Sie würde ihren Zustand ja wesentlich lieber einfach nur auf den Kater schieben, aber... ja, leider würde sie dabei ein paar unschöne Details gekonnt ignorieren. Oder eher nicht so gekonnt, weil sie sich eben schwer ignorieren liessen. Jedenfalls zuckte die Brünette abermals mit den Schultern, behielt allfällige Ausreden aber für sich, weil sie Ryatt nach ihrer Szene in der Fotokabine jetzt auch nichts mehr vorzumachen brauchte. Er wusste, dass ihr Verhalten dort für sie nicht okay gewesen war und sie mitunter genau deswegen jetzt scheinbar keine Ahnung mehr hatte, wie dumm sie sich anstellen wollte. Naja. Das würde wieder besser werden. Hoffte sie einfach mal, als sie sich im Flur von ihm verabschiedete. Sonst hätte ihre kleine Freundschaft nach dem holprigen Start und dem kurzen, aber eigentlich ganz angenehmen Aufstieg einen sehr abrupten Sinkflug - oder eher einen unsanften Absturz - hingelegt. Wäre schade. Aber die Zeit würde zeigen, wohin das alles noch führte... Vorerst war wieder ein paar Tage Pause angesagt, die Faye mit den Worten "klar, mach ich", einläutete. Die Kekse waren im ganzen restlichen Gedankenchaos dezent untergegangen... Aber ja, vielleicht wäre das eine ganz gute Beschäftigung für ihr nächstes Treffen. Dann hätten sie nebenbei noch was zu tun, bräuchten sich nicht die ganze Zeit anzuschauen. Und das war ein klarer Vorteil - je nach dem, was sie sich jeweils in der Zwischenzeit an Strategie zusammenreimten, jedenfalls. "Komm gut nachhause und erhol dich gut", gab Faye ihm mit einem letzten, etwas abgekämpften Lächeln mit auf den Weg, bevor Ryatt auch schon durch die Tür nach draussen geschlüpft war. Wie erwartet verbrachte sie den Rest des Tages überwiegend im Bett. Sie las alte Tagebucheinträge und schrieb neue dazu, befasste sich ausgiebig mit den vier Fotos des gestrigen Abends - und mindestens genauso intensiv mit älteren Bildern, die sie und Victor zeigten. Es waren ganz unterschiedliche Emotionen und Stimmungen, die ihr entgegenstrahlten. Aber sie hatte ja auch nicht den Vergleich mit dem Problembild, da dieses für sie nur noch in ihrem Kopf existierte. Sie könnte es holen, wusste ja ganz genau, wo es sich versteckte. Aber ihr Interesse an dem Bild belief sich wenig überraschend gegen null, weshalb das nicht passieren würde. Die verschwommene Version in ihrer Erinnerung reichte wirklich vollkommen aus, um sie bei zukünftigen Entscheidungen zu unterstützen. Und diese traf sie auch. Zwar nicht abschliessend und final an diesem ersten Tag, aber im Verlauf der nächsten Woche. Vielleicht war auch das keine endgültige Entscheidung, aber Faye hatte nicht vor, den Fast-Kuss in einer Vollversion zu rekonstruieren. Sie kam zum Schluss, dass ihr die Freundschaft zu Ryatt wesentlich wichtiger war als ein nicht wirklich ebenbürtiger und emotional auch einfach nicht zu vergleichender Ersatz für Victors Nähe. Sie hatte entschieden, dass sie weder körperlich noch psychisch bereit war für eine Affäre - oder was auch immer das dann wäre - ganz egal, ob Victor ihr das de facto "erlaubt" hatte oder nicht. Es wäre auch einfach dumm, das zu tun, gerade wo Ryatt auch noch so vieles, das in diesem Fall irgendwann sehr relevant sein könnte, gar nicht wusste. So legte sie die Situation im Club zu den Akten und siehe da - wurde prompt mit wundervoll erholsamem Schlaf belohnt, was sie nur nochmal darin bestätigte, dass es einfach besser so wäre. Sie das psychische Theater, das mit weiterführender Intimität einhergegangen wäre, wirklich nicht brauchte und auch schlicht nicht bereit dafür war. Das war dann auch der Tag, an dem ihr bewusst wurde, dass in drei Tagen Neujahr gefeiert wurde und sie keine Ahnung hatte, was sie da unternehmen sollte. Sie wollte nicht mit einer ihrer Freundinnen weg, weil sie lieber zuhause bleiben wollte. Aber es wäre auch nicht klug, das alleine zu tun, weil das leider eine Nacht mit ordentlichem Katastrophenpotenzial war. Darum hatte sie ja auch darum gebeten, eine Tagschicht zu bekommen, um in der Zeit zwischen Eindunkeln und irgendwann nach Mitternacht nicht draussen zu sein. Es war relativ simpel, da das Problem bei Menschen, die einen Krieg von zu nahe miterlebt hatten, weit verbreitet war. Ein einzelnes Symptom einer posttraumatischen Belastungsstörung sozusagen. Es betraf die vielen Feuerwerke mit ihren Explosionen, den Lichtblitzen und Knallen. Letztes Jahr waren sowohl der Jahreswechsel als auch der 4. Juli eine Vollkatastrophe gewesen und eigentlich würde sie besser ganz wegfahren, irgendwo in die Einsamkeit, um dem Grauen zu entgehen. Aber erstens war sie dafür jetzt etwas zu spontan und zweitens traute sie sich das auch gar nicht, so ganz alleine. Was, wenn dann doch was passierte? Eine Panikattacke allein in der Wildnis war wenig empfehlenswert. Sicherlich war es auch nicht die besten Option, stattdessen bei einem Veteranen anzuklopfen und um Gesellschaft zu bitten. Aber erstens hatte sie sich mit Ryatt schon einmal eher am Rande über das Thema unterhalten, er wüsste also, was Sache war, und zweitens waren die Optionen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr besonders vielfältig. Eigentlich standen viel eher nur noch drei: Alleine zuhause bleiben, mit ihren Freundinnen mit und denen dann den Abend mit ein bisschen Drama und gut gewürzten Heulkrämpfen zu versüssen... oder Ryatt fragen, wie die Planung bei ihm aussah. Vielleicht hatte er ja Lust, den besonderen Anlass mit ihrem noch ausstehenden Plätzchenbacken zu überbrücken und sich mit ihr gemeinsam vom Gemetzel da draussen abzulenken? Vorausgesetzt er musste ebenfalls nicht arbeiten und hatte auch sonst noch nichts vor und ausserdem Lust, ihr trotz dem drohenden Nervenzusammenbruch Gesellschaft zu leisten. Vielleicht war es auch dumm, ausgerechnet ihn zu fragen. Aber wie gesagt waren die Optionen rar und die meisten normalen Menschen, die nicht gerade panische Babys beruhigen mussten, wollten den Abend lieber ausgelassen feiern, als das panische Baby namens Faye zu beruhigen. Abgesehen davon, dass es ihr peinlich war, so offenkundig nach einer Nanny für sich selbst zu suchen, wollte sie das auch keinem antun. Keinem ausser Ryatt eben, weil sie aus dem zurückliegenden Gespräch bereits wusste, dass er nicht viel mehr Gefallen an diesem Abend fand wie sie. _____
--> Nen halben Zeitsprung hab ich dir gegönnt liebstes Moni, AuCh WeNn Du aN dEr REiHE wäRSt!! (Und ich seit ner Stunde schlafen sollte.) x'D
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Und wir sind mal lieber alle sehr froh darüber, weil ich mit meinem Frühschicht-Gehirn (ja, ich bin auch zu spät ins Bett, wEr HäTtS gEdAcHt x'D) vermutlich nicht auf das eigentlich sehr naheliegende Silvester gekommen wäre. Bin heute wieder komplett im Eimer, 5,5 Std. Schlaf einfach zu wenig. x'DD ________
Ich nickte Faye noch dankbar für ihren nett gemeinten Wunsch zu, warf einen letzten Blick in ihre Richtung und zog dann auch schon die Wohnungstür auf, um für heute das Weite zu suchen. Bis auf die Kälte, die mich jeweils auf dem Weg zur Bushaltestelle hin und dann auf dem Weg vom Bus zum Wohnheim heimsuchte, war mein Nachhauseweg zumindest den Umständen entsprechend unbeschwert. Der Bus war noch ziemlich leer, was für einen Sonntag Vormittag - oder inzwischen eher Mittag - nicht allzu ungewöhnlich war. Ich hatte also meine Ruhe und musste Niemandem auf die Pelle rücken, während ich aus dem Fenster sah und den gestrigen Abend Revue passieren ließ. Dabei war ich weit weniger kritisch als Faye und war unterm Strich sehr zufrieden damit, wenn ich davon absah, dass ich heute morgen so zügig das Weite hatte suchen müssen. Das würde sich schon auszahlen und der Kaffee hielt mich zumindest während der Heimfahrt noch ausreichend wach. Der Rest des Tages viel der Müdigkeit entsprechend sehr unproduktiv aus. Die Brünette meldete sich früher wieder bei mir, als ich angenommen hatte. Allerdings hatte ich auch nicht wirklich darüber nachgedacht, dass nach den Weihnachtstagen immer sehr bald auch das Neujahrsfest zum Feiern aufrief. Für Kriegsgeschädigte war es allerdings eher weniger ein Grund für ausgelassenes Verhalten. Ich selbst kam verhältnismäßig gut damit klar - solange nicht irgendwo in der Nähe irgendwas wegen des Feuerwerks unglücklich Feuer fing zumindest - was aber mit Sicherheit auch an meiner jahrelangen Führungsposition in der Army lag. Wann immer ein neuer Soldat mit ausgerückt war, der noch nie zuvor im Kugelhagel gewesen war, hatte ich sichergestellt, dass er nicht wegen einer Panikattacke das Zeitliche segnete. Ganz gleich wie sehr mir selbst das Adrenalin durch die Adern geschossen und das Herz aus der Brust gesprungen war - für die Grünschnäbel hatte ich immer beruhigende Worte gefunden, sofern die Situation es erlaubt hatte. Nichtsdestotrotz könnte ich wohl ebenso gut auf das Neujahrsfest verzichten wie Faye. Es blieb auch für mich purer Stress und deshalb war ich ganz froh darüber, dass sie vorschlug das Backen der verspäteten Weihnachtsplätzchen auf genau diesen Abend zu legen. Im Wohnheim wäre ich zwar auch nicht allein gewesen, aber da würde Niemand meine unterschwellige bis offensichtliche Nervosität verstehen. Allerdings war das nicht der einzige Grund für meine Freude - der Abend war durch die Umstände auch ein gefundenes Fressen für körperliche Nähe. Dass ich dazu nicht nein sagte - selbst wenn es zum Teil in psychologischer Betreuung ausarten konnte - war klar, oder? Arbeiten musste ich weder am heutigen Jahresende, noch morgen. In weiser Voraussicht, um den Kids mein ausgelaugtes Selbst zu ersparen und außerdem hatte ich schon rund um Weihnachten weitgehend gearbeitet. Die Schichtleiterin hatte sich dementsprechend gnädig gezeigt und ich würde dafür eben am nächsten Wochenende die Nachtschicht schieben müssen. War für mich so in Ordnung, es war nachts in der Regel ruhig im Heim. Deutlich weniger ruhig würde es heute Nacht werden. Ich stieg kurz nach 20 Uhr aus dem Bus, einen eher kleinen Rucksack über der linken Schulter und eine Einkaufstasche aus Papier in der rechten Hand. Ich hatte Faye gesagt sie brauchte wegen den Backzutaten nicht unbedingt einkaufen zu gehen und ich würde einfach das mitbringen, was sie nicht bei sich Zuhause hatte. Es waren nur ein paar Sachen, also musste ich nicht schwer schleppen und außerdem war sowieso ein kleiner Supermarkt in der Nähe des Wohnheims, es bot sich also an. Den Weg von der Haltestelle zur Wohnung der Brünetten hatte ich bald zurückgelegt und ich klingelte an der Haustür. Es war schon dunkel und ich hörte irgendwo in der Ferne ein paar Böller knallen. Ich sah mich um, erblickte wie erwartet aber nichts und schob das knallende Geräusch auf ein paar ungeduldige Teenager, die keine Lust mehr hatten noch bis Mitternacht zu warten. Außerdem hörte ich dann den Summer der Haustür und schob sie auf, um die paar Stufen zu Fayes Wohnung nach oben zu gehen. Wenig überraschend ging das dieses Mal auch viel leichter als zuletzt im betrunkenen Zustand. "Ich könnte schwören die Treppe ist kürzer geworden.", begann ich unser heutiges Treffen auf der letzten Stufe ironisch mit einem Witz, als ich bereits Faye durch die offene Wohnungstür sehen konnte.
