Ja, bin ich! Also bei mir war das damals so, dass bei zwei Milchzähnen keine Neuen nachgekommen sind, weshalb diese und die Gegenstücke dann eben gezogen wurden, um spätere Probleme vorzubeugen. Aber dank dem dass die (waren Backenzähne) raus sind, haben jetzt die Weisheitszähne Platz, und das ist definitiv ein grosser Gewinn.. x'D _________
Sie wusste, dass er sich seine Portion etwas anders vorgestellt hatte, aber das war nicht weiter schlimm - sie waren beide nicht hungrig. Und besonders viel hatte sie ja doch nicht auf seinen Teller geschaufelt, sie war zuversichtlich, dass er das runterbekam. Sie waren mittlerweile nichts weniger als Profis, wenn es darum ging, zu essen, obwohl ihnen der Appetit fehlte und das würde diesmal nicht anders sein. Faye führte also langsam einen Löffel um den nächsten zum Mund, lauschte zwischenzeitlich seiner Ausführung bezüglich den Reiseplänen. Aber die schienen keine wilden Entwicklungen durchgemacht zu haben und innerlich war sie doch erleichtert darüber, das zu hören. Als wäre es irgendwie weniger gefährlich oder einfacher tragbar, wenn sie wusste, dass er mehr oder weniger direkt zu seiner Familie fuhr. Sagen tat sie dazu nichts mehr, quittierte das lediglich mit einem Nicken. Fast hätte sie ihn gefragt, ob er ihr schreiben konnte, wenn er dort ankam... Aber sie war sich nicht sicher, was er davon halten würde und wusste zugleich, dass ein Nein sie sehr viel schneller zum Heulen bringen würde, als sie das geplant hatte. Also besser nicht fragen... oder jedenfalls noch nicht. Ob das "Kontaktverbot“ ab seiner Abreise oder ab heute Abend oder ab Morgen stand, wusste sie nämlich nicht so genau - wie so vieles. Aber das würde sich von selbst zeigen, obs ihr gefiel oder nicht. Faye wusste nicht so recht, worüber sie sich noch unterhalten sollten, weil ihr ganzer Kopf gefüllt war mit allen möglichen Abschiedsszenarien, Sorgen und Hoffnungen. Am Ende zog das Frühstück relativ still und ohne grosse Gesprächspausen vorbei, sie taten sich beide am Inhalt ihrer Teller gütlich und tranken den Kaffee, bemühten sich darum, die beklemmende Atmosphäre noch ein kleines Bisschen zu ignorieren. Wirklich viel bringen, tat das natürlich wie üblich nicht. Der Abschied stand wie ein Elefant im Raum und das wussten sie beide sehr gut. Doch auch dazu gab es nicht mehr viel zu sagen, weil fast alles bereits geklärt oder einfach noch vollkommen ungewiss war. Faye konnte ihn nur ständig anschauen und sich weiterhin jedes Detail seines Gesichts einprägen, als hätte sie das nicht schon zehntausend Mal gemacht - als wäre das Bild nicht schon lange ein Tattoo auf ihrem Herzen. Auch als das Essen abgeräumt war, wanderten ihre Augen wie Magnete ständig zurück zu ihm. Und sie suchte genauso oft seine Nähe, sei's durch scheinbar zufällige, beiläufige Berührungen, wenn sie an ihm vorbeiging, oder mit aktiven Umarmungen oder Küssen. Denn sie wusste, dass er gleich gehen musste... Dass es hier nichts mehr zu erledigen gab und dass es nicht leichter wurde, wenn sie noch lange warteten. Aber ihr Herz war nicht bereit dafür, loszulassen. Würde es bis zu seiner Abreise auch nie sein. Und sie klammerte sich schon wieder an ihn, als er den letzten Teller weggeräumt hatte. Es fühlte sich beschissen an - alles ausser er. Am schlimmsten war die Angst, die sie gefühlt wahnsinnig machte, obwohl Victor noch bei ihr war. Obwohl sie sich einreden wollte, dass alles gut wurde. Sie war allgegenwärtig und wurde mit jeder Minute grösser, machte sie wahnsinnig und das wollte sie nicht. Sie wollte ihm den Abschied nicht schlimmer machen, als er zwangsläufig war, aber es war so schwierig, sich zusammenzureissen, wenn ihr Herz sich gegen alles wehrte, was sie versuchte. Noch gelang es ihr auf wundersame Weise, die Tränen zurück zu drängen, aber auch wenn sie ihm keine dramatische, herzzerreissende Abschiedsszene bescheren wollte, war das realistisch gesehen wohl unumgänglich. "Brauchst du noch... irgendwas?", fragte sie, hoffte innerlich auf ein Ja, obwohl sie eigentlich wusste, dass er längst alles vorbereitet hatte.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Krass, luuuucky you! :D Ich finds einfach wahnsinnig ärgerlich, dass nur meine unteren in den Kiefer passen. Sonst hätte mir das unter Umständen auch alles erspart bleiben können. ^^" ______________
