschen zuversichtlich. Auch das hatte Faye damals auf dem Balkon nämlich erwähnt: Dass ich immer wieder bei ihr und Victor vorbeigeschaut hatte, als sie halbtot auf Schmerzmitteln in ihren Betten gelegen hatten und ich mich wieder einigermaßen bewegen konnte, wegen der Schulter aber noch außer Gefecht war. Die jüngere Cooper war ein Mensch, der sowas nicht vergaß und ich bewunderte sie dafür, wie sehr sie an solchen vermeintlichen Kleinigkeiten festhalten konnte, wenn sie dachte, dass es das Richtige war. Ich kreidete immer nur Allen ihre Fehler an. Sie hingegen versuchte, das Gute zu sehen. Vielleicht war das alles ein zu großes, indirektes Versprechen. Vielleicht litt ich da gerade wieder an der chronischen Selbstüberschätzung, die gefühlt immer dann eintrat, wenn ich einfach tat, was getan werden musste. Trotzdem wollte ich, dass Faye das alles wusste. Dass sie mir unwissentlich eine ganze Menge mit auf den Weg gegeben hatte und wie dankbar ich für diesen oft stummen, aber trotzdem existenten Rückhalt war. Dass sie tatsächlich viel mehr Einfluss auf mich gehabt hatte, als sie sich damals laut eigener Aussage überhaupt erhofft hatte. Ich war immer noch hier. Nicht gesund, aber am Leben genug, um diesen Kampf erfolgreich ausfechten zu können – für alles, was danach auf mich wartete. Auf mich und Aryana, auf mich und diese überaus wackelig stehende Familie.
-
-
War es ein Fehler gewesen, die beiden zu informieren? Sicher nicht aus moralischer Sicht, aber mein Blick lag noch ein paar Sekunden lang nachdenklich auf Faye, nachdem sie auf meine Worte reagiert hatte. Vermutlich lag es nur daran, dass wir sie völlig aus der Bahn geworfen hatten und sie nicht klar denken konnte. Sie war offensichtlich von Kopf bis Fuß durch den Wind und das war nachvollziehbar. Aber es musste das einzige Mal gewesen sein, dass sie diesen Denkfehler machte. Ich wollte nicht erfolgreich – lebend – aus Südamerika zurückkommen, nur um meine Zukunft mit Aryana an losen Lippen oder einem Browserverlauf zu verlieren. Um hinter Gittern zu landen, statt sämtliche Ketten endlich zu sprengen. Es war zwar fragwürdig, inwiefern bei der Verhandlung überhaupt Verwandte einbezogen werden würden, aber das gerade auf dem Silbertablett servierte Risiko war ein unnötiges. Deshalb dachte ich noch immer darüber nach, während ich meiner Freundin mit halbem Ohr dabei zuhörte, wie sie unsere nur sehr dürftig existenten Zukunftspläne schilderte. Wir hatten mittlerweile zwar hier und da mal versucht, uns ein paar Gedanken darüber zu machen, was für uns in Frage kam, aber das waren jetzt maximal ein paar sehr wackelig stehende Ansätze und alles stark anzuzweifeln. Wie Aryana schon in simpleren Worten sagte – wir waren dann erstmal einfach froh darüber, durchatmen zu können. Nach erholsamem Schlaf, fern von Alpträumen und all den Altlasten, einfach nur einigermaßen seelenruhig aufwachen zu können und die Tage nicht mehr von vornherein schlecht zu starten. In diesen Zustand zu kommen, das war die Priorität. Ich wollte endlich in Aryanas Gesicht blicken und dabei wirklich eine Zukunft vor uns haben. Eine, die lebenswert war. Ob wir erfolgreich eine für uns passende Wohnung fanden, ob wir uns klar darüber wurden wo und wie wir unser Geld verdienen wollten… das könnte alles kaum zweitrangiger für mich sein. Von mir aus pennte ich auch wochenlang in einem Zelt und ging mich in einem eiskalten Fluss im nirgendwo abduschen, solange ich nur verdammt nochmal keine Hand mehr an den kalten Stahl einer Waffe legen musste. Mich – uns beide – keiner mehr zu irgendetwas zwang, das ich überhaupt nicht tun wollte. Dann war die Welt erstmal in Ordnung und um sowas banales wie Finanzen sorgte ich mich später, wenn ich Kraft und Ehrgeiz dafür gefunden hatte. “Versteh’ ich… das mit dem Ordnen braucht Zeit.”, murmelte Victor mit einem Nicken vor sich hin. Ich musterte seinen Gesichtsausdruck. Beobachtete, wie er sich um den Ansatz eines aufbauenden Lächelns bemühte, nur um dabei ziemlich kläglich zu scheitern und dann wieder zu seiner Freundin zu blicken. Wie lange war er damals weg gewesen? Neun, zehn Monate? Das war fast ein Jahr und ich hoffte inständig, dass es bei Aryana und mir schneller ging. Wir konnten es immerhin zusammen machen, unsere Beziehung war nicht das Problem… zumindest hoffte ich das inständig. Ich war mir inzwischen leider sehr bewusst darüber, wie ungesund sie teilweise war. Ich suchte mit den Augen nach Fayes Blick, obwohl sie meinem konstant auswich. Sich offenbar auf jeder möglichen Ebene schlecht fühlte – noch mehr als Victor, der sich verzweifelt mit dem Versuch abrang, irgendwie weiter nach vorne zu schauen – und damit dafür sorgte, dass mein Herz noch ein Stück tiefer sackte. Mit jeder weiteren Sekunde, die sie derart niedergeschlagen dasaß, immer mehr an dem Wunsch in mir rüttelte, ihr irgendetwas Positives zu geben. Irgendetwas, das sie vom Gefühl der Machtlosigkeit wegholte. Nur ein bisschen. Weit genug, um vielleicht an etwas anderes zu denken. Das Gespräch war sowieso schon wieder erstorben, weil Aryana und ich offensichtlich keine Pläne hatten. Keine richtig brauchbaren zumindest. “Gib’ mir… mal deine Hand, Faye.”, forderte ich die jüngere Cooper zögerlich mit undeutlicher Stimme auf. Streckte meine eigene Rechte langsam in ihre Richtung aus, während ich mich mit dem Ellbogen des linken Arms auf dem Knie abstützte. Ich sorgte damit relativ offensichtlich für leichte Verwirrung in der Runde, ließ mich davon aber nicht irritieren. Hielt den Arm so lange in ihre Richtung ausgestreckt, bis sie danach griff. “Erinnerst du dich noch an die Dinge, die du zu mir gesagt hast? Damals auf eurem Balkon, als ich frisch aus dem Knast war und mich wie der größte Vollidiot aufgeführt hab’?”
-
-
Je länger dieses Gespräch andauerte, desto mehr bekam ich das Gefühl, meinen nicht vorhandenen Mageninhalt über die Reling spucken zu müssen. Die Mischung aus unguter Vorahnung, Sorge und die Angst darum, dass die beiden sich mit dieser Sache gewaltig verschätzten, ließ mich mit flauem Magen zurück. Zusätzlich zu der Last auf den Schultern, die mir keiner der beiden nehmen konnte. Dass Faye entführt worden war, war die eine Sache… mein expliziter Wunsch auf Vergeltung aber etwas ganz anderes. Sicher war ich nicht der einzige, der, wenn es ihm schlecht ging, manchmal Dinge dachte oder tat, die er hinterher revidieren wollte. Ich hätte es trotzdem nicht sagen dürfen und ich war mir sicher, dass mich das noch eine Weile verfolgen würde. Aryana versuchte Mitchs Worte weiter zu untermauern. Sie war dabei konkreter und ich hob den Blick nochmal an, als sie schon geschlossen hatte. Versuchte aus ihren dunklen Augen zu lesen, wie ernst sie es meinte – wie sehr sie wirklich daran glaubte, eine weitere Fahrt durch die Hölle mit Mitch durchziehen und dabei mit dem Leben davonkommen zu können. Trotz all der Dinge, die offensichtlich stark dagegen sprachen. Wenn sie nur diese eine, einzige Chance darauf hatten, noch eine Kehrtwende zu schaffen – wonach das alles sehr stark klang – dann war ich wohl der letzte, der versuchen würde, ihnen das auszureden. Und so, wie sie mich ansah, glaubte Aryana daran, dass sie das schaffen konnte. Mitch auch, aber ihn stufte ich in dieser Sache aufgrund vergangener Ereignisse als irgendwie… weniger zurechnungsfähig ein, was vielleicht dumm und auch falsch war war. Es ging keinem von beiden gut, so viel war sicher und ich wollte sie noch lange genug in meinem Leben haben, um zu sehen, wie sich das änderte. Wie sie glücklich wurden… in ein paar Monaten? Das war eine absehbare Zeitspanne. Auch wenn ich gerade absolut nicht klar genug denken konnte, um darauf zu kommen, warum das alles noch so lange dauern musste. Ich drehte den Kopf sofort ein wenig in Fayes Richtung, als sie sich bewegte und die verspannte Sorgenfalte auf meiner Stirn wurde tiefer. Ein bisschen Wohnungssuche würde sie nicht ausreichend von der Tatsache ablenken, dass ihre Schwester mitsamt Anhang wochenlang in Lebensgefahr schwebte. In dieser Zeit würden wir vermutlich beide nur atmen, stumpf zu funktionieren versuchen und darauf warten, dass es vorbei war… mit hoffentlich erwünschtem Ausgang. Ich löste meine Finger von Fayes, um den Arm stattdessen behutsam um ihre schmale Taille zu legen und dabei mehr oder weniger unauffällig etwas näher an sie heran zu rücken. Über ihre Seite streichelnd neigte ich den Kopf noch weiter, um einen Kuss auf ihre fast nackte Schulter zu hauchen. Dabei wusste ich nicht, wer von uns beiden das gerade mehr brauchte. Mir war danach, mich mit dem Kopf für den Rest des Tages einfach an ihrer Halsbeuge zu verkriechen und auf diese völlig ungesunde Art in Sorge und Trübsal zu versinken. Mitch räusperte sich leise, aber mein Blick klebte trotzdem noch an Faye, als ich mich etwas aufrichtete. “Das kannst du schon machen, nur… keine Spuren dabei hinterlassen, bitte.”, murmelte er etwas undeutlich. Es dauerte ein paar stumme Sekunden lang, bis ich ansatzweise verstand, warum wir uns nicht mal nach einer Wohnung umsehen durften – die Sache mit dem von Nichts wissen, vermutlich. Ich würde verdammt gerne wissen, was für einen Rattenschwanz diese Mission nach sich zog. Statt vergeblich danach zu fragen, versuchte ich mit einem sehr tiefen, langen Atemzug, mich nicht von Fayes glasigem Blick anstecken zu lassen und nach etwas zu suchen, das unseren Fokus verschieben konnte. Weg von Tod und Verderben und hin zu einer Zukunft, die erstrebenswert für alle war. Dabei fiel mir auf, dass ich gar keine Ahnung davon hatte, was das Paar auf der gegenüberliegenden Bank eigentlich noch geplant hatte. Wie sie leben wollten, was sie glaubten, was ihre Definition von Glück war. “Was habt ihr überhaupt vor? Danach, meine ich… wenn ihr hier seid… was wollt ihr dann machen?”, startete ich einen möglicherweise zu krampfhaften Versuch, unser aller Köpfe von der schweren Tragweite dieses Jetzt-Oder-Nie-Unterfangens wegzulenken. Auf etwas, das danach kommen würde, weil Aryana und Mitch das schaffen würden… es schaffen mussten, weil ich mir sehr sicher damit war, dass ich Faye nicht noch ein weiteres Mal zurück auf die Beine kriegen würde. Nicht, wenn der Auslöser dafür der Tod ihrer Schwester war.
