Es war unangenehm, dass er so lange schwieg. Nicht, dass sie es nicht verstehen konnte, es war wohl auch für ihn etwas viel zu verdauen. Aber die Stille förderte ihre Unruhe nur zusätzlich, liess die Gedanken weiter kreisen... Natürlich nicht um irgendwelche schönen Themen, sondern einzig und allein um das, was in Syrien passiert war, um Victors Abwesenheit und um ihren allgemeinen Herzschmerz. Sie hätte es besser einfach nicht erwähnt... Alles davon. Vor allem das verhängnisvolle Wir - aber nachdem das sowieso unabsichtlich rausgerutscht war, hätte sie ihnen beiden wenigstens die Erklärung dazu sparen können. Ryatt profitierte immerhin genauso wenig von den neugewonnenen Erkenntnissen wie sie von einem zusätzlichen Mitwissenden. "Du musst auch nichts dazu sagen... Wir... können auch einfach über was anderes reden...", schlug sie wenig hilfreich und genauso gemurmelt vor, weil sie auch gar nicht wusste, was es dazu noch zu sagen gab. Sie bezweifelte stark, dass Ryatt noch nachbohren würde und das Thema zur weiterführenden Unterhaltung machen wollte, wäre also naheliegend, es möglichst zeitnah beiseite zu legen. Erstmal fischte sie nun aber doch nach ihrer Kaffeetasse - weniger aus Lust dazu, Kaffee zu trinken, als einfach aus dem simplen Grund, dass sie sich irgendwie bewegen oder beschäftigen musste, um nicht zu tief in der Schwärze ihrer Erinnerungen zu versinken. Wie sie das eben viel zu oft tat... Auch wenn es normalerweise nicht mehr diese Erinnerungen betraf, die sie quälten. Syrien war - zumindest im Moment - weit in den Schatten der neuesten Ereignisse gefallen, fast dahinter untergegangen. Natürlich beeinflussten die damaligen Erlebnisse ihr Empfinden des neuen Traumas, aber das wirkte alles nur indirekt auf sie ein. Nicht wie die Bilder, die sie nachts quälten und die fast immer sowohl Victor als auch Gil und Mateo zeigten. Manchmal auch Riley... Aber seltener als ihre Brüder, weil sie in der schlimmsten Phase dieser beiden Nächte nicht die tragende Rolle gespielt hatte. Faye würde vor allen vier Geschwistern umgehend die Flucht ergreifen, aber trotzdem war schwer zu leugnen, dass Gil die tiefste Kluft in ihre Seele gerissen hatte. Ihre Paranoia am stärksten angefeuert hatte. Aber zurück zu Ryatt - auch wenn es wirklich wundervoll war, wie sie hier innerlich ein Trauma mit dem anderen verscheuchte. Er meldete sich nämlich erneut leise zu Wort, wenn der Inhalt leider auch diesmal wenig aufbauend war. "Das konntest du ja nicht wissen...", noch so eine überflüssige Bemerkung, vielen Dank an dieser Stelle für den wertvollen Beitrag, "Ausserdem... war das alles ja mitunter der Grund, weshalb ich überhaupt erst so reagiert habe. Hättest du meine Hilfe nicht angenommen, wäre ich vielleicht einfach zurück nach drinnen gerannt, damit sie dich wieder ins Zimmer bringen, weil es sich so angefühlt hätte, als würde ich dich direkt in dein Verderben laufen lassen, wenn du einfach so gehst... Mit dieser Wunde... Bringt jetzt auch nichts mehr, darüber nachzudenken. Aber ich möchte nicht, dass du dir einen Vorwurf dafür machst. Es war meine Entscheidung, dir zu helfen - beziehungsweise es zu versuchen", versuchte die Brünette einigermassen gut zu argumentieren, warum er sich diese Gedanken sparen konnte. Es fühlte sich fast ein bisschen wie eine Art Déjà-vu an, dass sie ihm nun versichern musste, dass sie selbst Verantwortung für ihr Handeln übernehmen konnte. Sie durchaus zurechnungsfähig gewesen war zum Zeitpunkt der Geschehnisse. Das war nämlich eigentlich eher so eine typische Victor oder Aryana Diskussion... Genau das, was Ryatt bei ihr auch schon beobachtet hatte. Dieses dringende Bedürfnis, sich selbst irgendwie aus dem Licht des schwachen, armen Opfers, das sich selbst nicht wehren konnte und dessen Leid durch und durch fremdverschuldet war, zu rücken, in das sie ständig reinrutschte.
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Einfach über etwas anderes reden, ja... das war leider sehr viel leichter gesagt, als getan. Es war quasi unmöglich, nicht weiterhin darüber nachzudenken. Sowohl über das, was Faye und Victor drüben in Syrien passiert sein konnte, als auch darüber, dass ich sie darüber hinaus jetzt noch zusätzlich geschädigt hatte. Versteht mich nicht falsch - ich hatte mich vorher schon nicht gut damit gefühlt. Es war schrecklich, dass Faye und Victor für eine Sache bezahlt hatten, die ich zu verschulden hatte. Der Umstand, dass sie vorher schon im Krieg gewesen waren, machte das ganze Unterfangen unweigerlich nur noch beschissener. Natürlich würde ich aber nicht weiter nachhaken, obwohl es mich brennend interessierte. Ich das Ausmaß der Dinge - vor allem jener, für die ich ursächlich war - gerne besser einschätzen können würde. Faye wirkte aber schon jetzt nicht mehr so, als könnten ihre Nerven das wirklich vertragen. Demnach stand das nicht zur Debatte und ich musste mich damit abfinden, nicht genau zu wissen, was ich der zierlichen Brünette angetan hatte. Ihre Aussage, ich solle mir keinen Vorwurf dafür machen, quittierte ich mit einem leisen Seufzen und damit, mein Gesicht kurz in die Hände zu legen. Mir noch einmal über die angespannte Gesichtsmuskulatur zu reiben und mit den Daumen kurzfristigen Druck auf meine Schläfen auszuüben. Vielleicht half mir das ja beim Denken. "Ich glaube nicht, dass man das so einseitig betrachten kann...", murmelte ich schließlich, als ich die Hände vom Gesicht genommen hatte und mich mit dem Rücken zurück nach hinten an die Lehne des Sofas sacken ließ. Dadurch, dass ich nicht von der Kante weggerutscht war, hing ich jetzt mehr im Sofa, als dass ich aufrecht dasaß. So konnte ich den manchmal so nutzlosen Kopf nach hinten aufs Kissen kippen lassen und musste ihn nicht weiter oben halten. "Ich hätt's besser wissen müssen... hab es besser gewusst. Und du hast dich selbst dafür entschieden, obwohl ich dir davon abgeraten habe... also ja, wahrscheinlich hast du Recht.", stellte ich murmelnd fest, wenn auch noch etwas zwiegespalten, während ich die kaum vorhandene Struktur der weißen Zimmerdecke mit den Augen entlang wanderte. Faye konnte die Schuld - ich mochte dieses Wort nicht besonders gerne und Schuldzuweisungen hatten sowieso noch nie geholfen, ein Problem zu lösen - kaum gänzlich an Jemand anderen abtragen, weil sie sich mehrfach bewusst dafür entschieden hatte, mir wieder und wieder zu helfen. Selbst nachdem sie Sean kennen gelernt hatte. Trotzdem gehörte ich halt zum Ursprung des Übels, weil ich der Meinung gewesen war, aus dem Hospital flüchten zu müssen und ihr dabei über den Weg zu laufen. Obwohl ich jetzt den Auslöser für ihre Hilfe kannte - oder zumindest einen Teil des Auslösers - wollte sich mir aber noch immer nicht erschließen, weshalb sie es für eine gute Idee gehalten hatte, die Hilfe für mich selbst über ihre Beziehung zu Victor zu stellen. Oder warum sie jetzt hier mit mir saß. Schließlich war ich zweifelsfrei ein Teil des Ursprungs ihres Übels, auch wenn die Hernández Geschwister der Kern des Ganzen waren. Ich ließ den Kopf zur Seite fallen, damit ich zu Faye sehen konnte. Musterte ihr Gesicht, das deutlich widerspiegelte, wie viele unschöne Emotionen dieses Thema für sie barg. Verständlicherweise. "Auch, wenn ich das alles jetzt ein bisschen besser nachvollziehen kann, verstehe ich aber immer noch nicht ganz, wieso du... naja... irgendwie... nichts Schlechtes in mir und meiner Anwesenheit siehst? Wieso ich nach Alledem überhaupt... hier sitzen darf. Da, wo der ganze Mist angefangen hat... wenn auch örtlich verschoben.", folgte ich mit Worten einfach meinen Gedanken. Ich hatte mir diese Frage oft gestellt in den letzten Tagen. Eigentlich schon seit ich wieder auf freiem Fuß war und kurz darauf Faye das erste Mal wieder getroffen hatte. Vielleicht musste ich es gar nicht verstehen, sondern sollte es besser einfach akzeptieren und es so lange genießen, wie es anhielt. Denn ich zweifelte doch sehr daran, dass wir weiterhin in stetigem Kontakt bleiben würden, wenn Victor wieder hier war. Trotzdem war ich leider ein Mensch, der grundsätzlich immer nach Antworten strebte. Es wäre für mich okay, wenn ich nur ein vorübergehender Lückenfüller war, weil Faye sich alleine fühlte, weil ich sowieso nicht für immer hierzubleiben gedachte - aber ich wüsste es eben einfach gerne vorher. Wollte mich darauf einstellen. Schließlich konnte ihre bessere Hälfte theoretisch täglich zurückkommen, auch wenn die paar Wochen zum Verdauen all dieser Traumas kaum ausreichen dürfte. Faye hatte zwar vorhin gesagt, dass sie gut mit mir und meiner Art klar kam, aber ich wollte auch nicht, dass sie sich nur mit mir traf, weil ich sonst Niemanden hatte. Ich wollte kein derartiges Mitleid.