Es war als würde die ganze Zeit über eine dunkle Wolke oben an der Decke kleben und nur auf ihren Einsatz warten. Auf den Moment, in dem die Tragödie ihren Lauf nahm und es kein Zurück mehr gab. Allerdings gab es das auch jetzt bereits nicht mehr, denn die Entscheidung war schon lange gefallen. Ich würde sie jetzt nicht mehr anzweifeln, hatte oft und lange genug darüber nachgedacht. Es war das Beste so, auch wenn es sich nicht danach anfühlte. Leichter wurde es auch dann nicht, als wir den Tisch nach und nach abräumten und Faye dabei immer wieder meine Nähe suchte. Eher im Gegenteil. Ich wusste, dass die zierliche Brünette nicht beabsichtigte es noch schwerer für mich zu machen, aber das war unweigerlich der Fall. Ich wollte ihre Nähe genauso wenig missen, wie das umgekehrt der Fall war. Noch einmal so deutlich zu spüren, was ich in ein paar Minuten für so lange Zeit hinter mir lassen würde, was mir fehlen würde, machte den Abschied noch unangenehmer. Sie von mir zu stoßen kam aber nicht in Frage. Erstens wollte ich sie eigentlich gar nicht wegstoßen - sondern eher für immer festhalten und einfach mitnehmen - und zweitens würde ihr das nur noch mehr den Boden unter den Füßen wegreißen, wenn ich zur Tür raus war. Also hielt ich sie stattdessen einfach ganz der Gewohnheit nachkommend fest, als der Tisch wieder leer war, sie erneut zu mir kam und es im Grunde nichts mehr zu erledigen gab. Denn nein, ich brauchte nichts mehr. Ich hatte gestern schon alles eingepackt, was ich brauchte. Selbst den Laptop hatte ich schon am Vortag mitsamt Zubehör in seine Tasche verfrachtet, damit ich heute auch ja nichts vergaß, weil ich eben ganz genau gewusst hatte, wie sehr ich so unmittelbar vor meiner Abreise durch den Wind sein würde. Mein Herz hatte schon wieder in den nächsthöheren Gang geschalten, als ich etwas tiefer durchatmete und mich danach zu ihr runterbeugte. Sorgsam einen Kuss an ihre Stirn hauchte und auch anschließend noch kaum spürbar mit den Lippen an Fayes Kopf lehnte, mich nicht wieder von ihr lösen wollte. "Nein, glaube nicht...", murmelte ich leise und undeutlich, hatten sich meine Lippen doch noch immer kein Stück von ihr wegbewegt. Statt mich von ihr zu distanzieren, drückte ich sie auch erstmal enger an mich. Schluckte leise, als ich den Kopf wieder etwas anhob, meine rechte Hand unter ihrem Haar in ihrem Nacken vergrub und mit dem anderen Arm ihre Taille fest umschlang. Ich würde sie am liebsten gar nicht mehr loslassen, aber es führte kein Weg daran vorbei. Heute nicht, morgen nicht, niemals. Die Karten waren schon ausgeteilt, also löste ich mich nach zwei viel zu kurz wirkenden Minuten langsam etwas von ihr. Neigte mich jedoch zuerst noch für einen etwas längeren, liebevollen Kuss zu ihr nach unten, bevor ich mich schweren Herzens langsam restlos von ihr löste. Dennoch griff ich nach ihren schmalen Fingern und nahm sie in sehr zaghaftem Tempo mit mir in den Flur, wo nahe der Haustür schon die gepackten Sachen auf mich warteten. Allein der Anblick war gewissermaßen schon Folter und unabhängig davon, ob ich es nun wollte oder nicht, musste ich auch Fayes Hand bald loslassen. Mit nur einer freien Hand ließen sich Schuhe und Jacke nur mäßig gut anziehen. Allerdings ließ ich die Jacke noch offen. Wollte nicht, dass der dicke Stoff der Winterjacke zwischen uns beiden hing, wenn gleich die eigentliche Verabschiedung anstand, die indirekt schon in der Küche begonnen hatte. Als ich mich dann langsam wieder Faye zuwendete, hing der Abschiedsschmerz schon tonnenschwer in der Luft und nicht ausschließlich nur in ihren Gesichtszügen - aber ihr anzusehen, wie sehr ich ihr mit dem Abschied zusetzte, tat am meisten weh. Deshalb streckte ich meine Arme auch sofort wieder nach ihr aus, kaum hatte ich mich ihr zugewendet. Merkte dabei deutlich, wie sich zum gefühlt tausendsten Mal innerhalb der letzten Wochen erneut der verräterische Druck in meinem Kehlkopf ausbreitete.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Oh, musst du dann alle 4 ziehen, wenn nur zwei passen würden? Das ist natürlich scheisseeee. o.o ____________
