Sssssweitausssseeenndddddddddddd Moniliiiii! <3 Ein Hoch auf uns!!
(Und ja, mir ist bewusst, dass das Gif etwas zweckentfremdet ist. But it‘s nice tho. xD) _______________
Wie erwartet schwieg er trotz ihrer Anwesenheit und dem dringend nötigen Klärungsgespräch weiter vor sich hin. Er sah dabei alles andere als entspannt oder glücklich aus - oh Wunder - aber trotzdem setzte er nicht zum Reden an. Vielleicht war es besser, weil sie wirklich sehr müde war und nicht wusste, ob sie ein Gespräch gerade packen würde. Vor allem einfach darum, weil ihre ernsteren Gespräche bekanntlich fast immer in Streits endeten und wenn sie sich jetzt stritten, würde sie wahrscheinlich komplett in die Luft gehen und am Ende heulend aus dem Fenster springen, während er sich hier drin die Kugel gab, nur um endlich Ruhe zu haben und sich das nicht mehr ständig antun zu müssen. Sie konnte nach allem, was in den letzten Stunden passiert war, nämlich für absolut gar nichts mehr garantieren und würde diesmal eher nicht die klügere Lösung von Schweigen und damit indirekt den Kürzeren ziehen wählen, sondern ihn erstmal ordentlich anschreien. Also beste Voraussetzungen für ein konstruktives Ergebnis. Was aber nicht heissen sollte, dass die Stille irgendwie erträglicher wäre. Aryana verkroch sich also liebend gerne erstmal im Badezimmer, nachdem sie die erste Schmerztablette runtergespült und erstmal ordentlich Wasser getrunken hatte, um ihren Körper bei der Blutproduktion zu unterstützen. Noch war ihr Arm zumindest teilweise betäubt, weil sie gut auf die zusätzlichen Schmerzen beim Nähen hatte verzichten können und somit eine Lokalanästhesie vorgezogen hatte. Aber die Wirkung der Spritze würde bald genug nachlassen. Die Dusche war anstrengend, weil sie eigentlich gar nicht mehr stehen wollte und Haarewaschen mit mehr oder weniger nur einer Hand schon eine Tortur an sich war. War aber leider trotzdem dringend nötig, weil ihre Haare den Geruch des Rauches natürlich sofort fantastisch aufgenommen hatten. So dauerte es deutlich mehr als ihre üblichen fünf bis zehn Minuten, bis sie ihre Haut mit dem Handtuch abtrocknen konnte und in bequeme Schlafklamotten schlüpfte. Sie mied im Bad bewusst den Blick in den Spiegel, weil sie eigentlich gar nicht wissen wollte, wie kaputt sie aussah. Blass, aber mit dunklen Augenringen, müde, endlos traurig und vor allem verloren. Der wandelnde Tod, dem sie heute mal wieder entwischt war. Und im Zimmer wartete der andere wandelnde Tod, der vielleicht sogar noch bescheidener aussah als sie. Er weinte, wie ihr sofort ins Auge fiel. War auch schwer zu übersehen. Und trotz der offensichtlichen Beinverletzung - deren Natur sie auch irgendwann noch interessieren würde - zog er seine unruhigen Streifzüge durchs Zimmer als wäre es sein Gefängnis. Und einmal mehr fragte sie sich, wo zur Hölle das noch hinführen sollte. Es fühlte sich je länger je mehr nur noch wie eine Frage der Zeit an, bis sie ihn irgendwo tot vom Boden kratzen konnte und sie hatte verdammt noch mal keine Ahnung, wie sie dem noch entgegenwirken sollte. Und diese Hilflosigkeit, während sie zuschauen konnte, wie er ihr komplett entglitt, war absolut grausam. Er wollte irgendwas sagen... Aber dann blieb es doch nochmal still. Aryana schüttelte verloren den Kopf, während sie sich auf die Bettkante setzte, weil Stehen so langsam echt keine Option mehr war mit ihren Beinen und dem Schwindel. Sie hob ihre Hände an und rieb sich mit viel Druck übers Gesicht, als würde das die bösen Geister vertreiben, die sich in ihrem Kopf festgebissen hatten. Aber dann hörte sie sein Seufzen und sie wusste, dass Mitch sie anschaute, weshalb Aryana die Hände sinken liess, um ihn ebenfalls anzublicken. Auch wenn es wehtat, überall in jeder Faser ihres Herzens. Und er begann zu sprechen. Nichtmal nur um ihr zu sagen, dass sie über das, was heute passiert war, besser gar nie reden sollten. Nein, er machte eine Ansprache, die so klang, als würde gleich die Sintflut folgen... Wenn sie es nicht verkackte und dem Ganzen irgendwie mit einem Tritt in die falsche Richtung schon wieder den Riegel vorschob. Eigentlich war sie keinesfalls in der Verfassung für ein solches Gespräch. Aber dass ihr persönlicher Energielevel gerade nicht massgeblich war und sie Mitch sicher auch nicht sagte, er solle doch bitte damit warten, bis sich ihr Blutvorrat halbwegs regeneriert hatte oder sie zumindest ausgeschlafen war, verstand sich wohl von selbst. Sagte er auch mehr oder weniger direkt, mit einer definitiv validen Begründung. Also hielt sie erstmal den Mund und schaute ihm mit einer tiefen Falte in der Mitte ihrer Stirn dabei zu, wie er durch den Raum tigerte... und ihr als erstes eine Frage stellte, mit der sie ganz sicher nicht gerechnet hätte. Was sie Faye gesagt hatte..? Fast hätte sie sich mit ihrem langsamen Gehirn gefragt, warum er überhaupt wusste, dass sie Faye entsprechende Eigenschaften genannt hatte. Warum wollte er das ausgerechnet jetzt wissen? Es war auf jeden Fall ein interessanter Gesprächseinstieg, nach dem was hinter ihnen lag. Und einer, der etwas mehr Konzentration ihrerseits verlangte, weil sie sich das entsprechende Gespräch ins Gedächtnis zu rufen versuchte. War aber eigentlich unnötig - sie musste nicht wissen, was sie Faye gesagt hatte, sondern sich an die Charakterzüge erinnern, die sie immer noch und trotz allem bei Mitch behielten. Aryana räusperte sich leise, blickte ohne jeglichen Fokus irgendwo auf den Boden zu seinen Füssen, bevor sie ohne weitere Fragen zu reden begann. "Ich... liebe am meisten an dir... dass du der Einzige Mann bist, der immer weiss, wies mir geht und den ich mit keinem Pokerface der Welt belügen kann...", begann sie mit der ersten Nennung, richtete sich ein Stück weit aus ihrer krummen Position auf und hob nun doch den Blick in sein Gesicht an. Sie wusste nicht genau woher die Tränen kamen, die sich nun auch auf ihrem Gesicht spiegelten, aber sie versuchte gar nicht, dagegen anzukämpfen. Das war momentan einfach sinnlos und sie musste ihre Kräfte anderweitig einsetzen. "Dass du... die erste Heimat und das einzige Zuhause für mich bist... seit mein Bruder mir in Syrien genommen wurde...", der Einzige, der sie zur Rückkehr hätte bewegen können - wenn er es denn auf andere Weise versucht hätte und sie am Ende nicht sowieso dazu gezwungen worden wären. "Und dass es im Grunde keine Rolle spielt, wie oft wir uns streiten, weil ich ganz genau weiss, dass du im Ernstfall immer an meiner Seite stehen wirst und du mich um keinen Preis der Welt jemals verraten würdest", ihre Stimme war nicht viel mehr als ein leises Hauchen, aber das war nicht so schlimm - sie waren ja nur zu zweit und auch von draussen drangen keine Geräusche ins Zimmer. Er würde schon verstehen, was sie von sich gab. "Ich liebe dich, weil du heute wie damals in Syrien der Einzige bist... dem ich alles anvertrauen könnte - der mich nicht einmal für einen Mordplan verurteilen oder gar verraten würde... Das wusste mein Unterbewusstsein scheinbar schon weit bevor ich dich irgendwie gemocht hätte...", wenn man bedachte, dass sie ihn für den Mord an Warren angeheuert hatte und keinen der Soldaten, mit denen sie sich irgendwie damals besser verstanden hätte. Aryana seufzte schwer und rieb ihre Handflächen auf der Jogginghose, bevor sie mit der ewigen Hilflosigkeit mit den Schultern zuckte. "Und ich liebe deine Art, wie du kämpfst und kämpfst und... gefühlt nur für mich niemals aufgibst... auch wenn es so viel leichter wäre..."
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Aiiiii, auf noch viele weitere katastrophale mentale Zusammenbrüche für unsere Vollzeit-Geschädigten. ┏(*-*)┛┗(*-*)┓┗(*-*)┛ Und egal, passt trotzdem einwandfrei. x'D Meins war ganz sicher auch nicht für ein Rollenspiel-Jubiläum gedacht, lul. ^^
Und die Textlänge tut mir immens leid, aber wenn ein Charakter nie über irgendwas redet und dann echt alles erzählt, isses irgendwie sehr unvermeidbar... ich wollts nicht stichpunktartig auflisten. (auch wenn ich das für den Anmeldethread jetzt trotzdem tun werde, damit er einen schönen Lebenslauf hat. XD) __________
Es dauerte einen Augenblick, bis Aryana zu einer Antwort ansetzte. Jene zog sich dann länger hin, als ich erwartet hatte und ich hörte auf durch den Raum zu hinken, als sie schließlich ihren Bruder erwähnte. Ich erinnerte mich noch daran, wie wir uns damals auf dem Wachturm kurz über diesen Verlust ihrerseits unterhalten hatten und dass ein Streit daraus resultiert war, weil ich unverschämt geworden war. Eine Erinnerung, die sich inzwischen sehr fern anfühlte. Trotzdem hatte sich seit unseren ersten Streits in Syrien nicht alles geändert - nein, ich würde sie auch jetzt niemals gezielt ins Messer laufen lassen. Sie könnte versuchen den Präsidenten zu ermorden und ich würde mitmachen, sofern meine geistige Verfassung mir bis dahin wieder treffsichere Schüsse erlaubte. Heute würde das erste und einzige Mal bleiben, dass ich mir Aryanas Blut an die Hände geschmiert hatte. Sie sollte sich in ihrem Zuhause wohlfühlen können und nicht tagtäglich darum fürchten müssen, dass ihr Heimgefühl zur Venusfalle wurde. Zu realisieren, dass sie noch immer all diese Dinge in mir zu sehen schien, führte dazu, dass ich einen weiteren sprachlosen Moment brauchte, bevor ich mich begleitet von einem Schlucken zögerlich zum Bett bewegte. Ich setzte mich und dabei war ein gutes Stück Platz zwischen Aryana und mir auf der Bettkante. Als ich auf meine Hände blickte, die ich mit auf den Knien abgestützten Unterarmen ineinander legte, sah ich das nächste verräterische Zittern. Eine Träne landete auf meinem Handgelenk und ich machte die Augen zu. "Das erste, woran ich mich erinnere, ist ein Schlag ins Gesicht. Der Junge, von dem ich mir meine Schokolade zurückgeholt habe, hat mich verpfiffen... ich glaube da war ich vier oder fünf Jahre alt. Seitdem find' ich Ostern scheiße." Es musste völlig grotesk wirken, dass ich wirklich so weit vorne mit dem Reden anfing. Es hatte rein gar nichts mit dem zu tun, was heute passiert war oder wie mies ich mich in den letzten Monaten verhalten hatte. Aber es war ein offensichtlich prägender Moment für mich gewesen, wenn es die erste klare Erinnerung mit sozialer Interaktion an mein eigenes Leben war. Vielleicht wollte ich mich auch selbst besser verstehen können, indem ich Aryana mehr oder wenige wichtige Details meiner Vergangenheit schilderte und nicht nur ihr die Möglichkeit geben, mich besser kennen zu lernen. Ich hatte längst keinen blassen Schimmer mehr davon, wer ich eigentlich war. Ich fing chronologisch korrekt damit an der Brünetten meine Kindheit und Jugend zu schildern. Eine ziemlich glanzlose Zeit voll unmotiviertem Personal in Kinderheimen, wie auch zwei gescheiterten Versuchen mich in eine Pflegefamilie zu integrieren. Zu einem richtigen Adoptionsversuch war es nie gekommen, dafür war ich wohl entweder nicht ausreichend kindlich süß gewesen oder hatte mich zu oft falsch verhalten, spielte keine Rolle. Ich hatte mich von anderen Kindern kontinuierlich unterbuttern lassen, sowohl im Heim als auch in der Schule. Für mein Alter war ich eher klein gewesen, also ein leichtes und damals noch schmächtiges Ziel. Maßgeblich besser wurde das erst, als ich etwa 12 war. Bis ich anfing nicht mehr wie ein Strich in der Landschaft auszusehen, weil die Pubertät mich mit offenen Armen empfing, hatte ich schon mehrfach die Schule und auch das Heim gewechselt. Mal wegen Überbelegung, mal wegen Schulverweisen - ich hatte mehr als einmal aus Angst vor Mitschülern die Schuld für Dinge auf mich genommen, die ich gar nicht getan hatte. Jedenfalls begann ich den Spieß dann umzudrehen, weil ich genug davon hatte und merkte, dass ich eigentlich gar nicht so hilflos war, wie ich bis dato angenommen hatte. Höchstens ein Jahr später war mein Aggressionspotenzial dann so groß, dass ich mich einer entsprechenden Therapie unterziehen sollte. Die am Ende eher das Gegenteil bewirkt hatte, weil der Therapeut alles andere als kinderfreundlich war. Als ich den Dreh mit dem Mobbing erstmal raus hatte, bildete sich nämlich schnell ein ungesundes Grüppchen an vermeintlichen Freunden an meiner Seite, die mich bis ins Jugendalter begleiteten. Mit 16 flog ich von der Schule und aus dem Jugendheim - wurde in eine Sammelunterkunft für Jugendliche gestopft, die schon aus allen Nähten platzte. Kein Wunder also, dass ich dort nicht lange blieb, weil mich alles daran ankotzte. Zu dem Zeitpunkt musste ich gedacht haben, mir könnte Niemand mehr was anhaben, so selbstsicher wie ich abgehauen war, um mir ein eigenes Leben aufzubauen. Stellte sich schnell heraus, dass man als obdachloser 16jähriger ohne Schulbildung nur scheiß Jobs bekam, die mies bezahlt waren. Ich stieg also bald auf die schiefe Bahn um, weil das im ersten Moment einfacher war. Ich hatte nie viel Geld und ich hauste immer in einer schäbigen Bude, aber ich kam mit dem Verticken von Drogen gut über die Runden. Ein schönes Leben wars allerdings nicht, weshalb ich irgendwann hier und da ein Tütchen für mich selbst abzwickte. War ähnlich gelaufen wie jetzt mit dem Alkohol - mit den Drogen kam auch der zunehmende Kontrollverlust. Ich verlor irgendwann den Überblick hinsichtlich meiner Lieferungen und es taten sich Probleme auf, mit denen ich am Ende alleine dastand. Meine ach so guten Freunde zogen es nämlich vor aus meiner Misere entweder selbst Profit zu schlagen, als es richtig heiß wurde. Nach einer Woche auf der Flucht vor den immer wieder auftauchenden Messerstechern des Drogenbarons floh ich per Anhalter zwei Bundesstaaten weiter. Der Neuanfang dort gestaltete sich aber hart, weil ich vom leichten Weg schlagartig genug hatte. Gut drei Monate lang klappte gefühlt nichts so wie ich es wollte. Ich saß wieder auf der Straße, weil ich die Miete nicht zusammen bekommen hatte und endete mit einer Flasche billigstem Fusel auf dem Bordstein vor einem runtergekommenen Kiosk. Stundenlang starrte ich die amerikanische Flagge an der Stange über dem Eingang zum Rekrutierungsbüro der Army auf der anderen Straßenseite an. Musterte die Schriftzüge auf der Glasscheibe lange genug, um es irgendwann für eine gute Idee zu halten, mich zu Vater Staat zu flüchten, nur um den anhaltenden Überlebenskampf aufgeben zu können. Ich spazierte am nächsten Morgen also völlig betrunken ins Büro, kaum hatte der Mann in Uniform die Tür aufgeschlossen und sich drinnen hinter seinen Schreibtisch geklemmt. Der fand das natürlich witzig und rechnete wohl nicht damit, dass ich am Abend - mehr oder weniger ausgenüchtert - nochmal wiederkam. Ich hatte zwei, drei kleine Vorstrafen, aber ich war mit fast 19 Jahren alt genug und körperlich fit, wenn man vom nicht von mir erwähnten Drogenproblem absah. Die Army verwehrte mir den Einzug ins Trainingslager also nicht. An dem Punkt der Story legte ich nur eine kurze Pause ein, um mir die langsam an den Knöcheln drückenden Stiefel auszuziehen und mich danach rückwärts