◈ pain is the feeling of weakness leaving the body ◈
Ach, die Idee wäre mir wohl auch nicht gekommen, wenn ich nicht vor Kurzem einen True Crime Podcast gehört hätte, in dem ein Veteran mit PTSD am 4. Juli ne Krise geschoben hätte... Instant inspiration. x'DD Das liess sich halt jetzt auch etwas zu perfekt einbauen.. xD Bist aber ein Armes, ich hatte immerhin 6h... :3 ____________
Ryatt konnte sich wahrscheinlich nur schwer vorstellen, wie erleichtert sie über seine Zusage bezüglich dem Plätzchenbacken war. Hätte ja auch sein können, dass er gar keine Zeit beziehungsweise Lust hatte, schon was abgemacht hätte oder arbeiten musste. Nichts davon schien der Fall zu sein und so konnte sie sich zumindest in der Sicherheit wissen, den höchstwahrscheinlich wenig ruhmreichen Abend nicht alleine verbringen zu müssen. Sie hatte noch bis um 16:00 Uhr gearbeitet, war dann aber sehr direkt nachhause gefahren und versteckte sich seit da im Inneren ihrer Wohnung. Kaum war es dunkel geworden, hatte sie auch die Rollläden runtergelassen und zusätzlich die Vorhänge gezogen, hatte eine ihrer alten CDs aufgelegt, um sich von der Hintergrundmusik beruhigen oder ablenken zu lassen. Sie sollte nicht so angespannt sein, bevor überhaupt irgendwas passiert war, sonst sorgte sie am Ende noch ganz ohne Feuerwerke dafür, dass sie die Nerven verlor. War nur gerade etwas schwer, diesbezüglich auf sich selbst zu hören... Sie hatte die Dusche vorsichtshalber noch ein bisschen nach hinten verschoben, um sich beschäftigt zu halten, stieg darum erst kurz nach Sieben unter den warmen Wasserstrahl, der heute wahrscheinlich nur bedingt zu ihrer Beruhigung beitragen konnte. Immerhin halfen ein paar Atemübungen und das ständige Steigern der Temperatur ein bisschen - zumindest bis sie fast unter dem Strahl verbrühte. Dann war erstmal fertig geduscht und sie gab ihrer Haut mit dem ausgiebigen Auftragen einer Bodylotion einen Teil der entzogenen Feuchtigkeit zurück, bevor sie in eine bequeme Leggins stieg und sich ein Top und einen Pulli überzog. Sie war trotzdem etwas zu früh fertig und streifte unruhig durch die Wohnung, startete die CD neu und schaute ein paar Mal auf das Display ihres Handys, welches aber leider wenig Ablenkung bieten wollte. Umso grösser war die Erleichterung, als es endlich an der Tür klingelte - auch wenn sie zuerst einmal erschrocken zusammenzuckte. Sie ging in den Flur, presste den Knopf zum Entriegeln, bevor sie ein paar Sekunden später behutsam die Wohnungstür aufzog. Wie erwartet war es Ryatt, der die Stufen erklomm und ihr gleich darauf im Flur Gesellschaft leistete. "Das habe ich auch schon festgestellt... Gab wohl nachträgliche Änderungen bei der Architektur", stieg sie mit einem etwas matten Lächeln auf seinen Witz ein, trat dann etwas zur Seite, um ihn reinzulassen und die Tür hinter ihm wieder abzuschliessen. Ohne viel darüber nachzudenken, wartete sie, bis er seine Jacke loswurde und aufgehängt hatte, bevor sie ihn zur eigentlichen Begrüssung kurz umarmte. Das war der - absolut einzige - Vorteil davon, dass sie heute Abend so viele andere Sorgen hatte: Es fiel ihr wirklich sehr leicht, daran festzuhalten, dass sie mit der komischen Situation im Club abgeschlossen hatte, sich nicht auch noch Gedanken um eine harmlose Umarmung machen musste. Die ausgelasteten Gehirnkapazitäten sorgten auch dafür, dass allfällige Erinnerungen an ihr letztes Treffen und dessen Ausgang oder gar Zweifel an ihrer darauffolgenden Entscheidung erfolgreich unterdrückt oder weggewischt wurden. Sie war zwar offensichtlich unruhig, aber das hatte wenig bis nichts mehr damit zu tun. Jedenfalls jetzt in diesem Moment nicht. Angesichts der Papiertüte, die er mitgebracht hatte und deren Inhalt sie bereits erahnen konnte, führte ihr Weg im Folgenden direkt in die Küche. Wobei Faye sich schon auf dem Weg dorthin nochmal zu Ryatt umdrehte, um ihn kurz anzuschauen. "Wie gehts dir so? Und wie gross ist die Vorfreude deinerseits?", stellte sie zwei Fragen, die genau genommen auch als drei Fragen interpretiert werden konnten, da sie nicht weiter definierte, ob sie seine Vorfreude aufs Backen oder eher auf den Jahreswechsel an sich meinte. Er durfte gerne alles beantworten was er wollte, Hauptsache ein bisschen Ablenkung für ihren unnötig Adrenalin ausschüttenden Kopf.
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Dann bin ich äußerst froh über diesen sehr glücklichen Zufall! x'D ________
Faye nahm den kleinen Spaß zu Beginn recht locker auf, was mich beruhigte. Das hieß, dass wir zumindest jetzt noch normal miteinander reden und umgehen konnten. Dass die Panik rund um das Feuerwerk uns zwar in wenigen Stunden schon auflauerte, bis jetzt aber scheinbar alles beim Alten war. Jedenfalls war es ziemlich genau das, was mir die kurze Umarmung signalisierte, kaum hatte ich den Rucksack unweit der Garderobe auf den Boden sinken lassen, die Papiertüte vorübergehend abgestellt und die Jacke aufgehängt. Nicht, dass mich das überraschte, aber ich war froh darüber. Die kleine Ballerina schien entweder schnell zu einer Entscheidung gekommen zu sein, oder in diesem Moment genug andere Sorgen zu haben - namentlich das alljährliche Feuerwerk zum Jahresneustart. Was es auch genau sein mochte, ich hieß die Empfangsumarmung gerne willkommen. Ich streifte mir erst noch die Schuhe von den Füßen, ehe ich die Papiertüte mit den fehlenden Zutaten erneut aufnahm und der Brünetten in die Küche folgte. Die Frage nach meinem Wohlbefinden ließ mich für einen kurzen Moment nachdenklich die Augen nach oben drehen. "Hmm... gut, würde ich sagen. Gut mit einer unangenehmen Prise Anspannung. Und dir?", antwortete ich wahrheitsgemäß mit einem schiefen Lächeln. Ich ließ es mir bisher wenig bis gar nicht anmerken, aber ich hatte schon jetzt wenig Lust auf den Adrenalinkick beim Feuerwerk. Faye dürfte es kaum anders gehen - die Fensterläden waren schon verschlossen und irgendwo im Hintergrund lief ein bisschen Musik, kam wahrscheinlich aus dem Wohnzimmer. Das schrie förmlich nach versuchter Abschottung und Ablenkung. Die Brünette wirkte bis jetzt noch nicht extrem hibbelig, aber die Unruhe war ihr anzumerken. Ich stellte die Papiertüte auf der Küchentheke ab und begann die Lebensmittel auszuräumen, während ich auf den nächsten Teil ihrer Worte antwortete. "Ich freue mich sehr darauf, deine Küche in ein mehliges Keks-Schlachtfeld zu verwandeln.", erwiderte ich optimistisch mit einem schmalen Grinsen. Ich hatte ja nur gesagt, dass ich richtig gut darin geworden war Plätzchen zu backen - nicht aber währenddessen möglichst wenig Dreck zu machen oder danach aufzuräumen. Chaos anrichten war quasi meine Spezialität und Ordnung der Endgegner. Zumindest auf der Arbeitsplatte einer Küche, nachdem ich das mit dem Backen und Kochen grade erst wirklich lernte. System war da bisher nur wenig vorhanden. "Letztes Jahr hab ich Silvester relativ gut weggesteckt... ich hoff einfach mal, dass das heute auch so läuft.", meinte ich anschließend noch mit einem Schulterzucken, als ich gerade das Mehl aus der Tüte holte. Ich warf einen letzten prüfenden Blick hinein und es war nichts mehr drin, also wanderte die Tüte kurzerhand wieder von der Theke. Ich ließ meine Augen dann erstmalig vermehrt durch die Küche wandern, um mir ein grobes Bild davon zu machen was wo stand und wo ich dementsprechend am besten Platz hatte. Beziehungsweise wie wir uns den Platz am besten aufteilten, wenn Faye später die Butterkekse ausstach und mit dem Nudelholz hantierte, während ich versuchte die Kipferl möglichst anschaulich hinzukriegen. "Ich glaub wir machen die beiden Teige zuerst... oder ich eben, wenn du mir lieber nur beim Arbeiten zuguckst. Müssen beide für'n paar Minuten in den Kühlschrank, bevor das Rollen losgeht.", tat ich den weiteren Plan kund und behielt den verhältnismäßig lockeren Tonfall bei. Es brachte uns beiden ja nichts, wenn wir uns hier jetzt schon verkrampften, obwohl der eigentliche Horror noch gar nicht begonnen hatte. Man durfte sich da nicht vorher schon endlos reinsteigern, das machte es nur um Welten schlimmer. Natürlich war die innere Anspannung trotzdem da, aber je weniger ich sie nach außen trug, desto weniger steckten wir uns gegenseitig weiter damit an. Sonst endeten wir hier noch beide mit Flashbacks und schlugen uns unter dem Esstisch sitzend schützend die Hände über den Kopf.
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Das klang ziemlich verständlich und auch ziemlich ähnlich wie bei ihr. Nur fiel ihre Prise möglicherweise etwas umfangreicher aus als seine. Aber sie war froh, dass es ihm abgesehen davon soweit gut ging, alles andere hätte nur ein noch schlechteres Omen auf diesen Abend gelegt. "Das ist gut", meinte Faye, bevor ein kurzes Schulterzucken folgte, das aber mehr auf ihren eigenen Gemütszustand bezogen war als auf seine Antwort. "Mir gehts... okay. Ohne die unschönen Vorahnungen und Befürchtungen, die ich leider bisher nicht ganz ablegen konnte, würde ich jedenfalls auch mit gut antworten können", fügte sie dem noch ein paar Worte hinzu, weil das sonst so klang, als würde sie auch abgesehen vom Datum gerade keinen Spass am Leben haben. Was nicht grundsätzlich der Fall war, da ja sonst den Umständen entsprechend alles mehr oder weniger im Lot war. So gut wie es eben sein konnte, während ihr Freund und ihre Schwester weg waren und sie die ganzen Festtage ziemlich alleine hier verbracht hatte. Faye schaute Ryatt dabei zu, wie er seine Tüte ausräumte und den Inhalt auf der Theke aufstellte, lächelte bei seinem Kommentar dazu erneut sachte vor sich hin. "Darfst du gerne... wir haben immerhin sehr viel Zeit, das dann wieder in Ordnung zu bringen und ich zähle dabei selbstverständlich auf deine volle Unterstützung", erwiderte sie, gab sich zumindest in dieser Sache ziemlich entspannt. Zum Backen gehörte doch das Chaos ein Stück weit dazu, darauf hatte sie sich quasi schon eingestellt. Ausserdem war es gut, wenn sie dank dem Aufräumen noch etwas länger beschäftigt waren als nur die Zeit, die das Teig machen und Kekse ausstechen beanspruchte. Hauptsache Ablenkung - ganz im Sinne dieses Abends. Denn auch hier war es schön, dass er mit Silvester scheinbar einigermassen klar kam, aber bei ihr war das leider (noch) nicht so ganz der Fall. "Ich bin froh, dass wenigstens einer von uns einigermassen optimistisch an die Sache herangehen kann... Bei mir wars letztes Jahr leider zweimal eine milde Katastrophe... Aber vielleicht schaff ichs ja heute auch etwas eleganter ins neue Jahr", versuchte sie es mit zurückhaltendem Optimismus, zuckte abermals etwas mit den Schultern. Dieser Abend hatte abgesehen vom Datum ja auch wenig mit der Situation von vor einem Jahr gemeinsam. Ausser natürlich der Tatsache, dass sie erneut mit einem Kriegsgeschädigten ins neue Jahr rutschte. Aber einem, der was das Coping betraf ja vielleicht etwas gefestigter auf Feuerwerke reagierte als sie und Victor. Victor von damals... "Klingt nach einem guten Plan, ja", nickte Faye seinen Vorschlag ab, begann dann damit, in den Schränken nach der Küchenwage und zwei Rührschüsseln zu fischen. Ausserdem zauberte sie einen Handmixer, Messbecher und Teigschaber hervor. "Sowas wie eine grosse Rührmaschine besitze ich leider nicht, dazu bin ich in der Küche wohl nicht ambitioniert genug", erklärte sie sarkastisch. Sie kochte zwar gerne, aber irgendwie schien ihr diese Investition dann doch etwas übertrieben für diesen Haushalt. "Ausserdem sind wir ja beide sehr kräftig gebaut und sollten unsere Muckis auch mal fürs Teigkneten einsetzen", damit kollidierte ihre geballte Faust auch schon in sehr gemächlichem Tempo mit den genannten Muskeln seines Oberarms. Eindeutig zu schwach, um ihm weh zu tun - aber das hatte sie zum Glück auch nicht versucht. "Muss ich für die Rezepte Google fragen oder soll ich mich an den Tisch setzen und dir zuschauen, wie du sie vollkommen auswendig kreierst?", fragte Faye, blinzelte ihn wiederum schwach lächelnd an. Sie traute ihm das zwar zu - nicht den Teil mit dem auswendig können, aber dass er den Teig selbst hinbekam - aber wenn sie sich an den Tisch setzte, musste er im Anschluss schon ordentlich Unterhaltung bieten, damit sie nicht wieder in dunklere Gedankengänge abdriftete. Ansonsten würde sie nämlich lieber beim Zutaten-Mischen helfen, auch wenn das gewissermassen schwierig war zu zweit an einer Schüssel.