Das hatte sie schon gewusst. Dieser Abschied verlief ja nicht unbedingt spontan, Victor hatte sich lange darauf vorbereitet und die Taschen waren sorgsam gepackt. Sie hatte sich auch darauf vorbereitet... Aber das machte es jetzt irgendwie doch nicht leichter. Nichts davon. Und sie spürte regelrecht, wie sich der Druck immer weiter aufbaute und sie erneut das unglaublich starke innere Bedürfnis verspürte, einfach zu schreien, sich an ihn zu krallen und ihn niemals loszulassen. Es wurde immer schwerer, die Panik zurückzudrängen und die Gedanken zu unterdrücken, die ihr zuflüstern wollten, dass sie sich auch ja gut von ihm verabschieden sollte, weil sie ihn nie wiedersehen würde. Nicht lebend. Nicht als ihren Freund. Nicht als den Mann, den sie liebte und der für immer zu ihr gehörte. Es brauchte tatsächlich alle Willenskraft ihrerseits, nicht schon jetzt diesem Wahnsinn zu verfallen - jetzt, wo er doch eigentlich noch bei ihr war und sie ihn eigentlich noch unter ihren Händen, an ihrem Körper spürte. Und doch rutschte er von Minute zu Minute weiter in die Ferne... Sie wusste, dass ihre Augen längst glitzerten, als er sich von ihr löste und sie den gefühlvollen Kuss erwiderte, den er ihr noch schenkte. Aber die Tränen würde sie ohnehin nicht bis zum Schluss zurückdrängen können, weshalb sie das so akzeptierte. Sie schaute ihm zu, wie er in die Schuhe schlüpfte, spürte dabei, wie der erste Tropf von ihrem Kinn auf ihre Socken regnete. Es tat so weh. Sie wussten beide, dass es das beste war, dass es sein musste, wenn sie wieder gesund werden wollten. Aber das änderte nichts an dem Schmerz, der sich mal wieder so anfühlte, als würde ihr das Herz in einem Stück und ohne Betäubung aus der Brust gerissen werden. Sie war sofort wieder bei ihm, als er sich nach ihr ausstreckte, schlang ihre Arme um seinen Körper und vergrub ihr Gesicht ein letztes Mal an seiner Brust. Kein Nervenzusammenbruch - das war ihr persönliches Ziel gewesen. Nicht, bevor er zu dieser Tür raus gegangen war. Dann konnte sie sich den Rest des Tages unter der Decke verkriechen oder was auch immer tun, aber solange er sie sah, durfte sie nicht komplett durchdrehen, ihm zuliebe. Weil er nicht mehr unter dem Abschied leiden sollte als nötig. Aber verdammt, das war hart. Die Tränen und vereinzelten Schluchzer liessen sich nicht zurückhalten, auch wenn sie sich noch soweit unter Kontrolle hatte, dass sie sich nicht wie eine Wahnsinnige schreiend an ihn klammerte. "Versprich mir, dass du auf dich aufpasst, Victor... Immer... Und wenn es das Einzige ist, was du tust. Bitte...", flüsterte sie mühsam, alle paar Worte durch kurze Atem- oder Schluchzerpausen unterbrochen. Es war deutlich zu hören, wie sehr sie darum kämpfte, nicht komplett die Fassung zu verlieren. Nicht mehr als bis jetzt. Und sie war fest entschlossen, das zu schaffen. Aber erst einmal brauchte sie dieses Versprechen, auch wenn es vielleicht lächerlich war, wenn man bedachte, wie viele Situationen in ihrem Leben nicht unbedingt dadurch herbeigeführt worden waren, dass einer von ihnen nicht aufgepasst hatte. Das würde sich nicht wiederholen... Schon gar nicht dann, wenn er bei seiner Familie war. Und das war immerhin ein kleiner Trost für die Brünette: Das Wissen, dass seine Eltern sich ständig fast genauso sehr um ihn sorgten, wie sie das gerne tat. Dass er zumindest anfangs, wo seine Psyche noch so fragil und mehr schlecht als recht verheilt war, nicht alleine unterwegs sein würde. "Ich liebe dich, Victor, und ich werde es immer tun und... und ich freue mich... auf die Zeit, die kommt... wenn alles besser sein wird", sie hatte ihren Kopf von seiner Brust gelöst, um zu ihm auf schauen zu können, suchte seinen Blick, auch wenn sie ihn im Moment mehr nur verschwommen wahrnahm. "Und ich wünsche dir, dass du... dass du endlich den Frieden findest... den du verdienst... und die Ruhe... und dass du wieder gesund wirst", ein letztes Mal lag ihre Hand an seiner Wange, streichelte über die weiche Haut. Es war nicht für immer. Es war nicht für immer...