-
-
bei den beiden gar nich mal so unwahrscheinlich… XD ______
Mir war klar, warum sie alle beide versuchten, viel Zuversicht und möglichen Erfolg zu suggerieren. Es war nicht so, dass ich Aryana und Mitch nicht abkaufte, dass sie sich in diesem Freischlag tatsächlich einen Sieg ausmalten. Viel mehr wollte ich sogar daran glauben, um den Teil meines Unterbewusstseins, der in dieser Sache eindeutig auch eine Möglichkeit zum Sterben erkennen konnte, zu ersticken. Denn es war genauso möglich, dass ich die beiden mit meiner einstigen Bitte etwas zu nah an den Rand aus suizidalem Selbsthass geschubst hatte. Leider reichten deren Zuversicht und meine Gutgläubigkeit also nicht aus, um zu verschleiern, dass dieser Kurzurlaub bei uns trotzdem für alle Beteiligten auch ein möglicher Abschied war. Unvermeidbar fühlte es sich zum gefühlt tausendsten Mal für mich so an, als läge auf unser aller Freundschaften ein verdammter Fluch. Einer, den die beiden dieses Mal hoffentlich zu brechen wussten… nicht nur vorübergehend, sondern endgültig. Ich konnte diese ständigen Hiobsbotschaften genauso wenig vertragen wie Faye. Was das anging, hatten wir unser Limit schon lange erreicht und dass es jetzt schon wieder passierte, war einfach beschissen. Ich war etwas zu wenig optimistisch veranlagt, um daran zu glauben, dass es wirklich das letzte Mal sein würde. Ich hoffte es, würde aber erst daran glauben, wenn eine angemessene Zeit lang mal absolut gar nichts passierte. Ich schluckte und begann ununterbrochen über Fayes Handrücken zu streicheln, als kurzes Schweigen eintrat. Sah auch lieber wieder nach unten weg im zwanghaften Versuch, mich nicht zu sehr von alledem aus der Bahn werfen zu lassen. Ich fühlte mich definitiv noch nicht bereit dazu, den beiden einfach viel Glück für diese Mission zu wünschen. Der Cocktail aus unterschwelligen Schuldgefühlen und schlimmen Befürchtungen war in meiner Magengegend und Brust viel zu präsent. „Wie gehts euch? Ich meine…“ Ich seufzte und machte einen Moment lang die Augen zu. Keiner von beiden sprach jemals wirklich viel über Gefühle, solange es vermeidbar war. „…geht‘s euch besser? Gut… gut genug für so eine Nummer?“ Nur langsam sah ich wieder zu den beiden auf und versuchte schon aus ihrer Mimik eine ehrliche Antwort zu filtern. Hatten wir zu oft betont, dass wir daran glaubten, dieses waghalsige Kommando schaukeln zu können? Victors Frage ließ zumindest darauf schließen. Es wäre eine Lüge, zu sagen, dass es uns tatsächlich gut ging. Davon waren wir noch spürbar entfernt. Trotzdem half es ungemein, dass Aryana den Kopf vorerst aus dem Sand gezogen hatte und ich mich weniger darum sorgen musste, dass ihre Hand meiner endgültig entgleiten würde. Ich achtete — zur Sicherheit — weiterhin auf Anzeichen diesbezüglich und versuchte auch immer noch die Kraft dafür aufzubringen, sie nach Möglichkeit zu entlasten. Dennoch würde ich behaupten, dass es uns besser als vorher ging. Ich warf Aryana einen kurzen Seitenblick zu, bevor ich zu einer Antwort ansetzte. Damit er nicht glaubte, dass ich ihm ausweichen wollte, sah ich Victor dabei auch direkt ins Gesicht. Obwohl es mir unangenehm war, so wie immer, wenn ich über meinen Geisteszustand reden musste. Der würde nie besser als mindestens mittelmäßig abgefuckt werden und entsprechend ungern verlor ich Worte darüber. „Ja. Es wäre gelogen, wenn ich dir sagen würde, dass wir uns vollständig erholt haben… bezogen auf einige… unterschiedliche Dinge.“, redete ich stockend so halb um den heißen Brei herum. Ich wollte das nicht näher erläutern. Es reichte, wenn Aryana darüber Bescheid wusste, was in meinem Schädel alles nicht rund lief. Das kommunizierte ich stumm mittels Blick. Nicht nur an Victor, sondern auch an Faye. „Ein greifbares Ziel hilft aber auf jeden Fall… das muss ich euch beiden nicht erzählen, glaube ich.“ Sie hatten selber immer wieder in der Scheiße gesessen und waren trotzdem da raus gekommen. Nur brauchte man dafür auch ein Umfeld, das einem Regeneration überhaupt möglich machte. „Es geht uns gut genug, um da heil durchzukommen… damit wir danach ohne Irgendwen im Nacken sitzen zu haben die ganzen letzten Jahre Revue passieren und hinter uns lassen können, so als wäre nie was gewesen.“, schloss ich mit trockenem Sarkasmus und zuckte mit den Schultern. Was wir getan hatten, würde leider immer ein Teil von uns bleiben. Trotzdem konnten wie hoffentlich lernen, das Beste daraus zu machen. Faye und Victor wussten, dass Aryana und ich mehr als einmal durch die Hölle gegangen waren. Es gab mehr als eine Sache, die wir irgendwie weit genug verarbeiten mussten, um von diesem von Blut getränkten Abschnitt unseres Lebens endgültig Abschied nehmen zu können. Vielleicht würde das lange dauern oder zumindest länger, als mir lieb war. Wenn es bedeutete, dass ich mich danach endlich so fühlen konnte, als wäre ich frei und als hätte ich nicht mein ganzes Leben an die Wand gefahren, war es das aber wert. Victor sagte nichts mehr, nickte nur leicht. Sah ein weiteres Mal kurz zu Faye — vermutlich um zu eruieren, was sie davon hielt — und dann nochmal zu Aryana, bevor seine Augen erneut bei mir landeten und dann wieder auf dem Grund des Bootes. Er war offensichtlich aufgewühlt, so wie alle anderen auch. Ich konnte aber sehen, dass ihm noch mehr auf der Zunge lag. Es dauerte ein paar stumme Sekunden, bis ich hinter die Ursache für seinen dezent gequälten Gesichtsausdruck kam. „Du brauchst dir keine Schuld zu geben... Keiner von euch.“, inkludierte ich Faye gleich mit. Ertappt warf Victor mir einen sehr flüchtigen Blick zu, bevor er wieder nach unten sah. Besonders überzeugend war meine Aussage für ihn scheinbar nicht und er sagte auch nichts dazu, weshalb ich zu Faye sah. Vielleicht hatte ich an dieser Anlaufstelle mehr Glück. Es mochte ihre Befreiung gewesen sein und Victors Wunsch auf Rache war sicherlich nur semi-gesund. Ich wusste jedoch mit Sicherheit, dass ich so oder so nicht gerade sanft mit den Mexikanern umgegangen wäre. Menschen, die glaubten, sich auf so einem bestialischen Niveau alles erlauben zu dürfen und mit allem durchzukommen, machten mich wütend. Erst recht dann, wenn sie dem kleinen bisschen Familie zu leibe rückten, das ich hatte.
-
-
Hö, ganz ohne Lizenz? Also auch keine schweizerische, mein ich? Das würd mich doch jetzt sehr wundern. o.o Hatte mal 'nen guten Bekannten, der einen Schein/Lizenz gemacht hat, ich meine für Binnengewässer und Meer für Sportboote oder so, das hat meines Wissens nach paar hundert Euro und Praxis+Theorie erfordert... aber das ist ungefähr 7-8 Jahre her, vielleicht gibt DE jetzt auch keinen F'ck mehr und/oder wollte es Touris leichter machen, weil Geld. I dunnoooo. x'D _________
Dieses zwischenmenschliche Dilemma war mir unendlich unangenehm. Erst recht jetzt nach den eigentlich ganz schönen Stunden, die wir mit Faye und Victor in Los Angeles verbracht hatten, fühlte es sich grundlegend falsch an, sie mit diesen Neuigkeiten zu überrollen. Wie eine verdammte Schneelawine im Sommer – sie rechneten nicht damit. Zu beobachten, wie ihre Körperhaltungen sich veränderten, sie sich beide zunehmend anspannten und jetzt schon damit anfingen, sich Sorgen um uns zu machen, quälte mich. Aryana und mir genau das zu ersparen, hatte in dieser Sache jedoch keine Priorität. Faye und Victor ging es gut hier und wir wollten beide, dass das so blieb. Während Easterlin uns für definitiv tot hielt, konnten die jüngere Cooper und ihr Freund wenigstens noch darauf hoffen, dass es nicht so war. Leider würde die Tatsache, dass wir ihr nicht genau sagen konnten, wann Ryatt etwas von uns hören würde – vorausgesetzt wir kamen bis zu diesem Punkt – es jetzt nicht gerade besser machen. Die Zeitspanne für den gesamten Plan war schon sehr vage und die erste Hälfte der Strecke sollte theoretisch, wenn uns die Waffendealer nicht an den Fersen klebten, keiner von uns schwerwiegend verletzt war und wir brav die Polizeikontrollen umschipperten, der deutlich einfachere Teil dieser Reise sein. Also die Etappe, die schneller zu bewältigen war. Bis wir letzten Endes dort waren und die Lage selbst sondierten, war es aber vor allem genau das: eine blanke Theorie. Ich mahlte zwischendurch mit dem Kiefer und schluckte schließlich, als ich Aryana eine Pause einräumte, indem ich die Frage ihrer Schwester beantwortete. “Können wir nicht genau sagen, aufgrund unvorhersehbarer Variablen.” Wenn ich Aryana und mich hier so sprechen hörte, wurde mir ein weiteres Mal klar, dass wir mindestens mittelmäßig geistesgestört sein mussten, um das alles für einen guten, machbaren Plan zu halten. Wenigstens war es diesmal nicht unser eigener. “Wir müssen glaubwürdig verschollen sein. Das schließt keinen Kontakt auf sämtlichen Ebenen, also auch Ryatt mit ein… wenn es in etwa so läuft, wie wir uns das vorstellen, sollten wir nach spätestens eineinhalb Wochen ein Lebenszeichen von uns geben können. Dann wird er sich bei dir melden… aber nochmal: Es ist wirklich wichtig, dass ihr euch bis dahin so verhaltet, als wüsstet ihr nichts von Alledem.” Ich wollte nicht ’als wären wir tot’ sagen, obwohl das akkurater wäre. Selbst in meinen Gedanken klang es zu schmerzhaft, weil die Möglichkeit auf unser tatsächliches Ableben gegeben war. Trotzdem war mir wichtig, das ein weiteres Mal explizit zu erwähnen, weil damit der ganze Plan in sich zusammenbrechen konnte. Ich atmete durch und seufzte im Abgang schwer, weil ich glaubte, dadurch das klemmende Gefühl um die Brust loswerden zu können. Fehlanzeige. Victor schüttelte kaum merklich den Kopf, zog die Augenbrauen zusammen und senkte den Blick auf die Füße. Ihm war wohl genauso wenig nach Essen wie irgendwem anders auf diesem Boot. Ich wollte gerne irgendwas sagen. Faye nochmal versichern, dass ich auch dieses Mal Aryanas Leben mit meinem beschützen würde, aber das wäre nur bis zu einem gewissen Grad wahr. Denn wenn ich meines für ihres gab, oder umgekehrt, dann würde unser beider Blut in Südamerika versickern. Wir konnten nur als Team alles dafür geben, unser beider Hälse zu retten. Wenn einer fiel, dann war es das für uns beide gewesen, also keine dummen Solo-Aktionen diesmal… und damit auch nichts, was ich sagen konnte, um die Situation weniger heikel darzustellen, als sie es letztendlich einfach war. “Wir haben schon Schlimmeres überlebt. Ohne Plan und wesentlich schlechter ausgerüstet.”, versuchte ich, das ganze Risiko zumindest etwas in Relation zu schon vergangenen Missionen zu setzen. Es dauerte einen Moment, dann sah Victor mit angestrengt verengten Augen auf und direkt in mein Gesicht. “In Syrien hat euch aber notfallmäßig ein Heli aus dem Brennpunkt geflogen, wenn ich mich recht erinnere.” Leider wahr. Medizinische Versorgung konnten wir uns in Südamerika keine holen, weil wir uns nicht ausweisen konnten. Was es umso wichtiger machte, Verletzungen zu vermeiden. Bei einer Dauer von vier bis fünf Wochen würden die sich andernfalls mit Pech sehr übel entzünden und uns auf Umwegen unter die Erde bringen, vielfache Impfungen hin oder her. Antibiotikum musste da drüben genauso verschrieben werden wie hier, also müssten wir einen Apotheker dazu zwingen, es uns auszuhändigen. Das klang trotzdem noch nach meinem ungefähr kleinsten Vergehen, weil das Ziel dabei weder Mord noch Folter war. “Da sind wir absolut blind und unautorisiert reingegangen. Das ist diesmal nicht so. Ryatt… gibt sich sehr viel Mühe mit der Vorbereitung und versucht uns auf jedes mögliche Szenario einzustellen. Das ist vielleicht keine Lebensversicherung, kommt aber nahe genug ran. Wir machen diesen Job ja leider nicht erst seit gestern.” Dass ich den Kerl doch tatsächlich mal lobte… vielleicht sollte ich mir den heutigen Tag noch im Kalender anstreichen. Aber es ließ sich nicht leugnen, dass wir ein erschreckend effizientes Trio sein konnten, wenn wir uns nur erstmal dazu überwunden hatten, die Köpfe zusammenstecken, statt sie stur aneinander knallen zu lassen. Es hatte bis jetzt schon zwei oder drei Sachen gegeben, die der Veteran noch nicht bis ins Detail bedacht hatte. Wenn wir ihn darauf hinwiesen, fand er aber immer schnell Antworten. Inzwischen überwog sogar für mich der Vorteil darin, ihn die schwierige Denkarbeit machen zu lassen und mich nur auf meine Konstitution konzentrieren zu müssen. Beides wäre mir und auch Aryana zu viel. Ich würde trotzdem nicht damit aufhören, jede seiner Aussagen zu hinterfragen, bis es letzten Endes soweit war, dass wir ins Flugzeug steigen und in Südamerika sterben gehen würden.