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Okay war irgendwie auch sowas wie die kleine Schwester von Scheiße. Es war also ganz gut, dass Faye das nicht so stehen ließ, sondern bezüglich ihres Gemütszustands etwas weiter ausholte. Sie schien bis auf den heutigen Stress soweit ganz gut klar zu kommen, also interpretierte ich das mal frei weiter. Nämlich so, dass sie sich über das kleine - in ihren Augen große - Desaster von neulich keine Gedanken mehr machte. Denn am nächsten Morgen war noch gar nichts fast gut oder wenigstens okay gewesen. Danach begann ich mich wiederum unweigerlich zu fragen, ob unsere Gemütszustände an Silvester sich deshalb unterschieden, weil ich länger gedient hatte und deshalb abgestumpfter war. Oder ob es einfach nur daran lag, dass ich mich grundsätzlich durch meinen Charakter weniger leicht aus der Ruhe bringen ließ als Faye. Vielleicht eine Kombination aus beidem. Ich blieb mit den Gedanken vorsichtig und schob sie wieder bei Seite. Nicht zu viel drüber nachdenken, sonst lief es am Ende dieses Jahr deutlich schlechter als letztes und ich hatte Faye umsonst Hoffnung darauf gemacht, zumindest ansatzweise einen Fels in der Brandung abgeben zu können. Wenn auch ein Fels mit eindeutig zu schnell pochendem Herzen, irgendwo musste man Abstriche machen. Ich gab ein etwas übertrieben geschlagenes Seufzen von mir, als Faye betonte, dass wir nachher ja wunderbar in Ruhe zusammen aufräumen konnten. "An dieser Stelle bedauere ich, dass ich hier keine kleinen Helferlein habe, die den Dreck am Ende allein wegmachen.", zeigte ich mich ironisch betont wenig begeistert von der anschließenden Aufräum-Aktion, die trotzdem erledigt werden musste. Führte leider kein Weg dran vorbei. Wer Chaos machte, musste es wohl auch wieder beseitigen. Die Brünette schien wirklich nur semi-optimistisch zu sein, was ihren Zustand heute Nacht anging. "Hast du ein Mantra?", hakte ich nach und warf ihr dabei einen kurzen Blick zu, der ihr vermitteln sollte, dass das keine Scherzfrage war. Ich hatte mir über die Jahre bei der Army selbst eines - beziehungsweise zwei, je nach Situation - zugelegt, um meinen Kopf bei anstehendem Gefecht zu beruhigen. Denn entgegen aller Erwartungen wurde man vielleicht routinierter, wenn man länger bei der Armee war und tat irgendwann sehr Vieles automatisch, aber das Adrenalin und das Herzrasen blieben immer das Gleiche - umso wichtiger, dass wenigstens der Kopf so klar wie nur möglich war. Die junge Frau holte nach und nach alle Utensilien aus den Tiefen ihrer Küche hervor, die wir brauchen würden. Nur hochprofessionelles Rührgerät hatte sie keins, dafür aber einen überaus milden Boxhieb. Meine Augen wanderten unweigerlich zu meinem Oberarm, der soeben ihre Hand zu spüren gekriegt hatte. Mit hochgezogener Augenbraue und einem amüsierten Lächeln sah ich anschließend von meinem Arm wieder zu Faye auf. "Na dann sind wir mal alle froh darüber, dass wir im Heim auch keiner Rührmaschine beim Arbeiten zugeguckt haben. Meine Muskeln sind quasi schon perfekt vorbereitet.", erwiderte ich entsprechend belustigt, bevor meine Augen zu Fayes Armen wanderten, die natürlich wesentlich schmaler waren als meine. Sie war nun mal eine Frau und sähe mit meinem Armumfang eindeutig merkwürdig aus. Darauf folgte ein pseudo-besorgtes Kopfschütteln. "Aber um deine Ärmchen mach ich mir doch ein bisschen Sorgen. Ein bisschen öfter boxen würd' wohl nicht schaden.", meinte ich übertrieben tadelnd. Leider merkte ich erst anschließend, dass das so klang, als sollte sie mir am besten gleich nochmal gegen den Arm schlagen und dieses Mal eben wirklich. "Also nicht meinen Arm - eher ein Kissen oder dafür konzipierte Pratzen und Boxsäcke.", hängte ich noch an, damit sie hier nicht gleich wirklich anfing mich zu boxen, auch wenn ich ihr das eigentlich sowieso nicht ernsthaft zutraute. Ich war wenig schmerzempfindlich, aber da am Oberarm war trotzdem noch die einstige Schnittwunde. Selten zwickte die noch, in etwa ebenso wie die zweifach genähte Stichverletzung. Es dauerte einfach eine Weile, bis sowas ganz wegging. Jedenfalls zog ich erstmal sicherheitshalber mit der anderen Hand mein Handy aus der Hosentasche, um eine Notiz zu öffnen - ich wäre wohl nicht ich, wenn ich eine Aktivität wie die heutige vollkommen unvorbereitet angehen würde. "Weder noch.", beantwortete ich Fayes Frage nach dem weiteren Vorgehen, kurz bevor ich mein Telefon zwischen uns beiden mit offenem Display relativ nah an die vordere Kante der Arbeitsplatte legte. Zu sehen waren zwei simple, schmale Zutatenlisten nebeneinander, jeweils mit fett gedruckter Überschrift. "Vorbildlich wie ich bin", ich räusperte mich künstlich, "hab ich die Zutaten aufgeschrieben und schonmal auf eine angemessene Menge reduziert, damit wir später nicht in Keksen ertrinken und uns ins Freie futtern müssen.", lieferte ich eine knappe Erklärung inklusive Witz. Die Vorstellung war ganz witzig, zumindest ohne parallele Atemnot und gefühlten Herzstillstand vom Feuerwerk. Die ursprüngliche Zutatenliste, die wir im Heim für die Plätzchen genutzt hatten, beinhaltete eine doch deutlich größere Menge, weil da eben auch viel mehr als zwei Mäuler gestopft werden mussten. "Ich übernehm' die Kipferl, dann bleiben dir die Mandeln erspart.", meinte ich schulterzuckend, als ich mir eine der Schüsseln nahm. Inhaltlich unterschieden sich die beiden Teige wenig - was für den Einkauf schön praktisch gewesen war - aber die Mischverhältnisse waren nicht dieselben. Die Vanillekipferl wollten außerdem ihr kleines Extra mit den gemahlenen Nüssen haben, die beim Kneten ein bisschen nervig waren, aber das war heute sicherlich das geringste Übel.
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Oh nein, da war sie eigentlich ganz froh drum. Sie brauchte nicht mehr Besuch als nötig heute Abend und mehr als eine seelische Unterstützung wäre definitiv überflüssig. Besonders dann, wenn es sich um - an diesem Datum tendenziell überdrehte - Kinder handelte. "Ehrlich gesagt räume ich lieber alles selber auf als hier heute eine Kinderparty zu veranstalten... Nichts gegen deine kleinen Freunde, ich würde sie schon mal kennenlernen wollen. Aber vielleicht lieber erst nächstes Jahr", meinte sie ebenfalls ironisch, rundete ihre Worte mit einem noch sehr milden, nichtsdestotrotz aber vollumfänglich unlustigen Neujahrswitz ab. Und nein, sie gehörte nicht zu den Menschen, die solche Scherze nach Mitternacht in voller Ernsthaftigkeit rissen und glaubten, besonders geistreich und innovativ unterwegs zu sein. Ich hab seit letztem Jahr nicht mehr geduscht war nicht so ganz ihr Vibe. Kinder an Silvester aber eben auch nicht. Es waren ja auch nicht nur Kinder, deren Gesellschaft sie heute schlicht nicht nötig hatte, sondern eben fast die ganze Menschheit durchs Band durch. Bis auf Ryatt oder halt... den ausgewählten Personen, die ihr keine Gesellschaft leisten wollten. Seine Frage nach einem Mantra liess sie kurz leicht irritiert die Augenbrauen zusammenziehen und ihn fragend anblicken, bevor sie den Kopf schüttelte. "Bisher nicht... du schon? Hilf das?", stellte sie gleich zwei Gegenfragen, blickte nachdenklich in seine Richtung. Sie war momentan wohl an einem Punkt, an dem sie fast alles ausprobieren würde, das Linderung versprach. Nicht zwingend nur an diesem Abend, sondern im Leben allgemein. Wenn Mantras Besserung in Aussicht stellten, warum sollte sie ihnen dann keinen Raum bieten? Scheinbar hatte Ryatt den drohenden Muskelkater durch das viele Backen schon ausreichend vorgebeugt und sie brauchte sich zumindest um ihn und seine Arme keine Sorgen mehr zu machen. Sie hätte beinahe etwas darauf erwidert, wenn er dem nicht noch eine kleine Beleidigung nachgeschoben hätte, die sie sofort einen entrüsteten Gesichtsausdruck vortäuschen liessen. "EnTsChuLdIguNg?!", gab sie ihm mit passendem Tonfall nochmal die Chance, diese Aussage zu revidieren, wobei sie aber bereits für einen richtigen Boxhieb ausholte, mit dem sie ihm beweisen würde, dass er sich keine Sorgen um ihre Ärmchen machen musste. Er war nur sehr knapp noch rechtzeitig damit, sie darauf hinzuweisen, dass sie das Boxen nicht an ihm üben sollte - ihre Hand stoppte nur wenige Zentimeter vor seinem Ärmel und sie rollte fast etwas enttäuscht die Augen. "Was will man machen? Deine Arme bieten sich halt eher an, ich hab keine Boxutensilien im Haus", was auch der absolut einzige Anreiz daran war, ihn zwischendurch zu boxen. Dafür blieb dann aber erstmal nicht mehr so viel Zeit, da sie sich nun wies aussah doch erst der Arbeit widmen würden. Ryatt schien bestens vorbereitet, konnte sogar direkt mit beiden Rezepten auf einem Bildschirm punkten, was natürlich ein grosses Plus war, wenn sie zu zweit in der Küche standen. Faye nickte anerkennend, hob den Daumen steil aufwärts. "Wow, kann es sein, dass da ein kleines Organisationstalent in dir steckt?", fragte sie, meinte das auch gar nicht so ironisch wie es letztendlich klang. Es wäre sogar naheliegend, dass dem wirklich so war - seiner Funktion bei der Army nach zu urteilen. Viel mehr Zeit sich zu erklären, liess die Brünette ihm dann aber nicht, weil sie stattdessen sofort nach der Küchenwaage griff und diese unter ihre eigene Schüssel schob. "Wirklich lieb von dir - danke", erwiderte sie noch grinsend auf seine Rücksichtnahme bezüglich der Kipferl, begann dann aber ohne weitere Verzögerungen damit, Mehl, Zucker und Butter in der Schüssel abzuwiegen. Das entfernte Geräusch eines Feuerwerks, das trotz der geschlossenen Läden bis nach drinnen gelangte, liess Faye ungewollt zusammenzucken, sorgte so für eine kurze Unterbrechung ihres Bake-Offs und leider auch für erneut aufkeimende Nervosität. Die Brünette zog die Schultern hoch und versuchte, die Anspannung wieder abzulegen. Trotzdem warf sie einen verstohlenen Blick in Richtung Fenster, wandte sich dann nochmal von ihrem entstehenden Teig ab, um mit den leisen Worten "bin gleich zurück", ins Wohnzimmer zu huschen. Viel mehr als die Musik ein bisschen aufzudrehen, liess sich leider auch hier nicht machen, aber sie nutzte den Weg, um ein paarmal tief durchzuatmen, bevor sie sich wieder in der Küche einfand. Feuerwerke - was war das bitte für eine dämliche Erfindung der Menschheit...