auf die Matratze kippen zu lassen. Ich redete sicher schon eine ganze Stunde vor mich hin, scheute aber nicht vor glorreicher Fortsetzung. An die Decke blickend fuhr ich also mit meinem kalten Entzug fort und den ersten harten Wochen, danach gings mir stetig besser. Ich hatte ein paar Freunde gefunden, es ging zu den ersten Einsätzen, ich kam nie tot zurück und die Gehaltsschecks waren gut genug, um die Pausen auf amerikanischem Boden annehmlich totzuschlagen. Natürlich blieb ich aber auch bei der Army keinesfalls von Schicksalsschlägen verschont - nach knapp neun Monaten musste ich meinen damaligen besten Freund beerdigen und fand daraufhin heraus, dass der Rest meines damaligen Kreises mich eigentlich nur akzeptiert hatte, weil Nelson als Mittelpunkt der Gruppe mich so gern gemocht hatte. Im Grunde war ich also wieder allein und es dauerte lange, bis ich mich ein weiteres Mal an den Versuch eine Freundschaft zu knüpfen wagte. Das war in Mali - also den Einsätzen vor meiner Versetzung nach Syrien. War aber auch irgendwie egal, er war nach unserer gemeinsamen Versetzung dank Warren ja ebenfalls beerdigt worden. Lange Rede, kurzer Sinn - bis heute hatte ich jeden Menschen, den ich irgendwo auf meinem Lebensweg getroffen hatte, früher oder später wieder verloren und hatte an irgendeinem Punkt daraus wohl den Schluss gezogen, dass ich alleine besser dran war. Wahrscheinlich machte es mich deswegen so fertig, dass ich gar nicht wusste, was überhaupt mit Jetman passiert war. Saß er grade in Syrien auf einem Wachturm? Spielte er Zuhause den vorbildlichen Familienvater für seine Tochter, oder lag er schon seit Monaten irgendwo vergraben? Selbst wenn er nichts mehr von mir wissen wollte, weil er zwangsweise Wind davon gekriegt haben musste, was ich in Syrien abgezogen hatte, wüsste ich zumindest gerne, ob er noch lebte und wie es ihm ging. Er war einer von den wenigen Guten, die ich hatte kennenlernen dürfen. Ich verfiel das erste Mal seit zwei Stunden in ein anhaltendes Schweigen. Erst jetzt, wo ich das Handgelenk mit der schmalen digitalen Armbanduhr anhob, wurde ich mir über die vergangene Zeit bewusst - war inzwischen gegen 3 Uhr morgens - und führte die Hand gleich weiter zu meinen trockenen Augen. Ich weinte schon lang nicht mehr, zurückgeblieben war spannende Haut im Gesicht und Augenlider wie Schleifpapier. Inklusive Kopfschmerzen, weil ich keine der Schmerztabletten eingeworfen hatte. Ich räusperte mich wegen dem unangenehmen Druck auf meiner Kehle, bevor ich mich aufsetzte und mir übers Gesicht rieb. "Der Krieg steht mir wie ein Omen im Nachnamen... und es fühlt sich schon ewig lang so an, als wäre das das einzige, wofür ich existiere. Verlust, Verrat, Schmerz, Blut und Tod... es war naiv zu glauben, dass das alles aufhört, nur weil du mich aufgelesen hast." Ich sprach etwas undeutlich und ließ die Hände erst danach sinken, um stur in den Raum zu sehen. "Genauso blöd wie zu glauben, dass das die Vergangenheit einfach beerdigen könnte... ich weiß, dass sie hinter mir liegt und sich nichts davon je wieder ändern wird. Aber wie soll ich die Vergangenheit ruhen lassen oder daraus lernen, wenn ich jetzt dasselbe in schickerer Uniform mache? Ich wollte niemals, dass sowas wie heute passiert... Noah hat gemerkt, dass was nicht stimmt. Er wollte, dass ich ihm den Schuss überlasse... was ich nicht getan habe, obwohl ich gewusst habe, dass es das Richtige gewesen wäre. Ich wollte dich nie in Gefahr bringen... und trotzdem klebt dein Blut jetzt an meinen Händen." Erst nach diesen eher gemurmelten Worten wendete ich mich Aryana aktiv zu. "Es tut mir leid. Alles, wofür ich mich nie entschuldigt habe. Dass du dir in Syrien für tote Soldaten die Schuld gegeben hast, die wahrscheinlich eher auf mich zurückfallen. Dass ich schon damals oft Wut an dir ausgelassen habe, die überhaupt nichts mit dir zu tun hatte. Dass ich dich noch mehr fertig gemacht habe, als du mich in diesem Drecksloch von Gefängnis besucht hast, obwohl meine Verhaftung für dich schon schlimm genug war. Dass ich irgendwann nicht mehr gefragt habe, wie's dir geht, obwohl es dir offensichtlich scheiße ging... genauso wie jetzt, weil ich mich schon seit Monaten wie das letzte Arschloch aufführe. Mir tut das leid. Jede Sekunde, in der du dich scheiße gefühlt hast, nur weil ich... das alles dir vor die Füße geschmissen habe, weil ich den Blick in den Spiegel nicht mehr ertrage. Dass ich lieber der Eifersucht nachgebe, weil ich glaube nicht gut genug für dich zu sein, statt etwas zu tun, damit sich diese Einstellung von mir selbst irgendwann mal ändern kann... ich... ich liebe dich... und ich... ich krieg das hin. Selbst wenn... wenn ich dafür die blöde Nummer angerufen, die Faye mir gegeben hat... ich werd' uns vor mir retten. Du... wirst mir dabei nur sicher mehr als einmal in den Arsch treten müssen." Je mehr ich zum Ende hin gestammelt hatte, desto mehr war mir final die Luft ausgegangen. Das hier war eben leider noch nicht dass Ende - ich hatte uns gehörig in die Scheiße geritten und es war nicht mit der Erzählung meiner Lebensgeschichte und einer Entschuldigung getan, uns da wieder rauszuholen. Ich würde nicht morgen wie durch ein Wunder besser gelaunt aufstehen als sonst und ich würde mein Spiegelbild nicht plötzlich in den Himmel loben, falls Easterlin so gütig war uns beide überhaupt weiter zusammen leben zu lassen. Der nächste Krieg stand an und es war höchste Zeit die Messer zu wetzen. Warwick gegen Warwick.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
NATÜRLIIICHHHH! Die leben für ihre mental breakdowns and I'm here for it. :3
Well... gratuliere. x'D Wenn Google Notes dir erstmal sagt, dass der Text zu lang zum Reinkopieren ist und ob du die Notiz lieber in Google Docs exportieren möchtest, weisst du, dass es evt. sehr lang ist. x'D Aber hey, immerhin steht jetzt zumindest ein Lebenslauf! xD ______________________
Sie wusste nicht, warum er das hatte hören wollen. Oder warum genau jetzt der Zeitpunkt dafür gekommen war. Aber sie stellte auch keine Fragen, schaute ihm nur schwermütig dabei zu, wie er zuerst stehen blieb und dann doch zum Bett kam, um sich hinzusetzen. Nicht direkt neben sie und auch ohne sie wirklich zu beachten. Aber das war meistens so, wenn sie über Dinge redeten, die sie eigentlich nicht aussprechen wollten. Es fiel ihnen so schon schwer genug - Blickkontakt machte das alles nur noch unerträglicher. Trotzdem blieben ihre Augen auf ihm liegen, erkannten das Zittern und die Tränen, aber Aryana blieb sitzen, unterdrückte jeden instinktiven Versuch, ihn zu trösten, weil sie ihn nicht stören wollte in dem Zustand, in dem er gerade war - wie auch immer man das beschreiben konnte. Er wirkte nicht so, als wäre er wirklich bei ihr und vielleicht war das besser so. Vielleicht fiel es ihm leichter, zu reden, wenn er das, was ihm auf der Seele brannte, einfach in den Raum hinaus sagen konnte, ohne sich wirklich ihr zuzuwenden. Offensichtlich war das so, denn Mitch begann tatsächlich zu reden. Er sagte ihr nicht, was vor ein paar Stunden passiert war oder was ihm vor dem Einsatz durch den Kopf gegangen war. Warum er die letzten Wochen über kontinuierlich unaushaltbarer geworden war oder warum Faye ihm gesagt hatte, er solle sich bei ihr nach seinen ihrer Meinung nach besten Charakterzügen erkundigen. Nein - Mitch erzählte ihr von seiner ältesten Erinnerung. Eine Erinnerung, die von Gewalt und Ungerechtigkeit geprägt war, eine Erinnerung, die ein vier oder fünfjähriges Kind nicht machen sollte. War das überraschend? Dass er es erzählte - ja, definitiv. Dass er es erlebt hatte - nein... nein, das war nicht überraschend. Leider. Sie hatten bis heute nie irgendwelche Details aus seiner oder ihrer Kindheit besprochen, aber Aryana hatte gewusst, dass seine Vergangenheit zu grossen Teilen wenig glorreich abgelaufen war und er immer wieder mit allen möglichen Schwierigkeiten konfrontiert worden war. Im Übrigen auch einer der Gründe, weshalb es ihr so leicht gefallen war, ihm den Verrat an der Army so leicht zu verzeihen, beziehungsweise einfach drüber hinwegzusehen und diese Taten einem anderen Mitch anzurechnen. Einem, den sie liebend gern aus ihrem Gedächtnis strich, einer, der für sie nur am Rande, nur in der Vergangenheit existierte - egal wie sehr sie für diesen Glauben die Augen zukneifen musste. Der Mitch, der genau dort seinen Ursprung hatte, wo er viel zu jung in ein Heim gesteckt wurde und die grausame Unterdrückung der anderen Kinder erlebt hatte. Der Mitch, den die Erlebnisse seiner Kindheit massgeblich geprägt hatten, der - wie so viele andere Kinder in ähnlichen Situationen - irgendwann von der Opfer- zur Täterseite gewechselt hatte, weil er die Schikane satt war. Sie hörte ihm zu, während hin und wieder neue Tränen von ihren Wangen tropften, die sie vollumfänglich ignorierte. Aryana hatte den Blick auch nach kurzer Zeit von Mitch abgewandt, um wieder vorwärts auf den Boden zu starren, während sie ihre Ellbogen auf ihre Oberschenkel und das Kinn in ihre Handflächen stützte. Vielleicht hätte sie an anderen Tagen etwas besser mit seiner Geschichte umgehen können als heute, wo schon die Tatsache, dass er überhaupt jemals auf der Strasse gelandet war, sie zum Weinen brachte. Das Gute war, dass sie sicherlich noch oft genug die Möglichkeit haben würde, sich an besseren Tagen Gedanken über diese neuen Informationen zu machen, weil diese ohne Zweifel sehr oft in ihrem Kopf herumgeistern würden. Aryana drehte etwas den Kopf in seine Richtung, als er eine Pause einlegte und sich aus den Stiefel schälte, nutzte diesen Moment der Stille dazu, sich ihrerseits an die Wand am Kopfende des Bettes zu lehnen, um ihren Arm - der mittlerweile trotz Schmerzmittel unangenehm zu ziehen begann - zu entlasten. So ruhte ihr Blick fortan wieder auf dem jungen Mann, der in seinem Lebenslauf nun bei dem Schlüsselereignis angekommen war, das überhaupt erst dazu geführt hatte, dass sie sich kennengelernt hatten: Sein Einzug in die Army. Es war aus seiner Erzählung wirklich schwer zu beurteilen, ob dies nun mehr Fluch oder Segen für ihn gewesen war, denn es liess sich wie immer nur mutmassen, was aus ihm geworden wäre, wenn er nicht in den Dienst getreten wäre, einen anderen Weg gewählt hätte. Auf jeden Fall hätten sie sich nie getroffen. Vielleicht wäre Mitch dann für immer einsam weitergegangen, wo die Einsamkeit und der Verlust bis dato doch seine stetigen Schatten zu sein schienen. Vielleicht auch nicht. Wieder so eine unmögliche Frage... Beinahe hätte sie geglaubt, mit der Schliessung seiner Lebensgeschichte hätte Mitch vorerst alles gesagt, was er dringend loswerden wollte und sie hatte bereits damit begonnen, irgendwelche Worte zu suchen, die sie dazu sagen konnte, um die Wahrheit nicht einfach schweigend zu akzeptieren. Aber er redete nach einer Pause wider Erwarten doch noch weiter, wodurch ihre Augen automatisch in sein Gesicht fanden, kaum hatte er sich wieder aufgesetzt. Die Falte auf ihrer Stirn wurde sofort wieder deutlich tiefer, als sie seine ersten Worte vernahm. Sie hasste es, wenn er solche Dinge sagte wie dass es naiv war, zu glauben, dass ihre Beziehung ihn - oder sie beide - retten könnte. Sie hasste es, weil sie sich liebend gerne noch immer an diesen Glauben klammerte. Vielleicht war das naiv, wie er es bezeichnete, aber es war ein schöner Gedanke. Und davon mangelte es ihnen bekanntlich beiden sehr deutlich bis heute. Apropos heute... Es folgte tatsächlich ein kleiner Einblick in das, was dem misslungenen Schuss vorgegangen war. Auch wenn das alles längst irgendwie sekundär war. Sie war ihm ganz bestimmt auch nicht böse dafür, jetzt einen Verband um den Arm zu tragen. Das war ihr Berufsrisiko - hätte zwar nicht sein müssen, könnte aber auch bei jedem anderen Einsatz ohne Fehler passieren. Das brauchte ihm nicht leicht zu tun... Bei den restlichen Dingen, die er gleich darauf in eine umfangreichen Entschuldigung packte, war das teilweise sicherlich anders. Aber auch die hatte sie ihm längst verziehen. Sie war keine nachtragende Person - nicht dann, wenn es Menschen betraf, die sie liebte. Und die sie liebten. Von denen sie wusste, dass sie mit verletzenden Handlungen nie wirklich darauf abgezielt hatten, ihr bewusst weh zu tun. Trotzdem blieb Aryana erstmal still, nachdem Mitch wohl endgültig geschlossen hatte. Versuchte die Worte und Gedanken soweit zu ordnen, dass sie trotz schwerer Zunge und müdem Körper irgendeine befriedigende Antwort zusammenbekam. Schliesslich schob sie sich zurück auf die Bettkante und von dort schliesslich vorsichtig direkt neben ihm. Den Blick stets auf ihn gerichtet, um sicherzustellen, dass sie ihn jetzt nicht bedrängte oder sofort bereuen liess, überhaupt den Mund aufgemacht zu haben. Aryana hob die Hand des gesunden Armes an, legte sie sehr behutsam an seine Wange und drehte seinen Kopf ganz in ihre Richtung, um ihm zuerst einfach nur ein paar Sekunden stumm in die Augen zu blicken. "Ich bin... so stolz auf dich, Mitchell Warwick...", hauchte sie die ersten paar etwas heiseren Worte nach über zwei Stunden in seine Richtung. Ihr Daumen strich zart über seine Haut, bildete sich ein, die Spuren der Tränen noch auf der warmen Haut zu ertastet. Sie hob auch die zweite Hand an, um sein Gesicht so umschliessen zu können. "Danke", ein Danke für alles. Dafür, dass er sie heute gerettet hatte, auch wenn er vielleicht für das Chaos verantwortlich gewesen war. Ein Danke, für seine Ehrlichkeit, ein Danke für die Entschuldigung, für seine Liebe, für seine Geschichte, für die letzten zwei Stunden und die letzten zwei Jahre... aber vor allem ein Danke für sein Vertrauen. Sie zog ihn zu sich hin, um endlich ihre Lippen auf die seinen betten zu können, für einen Kuss, der sich so viel leichter ausdrücken liess als die Worte, die ihr gerade noch schwerer fielen als sonst. Einen Kuss ohne Zeitdruck, Zuschauer, Beigeschmack - einen Kuss ohne Vorbehalt. "Ich liebe dich auch... Und ich verspreche dir unlimitierte Arschtritte... und eine unlimitierte Ewigkeit, die ich an deiner Seite kleben werde", fuhr sie zwischen zwei zarten Küssen leise fort. "Wir schaffen das. Diesmal wirklich", wirklich wirklich wirklich. Sie würde sich an dieses Wort klammern und alles dafür geben, dass es sich als Versprechen erfüllte. Aryana löste ihre Hände von seinen Wangen, um stattdessen ihre Arme um ihn zu schlingen. Das führte zu einem unangenehmen Ziehen in ihrem leicht schmerzenden Oberarm, aber es störte sie kaum. Genau wie die Tatsache, dass er noch nicht geduscht hatte und sie schon. Das dringende Bedürfnis, ihn in eine sehr enge Umarmung zu schliessen und dabei ihr Gesicht in seiner Halsbeuge zu verstecken, war definitiv grösser als irgendwelcher dämlicher Ekel vor Dreck oder Schweiss oder Dienstkleidung.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Same same, auch wenn's heißt dass ich vielleicht nochmal irgendwann heulen muss deswegen. x'D you gotta love the paiiiiiin.