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Ryatt wirkte nicht sonderlich überzeugt, schien eher noch ein bisschen länger mit seinen Schuldgefühlen beschäftigt zu bleiben. Er war wohl auch nicht sonderlich gut darin, sich selbst nicht doch die Schuld für etwas zu geben, obwohl andere ihm anrieten, das nicht zu tun. Da hatten sie wohl was gemeinsam. Tatsächlich bestätigte er diesen Verdacht gleich darauf auch noch wörtlich und Faye schaute ihm dabei zu, wie er sich in die Polster des Sofas sinken liess, offensichtlich noch immer eher überfordert mit den neuen Erkenntnissen. Aber er hatte eben auch Recht mit dem, was er gleich darauf auch noch sagte. Das, was mehr oder weniger mit anderen Worten ihre eigene Anmerkung wiederholte. Dass sie sich bewusst dafür entschieden hatte, ihm zu helfen, obwohl sie die Risiken gekannt und er ihr gesagt hatte, dass das keine gute Idee war. Und jetzt war es eben geschehen, jetzt hatten Victor und sie die Hölle bereits ein zweites Mal von Nahem gesehen. Jetzt war Victor bereits weg. Und sie trug die Spuren ihrer Fehlentscheidung sowohl auf der Seele als auch auf der Haut. Die würden nicht verschwinden, bloss weil sie die Schuld auf Ryatt schob oder sie sich gar beide wünschten, sich nie begegnet zu sein - jedenfalls nicht unter diesen Umständen. Und sie würden eben auch bleiben, wenn sie ihn aus ihrem Leben gestrichen hätte und wortlos weggefahren wäre, als sie ihm vor ein paar Wochen wieder begegnet war. Faye hob langsam die Schultern, deutete damit an, dass sie ihm diese Ratlosigkeit selber nicht wirklich nehmen konnte. Ihre Augen fanden zurück zur Kaffeetasse, die sie nun endlich mal an ihren Mund führte, um ein paar kleine Schlucken zu trinken, bevor sie das mehr nur noch lauwarme Getränk vorerst wieder zwischen den Händen auf ihrem Schoss hielt. "Naja, da gibt es einige Gründe, denke ich... weil ich dir eben nicht die Schuld daran gebe, was passiert ist... Und weil ich mir sicher bin, dass du jetzt einen anderen Weg einschlagen wirst", begann sie ihre Aufzählung, löste den Blick dann vom Kaffee, um sich wieder etwas mehr Ryatt zuzuwenden und ihn gleichzeitig auch wieder anzuschauen. "Weil ich nicht glaube, dass du ein schlechter Mensch bist", davon war sie wirklich überzeugt. In ihrer Welt brauchte es nämlich sehr viel, bis ein Mensch als schlecht und nicht mehr zumindest teilweise auch als Opfer seiner Vergangenheit und des ganzen, abgefuckten Systems galt. Schon nur durch seine offensichtliche Reue bewies Ryatt doch, dass er nicht einfach grundsätzlich schlecht war und dass er sich bessern wollte - eigentlich nie an diesen Punkt hatte gelangen wollen. "Und warum du hier sitzen darfst...", sie hob erneut etwas die Schultern und ihr Gesichtsausdruck und die Betonung der Worte machten deutlich, dass ihr diese Formulierung nicht wirklich passte. Es klang falsch - so als ob sie was besseres wäre als er und das stimmte einfach nicht. "Der einzige Grund, weshalb das keine gute Idee sein könnte, ist die Möglichkeit, dass du mir plötzlich Besuch vorbeibringst. Aber da du selber nicht mehr in ihrer Nähe bist und meine Adresse nirgendwo mitführst, versuchen wir mal zu hoffen, dass das nicht passiert...", drehte sie die Sache um. "Es gibt Dinge, in meinem Leben, die versteht fast niemand, weisst du... Was es bedeutet, einen Krieg von Nahem gesehen zu haben, gehört da beispielsweise dazu. Ich habe schon Freunde hier in der Gegend, aber von denen war - zu ihrem Glück - niemand bei der Army", ausser Aryana und Mitch, aber diesmal besann sie sich ihrer Worte, bevor sie die Sache ausgesprochen hatte. "Und Victor ist auch nicht hier, wie unschwer zu erkennen. Und manchmal fühle ich mich deswegen unendlich einsam... Ich will damit nicht sagen, dass ich dich nur eingeladen habe, um ein bisschen Trauma-Sharing zu betreiben, denn das stimmt überhaupt nicht. Aber das spielt sicher auch mit rein, wenn ich begründen müsste, warum ich deine Gesellschaft schätze", murmelte sie vor sich hin. Am Ende war Faye absolut nicht mehr sicher, ob das, was sie gerade alles gesagt hatte - war eine zumindest gefühlt ziemlich umfangreiche Antwort gewesen - überhaupt Sinn ergab. Ob es seine Frage beantworten konnte. Entsprechend zog sie auch leicht eine Augenbraue hoch, als sie fertig geredet hatte und ihn anschaute.
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Es dauerte einen kleinen Moment, bis Faye zu einer Antwort ansetzte. Es war manchmal ein bisschen fragwürdig, wie gut sie mich einzuschätzen glaubte, obwohl sie mich nach wie vor nur zu Teilen kannte. Vielleicht lag es an ihrer scheinbar allgegenwärtigen Empathie ihren Mitmenschen gegenüber. Es gab Menschen, die dafür einen sechsten Sinn hatten und die Brünette schien einer davon zu sein. Denn sie lag bisher selten falsch mit dem, was sie von mir hielt. Auch wenn ich ein wechselhaftes Gemüt besaß, das in der nächsten Minute manchmal etwas anderes wollte, als in der vorherigen, so war ich mir doch sehr sicher damit, dass ich nicht wieder auf die schiefe Bahn kommen würde. Nicht nachdem ich so unschön von ihr abgekommen war und dabei etliche Kollateralschäden in Kauf genommen hatte. In der letzten Zeit war ich mir nicht immer sicher damit gewesen, ob ich nicht vielleicht doch ein schlechter Mensch war. Ich hatte mehr als genug gute Gründe dafür bekommen und dass die Justiz im Gerichtssaal auf mir hatte herumhacken wollen, hatte nicht unbedingt positiv dazu beigetragen. Aber nein, man war wohl nicht grundsätzlich schlecht, nur weil man vom rechten Weg abkam. Vielleicht hatte ich all das auch gebraucht, um überhaupt erst zu merken, wie unendlich falsch mein Leben in den letzten Monaten gelaufen war. Meine Mundwinkel zuckten also einmal leicht nach oben, kurz nach Fayes Beteuerung, mich als einen von den Guten anzusehen. Die junge Frau schien nicht ganz einverstanden damit zu sein, dass ich mich selbst nach wie vor mindestens als teilweise schuldig ansah und eine entsprechende Wortwahl genutzt hatte. Wir mussten uns aber auch nicht mit ausnahmslos allem einig sein. Es lag ebenso in meinem Interesse, wie in ihrem, dass die teuflischen Geschwister den Weg hierher niemals fanden. Dass sie meine Spur im Idealfall schon verloren hatten, als ich umgesiedelt war, auch wenn ich das für eher unwahrscheinlich hielt - der geschmierten Polizisten wegen. Irgendeiner würde ihnen sicherlich gesagt haben, wie es mit mir weitergehen sollte, auch wenn ich inzwischen nicht mehr in deren Zuständigkeitsbereich fiel. Auch ihre nächste Erklärung war leider einleuchtend. Man redete nicht mit normalen Leuten über den Krieg, weil keiner davon dabei wirklich mitreden oder irgendetwas beurteilen konnte. Weil keiner davon dasselbe Trauma herumschleppte. Der Krieg mochte jeden Menschen auf andere Weise traumatisieren, aber die wenigsten Soldaten waren nach ihrem Dienst noch genau dieselben Leute wie zuvor. Dass Faye Victors Abwesenheit erwähnte, lieferte mir noch einen weiteren Grund dafür daran zu glauben, dass unser beider Wege sich nicht ewig weiter kreuzen würden. Sie würde sich logischerweise nicht mehr einsam fühlen, wenn er wieder hier war. "Ja, das hab ich vor... auch wenn ich noch nicht weiß, wohin dieser Weg gehen soll. Es klingt zwar blöd und ich wünschte es wäre auf andere Weise passiert, aber ich musste wohl nochmal richtig auf die Schnauze fliegen, um aufzuwachen.", murmelte ich vor mich hin. Es würde sich schon noch ergeben, wohin meine Reise zukünftig gehen sollte. Dabei vertraute ich momentan einfach nur darauf, dass das Universum mir ein Zeichen schickte, weil ich selbst nicht wusste, wo ich mit der Suche nach einer neuen Aufgabe anfangen sollte. "Für mich ist es auf jeden Fall nicht selbstverständlich, dass ich hier sitze.", wollte ich klarstellen. Die meisten anderen Leute, die ich kennengelernt hatte, hätten mich an Fayes Stelle nach Alldem, was passiert war, sicherlich nicht mehr bei sich Zuhause mit Kaffee und Kuchen empfangen. Viel mehr würden sie mir wohl die Tür vor der Nase zuknallen. "Und ich weiß, was du meinst. Wenn ich mal in einer Bar bin, dann sind ja doch alle sehr viel mehr an den eskalierten Casino-Abenden interessiert, als an den schaurigen Kriegsgeschichten.", meinte ich mit eher trockener Ironie zum Ende hin. Schüttelte danach kaum sichtbar den Kopf und wandte dabei den Blick auf meine Hände ab, während ich sie mir locker auf den Bauch legte und dort die Finger verschränkte. Ich fand es nicht gut, wie gerne der normale, amerikanische Bürger ganz fest die Augen zukniff, wenn es darum ging, wie viele ihrer Landsleute unter den Folgen der Kriegsführung ihrer Regierung zu leiden hatten. Das lag wohl daran, dass Unwissenheit in dieser Hinsicht leider ein großer Segen war. Es ließ sich leichter leben, wenn man nicht hinsah.
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So war das eben manchmal im Leben. Zwischendurch brauchte es solche Stürze, die einem mal ordentlich nachdenken liessen, damit man sich wieder bewusst wurde, wie sehr man gerade in die falsche Richtung gelaufen war. Auch wenn diese Stürze ihrer Meinung nach nicht unbedingt so unendlich tief sein müssten, wie sie das in seinem und ihrem Fall leider gerne waren. "Hmmh... Wir scheinbar auch, wenn man bedenkt, dass Victor leider nicht nur aufgrund der jüngsten Ereignissen erstmal abwesend ist...", murmelte sie vor sich hin, wurde gegen Ende hin leiser, als sie eh schon begonnen hatte. Hätte ihre Beziehung nicht schon gewisse Vorerkrankungen aufgewiesen, wäre ihr Freund jetzt ziemlich sicher noch bei ihr. Und wäre wiederum Ryatt nicht in ihr Leben getreten, hätten sie das vielleicht noch ewig mit sich rumgetragen... oder wären daran zerbrochen. Natürlich hatte sich diese Katastrophe niemand gewünscht. Aber da sie eingetroffen war, konnte Faye Ryatt gerne dabei helfen, irgendwelche Rosinen mit positiven Aspekten aus dem Kuchen voll Scheisse zu picken. Ihr Gesicht zeigte zur Abwechslung wieder ein kleines Lächeln und sie blickte erneut zu ihrem Kaffee, als er nochmal betonte, dass er ihre Gesellschaft nicht als selbstverständlich ansah. Vielleicht war es nicht selbstverständlich. Aber es war, wie sie vorhin erklärt hatte, auch nicht komplett selbstlos. Sie tat es nicht nur, weil sie glaubte, dass er Freunde brauchte oder einsam war - sondern auch weil sie das selber ebenfalls war. Auf eine Art, die er wenig überraschend genauso kannte, weil sie eben fast unweigerlich an solche Erfahrungen gebunden war, die sich auf einen kleinen Anteil der Bevölkerung konzentrierten und von allen anderen nicht oder nur sehr schlecht nachvollziehbar waren. Eben nicht die Art von Geschichten, die man mal eben in die Runde werfen und sich darauf verlassen konnte, dass jeder wusste, wie sie sich in dem Moment gefühlt haben mussten. "Oder sie wollen die schaurigen Kriegsgeschichten nur hören, weil sie dann damit angeben können, einen Veteranen zu kennen und darum ja auch genau zu wissen, was in fernen Ländern so alles passiert", fügte sie ebenfalls leicht ironisch an. Manche Leute waren dezent sensationshungrig, die interessierten sich eben doch für die Kriegsgeschichten. Aber nicht aus emphatischen Gründen oder weil sei besser verstehen wollten, was in den Köpfen von Veteranen vor sich ging, sondern einfach, weil sie dann auf Social Media mit den spannendsten Beiträgen punkten konnten oder was auch immer. "Darum weiss auch fast keiner, dass ich überhaupt bei der Army war", gab sie zu. Sie hatte ganz genau gar kein Interesse daran, diese Information weiter zu streuen, um sich dann jedes Mal irgendwie notdürftig erklären zu müssen. Also blieb sie meistens bei der Version der Geschichte, in der sie einfach zwei Jahre als Rettungssanitäterin gearbeitet und Victor auf der Arbeit getroffen hatte und in der Syrien überhaupt nicht existierte. "Und um ehrlich zu sein... Eigentlich gefällt mir die Variante meines Lebens, in der Krieg und -Trauma nicht existieren, auch wesentlich besser", das war wohl wenig überraschend und würde wohl jeder sagen, der das Desaster von Nahe gesehen hatte. Womit sie auch wieder bei Ryatt war, den sie nun einen Moment lang mit leicht schief gelegtem Kopf anschaute. "Hast du eine Idee, wie dein Leben hätte aussehen können, wenn du nicht zur Army gegangen wärst? Oder war das irgendwie immer klar für dich...", fragte sie das, was ihr gerade durch den Kopf ging. Vielleicht hatte er ja aus zwei oder mehr Optionen die Army gewählt und sie erfuhr irgendwas über potenzielle vergangene oder noch aktuelle Interessen seinerseits.