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Das wird mir die Ärztin wahrscheinlich noch vorschlagen. Ist wegen meiner Zahnfehlstellung alles in allem eine etwas ganzheitlich schwierige Kiste, aber die unteren sind wohl sehr eng mit den Nerven untendrunter verwoben und das ist auch nicht gut, weswegen die halt auch eigentlich raus sollten, bevor da was passiert (nicht müssen, aber sollten)... x'D Die könnten sonst irgendwann ganz arg schmerzhaft mit den Nerven kollidieren, sollten sie sich nur ein kleines bisschen verschieben. Allerdings könnten sie mir beim Entfernen halt auch versehentlich den Nerv kaputt machen, eben weil der zwischen den Wurzeln vom Weisheitszahn langläuft :') ______________
Ich konnte kaum so schnell gucken, wie Fayes Arme wieder um meinen Körper lagen. Wie sie sich ein weiteres Mal förmlich an meiner Brust verkroch und ich meine Arme automatisch enger um sie legte, während ich die Augen schloss und mich auf den Duft ihres Shampoos zu fokussieren versuchte, um den dumpfen Schmerz in der Brust im Zaum zu halten. Ebenso wie das Brennen in meinen Augen, das nun doch aufkam, als sie mir sagte, dass ich auf mich aufpassen sollte. Ich brauchte auch erstmal einen Moment, bis ich darauf zu antworten schaffte, obwohl die Antwort an sich für mich vollkommen selbstverständlich war. Auf mich aufzupassen war schließlich mehr oder weniger unabdingbar, wenn ich zwischen all den psychischen Schlaglöchern irgendwann wieder heil nach Hause kommen wollte. "Das mache ich... versprochen.", hauchte ich ihr die leise Antwort ins Haar, mühsam mit meiner Fassung ringend. Noch hatte sich keine Träne gelöst, aber es wurde immer schwieriger je länger Faye redete. Natürlich dachte ich im Grunde gerne daran, was wir beide irgendwann zusammen haben würden und wie glücklich wir zusammen werden würden, wenn wir beide nicht mehr so krank waren. Wenn wir uns beide erfolgreich auf eine Reise mit uns selbst begeben hatten, um einiges aufzuarbeiten und teilweise auch neu zu lernen, um danach besser füreinander da sein zu können. Aber letzteres lag noch in so schier unerreichbarer Ferne, war noch Monate weit weg... und die Zeit würde kriechen. Wahrscheinlich so lange, bis ich die ersten Jobs annahm und mehr zu tun hatte, ich einen Rhythmus im Alltag aufbaute. So weit war ich jetzt noch nicht und es war etwas, worum ich Faye beneidete. Sie konnte das irgendwie - nebenher den Alltag stemmen, auch wenn es ihr schwer fiel und es nicht das war, was sie eigentlich wollte. Ich konnte das nicht. Das hatte ich schon damals nach meinem allerersten psychischen Zusammenbruch nicht hingekriegt - einer der Gründe dafür, warum ich mich zurück in den Armee-Alltag hatte reinprügeln lassen. Da hatte man keine Wahl. Man musste einfach funktionieren, weil man sonst abkratzte. Hier war das nicht so. Ich brauchte einen kurzen Moment, in dem ich sie ansah und leicht bebend einatmete, bevor ich weitere Worte erwidern konnte. "Ich liebe dich auch, Faye. Mehr als ich sagen kann... und das wird für immer so bleiben.", sagte ich leise, drückte ihr danach einen Kuss auf den Haaransatz und hielt einen Moment lang noch so inne. Suchte erst ein paar Sekunden später erneut den Blick in ihre Augen, wobei meine inzwischen genauso glasig aussahen und sich zumindest eine Träne nun auch endgültig löste. "Es wird mir wieder gut gehen... und dir auch... uns beiden... irgendwann wieder zusammen.", es war mehr nur wirr zusammengestammelt, weil ich im Kopf eigentlich schon einen Gedanken weiter war. Darüber nachdachte, ob ich Faye eine ganz bestimmte Sache noch mit auf den Weg geben sollte, oder ob ich es besser sein lassen sollte. Ob es richtig oder falsch wäre, es zu sagen. Ob es alles nur komplizierter machen würde oder irgendwelchen unangenehmen Situationen bei meiner Rückkehr vorbeugen konnte. Vielleicht machte es den Abschied für Faye jetzt schwerer, weil sie es wieder irgendwie in den falschen Hals kriegen oder hineininterpretieren könnte, dass ich gefühlt für immer wegbleiben würde... aber ich wollte doch, dass sie das wusste. Dass sie sich für nichts Vorwürfe machen müssen würde, sie sich das Leben in meiner Abwesenheit nicht unnötig schwer machen musste. Doch zuerst legten sich meine Lippen für einen innigen Kuss auf die ihren und ich hob meine Hand dabei an ihr Gesicht, strich ein oder zwei der kullernden Tränen von ihrer erhitzten Wange. Ich blieb ihr auch nach dem Kuss sehr nahe, als ich wieder leise zu sprechen begann. "Ich... ich weiß nicht, wie lang ich weg sein werde... vielleicht nur... ein