-
-
Er kann bestimmt bestens mit der Lizenz leben, die kann man in Kalifornien anscheinend sowieso deutlich leichter als in Deutschland erwerben… aber hier muss man auch fürs Autofahren schon gefühlt studiert haben, lol. x’D Bin, btw, von morgen Abend bis einschließlich Samstag nicht Zuhause und deswegen musste ich in die letzten Tage alles mögliche reinquetschen und kam einfach nicht in Ruhe zum Schreiben. :'D Je nachdem wer hinterm Steuer sitzt kann ich vielleicht auf der Fahrt morgen aber noch schreiben. ________
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich nach dem aufwühlenden Besuch bei meiner Familie wieder völlig rund lief. Die Operation an sich verlief gut, es gab aber etwa eine Woche später nochmal Komplikationen inform von auftretenden, schweren Beschwerden. Da war ich schon wieder Zuhause im Süden und es war niemals gut, wenn ich mir nicht selbst ein Bild von einer Situation machen konnte, weil meine Sorge dann exponentiell anstieg. Deshalb telefonierte ich in dieser Sache auch mit Hazel und weiterhin lieber nicht mit meiner Mutter, obwohl wir uns bei der Abreise im Guten voneinander verabschiedeten und sie die restliche Zeit unserer Anwesenheit über versucht hatte, Faye nicht mehr anzugehen. Eine gewisse Grundspannung blieb aber vorhanden und ich konnte die Sorge schließlich erst ganz loslassen, als mein Vater nach ungeplant verlängerten vier Wochen Krankenhausaufenthalt guten Gewissens von den Ärzten nach Hause entlassen wurde. Seitdem war nichts mehr passiert, aber ich rief trotzdem noch überdurchschnittlich regelmäßig in der Heimat an, was insofern nicht verkehrt war, dass ich auch immer wieder meine Mom am Telefon erwischte. Die Gespräche stockton gelegentlich, aber es wurde besser mit der Zeit. Bis meine Familie uns im Süden einen für Jose sicheren Besuch abstatten konnte, musste noch Zeit ins Land ziehen. Stattdessen konnte ich Ende Juli aber zwei andere bekannte Gesichter mit einem breiten Lächeln im riesigen Flughafen einsammeln. Die Sorge um Aryana und Mitch war in der akut gefährlichen Phase des Krankenfalls meiner eigenen Familie bei mir nicht mehr präsent gewesen, aber seit ihrem Anruf kreisten meine Gedanken sehr häufig um die beiden. Nicht zuletzt deswegen, weil ich mir eine Teilschuld an ihrem Tief zuschrieb. Faye war natürlich mittelmäßig heftig aus dem Häuschen, dass die beiden uns besuchen kommen würden und ich machte mir nicht die Mühe, sie dabei auszubremsen, obwohl ich sowas wie eine ungute Vorahnung hatte. Ich hätte nicht sagen können, wieso oder auf was sich das genau bezog. Vielleicht lag es schlicht daran, dass wir sie lange nicht mehr gesehen hatten und unsere Wiedervereinigungen oft negativ vorbelastet gewesen waren… oder ich wurde nur wieder paranoid durch die Sache mit meinem Vater, was absolut nicht abwegig war. Faye brachte jedenfalls das – eigentlich sowieso immer recht aufgeräumte – Haus auf Hochglanz, entfernte noch zwei etwas pikante Zettel von unserer To-Do-Pinnwand und ich mähte den Rasen vor der Ankunft des Paares nochmal, damit sie auf den Idealzustand unseres trauten Heims trafen. Da kam der Funke des Perfektionisten bei mir durch, den ich irgendwie entwickelt hatte, seit mein Leben generell so aufgeräumt und kalkuliert wie möglich verlief. Ich stellte schnell fest, dass es keine Rolle spielte, wie lange wir uns nicht gesehen hatten. Es fühlte sich wie gestern an, dass ich mich in Seattle von den beiden verabschiedet hatte – wie die zweite Familie, die ein bisschen zu oft auseinander gerissen wurde und es dabei immer wieder schaffte, selbst Bomben zu legen. Mich eingeschlossen. Ich versuchte lange, Anzeichen dafür zu finden, dass es ihnen schlecht ging. Es wäre auch gelogen, zu sagen, dass sie wunderbar ausgeruht und entspannt wirkten. Trotzdem wurden sie stetig etwas lockerer, je länger sie bei uns waren und ich würde es meinen Kollegen unter Umständen noch eine ganze Weile vorhalten, dass keiner die blöde Schicht heute mit mir hatte tauschen wollen. Es käme mir nie in den Sinn, in unserer Viererrunde gerade heraus bezüglich der aktuellen – mentalen – Lebenssituation in Seattle nachzuhaken, aber hätte ich Mitch alleine erwischt, wäre das eine super Gelegenheit gewesen… um mein schlechtes Gewissen entweder zu streicheln, oder ihm mehr Feuer unterm Hintern zu machen. Naja. Immerhin war die früh begonnene Schicht ruhig verlaufen und so konnte ich uns völlig ungestresst mit dem Boot in die insgesamt ruhige Bucht raus schippern. Mein Arbeitskollege und Fast-Nachbar Sam hatte mich irgendwann auf einen seiner abendlichen Angelausflüge mitgeschleift und auch, wenn ichs nicht so mit den Fischen hatte, konnte ich mich auf Anhieb sehr dafür begeistern, einen langen Arbeitstag auf den Wellen fernab des Großstadtlärms abzuschließen. In ein eigenes Boot investieren wollte ich aktuell nicht, aber der Bootsschein war schnell gemacht und kostete nicht viel. Aryana und Mitch konnten sich für einen ruhigen Abend auf See ebenfalls begeistern, also hatte sich die Prüfung allein dafür schon gelohnt. Als die ältere Cooper sich nach unserer Schwimmrunde zu Wort meldete, rieb ich mir gerade nochmal mit dem Handtuch durch die schon wieder etwas zu lang gewordenen Haare. Folgte ihrem Blick mit einem zufriedenen Lächeln auf die offene See hinaus. Stellte durch diese simplen Worte zum hundertsten Mal fest, dass sich das Durchhalten für Faye und mich am Ende eben doch gelohnt hatte. Trotzdem hätten Aryana und Mitch das längst genauso verdient und die Art, wie sich der Blick von Fayes Schwester zu wandeln begann und die Schwere ihres Seufzens, bestätigten mir letztendlich die dumme Vorahnung, die ich inzwischen eigentlich erstickt hatte. Etwas berichten war besser, als etwas zu beichten. Keine weiteren… brutalen Ausschweifungen, wenigstens das. Das Lächeln war mir dennoch schon aus dem Gesicht gefallen, als ich mit der linken Hand instinktiv nach Fayes Fingern suchte, die sie auf dem Schoß hielt. Ich brauchte einen Moment, um Aryanas Worte zu verdauen und warf Faye in der Zwischenzeit einen etwas längeren Blick zu, bevor ich zögerlich wieder zu dem Paar gegenüber sah. “Also… hat Ryatt eine Lücke gefunden?”, schlussfolgerte ich halb fragend. Faye hatte mir erzählt, dass sie ihn – trotz der geringen Erfolgschance – darum gebeten hatte. Der Tätowierte zuckte leicht mit den Schultern, was ich erst richtig zu deuten wusste, als er etwas dazu sagte. “Es ist eher eine sorgfältig platzierte Sprengladung, als ein schon vorhandenes Loch… aber ja.” Es half wirklich nicht, dass er in einer Metapher sprach, aber wenigstens war meine Frage damit beantwortet. “Wir sind uns sicher, dass das funktionieren kann und dass es für uns machbar ist. Sonst wären wir nicht damit einverstanden, es überhaupt zu versuchen… für ein Vielleicht fehlt uns die Kraft und wir haben definitiv nur diesen einen Versuch.” Mitchs Stimme klang ungewöhnlich gedrungen und ihm war anzusehen, dass er es nicht gerne aussprach. Nichts davon. An der Art, wie er nach Aryanas Blick suchte und ihr ein schmales, leicht zuckendes Lächeln zuwarf, das sofort verschwunden war, als er zurück zu Faye und mir sah. “Es gibt Risiken, aber bestenfalls sitzen wir in einer absehbaren Weile regelmäßig auf eurer Veranda.” Ein paar Sekunden lang starrte ich ihn einfach nur an. Wusste nicht, was ich dazu sagen oder auch nur darüber denken sollte, drückte nur unbemerkt Fayes Hand ein wenig. Was war denn das schlimmstenfalls? “Was für… Risiken?” Ich traute mich kaum danach zu fragen, weil ich mir eigentlich sicher war, dass ich es überhaupt nicht wissen wollte. Mitch atmete etwas tiefer durch, legte die Hände ineinander und knetete sich die Finger. “Er wird uns auf eine überdurchschnittlich riskante Mission schicken, weil das als Ausgangslage notwendig ist… darauf basiert der gesamte Plan.” Also war das hier kein reiner Freundschaftsbesuch, sondern ein Vielleicht-Für-Immer-Abschiedsbesuch.
-
-
Wahrscheinlich war das alles sowieso vergebens. Er würde nie damit aufhören, oder? Es brachte sicher nichts, sich länger mit diesem Idioten zu unterhalten. Das kommunizierte ich auch Riccarda stumm, in der nur bedingt vorhandenen Hoffnung, dass die Message trotz seines benebelten Kleinhirns angekommen war. Oder dass ihm der Alkohol in der Luftröhre wenigstens ausreichend das Reden verbat, bis ich mit Riccarda irgendwo hingegangen war, wo ich ihn nicht mehr hören musste. Es kam jedoch nicht mal ansatzweise dazu. Jago bevorzugte es stattdessen, mich im Grunde schon mit seinem ersten Satz an die Decke springen zu lassen. Mein Herz fing sofort an zu hämmern und die erneut aufkochende Wut in meinem ganzen Körper zu verteilen, als ich Riccardas Namen aus seinem Mund hören musste. Egal wie geübt ich inzwischen darin war, mein Temperament zum Wohle der zarten jungen Frau zu bändigen… eine Szene wie diese würde nie spurlos an mir vorbeigehen. Denn er sprach sie nicht nur direkt an, nein. Er besaß allen Ernstes die Dreistigkeit, sie danach zu fragen, wann sie zu ihm zurückkam. Wann sie endlich einen Schlussstrich unter mich zog, um wieder mit ihm in der perfekten Vergangenheit zu baden. Als sogar Riccarda sich neben mir verspannte und ich ihr aufgeregtes kleines Herz deutlich schlagen hören konnte, brauchte es nur noch einen winzigen Funken. Den lieferte Jago mit Bravour, als er meine Frau als sein Babe titulierte. Ich sah schlagartig rot, drehte mich um und das Glas zerplatzte zwischen meinen fortan in Bourbon getränkten Fingern. Achtlos schubste ich den immer noch halb in der Schusslinie stehenden Lysander beiseite. Theodore machte freiwillig einen Schritt von Jago weg, als ich ihm gefährlich nahe kam und die blutende Hand ausstreckte, um sie an seinen Hals zu legen und seinen Kopf auf die nur eineinhalb Meter entfernte Bar zu… naja, drücken. Hätte ich ihm das Hirn mit voller Wucht auf die harte Fläche geknallt, hätte er einen tödlichen Schädelbruch. “Du wirst mir jetzt sehr gut zuhören und dabei dein dreckiges Maul halten.”, knurrte ich zu ihm runter. Es war ausschließlich mein Blut, das ihm über den verrenkten Hals lief, während er ohne jeglichen Erfolg versuchte, sich aus dem steinharten Griff zu befreien. Ein leises Röcheln machte deutlich, dass er schlecht Luft bekam. “Erstens wirst du sie nie wieder so nennen, weil ich dir sonst eigenhändig die Zunge aus dem Hals reiße.” Ich würde ihm wohl eher direkt den Hals zweiteilen, aber das würde ihm noch unrealistischer erscheinen. “Zweitens wirst du, verdammt nochmal, damit aufhören, auf sie zu warten, weil es keine Scharade ist.” Was Riccarda ihm vielleicht lieber selber hätte sagen wollen, aber sei’s drum. Ich hatte so vieles so lange immer wieder runtergeschluckt, wenn es um seine minderwertige Person ging, dass ich in diesem Moment eine ganze Predigt hätte halten können. Über Stunden, ach was, über mehrere Tage hinweg! “Und drittens…” Ich spürte jemanden an meinem Arm ziehen, aber mein Blick war auf Jagos herrlich verzweifelt irritierten Gesichtsausdruck fixiert und ich hielt einfach stur dagegen. Es fühlte sich viel zu gut an, ihm das alles in seiner machtlosen Position an den Kopf zu knallen, als dass ich seinen Hals schon loslassen wollte. Wer dermaßen gerne große Töne spuckte, durfte lieber noch etwas länger nach Sauerstoff ringen. Ich beugte mich leicht mit dem Oberkörper zu ihm runter, damit er mein Gesicht besser sehen konnte. “...hat sie längst andere Zukunftspläne. Mit mir, nicht mit dir. Deine Zustimmung ist das allerletzte, das wir brauchen, um das Familienerbe zu schaukeln." Seine Augen wurden langsam groß, als er zu merken schien, dass ich ihn hier nicht verarschen wollte, sondern dass es mein voller Ernst war. “Ist das angekommen?!”, knurrte ich nachdrücklich. Jago nickte, so gut es in seiner Lage möglich war, weshalb ich ihn gnädigerweise losließ – nicht aber, ohne ihm dabei nochmal einen unangenehmen Ruck zu verpassen. Während er sich noch aufrichtete, wischte ich mein Blut nachdrücklich an seinem Sakko ab, um ihm nochmals klar zu machen, dass er in meiner Nahrungskette lieber kleine Brötchen backen sollte, wenn er überhaupt auch nur darin atmen wollte. “Wovon zum Teufel redet er da, Riccarda?”, hörte ich Lysander hinter mir. Noch im selben Moment reichte mir der Barkeeper etwas zögerlich ein sauberes Handtuch für meine Hand. Ich nahm es an – nicht weil ich es brauchte, sondern weil ich nicht quer durch die Halle tropfen wollte – und umschloss es mit der Faust, kaum hatte ich mir die Schnitte in der Handfläche kurz angesehen. Der Schmerz wurde noch stark vom Adrenalin gebremst. Sollte nicht längst allen klar sein, wovon ich redete? Riccarda gehörte mir, verdammt nochmal. Ich war derjenige, mit dem sie Zukunftspläne schmiedete, egal ob ihnen das passte. Ich war es, der mit ihr dem Erbe ihres Onkels entgegentreten würde. Ich… oh, ja, ich war es gerade gewesen, der sogar zwei Sachen gesagt hatte, von denen er beteuert hatte, sie nicht einfach so in irgendwelche Unterhaltungen einzustreuen, sondern den richtigen Moment dafür abzuwarten. Das wurde mir erst jetzt so richtig klar, wo sich der aus purer Eifersucht entstandene Knoten in meiner Brust ein Stück weit gelöst hatte. Naja… jetzt wars wenigstens raus, oder? Meine Gefühle für sie und die Sache mit Harrys Erbe, irgendwie. Die Gesichter, in die ich zwangsläufig sah, als ich mich langsam mit erhobenem Kopf umdrehte, nahmen die Sache absolut nicht so locker, sondern verwirrt bis aufgebracht entgegen. Doch erst der Ausdruck in Riccardas Augen machte mir klar, dass die vor den Mund geschlagene Hand einer Frau weiter hinten im Raum gerade mein kleinstes Problem war.