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Es war eher wenig überraschend, dass die Beziehung von Faye und Victor schon vor diesem ganzen Drama nicht mehr heil gewesen war. Hatte ich ja selbst schon vermutet, es lag dank ihrer gemeinsamen Erfahrung im Krieg leider sehr nahe. Allerdings hatte ich eher weniger damit gerechnet, dass Faye mir das auch sagen würde. Eigentlich ging es mich wahrscheinlich auch gar nichts an und ich glaubte nicht, dass die Brünette dabei jetzt noch ins Detail gehen würde. Ganz unkommentiert stehen lassen wollte ich es jedoch auch nicht. Also nickte ich langsam, während ich weiter auf meine Hände hinabblickte. "War sicher schwer für euch, danach wieder nach Hause zu kommen... ich hab's ja allein schon kaum gepackt. Zu zweit wird's bestimmt auch nicht unbedingt einfacher...", gab ich ebenfalls etwas leiser von mir. Ich stellte es mir schwierig vor, als Paar täglich erneut mit dem Schicksal des jeweils anderen konfrontiert zu sein. Normalerweise ließen sich viele Dinge zu zweit leichter ertragen und bewältigen, aber ein Kriegstrauma gehörte meines Erachtens nach nur bedingt dazu. Klar, man verstand den anderen und konnte ihn theoretisch auch dementsprechend unterstützen, aber ob das am Ende ausreichte, um nicht mehr die schmerzliche Vergangenheit im Gesicht des Anderen sehen zu können..? Irgendwie schienen die beiden es schon hinbekommen zu haben, nur leider nicht vollständig, wenn man Fayes Worten lauschte. Ich war selbst nicht unberührt geblieben, was komplizierte Gefühlsangelegenheiten auf dem Schlachtfeld anging. Leider. Ich hatte es nur in allen... fast allen Fällen schnell wieder gekappt, weil es einfach dumm war, gerade in meiner Position. Außerdem entliebte ich mich meistens genauso schnell, wie ich mich vorher verliebt hatte. Es war schwer, tiefe Liebe aus mir herauszukitzeln. Bei Fayes Kommentar zu den Storys vom Krieg prustete ich leise in mich hinein, dicht gefolgt von einem leichten Nicken. Ja, diese Sorte gab es auch - die Sensationshungrigen. Die Menschen, die einfach immer irgendwas zu sagen haben mussten und am besten überall ganz vorne mitspielen wollten. Völlig egal, ob das dann auf Kosten anderer stattfand, Hauptsache sie standen im Mittelpunkt. "Die Sorte gibt's leider auch, ja... sind wahrscheinlich die gleichen Menschen wie die, die lieber Videos von Verkehrsunfällen machen, als zu helfen.", merkte ich an. War eine bloße Vermutung, aber leider halt auch nicht so abwegig. Beides war schließlich zum Leid der Betroffenen. "Ist also wahrscheinlich auch besser, eine Army-Karriere nicht an die große Glocke zu hängen... erst recht, wenn sie nicht gut geendet ist.", bestätigte ich die junge Frau darin, dass es ganz und gar nicht blöd von ihr war, mit dieser Information sorgsam umzugehen. Es wäre sicherlich auch nicht unbedingt das erste gewesen, das ich ihr erzählt hätte, wenn mein Flashback mir das nicht vorweg genommen hätte. Allerdings säßen wir dann eben auch nicht zusammen hier in ihrem Wohnzimmer, um uns gemeinsam darüber auszukotzen. Was meine Zukunft anging, wenn mir der Gang zur Armee nicht von meinen Eltern vor die Füße gelegt worden wäre, musste ich tatsächlich einen Moment nachdenken. "Puh, keine Ahnung, ist alles so lange her...", stellte ich allem voran fest, bevor ein paar stumme Sekunden ins Land zogen. Ich hatte schon ein paar Interessen gehabt, aber die fühlten sich jetzt alle so irrelevant und weit weg an. So als wären sie fast nie da gewesen. "Zuerst wollte ich eigentlich irgendwas mit Autos machen. Hab mit meinem Dad - an guten Tagen - öfter mal an seinem Truck rumgeschraubt... der dann zu meinem geworden ist, weswegen ich ihn eigentlich nicht verkaufen wollte, aber da wurde jetzt eben nichts draus.", seufzte ich, zuckte kaum sichtbar mit den Schultern und sah dann schließlich wieder zu Faye. Manchmal musste man gute Erinnerungen eben auch loslassen können. "Irgendwann hatte ich während meinem letzten Jahr in der Academy auch so ein Hirngespinst, dass ich gerne einen eigenen Club oder eine eigene Bar gehabt hätte. Einfach weil ich's gerne belebt und abwechslungsreich mag... aber für sowas braucht man eigentlich etwas Eigenkapital, also hab ich das sehr schnell wieder verworfen.", murmelte ich. Fand damit eine weitere Gedankenkreuzung in meinem Kopf, die den Pfad meines Lebens in eine andere Richtung hätte lenken können. Auch diesen Weg hatte ich offensichtlich aber nicht eingeschlagen. Schade drum.
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Fayes Augen hatten längst wieder den Kaffee gefunden, nachdem sie noch einmal flüchtig ihre Beziehungsprobleme erwähnt hatte. Ja, es war schwer gewesen. Schwer genug, dass sie auch da einmal nur sehr knapp vor dem Abgrund gebremst hatte, bevor sie freiwillig über Bord gesprungen wäre. Aber sie konnte nicht wirklich beurteilen, ob es schwieriger gewesen war, weil sie zu zweit gewesen waren. "Ich weiss nicht... Wir haben uns jedenfalls... ziemlich vehement aneinander geklammert... Es hat geholfen, immer wieder zu sehen, dass wir wirklich beide noch lebten, wenn die Erinnerungen oder Träume dir was anderes sagen wollten... Aber ja, deine liebsten Menschen in dein schlimmstes Trauma involviert zu haben, ist grundsätzlich sicher noch viel beschissener, als wenn du es alleine durchgemacht hättest", murmelte sie etwas stockend ihre Meinung vor sich hin, die letztendlich nicht eindeutig zustimmend oder widersprechend ausfiel. Sie würde viel bis alles dafür geben, beide gewaltsamen Entführungen, die zur nachhaltigen Schädigung ihrer Psyche geführt hatten, ohne Victor oder zumindest getrennt von ihm erlebt zu haben. "Aber das Leben ist halt kein Wunschkonzert", bemerkte Faye sehr zynisch, ehe sie die Tasse anhob, um erneut ein paar Schlucke des Kaffees zu trinken. Ihr Leben nahm diese Devise leider sehr ernst, wie man sah. Verfolgte eher Murphys Law im Sinne von was schief gehen kann, geht auch schief, anstatt mal nach ihren Vorstellungen zu laufen. Sie rollte mit den Augen bei der Erwähnung von Gaffern, die Videos von Verkehrsunfällen machten. Auch so eine Form von Abschaum ihrer Spezies, wenn man sie fragte. "Ja, sehr gut möglich, dass das die Gleichen sind. Ich werd mal einen Fragen", beschloss sie sarkastisch. Die Gelegenheit würde sich sicher einmal ergeben, sah sie sich auf der Arbeit doch nicht selten mit Verkehrsunfällen und allen involvierten Akteuren konfrontiert. Lieber als über Gaffer, sinnierte die Brünette aber über schönere Alternativen für Ryatt anstelle des Kriegsalltags. Sie hatte sich erneut ihm zugewandt und ihre Augenbrauen wanderten überrascht in Richtung Haaransatz, als sie vernahm, dass er mit seinem Vater an dem Truck gearbeitet hatte, den er bis vor Kurzem sein Zuhause genannt hatte. Die Vorstellung wie das früher gewesen sein musste, war wirklich schön - die Tatsache, dass er das Auto aber jetzt doch hatte verkaufen müssen, leider eher weniger, weshalb sie auch kurz mitfühlend das Gesicht verzog und verständnisvoll nickte. "Das ist echt schade, er muss dir viel bedeutet haben...", bedauerte sie auch wörtlich die Umstände. Liess sich aber wohl nicht mehr ändern, denn sie bezweifelte, dass er den Truck einfach mal eben wieder zurückkaufen konnte, sollte er plötzlich das Geld dafür übrig haben. Geld würde er aber auch brauchen, sollte er planen, die andere Idee in Zukunft noch zu verfolgen. Ein eigener Club oder eine Bar waren leider nicht mit Null Startkapital aufzubauen. Aber wer weiss, vielleicht fand er ja einen Job, mit dem sich genau dieses Kapital aufbauen liess? "Klingt jedenfalls auch spannend. Falls es plötzlich doch noch dazu kommt, dass du sowas aufbaust, gibst du mir Bescheid, ja? Ich war zwar seit... wirklich ewig nicht mehr in einem Club, aber das würde ich mir doch gerne anschauen", grinste sie ihm schief zu. Ihre wilden Jahre lagen ziemlich weit zurück und Clubbesuche waren in ihrem Leben allgemein nur für eine sehr kurze Zeit ein Thema gewesen, da sie dieses Land mit 23 ja bereits hinter sich gelassen hatte, sie Clubs aber, wie alle Bewohner der USA, erst ab 21 überhaupt hatte betreten dürfen.