ich schätze es gibt auch sonst keinen, der so eine lange "Note" verfassen will... <.< XD ______________
Je länger ich so vor mich hin erzählt hatte, desto mehr war der Druck auf der Brust verschwunden. Meine Geschichte hatte nur bedingt etwas mit diesem Gefühl zu tun, aber tatsächlich hatte einfach nur reden ziemlich gut geholfen. Der Einstieg war mir schwerer gefallen als neulich bei dem Gespräch mit Faye - war nur logisch, weil ich Faye nicht jeden Tag ins Gesicht sehen musste. Die jüngere Cooper war jedoch die falsche Adresse für alles, was zu persönlich wurde. Für Alles, was ich am liebsten Niemandem erzählen wollte... und für einen kurzen Moment lang fragte ich mich unweigerlich, ob ich grade einen riesigen Fehler begangen hatte. In dem Moment der Stille, der nach meinem schier endlosen Gerede folgte, in dem zuerst die Bewegung auf dem Bett zu hören waren, weil die Brünette zu mir aufschloss. Seit der aufwühlenden Entschuldigung schlug mein Herz wieder ein paar Takte höher und es setzte noch einen drauf, als ich Aryanas Finger an meinem Gesicht spürte. Ich zögerte noch sie anzusehen, als sie meinen Kopf in ihre Richtung dirigierte. Sah lieber auf ihre Beine runter, bis sie zum Reden ansetzte. Wahrscheinlich würde es noch ein paar Tage brauchen bis ich restlos verstand, warum sie stolz auf mich war. Warum sie das sagte, obwohl ich ihr in den vergangenen Wochen unzumutbares Unrecht angetan hatte. Aber es war schön zu hören. Ungewohnt, weil ich mich nicht daran erinnern konnte, wann das zuletzt mal Jemand zu mir gesagt hatte - aber schön. "Wenigstens einer von uns...", flüsterte ich leise, kurz bevor auch ihre andere Hand meine Wange erreichte. Ich sagte es mehr zu mir selbst. Ich könnte kaum weiter davon entfernt sein, stolz auf mich zu sein oder mich gar selbst zu lieben, wie das die ganze Welt heutzutage zu predigen schien. Aber wenn Aryana mich noch immer liebte, obwohl ich ihr so viel Scheiße zumutete, dann konnte ich das auch lernen, oder? Auch hinter ihren Dank konnte ich im Augenblick sicher noch nicht vollständig blicken, aber das würde ich noch. Auf dem Flug würde ich genug Zeit haben, mir den Kopf darüber zu zerbrechen. Ich verließ das Schneckenhaus, das zur Sicherheit sinnbildlich noch immer direkt hinter mir parkte, erst vollständig, als mir die Augen zufielen, weil Aryanas Lippen auf meine trafen. Meine verkrampften Schultern lockerten sich langsam und ich streckte die Hand nach ihr aus, legte sie um ihren Rücken. Verspürte während des Kusses das erste Mal seit langem ernsthafte Hoffnung, dass wir das alles hinkriegen konnten. Vielleicht war der Funke noch klein, aber er war da und wurde gleich noch ein bisschen mehr angefächert, als Aryana das letzte bisschen Distanz für eine Umarmung aufgab. Instinktiv streckte ich auch die zweite Hand nach ihr aus und schlang sie vorsichtig um ihre Taille, während die andere sich bis nach oben in ihren Nacken schob. Ich pflichtete ihr gedanklich bei, dass wir das dieses Mal schaffen würden - einfach weil wir das mussten. Weil es keine andere Option gab, wenn ich sie nicht mit mir ins Grab nehmen wollte. Nach ein einigen Sekunden neigte ich den Kopf ein wenig, um neben dem Saum ihres Shirts einen Kuss in ihre Halsbeuge zu hauchen. "Ich werd' alles versuchen, damit wir irgendwann damit aufhören können, das immer wieder zu sagen.", nuschelte ich an ihre Haut. Es würde sicher noch eine Weile dauern, bis ich wieder so weit auf Kurs war, dass ich nicht mehr nur für Aryana diesen Kampf ausfocht, sondern auch für mich selbst kämpfte. Dafür irgendwann mal sowas wie zu leben, statt nur zu atmen. Bis dahin verkroch ich mich erstmal liebend gern für ein paar Minuten in der Umarmung, weil ich das ganz einfach brauchte. Doch irgendwann begann ich mich vorsichtig von ihr zu lösen, bedacht darauf ihren Arm möglich nicht zu streifen. Einen Augenblick lang saß ich noch auf der Bettkante. Versuchte durchzuatmen, ansatzweise den Kopf grade zu kriegen und dann stand ich auf. Zischend, weil der Oberschenkel unter dieser Belastung dann doch plötzlich wieder deutlich mehr weh tat, als im Sitzen oder Liegen. Nach der stillen Umarmung brauchte ich jetzt zweifelsohne einen Moment für mich. Zwar war das Blut am Bein und an der vom Arzt zerschnittenen Hose dort längst trocken und besudelte das Bett nicht, aber ich würde mir gerne meine heutige Schandtat zumindest vom Körper waschen. In meinem Kopf würde sie noch lange genug festsitzen. "Ich beeil' mich.", waren meine letzten, etwas undeutlichen Worte, bevor ich mit gewaschenen Boxershorts im Gepäck ins Bad humpelte. Es war für heute mehr als genug passiert und gesagt, ich brauchte den Break. Ein paar Minuten, in denen ich nur insofern funktionieren musste mich abzuduschen und Zähne zu putzen. Trödeln wollte ich dabei aber nicht - wir sollten beide dringend ins Bett, auch wenn ich für meinen Teil wohl nur schlecht oder gar nicht schlafen würde. Ich mied auch heute den Blick in den Spiegel und musste mich bewusst überwinden zurück ins Zimmer zu gehen, nachdem ich mich so weit geöffnet hatte. Aber es ging, nach einigen zähen Sekunden, in denen ich den Schlüssel im Schloss angestarrt hatte - auch wenn gar nicht abgeschlossen war, weil ich das nach wie vor nur selten bis nie tat, wenn nur Aryana anwesend war. Auf dem Rückweg zum Bett sammelte ich die Schmerzmittel ein, die ich vorhin im Nervenzusammenbruch wohl einfach auf den Boden hatte fallen lassen. Eigentlich wollte ich den Schmerz gerne behalten, damit er mich daran erinnerte, dass ich Scheiße gebaut hatte. Das wäre aber insofern dumm, dass ich auch auf die entzündungshemmende Wirkung des Medikaments verzichten würde, also nahm ich schließlich doch eine der Pillen, bevor ich sie auf dem Nachttisch ablud und nach der Wasserflasche griff, die seit gestern schon da parkte. Theoretisch gesehen war ich dann bereit zu schlafen, als ich die Füße unter die Bettdecke geschoben hatte. Praktisch hingegen... naja.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
Scheinbar nicht... Aber ich habs schon noch reingekriegt, musste nur zuerst was anderes auslöschen. x'D _____________
Ja, einer von uns. Sie würde so lange für sie beide stolz auf ihn sein, bis er es selbst sein konnte. Bis er verstand, wie viele Gründe es bereits gab, stolz auf sich zu sein und was er bereits alles geleistet hatte, das nicht halb so scheisse war, wie sein vor langer Zeit geknicktes Selbstbewusstsein ihm einreden wollte. Und wenn sie ihm jeden Tag einen Brief schreiben musste in dem sie ihm aufzeigte, was an ihm toll und liebenswert und für sie so perfekt war - wenn es ihm half, würde sie es tun. Die Liste der fünf Dinge, die sie Faye und nun heute auch Mitch aufgezählt hatte, war keineswegs in sich abgeschlossen und Aryana würde dem noch eine ganze Menge anzufügen wissen. Natürlich, denn sie blieb nicht nur aus fünf Gründen bei ihm. Liebte ihn nicht nur dafür. Kannte ihn schon viel zu lange, um nicht noch sehr viel mehr sagen zu können, das ihn vom Rest der Welt abhob. Sie hatte nicht all die Jahre alleine verbracht, um sich dann am Ende für einen Menschen zu entscheiden, der in ihren Augen maximal durchschnittlich toll war. "Ich hoffe, dass ich dir irgendwann zeigen kann, warum du es auch sein solltest", flüsterte sie an seine Lippen, die gleich darauf auf ihre trafen. Es war lange her, dass sie sich so geküsst oder umarmt hatten. Die letzten Wochen über hatten sie sich viel lieber gemieden als geküsst, sie hatte sich im Bett lieber auf die andere Seite als in seine Arme gedreht und selbst flüchtige liebevolle Gesten waren kaum bis gar nicht mehr vorhanden gewesen. Es war vielleicht etwas utopisch zu glauben, dass sich das von heute auf morgen ändern konnte, aber mit diesem Gespräch - auch wenn es sehr einseitig ausgefallen war - war auf jeden Fall die Basis geschaffen, dass sie irgendwie wieder dahin zurückkommen konnten. Oder vielleicht besser nicht zurück sondern vorwärts, in eine Beziehung, die eben nicht mehr so leicht von Misstrauen, Eifersucht und schlechter Laune erschüttert werden konnte. Eine Beziehung, in der man auch nach einem beschissenen Tag die Nacht in den Armen des meistgeliebten Menschen verbrachte und die Nähe dieser Person die verlockendere Option war als der Alkohol in irgendeiner stinkenden Bar. Sie genoss jede Sekunde dieser Umarmung, die sich so anfühlte, als würden sich all die Scherben, die über Monate immer weiter zerbrochen waren, endlich wieder zusammenfügen. Nur langsam, aber der Heilungsprozess hatte begonnen und noch vor etwas mehr als zwei Stunden hatte sie daran gezweifelt, überhaupt je wieder an einem solchen Punkt anzukommen. Sie war so kurz davor gewesen, die Hoffnung aufzugeben, auch wenn sie ganz genau wusste, dass man das niemals tun durfte - besonders nicht in einer Situation wie dieser, da das ein indirektes Ticket ins Jenseits darstellen würde. "Ich auch", versprach sie ihm ein weiteres Mal ihre bedingungslose Hilfe. Und dann war es erstmal für ein paar Minuten still. Aryana blieb auf dem Bett sitzen, als Mitch sich schliesslich von ihr löste, um sich selbst ebenfalls endlich eine Dusche zu gönnen und diesen Tag von seiner Haut zu waschen. Nachdem die Badezimmertür hinter ihm zugefallen war, dauerte es ungefähr eine Sekunde, bis die Müdigkeit mit einem Schlag zurück war. Sie rieb sich übers Gesicht und über die salzig verklebten Augen, wischte die letzten Tränenspuren von ihrer Haut, schlüpfte schliesslich unter die Decke und atmete ein paar Mal tief durch im Versuch, all die Informationen, die sie in den letzten Stunden zu Ohren bekommen hatte, ansatzweise zu verdauen. Auch das würde wohl noch eine ganze Weile dauern, aber der Anfang war geschafft und der Anfang war ja bekanntlich immer das Schwerste, oder? Der Anfang oder das, was vor dem Anfang gewesen war. Sie glaubte wirklich daran, dass es nie schlimmer werden würde, als es das bis jetzt gewesen war, dass sie jetzt endlich über dem verdammt steinigen, gefühlt unendlich hohen Berg waren, der sie von allem Glück der Welt getrennt hatte, der ständig vor der Sonne gestanden und ein Unwetter nach dem anderen auf sie hatte niederprasseln lassen. Eigentlich war Mitch nicht lange im Bad. Scheinbar aber doch lange genug, um ihren entkräfteten Körper mit dem Prasseln des Wassers schon ein erstes Mal in den Schlaf zu locken. Nicht tief, sodass sie die Augen nochmal aufmachte, als er sich ebenfalls ins Bett begab. Einen Moment lang blinzelte sie nachdenklich in seine Richtung, bis er sich hingelegt hatte. Dann aber rutschte sie über die Matratze zu ihm hin, blickte kurz zu ihm hoch, als wollte sie sein Einverständnis abholen, bevor sie sich an seine Brust kuschelte. "Wenn du willst, können wir zuhause mal schauen, ob wir herausfinden, was mit Jetman passiert ist...", ein dezent aus der Luft gegriffener Gedanke, der ihr vorhin gekommen war, bevor sie kurz eingeschlafen war. Zielte auch nicht darauf ab, dass sie sich jetzt darüber unterhielten - sie wollte das nur gesagt haben, bevor sie es über die kurze Nacht vergas. So schwer würde es kaum sein, über Jetmans Verbleib zu erfahren... glaubte sie. Und vielleicht wäre das wirklich gut für Mitch. Ein Freund, der das Leben ihm nicht entrissen hatte, den er nicht für immer verloren hatte. Falls er denn noch lebte und Mitch ebenso verzeihen konnte, wie sie das getan hatte... "Gute Nacht", zwei letzte, müde gemurmelte Worte, mit denen sie sich wohl endgültig abmeldete, weil ihr Körper was anderes nicht länger akzeptieren würde. Blieb schwer zu hoffen, dass das hier nicht bloss ein schöner Traum gewesen war und sie morgen wieder ganz woanders anknüpften...
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
man könnte meinen du hast damit recht, so oft wie hier im RP Irgendwer heult. XD ______________
Ich dachte nicht darüber nach was ich davon hielt, als Aryana wieder meine Nähe suchte - dass ich den linken Mundwinkel zu einem hochgradig müde wirkenden Lächeln nach oben zog war auch Antwort genug. Natürlich hieß ich eine bestätigende Kuscheleinheit gerade sehr willkommen und legte gerne meinen Arm um sie. Das letzte Mal war schon etwas länger her und es konnte uns nicht schaden, wenn wir diesen Trend wieder aufleben ließen. Beim Schlafen helfen tat es mir allerdings nur bedingt. Nachdem ich mich etwas verdutzt mit den Worten "Schlaf gut." für heute bei ihr abgemeldet hatte, blinzelte ich noch eine ganze Weile im Dunkeln zu ihr rüber. War es so offensichtlich? Ich brauchte gut eine halbe Stunde dazu festzustellen, dass es das tatsächlich war. Sascha hatte nichts mit Jetman gemeinsam, aber Ian kam schon relativ nah an dasselbe Verhaltensmuster ran - viele abgedroschene Witze, die nicht selten auf Kosten Anderer gingen und eine allgemein lockere, teilweise fast schon zu offene Art. Ihm fehlte nur die Fähigkeit dazu, auch ernstere Themen zu behandeln. Er hatte erstaunlich wenig Tiefgang, immer weniger je länger ich darüber nachdachte. Ian war nicht blöd, nur erstaunlich wenig an seinen Mitmenschen interessiert. Also absolut kein würdiger Ersatz - kein Wunder, dass wir selten sinnvollere Beschäftigungen fanden, als in einer Bar einzutrudeln. Ich war mir noch nicht ganz sicher, wie ich Jetman tatsächlich erreichen konnte, aber ich schuldete uns echt ein Gespräch. Wenigstens das, falls er sonst nichts mehr von mir wissen wollte, was ich ihm nur schwer verübeln könnte. Die Nacht verlief größtenteils schlaflos für mich und mein Körper kapitulierte erst auf dem Flug zurück in die Staaten dann endgültig. Wirklich was besseres zu tun hatten wir auf dem Flug auch nicht, weil sich in Anwesenheit der anderen Soldaten schlecht weiter über Probleme und andere noch unausgesprochene Dinge reden ließ. Wegen der Zeitverschiebung kamen wir ohnehin mitten in der Nacht wieder auf dem heimischen Stützpunkt an und waren wegen der unchristlichen Uhrzeit gleich entlassen. Es galt für uns also nur noch ins Auto zu steigen und den kurzen Rest des Heimwegs anzutreten, womit wir die Hölle ein weiteres Mal erfolgreich hinter uns gelassen hatten. Mehr oder weniger erfolgreich jedenfalls - Easterlin war geschäftlich unterwegs, weshalb das Unheil versprechende Gespräch mit dem Milliardär noch etwas auf sich warten ließ. In der Zwischenzeit hatte ich genug freie Stunden mir die schlimmstmöglichen Folgen für mein Versagen auszumalen und sah dementsprechend nach wie vor nicht wirklich fit aus. Ich versuchte in den nächsten Tagen die wiedergewonnene Nähe zu Aryana zu genießen, aber auch das verhielt sich noch etwas schwierig. Schweigend miteinander kuscheln funktionierte verhältnismäßig einwandfrei, aber sobald wir uns nebenbei unterhielten und nicht gezielt belangloses Geplänkel dafür auswählten, verliefen die Gespräche früher oder später fast immer in eine Richtung, die zu starkem Unbehagen meinerseits führte. Ich versuchte wirklich nicht einfach wieder dicht zu machen, aber es blieb wahnsinnig anstrengend. Immerhin bremste ich jene Unterhaltungen nicht sofort aus, indem ich das Weite suchte, sondern versuchte mich zumindest ein bisschen damit auseinanderzusetzen, aber länger als ein paar Minuten funktionierte das meistens nicht und wir mussten krampfhaft auf ein lockeres Thema umsteigen, wenn wir uns nicht stattdessen wieder streiten wollten. Es war halt nicht einfach plötzlich wieder alles im Lot und wir hatten noch einiges auf- und auszuarbeiten - in nicht allzu ferner Zukunft vor allem einen Plan, wie es weitergehen sollte. Nicht nur im Bezug auf mich, sondern auch im Bezug auf uns beide, unsere Zukunft, unser gemeinsames Leben. Ich brauchte irgendein Ziel vor Augen, das mir Kontrolle über den Weg gab, den ich im Leben beschritt - dass ich ziellos nicht voran kam, hatten wir schließlich schon rausgefunden. Solange ich hingegen wusste, wo ich hin wollte, kam ich für gewöhnlich tatsächlich vorwärts und hörte auf mir ständig selbst ein Bein zu stellen. Die bisher keine konkreten Perspektiven aufweisende Zukunft war leider kein irrelevantes Problem in unserer Beziehung. Fünf Tage nach der Landung in der Heimat holte uns das Gespräch mit Easterlin dann aber trotzdem ein und allein die Tatsache, dass der alte Sack nicht nur mich, sondern auch meine bessere Hälfte in sein Büro zitieren ließ, verhieß absolut nichts Gutes. Sie hatte im Einsatz nichts falsch gemacht, ihre geforderte Anwesenheit war demnach eindeutig ein schlechtes Zeichen. Mit einem entsprechend mulmigen Gefühl ging ich neben ihr her, als wir den Weg zum Bürokomplex zurücklegten. Dort folgte das übliche Sicherheitsprozedere - wir wurden am Eingang gecheckt, dann in der Lobby im Erdgeschoss abgeholt und mit dem Fahrstuhl nach oben gebracht. Erst mit einem Klopfen an der Tür des Chefs angekommen wurden wir aus den Augen gelassen, was wohl dem einfachen Grund entsprang, dass hier drin keine Alleingänge gemacht werden sollten. Man könnte ja in einen Gang abbiegen, den man nicht betreten sollte.