-
Ich nickte nur noch und warf einen kurzen Blick auf die zierlichen Finger an meinem Arm, dicht gefolgt von einem ebenso flüchtigen Blick in Riccardas Gesicht, bevor ich mich langsam von ihr löste und dabei noch meine Hand ihren Rücken streifen ließ. Wie schon zuvor musste ich mich auch dieses Mal dazu zwingen, sie nicht einfach hinter mir her zu schleifen. Ich bemühte mich ernsthaft darum, den anwesenden Gästen nicht mit meinem Blick den Hals umzudrehen. Trotzdem wirkten die angehobenen Mundwinkel mit Sicherheit genauso kalt wie meine Augen, wann immer Jemand meinen Blick suchte und ich leicht nickte. Zum pseudomäßigen Dank dafür, dass mir der Weg frei gemacht wurde, als wäre das für mich nicht längst sehr selbstverständlich. Ich überragte so gut wie jeden Mann in diesem Raum und es allein dadurch schon ziemlich unmöglich, mich nicht wahrzunehmen. Es gab dank meiner vergangenen Ausschweifungen ohnehin nur sehr wenige Menschen, die mich willentlich provozierten. Jago schien sich in dieses Muster jedoch partout nicht einfügen zu wollen. Das Gespräch wurde in meinen Ohren immer lauter, je näher ich der Bar kam. Gleichzeitig versuchte ich trotzdem noch mit einem Ohr bei Riccarda zu bleiben. Im verzweifelten Versuch, dadurch ansatzweise geerdet zu bleiben. Ich vermied es außerdem, in Jagos Richtung zu sehen, solange ich am Tresen lehnte und darauf wartete, dass mir endlich das verdammte Nervengift gegeben wurde. “Er passt sich unserem Lebensstil an, aber wirklich zufrieden ist er damit bestimmt nicht. Zumindest sieht er selten so aus. Er redet kaum mit uns.”, äußerte sich Riccardas ältester Bruder halb lachend. Ich nahm einen tiefen Atemzug und begann mit den Fingern auf die glänzend polierte Oberfläche zu trommeln. “Hat bestimmt sowieso nichts Geistreiches zu sagen.”, grinste Jago und sorgte damit dafür, dass die Brüder wieder leise lachten und sich im Umkehrschluss meine Faust auf der Bar verkrampfte. Ja ja, super lustig, auf meinem nicht vorhandenen Lebenslauf rumzureiten. Sollte er sich mit den Presseleuten und nicht mit Riccardas Verwandtschaft darüber das Maul zerreißen, damit wäre er besser beraten. “Manchmal frag’ ich mich, warum er nicht einfach geht. Seine Familie ist zwar schwierig, aber er könnte genauso gut irgendwo anders hin.” Der jüngere der beiden Brüder. “Falscher Stolz.”, vermutete Jago und ich konnte im Augenwinkel sehen, dass er schon wieder in meine Richtung guckte. “Aber ich freue mich schon darauf, die ganzen neuen Skandale zu lesen, wenn sie ihn endlich auf die Straße setzt. Dann hat er ja wieder nichts besseres mehr zu tun.” Ich bremste meine Faust nicht früh genug, um den dumpfen, nicht ganz leisen Aufprall auf dem Tresen voll abzufangen. “Wird’s heute noch?!”, maulte ich einen der beiden Barkeeper mit mühevoll klein gehaltener Stimme an, der sich sofort entschuldigte und andere Gäste überging, um mir eine gesellschaftlich anerkannte Menge Whiskey ins Glas zu füllen. Daraufhin waren Jago, Lysander und Theodore nicht mehr die einzigen, die in meine Richtung sahen. Wie sonst auch ignorierte ich das aber völlig – eine meiner ach so wenigen Königsdisziplinen. “Alkoholiker auch noch, hm?”, hakte Jago ironisch schnaubend nach. “Es kann wirklich nur an der Etikette liegen, dass sie sich immer noch mit ihm herumschlägt.”, sprach er weiter. Ich musste aufpassen, das Glas in meiner Hand nicht zum Brechen zu bringen, als ich mich mit einem übertrieben betonten Dank vom Barkeeper abwendete und mich auf den Weg zu Riccarda machen wollte. “Naja, das erste Jahr haben sie schon durch… Scheidungen sind zwar immer schlechte Presse, aber in seinem Fall wäre es jetzt sicher schon… gewissermaßen legitim.”, meldete sich der ältere Bruder wieder zu Wort. “Vielleicht solltet ihr das eurer Schwester mal sagen, Jungs. Das würde mir ungemein helfen.” Wieder leises Gelächter. Ich blieb stehen und der Whiskey im Glas schwappte unter dem Zittern in meinem angespannten Arm hin und her. Es war mir wirklich egal, was andere Menschen – oder verdammt arrogante Engel – von mir hielten. Aber Jago wollte ich schon das Maul stopfen, wenn er still war. Er brauchte nur im selben Raum wie ich zu atmen, um mich zu reizen – das Limit war längst übervoll. Ich drehte mich zu der Männergruppe um und steuerte sie zielstrebig an. Alle drei Paar Augenbrauen hoben sich beinahe gleichzeitig an, als klar wurde, was ihnen blühte. “Gentleman…”, begrüßte ich sie mit für mich ungewöhnlich ruhigem Ton und hob dabei das Glas kurz an. Lysander und Theodore nickten mir leicht zu, während Jago seiner missbilligenden Körperhaltung a la ’wer hat dich denn jetzt eingeladen?’ beibehielt. Mein Blick fokussierte sich auf sein Gesicht. “Es wäre wirklich reizend, wenn ihr nicht über mich sprechen würdet, als wäre ich nicht anwesend.”, bediente ich mich eisig lächelnd am hochtrabenden Tonfall, der normalerweise von den Engeln kam. Ich erntete seitens Jago einen fragenden Blick. “Es ist ein bisschen zu offensichtlich, wenn sich immer wieder die Köpfe um euch herum in meine Richtung drehen. Seid wenigstens diskret… Riccarda zuliebe.”, kaschierte ich mein übermenschliches Gehör mit einer Halbwahrheit und ließ den Namen meiner Ehefrau ganz bewusst fallen. Während die Brüder sich um einen relativ neutralen Gesichtsausdruck bemühten, zog Jago beide Augenbrauen hoch. Sah mich an, als würde ich ihn gerade verarschen wollen, obwohl ich bei Teufels Namen wirklich mein Bestes gab, um ihm nicht vor versammelter Mannschaft das Genick zu brechen. “Ach komm schon, Garcia. Als läge dir was an ihr… oder ihr an dir.” Mir platzte wirklich gleich die Halsschlagader. “Glaub’ was du willst.” Es war mir absolut nicht egal. “Aber rede nicht hinter ihrem Rücken über uns. Es ist respektlos.” Er lachte wieder und reizte damit jedes noch so winzige Haar in meinem Nacken, während die Brüder wissende Blicke austauschten, als mir das eisige Lächeln vollständig aus dem Gesicht fiel. “Ausgerechnet du willst mir was von Manieren erzählen? Wie ironisch.” Er kam aus seinem dummen Grinsen gar nicht mehr raus. Auch nicht, als er sein Champagnerglas zum Trinken an die Lippen hob. Ich streckte mit von Wut geleertem Kopf die Hand nach dem unteren Ende des Glases aus und sorgte mit Druck dafür, dass er sich verschluckte. Während er anschließend keuchend den Alkohol aus der Luftröhre zu husten versuchte und sich dabei krümmte, sah ich mit Genugtuung auf ihn runter. “Du solltest froh sein, wenn ich nur rede. Taten sind eher mein Ding.” Im Grunde eine sorgfältig verpackte Morddrohung. Während Theodore eine Hand auf Jagos Rücken legte, schob Lysander sich schräg in mein Sichtfeld. Sein Blick und das kaum sichtbare Kopfschütteln sollten mir wohl bedeuten, es gut sein zu lassen... und ich folgte dieser stummen Bitte ausschließlich wegen Riccarda, die dieses beschissene Fest zu genießen schien, während ich mir zum hundertsten Mal ihren beschissenen Exfreund anhören musste. Als ich mich augenrollend und immer noch völlig geladen umdrehte, um zurück zu meinem Engel zu gehen, kam mir die schlanke Blondine mit dem Blickfänger von dunkelrotem Kleid schon entgegen. Neben ein paar Blicken aus der – durchs offene Buffet im anliegenden Saal deutlich ausgedünnten – nahen Menschenmenge, die ich mit meinen eisigen Augen jedoch schnell wieder zum Wegsehen bis hin zum Weggehen in Richtung des servierten Essens animierte. Das Buffet, das ich wollte, hustete immer noch.