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Ich versuchte Fayes Worten bestmöglich zu folgen, indem ich mir vorzustellen versuchte, wie das Alles für die beiden gewesen sein musste. Es konnte tatsächlich geholfen haben, sich gegenseitig noch am Leben zu sehen. Eben deswegen, weil man sich nach einem gewaltsamen Ausscheiden aus dem Krieg zeitweise sehr tot fühlte - da konnte ich aus Erfahrung sprechen. Es war wahrscheinlich also ein sehr zweischneidiges Schwert. Konnte schon bis zu einem gewissen Grad helfen, es aber auch gleichermaßen schlimmer machen. War am Ende aber eigentlich auch egal, wie man es drehte und wendete - das Leben war eben kein Wunschkonzert. "Ist wohl so oder so einfach nur scheiße gewesen. So viel lässt sich mit Sicherheit sagen.", stellte ich fest. Faye wusste nicht, wie es mir allein ergangen war und ich konnte ebenso nur erahnen, wie es ihr und ihrer besseren Hälfte mit Alledem im Doppelpack ergangen war. Es ließ sich also beidseitig nur mit Sicherheit sagen, dass es so oder so nicht leicht war und auf negative Arte und Weise sehr lebensverändernd. Faye durfte mir in jedem Fall gerne vom Ausgang ihrer Frage an einen Gaffer berichten, aber das brauchte ich wohl kaum noch zu erwähnen. Ich nickte langsam, als die Brünette auch zu meinem Truck noch ihr schier allgegenwärtiges Mitgefühl loswurde. "Ja, schon... aber nüchtern betrachtet war's blöd, ihn überhaupt so lange zu behalten. Vor allem finanziell.", dachte ich weiterhin darüber nach und begann unterbewusst damit, die Finger meiner Hände abwechselnd etwas zu dehnen. Sah auch wieder auf sie hinab, weil mich die Erinnerungen an den Truck unweigerlich zurück zu meinen Eltern brachte. Natürlich war der Wagen für mich mehr als nur ein Fortbewegungsmittel gewesen. Ein Stück Heimat, eine Verbindung zu den wenigen positiven Aspekten meiner jungen Jahre. Er war aber gerade zum Ende hin auch nur noch kostspielig gewesen. Natürlich war die Kiste noch gelaufen, aber er war eben auch nicht mehr der Jüngste mit seinen 30 Jahren gewesen - die Reparaturen von Verschleißteilen hatten langsam angefangen, sich zu stapeln. Er hatte im Lauf der letzten Jahre mal einen neuen Motor bekommen, weil ich damals dank der Army ja noch sehr flüssig gewesen war. Nur eben auch fast nie Zuhause, um den Truck auszufahren. Dass er zwangsweise fast nur in der Garage gestanden hatte, war nicht gut gewesen. Wer rastet, der rostet. Galt leider vor allem auch für Autos, dieses Sprichwort. Was die Clubsache anging, kam mir eine wahrscheinlich sehr blöde Idee, kaum hatte Faye ihre Worte ausgesprochen. Meine Augen fanden zurück zu ihren und ich wartete maximal drei Sekunden, bis ich mit der Sprache rausrückte. "Warum so lange warten?", brachte ich meinen Vorschlag mit einer indirekten Frage an. Zeit hatte die Brünette offenbar ja mehr als genug, wenn sie nicht gerade eine Nachtschicht im Krankenhaus oder -Wagen einlegte. Sonst würde sie sich nicht ständig von mir auf die Nerven gehen lassen und mir on top noch einen Kuchen dazu backen. "Zeit haben wir beide genug und Trübsal pustet sich nicht von alleine weg.", fügte ich mit einem gelassenen Schulterzucken noch an. Wir mussten ja nicht unbedingt gleich heute oder morgen los. Ging sowieso nicht, ich musste morgen früh schließlich wieder im Heim antanzen und versuchen die Kinder zu erziehen. Ich konnte es mir nicht leisten, da verkatert auf der Matte zu stehen. Noch nicht zumindest. Außerdem würden wir ja sonst nie in einen Club gehen, wenn ich nicht selber einen aufmachte. Wäre eine verpasste Gelegenheit, sich Unterhaltung zu verschaffen. Auch wenn es sicherlich anfangs ungewohnt sein würde, hatte ich in letzter Zeit eindeutig ruhigere Bars bevorzugt. Wir wurden eben auch nicht jünger und zumindest meine Wenigkeit zählte inzwischen wahrscheinlich in fast jedem Club zu den ältesten Gästen.
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"Ich denke jeder, der im Krieg war, fand es scheisse und jeder, der vor seinem offiziellen Dienstende und mit keinem regulären Flug zurück nach Hause gekommen ist, fand es doppelt scheisse. Also ja, stimme zu", verlautete die Brünette ihre wenig überraschende Analyse. Syrien war die Hölle gewesen, die Folter war die Hölle gewesen, die Heimkehr war scheisse gewesen, der Krankenhausaufenthalt war scheisse gewesen und die Klapse war auch scheisse gewesen. Und das Trauma war bis heute scheisse. Und sie war sich ziemlich sicher, dass Ryatt ihr bei all dem kommentarlos zustimmen könnte. "Hast du auch die Klapse beehrt nach deiner Rückkehr?", wollte sie trocken wissen, zog fragend eine Augenbraue nach oben. Das war letztendlich egal, aber manchmal konnte man auch eher unwichtige Sachen fragen und es interessierte sie gerade einfach. Wahrscheinlich war das eher die Regel als die Ausnahme für schwerwiegend traumatisierte Heimkehrende, aber es gab bestimmt auch viele, die sich aus diversen Gründen dagegen entschieden. War halt nicht für alle was und nicht jeder Mensch war so begeistert von Psychiatrien, dass er so oft und lange hingehen wollten wie Faye. Dass der Truck finanziell gesehen kein gutes Besitztum gewesen war, mochte schon stimmen. Aber es wäre trotzdem schön gewesen, wenn er ihn hätte behalten können, schon einzig wegen der Verbindung, die das Fahrzeug zwischen ihm und seinem Vater dargestellt hatte. So zuckte sie nur erneut schwach mit den Schultern, als wäre sie nicht ganz überzeugt davon, dem Verkauf des Wagens so etwas Gutes abgewinnen zu können. Musste sie aber auch nicht, da es ja nicht ihre Sache gewesen war und sie eigentlich überhaupt nicht betraf. Was man von Ryatts nächster Idee dann aber nicht mehr behaupten konnte. Nun wanderten umgehend beide ihrer Augenbrauen steil in Richtung Haaransatz, während ihr Mund sich zu einem leichten, noch etwas ungläubigen Lächeln verzog. War das tatsächlich ein ernsthafter Vorschlag? Sie beide in einem Club? Die beiden Argumente, dass sie ja Zeit hatten und Ablenkung brauchten, waren jedenfalls ziemlich schlagkräftig. Nur hatte sie in letzter Zeit wirklich kein einziges Mal einen Gedanken daran verschwendet, einen Fuss in einen Club zu setzen, um ihre Stimmung zu erhellen. Das war schon eine ganz interessante Taktik. Faye blickte ihn einen ganzen Moment lang irgendwie angetan-amüsiert aber zugleich noch nicht ganz überzeugt an, bevor sie etwas sagte. Wobei sich diese Aussage vorerst auf die eher rhetorische Frage: "Du willst mit mir in einen Club?", beschränkte, die das Lächeln langsam zum Grinsen werden liess. Dann zuckte die Brünette abermals mit den Schultern, hob dabei ihre Tasse in die Höhe, als würde deren Inhalt dezent feierlicher ausfallen, als es der lauwarme, milchige Kaffee je tun würde. "Na dann. Wissen wir, wo wir uns das nächste Mal treffen. Auch wenn ich dir nicht versprechen kann, dass du diese Schnapsidee nicht bereuen wirst", warnte sie ihn schonmal sarkastisch vor, ehe sie sich den restlichen Kaffee die Kehle runterspülte. Sie glaubte eigentlich nicht, dass ein Clubbesuch in einer Vollkatastrophe enden würde. Aber da sie definitiv Alkohol brauchen würde, um so viele Menschen auf so engem Raum zu ertragen, ohne den Verstand zu verlieren, konnte sie eben auch nicht garantieren, dass es nicht so sein würde. Ausserdem hatte sie wie gesagt seit Jahren keinen Club mehr von innen gesehen, wusste nicht, wie das auf sie wirken und wie sie sich verhalten würde. Eine frühzeitige Warnung seinerseits war also sicherlich angebracht.
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Der Krieg an sich war grundsätzlich beschissen, da gab es nicht wirklich was dran zu rütteln. Es waren auch gewiss nicht die gequälten Schreie sterbender Menschen, die ich seit meinem Ausscheiden aus der Army vermisste. Es waren nur die Menschen, die ich dort um mich herum gehabt hatte und das Gefühl, etwas Sinnvolles beitragen zu können. Sinnvoll im Sinne davon die mir untergebenen Soldaten immer heil zurück zu bringen. "Würde ich so unterschreiben.", stimmte ich Faye überflüssigerweise mit einem Nicken zu. Zwar hatte man hier und da mal einen Fanatiker mit im Zug, für den der Krieg und der Kampf alles waren, aber im Regelfall waren das eben auch Menschen, die außerhalb des Schlachtfeldes entweder nichts hatten, oder die wussten, dass sie in ihrem Heimatland nicht mehr klarkommen würden. Die lieber dort starben, als noch einmal heimzukehren. Auf Fayes Frage hin wiegte ich den Kopf kurzzeitig hin und her. "Definitionssache.", stellte ich allem voran fest. "Ich war 9 Monate im Krankenhaus, wegen dem verbrannten Bein. So ungefähr ab der Halbzeit hab ich mehrmals ein paar Therapiestunden mitgemacht. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es mir was gebracht hat, also hab ichs dann gelassen.", erzählte ich. Nein, in der Klapse war ich nich gewesen, aber die Therapie auf der Station war für meinen Geschmack auch mehr als ausreichend gewesen. Ich wollte gar nicht generell anzweifeln, dass Psychotherapie wirksam sein konnte, der Therapeut im Krankenhaus schien mir jedoch nicht unbedingt auf Kriegsopfer spezialisiert gewesen zu sein. "Aber ich war auch echt lange auf starken Schmerzmitteln, das hat eine sinnvolle Therapie wahrscheinlich sowieso mindestens stark eingeschränkt.", fügte ich trocken noch ein Detail an und zuckte mit den Schultern. Ich hatte sehr lange in einer angenehm das Hirn vernebelnden Wolke gelegen, die mir die korrekte Wahrnehmung der kalten Realität unmöglich gemacht hatte. Da war eine Therapie, die eigentlich tief ins Bewusstsein eindringen musste, eher schwierig. Im Augenwinkel beobachtete ich Fayes Reaktion auf die Clubsache, während ich mich mit einem kleinen Ruck zum Sitzen aufrichtete, um die Hand nach der Kaffeetasse auszustrecken. Dass sie meinen Vorschlag zuerst noch in Frage stellte, war nachvollziehbar, ließ mich jedoch ebenfalls in ein leichtes Grinsen verfallen. Es war halt ein bisschen abwegig, so in Anbetracht der Gesamtsituation. In etwa ebenso, wie das Anheben eines Kaffeebechers als Ersatz für ein alkoholisches Getränk. Weil es so herrlich ins dezent bescheuerte Bild passte, wandte ich mich Faye wieder zu und ließ kurzerhand meine Tasse an der ihren klirren. "Ich nehm dich beim Wort, also kein kurzfristiger Rückzieher.", grinste ich ihr entgegen, bevor ich die letzten paar nur noch minder warmen Schlücke Kaffe schwungvoll meinen Rachen runterkippte. Das passte ebenfalls wunderbar ins Bild. "Ich glaube lange Nächte in Clubs sind sowieso zu nichts anderem da, als sie danach zu bereuen.", erwiderte ich ironisch. Es passierte während solcher Nächte eigentlich immer Irgendwas, von dem man sich im Nachhinein wünschte, es besser nicht getan zu haben. So war das mit dem Alkohol eben. Ich sollte meinem Geldbeutel zuliebe eigentlich besser nicht zu tief ins Glas schauen, aber solche Vorsätze wurden immer schnell über Bord geworfen, wenn die Stimmung erst einmal gut war. Ich stellte die leere Tasse auf den Tisch, bevor ich mich zurück an die Rückenlehne schob und den Faye zugewandten Arm oben auf der Lehne ausgestreckt ablegte. "Darum geht's ja auch irgendwie... den Kopf mal ausmachen. Solange wir nicht in einer Zelle ausnüchternd enden, bin ich mir für ein bisschen schlecht durchdachten Spaß also nicht zu schade.", meinte ich gelassen und verzog den Mund zu einer gleichgültigen Mine, ohne dass meine Mundwinkel dabei gänzlich absanken. Ich war bei dieser Sache optimistisch eingestellt, wir würden schon auf unsere Kosten kommen. Daber war es völlig egal, ob wir das am Ende dann nur dem Alkohol verdankten.