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Es war wirklich besser so, dass wir hier heute keine Horde pubertierender Teenager um uns herum hatten. Auch wenn ich sie inzwischen wohl zumindest ein kleines bisschen ins Herz geschlossen hatte, mit all ihren viel zu vielen Ecken und Kanten, hätte ich heute absolut keine Nerven dafür übrig, sie in die Schranken zu weisen. "Ja, ist wohl besser so.", bestätigte ich Faye dementsprechend mit einem schwachen Nicken in ihren Worten. Dass sie mich und damit auch die Kids mal im Heim besuchen wollte, stand sowieso noch auf der To-Do-Liste. Würden wir schon noch irgendwann machen, wenn sich ein günstiger Tag dafür anbot und Faye da dann auch Zeit hatte. Da noch so einige Sozialstunden für mich winkten, hatte das ohnehin keine Eile. Lieber erst einmal halbwegs heil durch die Silvesternacht kommen, danach irgendwann wurden weitere Pläne gemacht. Wobei ich sicherlich nicht immer irgendeinen triftigen, guten Grund oder Plan braucht, um die Brünette zu besuchen. Besser wars trotzdem, wenn wir zumindest meistens irgendwelche Aktivitäten einplanten und nicht jedes Mal nur bei ihr auf dem Sofa hockten oder so. Ich war nicht so der chronische Rumsitzer. Hinsichtlich des Mantras erntete ich erstmal einen fragenden Blick, was mich nicht wunderte. Es hatte auch bei der Army Leute gegeben, die das für Blödsinn hielten, weil es angeblich rein gar nichts bewirkte. War mir aber egal gewesen - ich war schließlich bis zuletzt immer fast unverletzt aus den Schlachten zurückgekehrt und bewies mindestens mir selbst damit das Gegenteil. Was Andere von mir hielten war mir schon lange egal. Das war eine der Sorgen, die man sich am besten gar nicht erst auflud, weil sie einen nur unnötig behinderte. "Mir hat's geholfen, ja... ich dachte am Anfang selber nicht, dass das was bringt, aber weil man als führender Kopf besser nie die Nerven verlieren sollte, hab ich's irgendwann mal ausprobiert.", meinte ich nachdenklich und erinnerte mich an den Moment zurück, als ich das erste Mal aktiv zum Mantra gegriffen hatte. Es hatte mir zwar an meinem letzten Tag in der Army auch nichts gebracht, dafür jedoch all die Jahre zuvor. "Es hilft natürlich nur, wenn du auch wirklich vor hast an das zu glauben, was du dir vorsagst... sonst kannst du's dir auch sparen.", hängte ich ein paar minimal leisere Worte an. Es war eben nicht so, als würde es grundsätzlich plötzlich eine ganze Situation vollkommen umkrempeln, nur weil man sich laut oder innerlich selbst ein paar Worte sagte. Es ging darum seine Einstellung damit zu ändern und einfach an sich selbst zu glauben. Inwiefern ich inzwischen noch am mich selbst glaubte sei mal dahingestellt, um mich ging es in diesem Augenblick ja nicht. Meinen Oberarm hatte ich jedenfalls nur gerade so noch einmal vor einem richtigen Schlag bewahren können. Man könnte glatt behaupten Faye müsste ihren Emotionen mal wieder wirklich freien Lauf lassen. "Hey hey hey, nicht so aggressiv hier. Dann geh in einen Boxclub oder ein Fitnessstudio mit Boxkurs. Mein Arm hat dir nix getan und sonst muss ich mich früher oder später dafür revanchieren, weißt du.", zog ich sie ein bisschen weiter auf und fasste mir dabei gespielt verletzt an die Stelle, wo ihre Faust vorhin so mild aufgekommen war. Es ließ sich nicht wirklich leugnen, dass ich ein Faible dafür hatte Dinge ordentlich zu machen, wenn ich sie in Angriff nahm. Ich tat Dinge entweder ganz oder gar nicht, irgendwas dazwischen gab es bei mir selten, weil ich schlichtweg wenig Sinn darin sah, irgendetwas halbherzig zu erledigen. Dann konnte man es sich nämlich gleich sparen. "Bisschen vielleicht.", gab ich zu. "Außerdem muss dann keiner mit dreckigen Teigfingern zum Scrollen aufs Display tatschen.", gab ich mit demselben ironischen Ton wie Faye zuvor noch einen weiteren Pluspunkt dieser sehr kompakten Liste preis. Während sie sich der Waage bediente stand ich recht untätig leicht mit der Hüfte an die Theke gelehnt herum, weil sich eben schlecht gleichzeitig auf ein und derselben Waage etwas abwiegen ließ. Allerdings wurde die zierliche Brünette sowieso in ihrer Arbeit irritiert. Ich zuckte automatisch mit als sie es tat, weil meine Augen auf ihr lagen. Ich hasste diesen Reflex und atmete etwas tiefer durch, damit mein Körper sich hoffentlich nicht sofort dazu animiert sah der vermeintlichen Gefahr wegen eine zu große Portion Adrenalin auszuschütten. Die junge Frau verschwand kurzum und eine sofortige Reaktion meinerseits erübrigte sich deshalb. Ich seufzte leise, während ich ihre Schüssel von der Waage schob und mich selbst daran machte, die Zutaten für den zweiten Tag abzuwiegen. Das würde sehr lustig werden später, wenn sie jetzt schon wegen einer einzigen Rakete so reagierte. Als Faye wieder zu mir zurückkam wog ich gerade zuletzt die Mandeln ab. "Ich bin sicher und ich steh das durch." Ich sah nicht zu der Brünetten auf, als ich sprach, sondern nahm nur abschließend die Schüssel von der Waage. "Sag's dir so lange, bis es wirkt. Üb' schonmal für später. Durchatmen dabei nicht vergessen." Beiläufig mit den Schultern zuckend machte mich auf den Weg zum Waschbecken, wusch mir dort vorsorglich noch einem die Hände und begann danach den Teig zu kneten.
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Bezüglich der Tatsache, dass es bessere Gelegenheiten für Faye geben würde, seine Kinderschar kennenzulernen, waren sie sich - wie meistens - scheinbar ohne grössere Diskussion einig. War aber auch kein Wunder, angesichts ihrer schlecht zu leugnenden, unruhigen Verfassung. Die Sache mit den Mantras schien ihm hingegen deutlich ernster zu sein als die Organisation von kleinen Küchen- beziehungsweise Putzhilfen. "Wenn das so ist, ists vielleicht wirklich einen Versuch wert... Ich bin relativ offen gegenüber allem, was Besserung verspricht", meinte sie nachdenklich. Das war sie eigentlich von Anfang an gewesen, weil sie weder von Religion noch Aberglaube davon abgehalten wurde, irgendwas auszuprobieren. Ausserdem war sie auch eher der Typ für erstmal versuchen und nicht schon von Vornherein alles abzulehnen und als Unfug abzustempeln. Meist lernte man dadurch nämlich ziemlich bald, ob eine Sache für einen persönlich nun hilfreich war und funktionierte oder eher weniger. Würde mit den Mantras nicht anders sein. Sie hatte schon diverse Selbstversuche durch und ein paar Dinge gefunden, für die sie sich gut hatte begeistern können und von denen sie nun eindeutig profitierte. Meditation und Yoga zum Beispiel, genau wie das Führen eines Tagebuchs zu ihren jeweiligen Stimmungsschwankungen und Gefühlslagen. Sicher gab es da draussen noch mehr, das ihr helfen könnte, besonders in Akutsituationen, in denen sie eben trotz vieler Bemühungen noch immer oft etwas überfordert endete. Sie sollte in einen Boxclub gehen? Das wiederum fand sie eine eher weniger vielversprechende Idee, weshalb sie sofort beide Augenbrauen nach oben zog. "Ähm, nein danke... ich denke, ich verzichte. Du bist der Einzige, der der Meinung ist, dass meine Nudelarme Aufbau nötig haben", gab sie ihm zu bedenken, dass sie diesbezüglich keinen Bedarf erkannte. Sie hatte vor wenigen Minuten immerhin behauptet, dass sie beide kräftig gebaut wären - nicht nur er. Dass es ihm bei der Darstellung der Rezepte primär um das Sauberhalten des Handys ging, war ihr eigentlich egal, es war trotzdem praktisch und er hatte intelligente Überlegungen in die Vorbereitung gesteckt. "Gutes Argument, aber keine Sorge, mit Technik gehe ich immer sehr vorsichtig um", meinte sie etwas sarkastisch, fügte gedanklich ein im Gegensatz zu deinen Armen hinzu. Technik heilte eben auch nicht so leicht wie ein blauer Fleck, nicht wahr? Eher ungefähr so schlecht wie ihre Psyche, allem Anschein nach. Denn sie war nicht zum ersten Mal an diesem Abend zusammengezuckt und wusste leider auch sehr sicher, dass es nicht das letzte Mal bleiben würde. Auch wenn sie es sich wünschte, schien eine grössere Katastrophe um Mitternacht fast unausweichlich. Naja, jetzt hatten sie zum Glück noch nicht Mitternacht und auch wenn ihr Puls sich ungewollt etwas beschleunigt hatte, half der kurze Spaziergang durch die Wohnung und die kontrollierte Atmung dabei, nicht schon jetzt tiefer als nötig ins Loch zu fallen. Bei ihrer Rückkehr in die Küche erwartete sie bereits die erste Unterstützung seitens ihres Backpartners. Sie blieb kurz im Türrahmen stehen und zog die Stirn in Falten, bevor sie wirklich begriff, wovon er sprach. Ihr Blick glitt, noch immer genauso angestrengt nachdenklich, zu Boden und ihre Zähne bissen langsam auf ihrer Unterlippe herum. Dann lehnte sie sich mit dem Rücken gegen das Holz des Türrahmens, schloss langsam die Augen, rollte die Schultern zurück und atmete tief durch. "Ich bin sicher und ich steh das durch", wiederholte sie seine Worte zuerst einmal, dann ein zweites und schliesslich ein drittes Mal, jeweils von kurzen Pausen und tiefen Atemzügen gefolgt. Erst nach ein paar Minuten machte sie die Augen wieder auf, starrte noch einen Moment vor sich hin, bevor sie mit einem weiteren tiefen Atemzug und einem ebenso tiefen Seufzen wieder in Richtung der Theke trat, wo sie vorhin eigentlich stehengeblieben war. Mit einem matten, beinahe ein wenig frustrierten "du bist ja schon fast fertig", kam sie erneut neben Ryatt zu stehen, blickte etwas verloren auf ihren eigenen Teig. Allerdings fing sie sich schliesslich bald wieder, begann die restlichen Zutaten beizumischen und das Ganze dann - trotz fehlendem Oberarm-Umfang - zu kneten, bis es einem doch ganz ansehnlichen Teig entsprach, der zum Abkühlen zurück in die Schüssel wandern durfte.
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Faye schien ihren Geist neuen Dingen gegenüber ähnlich offenzuhalten wie ich selbst. Es gab natürlich auch Dinge, zu denen ich einfach eine Meinung hatte, die sich nicht ändern ließ, aber das war tatsächlich erstaunlich wenig. Ich ließ mich gerne hier und da vom Gegenteil meiner vorherigen Annahmen überzeugen, das war des Lebens Würze. Man lernte nie aus und wenn man irgendwann glaubte ausgelernt zu haben, wechselte man fix auf die Verlierer- und Langweilerspur. Ich nickte auf Fayes Worte also mit einem schwachen Lächeln ab, das eher nur daraus bestand, dass ich den rechten Mundwinkel leicht nach oben zog. Die Nudelarme hingegen ließen mich wieder angeregt grinsen. Es klang einfach witzig und ich war mit blöden Wörtern leicht zum Lachen zu kriegen, da war ich simpel gestrickt. "Gut, na schön... dann eben kein Training für deine Nudelarme.", meinte ich kopfschüttelnd, ohne dass meine Mundwinkel wieder absanken. Als ich weiter darüber nachdachte, dass ich eine Weile lang selber mal relativ regelmäßig unter die Kampfsportler gegangen war, fielen mir aber durchaus weitere positive Aspekte daran auf. Zwar war es mir selbst damals nur um effektive Nahkampfverteidigung und dementsprechend korrekt ausgeführte Schläge und Tritte gegangen, aber es hatte sich auch abseits der verbesserten Kondition und Reaktion positiv auf mich ausgewirkt. "Ist aber gut für den Kopf, mal so ein bisschen um sich zu schlagen... nur so nebenbei bemerkt.", ließ ich es mir wie so üblich nicht nehmen, nochmal ein bisschen mehr Senf dazu abzugeben. Dabei warf ich ihr einen flüchtigen Seitenblick zu, der ihr deuten sollte, dass ich nicht den Psychotherapeuten spielen wollte, es aber halt aus eigener Erfahrung wusste. In etwa ebenso wie die Tatsache, dass es ihr mental aktuell auch unabhängig von Silvester sicherlich nicht ideal ging, was überwiegend nach wie vor mit Victors Verschwinden und dem vorangegangenen Trauma zusammenhängen dürfte. Ich wollte immer noch gerne wissen, was denn nun eigentlich genau passiert war, rechnete mir aber keine allzu großen Chancen dafür aus, es überhaupt jemals zu erfahren. Zumindest nicht detailliert, maximal oberflächlich. Mein Telefon schien so oder so von Fayes mit Teig beschmierten Fingern verschont zu werden, weil sie scheinbar ebenfalls grundsätzlich der Meinung war, dass man auf seine technischen Habseligkeiten ein Auge haben sollte. Es würde also heute kein Telefon zum Spaß in Teig baden, worüber ich doch sehr froh war. Obwohl mich mein Handy in diesem Augenblick deutlich weniger interessierte als Fayes Gemütszustand. Letztes Jahr war ich nicht von anderen Kriegsveteranen umgeben gewesen und genauso wenig von Feierwütigen - ich hatte nach dem gefühlt unendlich langen Krankenhausaufenthalt Zuhause bei meinen Eltern gesessen und wegen den Verbrennungen noch immer Schmerzmittel geschluckt. Es blieb also zu hoffen, dass die Brünette mich nicht einfach mit ins Trauma ziehen würde, weil die Situation allein dadurch für mich eben schon eine ganz andere war als im vorherigen Jahr. Stets getreu dem Motto, niemals einen Soldaten zurückzulassen - dann lieber gemeinsam untergehen. Aber so sollte ich nicht denken. Es würde schon alles gut gehen, noch war ja alles im grünen Bereich. Das kleine Häufchen Panik schien sich auch langsam zu beruhigen und machte gleich mal Gebrauch von dem von mir kurzerhand nur für sie konzipierten Mantra. Es blieb abzuwarten, wie gut das später dann noch funktionierte, aber für den Augenblick schien sie dadurch tatsächlich ein bisschen runtergekommen zu sein. Dass ich mit dem Teig jetzt nämlich weiter war als sie, obwohl sie zuerst angefangen hatte, war plötzlich wichtiger. "Hätt ich mit dem Kneten etwa auf dich warten sollen?", stellte ich ihr eine rhetorische, sarkastische Frage und sah sie mit amüsiert angehobenen Augenbrauen an. Dann aber wanderte mein Blick zurück auf den inzwischen ziemlich gut durchgekneteten Teig, ich machte also nur noch einen kurzen Moment weiter. Dann war der Teig aber wirklich endgültig genug malträtiert worden und fertig für den Kühlschrank. Ich ging also zu besagter Kühlvorrichtung und guckte mir an, wo wir die Schüsseln am besten unterkriegten. Ich schob hier und da ein bisschen was bei Seite, ohne die vorhandene Anordnung im Kühlschrank dabei großartig zu verändern, bevor der Teig ins Kühle durfte.