-
Es gab keine vergleichbare Situation zu dem gefühlsmäßigen Höhenflug, den Riccarda und ich seit meinem Liebesbekenntnis erlebt hatten. Das Leben fühlte sich seitdem irgendwie leichter für mich an, obwohl es weiterhin Tücken bereit hielt. Als es Sylvan zwei Tage später endlich etwas besser ging, hakten wir am Abend das noch ausstehende Gespräch ab. Es verlief holprig, weil es ihm offensichtlich hochgradig unangenehm war, darüber zu sprechen… und mir in etwa genauso unangenehm, das alles zu hören. Sylvan hatte damals, genau wie sein Bruder, noch in der Stadt gelebt, in der ich bis heute feststeckte. Sie waren zusammen aufgewachsen, hatten dieselbe Privatschule besucht und oft auch dieselben Leute getroffen, obwohl Sylvan fast 5 Jahre jünger war. Jung und dumm, wenn man so wollte, verguckte er sich in meine ältere Mutter. Es war nicht so, als mochte sie ihn nicht, aber er war zu diesem Zeitpunkt schlicht noch viel zu grün hinter den Ohren. George hingegen machte sich einen Spaß daraus, sie ihm vor der Nase wegzuschnappen. Ursprünglich wohl ohne Intention echter Gefühle, aber es wurde schnell mehr daraus. Sylvan wollte sich das irgendwann nicht mehr länger ansehen und verschwand mit 18 schließlich langfristig in den Norden, nur um zwei Jahre später zu einer familieninternen Feier zurückzukommen. Kurz gefasst hatte er George bis dahin nicht verziehen und sich an ihm gerächt, mit einem leichtsinnigen, wahrscheinlich charmant manipulierten One-Night-Stand. Nach genaueren Umständen fragte ich nicht, weil ich es wirklich nicht wissen wollte. Danach hatte er sich so schlecht gefühlt, dass er auf keinen einzigen Kontaktversuch meiner Mom reagierte und sie schwanger im Regen stehen ließ. Dass mein älterer Bruder schon existierte, hatte die Sache nicht einfacher oder besser gemacht. Sylvan blieb im Norden und es hatte wohl eine ganze Weile gedauert, bis mein Ziehvater es herausgefunden hatte. Ab da war mein Leben dann zur Hölle geworden. Ich wollte meinen leiblichen Vater eigentlich nicht verurteilen, weil ich selbst am besten wusste, wie hartnäckig sich Rachegelüste im eigenen Kopf festsetzen konnten, aber ich konnte trotzdem nicht anders, als es ihm nachzutragen. Es würde Zeit brauchen, das alles zu verarbeiten. Zwei weitere Tage später buchten Riccarda und ich die Rückflüge. Sie hatte mein Gejammer ein zweites Mal hingebungsvoll über sich ergehen lassen, wir hatten bezüglich der Werwolf-Engel-Konstellation nochmal gemeinsam in den Büchern der hauseigenen Bibliothek gewühlt und nutzten die freie Zeit am letzten Tag dann sogar für einen ausgedehnten Schneespaziergang rund ums Anwesen. Der allerdings endete in einer weiteren Überraschung, die ich nicht hatte kommen sehen. Meine Halbschwester passte uns etwa zweihundert Meter vor dem Haus ab, nur um mich – nach kurzem Zögern, mit Seitenblick auf den Engel an meiner Hand – darum zu bitten, sie aus Sylvans Kontrollzwang rauszuholen. Mir fielen schon nach dem ersten Schockmoment mindestens vier sehr gute Gründe ein, warum das nicht ging. Erstens würde George sicherlich versuchen, sie zu eliminieren oder einzusperren. Zweitens hatte ich weder Nerven noch Zeit dafür, mich um einen übellaunigen Wolfsteenager zu kümmern. Drittens hatte sie keinen Ausweis, den sie fürs Flugzeug leider zwangsläufig brauchte und viertens würde Sylvan sie sowieso sofort zurück nach Hause holen, wenn er es herausfand. Ich wollte da beim besten Willen nicht mit reingezogen werden. Salacia verwandelte sich also und verschwand mit einem beleidigten Jauchzen im Unterholz. Ich konnte sie verstehen, aber da musste sie alleine rauskommen. Mich hatte auch keiner an der Hand genommen und außerdem war ich eigentlich ziemlich froh darüber, momentan keine Zielscheibe mehr auf dem Rücken zu tragen. Es war deutlich ruhiger in den Wäldern Zuhause, seit ich Chad in die Schranken gewiesen hatte. Der turbulente Ausflug in den Norden ging zu Ende und Zuhause angekommen dauerte es nicht wirklich lange, bis der Alltag mich einholte. Trotzdem hatte sich seit meiner Abreise etwas im Engelsschloss getan. Die Renovierung nach dem Brand war endlich durch und ich hatte in meiner Abwesenheit sogar Jagos letzten Auftritt in diesen vier Wänden verpasst. So dachte ich jedenfalls und freute mich nicht gerade heimlich darüber. Ich kam nicht umhin, auch dieses Jahr über den riesigen Weihnachtsbaum in der Eingangshalle den Kopf zu schütteln, der schon stand, als wir im Schloss eintrafen. Ich konnte Familienfesten – und damit auch Weihnachten – vergangenheitsbedingt nicht besonders viel abgewinnen, musste mich aber natürlich zwangsläufig an Riccardas Seite auf dem Ball blicken lassen, also würde ich mich wie schon so oft einfach da durchmogeln und überdurchschnittlich viele Abstecher an die Bar machen. Alkohol war keine Lösung, aber eine super Ablenkung. Erst als ich die Gästeliste vorgestern von oben bis unten durchging, um abzuchecken, welche Prominenten sich denn sonst noch auf dem Ball tummeln würden – in der leisen Hoffnung, bekannte Gesichter zu finden – fand ich das erste Mal seit zwei Wochen wieder einen richtig guten Grund, mich aufzuregen. Gottverdammter O’Brien. Riccardas Verwandte hatten ihm schon an die tausend Mal die Hände für seine ach so tolle Arbeit geschüttelt, warum zur Hölle bekam er schon wieder eine Einladung ins Schloss? Es kam mir langsam wirklich vor wie gezielte Schikane… was, rational betrachtet, nicht wirklich Sinn ergab, weil Riccarda ihrer Familie noch nicht gebeichtet hatte, dass das zwischen uns tatsächlich etwas so richtig Ernstes war. Sie blockte mich vor ihren Verwandten nicht mehr so kalt ab wie sonst, seit wir zurück waren, aber sie musste sich da langsam rantasten und ich glaubte nicht, dass die anderen Engel das schon geschnallt hatten. Sie hielten es wahrscheinlich für genauso unmöglich wie zum Zeitpunkt der Zwangsheirat. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich hatte wie immer auf einen schwarzen Anzug bestanden, hatte mich allerdings bezüglich einer Fliege am Hemd breitschlagen lassen und heftete mich schon den ganzen Abend des 23. Dezembers lang sehr vehement an Riccardas Seite. Einfach nur, um Jago von ihr fernzuhalten, während ich ständig das Gefühl hatte, dass mir der geschlossene Hemdkragen am Hals kratzte. Die weihnachtliche Musik im Hintergrund ging mir schon nach ein paar Minuten auf die Nerven und der Alkohol wirkte weniger gut, als ich mir wünschen würde. Immerhin, und das wertete ich als etwas sehr Positives: Der Rest meiner Familie war nicht eingeladen, das erste Mal überhaupt. Die Etikette hatte es all die letzten Jahre über nicht anders erlaubt, als dass sich die beiden Adelsfamilien gegenseitig öffentlichen Respekt zollten, aber seit dem Eskalieren der Fehde war das komplett eingeschlafen. Kein Wunder also, dass die Presse diesbezüglich gelegentlich von Neuem spekulierte. Sicher auch nach dem Ball wieder. Am problematischsten war jedoch, dass ich die ganze Zeit das Gefühl hatte, dass Riccardas Ex-Freund zu nahe war. Trotz zahlreicher Parfüms in der Luft wusste ich durch seinen monatelangen Aufenthalt im Schloss zu gut um seinen Eigengeruch, um ihn nicht wahrzunehmen und mein Gehör filterte hochfokussiert beinahe ununterbrochen seine Stimme aus der wirren Geräuschkulisse, sobald er dafür nahe genug war… und das war eindeutig zu oft. Nach einer Weile war es für mich spürbar, wie er immer wieder in unsere Richtung sah. Ich bekam nicht wirklich mit, worüber Riccarda sich mit ihren Freundinnen nach der Verkündung der alljährlichen wohltätigen Spenden der Keerlows unterhielt. Klinkte mich nur dann ein, wenn einer der anderen zur Begleitung mitgeschleiften Männer offensichtlich meine Meinung oder einen Kommentar wollte, während ich gleichzeitig eigentlich einer ganz anderen Unterhaltung lauschte. Jago hatte offenbar – leicht angeheitert, seiner Stimme nach zu urteilen – Gefallen daran gefunden, sich mit Riccardas Brüdern nahe des Ausschanks darüber zu unterhalten, wann es wohl soweit sein würde, dass sie mir final den Laufpass gab. Er pflegte zu den beiden offensichtlich ein sehr viel besseres Verhältnis als ich. Immobilienmakler und Architekten mussten sich auch beinahe zwangsläufig gegenseitig mit ihren Errungenschaften in den Ohren liegen, oder? Mein Kopf drehte sich mit blitzenden Augen in Richtung der Dreiergruppe und meine zuvor nur locker um Riccardas Taille liegende Hand grub sich ungewollt in den Stoff ihres Kleides. Kurz darauf beugte ich mich näher an ihr Ohr runter und lockerte die Finger wieder, obwohl sich mein Puls spürbar beschleunigt hatte. “Ich hol’ mir noch einen Drink.” Whiskey. Wahrscheinlich wieder nichts als puren Whiskey. “Möchtest du was?”, mimte ich leicht grummelnd mit zuckendem Kiefermuskel den Gentleman.
-
-
Mehr brauchte ich gar nicht zu hören. Im Grunde war sogar die wortwörtliche Bestätigung selbst überflüssig – wäre Riccarda unter ihrer eher zerbrechlichen Hülle nicht ziemlich hart im Nehmen, wäre sie schon lange über alle Berge. Ihre Art, bereitwillig immer und immer wieder meinen Sturkopf auszubremsen oder gerade zu rücken, wenn es nötig war, reichten mir vollkommen aus. Der in mir schlummernde Wolf war für sie zwar schon immer ein guter Grund, stets achtsam zu bleiben, aber Angst machte er ihr schon lange nicht mehr. Was war da also schon ein leichtes Knabbern am Hals..? Offensichtlich kein Grund zur Flucht. Ganz im Gegenteil. Der kleine blonde Engel verkörperte wieder die gut gelehrte Prinzessin, wenn es um das Verschleiern ihrer Gedanken und Gefühle ging. Sie spielte diese Rolle schließlich schon ihr ganzes Leben… und trotzdem hatte ich es geschafft, diesen Automatismus ein Stück weit nichtig zu machen. Ich konnte sehen, wie sie es versuchte. Das ach so perfekte Augenrollen, der sachte Schlag an die Schulter, die gespielte Empörung über meine schon wieder in unsittliche Bereiche schweifenden Gedanken – eine bröckelnde Scharade, die sie selbst sabotierte. Mit der Art, wie sie mich ansah und dem auffälligen Schlucken, gepaart mit den glühenden Wangen. Das Geständnis meiner Gefühle schien sich wirklich auf allen erdenklichen Ebenen positiv ausgewirkt und ihren Hormonhaushalt schwungvoll mitgerissen zu haben. Es dauerte also nicht lange, bis sich ein selbstsicheres Lächeln auf meinen Lippen manifestierte. Mein Blick schwankte nochmal zu ihren Lippen und ich schob meine Hände an ihrem Rücken abwärts. Nur bis zum Saum ihres Oberteils, über dem ich meine Finger langsam voneinander löste. “So ganz versteh’ ichs nicht…”, setzte ich an und mahlte dabei kurz mit dem Kiefer. Ich hatte die Glut gezielt in unsere Mitte geschoben und Riccarda hatte, vielleicht ohne sich darüber bewusst zu sein, ein brennendes Streichholz drauf geworfen. Spätestens beim Rollen in ihrer Kehle, im verzweifelten Versuch, sich zusammen zu reißen. Vergeudete Liebesmüh. “...warum du immer noch versuchst, dein Verlangen vor mir zu verstecken. Wenn du dich nicht gerade hinter Badezusätzen versteckst, kann ich es wortwörtlich riechen.”, ließ ich sie mit rauer werdender Stimme auflaufen und griff mit beiden Händen seitlich an ihrem Körper nach dem Saum. Der Stoff spannte sich an ihrem Rücken und dadurch zog ich Riccardas Körper näher an meinen, als sich auch die Hitze in meinem Inneren spürbar aufzustauen begann. Angst war nicht das einzige Gefühl, dass ich grundsätzlich zu riechen imstande war. Es war nur am einfachsten zu wittern, weil sie sich fluchtartig schnell im Körper ausbreitete. Andere Hormone brauchten länger, um sich auf den Geruch auszuwirken… aber auch nicht lang genug, um mich für länger als maximal zwei Minuten an der Nase herumzuführen, wenn der Engel mir dermaßen nahe war. “Das ist ein Kampf, den ich dich niemals freiwillig gewinnen lassen werde.” Ich kam ihren Lippen mit meinen ganz nahe. “Kein einziges Mal.” Keine Drohung. Nur ein aufrichtiges Versprechen, bevor ich meine Lippen auf ihre senkte und sie mit voller Überzeugung in einen leidenschaftlichen Kuss zog. Ich hatte heute absolut gar nicht mehr damit gerechnet… aber wenn ich sie haben konnte, dann nahm ich sie mir. Bei jeder Gelegenheit. Ich hatte viel zu lange darauf warten müssen, um je wieder auch nur eine einzige Chance verstreichen zu lassen.
-
Das klingt echt nach starkem Delirium… aber dann hast du hoffentlich wenigstens keine Schmerzen, oder? :’D Hab selber auch stückweise schreiben müssen, mein Schlafrhythmus ist gerade leider nonexistent. x’D
Btw, for my own mental preparation – i guess wir schreiben dann die Szene in LA als nächstes? _____
“Leider hab ich starken Hang zur Selbstsabotage. Ich schlag’ seit Jahren nur noch mit Bandagen.”, gestand ich ironisch, diesbezüglich selber absolut kein professionelles Verhalten an den Tag zu legen. Das hatte zwar eigentlich einen ganz anderen, tiefer gehenden Grund, den hier aufzudröseln stand mir gerade jedoch nicht unbedingt im Sinn. Dafür hatten wir uns schon zu weit von der ursprünglichen Ernsthaftigkeit dieses Gesprächs entfernt. In meiner Vergangenheit wühlen konnten wir irgendwann später. “Aber ja, dir geben wir definitiv ein paar extra wolkige Handschuhe.”, schloss ich mit unterschwelligem Grinsen. Aryana war nicht nur kein Profi, sondern irgendwo zwischen Anfänger und Amateur anzusiedeln. Sie war nicht völlig unerfahren im Nahkampf und das kam ihr in jedem Szenario zugute, aber der Nahkampf beim Militär war eben doch was anderes. Würde ich ernsthaft gegen sie in den Ring steigen, dann würde ich mir natürlich Handschuhe anziehen, zu ihrer Sicherheit – nur würde das, laut jetzigem Stand, sowieso nie passieren. Genauso wie Aryana wahrscheinlich nie die beiden Frauen im Studio über mich ausfragen würde. “Ich bin selber gespannt auf die Antwort, muss ich zugeben.”, erwiderte ich allzu selbstbewusst, so als könnte dabei tatsächlich etwas rausspringen, das die Brünette auf meinem Schoß in die Eifersucht trieb. Wir konzentrierten uns im Studio alle aufs Training und in den Pausen hatten wir sicherlich besseres zu tun, als wild mit Flirts um uns zu schmeißen. Da war eher atmen und wieder runterkommen das Wichtigste. Vielleicht mal gegenseitige Tipps, wenn jemand eine Schwachstelle beobachtet hatte. Das wars dann aber. Zu den Box-TV-Abenden, zu denen Hugh immer alle einlud, ging ich ja nie. Aryanas Gewicht an der Brust und ihre warme Hand im Nacken zu spüren, zog mich tiefer in den Sog, dem ich immer wieder bereitwillig nachgeben würde. Gegen die Verniedlichung meines Namens protestierte ich nur mit dem kurzzeitigen Verengen meiner Augen. Sie wusste, dass ich lieber nur Chilli oder nur Mitch war, nicht Mitchiliii. Ich ließ ihr das Sticheln also mit einem kurzen Kiefermahlen durchgehen, der Blickkontakt war mir wichtiger. Doch auch den unterbrach Aryana, als sie mich küsste und mir die Lider zufielen. Damit löste sie eine Hitze aus, die in kürzester Zeit meinen ganzen Körper flutete und es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis ich den Kuss ebenso feurig erwiderte. Mein Griff an ihrer Taille verstärkte sich und nach kurzer Zeit rutschten meine Hände mit Druck an ihrem Rücken abwärts, um schließlich nach ihrem Hintern zu greifen. Ich verpasste Aryana einen kleinen Ruck und brachte ihre Hüfte näher an meine, bevor ich mit der Zunge an ihren Lippen um Einlass bat.