◈ pain is the feeling of weakness leaving the body ◈
Wegen dem verbrannten Bein - er sagte es so, als hätten sie sich schon tausend mal darüber unterhalten. Trotzdem rutschte Fayes Blick für einen kurzen Moment auf besagtes Körperteil ab, bevor sie wieder in sein Gesicht schaute. Sie wusste, woher er die Verletzung hatte und sie konnte sich ausrechnen, dass sie relativ schwerwiegend sein musste. Zum einen wegen dem neunmonatigen Krankenhausaufenthalt und zum anderen wegen dem Hinken, das Ryatts Gang so unmissverständlich prägte. Aber gesehen hatte sie damals bei der Versorgung seiner anderen Wunde nur die oberen Ausläufer der Brandnarbe. Da war sie auch nicht davon ausgegangen, dass sich noch mehr Spuren des Feuers auf seinem Bein abzeichneten - mittlerweile wusste sie das besser. Faye nickte langsam nach seiner Schilderung, schaute nun wieder nachdenklich auf ihre Finger hinab. "Ja... kann sein, dass das mit den Schmerzmitteln eine schlechte Kombination war...", stimmte sie zu, da sie immerhin auch nicht die besten Erfahrungen mit Psychotherapie in Begleitung von zu vielen Medikamenten gemacht hatte. "Und ich glaube solche Therapien sind allgemein nur dann sinnvoll, wenn man dort dann auch auf die richtige Person trifft, die dich wirklich versteht und zu dir passt. Hab schon genügend andere kennengelernt, um das relativ gut beurteilen zu können", meinte sie und verzog das Gesicht zu einer unglücklichen Grimasse. Sie war wirklich unendlich froh drum, Mrs White hier ganz in der Nähe zu haben. Das Personal in der letzten Psychiatrie war nämlich bis auf Aimee eine ziemliche Katastrophe gewesen (oder sie hatte einfach keinen Willen gehabt, sich dort ernsthaft helfen zu lassen) und Faye hätte bei niemandem davon gerne längerfristig eine Therapie besucht. Sie konnte Ryatt also gewissermassen verstehen, wenn er sagte, dass ihm das Gefühl eines Erfolgs in der Therapie massgeblich gefehlt hatte. Ausserdem war es einfach so, dass eine Therapie nicht für jeden Menschen die geeignete Lösung war, Einige kamen besser klar damit, wenn sie das Trauma alleine oder mit Laien aufarbeiteten und das war vollkommen in Ordnung. Die tolle Idee mit dem Clubbesuch hegte im Vergleich zur Traumabewältigung ein wesentlich grösseres Potenzial, sie wieder lachen zu lassen. Gerade dann, wenn Ryatt in ihre idiotische Geste einstimmte und seine Tasse gegen ihre stiess, um den Plan zu besiegeln. "Aber sicher nicht, ich steh zu meinem Wort", gelobte sie feierlich. "Dann brauche ich aber auch genug Alkohol, damit ich am nächsten Tag auch bitte nicht mehr weiss, was ich denn überhaupt bereuen sollte. Ausser dem Alkohol, der mir dann eben zwangsläufig nen Kater bereiten wird", knüpfte sie eine sarkastische Bedingung an die zu bereuende Clubnacht. Alles in allem klang der Plan mit dem Abschalten und Kopf ausmachen aber gut. Sie war viel zu oft viel zu tief in ihren Gedanken versuchen, vielleicht wäre so eine Nacht im Club also gar nicht verkehrt. "Und wann hast du Zeit für den Spass?", versuchte sie also mehr oder weniger offensiv direkt ein Datum zu festigen, bevor am Ende er derjenige war, der noch einen Rückzieher machte. Wahrscheinlich wäre es aber ihr Schichtplan und nicht Ryatts knappe Freizeit, die das Finden eines passenden Datums erschwerte. Und trotzdem war sie zuversichtlich, dass sich as in den nächsten Wochen einmal umsetzen liess. Mussten sie nur noch einen Club finden.
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War es nicht offensichtlich für Faye? Sie kannte die Narbe, die sich bis auf meinen Oberkörper erstreckte und hatte sie offenbar nie mit meinem Gehinke in Verbindung gebracht, obwohl sie nicht zufällig über dem Hosenbund aufhörte. Vermutlich war es aber auch naheliegender, dass den meisten Menschen ein so stark betroffenes Bein gleich amputiert worden wäre - hatten die Ärzte mir ja auch vorgeschlagen, weil es den Leidensweg immens verkürzt hätte und die Chance auf eine Heilung, wie sie eingetreten war, auch nicht so groß gewesen war. Oder aber die Brünette hatte nie umfassender darüber nachgedacht, was die Ursache für meinen hinkenden Gang sein könnte. Der offensichtliche Blick auf mein Hinkebein sei ihr verziehen - sie war schließlich bei Weitem nicht die Einzige, die gerne durch den Stoff der Hose hindurch einen Blick auf die Ursache werfen wollte. Ich nickte leicht vor mich hin, als Faye noch ein paar Worte zu der Medikamentensache losgeworden war. Es war schon ein bisschen traurig, dass die junge Frau in ihren jungen Jahren - wie viele genau das jetzt auch immer waren - schon so oft Bekanntschaft mit einem Therapeuten gemacht hatte. Als hätte Etwas im Universum es auf sie abgesehen, aus unerklärlichen Gründen. "Das war sicherlich auch ein Grund, warum's nicht funktioniert hat... ich glaube mit Kriegsgeschädigten hatte es der Therapeut im Krankenhaus nicht so.", meinte ich und zuckte beiläufig mit den Schultern. Durch sein in meinen Augen mangelndes Verständnis und die in diesem Bereich fehlende Kompetenz hatte es in Kombination mit meinem recht dick in Watte gepackten Hirn dann eben einfach nicht funktioniert. War für mich zumindest eine sehr plausible Erklärung und eigentlich auch gar nicht so wichtig. Ich lebte noch und kam schon irgendwie klar mit dem, was ich über all die Jahre bei der Army hinweg erlebt hatte. "Wie alt bist du eigentlich, Faye?", hakte ich dann doch noch nach. Nicht, als wäre die Jahreszahl auf ihrer Geburtsurkunde wirklich relevant, aber es war eine wenig verhängnisvolle Frage und ich war neugierig. Die 25 würde sie wahrscheinlich schon geknackt haben, aber die 30 schien mir zu hoch. Dass die Brünette sich schon jetzt gedanklich einer ganzer Menge Alkohol verschrieb, noch bevor wir überhaupt in einem Club angekommen waren, ließ mich leise lachen. "Also wenn du jetzt schon so redest, kann es eigentlich nur in einem mittelschweren Desaster enden.", stellte ich belustigt mit einem milden Kopfschütteln fest. Natürlich hatte ich aber nichts gegen ein solches Desaster einzuwenden. Zumindest nicht, solange mir keine Kotze um die Ohren flog. "Gibt's irgendwelche Anzeichen, auf die ich achten muss? Ich meine bevor du mir auf die Schuhe spuckst oder so...", erfragte ich mit erhobener Augenbraue mögliche Warnsignale, die mir vermitteln würden, dass ich ihr alkoholische Getränke ab jenem Zeitpunkt dann besser wegnehmen sollte. "Ich bin in den nächsten zwei Wochen noch strikt am Vormittag eingeteilt... und die Wochenenden hab ich aktuell auch noch frei, also liegt's an dir.", erörterte ich Faye weiterhin vor mich hin grinsend meinen Zeitplan in naher Zukunft. Weil ich lange nicht gearbeitet hatte, war mein Schichtplan momentan noch absolut einseitig. Ich hatte immer die frühe Schicht am Vormittag und die Wochenenden frei. Wenn erst einmal alles richtig lief und ich in den Augen der Heimleitung richtig angekommen war, sollte ich aber nach Bedarf auch die Spät- und Nachtschichten übernehmen, damit sie mich allgemein flexibler einteilen konnten. Die Nachtwache stellte ich mir bis jetzt auch noch eher entspannt vor, ich hatte also wenig dagegen einzuwenden.
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Mir ist grad aufgefallen, dass die Zeitsprünge im RP ziemlich gut mit der Zeit übereinstimmen, die seit Schreibbeginn vergangen ist... Mai 2019 ist ebenfalls bald 3 Jahre her :') _________________
Es war definitiv ein Nachteil, wenn die Fachperson irgendwie selbst keine Ahnung von der eigenen spezifischen Art von Trauma hatte, ja. Auch da konnte sie Ryatt bestens folgen und einmal mehr war sie wirklich dankbar dafür, selber eine Therapeutin gefunden zu haben, die trotz all ihren Macken irgendwie wusste, wie sie mit Faye umgehen musste. Mrs White schaffte es jedes Mal, ihr tatsächlich eine Hilfe zu sein und sie mit besseren Perspektiven aus dem Beratungszimmer gehen zu lassen, als dass sie es zuvor betreten hatte. Und das schätzte die Brünette unendlich, was wohl auch der Grund dafür war, dass sie seit etwas mehr als einem Jahr keinen Termin bei ihr verpasst hatte. Ausser während der Zeit, die sie mal wieder in der Klapse verbracht hatte, natürlich. Aber vielleicht wäre sie sogar dann gegangen - wenn irgendwer sie nach draussen gelassen hätte, was wohl mehr als leicht fahrlässig gewesen wäre in ihrem desolaten Zustand. Faye musste einen Moment zu lange nachdenken, als er ihr die eigentlich sehr einfache Frage nach ihrem Alter stellte. Irgendwann wurde das eben schwierig zu beantworten und scheinbar hatte sie diese Phase bereits erreicht. "25... Aber gar nicht mehr so lange", gab sie schliesslich bekannt, wobei sie sich mit dieser Aussage ungewollt ins Gedächtnis rief, dass sie ihren Geburtstag wohl ebenfalls ohne Victor feiern würde. Eigentlich hatte sie das schon gewusst, aber vielleicht hatte sie es bisher einfach erfolgreicher verdrängt als in diesem Moment, wo der Gedanke wieder etwas zu klar in ihrem Kopf glänzte. "Und du?", lenkte Faye sich mit der Gegenfrage ab, musterte Ryatt dabei im Versuch, sich die Antwort gleich selbst zusammenzureimen. Etwas älter vermutlich, konnte aber auch sein, dass sie sich täuschte oder der Ausdruck seines Gesichtes sich durch den Krieg und all die unschönen Dinge, die er gesehen haben musste, entsprechend verändert hatte. Sie würde es wohl gleich erfahren. "Darum gehen wir ja zu zweit - damit es nur mittelschwer wird und du mich vor einer Vollkatastrophe retten kannst", legte Faye ihm sarkastisch eine weitere Funktion auf, der er wohl maximal bedingt nachkommen würde, so wie sie den jungen Mann einschätzte. Es dürfte ihm einfach definitiv an Willen fehlen, sie im entsprechenden Moment wirklich vom Trinken abzuhalten, was sie ihm auch sicherlich nicht verübeln konnte, da sie es ja sein würde, die sich zu oft dem Glas widmete. Nicht nur sie natürlich, aber sie hegte trotzdem die starke Vermutung, dass sie zuerst weg sein würde. "Glaube nicht... Das letzte Mal ist aber wie gesagt ziemlich lange her. Ich weiss, dass ich tendenziell viel rede, wenn ich unter Alkoholeinfluss stehe... Wenn ich also irgendwann plötzlich verdächtig ruhig werde, musst du mich fragen, ob ich müde bin oder kotzen muss", schenkte sie ihm mit einem zuckersüssen Lächeln einen einzigen Tipp im Vorfeld. Andere Anzeichen auf potenzielle Spuck-Attacken fielen ihr auf die Schnelle nicht ein. Da sie sich in ihrem Leben aber nicht mehr als zweimal wegen Alkohol erbrochen hatte, war sie zuversichtlich, dass ihr das auch diesmal nicht passieren sollte. Faye fischte nach ihrem Handy, um darauf ihren Schichtplan abzurufen, anhand dessen sie Ryatt ihre Verfügbarkeiten mitteilen konnte. "Vielleicht nächste Woche am Samstag?", fragte sie, grinste ihn wieder unverblümt an. Dieses Wochenende sah arbeitstechnisch ungünstig aus und dann kam auch noch Weihnachten. Aber daran sollte der Plan dieses Jahr sicher nicht scheitern, weshalb ihr vorgeschlagener Termin auch nicht weiter in die Ferne rücken sollte.