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joo, die Aussage kam nicht von ungefähr... Alles Heulsusen hier. x'D _____________
Die Mongolei hatte nach ihrer Fast-Katastrophe nicht mehr viel zu bieten und so führte ihr Weg am nächsten Tag nach dem obligatorischen Debriefing ziemlich direkt nach Hause. Das war auch gut so, Aryana hatte wenig Lust, sich noch länger hier aufzuhalten. Klar, vielleicht vielleicht war die letzte Nacht der Wendepunkt gewesen. Vielleicht hatten sie nun endlich die richtige Abzweigung erwischt auf einen Weg, den sie zusammen gehen konnten und der sie dahin führte, wo Wiesen voller Blumen blühten und die Sonne auf einem klaren Fluss glitzerte, der langsam vor sich hin plätscherte und zu einem erfrischenden Bad einlud. Das hätte aber ruhig auch zuhause passieren dürfen, ohne hyperdramatisches Vorspiel. War nur scheinbar nötig gewesen... Ihr Körper war übrigens nach der kurzen Nacht keineswegs ausgeschlafen oder wieder fit, sie fühlte sich komplett gerädert und so wurde auch der Rückflug ihrerseits mehrheitlich verschlafen. Aber das war in Ordnung, stand ja ganz in ihrem Interesse, möglichst rasch wieder aufm Damm zu sein und den nächsten Einsatz für Easterlin zu kämpfen, damit dem guten alten Milliardär nicht plötzlich die Flocken unterm Arsch wegschmolzen. Der schien ihren Kampfwillen wiederum auch wirklich zu schätzen zu wissen, so wie er sie einige Tage später, kaum war er von seinem ach so wichtigen Businesstrip zurück, in sein Büro zitierte. Die ungeplante Schonfrist bis dahin kam Aryana jedoch ganz gelegen. Klar lastete die Ungewissheit über die Folgen seines Versagen noch schwer auf Mitch, aber abgesehen davon würde sie fast meinen, dass sie doch irgendwie vorwärts kamen. In Mini-Schritten natürlich, aber es reichte, wenn sie anfangs kleine Brötchen backten. Wenn ihre Gespräche noch etwas steif ausfielen und oftmals in einem Themenwechsel endeten, war das okay - solange sie es immer wieder versuchten, auch wenn es ungewohnt und oft unangenehm war. Übrigens nicht nur für Mitch. Er war ja nicht der Einzige, der unter chronischer Verschwiegenheit und dem Alle-Probleme-Selber-Lösen-Wollen-Syndrom litt. Der grösste Fortschritt war ihrer Meinung wahrscheinlich, dass sie vor dem Schlafen wieder kuschelten und es sich nicht länger so absolut falsch anfühlte. Dass sie wieder in seinen Armen anstatt nur irgendwo mit drei Meter Abstand an seiner Seite schlief. Diese Nähe half immens dabei, daran zu glauben, dass auch der Rest gut werden konnte. Und diesen Glauben an irgendeine gute Zukunft brauchten sie beide sehr dringend. Sehr viel dringender als den Zusammenschiss, den sie sich gleich abholen durften. Aryana fand die Tatsache, dass Easterlin nicht nur Mitch, sondern auch sie sprechen wollte, ebenfalls durch und durch beunruhigend. Sie versuchte nicht direkt an das Schlimmste zu denken, redete sich ein, dass es nur ein einziger unsauberer Schuss gewesen war, der sie doch sicher nicht gleich alle Gunst seitens des Arschlochs kosten konnte. Aber trotzdem war sie unterschwellig nervös, als sie in den Fahrstuhl stiegen und definitiv kein Stück entspannter, als sie oben auf den unheilvollen Flur traten. Easterlin liess sich auf das Klopfen hin nicht viel Zeit, bat sie nach wenigen Sekunden herein und deutete auf die beiden ordentlich platzierten Stühle vor seinem Schreibtisch. Kleines Déja-vu an dieser Stelle... Easterlin beschloss, heute nicht viel um den heissen Brei zu reden und begann nach einem Nicken und einer kurzen Begrüssung direkt mit einem Seufzen. "Meine beiden Sorgenkinder...", allein die Tonlage kotzte Aryana dezent an. Sie waren keine kleinen Kinder, deren Lehrer ihnen gleich erzählen musste, dass er sehr, sehr enttäuscht von ihnen war. Ausserdem hatten sie ihm bis jetzt doch kaum Sorgen bereitet. Er würde wohl dumm aus der Wäsche gucken, wenn er herausfinden würde, wie grosse Sorgen sie ihren unliebsamen Vorgesetzten sonst noch so machen konnten. "Mitchell, sei so nett und erklär' uns doch mal, was in dieser Nacht genau schiefgegangen ist, dass deine Freundin nun mit einem eingebundenen Arm und einer Einschussstelle, kaum fünfzehn Zentimeter von ihrem Herzen entfernt, in mein Büro spaziert", begann er sein behindertes Verhör. Die Brünette verdrehte innerlich bereits die Augen, erstens, weil sie die Geschichte nicht hören musste - sie kannte sie ja bereits - und zweitens, weil Easterlin gezielt wieder die Schlange spielte, die er eben noch schlimmer verkörperte, als Warren das getan hatte. Warren war intelligenztechnisch wenigstens richtig dumm gewesen dazu. Das hatte es leichter gemacht, eine Entschuldigung für seine Behinderung zu finden. Easterlin war nicht dumm, sonst würde er nicht hier sitzen und diesen Job machen - oder für sich machen lassen. Nein, der Kandidat hier, der war einfach zum Spass ein dreckiges Stück Scheisse.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
So ziemlich alles in mir wollte sich gerne weigern, durch diese blöde Tür zu treten. Meistens war der Kopf des Übels im Alltag für uns angenehm außer direkter Reichweite. Er machte nur selten Rundgänge über das Gelände, wahrscheinlich weil ihm dafür schlicht die Zeit fehlte. Ab und zu sah man ihn mal beim Training oder anderen Lehrgängen, aber das kam nur spärlich vor. Ich war niemals scharf auf seine Anwesenheit, weil es jedes Mal seine Drohung in meinem Kopf zutage beförderte, wenn ich ihn sah. Dementsprechend ungern trat ich jetzt auch hinter Aryana in sein Büro, das mir schon bei meinem letzten Besuch nichts Gutes versprochen hatte. Easterlin gedachte auch nicht sich dieses Mal menschlicher zu verhalten, sondern ließ mit Vorliebe von vornherein dasselbe Arschloch raushängen wie schon beim letzten Mal, kaum hatten wir uns hingesetzt. Wenn wir ihm doch solche Sorgen bereiteten, durfte er uns gerne einfach aus seiner Armee entlassen. Zugegeben hatte ich mich jetzt selbst unnötig durch eine Aussage während meines letzten Besuches zusätzlich in die Bredouille gebracht. Der genaue Wortlaut hallte mir nicht mehr im Kopf, aber ich hatte ihm gesagt, dass ich niemals versagte. Das war zwar nicht auf den Dienst unter seiner Fuchtel bezogen gewesen, sondern war eine hübsch verpackte Kriegserklärung an seine Person gewesen, aber damals hatte ich auch echt keinen dermaßen heftigen mentalen Absturz meinerseits einkalkuliert. Konnte ja keiner ahnen, schließlich war mir das vorher noch nie passiert. Nicht in diesem Ausmaß jedenfalls, seine Höhen und Tiefen hatte jeder Mensch. Easterlins bloßer Anblick machte es mir zwar schwer, aber ich würde heute wohl lieber etwas kleinere Brötchen backen... oder zumindest nahm ich mir das erstmal so vor. Einer erneuten Entgleisung meiner Gefühle war aktuell schwer entgegenzuwirken. Ich tat es dem alten Sack erstmal gleich und startete mit einem wenig begeistert klingenden Seufzen. "Wie in dem Bericht steht, den sie mit Sicherheit schon gelesen haben, hab ich das Ziel verfehlt. Das kann relativ leicht passieren, wenn sich das Ziel bewegt und ich einen festen Abschuss-Zeitpunkt vorgelegt kriege." Der Typ hatte sich zwar herzlich wenig beim Fast-Einschlafen bewegt, aber das konnte keiner außer Noah und mir widerlegen, also war das eine absolut ungefährliche Lüge. Stand ja sowieso schon so im Bericht. "Ich konnte nicht schnell genug nachladen, also hat Cohen uns unter Beschuss zum Abwarten verdonnert." Ich machte gerade den Mund auf, um unnötigerweise weiter den Bericht wiederzugeben, als Easterlin mir ins Wort fiel: "Woran du dich nicht gehalten hast." Der Einschub war so überflüssig wie ein Salzwasserpool direkt neben offenem Meer. Es lag mir unweigerlich sofort etwas ebenso Unnötiges auf der Zunge, aber ich beließ es bei einem tiefen Atemzug und einem unterschwellig genervten Blick. "Korrekt, Sir. Mein Squad da unten sterben zu lassen, weil eine Kugel ihr Ziel verfehlt hat, erschien mir falsch. Ich habe nur versucht zu retten, was noch zu retten war... und ich denke es ist in ihrem Interesse, wenn sie Niemanden beerdigen lassen müssen." Ich versuchte wirklich mich nicht im Ton zu vergreifen, weil er sowieso am längeren Hebel saß, aber er machte es mir mit diesem eiskalten, stechenden Blick wirklich nicht leicht. Was aus seinem Mund kam, machte es eben auch nicht besser. "Im Bericht steht auch, dass du zu langsam warst... nicht nur mit dem Nachladen. Du hattest also weniger Zeit, um zu Zielen." Ein weiterer, etwas tieferer Atemzug meinerseits. "Ja, weil da verdammt viel Schnee lag und es arschkalt war." Meine Bereitschaft für die richtige Wortwahl schien bereits zu sinken. "Was eine Ausrede ist, genauso wie deine Schulter. Entweder du bist den Schmerz gewohnt, weil er immer mal wieder auftritt, oder es stimmt etwas akut nicht und es wäre deine Pflicht, den zugeteilten Sanitäter oder Arzt aufzusuchen, um ihn das Ganze beurteilen zu lassen. Du hast deine eigenen Waffen - Niemand außer dir verstellt etwas daran. Dein Kinn liegt immer genau an derselben Stelle, wie auch das Gewehr immer an genau derselben Stelle an deiner Schulter anliegt. An anderen Tagen interessiert dich der Rückstoß auch nicht." Mit jedem Wort mehr wurde mir bewusst, wie sehr wir diesen Mann längst aus dem Weg hätten räumen sollen. Einfach schon nur, weil er mir die Worte im Mund herumdrehen wollte... und weil für meinen Geschmack etwas zu viel Wahrheit in seinen Argumenten lag. "An anderen Tagen muss ich auch nicht sofort unter Zeitdruck nachladen, sondern habe meine fünf bis zehn Sekunden Zeit dafür.", konterte ich das einzige, was mir darauf zu sagen möglich war. In den meisten Fällen waren meine Ziele andere Scharfschützen und keine sich hinter vollautomatischen Maschinengewehren verkriechende Arschlöcher, die anhaltenden Kugelhagel bescheren konnten. Die anderen Sniper brauchten selber Zeit zum Nachladen und Zielen, was meiner Schulter mehr Zeit gab. Theoretisch, wenn sie tatsächlich das Problem wäre. Easterlin lächelte wissend in sich hinein und blickte auf den Kugelschreiber hinab, den er beiläufig in den Händen drehte. Fast schon bedächtig löste er sich aus seiner leicht schrägen Sitzposition, um sich uns frontal zuzuwenden und die Hände ineinander gefaltet vor sich auf dem Schreibtisch zu platzieren. Es verstrichen ein paar weitere, zähe Sekunden, ehe er mit dem Kugelschreiber auf die Mappe des Berichts vor seinen Händen tippte und ihn fallen ließ. "Was also sollte die Konsequenz deines Versagens sein? Ein Besuch beim Arzt? Aufputschmittel, damit du beim Zielen nicht einschläfst? Oder vielleicht doch lieber eine Paartherapie für euch beide, damit ihr euch nächstes Mal nicht fast mit meinen Soldaten und meinem Ruf gemeinsam umbringt?" Er klang genauso selbstgefällig und überheblich wie immer. Ich war jetzt wieder fast soweit einfach über den Tisch zu springen und ihn zu erwürgen, wie meine pochenden Schläfen mir ungeniert signalisierten. Sein provokantes, überlegenes Lächeln hätte dafür schon ausgereicht. Trotzdem fragte ich mich, woher er das wusste - es war manchmal unvermeidbar, dass Aryana und ich uns während des Trainings oder in den Pausen auf dem Stützpunkt anfauchten, so wie sich die Lage in den letzten Wochen zugespitzt hatte. Das konnte Easterlin aber nicht selbst rausgefunden haben, wenn er fast nie da war - wenn er doch zu sehen war, rissen wir uns schließlich bewusst am Riemen. Es hatte also entweder einer der Ausbilder mit Freuden seinem allmächtigen Herrn gesteckt, dass es bei uns aktuell nicht so rund lief wie noch zu Beginn unserer Tätigkeit hier, oder es war Jemand aus dem gewöhnlichen Fußvolk gewesen.
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Es lag förmlich in der angespannt knisternden Atmosphäre, dass dieses Gespräch dazu prädestiniert war, in seinem Verlauf mindestens einmal zu explodieren. Die Frage war mehr nur noch, wer es sein würde, der zuerst in die Luft ging, und mit wie viel Wucht. Und was das wiederum für Konsequenzen nach sich zog. Wobei Aryana sich darum gar nicht mehr so viele Gedanken machte - Easterlin hatte sein Urteil eh schon gezogen, diese Gespräche waren doch immer nur noch pro forma. Er wusste eh schon, wie hart er die Strafe ansetzte und wie tief das Messer diesmal bohren würde. Er hatte seinen Schlachtplan längst ausgelegt. Das hier war reine Schikane, mit der er ihnen einmal mehr aufzeigte, dass er ihnen gefühlt endlos überlegen war und sie nichts tun konnten, um dem entgegenzuwirken, weil Mitch ganz einfach ganz schnell wieder in den Knast wanderte, wenn sie nicht endlich kooperierten. Aber genau das hatten sie doch jetzt schon über Monate versucht. Sie hatten sich wirklich darum bemüht, hier nicht komplett aus der Reihe zu tanzen. Übrigens mit ein Grund, warum ihre Beziehung so dermassen den Bach runter gegangen war, denn dieses Spielchen war unendlich frustrierend, unbefriedigend, nervenaufreibend. Sich in einem Job zu bemühen, den man eigentlich hasste, nur um ihn zu behalten, obwohl man ihn gar nicht wollte, war verdammt anstrengend und sie taten es nur darum, weil die Alternative leider absolut untragbar war. Weil sie Mitch endgültig begraben konnte, wenn er zurück ins Gefängnis wanderte. Und an dieser Stelle sich selbst gleich mit. Aber gut. Da waren sie nun. Mitch beantwortete die erste Frage ihres verhassten Bosses verhältnismässig ruhig. Auch die Resonanz auf Easterlins Zwischenfragen fiel sehr sachlich aus und sie hätte Mitch gerne auf die Schulter geklopft dafür. Das alte Arschloch hatte leider deutlich weniger Begeisterung dafür übrig. Ausserdem schien er nach einem kurzen, schnellen Wortwechsel auch schon auf den Punkt kommen zu wollen, so theatralisch wie er sich ihnen zuwandte. Aryana hätte gerne das Licht gedimmt, ein paar Kerzen angezündet und die dramatische Musik aufgedreht, um die Stimmung entsprechend anzupassen, aber dazu fehlte es leider an Zeit und Ressourcen. Sie sah hier keine Kerzen, keine Soundanlage und ob das Licht eine Dimmfunktion besass, wusste sie auch nicht. Es war ihr ein paar Sekunden später aber auch sehr egal. Dieser verdammte Hund. Und diese anderen verdammten Hunde. Wie zur Hölle kam er auf das?! Wer zur Hölle hatte ihn auf diese Fährte gesetzt und wieso wusste er, dass es stimmte?! Dass das wirklich der Grund dafür war, dass Mitch versagt hatte?? Er wusste es nicht, konnte es nicht wissen, aber wahrscheinlich war ihm das auch vollkommen egal. Er brauchte keine Beweise, wenn ihm die These gefiel, wenn sie seinen Zwecken diente und ihm in die Karten spielte. Die Karten, die darauf ausgelegt waren, ihnen hart eine reinzudrücken für einen einzigen, leicht unsauberen Schuss. Statt dass er Mitchs Wille, seinen Fehler im Kampf umgehend auszubügeln, würdigen würde und ihn nach einem Rüffel wieder gehen liess, kam er mit einer verdammten Paartherapie um die Ecke! Das erklärte dann auch, weshalb er sie ebenfalls vor seinen Schreibtisch zitiert hatte, obwohl sie damit objektiv betrachtet überhaupt gar nichts zu tun hatte. Aryana stiess etwas ungläubig Luft durch die Nase aus, schüttelte für sich den Kopf und versuchte irgendwie klar zu denken. War aber schwierig mit dieser Fresse auf der anderen Seite des Tisches. Viel zu nah. Sie könnte sich ausstrecken und ihm ihre flache Hand in die Fresse klatschen, damit er wieder klar zu denken lernte und mal checkte, dass sie nicht seine verdammten Sklaven waren. Waren sie nicht, oder..? Auf jeden Fall musste man bei ihm dringend ein paar defekte Hirnzellen auswechseln und ihn in ein Leadership Training entsenden, welches er offensichtlich nie zuvor genossen hatte. "Oh wow. Mit allem Respekt, es kann nicht jeder so harmonische Beziehungen führen wie sie und ihre zwanzigjährigen Flittchen, deswegen brauchen wir noch lange keine Paartherapie", sie hatte die bissigen Worte in seine Richtung gezischt, bevor sie wirklich darüber nachgedacht hatte, wie ihr auffiel, als es bereits zu spät war. Wenn sie jetzt darüber sinnierte, möchte sie sie aber trotzdem nicht zurücknehmen. Schon nur, weil es ausreichte, um Easterlin ein paar Millisekunden etwas aus dem Konzept geworfen blinzeln zu lassen. "Wie bitte?", er war erstmal so freundlich, ihr eine zweite Chance zu geben. Das war ganz süss. Und sie war sehr versucht, den exakt gleichen Wortlaut nochmal in laut und deutlich und sehr langsam wiederzugeben... Aber das wäre dumm. So wie das andere eigentlich auch schon dumm gewesen war. Also zuckte sie mit den Schultern und schwieg, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte stur, fast trotzig, in seine Richtung. "Ist das denn möglicherweise ein wunder Punkt, Aryana? Euch stehen psychologische Dienste zur Verfügung, daran solls nicht scheitern. Solche Beziehungsprobleme brauchen euch nicht unnötig weiter zu belasten", scheinbar hatte er sich wieder gefangen, wie er in gleichem Tempo und ohne Rücksicht auf Verluste fortfuhr. Immerhin war das Lächeln aus seinem Gesicht verschwunden, zumindest vorübergehend. Hätte auch nicht zum nächsten theatralischen Seufzen, gepaart mit einer scheinbar hilflosen Geste seinerseits gepasst. "Mein Problem liegt lediglich darin, dass ich es meinen Soldaten schuldig bin, weiterhin wann immer möglich für die allgemeine Sicherheit zu garantieren. Auch wenn ihr euch noch nicht wieder lieb habt. Genau darum werdet ihr vorerst nicht mehr auf die gleichen Einsätze fliegen. Gilt erstmal für die nächsten zwei bis drei Monate, je nach Einsätzen und Entwicklung", die selbstgefällige, überhebliche Tonlage war vollumfänglich zurück. Und nun auch das Lächeln. Der nächste geniale Schachzug.