-
-
Ai, da können wir uns die Hand geben. Der Uploader, den ich ursprünglich genutzt habe, hat ja auch die Schotten dicht gemacht... x'D _________
Besser für mein Image? Jetzt war ich wieder an der Reihe damit, kurzzeitig eine Augenbraue hochzuziehen. “Hmmm, ganz sicher.”, war alles, was ich langgezogen in beinahe geistesabwesendem Tonfall dazu sagte, weil ich mich viel lieber auf die zarten Berührungen am Hals fokussierte. Wir wussten ja beide schon, dass ich diesen Kampf sehr sicher gewinnen würde, obwohl ich Aryana natürlich schonen würde. Ich duellierte mich von Zeit zu Zeit sehr gerne mit ihr, aber gewiss nicht, indem ich ihr mit voller Wucht eine Faust an den Körper schlug oder ihr mein Knie in den Bauch rammte. Wir beide im Ring konnten aufgrund unserer zu unterschiedlichen körperlichen Attribute, wenn überhaupt, dann nur auf eine ziemlich spielerische Art funktionieren. Das war auch die einzige Variante, auf die ich offensichtlich gerne abzielte. Die Angelegenheit mit den Sportklamotten war angesichts unseres Jobs schon irgendwie ziemlich lächerlich. Uns beiden hatten sich schon Macheten und Patronen ins Fleisch gebohrt – wir saßen trotzdem immer noch hier, eindeutig mehr psychisch als körperlich mitgenommen von diesen Schlachten. Die Klamotten im Ring würden kaum die eine Sache sein, die uns schlussendlich am meisten einbüßen ließ, aber… “Ein Kapselriss im Finger bringt dich nicht um, ist mit Pech nur etwa so ungünstig wie ein Schädelhirntrauma für unser eigentliches Ziel. Überlassen wir das besser nicht unserem Karma.”, meinte ich etwas trocken, unterschwellig amüsiert. Man brauchte die Hände leider zwingend, um Gewehre oder Pistolen effektiv zu nutzen. Wenn nur der kleine Finger mitgenommen war, wäre das noch kein Weltuntergang. Wenn es den Zeigefinger für den Abzug traf, wärs aber schon ziemlich scheiße und würde vermutlich nicht vollständig heilen, bevor wir uns auf nach Südamerika machten. Ich holte mir also lieber Tadel für das Erwähnen zweier anderer Frauen ab, als zuzulassen, dass die schöne Brünette auf meinem Schoß sich die Hände beim Sport demolierte. Aryanas Finger zogen eine sanfte, leicht kribbelnde Spur bis zu meinem Kinn und ich gab dem Druck nach, sah mit langsam aber sicher leicht funkelnden Augen zu ihr hoch. Weil die Grübchen sich zu hartnäckig an meine Mundwinkeln manifestiert hatten, mahlte ich unterschwellig mit dem Kiefer, um sie loszuwerden. “Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nicht nein sagen würden…”, sagte ich halb seufzend, zuckte kaum merklich mit den breiten Schultern. Ja, was mein Aussehen anging, hatte ich mein zu großes Ego trotz unzähliger neuer Narben bis heute noch. Das war aber auch das einzige überlebende, während ungefähr alle anderen Versionen davon in tausend Teile zerschossen in den Ecken meines Oberstübchens rumlagen. Ich schob meine Hände langsam von Aryanas Oberschenkeln zu ihrer Hüfte. Ließ mir Zeit mit der Weiterführung des angefangenen Satzes, bis ich mit den Fingern beim unteren Saum ihres Oberteils ankam und meine Fingerspitzen in Kontakt mit ihrer Haut kamen. “...aber auch, dass sie nicht mal richtig versuchen würden, mir was entgegenzusetzen… und das klingt für mich verdammt langweilig.” Damit schob ich die Finger wenig zurückhaltend unterm Stoff bis zu ihrer Taille nach oben, wo ich sie festhielt und näher zu mir dirigierte. Ich brauchte das. Eine starke Person an meiner Seite, die mir Kontra gab. Von Zeit zu Zeit spielerische Kämpfe – und sei es auch nur verbal – die eigentlich gar keine waren. Sowas hielt mich bei Laune.
-
-
Der Link zu Aryanas Tattoo im Anmeldethread ist flöten gegangen oder funkt zumindest bei mir nicht mehr, weswegen ich jetzt nicht mehr genau weiß, wie es aussieht/wo’s anfängt etc… was ich nur wegen dem folgenden Post erwähnt haben möchte. x’D _________
Ich sah auf den Finger an meiner Brust runter und von dort aus weiter zu Aryanas schlankem Unterarm, wo der Kopf der kleinen Schlange meinen Blick einen Moment lang festhielt. “Hab’ ja auch mit keinem Wort erwähnt, dass ich selber was gegen’s Schwitzen habe. Erst recht nicht mit dir.”, lächelte ich unschuldig vor mich hin und hob die rechte Hand, um damit nach ihrem Handgelenk zu greifen. Ganz in Ruhe hob ich ihre Hand an meinen Hals, bevor ich meine Finger wieder sinken ließ und zurück an ihren Schenkel legte. So war das Tattoo meinem Gesicht nahe genug gekommen, um mich nicht mehr verrenken zu müssen. Ich hauchte einen sanften Kuss auf die tätowierte Haut, bevor mein Blick sich wieder mit Aryanas verhakte. “Ich kann sicher die spätesten Slots belegen, solange Hugh nicht gerade bis zum Umfallen für einen Kampf trainiert… abgesehen von ihm sind die fast immer ziemlich leer.”, rieb ich der Brünetten weiter unter die Nase, dass es kein Ding der Unmöglichkeit war, zu viele Augenpaare zu umgehen. Das hatte dann zwar den signifikanten Nachteil, dass wir am nächsten Morgen ziemlich müde waren, weil wir erst um 23 Uhr aus dem Studio schlurfen würden und natürlich wieder früh bei Easterlin antanzen mussten, aber das war sicher zu verkraften. War ja nicht so, als würden wir aktuell viel schlafen, also wäre das nicht viel mehr als der traurige Normalzustand. “Und weite Klamotten kannst du beim Sparring so oder so komplett streichen, da kann man drin hängen bleiben. Sicherheitsrisiko.”, tadelte ich sie mit einem etwas festeren Tätscheln, als Retour für das freche Getippe auf der Brust. Dabei verkniff ich mir offensichtlich ein Grinsen und blieb angestrengt beim Lächeln, indem ich mir kurz auf die Lippe biss. “Für die Anabolika-Werbung musst du eher bei den Bodybuildern vorbeischauen, das wird bei den Hobby-Boxern schwierig.”, stampfte ich auch dieses Pseudo-Argument in etwas genauso semi-ernsthaft in den Boden, dicht gefolgt von einem Schulterzucken. Also es stimmte an und für sich schon, dass der Markt von illegalen, harten Dopingmitteln in anderen Sportarten definitiv besser vertreten war, aber primär gings mir nach wie vor ausschließlich darum, dass Aryana mir nicht mit weiten Klamotten im Ring gegenübertreten würde. Die mussten auch gar nicht super knapp geschnitten sein – eng anliegend reichte vollkommen, um alle ihre definitiv vorhandenen Vorzüge ausreichend zu betonen. Ich wollte hier keine Diskussion gewinnen, sondern nur stumpf meinen Willen kriegen. "Gibt's da bei euch Frauen nicht sowieso immer so'n Konkurrenzdenken? Cassidy und Gemma sind auch eher... schnittig unterwegs." Pure Provokation, die ich mir nur deswegen erlaubte, weil ich von uns beiden ungefähr tausend Mal schneller eifersüchtig wurde. Es war nicht so, als würde ich mir die beiden Sportlerinnen ganz genau ansehen, wenn sich ihre Trainingszeiten per Zufall mit meinen überschnitten. Mich reizten andere Frauen nicht mehr, seit ich Aryana hatte. Ich wollte keine andere, auch nicht wenn ausbleibender Sex in unserer Beziehung aus diversen Gründen mal wieder zum schlecht zu verkraftenden Kollateralschaden wurde. Ein Kerl war ich trotzdem. Wo freie Haut war und aggressiv auf einen Boxsack eingeprügelt wurde, da verloren sich gelegentlich meine Augen hin, wenn ich eine Pause machte. Dass ich eine Schwäche für starke Frauen hatte, war ja jetzt irgendwie auch nichts Neues... was, rückwirkend betrachtet, doch ein ganz guter Grund gewesen wäre, die Schnauze zu halten.
-
-
“Das ist der Platzhalter für deinen neuen verbesserten Spitznamen, der mir wahrscheinlich erst in zehn Jahren einfallen wird. Maria ist echt ein Endgegner, schwer zu toppen.”, grinste ich schief mit bedauerndem Unterton, als wäre dieser neue Spitzname etwas, das irgendwie unbedingt notwendig wäre. Die Maria-und-Josef-Geschichte war so ursprünglich für uns beide und so wunderbar ironisch, dass ich schwer zufrieden zu stellen war, was einen würdigen Ersatz anging. Nur waren wir jetzt halt noch weiter von diesem biblischen Mist entfernt als früher und es passte einfach nicht mehr. Maria hatte ihr Ablaufdatum lange überschritten, zumindest für den alltäglichen Gebrauch. Aryana lenkte meinen Fokus jedoch schnell zurück auf unseren zukünftigen Zweikampf, als sie ihr Glas losgeworden war und sich mir beinahe kalkulierend zuwendete. So als wüsste sie längst, was ich antworten würde. Was, rational betrachtet, sicherlich absolut der Fall war. Unbewusst hörte ich damit auf, das Glas um die eigene Achse zu drehen. “Phew… schwierige Entscheidung.”, tat ich es der Brünetten gleich. Nahm fast schon angestrengt die müden Knöchel vom Tisch, als ich weitersprach. “Einerseits gehörst du zu den sehr wenigen Personen, die ich nicht gerne auflaufen lasse…” Der Alkohol machte allmählich träge. Ich stellte das Glas trotzdem auf dem Tisch ab und gab dem Gefäß einen kleinen Schubs mit den Fingern, damit es nahe an Aryanas rutschte. Sie kollidierten dabei nicht. “...aber andererseits ist es ein bisschen schwer, da nein zu sagen. Ich meine… du, in eng anliegenden Sportklamotten, die in weiser Voraussicht eher weniger als mehr verstecken, weil ich dich ordentlich ins Schwitzen bringen würde…” Ich sog tragisch die Luft ein und zuckte leicht mit den Schultern, bevor ich mich in mehr oder weniger fließender Bewegung zu ihr drehte und jeweils eine Hand nach ihren Oberschenkeln ausstreckte. Sie nicht fragte, sondern einfach eines ihrer Beine über meine zog und ihr gar keine andere Wahl ließ, als mir kurz darauf direkt gegenüber zu sitzen. Womit wir dann schon wieder beim verheerenden Kraftunterschied wären. “...klingt leider alles nicht so, als würd’ ichs mir entgehen lassen wollen.”, lächelte ich ihr ins Gesicht. Mein Blick rutschte einmal kurz zu ihren Lippen ab, was das noch etwas schwammige Kopfkino weiter ankurbelte. Ich küsste sie nicht, sondern sah zurück in ihre dunklen Augen. “Da klingt sogar die Sache mit dem arschigen Geldsack weniger verlockend für mich.”, stellte ich überflüssigerweise trocken fest. Zwar ging es in dieser ganzen Sache eigentlich überhaupt gar nicht um mich, sondern ganz gezielt nur um Aryana, aber das wollte ich gerne kurz ausblenden. Um des Spiels Willen, für einen kurzen Moment Unbeschwertheit. Um nur ein paar Minuten mal die längst taub gewordenen, verkrampften Finger von der allgegenwärtigen Last zu nehmen, die uns 24/7 nach unten zog. Die Hände stattdessen locker außen an Aryanas Oberschenkeln liegen zu lassen und mich nur auf dieses Gefühl, auf ihre Wärme zu konzentrieren. Deswegen sagte ich auch zu Faye nichts mehr. Mochte schon sein, dass Aryana nicht immer die perfekte große Schwester verkörpert hatte und dass sie aktuell auch in dieser Sache völlig durchhing. Genauso sicher war ich mir jedoch damit, dass Faye ihr das nicht übel nahm. Nicht nach allem, was passiert war und was die jüngere Cooper schon zu mir gesagt hatte. Faye hasste die Umstände sicher genauso wie wir, aber ich wusste auch, wie froh sie darüber war, dass ich ihre große Schwester damals bei der Army eingesammelt hatte. Das war mitunter einer der Gründe dafür, dass ich Aryana nie endgültig von mir weggestoßen hatte. Faye kannte sie am längsten, am besten. Wenn sie also sagte, dass es – trotz allem – Aryanas Rettung war, an meinen Sturschädel geraten zu sein, dann wollte ich ihr das glauben. Daran festhalten und mit vollem Einsatz dafür sorgen, dass ihre große Schwester bald für immer an ihrer Seite klebte. Vorher legte ich Aryana allerdings mindestens noch in meinem Kopf auf der Matte aufs Kreuz.