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biiisschen creepy... und auch gruselig, wie die Zeit vergeht. :') Das RP von Nadü und mir hat nächstes Jahr 10jähriges. Ich dachte ich fall vom Stuhl, als mir das neulich aufgefallen ist. Und als ich kurz in meine meine alten Texte geguckt habe, hätt ich fast gekotzt. XD _________
Genau 25 also. Dann hatte ich mit meiner Schätzung zwar nicht falsch, aber tendenziell etwas zu hoch gelegen. Vielleicht lag es daran, dass Faye optisch doch noch etwas geprägt von der letzten Zeit war. Oder ich war einfach nur nicht so gut im Schätzen, wie ich es gerne hätte. "Ich fühl mich als wär's schon ewig her, dass ich die 25 geknackt habe.", seufzte ich wahrheitsgemäß. Ich hatte eigentlich nichts dagegen älter zu werden, mal davon abgesehen dass das Leben diesen Umstand sowieso zwingend mitbrachte und man dem nicht entrinnen konnte. Mit 25 war mein Bein aber noch nicht so hinderlich gewesen, ich sehnte mir diese Zeit also zumindest in dieser Hinsicht zurück. "31. Damit gehöre ich im Club dann wohl schon zu den Senioren.", tat ich die unschön hohe Zahl mit sarkastischer Bemerkung kund. Mir war im Laufe der letzten Jahre mal von einem älteren, mir unterstellten Soldaten gesagt worden, dass ich die ewige Jugend gepachtet zu haben schien - in mentalem Sinne - und ihm gerne mal etwas davon abgeben konnte, aber mein Körper alterte eben trotzdem weiter. Daran änderte ein jung gebliebener Kopf nichts und die Narben, die ich am Körper trug, würden auch bis ins hohe Alter noch von meinen jungen Jahren zeugen. "Heißt das, wir feiern deinen Geburtstag noch vor meinem?", fragte ich weiter. Gar nicht mehr so lange klang nämlich danach, als würde Fayes Geburtstag schon so gut wie vor der Tür stehen. Meine Augenbrauen wanderten für ein paar Sekunden in Richtung Haaransatz, als die Brünette mich offiziell als den vernünftigeren Part in der Club-Sache anbringen wollte. "Ich lass das mal so stehen und tue so, als wüssten wir nicht beide, dass ich nur wenig bis gar nicht vernünftiger bin als du.", kommentierte ich ironisch. Wobei wir uns am Ende wahrscheinlich ziemlich die Waage hielten, was dumme Entscheidung in jüngster Vergangenheit anging. Es war schon sehr ironisch, dass ich jahrelang erfolgreich die Army-Karriereleiter hochgeklettert war, andere durch die Hölle gelenkt und immer wieder ermutigt hatte nicht aufzugeben, während ich jetzt im normalen Alltag so komplett versagte. Wenigstens schien Faye einen kleinen Tipp für mich zu haben, was die Abwendung einer Vollkatastrophe anbelangte. "Eine betrunkene, schweigende Faye ist also gar nicht gut - hab's geistig notiert.", ließ ich sie wissen und hakte grinsend das imaginäre Kästchen in der Luft mit der Hand ab. Sollte besagter Fall eintreten, dann blieb zu hoffen, dass ihr Schweigen Müdigkeit und nicht Übelkeit entsprang. Die junge Frau ging gleich dazu über uns einen passenden Termin für die durchzechte Nacht zu suchen und das Grinsen auf meinen Lippen verbreiterte sich noch einmal, als sie einen Tag in naher Zukunft vorschlug. "Mit dem größten Vergnügen.", willigte ich ohne zu zögern ein. Unterstrich meine Worte dabei mit einer ausschweifenden Handgeste, als würde ich mit der Königin der Vereinigten Staaten höchstpersönlich sprechen. Ich war ganz froh darüber, die Zeit rund um Weihnachten mit anderen Dingen als dem Weihnachtsfest an sich füllen zu können. Ich würde meine Eltern schon anrufen, auch um sie mal auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen, aber mal ganz davon abgesehen, dass ich hier momentan wegen den Sozialstunden sowieso nicht weg konnte - die Kinder blieben halt auch an Feiertagen im Heim - würde ich sie auch ohne diesen Haken eher nicht besuchen. Je öfter ich darüber nachdachte, meinen Eltern endlich mal wieder die Ehre zu erweisen, desto schwieriger schien es zu werden, mich tatsächlich dazu zu überwinden. Da verdrängte ich das ganze lieber mit lauter Musik und Alkohol in Fayes Gesellschaft.
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Kommt halt von unseren ständigen 3-Wochen-Zeitsprüngen... x'D Uuuh nice, das macht ihr jetzt auch schon lange! :) Und alte Texte sind meistens nicht sehr bekömmlich, das kenn ich nur zu gut... x'D Das ist das Positive daran, dass wir hier "erst" seit drei Jahren dran sind - da kann man von Anfang an lesen, ohne innerlich die ganze Zeit zu würgen. Ohne hier jetzt behaupten zu wollen, dass alles, was ich hier je geschrieben habe, irgendwie bekömmlich wäre. x'D ___________
Faye zog mal wieder eine Augenbraue aufwärts und betrachtete Ryatt zweifelnd, noch bevor er ihr sein eigenes Alter verraten konnte. Er sah nämlich nicht so uralt aus, wie er sich gerade darstellte. Und mit 31 war er das auch tatsächlich noch nicht, weshalb sie kurz nach dieser Information die Augen verdrehte, als wäre seine Aussage wirklich lächerlich. "Oh ja, ich würd mich langsam nach einem Platz im Altenheim umsehen", stimmte sie ihm sarkastisch zu und nickte nachdrücklich. "Ich komm dich dann zwischendurch besuchen und wir gehen eine Runde an der frischen Luft spazieren, um dich noch etwas länger frisch zu halten", malte sie sich ein entsprechendes Fantasieszenario aus. Faye lächelte dabei natürlich fröhlich weiter in seine Richtung und streckte - um das Ganze noch final abzurunden - die Hand aus, um ihm aufmunternd das Haar zu tätscheln. "Ja, tatsächlich ist das so... Aber dein Geburtstag winkt ja auch noch nicht direkt um die Ecke. Meiner liegt nicht mal mehr drei Monate in der Zukunft - am 15. März. Und dann hol ich dich in deinen Dreissigern schon sehr bald ein", erklärte sie, ohne von der ironischen Schiene abzukommen. Wie gut, dass man Altersjahre nicht wirklich einholen konnte. Wie genau ihre Clubnacht enden sollte, wusste Faye zum jetzigen Zeitpunkt natürlich auch noch nicht, aber sie hatte wirklich nicht das Bedürfnis, da dann die Aufpasserin zu spielen, weshalb er Gift drauf nehmen konnte, dass sie es auch nicht tun würde. Also war es er oder niemand - und scheinbar hatte er sich soeben für die zweite Variante entschieden. Tja, dann sollte das wohl so sein. Sie war sich zwar noch nicht zu hundert Prozent sicher, ob sie sich dann in dem Moment auch wirklich komplett gehen lassen konnte oder ob ihre Paranoia und die Angst vor nächtlichen Überfällen sie am Ende vor einem Totalabsturz behüten würden, aber eigentlich glaubte sie da eher nicht dran. Sie hatte in dieser Stadt keine Feinde und solange sie nicht alleine durch dunkle Gassen spazierte... nein, da würde schon nicht gleich was passieren. "Dann wirst du es wohl diesmal trotzdem sein müssen. Oder wir gehen volles Risiko ein und sind einfach beide unvernünftig", listete sie ihm die einzigen zwei Optionen ein, die ihr durch den Kopf geisterten. Dass sie in betrunken und still keine gute Gesellschaft hergab, sollte er sich ruhig merken - wobei sie zum jetzigen Zeitpunkt doch hoffen wollte, dass sie noch vorm Kotzen mit dem Alkohol aufhörte, denn eigentlich hatte sie darauf dann doch keine Lust. Aber wies schien würde sich schon sehr bald zeigen, wie genau das kleine Abenteuer ausgehen würde, denn Ryatt stimmte ihrer Terminwahl zu und sie konnte sich den Tag offenbar im Kalender markieren, was sie mit einem Grinsen zur Kenntnis nahm. "Wundervoll, dann werde ich mir bis dahin den Kopf darüber zerbrechen, was ich denn bitte anziehen soll, um einen Club zu betreten. Und vielleicht sollten wir uns auch noch überlegen, wo wir überhaupt hingehen wollen", meinte sie mit unverändert vergnügter Motivation. Beides relativ wichtige Fragen, wobei ihr Kleiderschrank schon irgendwas hergeben würde, womit sie sich nach draussen wagen konnte. Wahrscheinlich nichts allzu Wildes, da sie solche Dinge bekanntlich nicht mehr trug. Aber Klamotten, in denen sie sich nicht wohlfühlte, waren am Ende auch das Letzte, was sie in dieser Clubnacht brauchen würde. "Du hast also auch nicht vor, die Weihnachtstage irgendwo anders als hier zu verbringen..?", stellte sie eine Frage, die wiederum nicht mehr ganz so sehr dem Spasssektor entsprang, sich ihr aber durch das geplante Datum gestellt hatte. Vielleicht hatte er auch einfach keine Urlaubstage erhalten, weil über Weihnachten wohl niemand im Kinderheim unbedingt arbeiten wollte, statt bei der eigenen Familie zu sein. Aber war auch möglich, dass Ryatt gar nicht versucht hatte, frei zu bekommen...
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Jep, das wird's sein. x'D Genau, bei unserem hier ist's nicht dramatisch, da kann man problemlos auch am Anfang was lesen und muss sich nicht in Grund und Boden schämen. Aber vor 9 Jahren war ich halt erst 16... da ist man allgemein noch so doof und grün hinter den Ohren. x'D Ich tu mir auf jeden Fall zukünftig selbst den Gefallen, da nur was nachzulesen, wenn's unumgänglich ist. :') _________
Ich schnaubte belustigt, als Faye auf meine noch nicht vorhandene Altersvorsorge zu sprechen kam und mir allen Ernstes den Kopf tätschelte, als wäre ich jetzt schon in eindeutig bemitleidenswertem Alter angekommen. Zugegeben war es eine ziemlich witzige Vorstellung, wie ich mit ergrautem Haar einen Rollator durch den großen Garten eines Altersheims schob - noch stärker hinkend als jetzt, denn ich nahm schwer an, dass es über die Jahre hinweg nicht unbedingt besser werden würde. Vielleicht blieb es irgendwann auch nicht mehr bei dem leichten Zwicken hier und da, sondern wurde schmerztechnisch schlimmer. Solange das noch nicht der Fall war, wollte ich erstmal nicht allzu pessimistisch auf meine Gehfähigkeit in der Zukunft blicken. "Na mal abwarten, wie lange das mit dem Spazieren gehen noch funktioniert. Zur Not musst du mich dann halt im Rollstuhl schieben, sorry.", nahm ich mein verkrüppeltes Bein mit Humor und seufzte überdramatisch. "Scheint als hätte ich bis dahin noch genug Zeit, um dir graue Haare wachsen zu lassen.", grinste ich und hob das Kinn ein bisschen an, um meinen semi-herausfordernden Blick damit zu unterstreichen. Ich legte es natürlich nicht wirklich darauf an, die zierliche Brünette jegliche Nerven zu kosten und sie in den Wahnsinn zu treiben, damit sie sich schließlich genauso alt fühlte, wie das bei mir zeitweise schon der Fall war. Trotzdem war es gut möglich, dass sie in meinem Beisein noch des Öfteren die Augen verdrehen musste. "Ich muss dir aber keinen Kuchen backen, oder? Ich bin mir nämlich relativ sicher, dass das nicht so schmackhaft enden würde.", meinte ich und grinste schief. Ich war ziemlich sicher kein begnadeter Bäcker und müsste erst einmal anfangen zu üben. Außerdem hatte ich wenig Lust dazu mich in die Gemeinschaftsküche zu stellen und am Ende noch dabei beobachtet zu werden. Nein, da konnte ich gut drauf verzichten. "Mal sehen was meine Gemütslage an dem Abend bringt.", ließ ich die Aufpasser-Angelegenheit hinsichtlich des Clubabends noch offen. Ich konnte schon verantwortungsbewusst sein, nur musste ich eben auch Lust dazu haben. Ich hielt es jedoch tendenziell für unwahrscheinlich, dass mir danach der Sinn stehen würde, wenn ich erstmal selbst einen im Tee hatte und mich von der beschwingten Stimmung partywütiger Menschen anstecken ließ. Letzteres passierte bei mir nur allzu leicht. "Solltest du dich nicht entscheiden können, kannst du mir deine engere Outfit-Auswahl ja noch präsentieren, bevor wir loslegen.", meinte ich schulterzuckend. Allerdings war ich kein besonders tauglicher Modeberater und konnte lediglich beurteilen, was ihr in meinen Augen am besten stand. Was hingegen die Ortauswahl anging: "Ich hab vor ein paar Tagen ein Plakat gesehen, das war von einem Club hier im Umkreis. Der Ivy Club, oder so ähnlich..? Ich weiß aber auch nicht mehr, welches Datum da draufstand. War vorher nicht so relevant für mich.", machte ich einen nur sehr vagen Vorschlag. Ich wusste noch, dass es irgendwann um das von uns erwählte Wochenende herum stattfinden sollte, aber den genauen Tag hatte ich mir nicht gemerkt. Oder sonst irgendwas. War alles nur noch ungenau in meinem Gedächtnis abgezeichnet, aber gut ausgesehen hatte es schon. Andernfalls hätte ich es mir nicht angesehen. Ich zögerte einen Moment lang, als Faye das Thema Feiertagsplanung aufgriff, schüttelte dann aber langsam den Kopf. Es gab keinen Grund diesbezüglich um den heißen Brei herum zu reden, sie wusste ohnehin schon um das komplizierte Verhältnis zu meinen Eltern. "Nein... die sind ganz froh, dass sie mich über die Feiertage im Heim haben... und ehrlich gesagt fühle ich mich nur wenig bis gar nicht bereit für irgendein großes Familienfest, bei dem mir zu viele Fragen gestellt werden, die ich nicht beantworten möchte.", erklärte ich mich. Fing etwa ab der Hälfte etwas zu murmeln an und senkte den Blick auf meine Oberschenkel.