paar Monate", und selbst die waren schon zu lang, "aber vielleicht auch ein Jahr... oder länger... und ich will, dass du weißt, dass ich... dass es okay für mich ist, wenn... wenn du dir die Nähe bei... bei jemand Anderem holst... weil ich weiß, wie sehr du das brauchst... noch mehr als ich." Es fiel mir wirklich schwer diese leisen, dünnen Worte über die Lippen zu bringen und ich senkte den Blick nach unten ab, aber es lag mir auf dem Herzen und es musste raus. Vielleicht klang das jetzt noch absolut abwegig - Faye würde mich in den nächsten Tagen genauso sehr vermissen, wie ich sie vermissen würde. Vielleicht würde dieses Gefühl auch gar nicht so sehr abflachen über die nächsten Monate, aber das änderte nur bedingt etwas daran, dass die zierliche Brünette ein Mensch war, der Nähe brauchte. Sie verzehrte sich danach oft genauso wie nach Sauerstoff und ich wollte nicht, dass die Einsamkeit und die Kälte sie in meiner Abwesenheit irgendwann von innen heraus auffraßen. Dass sie unnötig litt, wo sie nicht leiden musste. Ich selbst war zweifelsohne auch sehr bedürftig nach menschlicher Wärme und Zuneigung, aber ich hatte das schon einmal vier Jahre lang absolut eisern in schwerer Depression durchgehalten. Ohne mit der Wimper zu zucken, weil ich mich mental wohl erst dann wirklich von meiner Exfreundin - und dem Rest meines Lebens - verabschiedet hatte, als ich in den Krieg zurück war. Da war die Trennung schon vier Jahre her gewesen und das hier war nicht mal eine richtige Trennung, sondern nur eine Zwangspause. Ich war wahrscheinlich die bedingungslos treueste Seele, die man auf diesem Planeten finden konnte, auch wenn ich gleichzeitig Niemanden dafür verurteilte, der das nicht aushalten konnte. Die Welt war nicht selten kalt und grausam, da suchte man sich gerne den Ausgleich in menschlicher Wärme und das hatte nichts mit Schwäche zu tun... für mich kam dabei jedoch für immer nur eine einzige Person in Frage.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Oooookaayyy das klingt alles ungesund und schmerzhaft, aiaiai.. :') Viel Glück damit! _____________
Sie war froh um sein Versprechen. Auch wenn es ihn nicht vor Unglücken und Zufällen schützen konnte, so fühlte es sich doch so an, als wäre er ein bisschen mehr in Sicherheit, wenn er nur genug aufpasste. Sie blinzelte ihn die ganze Zeit über dezent verloren an, lauschte seinen Worten, die genauso dem Versuch entsprangen, hier Trost und etwas Zuversicht zu streuen, wie ihre davor auch schon. Alles würde gut werden, irgendwann, wenn sie diese letzte Hürde genommen hatten. Natürlich war das nicht der finale Schritt zum Glück, aber wie Victor schon gesagt hatte: Wenn sie das schafften, schafften sie alles und daran hielten sie fest. Wobei Faye eigentlich auch keine Sekunde daran gezweifelt hatte, dass sie als Paar das schaffen konnten. Mehr an sich als Einzelperson, die alleine hier blieb, zweifelte sie immer dann, wenn alles wieder etwas zu dunkel und ausweglos schien. Daran, dass sie nicht den Verstand verlieren würde in der Zwischenzeit. An seiner Liebe zu ihr und ihrer Liebe zu ihm gab es nichts zu rütteln, das hatte sie in den letzten Wochen endlich final gelernt. Wenn er bei ihr blieb, obwohl sie eine nicht ganz so geringe Mitschuld an den mitunter schrecklichsten und traumatischsten Ereignissen ihrer gemeinsamen Vergangenheit trug, wenn er bei ihr blieb, obwohl schon wieder - und diesmal gut leserlich - die Spuren eines fremden Mannes an ihrem Körper klebten, dann würde sie nichts mehr trennen können. Auch nicht ein paar ewig lange Monate Abstand. Es sei denn, er erlebte in diesen Monaten einen kompletten Sinneswandel durch seine Rehabilitation, aber das war einer der Gedanken, die sie absolut nicht zulassen wollte und bisher auch sehr vehement abgewehrt hatte. Vielleicht war sie dabei nur so erfolgreich gewesen, weil er noch bei ihr gewesen war und sie sich sofort an all seine Worte erinnert hatte. Aber sie hoffte wirklich, dass es so bleiben würde, sie sich nicht auch noch mit Zweifel in dieser Richtung auseinandersetzen musste. Faye erwiderte seinen Kuss geanuso gefühlvoll, war wie bei allem auch hier nicht recht bereit, sich wieder von ihm zu lösen, als seine Lippen sich von ihren trennten. Immerhin blieb er noch einen Moment direkt bei ihr, richtete sich nicht sofort wieder auf. Aber er begann zu sprechen. Und schon die ersten Worte davon waren nichts, was sie in irgendeiner Hinsicht hören wollte. Das wusste sie schon, oder? Dass er keine Ahnung hatte, wie lange er wegbleiben würde. Warum nannte er