-
Ich nickte leicht vor mich hin, zog die Augenbrauen kurzzeitig nach oben und legte den Kopf schräg. “Das werden wir sowieso auf keinen Fall riskieren, nein.” Bekanntermaßen waren wir beide überaus erpicht darauf, vor allem und jedem perfekt dazustehen. Nicht. Wäre auch ein bisschen sehr ironisch. Wir bekamen es ja nicht mal hin, uns selbst im Spiegel anzusehen, ohne dabei sofort gefühlt das Kotzen zu kriegen. Ich war seit unserem Überfall auf die mexikanischen Ratten weit mehr als einmal kurz davor gewesen, dafür zu sorgen, dass wir wegen eines neuen Badezimmerspiegel ins Möbelhaus mussten. Es folgte das mir bestens bekannte Augenrollen, was mich schmunzeln ließ. So wie eigentlich immer. Die darauffolgende, auch eher nicht so ernst gemeinte, nur sehr indirekte Herausforderung, ließ sie mich dann trotzdem aus schmalen Augen ansehen, obwohl die Brünette sicher lieber weiter mit dem nicht darauf antwortenden Glas geredet hätte. “Aryana, Marleen, Maria, fucking, Cooper… war das gerade eine Kampfansage?”, provozierte ich sie absichtlich, wobei das Schmunzeln möglicherweise eher zu einem wissenden, fast erfolgreich unterdrückten Grinsen heranwuchs. Ich wollte sie eigentlich gar nicht aufziehen und für andere Menschen war es wahrscheinlich befremdlich, wie ich darauf reagierte, dass meine bessere Hälfte große Töne in meine Richtung spuckte. Mir unterschwellig damit drohte, mich doch mal irgendwann, unter ganz explizit nur für sie günstigen Umständen, zu vermöbeln. Aber es war so verdammt selten geworden, dass sie auch nur einen Funken Verbissenheit zeigte, dass ich gar nicht anders konnte, als mich darüber zu freuen. “Die Pratzen… du kannst die Pratzen verprügeln. Wenn's hilft, kleb’ ich dir gern Easterlins Visage drauf.” Ich zuckte mit den Schultern, selbst leicht beschwingt von dieser Vorstellung. War aber natürlich auch ein Scherz – in aller Öffentlichkeit unserem Boss das Gesicht einzutreten, war eher nicht günstig für die Tarnung unseres scheinbar final beschlossenen Vorhabens. Es musste uns ausreichen, sein Gesicht zu sehen, wenn er dann hoffentlich bis ans Ende seiner seelenlosen Tage vom Richter verknackt wurde. Faye und Victor waren ein weniger schönes Thema, ich hatte die jüngere Cooper nicht grundlos nur oberflächlich angeschnitten. Wenn Aryana von sich aus darüber reden wollte, schob’ ich ihr da aber keinen Riegel vor. “Ist leider unvermeidbar.”, merkte ich erst nur das Offensichtliche an und sah in das Glas auf meinem Schoß runter. Ich brauchte auch nicht schön zu reden, dass das Paar uns zu gut kannte, um nicht sofort jede Lüge aufzuschnappen, die unsere Gefühlsebene betraf. Deshalb dachte ich erst noch einen Moment über unseren Besuch im Süden nach, bevor ich mehr dazu sagte: “Faye hat Ryatt selbst darum gebeten, einen Weg zu finden… sie würde sich natürlich einen einfacheren wünschen. Das tun wir alle. Aber ihr wird auch klar sein, dass Easterlin hintergehen zu wollen nicht ohne Risiko machbar ist. Es hat schließlich einen Grund, warum wir da immer noch festhängen...”, murmelte ich und blickte erst danach wieder zu Aryana rüber. Ihre Schwester hätte ihren Freund und unseren neuen alten Komplizen wohl gar nicht erst darum gebeten, wenn sie nicht schon bei ihrer Abreise geahnt hätte, dass wir uns von diesem Drama nur wenig bis gar nicht erholen würden. Schließlich wusste Faye mit am besten, dass weder ihre Schwester, noch meine Wenigkeit, sofort in Jubel ausbrach, wenn Jemand hinter unserem Rücken eine außenstehende Person für uns um Hilfe fragte. Ein absolutes No-Go und normalerweise würde ich sowas aus Prinzip ablehnen… aber wir waren leider ultimativ verzweifelt und Ryatt zu vertrauen schien der einzige Weg zu sein, der uns noch blieb. Falls wir dabei draufgingen, musste ich dann eben warten, bis er zu uns auf die andere Seite stieß, um ihn doch noch zu erwürgen.
-
-
Es dauerte noch einen Moment, bis Aryana allmählich dämmerte, dass der Ring nicht im übertragenen Sinne für irgendwas anderes herhalten musste – dass ich die Boxgeschichte ernst meinte. Dann war sie erstmal überwiegend überrascht bis irritiert, was wohl zu erwarten gewesen war. Ich hatte vorher nie auch nur ein Sterbenswort darüber verloren, sie mit in die Kampfsportabteilung des ortsansässigen Gyms schleifen zu wollen. Es hatte vorher aber auch nie einen Grund dafür gegeben. Ich war da eher hingegangen, um mir einen Ausgleich zum Alltag zu schaffen. Das ginge sicher auch mit Aryana an meiner Seite, aber sie hätte dabei nicht mit viel Aufmerksamkeit von mir rechnen können. Wenn ich für mich allein boxen ging, geschah das meistens mit Kopfhörern in den Ohren und wenn ich nicht allein trainierte, sondern quasi Coop in den Ring stieg, dann wäre Aryana auch in besserer Form nie wirklich dafür in Frage gekommen – aus schon genannten Gründen, unabhängig von ihrer Psyche. Mir schlug keine große Begeisterung von ihr entgegen, aber damit hatte ich auch nicht gerechnet. Ich selbst musste in diesem Szenario einen Gang der Schande hinlegen, weil ich mich seit meinem Abgang bei keinem dieser Freunde so richtig regelmäßig gemeldet hatte. Nur Ausreden, warum ich nicht kam – davon hatte es viele gegeben und keine einzige hatte der Wahrheit entsprochen. Hoppla. “Es erwartet zum Glück auch absolut Niemand von dir, dass du innerhalb von ein paar Wochen zur Legende wirst.”, klinkte ich mich ein, als Aryana betonte, sich keine allzu großen Chancen für irgendwas auszurechnen. Immerhin wehrte sie meinen Vorschlag nicht vollkommen ab und stufte ihn auch nicht als unmöglich ein. Das reichte für jetzt, für heute. Sich mir gegenüber zu stellen war für sie, berechtigterweise, wenig verlockend. “Verständlich. Mit mir würd’ ich auch nicht ins Viereck wollen.”, seufzte ich theatralisch und hob einen nach dem anderen Fuß, um sie schräg auf der Ecke des Couchtischs abzulegen und an den Knöcheln zu verschränken. Alles zur eher sarkastischen Auflockerung der Angelegenheit und als Reaktion auf das Getätschel an meiner Wange. Meine Hand rutschte aus ihrem Nacken und meine Augen folgten ihren Bewegungen, als Aryana sich distanzierte, um nach ihrem Glas zu angeln. Das beförderte meine Aufmerksamkeit wiederum in Richtung meines eigenen Glases. Ich nahm es in die Hände, blieb aber damit sitzen. Drehte es zwischen den Fingern, während ich darüber nachdachte, ob ich mir noch mehr einschenken wollte. Ich entschied mich dagegen und drehte stattdessen weiter das Gefäß in meinen Händen. Der Alkohol, den ich schon geschluckt hatte, würde noch nachwirken. Mal ganz davon abgesehen, dass ich wirklich schon genug hatte… gemessen an einem normalen, gesunden Maßstab. Es war immer noch purer Hochprozentiger, kein laues Bier. Aryana sprach weiter und ich drehte den Kopf wieder zu ihr rüber. “Das ist jetzt aber auch ein zu großes Wort. Ich hab genau eine beste Freundin, zwei… bis drei Freunde und sonst nur maximal gute Bekannte.”, stellte ich wahrheitsgemäß, aber weiterhin mit sarkastischem Unterton fest. Ryatt fiel in gar keine dieser Sparten und hinter Jetman musste ich ein Fragezeichen setzen, wegen erneuter Funkstille. Auch ein Problem für später. “Und windelweich prügelt man sich beim Sparring eigentlich nicht… zumindest nicht, wenns nicht explizit so gewünscht ist, und das steht nicht zur Debatte. In Paraguay kannst du kein Schädelhirntrauma gebrauchen.”, milderte ich die Sache ein bisschen ab, lächelte dabei schief vor mich hin. “Klingt ansonsten aber wie eine stinknormale Woche für mich.” Wieder Sarkasmus. Ich zögerte ein paar Sekunden lang, hängte dann aber die Worte “Faye wird sich freuen.” an. Wir wussten beide, dass das nur auf einen Teil unseres Besuchs zutraf. Es würde schön für sie sein, dass wir vorbeikamen, uns mal wieder sahen, und ein paar mehr oder weniger unbeschwerte Stunden miteinander verbrachten… eben so lange, bis wir verkündeten, dass wir uns auf eine potenziell todbringende Mission vorbereiteten und es möglicherweise unser allerletzter Besuch war. Es war schon schön, diese selbst von mir ausgesuchte Familie jetzt im Rücken zu haben, wenn es hart auf hart kam. Zu wissen, dass Faye und Victor irgendwie da waren, auch wenn wir uns lange nicht gesehen hatten. Solche Himmelfahrtskommandos waren aber definitiv leichter zu absolvieren, wenn man keine Menschen hatte, die auf eine Rückkehr warteten.
-
-
Obwohl sie mir nicht zu danken brauchte und sich gegenseitig zu helfen in einer gesunden Beziehung wohl etwas ganz Normales war, zuckte mein linker Mundwinkel kurz nach oben. Wir kamen nicht drum herum, irgendwann zu lernen, auch in alltäglicheren Dingen Hilfe des jeweils anderen anzunehmen. Nicht nur dann, wenn wir wahnwitzige Mordpläne aufstellen, unmachbare Rettungsaktionen ausführen oder endgültig aufgeben wollten. Es fühlte sich an wie ein weiterer, vielleicht winziger, aber doch spürbarer Schritt in eine gute Richtung, also freute ich mich fast heimlich darüber. Aryana hingegen sah in diesem Moment wohl nicht mal den Wink mit dem Zaunpfahl, aber das war nicht schlimm. Ich lächelte zurückhaltend, als sie mir irritiert direkt zwei Fragen hintereinander stellte. Bevor ich zu einer Antwort ansetzte, genoss ich einen Moment lang das leichte Streicheln an der Wange und setzte auch den Daumen an ihrem Hals wieder in Bewegung. “Mir kannst du nicht wirklich unvoreingenommen gegenüberstehen.” Es brachte nichts, wenn ich in dieser Sache um den heißen Brei herum tänzelte. “Und auch wenn du seit Jahren immer wieder direktes Nahkampftraining hast, zielt das nie auf deine bloßen Hände ab. Da gibt es – in der Theorie – immer Hilfsmittel, die du im Ring nicht hast… die Grundlagen kann ich dir natürlich selber beibringen, das ist kein Problem. Aber wenn ich dich von Anfang an mit mir ins Viereck stelle, ist das für dich bloß frustrierend und bringt dir überhaupt nichts.” Mal ganz davon abgesehen, dass ich Aryana definitiv zu schonen versuchen würde, solange ich nicht das Gefühl hatte, dass sie überhaupt eine Chance hatte. Ich liebte sie, da schlug und trat ich ganz bestimmt nicht nach ihr, wenn sie im Geiste sowieso schon am Boden lag. “Ich… hab das beim Kickboxen gelernt damals… dass ich den Kopf ausmachen muss, wenn er zu laut wird, weil ich sonst gefühlt nicht mal fünf Meter geradeaus denken, geschweige denn einen gezielten Schlag setzen kann. Ich hatte ja schon damals sowas wie… depressive Phasen.”, seufzte ich leise. Verglichen mit meinen heutigen psychischen Problemen waren die von damals richtige Peanuts. Sie waren aber trotzdem da gewesen und der Kampfsport hatte mir wesentlich dabei geholfen, damit aufzuhören, den Kopf in den verdammten Sand zu stecken. Es hatte zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, weil ich auch die Nase voll davon gehabt hatte, verprügelt zu werden. Ich schüttelte kaum sichtbar den Kopf, um die Gedanken an früher abzuschütteln und begann nachdenklich Kreise auf ihrer Haut zu ziehen. “Ich bin zwar dank meines eigenen mehrmonatigen Ausfalls”, etwas stumpfer Sarkasmus an dieser Stelle, um den Umstand, dass ich selber schon wieder zu lange nicht mehr beim Boxen war, zu verharmlosen, “selbst gerade nicht unbedingt in Höchstform, aber wenn überhaupt, dann wäre ich eher dein ultimativer Test… um zu prüfen, ob’s dir was gebracht hat.” Ob sie den Kopf ausmachen und ihre Gefühle dabei auf ein Minimum reduzieren konnte. Vollkommen neutral würde Aryana mir niemals gegenüberstehen, genauso wenig wie ich ihr. Das war ja aber auch nicht das Ziel. Sie sollte nicht kopflos, sondern überfokussiert werden. "Für den Anfang müsste ich mich also im Studio umhören, ob jemand Anderes Lust dazu hat, mit dir auf der Matte zu stehen." Ich musterte ihr Gesicht eingehend. Versuchte zu erkennen, ob sie nur semi-motiviert oder eher minusmotiviert war, diese Challenge anzunehmen.