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Ja, 9 Jahre sind lang her und ich will auch nicht lesen, was ich da produziert habe. x‘D Jemand hat mir mal eins meiner ersten RPs kopiert und geschickt, da war ich so 13/14. Das war auch meeeeega lang und hat sich über Jahre gezogen. Aber kann ich auch fast nicht lesen, weils einfach grausam schlecht ist. Aber immerhin sieht man ne deutliche Steigerung vom Anfang zum Schluss. x‘D ____________
„Vielleicht wäre der Rollstuhl ja gar nicht so verkehrt, dann kann ich mich beim Spazieren abstützen. Da wir ja davon ausgehen müssen, dass ich dann auch nicht mehr zwanzig sein werde", versuchte sie der Vorstellung auch noch eine positive Seite abzugewinnen, die sich nicht auf die damit einhergehende Mobilitätseinschränkung seinerseits konzentrierte. Blieb wohl vorerst einfach zu hoffen, dass er noch eine ganze Weile gehen konnte, bevor er sich mit dem Rollstuhl anfreunden musste. "Und ich hoffe wirklich nicht, dass du mir innerhalb von drei Monaten zu grauen Haaren verhilfst, Ryatt. Sonst muss ich den Kontakt zu deiner Wenigkeit wohl wirklich mal überdenken", wie wenn das dann der ausschlaggebende Grund dafür wäre, nachdem sie es sich bisher offenbar sehr vehement schöngeredet hatte. Aber graue Haare zu ihrem sechsundzwanzigsten Geburtstag gingen eben eindeutig zu weit. Ob sie einen Kuchen von ihm einfordern sollte? So wie er klang wohl besser nicht, er schien nicht besonders versiert in der ganzen Backofensache zu sein. Trotzdem tat sie so, als müsste sie sich eine Antwort erstmal sehr gut überlegen, während sie ihn entsprechend musterte. "Hmm. Ich denke, wenn du gebührenden Ersatz für mich bereithältst, kann ich auf den Kuchen verzichten", zeigte sie sich gewohnt grosszügig, ohne dabei aber über die mögliche Natur entsprechender Ersatzleistungen Auskunft zu geben. Sonst würde er sich am Ende doch noch für den Kuchen entscheiden müssen. Vor ihrem Geburtstag gab es jetzt aber noch ein anderes Fest zu planen, das ihnen in deutlich kürzerer Zeit bevorstand. Die Vorstellung davon, wie sie Ryatt ihre zwanzig Top-Outfits vorführen würde, war eigentlich ganz lustig. Wenn ihr Körper nicht von Narben übersäht wäre, die ihre Kleiderwahl momentan sehr stark einschränkten, wenn sie das Risiko umgehen wollte, die Spuren der Vergangenheit in einer Clubnacht zum Thema zu machen. Und eigentlich hatte sie noch nichtmal Lust, sich mit Ryatt darüber zu unterhalten - geschweige denn mit irgendwelchen Fremden, die sich davon zu einem Gespräch inspirieren liessen. "Ich komm' darauf zurück, sollten sich tatsächlich so viele Optionen anbieten. Aber wahrscheinlich wird mein Problem eher sein, dass ich überhaupt kein clubspezifisches Outfit bieten kann und dich am Ende einfach mit Jeans und Shirt ins potenzielle Desaster begleite", erwiderte sie sarkastisch, zuckte dabei ebenfalls mit den Schultern. War ja auch weiter nichts dabei, wenns so wäre. Sie ging ja nicht in den Club, um möglichst viele Kerle aufzureissen und Köpfe zu verdrehen, sondern für die Abwechslung und um Spass zu haben und sich mit grosser Wahrscheinlichkeit zu betrinken. Das konnte man mit Jeans und Shirt sogar wesentlich besser als in irgendeinem kritisch kurzen schwarzen Kleidchen, das man mit fortschreitenden Stunden immer schlechter im Griff hatte. Seinen Clubvorschlag nahm sie ohne Einwände an, schnappte sich dabei ihr Handy, um den Namen direkt einzutippen. "Scheint tatsächlich in dieser Stadt zu existieren, ja", tat sie kund, drehte den Bildschirm dann zu Ryatt, damit er die Startseite des Clubs mit dem Plakat in seiner Erinnerung vergleichen konnte. Es schien fast so, als wäre im das Thema Weihnachten nicht sehr angenehm. Was insofern verständlich war, dass die Situation zwischen ihm und seinen Eltern ihn wohl auch nicht unbedingt wenig belastete. Aber gegenüber ihr brauchte er sich wirklich nichts vorzumachen - war sie doch offensichtlich genauso alleine über die Festtage. "Verständlich... Ist ja auch in Ordnung, bei allem, was in letzter Zeit passiert ist. Vielleicht sieht die Sache ja nächstes Jahr wieder besser aus", beschloss Faye also, selbst nicht weiter darauf einzugehen. Gab ja auch nicht mehr viel dazu zu sagen, denn wie gesagt, sie konnte ihn auch nicht gerade zu einem grossen Fest ihrerseits einladen, da sowas nicht stattfinden würde. Aryana und Mitch waren wieder weg und würden auch nicht vor Weihnachten zurückkommen. Sie hatten sich aber darauf geeinigt, dass sie im Januar für eine Woche gemeinsam zu Onkel Sam und Familie fliegen würden. Zum einen, weil Faye ihnen das schlicht schuldig war und zum anderen auch einfach, weil sie beide ihre Verwandten in den letzten Jahren komplett vernachlässigt hatten. Obwohl diese immer zu ihnen gestanden und eine so wichtige Rolle in ihrem Leben gespielt hatten, nachdem ihre Eltern gestorben und bevor sie selbst zur Army gegangen waren. Faye freute sich wirklich sehr darauf, ein paar Tage in der Heimat zu verbringen - auch wenn es dezent kalt werden dürfte. Aber das löste die Einsamkeit über Weihnachten und die gewisse melancholische Traurigkeit über nicht stattfindende Familienzusammenkünfte trotzdem nicht in Luft auf.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
i can imagiiiine, muss auch furchtbar sein. x'D _________
Ich nickte leicht vor mich hin, so als wäre ich jetzt peinlicherweise schon an altersschwächelndem Gehirn erkrankt, weil ich diesen Aspekt gar nicht erst bei dem ganzen Szenario bedacht hatte. "Stimmt, stimmt... wir wollen ja auch nicht, dass du ohne Gehhilfe stolperst oder plötzlich ans Ende deiner Kräfte kommst. Ich kann dich dann schließlich nicht aufheben.", gab ich dem Rollstuhl weitere Pluspunkte. Sicherheit war gerade im Alter wahrscheinlich das A und O, weil einem die Knochen nach so vielen Jahren schneller durchbrachen. Also besser keine Stürze riskieren. Was den Wuchs grauer Haare anging, brauchte Faye sich aber erst einmal keine Gedanken zu machen. Mir wurde zwar schnell langweilig, aber die sehr turbulenten Monate, die ich gerade erst hinter mir gelassen hatte, ließen mich nicht unbedingt auf Schwierigkeiten in naher Zukunft pochen. Es lag in meinem Interesse, uns beiden keine Probleme mehr zu bereiten. "War eigentlich auch erstmal genug Aufregung in der letzten Zeit.", stellte ich fest, was wir beide schon wussten. Nein, erstmal lieber keine Turbulenzen mehr, wo ich doch gerade erst wieder sicher gelandet war. Wobei Sicherheit bei mir sehr relativ war - ich wusste nicht, ob die Hernández noch immer hinter mir her waren und sollte eigentlich besser nicht unvorsichtig werden. "Falls es Wünsche gibt, setz' mich bitte frühzeitig in Kenntnis. Sonst musst du leider das hinnehmen, was du kriegst.", zeigte ich mich etwaigen Geschenkhilfen gegenüber nicht grade abgeneigt und legte den Kopf ein bisschen schief, während ich Fayes Gesicht musterte. War leider auch nicht so, als hätte ich besonders viel Erfahrung damit gemacht, Geburtstagsgeschenke zu verteilen. Zumindest nicht an Frauen. Sollte die Brünette mir also gar keine Anregungen geben, musste sehr wahrscheinlich das Internet zur Ideenfindung herhalten. Ich dachte einen Moment lang über Fayes Worte hinsichtlich der Klamottenauswahl für die Clubnacht nach. Philosophierte im Stillen darüber, ob sie einfach nicht (mehr) der Typ Frau für grenzwertige Outfits war, ob ihr Kleiderschrank tatsächlich nichts dergleichen hergab, ob sie sich das wegen Victors Existenz verbot, oder ob noch wesentlich mehr dahinter steckte. Es juckte mir förmlich in den Fingerspitzen ihr all diese Fragen auf einmal zu stellen, während sie schon dabei war mir das Display ihres Handys vor die Nase zu halten. Ich warf ihr einen um Erlaubnis bittenden Blick zu, bevor ich meine Hand von der Rückenlehne rutschten ließ und nach ihrem Telefon griff, um mir die Seite des Clubs ein bisschen genauer anzusehen. "Also bist du nicht die Sorte Frau, die sich einfach ein neues Outfit kaufen geht, wenn sie keins hat?", stellte ich ihr währenddessen eine sarkastische Frage und ersetzte damit all die anderen, die mich wesentlich mehr interessiert hätten. "Aber ich brauch' wohl nicht zu erwähnen, dass ich selber ebenfalls kaum mit einem besonders extravaganten Outfit antanzen werde, also...", meinte ich trocken und zuckte mit den Schultern, während ich die Veranstaltung des Clubs studierte, die für den Abend angedacht war, an dem Faye und ich losziehen wollten. Als Mann hatte man es mit einem Cluboutfit sowieso leichter als eine Frau, aber ich war mir nicht mal sicher, ob ich irgendwo zwischen den Pullovern noch ein schlichtes Hemd hatte. Wahrscheinlich eher nicht und dementsprechend hatte ich auch nur sehr wenig dagegen einzuwenden, wenn Faye mich in einem sehr schlichten Outfit begleitete. "Vorausgesetzt der Club setzt keinen Dresscode, gehen wir also einfach beide als Langeweiler." Mit diesen Worten und zu Gleichgültigkeit verzogenen Lippen gab ich der Brünette ihr Telefon zurück. Kaum sichtbar nickend suchte ich erneut den direkten Blick in Fayes Augen. "Bestimmt, ja... es wird sicherlich schon vor dem nächsten Winter irgendwann mal einen passender Zeitpunkt für einen ruhigeren Besuch in der Heimat geben.", zeigte ich mich zumindest ansatzweise optimistisch. Eine vorsichtige erneute Annäherung mit meinen Eltern ohne unnötig viel Verwandtschaft außenherum war mir erstmal auf jeden Fall lieber. Wenn das funktionierte, ohne dass sich die Fronten erneut verhärteten, dann konnte ich mich für zukünftige Familientreffen vielleicht auch wieder begeistern. "Du hast auch nicht vor wegzufahren, hm..?", stellte ich ihr die überflüssige Gegenfrage, weil Faye sich offensichtlich lieber mit mir in irgendeinem Club herumtrieb. Aber wenn wir schonmal dabei waren...