diese unbekannte, viel zu lange Dauer also erneut..? Auf die Antwort darauf brauchte sie tatsächlich nicht lange zu warten. Und als er weiter sprach, wünschte sie sich sofort, er hätte es nicht getan. Es musste immer noch ein bisschen grausamer werden, oder? Wenn es hässlich war, musste es ekelhaft werden. Wenn es weh tat, musste es sie zerreissen. Faye wusste im ersten Moment überhaupt nicht, was sie dazu sagen sollte. Aber ihr verstörter Gesichtsausdruck in Kombination mit den Tränen und dem Schmerz in ihrem Blick verriet wohl trotzdem mehr oder weniger, was sie dachte. Traute er ihr das echt nicht zu..? Dass sie warten konnte..? War das denn so abwegig - konnte sie es vielleicht wirklich nicht? Sie hatte noch nie darüber nachgedacht, aber jetzt, wo er das so sagte, hinterfragte sie sich sehr plötzlich selbst. Oder sagte er es tatsächlich bloss, um ihr seine Abwesenheit erträglicher zu machen? Sie hätte ihm in einem Herzschlag versprochen, dass sie niemals freiwillig einen anderen Mann berühren würde, wie sie ihn berührte, sich niemals in die Nähe eines Fremden begeben würde, dass sie liebend gerne wartete, bis er endlich wieder bei ihr war - und wenn sie dabei in Kälte und Einsamkeit versank. Sie wusste, dass sie nur ihn wollte und niemals irgendwen ihn ersetzen könnte. Sie wusste, dass sie das sagen konnte und es auch genau so meinte, dass ihre Liebe ein Versprechen für die Ewigkeit und auf jeder Ebene war - auch, oder gerade besonders, auf dieser. Und darum konnte er das Bist du verrückt?? wohl auch deutlich aus ihren Augen lesen. Aber sie sprach es nicht aus, weil seine Worte sie mal wieder komplett aus der Bahn geworfen und genauso sehr verunsichert hatten. Sie wusste, dass er Recht damit hatte, dass sie sehr viel Nähe und Zärtlichkeiten brauchte, um glücklich zu sein. Dass ihr auch hier etwas sehr Wichtiges fehlen würde, wenn er in gefühlt unerreichbarer Ferne war. Aber sie brauchte nicht irgendwen. Sie brauchte ihn. Seine Berührungen, seine Küsse, seine Streicheleinheiten, seine Zuneigung und die Intimität nur mit ihm. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, sich irgendwas davon bei irgendwem sonst zu holen. Selbst wenn er es ihr erlaubte, würde es sich anfühlen wie Betrug und gerade nach den Geschehnissen, die in ihrer gemeinsamen Vergangenheit lagen, war sie sich eigentlich sehr sicher darin, sowas niemals mit sich vereinbaren zu können. Sich niemals gut dabei zu fühlen, oder frei, oder entspannt. Kopfschmerzen... Sehr üble Kopfschmerzen... und eine erdrückende Enge in ihrer Brust. Noch mehr Angst und sehr viel Verwirrung. Und ein paar zusätzliche Zweifel an sich selbst. Sie konnte seine Worte auf mindestens drei verschiedene Arten interpretieren und Faye wusste beim besten Willen nicht, wie er das wirklich gemeint hatte, was seine eigentliche Intention gewesen war und was er jetzt hören wollte. Das Gleiche? Dass er das auch durfte? Dass es für sie auch okay sein würde? Sie wusste nicht, ob sie schon stark genug war, um sowas auszusprechen, ob ihr Selbstbewusstsein es verkraften würde, zu wissen, dass Victor andere Frauen berührte und ihre narbenfreien, weichen Kurven unter seinen Fingern spürte. Sie wusste es wirklich nicht, schon gar nicht ohne Bedenkzeit. Denn schon wieder konfrontierte er sie mit Dingen, über die er bestimmt sehr lange nachgedacht hatte - da man sowas schlicht nicht einfach mal eben noch anfügte - und diesmal hatte sie eigentlich überhaupt keine Zeit, um sich eine rational durchdachte Antwort darauf bereitzulegen, geschweige denn sich mit dem Gedanken anzufreunden. Hier, wo er gerade noch so zwischen Tür und Angel festhing, schon die Jacke über den Schultern trug, um sie gleich hier stehen zu lassen. Sie wusste, dass sie langsam irgendwas erwidern sollte, weil er sonst einfach ohne Antwort ging. Aber es fiel ihr unendlich schwer und sie wusste nicht was und so blieb sie trotzdem eine ganze Weile still, blickte irgendwann von seinem Gesicht weg zur Seite, ohne dass es den Tränen oder gelegentlichen Schluchzern einen Abbruch tat. Ihr Herz tat weh und war unendlich schwer. "Als ob... ich von irgendwem... das bekommen könnte... was mir fehlen wird... wenn du nicht hier bist…", flüsterte sie stockend das einzige einigermassen Vernünftige, das ihr durch den Kopf ging. "Ich… ich will nicht… jemand anderes. Niemals… und das weisst du...", das war auch die Wahrheit, dass sie immer ihn wählen würde. Nur hatte sie keine Wahl, wenn er nicht hier war. Und trotzdem: Grundsätzlich einfach Nein. Der Gedanke war vollkommen absurd.