-
-
Wäre es vermeidbar gewesen, würde ich Aryana all diese Worte gar nicht an den Kopf knallen. Doch das war es nicht und ihre Reaktion machte mir deutlich, dass sie das auch wusste. Es spickte mein Herz mit weiteren kleinen Dolchen, wie sie mit sich rang und ich wünschte mir zum ungefähr einhundertsten Mal, dass es nie so weit gekommen wäre. Sie nie an einen Punkt wie diesen gestoßen wäre, obwohl es unter unseren prekären Lebensumständen nie mehr als eine Frage der Zeit gewesen war. Ich schluckte ein weiteres Mal, als ich ihren stockenden Atem nicht nur hören, sondern auch auf der Haut spüren konnte. Das machte den Blick ihrer dunklen Augen nur noch schwerer erträglich, aber ich wollte endlich damit aufhören, sie nur in unseren guten Momenten unentwegt anzusehen. Ich würde wahrscheinlich nie ein Mann großer gefühlsduseliger Worte werden, aber ich konnte nicht für den Rest unseres Lebens vor Momenten wie diesem davonlaufen, nur weil es mir unangenehm war. Das brachte uns ins verdammte Grab. Als Aryana leise ihre Stimme wiederfand, ohne dabei schon die offensichtliche Anspannung in ihrem Inneren losgelassen zu haben, streichelte ich ihr mit dem Daumen dicht am Ohr über die Haut. Nicht nur einmal, sondern fortan konstant. Als winzige Ermutigung für sie und für das Gefühl ihrer weichen Haut an den Fingerspitzen für mich. Es war einer der ganz wenigen Reize, die noch immer eine Wirkung auf mich hatten und sie hoffentlich nie verlieren würde. Die Brünette kam mir noch näher und ich ließ meine Augen ebenso zufallen, als ihr Kopf an meinen dockte. Lauschte ihren Worten, als sie nach einem Moment der Stille weitersprach und ich merkte selbst zuerst gar nicht, wie sich dabei mein Griff an ihrem Nacken verstärkte. Erstens wusste ich nicht, ob ich ihr in dieser Sache überhaupt helfen konnte. Zweitens wusste ich nicht, ob mein Weg für dieses manchmal überlebensnotwendige Augen zu und durch für sie auch richtig war, oder ob ich damit nur auf etwas herumtrampeln würde, das eigentlich schon kaputt war. Falls das denn überhaupt noch umgänglich war, in ihrer Verfassung… Ich lockerte die Finger wieder, mahlte mit dem Kiefer, wobei meine Zähne um Haaresbreite zu knirschen angefangen hätten, und dann küsste ich sie. Erst ganz sanft, beinahe vorsichtig, dann etwas inniger. Weil ich noch nicht wusste, was ich darauf antworten sollte. Aber auch, weil ich wollte, dass sie zu spüren bekam, dass sie mich immer um Hilfe bitten sollte, wenn sie das brauchte. Ob ich ihr dann auch tatsächlich helfen konnte, mochte auf einem anderen Blatt stehen, doch ich brauchte diesen Moment. Nach dem Kuss atmete ich etwas tiefer durch. “Ich weiß nicht, ob ich dir helfen kann… aber ich versuchs.”, flüsterte ich an ihre Lippen und nahm die Hand von ihrer Wange, um ihr eine lose Strähne hinters Ohr zu streichen, bevor ich die Finger sinken ließ. Besonders viele Optionen, ihr zu helfen, hatte ich allerdings nicht, ganz rational gesehen. Ich war selber kaputt, tickte nicht mehr ganz richtig im Kopf und es gab nicht viele Dinge, die ich durchgemacht oder gelernt hatte, die Aryana nicht auch schon auf ähnliche Weise durch hatte. “Eine Idee hab ich vielleicht… die wird dir leider ziemlich sicher nicht gefallen.”, hängte ich mit einem Seufzen an, bevor ich mich weit genug zurückzog, um die Augen zu öffnen und Aryana anzusehen. Natürlich war mein stumpfer Fokus des Überlebens, in den ich dann und wann schalten musste, das Ergebnis von vielen Faktoren in meiner Vergangenheit. Ich hatte mich schon als Kind auf unterschiedlichsten Ebenen unter widrigen Bedingungen durchhangeln müssen, um nicht abzusaufen. Als Teenager wars mit all dem plötzlichen Testosteron und der dadurch gesteigerten Wut nicht gerade einfacher geworden, aber in dieser Zeit hatte es einen Schlüsselmoment gegeben, der schon sehr prägend war – auf der Sparringmatte in dem heruntergekommenen Kickbox-Gym, dessen Trainer mich wohl hauptsächlich aus Mitleid unter seine Fittiche genommen hatte, wann immer er Kapazität dafür hatte. War nämlich nicht so, als hätte ich regelmäßig für die Stunden auf der Matte bezahlt. Kampfsport generell war etwas ganz anderes, als mit einer Waffe auf ein Schlachtfeld zu spazieren, und genau das war der springende Punkt. Da konnte man kein Messer und keine Pistole ziehen und sich auch nicht auf Distanz oder in Deckung flüchten. Entweder man hob die Fäuste, machte den Kopf frei und stellte sich, oder man kassierte rigoros Schläge, bis man den Boden küsste… und Aryana war eigentlich keine Person, die sich einfach wegduckte und weglief. Sie hatte nur ein bisschen vergessen, wer sie war. “Und ich bin kein idealer Sparring-Partner für dich, aber dafür find ich schon ‘ne Lösung.” Zu groß, zu schwer, zu erfahren. Dass Aryana sich theoretisch auch gegen mich wehren konnte, wusste ich – das war nur gar nicht der Punkt. Es wäre sehr von Vorteil, wenn sie nicht beim ersten Mal direkt mit einer Person im Ring konfrontiert wurde, die mit mehr Kraft und Armreichweite gesegnet war… und die sie außerdem liebte, so wie das auch umgekehrt der Fall war. Keine günstigen Faktoren.
-
-
“Absolut nicht.”, rutschte es mir prompt mitsamt leisem Schnauben über die Lippen. Sowohl die Vorgeschichte zu alledem hier war auf vielen Ebenen verkorkst und einfach nur beschissen, als auch das, was im Jetzt stattfand und das, was noch auf uns zukommen würde, wenn wir uns dazu entschlossen, Ryatts Plan die eine Chance zu geben. Mal wieder vom Regen in die Traufe und von der Traufe ins krachende Gewitter – ausnahmsweise aber mit Aussicht auf anschließenden Sonnenschein. Hoffentlich ohne dass noch weitere Nervenzusammenbrüche dieses katastrophalen Ausmaßes seitens Aryana erfolgten. An gar keiner Türschwelle, auch nicht an Ryatts. Das würde zwar keine Eifersucht auslösen, aber einen sinnbildlichen weiteren Schlag in die Magengrube. Ich wollte, dass Aryana mit mir redete und nicht mit irgendwem sonst. “Na da bin ich aber erleichtert…”, erwiderte ich mit etwa ebenso trockenem Sarkasmus und warf ihr mit leicht hochgezogener Augenbraue einen kurzen Blick zu, weils anders halt einfach nicht tragbar war. Ich wollte keine Witze darüber machen, aber anders konnte ich sowieso nicht darüber reden, ohne die nächste schwindelerregende Talfahrt der Gefühle zu erleben. Der Alkohol, dem die junge Frau sich nach meiner Frage erneut widmete, half in dieser Sache nur temporär. Er machte die Unterhaltung etwas einfacher, lockerte unsere chronisch trägen Zungen. Mein Blick ruhte schon auf ihr, als sie noch mit dem Bourbon beschäftigt war. Rutschte schließlich in ihren, als Aryana sich mir explizit zuwendete. Ich machte aus meiner Gemütslage dabei keinen großen Hehl: Sie wusste ohnehin, wie kaputt ich war. Ich hörte ihr dennoch mit voller Aufmerksamkeit zu. Setzte gedanklich hinter jeder Tatsache, die sie auflistete, einen Haken, weil nichts dagegen einzuwenden war. Auch das müde hakte ich für meine eigene Person mit ab, nickte kaum merklich und murmelte ein leises "Same." vor mich hin. Als sie dann ihre drei Bedingungen für unseren Aufbruch festlegte, konnte ich wohl bisher nur einen Haken sicher machen – hinter Los Angeles. Trotzdem brauchte ich im Gegensatz zu Aryana keine Pause für meine Antwort. “Nüchtern betrachtet…” Doch noch eine kurze Unterbrechung, nur um ganz nüchtern an meinem Glas zu nippen. “...war ich schon in noch schlechterer Verfassung. Direkt nach dem Knast hatte ich weniger Kondition, weniger Kraft und hab – für meine Verhältnisse – beschissen geschossen… dank Easterlins Trainingsprogramm und Kantine, kann ich das alles von der Kontra-Liste streichen. Falls ich eine Möglichkeit zum Schlafen finde und wir den Alkohol ab morgen zum Teufel jagen, sollte das schon mal kein Problem sein.” Immer noch unterschwelliger Sarkasmus. Erst nach diesen Worten sah ich Aryana wieder direkt an. “Mein Alter Ego”, aka der Typ, der wenn nötig immer gerne spontan zum Henker oder Folterknecht wurde, je nachdem was gerade besser zur Situation passte, “wird da drüben glücklicherweise Keinen interessieren, solange ichs beim Stützpunkt angekommen wieder brav einpacke und wenn Ryatt genug Anhaltspunkte für die 99%ig sichere Abwendung meiner Haftstrafe findet, dann… mach ich mir um meine eigene Psyche in dieser Sache verhältnismäßig wenig Sorgen. Ist ja fast wie nach Hause kommen, nur ohne den ganzen Sand unter den Klamotten.” Zum Ende hin versickerte der Sarkasmus im ewigen Staub Syriens. War alles dasselbe, oder? Südamerika würde nicht viel besser sein, wenn wir um die Brandherde der Guerillas nicht weit genug herumfahren konnten oder sie ab einem gewissen Punkt schlicht überall waren. Ich würde automatisch in den altgewohnten Survival-Mode switchen, wenn die ersten Schüsse fielen und es gab eigentlich nur eine einzige Sache, die das sofort und unwiderruflich zunichte machen konnte. Was wohl auch mein Blick sagte, der verdächtig flackerte. Ich machte das Glas in einem Zug leer und stellte es ein Stück entfernt neben mir aufs Polster, weil ich keine Lust hatte, mich schon wieder Richtung Tisch zu bewegen. Es war der kürzeste Weg, um beide Hände für Aryana frei zu haben. “Ich schwimme schon sehr viel länger als du in diesem Sumpf… und ich kann den Kopf oben halten, für eine ganze Weile, wenns sein muss.”, murmelte ich mit mahlendem Kiefer. Mein Blick hielt eisern an ihrem fest. Zu welchem Preis dieses krampfhafte Funktionieren rangierte, sei an dieser Stelle mal offen gelassen, doch der Zweck heiligte definitiv die Mittel. Ums Gesundwerden konnte ich mich danach in Ruhe kümmern, in Freiheit. Der Punkt war, dass ich fähig sein würde, zu funktionieren, wenn ich es tun musste – aber nur unter einer Bedingung, die genauso wenig verhandelbar war. Ich nahm die Hand von Aryanas Schenkel, um sie ihr stattdessen in den Nacken zu legen. “...aber ich weiß auch, dass mein Schädel irgendwann kippen wird, wenn deiner’s tut. Wenn ich dir dabei zusehen muss, wie dir das alles zu viel wird… wie du… durchdrehst… weil wir da drüben echt nicht um Blut an den Händen rumkommen werden… dann… kann ich dich nicht sehr lange weitertragen, wenn du dich nicht wieder davon erholst, Aryana. Ich würde mit dir den Verstand verlieren, früher oder später.” Ich sprach etwas leiser als vorher, sie saß ja nicht weit weg. Liebe konnte einen unheimlich weit bringen, aber genauso gut das eigene Grab sein. Die schöne Brünette war in dieser Sache meine Schwäche. Als müsste ich sie daran erinnern, wie unzertrennbar sie an mich gekettet war, zwang ich sie mit der Hand in ihrem Nacken dazu, mit dem Gesicht näher an meins zu rücken, damit sie nicht auf die Idee kam, jetzt wegzusehen. “Also wenn wir das durchziehen… dann musst du mir versprechen, dass du vorher alles Mögliche tust, um den Kopf frei zu kriegen. Frei genug... damit das nicht passiert… ” Ich wurde immer leiser, je länger ich sprach. Schluckte, streckte dann langsam die zweite Hand nach ihrer Wange aus und mahlte weiter mit dem angespannten Kiefer. "Ich will da nicht rüberfliegen, um doch noch draufzugehen. Ich will frei sein... aber nur mit dir." Also brauchte ich zumindest eine reale Chance darauf, dass sie mir da drüben nicht hops ging, weil ihr Kopf zweifelsohne in so verheerendem Zustand war wie nie zuvor. Es war irgendwie ironisch: Wie ich schon seit ewig überhaupt keine Angst vor dem Tod an sich hatte und doch ungefähr tausend Ansprüche daran stellte, wie es nicht passieren sollte. Wohl einer der Gründe, warum ich noch nicht in einem Sarg verrottete.
|