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Easterlin schien schon lange das Gefühl dafür verloren zu haben, sich ansatzweise wie ein Mensch zu verhalten, der verwundbar war. Kein Wunder, wo er sich auf diesem Planeten inzwischen wahrscheinlich so gut wie alles kaufen konnte - einschließlich jedes Menschen, dessen Dienste er in irgendeiner Form benötigte. Also auch einschließlich Aryana und mir, selbst wenn wir seine Investition in seinen Augen nicht angemessen würdigten. Niemand hier konnte mir erzählen, dass ich der erste in seinen Reihen war, der mal daneben geschossen hatte. Sowas kam vor, schon eine Prise Pech reichte dafür aus. Vielleicht ging es ihm also nur so akribisch gegen den Strich, weil er uns als Team eingekauft hatte und wir gerade nicht so gut miteinander funktionierten, wie er das von uns haben wollte. Anders ließen sich seine Worte hinsichtlich der Paartherapie kaum rechtfertigen - es ging ihn nämlich einen gepflegten Scheißdreck an, wie unsere Beziehung lief. Ich ging auch nicht zu ihm nach Hause und hakte bei seinem Betthäschen nach, ob denn alles rund lief. Das einzig gute an Easterlins Armee im Vergleich zur Army war gewesen, dass unsere Beziehung hier offiziell erlaubt war und wir nicht mehr so tun mussten, als wären wir bloß gute Freunde. Ganz so irrelevant war unser Beziehungsstatus nun aber scheinbar doch nicht mehr. Nachvollziehbar in Hinsicht darauf, dass ich andere seiner Männer und Frauen gefährdet hatte - aber es ging ihn eben trotzdem nichts an und er hatte uns keine verdammte Paartherapie zu empfehlen, wenn es genauso gut fünf Millionen andere Gründe dafür geben konnte, dass ich daneben geschossen hatte. Aryana war da ganz meiner Meinung, was sie ihm auch unverblümt ins Gesicht pfefferte. Ihre Worte zupften unweigerlich für einen Moment an meinen Mundwinkeln. Easterlin schien eher damit gerechnet zu haben, dass ich wieder aus der Reihe tanzte, so wie er in den folgenden Sekunden aus der Wäsche guckte. Er sollte mal lieber nicht glauben unsere Beziehungskrise würde dazu führen, dass wir uns plötzlich uneinig mit unserer Meinung über ihn waren - erst recht dann, wenn er uns als Paar angriff. Das war nämlich durchaus ein wunder Punkt und man stocherte besser nicht in Wunden herum, die wir beide uns teilten. Je länger die Pestbeule auf dieser Sache herum ritt, desto finsterer wurde auch mein Gesichtsausdruck. Letztlich lockerte sich die angespannte Falte auf meiner Stirn aus Entsetzen, als er verkündete uns vorerst zu trennen. Ich hätte ihn fast reflexartig gefragt, für wen er sich eigentlich hielt, aber das wussten wir längst. Es dauerte zwei, drei Sekunden, bis sich das abfällige Schnauben aus meiner Kehle löste. Dicht gefolgt von einem fassungslosen Kopfschütteln. "Das werden Sie bereuen." Eine kalte Feststellung meinerseits, wie ich sie ihm auch schriftlich auf den Tisch legen würde. "Oh glaub mir, das tue ich längst. Versprochen wurden mir zwei unkaputtbare Soldaten. Das Dreamteam schlechthin, das sich in Syrien eisern zu zweit einen Weg aus der Hölle gekämpft hat, im Schlepptau zwei schwerverletzte Geiseln..." Er betonte das so hochgradig dramatisch, als würde er gerade die Stelle seines Lieblingsfilms zitieren. "...und bekommen habe ich stattdessen zwei Heulsusen, die sich wegen ein bisschen Herzschmerz nicht im Griff haben. Ich habe euch nicht zusammen operieren lassen, damit ihr mir alles kaputt macht. Also trenne ich euch so lange, bis ihr euch wieder wertschätzt. Ihr solltet mir dankbar sein." Dankbar, verfluchte Scheiße?! Ich stand energisch auf, weil mein Instinkt mir dringend anriet das Übel auf der anderen Seite des Tisches zu eliminieren, bevor es noch schlimmer wurde. Aber als ich die rechte Hand anhob, lenkte ich sie noch rechtzeitig um. Raufte mir die Haare und kratzte mir dabei bewusst ein wenig über die Kopfhaut, um nicht stattdessen etwas sehr Dummes zu tun. Dokumentierter Mord war keine Option, wenn ich nicht in den Knast wollte. Genauso wie ein weiterer Ausraster Easterlin gegenüber keine Option war, weil er mir Aryana dann nach einem ihrer nächsten Einsätze ohne mich häppchenweise servieren würde. "Daran solltest du ebenfalls dringend arbeiten, Mitchell. Ich weiß nicht woher sie kommt, aber diese Wut ist mit Sicherheit deine größte Schwäche. Das macht dich berechenbar und blind. Ich bin sicher auch dabei kann dir der Therapeut helfen." Ich ballte meine Hand mitsamt Haarsträhnen dazwischen zur Faust. Das schmerzhafte Ziehen an der Kopfhaut hinderte mich zumindest daran, ihm die Fresse zu polieren. "Sie können Gift drauf nehmen, dass Niemand, der auch nur ansatzweise von ihnen bezahlt wird, in meinen gottverdammten Schädel sieht.", fuhr ich ihn scharf an, als ich die Hand wieder aus den Haaren nahm. Nur über meine Leiche würde ich einem Psychologen oder Therapeuten Dinge über mich anvertrauen, die Easterlin bisher noch nicht wusste. Er kannte mich ohnehin besser als mir lieb war, er würde meinem Schädel also so fern bleiben, wie es nur irgendwie ging. Meine funkelnden Augen sprachen längst die selbe Drohung aus wie bei meinem letzten Besuch, aber wieder lächelte er nur mit dem Wissen, dass er der Einzige war, der dieses Gespräch gewinnen konnte. "Niemand wird gezwungen, den psychologischen Dienst zu nutzen. Es steht euch frei, darüber selbst zu entscheiden. Aber ich hoffe sehr, dass ihr euch das kostenfreie Angebot zu Herzen nehmt, bevor einer von euch beiden ins Gras beißt. Denn genau das wird passieren, wenn sich keine deutliche Verbesserung einstellt. Auf die eine oder auf die andere Art." Es war schon mehr als dreist gewesen, als er mir das letzte Mal mit Aryanas Ermordung gedroht hatte. Ich dachte eigentlich, dass das die Spitze des Eisbergs gewesen war, aber weit gefehlt - dass sein eisiger Blick mitsamt gestelltem Lächeln während des letzten Satzes zurück zu der Brünetten schwenkten, hätte die Drohung selbst stumm ein weiteres Mal ausgesprochen.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
Sie hatte nichtmal ansatzweise eine Ahnung, wie sie auf diese absolut bescheuerte Aussage reagieren sollte. Konnte man wohl auch sehr deutlich aus ihrem Gesicht lesen, denn sie schüttelte sehr langsam, durch und durch ungläubig den Kopf. Für was hielt dieser Drecksack sich eigentlich?? Sie wollte gar nicht dran denken, wie unkonzentriert sie kämpfen würde, wenn sie wusste, dass Mitch woanders an der Front stand und jederzeit sterben könnte. Also nicht wirklich, weil sie glücklicherweise selten mit Konzentrationsproblemen zu kämpfen hatte, wenns ernst wurde - aber rein theoretisch gesehen, war das viel gefährlicher für seine geliebten, schätzenswerten Soldaten als die Streits, die eben ab und an zwischen ihnen stattfanden oder stattgefunden hatten. Gott war dieser Mensch eigentlich komplett des Wahnsinns?? War es nicht schlimm genug, dass sie zusammen überhaupt weiterhin Menschen töten und mit brandgefährlichen Waffen um sich schiessen mussten, während sie sich ständig in latenter Lebensgefahr befanden, nur um irgendwie am Leben zu bleiben und sich nicht zu verlieren und irgendwann, wenn die Sterne richtig standen und der Mann vor ihnen halbwegs gesunde fünf Minuten durchwanderte, endlich frei zu sein?! Die Frage konnte sie sich selbst beantworten, denn nein - offensichtlich war das nicht schlimm genug. Offensichtlich war es erst dann (vielleicht) schlimm genug, wenn sie das alles allein durchleben mussten. Denn hier hatten sie nichtmal Arbeitskollegen, mit denen sie sich wirklich verstanden und die ansatzweise als vorübergehender Ersatz für Mitchs Gesellschaft hinhalten könnten. Einige wenige waren gut, so wie sie es von Noah behaupten würde, aber die meisten entsprachen dem Abschaum, den man aus dem Knast erwarten konnte, leider etwas zu gut. Also ja, sie konnte den vier Worten, die Mitch als erste Antwort auf Easterlins Unverschämtheit von sich gab, definitiv zustimmen. Das würde er bereuen - und mit dem Leben bezahlen. Es würde einer der Gründe werden, warum er sterben musste, deutlich schneller, als er es als Mr. Indestructible erwartete. Das sagten auch seine nächsten dramatischen Worte aus, die zeigten, wie falsch er die Drohung interpretierte, weil er sich eben als unverwundbar betrachtete. Er glaubte, es zu bereuen, weil sie seinen Geldbeutel nicht noch fetter gemacht hatten, sondern bislang offenbar nur Ärger brachten. Well - joke's on you: Sie konnten noch wesentlich unerträglicher werden. Aryana blieb erstmal sitzen, als das Gespräch seinen Lauf nahm. Nur ihre Lippen presste sie fest und fester aufeinander, ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Mit jedem Wort des reichen Sackes mehr und mehr. Er bemühte sich hier echt darum, ihnen einmal mehr seinen ganzen dreckigen Charakter zu präsentieren, den sie nicht hatten sehen wollen. Absolut abscheulich, wie er sie behandelte, als wären sie seine Fussmatten, die hier überhaupt gar nichts zu melden hatten und nur funktionieren sollten, während sie ihm dankbar dafür waren, dass er ihnen dieses glorreiche Leben ermöglichte. Aber das waren sie nicht. Sie hassten ihn mit ganzem Herzen und Easterlin wusste das - machte sich einen Spass daraus, weil er glaubte, dass sie ihm nichts anhaben konnten. Sie ihm nicht, aber er ihnen eben schon. Sie verstand die Drohung sehr genau, die er ein weiteres Mal so beiläufig aussprach, als sein Blick letztendlich wieder bei ihr ankam. Völlig unverblümt und rücksichtslos, gab er bekannt, dass er sie bei Bedarf auch hinrichten lassen konnte, wenn sie weiterhin Scheisse bauten und nicht seinen Erwartungen entsprach. Sie hatte das bereits gewusst, weil Mitch sie das letzte Mal nicht ganz freiwillig darüber informiert hatte, was Easterlin ihm gesagt hatte. Aber es war nochmal eine Spur dreister, wenn er es ihr hier direkt ins Gesicht knallte. Gerade wenn man glaubte, er hätte den Höhepunkt seiner Abscheulichkeit nun endlich erreicht. Aber das war nun auch eindeutig zu viel für Aryana. Scheiss auf Einschleimen und Aufsteigen und dabei hoffen, ihm so irgendwann nahe genug zu kommen, um ihm das Messer persönlich in die Brust zu rammen. Wäre sowieso hässlich geworden - sie wollte das Blut dieses Abschaums lieber nur sinnbildlich auf ihren Händen sehen. Leider aber nicht hier und jetzt, wo sie ihn mit eisernem Blick gefangen hielt. "Jetzt hören Sie mal gut zu, Sie verdammter Drache", zischte sie direkt in seine Richtung, während sie sich ebenfalls von ihrem beschissenen Stuhl erhob. "Erstens hat Ihnen überhaupt gar niemand irgendwas versprochen - wir haben uns nie als unbesiegbares Dreamteam bezeichnet und Sie sollten das eigentlich sowieso besser wissen, wenn Sie ständig Soldaten aus dem Gefängnis rekrutieren", wie sollten sie denn so toll funktionieren, wie er es scheinbar erwartet hatte, wenn ihre Beziehung davor fast nur durch Gitterstäbe abgelaufen war? Konnte er ihr gerne erklären, wenn er es wusste. "Zweitens haben wir Ihnen in keiner Weise alles kaputt gemacht, es war ein einziger, nicht perfekter Schuss! Den wir aber gerettet haben - die beschissenen Papiere sind gestohlen und sicher übergeben worden, falls Sie das per Zufall nicht mitgekriegt haben, weil Sie zu stark auf unnötige Beziehungstipps konzentriert waren", oh ja, sie redete sich hier gerade richtig in Fahrt und war auch definitiv noch nicht fertig, egal wie wenig Begeisterung ihr von der anderen Seite des Schreibtisches entgegenstrahlte. Verdammter Drecksack konnte auch mal zuhören, während sie sich nun mit beiden Händen auf dem dunklen Holz abstützte und ihren stechenden Blick keine Sekunde von seinen Schlangenaugen abwandte. "Drittens gibt es sehr wenig auf dieser Welt, was ich mehr wertschätze als Mitch. Und viertens... Viertens möchte ich sehr gerne wissen, wie zur Hölle Sie immer wieder darauf kommen, dass Ihre unverblümten Morddrohungen in meine Richtung sich positiv auf unsere Arbeitsmoral auswirken sollten. Sie Arschloch", damit hatte sie vorübergehend geschlossen. Was nicht heissen sollte, dass sie sich auch nur einen Zentimeter rückwärts bewegte, geschweige denn sich wieder hinsetzte. Aber es sollte auch nicht heissen, dass sie für die Retourkutsche bereit war, die zweifellos gleich folgen würde. Easterlin blitzte sie nun nicht mehr mit seinem dämlichen gestellten Grinsen an, sondern doch mit einer Prise Wut. Gefährliche Wut, das wusste sie. Es war ein Spiel mit dem Feuer, ihm die Meinung zu sagen - gerade dann, wenn die Konsequenzen bekanntermassen untragbar ausfallen könnten. Aber für solche Bedenken war es jetzt zu spät.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ich wusste gar nicht, wo ich hinschauen sollte. Meine Augen switchten innerhalb der ersten paar Sekunden zwischen Easterlin und Aryana hin und her, kaum hatte die Brünette zu einem Wirbelsturm aus Worten angesetzt. Dem reichen Sack fielen im ersten Moment ein weiteres Mal fast die Augen aus dem Kopf, als sie damit anfing ihm die Leviten zu lesen, was ein absolut herrlicher Anblick war. Leider fing er sich nach kurzer Zeit wieder, als er merkte, dass sie nicht plötzlich zurückruderte, sondern fröhlich weiter auf ihm rumhackte. Immerhin hatte sie es geschafft ihm das selbstgefällige Lächeln aus dem Gesicht zu pusten. Vielleicht spielte es uns nicht grade in die Karten, wenn er uns beide nicht leiden konnte - ich hatte mich sicherlich schon beim letzten Mal ausreichend unbeliebt gemacht, damit Aryana und ich nun etwa auf dem selben Level von unten durch schwammen. Wir brauchten in Zukunft spätestens jetzt nicht mehr zu versuchen, ihn irgendwie über die Beliebtheitsschiene dranzukriegen. Es war aber auch nicht so als hätten wir uns jemals wirklich auf diesen Plan festgelegt oder als stünde der Brünette noch der Sinn danach. Diese Option hatte mit Sicherheit schon auf der Kippe gestanden, als ich ihr zwangsweise von Easterlins Morddrohung gegen ihre Person erzählt hatte. Denn auch wenn Aryana Arschkriecherei theoretisch sicherlich besser hinbekam als ich, wenn sie das wollte, hätte sie daran spätestens ab diesem Zeitpunkt noch weniger Gefallen gefunden als vorher. Uns auf die nette Tour Vorteile zu verschaffen war nicht unser Stil und wir würden einen anderen Weg finden. Hatten wir bei Warren schon hingekriegt - auch wenn man fairerweise sagen musste, dass dieser Idiot ein deutlich leichteres Ziel dargestellt hatte. Vielleicht war es nicht klug es sich mit dem Milliardär noch mehr zu verscherzen, aber kein ansatzweise empathischer Mensch könnte uns das übel nehmen. Nach Aryanas durchaus unterhaltsamer Ansprache herrschte erst einmal zehn Sekunden lang eisiges Schweigen, in dem alle Beteiligten sich gegenseitig gefühlt mit Blicken hinrichteten. "Hinsetzen.", kam nur ein einziges Wort über Easterlins Lippen. Aber auch wenn es nur ein ein Wort war, schloss er mit seiner Tonlage genau da an, wo er aufgehört hatte - es klang wie eine unterschwellige Drohung, was allerdings nicht bedeutete, dass wir Folge leisteten. Er regte sich keinen Millimeter, während seine Augen auffordernd zwischen Aryana und mir schwenkten. Als fünf Sekunden später noch keiner - außer ihm selbst nach wie vor - auf dem Hintern saß, drängelte er mit einem deutlich schärfer klingenden "So. Fort." weiter. Ich schnaubte bloß, zog unbeeindruckt die Augenbrauen nach oben und verschränkte die Arme vor der Brust. Tja, war wohl nichts aus seiner Wunschvorstellung zweier braver Soldaten geworden. Easterlin stöhnte genervt auf, als er die rechte Hand nach dem Telefon auf seinem Schreibtisch ausstreckte. "In mein Büro.", war alles, was er an den Hörer loswurde, bevor er ihn wieder weglegte. Dann lehnte er sich zurück und blickte abwartend in unsere Richtung, so als würden wir es uns plötzlich doch anders überlegen, nur weil er ein Telefon besaß. Es dauerte knappe fünfzehn Sekunden, bis zwei seiner schick in Uniform verpackten Securitys im Büro aufschlugen. Easterlin machte nur eine abfällige Handgeste in unsere Richtung, bevor die beiden Männer drauf und dran waren uns zurück auf unsere Stühle zu tackern. Dass ich bei seinem ersten Versuch energisch die Hand des Typen wegschlug, endete anschließend mit einem harten Tritt in die Kniekehle und schwungvollem zurück nach hinten auf den Stuhl ziehen. Er blieb danach auch wie ein dämlicher Wachhund hinter mir stehen, nur für den Fall der Fälle. Das Arschloch auf der machthabenden Seite des Tisches wartete mehr oder weniger geduldig, bis Aryana und ich unfreiwillig erneut Platz genommen hatten. "Glaubt ihr etwa, dass ihr die ersten seid, die versuchen mir hier auf der Nase herumzutanzen? Diamanten entstehen nur unter Druck - wer ihn nicht aushält wird von mir aussortiert, sobald ich einen würdigen Ersatz habe. Bei euch beiden hatte ich was das anging eigentlich keine Bedenken, aber scheinbar lag ich damit falsch." Oh und wie sehr er mit seiner Annahme nicht falsch lag. Ich sehnte schon jetzt den Tag herbei, an dem er das merken würde. Easterlin stand auf und ging langsam, aber mit sehr angespannter Körperhaltung um den Schreibtisch herum. "Victoria Allen und Oliver Morgan... das sind die zwei Ex-Soldaten gewesen, die vorher eure Posten hatten. Sie hat sich von ihren PTSDs zerquetschen lassen und er hat ständig den Rebellen markiert." Was zum Teufel interessierte uns das? Er umrundete zuerst mich und ich folgte ihm argwöhnisch mit meinem Blick. Es war unschwer zu erkennen, dass er nicht auf mich aus war, weshalb ich dazu ansetzte aufzustehen, als er direkt hinter Aryana zum Stehen kam. Ich hatte augenblicklich wieder zwei schwere Pranken auf den Schultern, die mich zurück in den Stuhl drückten, während der Schoßhund schräg hinter der Brünetten nach ihrem Kinn griff, um es so weit anzuheben, dass sie Easterlin ansehen musste. "Wenn dir dieser Hochverräter so viel mehr wert ist als der Rest der Welt, dann solltest du dummes Miststück vielleicht aufhören dem Mann in die Suppe zu spucken, der ihn aus dem Knast geholt hat." Er spuckte die Worte dicht vor ihrem Gesicht mit so viel Nachdruck zu Aryana runter, als wäre er tatsächlich kurz davor ihr ins Gesicht zu rotzen. Er tat es wahrscheinlich nur deshalb nicht, weil es nicht seiner Reichen-Etikette entsprach. "Noch ein einziges falsches Wort und er wandert spätestens morgen zurück in Einzelhaft, ist das jetzt angekommen?!", ließ er mit zusammen gekniffenen Augen und hervortretender Halsschlagader die nächste Drohung verlauten. Dieses Mal umgekehrt, weil er den Spieß bei uns beiden allzu leicht umkehren konnte. Meine Finger verkrampften sich schmerzhaft um die dünnen Armlehnen des Stuhls. Der Tag, an dem er mit solchen Worten nichts mehr ausrichten konnte, würde kommen. Das war es, was ich mir mental gerade sehr konzentriert einreden musste, um wortlos hocken zu bleiben wie ein getadeltes Kind.