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Danke, ich werds wahrscheinlich brauchen. x'D <3 ______________
Vielleicht war ich das - verrückt. Das war auch nicht gerade abwegig bei all den Dingen, die ich in den letzten Jahren erlebt hatte. Langsam ansteigender Wahnsinn hin oder her - ich wusste, dass es nichts zwischen uns ändern würde. Natürlich wäre es mir lieber, wenn sie sich nicht notgedrungen in die Armes eines anderen Mannes flüchten würde, da brauchte ich Niemandem was vorzumachen. Wenn sie die Kälte aber nicht anders ersticken könnte, dann wäre das schon irgendwie in Ordnung. Niemand würde mir die zierliche Brünette wegnehmen können, weil Niemand sonst all das mit ihr teilte, was wir beide zusammen erlebt und ausgehalten hatten. Selbst wenn sie für einen Moment an der Richtigkeit unserer Beziehung zweifeln würde - was ohnehin nur unwahrscheinlich passieren würde - dann würde sie sich spätestens dann daran erinnern, wo sie hingehörte, wenn ich zurückkam. Dass Nichts und Niemand das Band zwischen uns zerreißen konnte, hatten wir uns schon weit mehr als einmal bewiesen. Sicher, es war über die letzten Jahre stark in Mitleidenschaft gezogen worden, aber es war noch da. Hielt uns beide noch immer mit dem stahlharten Kernseil zusammen, das unserer innigen, unverwundeten und scheinbar wirklich unerschütterlichen Liebe zugrunde lag. Es war nicht so schlimm, dass Faye eine kleine Weile brauchte, um überhaupt ein Wort dazu zu sagen. Damit hatte ich wenigstens einen guten Grund, sie noch nicht loszulassen, sondern sie weiter bei mir zu halten. Außerdem konnte ich ihr die Reaktion auf meine Worte auch nicht verübeln - es klang in meinen Ohren ja bisher genauso abwegig, wie es sich für sie angehört haben musste und bestimmt stellte es sie jetzt vor die eine oder andere Frage, an die sie vorher noch keine Gedanken hatte verschwenden müssen. Wahrscheinlich war es nicht unbedingt fair, ihr diese Worte jetzt einfach so vor die Füße zu werfen, wo ich schon auf dem Sprung war. Aber es war eben auch nicht so, als hätte es dafür irgendwann in den letzten Tagen mal einen günstigen Moment gegeben... vielleicht gab es einen solchen in diesem Fall auch nicht. Es würde mir immer unangenehm sein, sowas zu sagen. Angesicht der zwei, drei weiteren Tränen, die mir übers Gesicht rollten, während die Brünette Wort für Wort über ihre Lippen brachte, wirkten wahrscheinlich ein bisschen sehr gegensätzlich zu dem schmalen, kaum sichtbaren Lächeln, das auf meinen Lippen auftauchte. Ich versuchte es beizubehalten, als ich meine Hände kurzzeitig von ihr löste, um stattdessen ihr Gesicht in meine Hände zu nehmen. Damit sie mich ansah, als ich wieder das Wort ergriff. "Ja... und genau deswegen wäre es okay. Weil ich weiß, dass du dich trotzdem immer für mich entscheiden wirst, sobald ich wieder hier stehe.", murmelte ich ihr zu, machte dann eine kurze Pause und versuchte die anhaltenden Tränen von ihren Wangen zu streichen, auch wenn das von vornherein ein verlorenes Spiel war. Natürlich wäre die Nähe zu einem anderen Menschen noch immer nicht meine Nähe, aber sie konnte unter gewissen Umständen trotzdem besser sein als gar keine. "Ich sage ja nicht, dass du es tun sollst, wenn... wenn du gut alleine klarkommst...", weil es mir natürlich lieber wäre, wenn sie von jetzt an wirklich endlich nur noch mir gehören würde. Menschen waren aber keine Besitztümer und Faye war sensibel. Meine Mundwinkel waren inzwischen zurück in ihre vorherige Position abgesunken und der Schmerz spiegelte sich wieder klarer, unvermischt in meinen Gesichtszügen wieder. "...aber ich möchte nicht, dass du in Einsamkeit versinkst, wenn... es dich noch mehr kaputt macht... ich wollte nur, dass du das weißt.", schloss ich meinen Satz mit nur noch leise gehauchten Worten ab. Schluckte leise, als ich meine Stirn an ihre lehnte, die Augen dabei wieder zumachte und nach einem stillen Moment erneut meine Lippen auf ihre legte. Sie in einen zärtlichen, liebevollen und gleichzeitig sehr innigen Kuss verwickelte, der förmlich nach Abschied schrie. Der unmissverständlich klar machte, dass das der letzte Kuss war - es der letzte sein musste. Nicht, dass ich jetzt mehr Lust verspürte zu gehen als vorher, aber es tat unweigerlich nur mehr und länger weh, wenn ich hier noch etliche Minuten herumstand. Wir weinten beide jetzt schon, auch wenn es sich bei mir in Grenzen hielt und sich der Schmerz in meiner Brust stattdessen vermehrt in rasendem, pochendem Herzen äußerte und es sich schon wieder so anfühlte, als würde ich irgendwann in den nächsten Minuten elendig an einem Herzinfarkt krepieren. Ich war nicht fähig, noch lange hier zu stehen und den Abschied auf ewig raus zu zögern. Nicht fähig, Fayes Anblick noch lange zu ertragen. Sonst würde ich gar nicht mehr gehen, bis sie wieder aufgehört hatte zu weinen... und danach würde das Spiel nur wieder von vorne losgehen, sobald ich nach meinen Sachen griff.