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Ob sie sich fürs Boxen genauso begeistern können würde wie für ein paar Wiederholungen eines Mantras? Irgendwie war sie sich da nicht ganz sicher. Sie glaubte ihm schon, dass es eine gewisse positive Wirkung haben konnte, war ja nicht das erste Mal, dass sie davon hörte. Aber trotzdem fand sie am Gedanken, zur Frustbewältigung auf irgendwas einzuschlagen, irgendwie nicht ganz so viel Gefallen. Gut möglich, dass das falsch war und es vielleicht genau das war, was ihr in ihrem Repertoire von Selbsthilfe-Techniken noch fehlte. Musste aber nicht sein und vielleicht war sie auch einfach nicht für sowas gemacht. Auf jeden Fall würde Faye ihm eher nicht versprechen, das auszuprobieren, weshalb ihr Schulterzucken nur mässig überzeugt ausfiel. Wer weiss, wenn sie plötzlich glaubte, unter extremen Aggressionen, innerer Wut oder Frustration zu leiden, kam sie darauf zurück. Sonst wohl nicht unbedingt. "Ich denk drüber nach", meinte sie trotzdem, würde das entsprechend wohl auch tun müssen. Denn das es gut wäre, um den Kopf freizubekommen, war ein nicht ganz so bedeutungsloses Argument. Tja, hatte sie erwartet, dass er warten würde mit der Weiterverarbeitung seines Teigs? Nicht unbedingt, aber das wusste er seinem Blick nach zu urteilen bereits. "Äh, ja?", war ihr ebenso rhetorischer Kommentar, der indizieren sollte, dass das eigentlich gar keine Frage sein dürfte und er das schon selbst hätte wissen sollen. Und vielleicht war es auch mehr der kleine Versuch ihrerseits, nicht zu sehr an ihrem kleinen Aussetzer von gerade eben hängen zu bleiben. Es war so schon unangenehm ständig diejenige zu sein, die auf irgendwas - oder alles - nicht klar kam, obwohl sie seit Jahren lernte, damit umzugehen. Ausserdem wollte sie sich nicht länger als nötig damit auseinandersetzen, um ihre Nervosität gezielt wieder etwas zurückzuschrauben. An normalen Tagen zuckte sie auch nicht so zusammen, bloss weil irgendwas da draussen einen Knall verursachte. Das lag leider mitunter an den dunklen Vorahnungen und den Erinnerungen an letztes Jahr. Was dumm war, weil sie genau dagegen ankämpfen wollte. Sie hatte versucht, möglichst optimistisch zu bleiben und zu hoffen, dass es eben nicht mit einem Zusammenbruch endete. Aber wenn sie sich zu sehr stresste und zu viel darüber nachdachte - was ironischerweise vor allem vom Versuch, nicht darüber nachzudenken, ausgelöst wurde - verurteilte sie sich selbst zum Scheitern. Also besser wieder auf den Teig konzentrieren. Diesen knetete sie im Anschluss ähnlich lange wie Ryatt, nämlich bis keine Mehlklümpchen mehr herausstachen und die Butter alles wunderbar fettig und klebrig gestaltet hatte. Die Schüssel durfte gleich darauf an der von Ryatt freigemachten Stelle im, in dieser Wohnung leider ziemlich kleinen, Kühlschrank Platz nehmen. "Dann steht jetzt wohl die erste Runde Abwasch an", verkündete die Brünette, während sie sich wieder aufrichtete und die Kühlschranktür hinter sich schloss. Viel gab es zu diesem Zeitpunkt ja glücklicherweise noch nicht, aber wenn sie das jetzt schon sauber machten, gab es am Ende - dann, wenn sie eh keine Lust mehr hatten - weniger zu tun. Die paar Sachen waren ziemlich schnell gespült und Faye wischte noch die Theke sauber, wandte sich dann wieder ihrem eigentlichen Gast zu. Einen Moment blickte sie ihn mit schilfgelegtem Kopf an, bevor sie sich selbst an der Stirn kratzte. "Mir fällt grad auf... Ich hab dich noch nichtmal gefragt, ob du durstig bist. Hab dich kaum ankommen und dafür direkt arbeiten lassen, das gibt Abzug auf meiner Gastgeber-Score, die das letzte Mal schon gelitten hat", realisierte sie nicht ganz ernst gemeint. Trotzdem setzte sie dann ein überfreundliches Lächeln auf, um den Verlust wieder wett zu machen. "Möchtest du was trinken? Ich hab Wasser, Tee, Kaffee... das Übliche, du weisst schon. Kekse sind leider noch in Produktion, kann ich dir aber später ebenfalls anbieten", holte sie die Nettigkeiten nach, blinzelte ihn abwartend an.
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Faye schien sich noch immer nicht wirklich fürs Boxen begeistern zu können, aber das musste sie ja auch nicht. Nicht jeder Sport war für jeden Menschen geeignet und vielleicht fühlte sie sich am Ende wirklich unwohl damit auf Irgendwas einzuschlagen, weil das einfach nicht ihr Ding war. Konnte sie eben nur gar nicht wissen, wenn sie es nicht probierte. "Mach das.", schloss ich das Thema also neutral ab, weil diese Entscheidung nun mal voll und ganz ihr oblag und nicht mir. Sie durfte sich meinen Tipp aber natürlich trotzdem gerne zu Herzen nehmen, damit ich ihn nicht ganz umsonst eingestreut hatte. War schließlich gut gemeint und am Ende hätte nicht nur sie was davon, wenn sie negative Gefühle an einen Boxsack loswurde. Es wirkte sich auch auf die Mitmenschen aus, wenn man sich insgesamt besser fühlte. Ich hatte schon mit einer Antwort in dieser Richtung gerechnet, als ich meine Frage ausgesprochen hatte. "Dann bitte ich hiermit außerordentlich beschämt um Verzeihung und versichere dir hoch und heilig, solche Fauxpas zukünftig zu vermeiden.", bat ich sie hochtrabend um Vergebung, konnte mir dabei die Ironie aber doch nicht gänzlich verkneifen. Ebenso wenig wie das Kopfschütteln im Anschluss. Ich genoss es, dass wir uns nicht ständig zu einhundert Prozent ernst nahmen. Es begünstigte einen unkomplizierten Umgang miteinander ungemein und das auch unabhängig davon, dass ich nicht mit Menschen klar kam, die sich sofort von allem angegriffen fühlten. Das war gerade dann, wenn man eigentlich zusammenarbeiten musste, absolut hinderlich und es nervte mich einfach extrem. Ich wollte meine Meinung sagen und einen Scherz machen können, ohne dafür gedanklich von Jemandem gesteinigt zu werden. Die Brünette kündigte den ersten Waschgang in der Küche an, was ich mit einem leisen Seufzen kommentierte. Allerdings war das Abspülen und Saubermachen dann doch ziemlich schnell erledigt, weil es bis dato noch nicht viel zu tun gab. Das eigentliche Putzen wartete erst noch auf uns, irgendwo hinter dem letzten in den Ofen geschobenen Blech voll verspäteten Weihnachtsplätzchen. Zu zweit war das sicher auch relativ zügig abgehakt und je schneller wir später damit fertig waren, desto besser. Mehr Hände bedeuteten mehr erledigte Arbeit, also war was das anging Teamwork schon angebracht. Faye stellte dann förmlich bestürzt fest, dass ich heute innerhalb ihrer vier Wände bisher weder ein Glas, noch eine Tasse in den Händen gehalten hatte, was mich belustigt schnauben ließ. "Ich hoffe aber du weißt, dass ich dir das nicht übel nehme..?", wollte ich mich dessen vergewissern, während ich mich auf den Weg zum Wasserkocher machte. Die Frage bezog sich sowohl auf meinen frühzeitigen Abgang - den ich sowieso selbst in die Wege geleitet hatte - als auch darauf, heute noch kein Getränk angeboten bekommen zu haben. Ich war ja nicht auf den Mund gefallen und hätte ich wirklich akuten Durst gekriegt, hätte ich mich längst gemeldet. "Hast du noch Weihnachtstee da? Passend zu den Keksen...", fragte ich sie mit hochgezogener Augenbraue über meine Schulter hinweg, als ich den Behälter von der Kochfläche nahm und dann zum Spülbecken ging, um ihn aufzufüllen. "Wenn nicht bin ich aber auch mit was Normalem zufrieden... Kamille, Pfefferminze oder sowas.", hängte ich schulterzuckend eine andere Option an, falls sie keine weihnachtlichen Überbleibsel mehr hatte. Ich trank normalerweise eher Kaffee als Tee, aber ab und zu gönnte ich mir auch letzteren. Eben besonders im Winter zum Aufwärmen oder dann, wenn es angebracht war, sich von innen heraus beruhigen zu wollen. Tee half zwar wahrscheinlich nicht gegen Feuerwerk, aber er trug eher zu meinem Wohlbefinden bei als kalte Getränke. Meinen Herzschlag jetzt schon mit Koffein in die Höhe zu treiben schien mir keine gute Idee, also besser kein Kaffee. Es würde auch ohne den Wachmacher sicherlich eine etwas längere Nacht werden.
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Die Brünette nickte leicht, während sie Ryatt einmal von oben nach unten und zurück zu seinem Gesicht mit ihrem kritischen Blick scannte, als würde sie ihm nicht wirklich abnehmen, dass er sich in Zukunft mehr bemühen würde als heute. "Na das will ich auch hoffen", erwiderte sie letztendlich, blieb damit ganz der arroganten Bitch treu, die sie hier gerade raushängte. Es war einfacher, mit solchen Rollen ihre angespannte Gefühlslage zu überspielen, weshalb sie die Chance natürlich freudig ergriff. Genau wie die andere Chance auf Ablenkung, die der Abwasch - beziehungsweise generell jede Handlung, die ihr was zu tun gab - beinhaltete. Entsprechend war das alles relativ zeitnah erledigt und sie standen wieder arbeitslos in der Küche herum. Bis auf die Pflicht, ihm mal etwas zu trinken zu organisieren, natürlich. Seine Worte liessen sie nun ihrerseits lächeln und Faye schüttele schwach den Kopf. "Jaja, ist mir schon bewusst. Aber wäre trotzdem gut, wenn du mir hier nicht verdurstest und idealerweise wenigstens was zu trinken bekommst, wenn du schon ein bisschen mentale Unterstützung für mich spielst...", rechtfertigte sie ihre Sorge um seine Flüssigkeitszufuhr. Er hätte diesem Abend zwar vermutlich auch ohne sie nicht viel abgewinnen können, aber die junge Frau bezweifelte stark, ihm heute irgendeinen Mehrwert bieten zu können mit ihrer Gesellschaft. Dazu war sie einfach zu aufgewühlt und unruhig. Schon jetzt, aber später erst recht. Bezüglich dem Weihnachtstee legte sie kurz die Stirn in Falten, ging dann zu dem Schrank, der ihr Teesortiment beinhaltete, zog ihn auf und betrachtete das Angebot einen Moment. Ihr Finger suchte die losen Teebeutel ab, bis sie mit einem zufriedenen Laut eines davon hervorzog und triumphierend in die Höhe schwenkte, bevor sie Ryatt den wenig glorreichen Titel vorlas. "[i]Eine Tasse Weihnachten für alle[i]... Haben wir auf der Arbeit verteilt bekommen, mit einer ganzen Menge anderem Weihnachtszeug. Sonst hätte ich dieses Jahr tatsächlich mit überhaupt nichts in dieser Richtung glänzen können", meinte sie. Der Teebeutel, auf dessen Verpackung eine Zeichnung einen Pflegers in Nikolauskostüm zeigte, gehörte zur Weihnachtsspende die jemand auf allen Abteilungen des Krankenhauses verteilt hatte. Quasi als kleines Trostpflaster dafür, dass sie alle zumindest teilweise an Weihnachten arbeiten durften. Da Faye aber dieses Jahr gefühlt gar nie in Weihnachtsstimmung gekommen war, hatte sie den Tee wenig beachtet im Schrank verstaut, was Ryatt nun zugute kam. Und ihr, da sie dann immerhin drum herum kam, das ganze nächste Jahr einen solchen Teebeutel hin und her schieben zu müssen, bis die nächsten Festtage mit hoffentlich angebrachter Gefühlslage ihrerseits eintrafen. Nach dem erfolgreichen Fund schob Faye den Schrank wieder zu, holte gleich im Anschluss einen grossen Krug hervor, in den sie den Teebeutel hängte. Wenn sie das lange genug ziehen liessen, würde der eine Beutel schon ausreichen für das ganze Wasser, ausserdem musste ja noch was übrig bleiben für später, wenn die Kekse gebacken wären. Sonst kam Ryatt ja nur gedanklich auf seine Kombination aus Weihnachtstee und Keksen. Während sie auf das Kochen des Wassers warteten, setzte Faye sich schonmal mit zwei Tassen an den eher kleinen Küchentisch, schob eine davon für Ryatt zur gegenüberliegenden Tischkante. Allzu lange musste der Teig wohl nicht in den Kühlschrank, die Zeit konnten sie also gut auch hier abwarten, um sich dann später nach getaner Arbeit ins Wohnzimmer zu verziehen. "Wie lange müssen die im Kühlschrank bleiben? Halbe Stunde?", erkundigte sie sich trotzdem vorsichtshalber nochmal beim zuständigen Bäcker, der mehr Ahnung von der Materie hatte als sie.