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Natürlich hatte sie gewusst, dass sie den Mund zu voll genommen hatte. Natürlich war ihr klar gewesen, dass gleich ein Sturm zurückkommen würde. Natürlich hatte sie mit dem eisigen Wind gerechnet, der ihnen entgegenwehte, kaum war der letzte Ton über ihre Lippen gehuscht. Trotzdem war es das irgendwie wert gewesen. Am Ende würde es objektiv betrachtet genau gar nichts gebracht haben, weil Easterlin sich sicherlich nicht mit einer Standpauke in seinem idiotischen Getue beeinflussen liess. Sie würde sich damit nur sehr viele Minuspunkte einfangen und das war eigentlich schlecht. Aber ihrer Seele tat es gut und das war hier gerade wesentlich entscheidender. Sie fühlte sich zumindest während der paar Sekunden Stille, die im Anschluss an ihre Worte einsetzte, gewissermassen befreit. Weil sie nicht mehr so zu tun brauchte, als könnte sie diesen Mistkerl auf irgendeiner Ebene ausstehen. Weil sie ihm endlich hatte sagen können, was sie dachte - auch wenn es selbstverständlich nur ein Bruchteil ihres Gedankengutes war und sie noch stundenlang so weiter hätte machen können. Ihm gerne all die Fehlerpunkte in seinem beknackten System aufgezeigt hätte. Wäre nur dezent sinnlos gewesen, weil er zu arrogant und selbstgefällig war, um auch nur vorsichtig in Erwägung zu ziehen, dass hier nicht alles so perfekt lief, wie er es gerne hätte. Aber gut. Das Schweigen hielt nicht lange an und wurde von einer eisigen Forderung beendet. Hinsetzen. Das klang in ihren Ohren schon wieder viel zu stark nach anstrengenden Schulkindern, die nicht gehorchen konnten. Selbstredend dachte sie gar nicht daran, auch wenn sich mittlerweile leider auch ihr Arm wieder meldete, um zu verstehen zu geben, dass er es gar nicht schätzte, wie sie sich hier auf den Schreibtisch stützte. Jedenfalls triggerte die ganze Aktion gleich das nächste Machtspielchen seitens des Milliardärs, der nun Verstärkung anforderte. Schon bedenklich, wenn mans sich mit seinen Angestellten so regelmässig dermassen verspielte, dass das Sicherheitspersonal bereits nach drei Worten wusste, wo das Problem lag und was zu tun war. Die zwei massigen Schosshunde folgten dem Befehl in Sekundenschnelle, tanzten im Büro an und halfen ihnen ungefragt und unsanft dabei, der Aufforderung doch noch Folge zu leisten. Aryana setzte sich letztendlich auch fast freiwillig hin, weil sie lieber auf Unterstützung verzichtete, die Pfoten des Securitys nicht an ihrem Körper brauchte. Aber das war scheinbar noch nicht genug, denn die beiden sympathischen Deppen blieben einfach stehen wo sie waren, während der Teufel nun wieder zum Sprechen ansetzte. Leise und drohend, wie er es am zweitbesten konnte - direkt nach arrogant und spöttisch. Diamanten entstanden unter Druck, sagte er. Mochte sein. Aber das hier war kein Druck, sondern Schikane. Den Druck hatten sie längst durch, weshalb sie ihm gerne verkünden würde, dass sie beide bereits in Syrien zu Diamanten geworden waren. Er war nur zu dumm, das zu erkennen oder zu dumm, einen Diamanten richtig in Szene zu setzen. Doch er redete noch weiter. Sprach von ihren Vorgängern, die sie gar nicht kannten oder kennen wollten. Oder kennen konnten, weil sie wohl tot waren. Ein Glück litt keiner von ihnen unter PTSDs, hm? Damit waren sie wohl vor diesem Schicksal bewahrt. Nicht. Leider war das Arschloch damit nicht fertig, sondern setzte seinen Spaziergang fort, um schliesslich direkt hinter ihr stehen zu bleiben. Sie hatte definitiv nicht beabsichtigt, ihm irgendwie zusätzliche Aufmerksamkeit zu schenken, was aber scheinbar nicht in seinem Sinn stand, so wie sein treudoofer Bediensteter nach ihrem Kinn angelte. Den ersten Versuch vereitelte sie noch, indem sie sich seitlich aus dem Griff wand, aber wirklich nachhaltig fruchtete das Unterfangen natürlich nicht, weil der Schosshund ihren Kopf so gegen die Stuhllehne drückte, dass sie ihm nicht mehr entkommen konnte. Gleich darauf blickte sie wieder mit unverändert hasserfüllten Augen in die kalte Visage des obersten Befehlshaber dieses beschissenen Schuppens. Es folgte die nächste sehr unverblümte, nackte Drohung inklusive Beleidigungen für sie beide. Viel zu nah vor ihrem Gesicht. Sie hasste zu viel Nähe von unerwünschten Personen immer - wenn es sich dabei noch um abscheuliche Ekelpakte wie Easterlin handelte, war das allein schon eine ernsthafte Vorstufe von Folter. Das war auch deutlich ersichtlich, weil sie erneut versuchte, der unnachgiebigen Hand an ihrem Kinn seitlich zu entwischen, um etwas Distanz zwischen sich und das Elend zu bringen. Was aussichtslos war, weil der Griff nur fester wurde und das Arschloch scheinbar eh noch nicht ausgeredet hatte. Aber mit der folgenden Drohung hatte sie schon gerechnet. Aryana musste sich gehörig auf die Zunge beissen, um ihm nicht direkt ihre ungefragte Meinung dazu ins Gesicht zu spucken. Aber sie sollte froh sein, dass es nur die Drohung war. Sie sollte froh sein, dass sie noch eine Chance bekamen. Denn wenn sie eins noch weniger wollte als diese Hölle hier, dann war das Mitch zurück im Knast zu wissen. Und das wusste Easterlin, darum war dieser Schlag ins Gesicht auch zum Ende gekommen. Tja, war das angekommen? Sie hatte ein ganzes Skript an Gegenargumenten und Antwortmöglichkeiten für dieses Schwein bereit. Aber nichts davon kam über ihre bebenden Lippen, nichtmal ein sehr gepflegtes und wohlverdientes Fuck you. Denn ja, sie hatte verstanden. Auch wenn ihre Bestätigung fehlte. Was heute eher nicht geduldet wurde. "Ist. Das. Angekommen, Aryana?!", die zweite Frage klang deutlich ungeduldiger als die Erste das bereits getan hatte und wahrscheinlich würde ihr Kieferknochen bald brechen unter dem Druck, den Easterlins vorübergehend rechte Hand darauf ausübte. War das Schweigen denn nicht Antwort genug?? Wenns nicht angekommen wäre, hätte sie längst etwas gesagt. Etwas Unschönes - aber sehr sicher ebenso Wahres. "Ja.", nicht viel mehr als ein wuttriefendes Zischen, aber alles, was er von ihr erwarten konnte und auch die ganze Antwort auf seine Frage. "Gut. Ich hoffe für euch, die nächsten drei Monate werden euch helfen, euren Platz endlich zu finden. Die Geduld ist aufgebraucht.", Shockerrrr. War ihr ja bisher nicht aufgefallen. Easterlin trat nach einem letzten eisigen Blick wieder um seinen Schreibtisch herum. Endlich. Dadurch löste sich auch der Griff um ihr Kinn, wenn auch deutlich zu langsam für sie, weshalb Aryana ihren Kopf schliesslich ruckartig zur Seite riss und ein paar unruhige Atemzüge lang die Wand anfunkelte. Sie widerstand dem Bedürfnis, sich über die Stelle zu reiben, an der die dreckige Hand gelegen hatte, wartete nur noch auf das “Abtreten.", des Milliardärs, bevor sie auf die Füsse sprang und nach einem letzten Todesblick über den Schreibtisch zur Zimmertür stapfte. Zweifellos noch immer auf mindestens 180, da sich hier ja keiner um ihre Nerven kümmerte. Sie wurden wieder ganz freundlich nach unten und draussen eskortiert, durften aber immerhin das letzte Stück zu ihrem Auto selbstständig zurücklegen. Der Weg lag - wie sehr weite Teile dieses Areals - im Sichtfeld von Easterlins Büro. Und Aryana war sich fast sicher, dass er jetzt gerade da oben an der Fensterfront klebte, die Hände in die Seiten stemmte und sich innerlich auf die Schulter klopfte, weil er sie so gut im Griff hatte, so effektiv terrorisieren konnte. Sie wartete nicht mal, bis sie das Auto erreicht hatten, zog Mitch an seiner Hand zurück, um ihn zum Stehen zu bringen, verschränkte schon dabei ihre Hände in seinem Nacken, um ihn etwas zu sich runter zu ziehen, bevor sie ihn in einen leidenschaftlichen Kuss verwickelte. Definitiv mehr, als sie das hier üblicherweise tat, aber Wut war ein sehr energiegeladenes Gefühl, das sich leicht in Entschlossenheit übersetzen liess und der Pisser da oben durfte ruhig sehen, wer hier am dringendsten eine Therapie nötig hatte. Nämlich er, gegen seinen undiagnostizierten Narzissmus. "Wir müssen schauen, dass wir vorankommen mit einem Plan", flüsterte Aryana an Mitchells Mund, ohne dabei wirklich die Lippen zu bewegen. "Aber das hat schonmal ziemlich gut getan", damit meinte sie in erster Linie ihren Ausraster da oben, aber auch den intensiven Kuss, den sie gleich noch ein Stück in die Länge zog. Das Ergebnis ihres unfreiwilligen Meetings in Form der Strafe war absolut beschissen. Das Drumherum auch. Aber darüber würden sie noch oft genug nachdenken müssen, wenn sie mit den Folgen zu kämpfen hatten.
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Wie oft hatte er so eine Nummer schon abgezogen? Hatte er gegen jeden Soldaten, den er hier aufnahm, sowas in der Hand? Da nicht wenige aus seinen Reihen dem Gefängnis entsprangen, war es naheliegend. Die meisten von ihnen waren wahrscheinlich genauso wie ich hier, weil sie hinter Gittern die Hölle durchgemacht hatten und gefühlt alles besser war als der Terror im Knast. Aber was war mit den anderen - denen, die den Vertrag deutlich freiwilliger unterschrieben hatten? Man hatte sicherlich mehr von Easterlins dreckigem Geld, wenn man keine hiesige Gefängniskaution abstottern musste. Reichte das, um sich hier wohlzufühlen? War genügend Geld aus seinen Taschen wirklich ausreichend, um seine hässliche Persönlichkeit und seine militärischen Machenschaften leicht ertragen zu können? Ich war froh darüber, dass er es bei einer Ansprache beließ und selbst keinen Finger an Aryana legte. Auch wenn es ihm dabei sicherlich nur darum ging sich als reicher Schnösel nicht selbst die Hände dreckig zu machen, wäre das wahrscheinlich die Grenze gewesen, an der ich ausgetickt wäre. Seine wieder nur semi-gut durchdachten Worte reizten meinen Gehörgang immens, aber sie waren dennoch leichter zu ertragen als seine Hände an ihrem Kinn. Es war minimal weniger ätzend, wenn Jemand die Hand auf ihrer Haut hatte, der ihr eigentlich gar nichts anhaben wollte, sondern nur seinen Job ausführte. Dementsprechend emotionslos gestaltete sich auch der Gesichtsausdruck des Securitys, der diese Aktion wahrscheinlich schon fünfhundert Mal für Easterlin durchgezogen hatte. Meine Brust hob und senkte sich noch immer in unnormalem Ausmaß, als das reiche Arschloch zurück zu seinen Platz hinterm Schreibtisch ging. Ich überließ Aryana auch dieses Mal den Vortritt bei der Bürotür, schon nur um dem selbstgefälligen Mistkerl noch einen angriffslustig funkelnden Blick beim Rausgehen über die Schulter zuwerfen zu können. Der Druck in meiner Brust hatte sich noch nicht maßgeblich gesenkt, als wir beide kurz darauf an der frischen Luft ankamen. Ich war nach wie vor dabei Easterlin gedanklich auf mindestens fünf verschiedene qualvolle Arten umzulegen, als die Brünette mich auf dem Weg zum Auto ziemlich unerwartet ausbremste. Das hieß aber nicht, dass ich mich zwei Mal zum Kuss bitten lassen musste - ganz im Gegenteil. Ich war sofort Feuer und Flamme für den intensiven Kuss und streckte die rechte Hand nach Aryanas Wange aus, während die Finger der linken sich in der seitlichen Gürtelschlaufe ihrer Jeans einhakten und sie eng bei mir hielten. Müsste eigentlich auch in Easterlins Interesse sein - er wollte doch, dass wir wieder näher zusammenrückten, oder? "Werden wir.", nuschelte ich in der kurzen Pause fast stumm zurück. Spätestens jetzt stand auch gar nichts anderes mehr zur Debatte, weil uns die Zeit im Nacken saß. Es war unwahrscheinlich, dass wir ihn innerhalb der nächsten drei Monate schon gestürzt bekamen - aber wenn wir bis zum Ablauf seiner dämlichen Frist wenigstens schon einen guten Plan oder Ansatz dafür hatten, ließ sich seine Schikane leichter ertragen und es wurde dadurch unwahrscheinlicher, dass ich im Knast landete oder Aryana in Stücke gehackt wurde. Vorausgesetzt wir überlebten jeder für uns die kommenden drei Monate. Vorerst kostete ich die zweite Runde des Kusses aus, der zumindest einen Teil der drückenden Wut von meiner Brust nahm. Ich hatte dieses Einheitsgefühl schrecklich vermisst. Es war uns nicht anzuraten für den Rest unseres Lebens nach ebenbürtigen Gegnern zu suchen - weiter gemeinsam Morde zu planen, uns durch syrische Parasitenhügel zu ballern oder uns gegen reiche Unmenschen zu verschwören, weil uns alles davon irgendwann das Leben kosten würde. Von mir aus konnten wir uns zukünftig auch stattdessen nur gegen irgendeinen Bankier verschwören, der uns keine Hypothek für was auch immer genehmigen wollte, nur weil wir nicht verheiratet waren. Hauptsache wir hörten nicht noch einmal damit auf, am selben Strang zu ziehen. "Ist auch ziemlich heiß wenn du austickst, weil du uns verteidigst." Scheinbar beflügelte mich die Verschwörung gegen einen gemeinsamen Feind selbst in dieser Hinsicht. Wenn sich Aryanas Wut gezielt gegen mich richtete, dann war das fast ausschließlich frustrierend. Aber so? Ich hatte wohl ziemlich offensichtlich einen Fetisch für Frauen, die sich nicht gerne kleinmachen ließen, Grenzen testeten und einen Sprung von Größenwahnsinn in der Schüssel hatten. Mit einem flüchtigen Grinsen hauchte ich noch einen weiteren Kuss an ihre Lippen, bevor ich mich aus dem innigen Moment löste. Trotzdem griff ich auf den letzten Metern zum Auto demonstrativ nach der Hand ihres unverletzten Arms. Wenn wir schon ein Schauspiel boten, konnten wir's auch gebührend zu Ende bringen. Erst am Wagen angekommen lösten sich meine Finger von ihren. Ich war schon auf dem Hinweg gefahren, weil das kleine Loch im Bein sich beim Fahren als weniger schmerzhaft erwies im Vergleich zu Aryanas durchbohrtem Arm, also nahm ich auch dieses Mal hinterm Steuer Platz. Nur wo ansetzen mit dem Plan? "Vielleicht sollten wir versuchen erstmal noch mehr über ihn rauszufinden... irgendwo muss er einen Schwachpunkt haben. Auch wenn er den sicher sehr geschickt versteckt..." Wenn er mit dem Finger auf meine Schwäche zeigen wollte, würde ich ihm auf jeden Fall liebend gerne die gleiche Ehre erweisen.