◈ pain is the feeling of weakness leaving the body ◈
Sehr ja. Wir haben alle totalen bullshit zusammengedichtet und dabei geglaubt, wir wären die nächsten Shakespeares... x'D __________
Sie war froh, dass er die Gefahr eines Sturzes ihrerseits ebenfalls erkannte und die Wichtigkeit seines Rollstuhls damit nochmal unterstrich. "Nein, wollen wir nicht. Also ist der Rollstuhl sozusagen für uns beide, dann musst du dich auch nicht so invalid fühlen, wenn ich dich darin herumschiebe. Aber wenns dir lieber ist, können wir natürlich auch mit zwei Rollatoren auf Tour gehen und Wettrennen veranstalten", da war sie tatsächlich flexibel, solange keiner auf die Fresse flog und ihre Abenteuer ein bisschen Spass versprachen. Positiven Spass - nicht mit der Aufregung der letzten Wochen zu vergleichen, die er gleich darauf noch ansprach. Diesbezüglich konnte sie ihm nämlich nur zustimmen, wenn er beteuerte, davon erstmal genug gehabt zu haben. Entsprechend folgte seiner Aussage auch ein bekräftigendes Nicken ihrerseits. Faye hatte eigentlich nicht erwartet, dass er tatsächlich auf die Geburtstagsgeschenk-Bemerkung eingehen würde und blickte ihn darum einen Moment lang entsprechend überrascht an. Sie erwartete eigentlich überhaupt kein Geschenk von ihm - oder sonst irgendwem - und konnte ganz bestimmt auch nicht mit einer Wunschliste punkten. Dazu hatte sie sich bisher auch gar keine Gedanken gemacht. "Du musst mir doch nicht ernsthaft was schenken", gab sie also erstmal Entwarnung, zuckte gleichzeitig mit den Schultern. "Ich hab auch wirklich keine Wünsche", jedenfalls keine, die er mal eben so erfüllen könnte. Keine, die überhaupt wer erfüllen könnte - bis auf die Personen, die die Wünsche betrafen natürlich. Aber von denen war eher keine entsprechende Reaktion zu erwarten, weshalb auch diese Ideen hinfällig blieben. Aber Faye verdrängte diese Gedanken umgehend wieder, als sie Ryatts Blicke auf sich spürte. Die Blicke, die so eindeutig aussagten, dass er mal wieder nach Antworten suchte. Auf Fragen, die sie noch nicht kannte. Aber sie überliess es lieber seiner eigenen Einschätzung, ob er diese stellen oder für sich behalten wollte, als dass sie sich tatsächlich danach erkundigen würde. Vorerst kümmerte er sich aber um die Informationen auf ihrem Handydisplay und las sich vorsorglich ins entsprechende Angebot des Clubs. Jedoch nicht ganz ohne eine einzige subtile Frage zu ihrer Aussage bezüglich dem Outfit. Aber Faye konnte daraufhin nur wieder mit den Schultern zucken, wusste eigentlich nicht genau, was sie dazu sagen sollte. "Hab ich mir tatsächlich bis jetzt nicht überlegt, nein... Aber theoretisch könnte ich das natürlich auch machen", gab sie zu, wobei sie sich nicht sicher war, ob sie sich wirklich zu einer solch spezifischen Shoppingtour motivieren konnte. Früher war sie gerne durch Modegeschäfte gestöbert, aber seit die Wahl von Klamotten so unschön eingeschränkt worden war, machte das eben auch weniger Spass. Ausserdem waren da immer so viele Menschen und auch das war ein Punkt, der sie seit Syrien eher abschreckte als motivierte. "Wobei ich mir noch nicht sicher bin, ob ich mich am Ende wirklich dazu aufraffen kann, was Passendes zu suchen. Möglicherweise werde ich mich also trotzdem lieber dafür entscheiden, deine passend langweilige Begleitung zu spielen", schloss sie den Gedanken ebenfalls leicht sarkastisch, warf ihm ein schiefes Lächeln zu. Spielte doch sowieso keine Rolle, wie sie dabei aussahen. Solange der Look nicht so versifft war, dass sie gar nicht erst in den Club kamen, würde das schon passen. Faye nahm das Handy wieder an sich, richtete den Blick aber umgehend wieder auf ihren Gesprächspartner, als dieser von seinem Besuch in der Heimat zu reden begann. "Klingt doch gut", bewertete sie seinen Plan, schon im Verlauf des Jahres und nicht erst wieder zu Weihnachten bei seinen Eltern vorbeizuschauen. Sie fände es ausgesprochen schade, wenn er die Funkstille zwischen ihnen und sich selbst noch viel länger aufrecht erhalten würde. Sie hatte zwar absolut kein Mitspracherecht in dieser Angelegenheit, aber ihr inneres Harmoniebedürfnis, das scheinbar für die ganze Weltbevölkerung galt, fühlte sich definitiv befriedigter beim Gedanken daran, dass Ryatt wieder mit seinen Eltern in Kontakt treten würde. Seine Gegenfrage konnte sie dabei nur wieder mit einem leicht bedauernden Schulterzucken abtun. "Meine Schwester ist leider nicht Zuhause über Weihnachten... Und irgendwie... Ich weiss nicht, ich glaube ich arbeite lieber, damit ich gar nicht zu sehr darüber nachdenke", murmelte sie eine Antwort vor sich hin, die ihren Blick wieder auf ihre Hände runter leitete, die indes das Mobiltelefon zwischen den Fingern drehten.
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Ich glaub das haben wir damals alle geglaubt... man wusste es halt nicht besser, ne. Aber schon sehr witzig, was man früher so gefeiert hat, obwohls einfach komplett Schrott war. x'D _________
Die Entscheidung zwischen dem für mich bequemeren Rollstuhl und einem Rollator-Rennen war nicht schwer. "Puh... ich fürchte, wenn ich die Wahl habe, dann musst du leider mit mir um die Wette rollen.", seufzte ich bedauernd. Das hatte Faye sich mit ihrem Vorschlag jetzt leider selbst eingebrockt, weil mein Wetteifer nur selten schlief. Wahrscheinlich waren meine Chancen zu gewinnen in diesem Fall gar nicht mal so gut, allein schon wegen Faye jüngerem Alter, aber es ging auch eher um den Adrenalinkick mit 90. Egal wie utopisch es war, dass wir so lange eine Bekanntschaft zueinander hegen würden - das Rennen stand fest. Dass Faye keine Geschenke haben wollte, ließ mich mit einem langgezogenen Schulterzucken und gehobenen Augenbrauen lächeln. Mochte schon sein, dass ich nicht musste. Ich wollte aber. Bis dahin hoffte ich ohnehin noch einen kleinen Zweitjob angenommen zu haben, der mir tatsächlich Geld in die Tasche brachte und nicht nur Zeit raubte, also war das sicherlich auch finanziell überhaupt gar kein Problem. Ich hatte ja auch jetzt schon ein Polster, des Trucks wegen - allerdings versuchte ich damit etwas sparsam umzugehen. Letztes Mal, als ich ein paar Tausender auf dem Konto übrig gehabt hatte, waren die schneller weg gewesen, als ich das Alphabet hatte aufsagen können. "Muss ich nicht, nein... will ich aber.", offenbarte ich der Brünette mit anhaltendem Lächeln ganz unverblümt meine Gedanken. Sie würde mich nur schwer bis eher gar nicht davon abhalten können. Sie backte mir hier Kuchen und versprach mir auch einen zum Geburtstag, wollte selber aber gar nichts haben? So funktionierte dieses Spiel in meinen Augen leider nicht. Mal ganz davon abgesehen, dass ich meiner Meinung nach ohnehin mehr als nur den Kuchen wieder gut zu machen hatte. Da sich unsere gemeinsame Zeit wahrscheinlich begrenzt hielt, sollte ich jede Gelegenheit dazu nutzen, die sich mir bot. Faye schien bisher noch keine Gedanken an einen Shopping-Trip verschwendet zu haben, musste sie auch gar nicht. Solange nur unsere Outfits lahm waren, wenn man sie mit denen der jungen Wilden verglich und wir trotzdem möglichst ungebremsten Spaß hatten, brauchte es keine speziellen Klamotten. Die waren für gute Laune nicht essentiell. "Ganz wie du magst. Du sollst den Ausflug ja nicht mit vorherigem Shopping-Stress verbinden müssen.", meinte ich völlig offen für jegliche ihrer Entscheidungen diesbezüglich. Ich redete der Brünetten da bestimmt nicht rein und stellte keine Ansprüche. Sie sollte sich schließlich nicht schon vorher den anstehenden Abend kaputtmachen, indem sie sich unnötig mit der Suche nach ein paar schöneren Klamotten stresste. Das war ganz und gar nicht der Sinn unseres Ausflugs. Dass sie mein Vorhaben, nicht mehr ewig mit dem Besuch bei meinen Eltern zu warten, guthieß, wunderte mich nicht. Zwar war mir noch schleierhaft, wann genau ich das in Angriff nehmen und wie ich mich dann final dazu überreden würde, aber das würde sich schon noch zeigen. Bis dahin schob ich es gerne noch ein kleines bisschen vor mir her, weil es mindestens teilweise unangenehm werden musste. Ich nickte daraufhin also nur noch und lauschte Fayes folgenden Worten. Dass ihre Schwester nicht da war, war natürlich ungünstig. Da ihre Eltern nicht mehr unter den Lebenden weilten und Victor nicht hier war, gestaltete das ihr Weihnachtsfest dann endgültig ziemlich einsam. "Und dein Bruder schaut auch nicht vorbei, weil er bei der Familie seiner Freundin bleibt..?", stellte ich eine haltlose, völlig neutral gehaltene Vermutung ins Blaue auf. Dachte in diesem Moment nicht mehr länger darüber nach, was es für Gründe haben könnte, dass Faye nie von ihm redete, sondern immer nur ihre Schwester zur Sprache brachte. Es war einer dieser Augenblicke, in denen meine Neugier über meinen Verstand siegte, denn im Grunde wusste ich es besser. Eigentlich.
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