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Es schien als würde Faye gerade förmlich darin aufblühen die Prinzessin auf der Erbse zu markieren, die immer was zu meckern hatte. Deswegen konnte ich mir ein flüchtiges Augenrollen inklusive Grinsen an dieser Stelle auch nicht verkneifen. "Hab ich den gläsernen Schuh auf der Treppe vorhin übersehen, Prinzessin?", stellte ich ihr eine indirekte Frage, wobei aber klar herauszuhören war, dass ich die ganze Sache genauso wenig ernstnahm wie die Brünette selbst. Ich war mir zwar nicht sicher, inwiefern Fayes Lebenslauf überhaupt irgendwas mit der Cinderella-Story zu tun hatte - was überwiegend daran lag, dass ich gar nicht wusste, was die Backgroundstory jener märchenhaften Prinzessin abseits ihrem Dasein als Waise bei einer bösen Stiefmutter so alles beinhaltete - aber auf jeden Fall hatte sie bei der Army Drecksarbeit gemacht und hatte jetzt eigentlich ein besseres Leben. Nur der Prinz, der hatte sie verlassen. Ihr blieb also nichts anderes, als ihr kleines Königreich in Form dieser Wohnung vorübergehend allein zu dirigieren und den verlorenen Schuh von Jemand anderem zu erhalten. Von mir, in diesem wahnsinnig glorreichen Beispiel. Solange das Wasser noch erhitzt wurde, lehnte ich mich entspannt nahe dem Gerät an die Küchentheke. Fayes Aufmerksamkeit war wohl das einzige, was ich heute kriegen würde, für's mentale Unterstützung spielen. Blieb zu hoffen, dass ich sie auch wirklich unterstützen konnte und nicht selbst mehr am Feuerwerk nagte als im vergangenen Jahr. "Mit den Anderen im Wohnheim sitzen wollte ich sowieso nicht... und mich in meinem Zimmer zu verkriechen wäre sicher schräg rübergekommen.", meinte ich schulterzuckend. Meine Alternativen zu einer Silvesternacht mit Faye waren erstaunlich schlecht, also war es wiederum kein Wunder, dass ich nicht gezögert hatte ihr hierfür zuzusagen. Ich hätte meine Familie nicht besuchen können, selbst wenn ich es gewollt hatte. Mehr als zwei freie Tage am Stück waren für mich nicht drin - kein Gericht genehmigte einem Urlaub bei Sozialstunden - und es lohnte sich kaum wegen wenigen Stunden extra ein paar Bundesstaaten weiter zu fliegen. Vom finanziellen Aspekt mal ganz abgesehen. Dass sie mich stattdessen besuchen kamen stand nicht zur Debatte, bis ich wieder mehr auf eigenen Beinen stand. Die Blöße meines derzeit miserablen Lebenszustands würde ich mir nicht geben. Faye schien tatsächlich noch ein bisschen Weihnachten im Schrank gefunden zu haben - nur ihrer Arbeit wegen, aber warum genau der Teebeutel nun im Schrank lag, war ja auch egal. Hauptsache er war da und ließ uns damit unser Weihnachten an Silvester komplettieren. "Dann bin ich mal froh, dass du das Beutelchen noch aufbewahrt hast. Eins ist besser als keins.", meinte ich, wenig überrascht davon, dass die Brünette dieses Jahr nicht wirklich weihnachtlich shoppen gegangen war. Wofür auch? Ihre Schwester war nicht da und Victor auch nicht - man kaufte kein Zeug für das Familien- und Liebesfest schlechthin, wenn die Liebsten nicht da waren. Ihr blieb nichts anderes als ein pseudomäßiges Weihnachten mit Keksen und Tee mit mir nachzuholen, nachdem wir das eigentliche Weihnachten getrost etwas zu exzessiv in Alkohol getunkt hatten. Aber nein, ich bereute letzteres nach wie vor nicht. Als das Wasser aufgekocht war richtete ich mich wieder auf und nahm die Kanne vom Kocher, um den Beutel aufzugießen. Musste er halt eine ganze Weile drin hängen bleiben, damit wir lange genug was davon hatten, aber halb so schlimm. Ich hielt mich bis auf wenige Ausnahmen - nämlich bei Teesorten, die sonst ekelhaft bitter wurden - ohnehin nur selten an vorgegebene Ziehzeiten. Die leere Kanne wanderte zurück an ihren Platz und ich nahm den zukünftigen Tee von der Theke, ehe ich zu Faye aufschloss und mich ihr gegenüber an den Tisch sinken ließ. "Jep, richtig geraten.", bestätigte ich die zierliche Brünette nach dem Abstellen des Krugs in ihrer Annahme und unterstrich meine Worte mit einem kurzen Nicken. Wir würden mit dem Backen eindeutig vor Mitternacht fertig werden und ich war schon gespannt darauf, wie wir uns die Zeit dazwischen überbrücken würden. Abgesehen vom Kekse essen natürlich, das ganz oben auf der Prioritätenliste stand. Die mussten halt nur auch erstmal auskühlen, bevor sie richtig schmeckten.
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Er entlockte ihr doch ein schwaches Grinsen, als er mit dem Cinderella-Vergleich um die Ecke kam. Entsprechend brauchte sie auch einen Augenblick, bis sie wieder halbwegs ernst aus der Wäsche blickte und Ryatt scheinbar entrüstet betrachtete. "Du... du hast ihn einfach ignoriert? Also liegt er noch immer ganz alleine im Treppenhaus? Bei diesem Wetter??", stieg sie sehr motiviert auf den nächsten ziemlich zusammenhanglosen Wortwechsel ein, der einzig und allein ihrer Ablenkung diente. War wenig überraschend nämlich nicht wirklich so, dass sie sich Sorgen um einen Schuh machte, der eigentlich nicht mal existierte. Sonst müsste sie sich nämlich einmal mehr sehr ernsthafte Gedanken zum Zustand ihrer Psyche und ihres eigenen angekratzten Verstands machen. Musste sie ja sowieso ständig, aber glücklicherweise - oder leider, je nach dem wie mans sehen wollte - nicht wegen Lappalien wie gläsernen Schuhen. Vielleicht würde das ihr Leben leichter machen, wenn sie ein bisschen mehr die Cinderella-Schiene fahren würde... Dann hätte sie den Dreck ja theoretisch schon hinter sich, oder? Wahrscheinlich musste sie nur noch ein zweites Mal den Schuh verlieren, aber diesmal wirklich. Nämlich in dem Moment, wenn Victor endlich wieder in diese Strasse einbiegen würde, wenn er wieder bei ihr war. Und dann würde das Prinzessinnenleben beginnen - es wäre ihr dabei auch vollkommen egal, wie dieses letztendlich ausfallen würde. Hauptsache nicht mehr ganz so selbstzerstörerisch wie davor und vor allem ohne weitere Katastrophen. Kleine Tiefs gehörten sicherlich zum Leben dazu, aber sie waren sich wohl alle in der Sache einig, dass die Ereignisse mit der Familie Hernández kein kleines Tief gewesen waren, ebenso wenig wie die Kriegshölle in Syrien. Ryatts Optionen zu Silvester klangen in etwa genauso reizend wie ihre eigenen - gar nicht. "Kenn ich... ich wurde auch von ner Freundin eingeladen, aber hielt das für keine besonders tolle Idee...", sie zuckte kurz mit den heute durchgehend angespannten Schultern. "Naja, was will man machen, ich ruiniere halt lieber dir den Jahreswechsel als ihr", hängte sie sarkastisch an, warf ihm einen, von einem Augenbrauenzucken begleiteten Blick zu. Er war nunmal das kleinere Übel, da er höchstwahrscheinlich auch ohne sie keine gute Zeit gehabt hätte. Vielleicht würden ja wenigstens die Stunden bis Mitternacht einigermassen okay und ohne zu viele Zuckungen verlaufen, damit er immerhin einen kleinen Mehrwert aus ihrer Gesellschaft ziehen konnte. Wenn es auch nicht viel sein würde, weil sie halt am Ende doch nicht wirklich ruhig oder entspannt oder ausgelassen funktionieren konnte heute Abend. Dafür backten sie ja Kekse - um sich zu unterhalten, ohne ständig stillsitzen zu müssen, weil das gerade pures Gift für ihre Nerven war. Eine halbe Stunde - es war eigentlich sogar schon etwas weniger - sollte sie aber gerade noch hinkriegen. Mit einer Tasse Tee, sobald der erstmal genug gezogen hatte, und irgendeinem wahllosen Gespräch mit Ryatt, zu dem ihre Augen nun zurückwanderten, während sie sich die nächste Frage ausdachte. "Wie hast du früher Silvester gefeiert? Warst du eines dieser Böllerkinder, die den ganzen 31. Dezember lang alle Nachbaren wahnsinnig gemacht haben?", wollte sie wissen, während sich in ihrem Kopf sofort das Bild eines kleinen Ryatts, der den ganzen Tag lang irgendwelche Explosionen zündete, abzeichnete. Mit dem ehrgeizigen Ziel, mit jedem Streichholz noch ein bisschen lauter zu krachen. Ätzend.