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Es war nicht sonderlich überraschend, dass Mitch sich absolut nicht gegen den Kuss sträubte. Warum sollte er auch? Zum einen war die Aktion relativ leicht zu durchschauen - ein sinnbildlicher Mittelfinger für das Arschloch, dem sie keinen Mittelfinger mehr zeigen durften - und zum anderen war er nicht minder wütend als sie. Wütend und entsprechend energiegeladen. Emotionen die sich, je nachdem gegen wen sich die Wut richtete, sehr gut in einen Kuss übersetzen liessen. Ihre Mundwinkel zuckten kurz nach oben, als sie seine Finger an ihrer Gürtelschlaufe spürte. Selbstverständlich blieb sie liebend gern noch einen Moment sehr dicht bei ihm stehen und auch der Klang seiner Bestätigung war ausserordentlich wohltuend in ihren Ohren. Immerhin sahen sie ihr Ziel klarer denn je vor sich, egal wie viele dichte Nebelschwaden den Weg dahin noch verschleierten. Der Drecksack wäre stolz auf ihre Einigkeit. Auch auf ihrem Gesicht zeichnete sich ein kurzes Grinsen ab, als er noch was anderes loswurde, das ein flüchtiges Kopfschütteln ihrerseits nach sich zog, bevor ein vorübergehend letzter Kuss folgte. "Immer doch. Bloss weil wir uns nicht immer einig sind, sollte noch lange keiner glauben, dass wir irgendwelche Zweifel an unserer Partnerwahl hegten", unterstrich sie das, was sie vorhin bereits dem Arschloch ins Gesicht gespuckt hatte, nochmal mit anderen Worten. Sie würde ihn und sich und sie beide zusammen ein Leben lang verteidigen, darauf konnte Mitch sich verlassen. Und am allerwenigsten würde sie ihre Meinung ändern, weil Easterlin seinen Senf dazu abgab. Denn die ging ihr gepflegt am Arsch vorbei, wie wohl jeder gesehen haben dürfte. Aryana griff bestimmt nach Mitchs Hand, als er diese nach ihren Fingern ausstreckte, ging festen Schrittes mit ihm zum Auto, wo sie sich gleich darauf auf dem Beifahrersitz wiederfand. Sie wartete noch einen Moment mit ihrer Antwort - so lange wie es dauerte, bis sie das Gelände definitiv verlassen hatten und für heute hoffentlich ausser Reich- und Hörweite dieses Biestes waren. Es sei denn, er hatte ihre Kleidung, ihr Auto und/oder ihre Wohnung ebenfalls verwanzt. Aber dann wären sie wohl eh schon lange tot, war ja bei weitem nicht das erste Mal, dass sie über seinen Tod sinnierten. Vielleicht war er ja tatsächlich ein Stück weit zu eingebildet und arrogant, zu überzeugt von seiner Unverwundbarkeit, um ihnen oder irgendeinem anderen seiner Soldaten ein Attentat wirklich zuzutrauen. Ein Attentat, das vielleicht nicht gerade in seinen Büroräumen stattfand. Wobei das vielleicht genau der Punkt war, an dem sie anknüpfen konnten... "Wenn ich an Schwachpunkte denke, blitzt da wohl zuallererst sein Narzissmus auf... Seine Arroganz - sein Glaube, so viel besser und stärker als wir zu sein. Stärker als alle. Und sein unstillbarer Hunger nach mehr Kohle, die er im Winter zum Einfeuern brauchen kann", begann sie ihre laufenden Gedanken auszusprechen, kaum hatten sie die Schranke des Tors passiert. Noch immer - oder schon wieder - schwang Wut, Verachtung und eine Menge Hass in ihrer Stimme mit, die sich aber einzig und allein auf den Teufel bezog, der sie noch vor wenigen Minuten selbst als Miststück bezeichnet hatte. Sie würde ihm schon zeigen, was für ein dummes Miststück sie wirklich war. Sehr, sehr dumm. Von ihm. "Vielleicht können wir ihn damit aus seinem abgesicherten Schneckenhaus locken. Entweder indem wir ihm einen würdigen Gegner stellen, der ihn ganz offen herausfordert - ob echt oder fiktiv müssten wir hier noch überlegen - oder indem wir ihm den Deal seines Lebens präsentieren. Einer, den er nicht einfach ausschlagen könnte, zu dem er aber persönlich aufkreuzen müsste. Irgendwo in der Wüste. Mit Schlangen...", ganz kurz blitzte ein beinahe verträumtes Lächeln auf ihrem Gesicht auf, als sie Mitch einen kurzen, vielsagenden Seitenblick zuwarf. Die Nummer konnten sie wohl nicht zweimal bringen, auch wenn sie wirklich gut gewesen war. Oder doch, wenn sich die richtige Geschichte darum bilden liess. Nur war es hierzulande eher schwierig, unbemerkt an Schlangengift zu kommen und den Fettsack dann auch noch tatsächlich in eine Gegend zu locken, in der es wirklich Schlangen gab, um die Sache plausibel zu gestalten und sie so wenig hinterfragt zu sehen, wie das bei Warren der Fall gewesen war. Müsste ziemlich sicher doch ein anderes Land sein. Australien hätte sonst noch ein paar giftige Spinnen oder Skorpione zu bieten, falls sie etwas Abwechslung brauchten...
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Das war ein Punkt, über den sich wahrscheinlich Niemand, der dem Geschäftsmann jemals begegnet war, zu streiten versuchen würde. Easterlin machte keinen Hehl daraus, dass ihm seine Geschäfte und die Kohle dahinter sehr viel wichtiger waren als seine unverzichtbarste Ressource - die Soldaten, die ihm seinen Schotter überhaupt erst einbrachten. Was das anging war er mit verknackten und ausgemusterten Männern und Frauen offenbar auf einen heiligen Gral gestoßen, wenn er uns seiner eigenen Aussage nach doch so leicht ersetzen konnte. Selbst für die Rekrutierung brauchte er aber Geld, wenn es sich wie in meinem Fall um Straftäter handelte. Vielleicht konnte man ihn also wirklich am besten mit Geldscheinen in die Falle locken. Ich driftete gedanklich kurzzeitig etwas ab, als Aryana das giftige Tier erwähnt hatte, das uns damals in Syrien ausgezeichnete Dienste geleistet hatte. Ich musste unweigerlich ebenfalls schmunzeln, als sich unsere Blicke für einen Moment trafen. Unser gemeinsames Tattoo fehlte immer noch. Wenn wir die nächsten vier bis sechs Wochen zeitlich ohnehin vollkommen flexibel waren, weil wir die Verletzungen ausheilen lassen mussten, konnten wir das womöglich endlich abhaken. Was das anging war es auch reichlich egal, ob es nach wie vor ein wenig bei uns kriselte oder nicht - dieser Umstand änderte schließlich nichts an unserer Entschlossenheit, das Leben nur noch gemeinsam bestreiten zu wollen oder daran, dass wir das schon irgendwie wieder hinkriegen würden. "Das Tattoo fehlt immer noch.", stellte ich also allem voran fest, dass wir das nun schon eine kleine halbe Ewigkeit vor uns herschoben. Die Tinte lief uns zwar nicht unbedingt weg, aber es machte auch etwas mit dem Kopf und der eigenen Denkweise, wenn man Dinge immer wieder vertagte, nur weil gerade vielleicht kein perfekter Zeitpunkt dafür war. Das wusste ich aus jüngster Vergangenheit. "Aber ja, das könnte ein guter Ansatz sein. Wenn man ihn mit irgendwas locken kann, dann ist's Geld.", bestätigte ich kurz darauf nickend das Offensichtliche. Easterlin war nicht blöd und wir würden einen wirklich exzellenten Köder dafür brauchen, ihn übers Ohr hauen zu können. Es müsste sich wohl entweder um einen unschlagbar guten Auftrag handeln, also viel Geld für ein vermeintlich kleines Übel - in einem Verhältnis stehend, das jedoch trotzdem nicht auffällig war - oder um eine Investition, die für sein Unternehmen einen bedeutenden Mehrwert versprach. Womit wir dann bei zwei weiteren, nicht irrelevanten Fragen angekommen wären: Was fehlte ihm überhaupt noch und welche anderen Einnahmequellen hatte das Arschloch neben der Armee? Er war zwar meinen früheren Recherchen nach schon als verhältnismäßig reicher Erbe geboren worden, aber den bedeutenden Großteil seines Vermögens hatte er sich erarbeitet. Es war also auch ein möglicherweise relevanter Punkt, ob er bis auf seine Privatarmee alle anderen Einnahmequellen weiterverkauft hatte, oder falls nicht, wo er noch überall Kohle her bekam. Vielleicht konnte man ihm Irgendwas anbieten, dass ihm einen Grund gab sich noch erhabener zu fühlen, als er das ohnehin schon tat. Nur fiel mir da auf Anhieb nichts ein, außer ein nicht existenter Trank der Unsterblichkeit, damit er seine Überheblichkeit für immer ausleben konnte. "Vielleicht finden wir ja was für ihn, das sein überdimensionales Ego noch größer machen könnte, ihm irgendwie von Nutzen und zufällig auch noch käuflich ist." Ich dachte eher laut als aktiv meine Worte zu bedenken, während ich von der privaten Nebenstraße des Stützpunkt auf die Hauptstraße abbog. "Aber bevor wir an Easterlins Beseitigung arbeiten, sollten wir wohl erstmal... naja, wieder hundertprozentig auf Kurs kommen... und die nächsten drei Monate überleben." Im Anschluss an meine Worte folgte ein tiefes Seufzen. Es war eben leider meine Schuld, dass das reiche Stück Dreck uns zu separaten Einsätzen verdonnert hatte. Wenn er extra-gemein sein wollte, dann schickte er uns beide zu unterschiedlichen Zeiten los, damit wir Zuhause ebenfalls nicht viel voneinander hatten. Auch wenn das zum eindeutig überwiegenden Großteil auf meinen Mist gewachsen war, mussten Aryana und ich gemeinsam daran arbeiten, unsere Beziehung wieder einzurenken.