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Es freute mich, dass die Brünette trotz der gegebenen Umstände noch ein bisschen zum Scherzen aufgelegt war, sofern sie eine ausreichend gute Vorlage dafür serviert bekam. Die knappe royale Story schien dafür ausreichend zu sein. Man konnte mir morgen definitiv nicht vorwerfen, dass ich nicht wirklich versucht hatte sie ausreichend von dem anstehenden Feuerwerk abzulenken, denn bisher schien ich das verhältnismäßig gut hinzukriegen. Ich streute ein theatralisches Seufzen ein, während ich durchweg beschämt den Blick auf die noch leere Tasse vor mir auf dem Tisch senkte. "Ignoriert ist wahrscheinlich das falsche Wort... ich fürcht' ich brauch' jetzt eine Brille, wenn ich einen durchsichtig glitzernden Schuh schon nicht mehr erkennen kann.", meinte ich und zog schwer bedauernd für einen Moment lang die Schultern nach oben. So war das halt, wenn man langsam alt wurde. Man hörte schlechter - was zumindest bei ehemaligen Soldaten aber kein Wunder war - und mit Pech schwand eben auch die Sehkraft. Da konnte man einen Schuh aus purem Glas schon ziemlich leicht übersehen. Faye schien jedenfalls keine Option für den heutigen Abend gehabt zu haben, die sich für sie besser anhörte, als mir den Jahreswechsel zu versauen. Danke? Ich nickte mit einem stummen Schnauben. "Glücklicherweise kann ich dir wahrheitsgemäß versichern, dass ich mir den heutigen Abend sogar ganz gerne von dir ruinieren lasse.", erwiderte ich, den Blick wieder in den ihren gerichtet. War ja nicht so, als hätte es wirklich was zum ruinieren gegeben. Mindestens die Mutter im Wohnheim freute sich bestimmt darüber, wenn der Kriminelle, der ihr sowieso nicht ganz geheuer war, bei nächtlichen Festen außer Haus war. Ich erzählte Allen dort nicht mehr über mich, als meinem Ermessen nach notwendig war und dementsprechend hatte auch keiner eine Ahnung davon, dass ich bei der Army gewesen war. Es würde nur zu unangenehmen Anschlussfragen führen, die ich nicht beantworten wollte. Wahrscheinlich genossen mich einige dort auch genau deswegen mit Vorsicht - weil ich nicht genug plauderte, zumindest nicht über mich. Sie konnten mich gar nicht besser kennenlernen, weil ich ihnen keine Möglichkeit dazu bot. Was mein früheres Ich zu Silvester anging, musste ich tatsächlich einen Moment lang nachdenken. Dabei legte ich den Kopf leicht schief. "Ich hatte auf jeden Fall deutlich mehr Spaß dran als jetzt. Wir haben in einem kleineren Vorort gewohnt und meistens haben die Eltern in der Nachbarschaff alle zusammen was organisiert, damit wir später was zu gucken hatten... wir haben uns um Mitternacht immer versammelt und tagsüber war zumindest meine Wenigkeit immer akribisch eingesperrt. Meine Eltern wussten schon, dass ich sonst Blödsinn treibe und die anderen Kids mitziehe.", erzählte ich und musterte dabei mit tendenziell leerem Blick die ebene Tischplatte. Schwelgte in einer eigentlich guten Erinnerung, einer von wenigen aus der damaligen Zeit. Nur dass ich den Tag über immer hatte Zuhaue sitzen müssen, hatte mir weniger geschmeckt - wenigstens war ich am Ende aber mit einem schicken Feuerwerk dafür belohnt worden. Als ich älter geworden war, hatte ich mich dann aber natürlich zunehmend weniger dafür interessiert und hatte lieber mit meinen damaligen Freunden losziehen wollen. Hatte ich nicht gedurft und trotzdem zweimal gemacht. Verbote und ich, wir waren damals noch keine Freunde gewesen. Waren wir eigentlich immer noch nicht - ich erbaute mir jetzt eben nach Möglichkeit meine eigenen Brücken und Wege, um langfristig drum herum zu kommen. "Und du? Konntest du dem Ganzen damals was abgewinnen?", stellte ich Faye schließlich nach ein paar stummen Sekunden die eine ähnliche Gegenfrage, als ich die Gedanken und Erinnerungen in meinem Kopf erfolgreich gekappt hatte und meine Augen die ihren suchten. Ich hatte damals kein Kind gekannt, das die bunten Lichter am Himmel nicht irgendwie toll oder faszinierend gefunden hatten. Vielleicht bildete Faye aber eine Ausnahme.
◈ pain is the feeling of weakness leaving the body ◈
"Aber jetzt willst du mir nicht auch noch blind werden, oder?", fragte sie langsam, zog dabei kontinuierlich eine Augenbraue in Richtung Haaransatz. "Weil das wäre wirklich ungünstig, willst du die Vanillekipferl dann nach Gefühl formen?", nur weil er doch gemeint hatte, diese besonders hübsch - oder jedenfalls besser als sie - hinzukriegen. Würde er nichts mehr sehen, wäre damit wohl auch Schluss. Aber vielleicht sollte sie auch einfach nicht zu sehr an seinen Fähigkeiten zweifeln, irgendwie bekam er das schon hin. Und wenn die Dinger am Ende unschön aussahen, waren sie sicherlich trotzdem lecker. Den Geschmack hatte er mit dem Teig ja quasi schon gemixt. Gehörte wie das ganze Plätzchenabenteuer zu ihrem Abendprogramm, gegen das er scheinbar herzlich wenig einzuwenden hatte. "Weil er sowieso nicht vielversprechend ausgesehen hat, es entsprechend nicht viel zu ruinieren gab, oder weil ich einfach unglaublich toll bin und du meine Gesellschaft selbst in diesem Zustand als so kostbar empfindest?", war ihre sarkastische Anschlussfrage auf sein Geständnis, wobei sich aber erneut ein leichtes Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. "Aber ich bin froh, dass es so ist. Dann muss ich ein bisschen weniger ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich dir später mal auf die Nerven gehe", schob sie nach, weil die Chancen etwas zu gut standen, dass das heute noch geschehen würde. Er war aber hergekommen mit dem Wissen, dass sie sich nicht gerade in einem allzu stabilen Zustand befand, also war es eigentlich naheliegend, dass er ihr das eh nicht übel nehmen würde. Schon nur deshalb, weil sie es schlicht nicht mit Absicht tat, im Gegenteil sogar ihr Möglichstes unternehmen würde, keinen Nervenzusammenbruch hinzulegen. Und wenn doch, tja, dann hatte er sowas immerhin auch mal miterlebt. Gehörte ja leider ziemlich permanent zu ihrer Persönlichkeit dazu und er hatte bisher zwar vielleicht schon ein paar Tränen, aber noch nie ein Full-Scale-Meltdown ihrerseits bezeugen können. Irgendwann war Zeit fürs erste Mal, er wartete bestimmt längst sehr ungeduldig darauf, nachdem sie ihm immer mehr Geschichten aus ihrer Vergangenheit auftischte. Solche, die eben darauf hindeuteten, dass sie regelmässig psychisch auf der Fresse lag. Man könnte ja schon fast meinen, dass es an ihm lag, dass es in seiner Anwesenheit bisher nie passiert war... Oder einfach daran, dass es ihr peinlich wäre, wenns doch vorkommen würde. Scheinbar hatten seine Eltern früher erfolgreich verhindert, dass ihr Sohnemann sich an Silvester allzu wild aufgeführt hatte. Und auch das war eine amüsante Vorstellung, weil sie es sich selbstverständlich erneut nicht nehmen liess, sich das Szenario bildlich vorzustellen. "Na zum Glück bist du heute kein so schlechter Einfluss mehr auf deine Mitmenschen, hm?", die rhetorische Frage, die sie mit einem süffisanten Lächeln auf dem Gesicht stellte, war nicht ganz klar zu deuten. Aber das war nicht so schlimm, sie sah ihn ja nicht wirklich als schlechten Einfluss, sonst würde sie ihn kaum immer wieder treffen und ihn in ihre Wohnung lassen. Das war nach allem, was sie besonders in den letzten Monaten erlebt hatte, ein ziemlich grosser Vertrauensbeweis, wie man hier mal anmerken durfte. "Aber klingt sonst doch ganz schön...", so schön wie eben meistens nur Kindheitserinnerungen in weiter Vergangenheit glitzerten. Mit denen sie im Übrigen ebenfalls punkten konnte, wie sie nach einem leisen Seufzen, welches ihren Blick ebenfalls auf die Tischplatte abschweifen liess, kundtat. "Mein Vater war im Herzen ein kleiner Junge geblieben und hat sich sowohl an Silvester als auch am 4. Juli jeweils gefühlt am meisten gefreut über jeden Knaller... Aber er hat auf jeden Fall auch seine Kinder damit angesteckt, wobei ich verhältnismässig noch am vernünftigsten war. Was nicht heissen soll, dass ich die Feuerwerke nicht trotzdem ziemlich heftig gefeiert habe. Ist also schade, dass sich das so komplett gedreht hat... Aber passt ja zum Rest", dem Rest, der sich eben genauso verändert hatte und nichts mehr mit Silvester oder Feiertag von damals gemein hatte. Die Brünette gab erneut ein Seufzen von sich, das nochmal leiser ausfiel als das zuvor. Das kleine Lächeln auf ihren Lippen verschwand, als sie den Blick wieder auf ihr Gegenüber richtete. Die Erinnerungen waren immer sehr bittersüss, was auch der Grund war, weshalb sie nie zu lange daran hängen bleiben wollte. Jedenfalls dann nicht, wenn sie nicht alleine war. "Wo bist du überhaupt aufgewachsen? Ich glaube, das hast du mir noch gar nicht erzählt... Gabs da grosse Feuerwerke?", schnitt sie stattdessen ein anderes Thema, das sich wieder mehr auf ihn fokussierte, an. New York - oder eine andere, für ihre Neujahrsfeuerwerke bekannte Stadt - dürfte es schonmal nicht gewesen sein, wenn sich seine Nachbarschaft darum bemüht hatte, selbst ein Feuerwerk zu kreieren. ___________________ ...und Queni hofft mal fest, dass er das nicht schon gesagt hat :')
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
ney, hat er nicht - ich hab gestern selber nachgeguckt tatsächlich, weil ich mir nicht mehr sicher war, ob sie das damals, als Faye von ihrem Heimatort erzählt hat, abgehakt hatten oder nicht. Glücklicher Zufall, dass ich mir daraufhin dann auch mal was zurecht gelegt habe. Als hätt ichs gerochen, dass die Frage zeitnah auftaucht. x'D ____________
Ich zitierte mir selbst gedanklich eine Aussage meines einstigen Ausbilders, die mich dazu hatte ermahnen sollen, mir manche Dinge in ungeeigneten Momenten besser zu verkneifen. Meine Klappe war früher immer schneller gewesen als mein Gehirn und ich war froh darum, dass ich inzwischen zumindest meistens eine Kontrolle darüber hatte. Ich hasste es manchmal, wie schnell mein Kopf von einem zum nächsten Thema sprang, nur weil ich irgendwo eine winzige Überleitung in Worten gefunden hatte, die eigentlich gar nicht da war. Eine Verbindung zwischen zwei völlig gegensätzlichen Gedanken und auf einen davon hatte Faye ganz sicherlich nicht einmal im entferntesten angespielt. Ich war definitiv der einzige am Tisch, der von unschuldigen Weihnachtskeksen zu nackten Frauenkörpern sprang. Mit den Schultern zuckend griff ich nach dem Krug, weil der Tee allmählich durchgezogen sein musste. Außerdem konnte ich mir das schelmische Grinsen leichter verkneifen, wenn ich die Brünette nicht ansah. "Ach, selbst wenn... wäre nicht das erste Mal, dass ich mich im Dunkeln nur mit den Händen zurechtfinden muss." Ich nahm nicht wörtlich in den Mund, was mir im Kopf herumspukte und überließ das mal gänzlich ihrer freien Interpretation. Gab ja durchaus auch einige andere Situationen, in denen ein Mensch zu sowas gezwungen war. "Nur das Blech solltest im Ernstfall vielleicht lieber du in den Ofen schieben, auf weitere Verbrennungen verzicht' ich gerne.", hängte ich noch einen trockenen Witz an, als meine Tasse etwa halbvoll war und ich das Gefäß wieder abstellte. Erst danach suchten meine Augen erneut den Blickkontakt zu der zierlichen Brünetten. War das eine Fangfrage? Ich konnte nicht falsch darauf antworten, oder? "Beides, denke ich. Auch wenn du ein bisschen übertreibst.", wies ich sie vollkommen überflüssig mit einem unschuldigen Blinzeln und einem schmalen Grinsen auf das hin, was sie längst wusste. Lag was auf dem Tisch, was sie nach mir werfen konnte? Auf jeden Fall keine Messer und Gabeln. "Du bist bei Weitem nicht die erste, die mir auf die Nerven geht.", was übrigens eine amüsante Umschreibung für einen Nervenzusammenbruch war. "Ich denk also ich werd's ganz gut überstehen und das schlechte Gewissen ist dementsprechend überflüssig.", gab ich mich diesbezüglich völlig gleichgültig. War ja auch nicht so als hätte ich mich nicht schon längst mental darauf vorbereitet, dass die heutige Nacht wahrscheinlich recht holprig werden würde. Darum musste sie sich also wirklich nicht unnötigerweise Gedanken machen. Aufs Fayes Worte hinsichtlich meines schlechten Einflusses wiegte ich abwägend den Kopf leicht hin und her, sagte sonst aber nichts mehr dazu. Wenn man mich fragte, war ich nicht per se schlechter Einfluss, aber ich hatte eine unangefochtene Gabe dafür, andere von meinen Ideen zu begeistern und das konnte durchaus gefährlich oder unangebracht sein. Auf jeden Fall war meine Kindheit offensichtlich nicht nur schlecht gewesen und ich lauschte der Erzählung der jungen Frau gegenüber aufmerksam, als sie mir ihre Version vergangener, von Feuerwerk begleiteter Feste schilderte. Während ich mir ihre Augen dabei abermals ganz genau ansah, konnte ich mir bestens vorstellen, wie sie als Kind mit großen Augen in den Himmel sah und sich die bunten Lichter darin spiegelten, was mich unwillkürlich lächeln ließ. Wenn auch mit etwas salzigem Beigeschmack, weil von Fayes Familie heute nur noch so schrecklich wenig übrig war. Es war schade, dass das Leben uns die kindliche Begeisterung förmlich abzulegen zwang - zumindest wenn man dumm genug war in den Krieg zu ziehen. "Vielleicht braucht's nur mehr Zeit, bis wir uns wieder damit anfreunden können. Sag niemals nie.", gab ich mich mal sehr vorsichtig optimistisch. Der Mensch überwand Traumas, die sich so tief ins Hirn brannten wie sterbenden Menschen, Kugelhagel und einschlagende Granaten, nicht innerhalb von zwei Jahren. Das dauerte lange und bei manchen für immer. Es hing wohl davon ab, wie man damit umzugehen gedachte - ob man die gewollten Fortschritte wirklich aktiv in die Wege leitete, oder es bleiben ließ. Wo ich hingegen herkam hatten wir bisher noch gar nicht angesprochen, obwohl ich schon wusste, wo Fayes Wurzeln lagen. "In einem kleinen Ort in der Nähe von Grand Rapids... das ist ungefähr 45 Minuten vom Lake Michigan entfernt. In der Stadt selbst gabs schon ein großes Feuerwerk und man konnte das auch von Weitem sehen, wenn man sich ein geeignetes Plätzchen gesucht hat... aber nachdem ich als Kind leider oft und gerne gezielt weggerannt bin, wenn ich meinen Willen nicht durchsetzen konnte, haben meine Eltern größere Menschenmassen irgendwann lieber gemieden.", ließ ich Faye mit einem leisen Seufzen ein weiteres Detail zukommen, nach dem sie überhaupt nicht gefragt hatte. Ich war normalerweise eigentlich nicht so redselig was meine Vergangenheit anbelangte, aber bei der mental schon so mitgenommenen Brünetten schien ich mir sicher damit zu sein, dass sie nicht versuchen würde es irgendwann gegen mich zu verwenden.
◈ pain is the feeling of weakness leaving the body ◈
Hahaha ja, ich habs gestern auch gemerkt! Ich bin, nachdem ich meinen Post verfasst habe, mal wieder im Anmeldethread vorbeigehuscht und hab da direkt gesehen, dass du vor sehr kurzer Zeit seine Heimat angefügt hast. xD Ausserdem wollte ich sagen, dass da gestern noch Chicago stand und ich das lustig fand, weil Chicago bei Faye & Aryana tatsächlich meine zweite Wahl gewesen wäre und ich sehr zwischen dem und Denver geschwankt habe. xD Und vielleicht sollten wir mal ausdiskutieren, wo in etwa die im Moment so wohnen... Weil ich glaube wir haben nie definiert, ob das Ost- oder Westküste sein soll. Nur dass es im Winter scheinbar schneit (glaub ich?^^) und das Meer nicht weit weg ist. x'D ________________
Faye wusste tatsächlich einen Moment lang nicht, wie sie dieses Sätzchen interpretieren sollte, zog entsprechend eine Augenbraue nach oben und blickte Ryatt mit schiefgelegtem Kopf an. "Im Dunkeln mit den Händen... was?", kam es mehr nur murmelnd über ihre Lippen, weil sie tatsächlich nicht sicher war, ob sie das hätte verstehen müssen... bevor ihr heute wohl etwas verlangsamter Kopf auch mal schaltete, sie fast überfordert mit dem plötzlichen und absolut unverhofften Gedanken die angestaute Luft ausstiess und stattdessen nach frischer schnappte. Sein Glück hatte sie dabei nicht schon was von dem Tee getrunken, den hätte sie wohl in hohem Bogen über den Tisch geprustet. So war aber das Einzige, was er erntete, ein leicht verstörter Blick in seine Richtung, der hauptsächlich daher rührte, dass sie gerade wirklich nicht mit einem solchen Spruch gerechnet hätte. Nicht nach Cinderella und einem gläsernen Schuh im Treppenhaus. "Ähhh... gut zu wissen?", oder auch nicht, weil sie das Wissen letztendlich absolut nicht brauchen könnte. Aber dass das ebenfalls mehr Ironie als Ernst gewesen war, hatte er sicherlich herausgehört. "Aber ja, mach dir keine Sorgen, ich kümmern mich um die Backbleche...", schob sie nach, weil das mit den Verbrennungen ein ziemliches Totschlagargument seinerseits war. Da würde ja besser sie als noch vollkommen unversehrtes Geschöpf... nevermind. Aber Brandnarben hatte sie wesentlich weniger als er, das stimmte schon. Waren ja nur die vom Elektroschocker und die waren in der Zwischenzeit relativ gut verblasst. Im Gegensatz zu anderen. Sie hätte ja fast sowas angefügt wie aber dann schuldest du mir einen Gefallen, wenn das nächste Mal ein Risiko für Schnittwunden oder Peitschenhiebe besteht - behielt das aber aus selbsterklärenden Gründen dann doch lieber für sich, schob ihm stattdessen ihre Tasse entgegen, damit er ihr auch was von dem Weihnachtstee einschenkte. Dass er ihre Gesellschaft noch immer zu schätzen schien, hörte sie natürlich gerne, weshalb sie mit zufriedenem Lächeln zuckersüss in seine Richtung grinste. "Ach? Wirst du des öfteren als Emotional Support für schwierige Situationen gebucht?", fragte Faye interessiert, weil sie gerade nicht wirklich beurteilen konnte, wann ihm die Leute denn sonst auf diese Weise auf die Nerven gingen. Es sei denn, er bezog seine Worte nicht nur auf Nervenzusammenbrüche seiner Mitmenschen. Die Brünette zuckte leicht mit den Schultern, während ihre Gedanken etwas nostalgisch in der Vergangenheit hingen. Da, wo die Feuerwerke noch Glücksgefühle ausgelöst hatten. "Ja, vielleicht... Und wenn nicht ists ja auch nicht so schlimm... Immerhin durften wir ja früher bereits ein paar schöne Erinnerungen sammeln - und letztendlich wäre es sowieso nie mehr so wie damals", murmelte sie schulterzuckend, wobei sie die Worte keinesfalls negativ meinte. Es würde auch in der Zukunft Dinge geben, die ihnen Freude bereiteten, daran glaubte sie sehr fest, sonst hätte sie längst das Handtuch geschmissen. aber diese Dinge mussten nicht die Gleichen sein wie früher, würden viel mehr sehr sicher davon abweichen. Was eben auch in Ordnung war. Die Feuerwerke in Denver und Grand Rapids begeisterten auch ohne ihre Aufmerksamkeit genügend fröhliche Kinderaugen... und Erwachsene. "Da war ich noch nie... Aber soll auch schön sein, hab ich gehört?", formulierte sie die Feststellung als Frage, weil sie eben nicht wirklich mit eigenen Erfahrungen punkten konnte. "Und solange du vor mir nicht einfach plötzlich wegrennst, komme ich mit deiner turbulenten Vergangenheit glaub ich ganz gut klar", fügte sie sarkastisch auf den Rest seiner kleinen Ausführung an. "Jedenfalls nicht ohne Vorwarnung... das wäre nett", sie hob die Tasse in seine Richtung, um ihm mal wieder mit einem keinesfalls alkoholischen Getränk zuzunicken, liess es diesmal aber bleiben, die beiden Tassen dabei kollidieren zu lassen. Besser keine Sauerei riskieren.
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Ja das Ding ist ich wusste schon die ganze Zeit, dass er "irgendwo da oben aus der rechten Ecke" herkommen soll, aber konnte mich einfach nicht zwischen den beiden entscheiden. Ich mag Chicago, aber eigentlich ist es mir zu groß. Also hab ichs am Ende einfach ausgelost... nur, um mich dann kurz vor knapp noch zum tausendsten Mal umzuentscheiden. Jetzt kommt er eben da her, wo er jetzt her kommt. XD Ja, sollten wir wirklich... das Ding ist halt, dass wir die ganze Zeit so tun als wären sowohl Meer, als auch kleinere Berge in erreichbarer Nähe und ja, offensichtlich muss es da im Winter auch Schnee geben. Wo bitte soll das denn sein, was wir uns da zusammengedichtet haben? x'D Ich kenn mich was kleine Gebirge angeht halt wirklich genau gar nicht aus in den Staaten, da müsst ich mich jetzt selber erstmal belesen. :'D ____________
Da war sie wieder - die mehr oder weniger leise Verwirrung, die ich so gerne stiftete. Es machte mir einfach einen Heidenspaß allein mit Worten die Köpfe anderer schon Purzelbäume schlagen zu lassen. Dass ich so gerne mit Worten jonglierte war sicherlich auch einer der ausschlaggebenden Gründe dafür, dass ich bei der Army so weit gekommen war. Fayes Reaktion amüsierte mich in jedem Fall mal wieder prächtig und ich lächelte versonnen mit einem Nicken. "Ist es, ist es... man weiß nie, wann man's mal brauchen kann.", hielt ich mich weiterhin sehr allgemein und zuckte leicht mit den Schultern. "Aber ich nehme mal an, dass du dich bei Licht wohler fühlst?", stellte ich der Brünetten eine Anschlussfrage, die bewusst auch dieses Mal offen formuliert war. Das animierte den Gesprächspartner nämlich sehr dazu seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und das bedeutete, dass Faye einfach dem Gedanken zuerst folgen würde, der ihr vorrangig in den Sinn kamen. Aus genau diesem Grund wartete ich auch ein paar Sekunden, bevor ich die Frage genauer erklärte. "Also bei dem Feuerwerk... es gibt ja auch Leute, die sich lieber in einen dunklen Keller verziehen, weil sie sich da eher geschützt fühlen.", ließ ich die Brünette an meinem vermeintlich wirren Gedankenfaden teilhaben, der eigentlich ganz und gar nicht konfus war. Für mich zumindest nicht, weil ich schließlich ganz genau wusste, was in meinem Oberstübchen vor sich ging. Dass Faye im Fall meiner sehr unwahrscheinlichen, plötzlichen Erblindung die Bleche übernahm, war natürlich außerordentlich löblich. Ich musste mich nicht verbrennen und es gab im Anschluss keine Kekse, die schonmal auf dem Boden gelegen hatten. Win-Win-Situation. Jedenfalls hob ich den Krug ein weiteres Mal an, um auch der jungen Frau etwas von dem ziemlich sicher noch zu heißen Tee einzuschenken. Danach legten sich meine Hände um meine eigene Tasse, die angenehm warm an den Fingern war. Nicht als würde ich hier drinnen frieren, aber auch das hatte eine unterschwellig beruhigende Wirkung und die nahm ich gerne mit. Ich war mir inzwischen nicht mehr ganz sicher damit, ob ich es vermisste, als ambulanter Seelsorger zu fungieren. Bei der Army hatte ich meinen Soldaten immer offene Ohren geschenkt und es war ein gutes Gefühl gewesen, ihnen etwas mit auf den Weg zu geben, ihnen damit zu helfen. Man lud sich im selben Moment aber leider auch die Sorgen und Bedenken der anderen auf, trug diesen Schutt dann mindestens kurzzeitig mit sich herum. Gerade als viel denkender Mensch und mein Kopf stand nur selten vollkommen still. "Bei der Army hatte ich nicht wirklich eine andere Wahl, als mich dafür buchen zu lassen... also eigentlich schon länger nicht mehr. Wahrscheinlich sollte ich froh drüber sein.", meinte ich und klang zum Ende hin wahrscheinlich ganz genau so nachdenklich, wie mich dieser Gedanke stimmte. Es würde wohl nichts mehr so werden, wie es für uns vor dem Krieg gewesen war... erst recht nicht, wenn Faye dazu noch ein Großteil ihrer damaligen Familie fehlte. Sie erntete also ein verständnisvolles Blinzeln mit einem beinahe unsichtbaren Nicken für diese Worte. "Ja, das stimmt wohl.", unterstrich ich meine Geste mit ein paar entsprechenden Worten. Und ja, die nördliche Ecke der USA, aus der ich kam, hatte wirklich was Schönes für sich. Aber das behauptete auch irgendwie fast jeder von seiner Heimat, oder? Zumindest jeder, der sie vermisste. Allein das Lächeln auf meinen Lippen war Faye sicherlich schon Antwort genug auf ihre Frage. "Finde ich schon... das Wasser hatte für mich immer was Beruhigendes an sich. Außerdem ist Kanada verhältnismäßig nicht weit weg. Toronto kann ich auf jeden Fall auch empfehlen.", schwelgte ich weiter in Erinnerungen, ohne mir das allzu sehr anmerken zu lassen. Praktischerweise hatte Faye noch ein bisschen mehr zu sagen gehabt, worauf ich gleich im Anschluss noch eingehen konnte - allem voran mit einem schmalen Grinsen und einem leichten Kopfschütteln. "Ich hab's mir weitgehend abgewöhnt.", versicherte ich ihr grinsend, dass ich sie nur unwahrscheinlich von heute auf morgen verlassen würde. Allerdings war das eine waghalsige Halbwahrheit bis Lüge. Natürlich stand es mir bis dato so gar nicht im Sinn, mein Leben hier wieder ohne die Brünette zu fristen, weil sie es sehr viel erträglicher machte. Es kam jedoch durchaus noch immer vor, dass ich plötzlich wie vom Erdboden verschluckt war, wenn ich mit Jemandem für mich selbst abschloss. Ich hasste Abschiede und konnte mit so tiefgreifenden Emotionen schlecht umgehen, also umging ich sie bevorzugt ganz. In unserem Fall war es ohnehin nur eine Frage der Zeit, bis unser beider Wege sich wieder trennen würden. Theoretisch könnte ich mich dementsprechend mental darauf vorbereiten, wusste aber im selben Atemzug ganz genau, dass ich das nicht tun und genauso darauf reagieren würde wie sonst auch - nämlich mit Verschwinden oder spürbarer Ignoranz.
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