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Tatsächlich, dieser Gedanke war ihr ebenfalls gerade gekommen... Für das sie bereits so lange über dieses Tattoo redeten, war es wirklich beinahe beschämend, dass sie die Tinte noch immer nicht unter der Haut hatten. Man könnte beinahe meinen, dass sie es gar nicht wirklich wollten, was aber nicht so war. Sie hatten es nur nie zur Priorität gemacht - sollten sie vielleicht mal ändern. "Stimmt... Schaffen wirs in der nächsten Woche zumindest, einen Termin auszumachen?", sollte ihrer Meinung nach drinliegen, wenn sie sowieso noch etwas zu viel Zeit zum Heilen hatten. Je nach Studio würden sie vielleicht sogar das Tattoo während dieser Schonfrist stechen können, aber das war etwas abhängig von Wartefristen und offenen Terminen. Wenn erstmal die Person gefunden war, die es stechen sollte, war die grösste Hürde sicherlich bereits überwunden. Einen Plan zu entwickeln, wie sie ihren unliebsamen Boss loswurden, war dagegen leider weitaus weniger simpel. Sie hörte Mitch nachdenklich zu, während sie zugleich versuchte, den Ansatz weiterzuspinnen. Entsprechend blieb sie einen Moment still, nachdem er geschlossen hatte, hing weiter ihren wenig Klarheit bietenden Gedanken nach. "Das verhältnismässig Einfachste, was mir auf die Schnelle einfallen will, wäre ein genauso reicher Kooperationspartner, den wir ganz beiläufig mit Easterlin in Verbindung setzen... Aber so, dass vielleicht nicht unbedingt unsere Namen fallen, weil der Alte sonst wohl sehr schnell wieder raus ist...", begann sie genauso offen ihre Überlegungen auszusprechen, bevor diese wirklich zu Ende gedacht waren. Das konnten sie bekanntlich auch gemeinsam und vielleicht war etwas dabei, das ihm den rettenden Gedanken einpflanzte, den sie je länger je mehr brauchten. "Und entweder infiltrieren wir den anderen schon davor mit ein paar Halblügen, damit er gar nicht wirklich eine Kooperation eingehen, sondern Easterlin viel eher direkt stürzen möchte, oder wir schauen zu, dass wir wissen, wann und wie sie sich treffen wollen, damit wir ihn auf dem Weg dahin oder von da weg beseitigen können... Wäre vielleicht besser, weil es ziemlich heikel sein könnte, Geschäfte mit einem anderen reichen Sack zu machen, dem man nicht wirklich vertrauen kann. Oder wir vergiften Easterlins Drink und alle denken, es wäre der andere gewesen", sinnierte sie lächelnd vor sich hin, während sie aus dem Fenster blickte. Das waren durchaus beruhigende Gedanken, die ihre Laune und Mundwinkel direkt wieder anhoben. Eigentlich bedenklich, weil es sich dabei um nichts weniger als Mordpläne auf Kosten anderer Leute handelte. Aber sie verbrachte wohl schon zu viele Jahre ihres Lebens damit, Menschen zu töten, als dass ein Attentat nicht wie die beste Lösung für ihr momentan grösstes Problem klingen würde. Easterlin war selbst ein Mörder, ein Psychopath und ein dreckiger Narzisst, der sein Leben damit verschwendete, andere auszunutzen und auf ihre Kosten reich und reicher zu werden. Es liess sich entsprechend etwas zu gut rechtfertigen, hier ein bisschen Gott zu spielen und ihn für seine Sünden bezahlen zu lassen, wo ihre Hände doch eh schon voller Blut waren. Sie würden der Menschheit einen grossen Gefallen tun - mal wieder. "Stimmt... Aber das werden wir sowieso tun. Haben wir so abgemacht, oder? Und diesmal schaffen wirs auch, Mitch. Ich bin mir sicher, dass wir das alles überstehen und dann endlich aus diesem Loch raus sind", ihre Augen waren wieder in seine Richtung gewandert, lagen auf seinem Gesicht, während sie die linke Hand ausstreckte, um sie auf seinen Oberschenkel zu parken, solange er noch mit der Kupplung beschäftigt war. Zog zwar ein unangenehmes Ziehen in ihrem Oberarm nach sich, aber damit kam sie gerade noch klar und dafür konnte sie nun seine Haut streicheln. Oder wenigstens seine Hose.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ein gut sichtbares Nicken war meine Resonanz auf die Frage des noch nicht existenten Tattootermins. Dieser Schritt war eigentlich schnell erledigt, wenn der richtige Tätowierer erst einmal gefunden war - ein Grund mehr, es nicht wieder aufzuschieben. Dank dem Internet würde es sicher nicht besonders schwierig werden einen Künstler zu finden, der unserem Anspruch entsprach. Ob der dann auch zufällig zeitnah ein paar Stunden für uns entbehren konnte war zweitrangig. Hauptsache wir gingen in dieser Hinsicht nur endlich mal einen Schritt vorwärts. "Nageln wirs lieber gleich auf morgen fest. Weniger Spielraum für unvorhergesehene Zwischenfälle und Vergesslichkeit.", gab ich auch ein paar Worte dazu ab, die zum Ende hin eine Prise Sarkasmus enthielten. Easterlin geriet im Vergleich zu dem Schlangentattoo leider weit weniger leicht in Vergessenheit, weil wir seine Existenz regelmäßig ertragen mussten. Ich hörte Aryanas weiteren Gedanken zur Beseitigung des Übels aufmerksam zu, auch wenn ich die Augen stur auf die Straße vor uns gerichtet ließ. Es würde schwer werden Kontakt zu Jemandem herzustellen, der genauso einflussreich war, oder? Easterlin und seinesgleichen posaunten ihre Kontaktdaten für gewöhnlich nicht in die Welt hinaus. Entweder sie wollten kontaktiert werden oder man scheiterte schon an diesem Punkt, weil sie nicht mal ein kurzes Gespräch ermöglichten. Was das anging bräuchten wir wohl Glück oder Connections, die wir bis dato nicht hatten. Dass unsere Namen fein aus der Sache rausbleiben mussten, stellte dann schon die nächste Hürde dar. Wir müssten bei sämtlichen Mordversuchen so gut es ging gänzlich verdeckt bleiben, weil unsere Chancen andernfalls rapide ins Bodenlose stürzen würden, dem alten Sack auch nur ein einziges Haar zu krümmen. Nehmen wir aber mal an, dass wir tatsächlich so weit kommen würden - ihn abzufangen und umzulegen würden wir vielleicht hinkriegen, aber die Beseitigung der Leiche stellte ich mir schwierig vor. Schließlich musste sicher gegangen werden, dass er entweder restlos verschwand oder mindestens nicht gefunden wurde, bis wir mit absoluter Sicherheit selbst tot waren. In der heutigen Zeit nicht so einfach, wo doch gefühlt jeder Quadratzentimeter der Welt bevölkert war. Vergiftung schien mir leichter zu sein, als eine Leiche spurlos verschwinden zu lassen, aber auch dafür bräuchten wir dann wieder Jemanden, dem wir absolut zu hundert Prozent vertrauen konnten. Ihn selbst zu vergiften dürfte schwierig werden und war auch viel zu riskant - dann wären wirs ja tatsächlich selbst gewesen. Es wäre also besser zum gegebenen Zeitpunkt nicht ansatzweise in der Nähe des Milliardärs zu sein. Der unechte Schlangenbiss damals war wirklich ein Geniestreich gewesen, der auf amerikanischem Boden wahnsinnig schwer zu toppen schien. "Heutzutage unentdeckt einen Menschen verschwinden zu lassen ist wohl leider ziemlich schwierig... oder ich kenn mich einfach nicht gut genug damit aus." Was gut möglich war, weil das nicht unbedingt mein am häufigsten in Google eingegebener Topic war - besser so, weil auch das bei ein und derselben IP-Adresse sehr verdächtig wirkte. "Und dann sind da ja auch immer noch seine zwei bis fünfzig Securitys, die er mit sich rumschleppt...", kam mir zwei Sekunden später noch ein anderer Gedanke. Die Leichen würden sich ungut summieren, wenn wir ihn tatsächlich irgendwo abzufangen versuchten. Er war ja nicht blöd - reiche Leute wurden immer gerne gekidnappt, um Lösegelder zu erpressen. Oder auch einfach nur, um ein Statement zu setzen. "Vergiftung wirkt einfacher... auch wenns ebenfalls mit wahrscheinlich zehn Haken verbunden ist. Vielleicht brauchen wir wieder so einen Moment der göttlichen Eingebung...", stellte ich mit einem Schulterzucken fest. War damals mit dem Schlangengift ja nicht anders gewesen - ich wäre nie drauf gekommen, hätte mich nicht eins von den Viechern heimgesucht. "...oder wir erweitern unser TV-Programm mit entsprechenden Serien und Dokumentationen.", spann ich auch diesen Gedanken ironisch noch weiter. Vielleicht brauchte es nicht unbedingt wieder einen riesigen Zufall, sondern nur gezielte Weiterbildung. Mysteriöse Mordfälle, die erst Jahrzehnte später oder gar nicht aufgeklärt wurden, gab es bis heute schon mehr als genug. Ich sah einen Moment lang auf Aryanas Finger hinab, als ich ihre Hand auf meinem Bein spürte. Ja, wir würden aus diesem Loch rauskommen - ich hatte nur etwas Angst davor, dass der Fokus was das anging wieder verloren ging, wenn wir nebenbei Mordpläne schmiedeten und durch die Einsätze vorübergehend getrennt waren. Natürlich wäre es eine immense Erleichterung für uns beide das Arschloch endlich zu beseitigen und dann das erste Mal wirklich frei zusammen zu sein, unser zweiter gemeinsamer Mord würde uns sicher wieder ein gutes Stück weit zusammenschweißen. Das löste aber nicht die Probleme, die wir beide miteinander hatten. Es wäre gut, wenn die Differenzen schon zum überwiegenden Teil beseitigt waren, wenn wir die Ketten des Milliardärs überwanden. "Ja, schon... ich darf nur den Fokus nicht wieder verlieren. In Ablenkung suchen bin ich gut, wie wir rausgefunden haben..." Es waren eher leise gemurmelte Worte, als ich die wieder frei gewordene Hand schließlich nach Aryanas ausstreckte, um meine Finger mit den Augen zurück auf dem Asphalt mit ihren zu verschränken. Zumindest für so lange, bis wir die Stadt erreichten und wegen des Verkehrs dort vermehrtes Kuppeln und Schalten gefragt war.
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Ich habs auch wieder zurückgeschafft! :) _________
Morgen passte auch. War nicht so als hätte sie irgendwelche anderen Pläne und dann wären sie zumindest für die Zeit, die es dauerte, ein gutes Studio rauszusuchen, beschäftigt. Ihre Mundwinkel zuckten schwach nach oben, weil sie den Sarkasmus in seinen Worten durchaus wahrnahm. "Das ist ein gutes Argument. Ich denke, Morgen passt bestens", stimmte sie zu und notierte die Aufgabe damit ganz oben auf ihrer imaginären To-Do-Liste. Ein bisschen das Internet durchforsten war glücklicherweise auch eine gute Beschäftigung für zwei Teilzeit-Verletzte wie sie, womit dann wohl gar nichts mehr dagegensprach. Aryana lauschte seinen berechtigten Bedenken bezüglich ihres noch nicht wirklich vorhandenen Mordplans. Aber auf die Schnelle hatte sie dazu leider auch keine Lösungen. Wäre die Sache einfach, hätten sie es längst getan, soviel stand fest. Sie hassten Easterlin ja nicht erst seit seinem Anfall von gerade eben, sondern viel eher bereits seit Tag Eins. Aber leider hatte bisher keiner von ihnen irgendeine tolle Idee gehabt, wie sie ihn wieder loswurden, bevor die Pflichtjahre vorbei waren - eine Eingebung wie die in Syrien fehlte. "Ist leider so... Ich habe auch absolut keine Lust auf Leichenbeseitigung, wenn ich ehrlich bin. Zumindest nicht persönlich. Dieses Arschloch möchte ich nichtmal in toter Ausführung berühren", schon heute hatte er die Grenze ihres personal space deutlich überschritten, das brauchte sie echt kein zweites Mal, wenn es sich irgendwie vermeiden liess. Glücklicherweise standen die Chancen, dass es je dazu kommen würde, dass sie beide allein seine Leiche abtransportieren und in ein Fass mit Säure à la Breaking Bad kippen mussten, sehr, sehr schlecht. Unter anderem genau wegen seiner zwei bis fünfzig Securitys, die beispielsweise eine unauffällige Kugel aus sicherer Entfernung, während er sich persönlich seelenruhig im Wald spazieren führte, ziemlich unmöglich machten. "Hm... Wir können ja mal versuchen, ein bisschen Bildung aus der Flimmerkiste zu saugen, damit diese nicht mehr nur als Staubfänger fungiert. Zufälligerweise haben wir nämlich grad ein paar Wochen Zeit und wenig andere Programmpunkte...", Aryana zuckte schwach mit den Schultern, war selbst zwar nicht hochgradig begeistert von diesem Vorhaben, aber man konnte es ja versuchen. Wenns ihnen zu dumm wurde, mussten sie eben auf Internetrecherche oder Podcasts zurückgreifen, bis sie einen vernünftigen Ansatz hatten. "Und vielleicht finden wir ja - wenn wir uns etwas anstrengen - wirklich noch ein paar Hinweise zu seiner Person, die uns weiterhelfen könnten. Irgendeinen alten Erzfeind oder so...", wer weiss, plötzlich entpuppte sich einer von ihnen noch als Genie im Hobbydetektivbereich. War zwar unwahrscheinlich, da sie beide nicht allzu gerne stundenlang in Bildschirme starrten, aber man wusste ja nie. Mitch hatte aber auch Recht mit dem Fokus, den sie beide leider etwas zu gern falsch setzten, um Konfrontation und ungemütlichen Gesprächen aus dem Weg zu gehen und die eigene Verletzlichkeit vorzubeugen. Sie durften Easterlins Ableben nicht zur Priorität machen, solange sie das Fundament für eine blühende Zukunft, die Sanierung ihrer schwächelnden Beziehung, nicht geschaffen hatten. Konnten sich nicht ihr Leben lang von einem Mord zum nächsten hangeln, nur damit sie beschäftigt blieben und nicht vergassen, wie gut sie zusammen eigentlich funktionieren würden, wenn sie das gleiche Ziel verfolgten. "Wenn wir uns beide gegenseitig immer mal wieder in die Seite treten, schaffen wir das schon. Wir haben die nächsten Wochen über viel Zeit - selbst wenn wir uns aus Versehen zu sehr auf einen Mordplan konzentrieren, glaube ich nicht, dass einer von uns den Nerv dazu hat, sich einen ganzen Tag - geschweige denn mehrere Wochen - lang ohne Unterbrechung durch True Crime Dokus zu pflügen, nur um unsere Beziehungsprobleme zu ignorieren...", schob sie mit einer Prise Sarkasmus nach. Es wäre ihnen schon fast zuzutrauen. Aber nicht, nachdem sie sich doch versprochen hatten, es diesmal anders zu machen. Sie würden sich nur selbst betrügen und das nichtmal irgendwie unauffällig. Ihr Daumen streichelte nachdenklich über sein Bein, als sie die Stadt erreicht hatten und er seine Hand wieder zum Schalten brauchte. "Wir sollten den Wachturm wieder einführen", kam sie nach einer Weile zum Entschluss, ihre syrische Tradition, die sie auf ihrem Balkon eine Weile weitergezogen hatten, wieder aufleben zu lassen. "Eigentlich hätten wir nie damit aufhören sollen, aber naja... Haben wir halt doch. Und dann ziehen wir jeden Tag Bilanz, damit wir sehen, woran wir am dringendsten arbeiten müssen", es klang auch in ihren eigenen Ohren anstrengend, ja. Und auch sie hatte nicht wirklich Lust darauf. Aber im Grunde waren sie beide sehr disziplinierte Menschen. Man sollte meinen, dass sie es doch wirklich hinkriegen sollten, sich jeden Tag die fünf Minuten Zeit zu nehmen, zusammen zu sitzen und an diesen Problemen zu arbeiten. Beziehungsweise eben zu reflektieren, was sie am jeweiligen Tag zur Beseitigung der Probleme gemacht hatten und was nicht. Vielleicht würde das schon helfen. Es war nicht die ganze Lösung, aber ein Bruchstück davon.
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sehr fein c: gut Zuhause angekommen? Schon akutes Ich-Will-Zurück-Fernweh? x'D _____
Wenig überraschend passte es auch hervorragend in Aryanas Terminkalender, wenn wir die Suche des Tätowierers und die Terminvereinbarung auf den morgigen Tag legten. Sollte zu schaffen sein und es war ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Ein gemeinsames Tattoo sorgte zwar nicht automatisch für völlige Harmonie, aber es war ein doch sehr eindeutiger Beweis dafür, wie sehr wir nach wie vor am Anderen festhielten. Dieses Gefühl hatte es in den letzten Wochen und Monaten nur selten noch gegeben - also höchste Zeit es wieder aufleben zu lassen. Außerdem war es ein weit schönerer Zeitvertreib als Leichenbeseitigung. Ich würde mich am Ende zwar wahrscheinlich weniger darüber beschweren als Aryana, mir an dem reichen Arschloch die Hände dreckig machen zu müssen, damit es sich unwiderruflich ins Jenseits auflöste, aber scharf darauf war ich trotzdem nicht. Es würde sicher eine effektivere Methode geben ihn loszuwerden, die auch weniger ekelerregend für uns beide war. Der Krieg hatte uns schon mit genug abstoßenden Bildern im Kopf gesegnet, wir mussten nicht krampfhaft noch mehr davon ansammeln. Es blieb also zu hoffen - und auch etwas dafür zu tun - dass die zündende Idee in nicht allzu ferner Zukunft auf uns wartete. Bis dahin galt es zu recherchieren und am besten keines unserer Ziele zu vernachlässigen. Allem voran stand auf dieser Liste aber unsere Beziehung und nicht Easterlin. Der improvisierte Wachturm... es war nicht grade verlockend. Das war mit Sicherheit auch einer der Gründe dafür, warum wir das aufgegeben hatten. In Syrien waren unsere Gespräche auf dem Turm mit Ausblick nach dem Mord an Warren hauptsächlich dazu da gewesen uns gegenseitig bei Laune zu halten, um nicht noch mehr den Verstand zu verlieren. Es war lustig damals - ein Lichtblick im sonst wenig erfreulichen Kriegsalltag gewesen. Jetzt hatte es leider sehr viel mehr von sich gegenseitig in die Seite treten, auch wenn es uns dabei helfen konnte endlich mal gemeinsam zu wachsen. Da kamen wir eben wieder zu dem Punkt, dass keiner jemals gesagt hatte, dass das Führen einer gesunden Beziehung einfach war. Aryana zu lieben fiel mir trotz unserer Differenzen nicht schwer - sich einander langfristig erfolgreich anzupassen und sich dementsprechend zu verändern war aber keine Lappalie."Es gab irgendwann wohl einfach nichts mehr zu sagen... oder zu viel, wie man's eben sehen will...", sinnierte ich murmelnd über die Beweggründe dafür, warum wir die täglichen Gespräche aufgegeben hatten. Ich wusste nicht recht ob es gut oder schlecht war, dass wir in den nächsten Wochen sehr viel Zeit miteinander hatten. Natürlich war eine Bestätigung unseres gefassten Entschlusses wichtig und ich wollte der Brünetten gerne endlich wieder näher sein. Zu viel aufeinander zu sitzen konnte bei den bestehenden Konflikten aber auch toxisch werden, grade weil wir so lange auf Abstand erpicht waren - die Zeit würde es zeigen. "Zumindest solange wir Zuhause sind, sollten wir das uhrzeitmäßig festnageln.", schloss ich meine Gedanken dazu ab, als ich den Wagen gerade anhielt, um daraufhin rückwärts in die Parklücke zu setzen. Denn ja, wir beide waren disziplinierte Menschen - zumindest mir musste diese Disziplin aber schon immer ein Stück weit aufgedrückt werden. Wenn wir eine feste Uhrzeit für die Wachturm-Gespräche hatten, dann konnte ich mich weniger einfach aus der Sache rauswinden. Schließlich wusste ich dann ganz offiziell, dass ich mir diese Zeitspanne freizuhalten hatte. Ich musste mein Hirn ab jetzt gezielt mit Umwegen austricksen, wenn es nicht schon wieder schiefgehen sollte. Wenn wir auf Einsätzen waren - egal ob getrennt oder gemeinsam - würde diese Uhrzeit sicher nicht immer einzuhalten sein, aber Zuhause dürfte das bis auf wenige Ausnahmen umsetzbar sein. Dann gab es keine Ausreden und wenn doch welche aufkamen, gab es eben einen kurzen Seitenhieb. Mit den Gedanken an das vergangene Syrien hielt auch Jetman wieder Einzug, als ich den Motor abstellte und den Schlüssel abzog. Seit Aryana ihn erwähnt hatte, kam ich jetzt das erste Mal darauf zu sprechen. Darüber nachgedacht hatte ich seitdem schon oft. "Was Jetman angeht... falls wir ihn finden und er mich nicht sofort zum Teufel schert", ich machte mir auch dieses Thema gerne mit Sarkasmus leichter verdaulich, "würde ich ihm gern einen Besuch abstatten. Wenn er immer noch in Oklahoma wohnt, wird das sicher mehr als ein Tagestrip... ich weiß nicht wie sehr dir nach reisen ist, aber ich hätte auf jeden Fall nichts dagegen, wenn du mitkommst." Ich zuckte kaum merklich mit den Schultern und blieb noch einen Moment im Auto sitzen, während ich Aryanas Blick suchte, um ihre Reaktion darauf einzufangen. Das war nichts, was sie noch heute entscheiden musste, weil ja noch nicht mal ansatzweise sowas wie ein Plan vorhanden war - ich nicht mal wusste, wo der Soldat sich gerade aufhielt oder ob er sogar noch im Einsatz war. Es war möglich, dass ich ihn dank bereits zurückliegender Beerdigung gar nicht mehr besuchen konnte oder es sich schwierig gestaltete, weil er der Army noch diente. Es ging mir in diesem Augenblick aber auch lediglich darum, dass die Brünette wusste, dass ich diese mögliche Reise nicht per se allein antreten wollte. Vielleicht täte es auch ihr gut mal räumlich aus dem Easterlin-Loch in diesem Teil der Staaten herauszukommen. Ich käme ebenso alleine zurecht, aber es gab im Grunde nichts, was gegen Aryanas Begleitung sprach. Sofern wir uns an den Plan hielten, uns zusammenrissen und dort nicht wie ein völlig kaputtes Paar aufkreuzten - das verstand sich aber von selbst.
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