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Machte das Sinn, was er sagte..? Faye war sich irgendwie nicht so sicher. Aber sicher war sie sich momentan eh bei sehr wenig. Vielleicht bei der Tatsache, dass alles schmerzte und sie sich absolut elendig fühlte und das hier schrecklich war. Und dass seine Worte weh taten, das wusste sie auch. Aber sonst... eher wenig. Darum sagte sie auch nichts mehr, auch wenn die Gedanken in Scharen durch ihren Kopf geisterten. Kam es nicht schon aus einem anderen Grund absolut nicht in Frage, sich von einem anderen Mann berühren zu lassen? Weil sie am liebsten überhaupt keine Hände spüren wollte, bis auf die ihres Freundes? Sie hatte in den letzten Jahren wenig gute Erfahrungen damit gemacht, von fremden Männern begehrt zu werden - eher überhaupt gar keine. Und das hatte sehr viele Spuren hinterlassen, von denen die meisten unsichtbar waren. Faye glaubte kaum, sich in den nächsten Monaten plötzlich anders zu entscheiden und jemandem ausreichend vertrauen zu können, um Zärtlichkeiten und Intimität zuzulassen. Eben ganz abgesehen davon, dass sie das auch gar nicht wollte. Nichtsdestotrotz würde sie sich sicherlich noch sehr oft den Kopf über diese Aussagen zerbrechen - schon nur, weil sie eben so absurd wirkten und auf so viele Arten interpretiert werden konnten. Nur hatte sie dazu jetzt keine Zeit. Denn sie wusste, dass der Moment des endgültigen Abschieds gekommen war, noch bevor seine Lippen auf die ihren trafen. Faye erwiderte den Kuss, legte dieselben unendlich tiefen Gefühle in diese letzten Berührungen, löste noch dabei ihre Arme von ihm, um stattdessen ein letztes Mal sein Gesicht in ihre Hände zu beten und mit ihren Daumen über seine Wangen zu streichen. Ein letztes Mal, für so lange Zeit... Aber nicht für immer. Ihre Lippen lösten sich von seinen und sie öffnete die Augen, blickte ihn einen endlosen und doch viel zu kurzen Moment lang an, in dem ein letztes Mal die Zeit still stand. "Bis bald, Victor... Ich liebe dich", hauchte sie, bevor sie zwei Schritte rückwärts ging, ihre Hände von seinem Gesicht abfielen und sie den Weg frei gab. Bis bald - was auch immer bald in dieser Situation bedeutete. Alles, was sie damit wirklich ausdrücken wollte, war, dass sie sich wiedersehen würden und das kein Abschied für immer war. Sie drückte den kalten Griff nach unten und zog die Tür auf, damit er seines Weges gehen konnte - er war immerhin gefordert mit Taschen-Tragen. Ihre Hände zitterten bereits leicht, kündeten die anstehende Katastrophe gemeinsam mit ihrem pochenden Herzen sehr zuverlässig an. Aber sie sparte fast alles für den Moment auf, in dem er draussen in sein Auto gestiegen und in die Strasse abgebogen war - der Moment, in dem sie sich sicher sein konnte, dass er es nicht mehr mitbekam.
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Für eine schier unendlich lange Zeit würde ich mir diese Gefühle einprägen müssen. Wie Fayes schmale Finger mein teils stoppeliges Gesicht streiften, wie es sich anfühlte, wenn sie ihren Körper nah an meinen lehnte, wie ihre Lippen schmeckten... und das Wissen darüber war grausam. Ich konnte schon in dem Moment, als Fayes Finger von meinen Wangen glitten und sie zurücktrat, förmlich spüren, wie die Erinnerung zu altern begann. Natürlich war das völliger Blödsinn. Ich hatte sie schon so oft geküsst und nah bei mir gehalten, dass die Erinnerungen daran niemals schwinden würden. Aber würde ich vergessen, wie es sich wirklich anfühlte, wenn ich lange weg war? Oder würde es tatsächlich anders sein, wenn ich zurückkam - weil wir beide anders sein würden? Es war schon zu spät für diese Gedanken, als meine Hände von Fayes Körper rutschten und ihre Wärme nicht mehr an meinem Brustkorb zu spüren war. Ich senkte den Blick, griff aufgewühlt nach dem Reißverschluss der Jacke und zog ihn zu. Zwar war mir gerade durch die Aufregung eher heiß als kalt, aber das dürfte den spätherbstlichen Wind draußen nicht interessieren. Ich zog die Nase hoch und griff mir eine um die andere Tasche - schulterte zuerst den Laptop, weil der Gurt jener Tragetasche quer über meinen Oberkörper verlaufen sollte, danach schulterte ich den Seesack der Army - ja, den hatte ich noch - auf der rechten Seite und griff mir anschließend die kurzen Griffe der großen Reisetasche mit der linken Hand. Als ich mich wieder vollständig aufgerichtet hatte, war mir leicht schwindelig, was ich den Kopfschmerzen und der Aufregung zuschrieb. Ich streckte wenig zielstrebig den Arm nach dem Schlüsselbrett aus, um sowohl den Autoschlüssel, als auch den Schlüsselbund mit sämtlichen anderen meiner Schlüssel zu nehmen und beide in meine Jackentasche zu schieben. Meine Augen wanderten im Anschluss von ganz allein gleich wieder zu Faye, kaum hatte ich alle Sachen beisammen. Egal wie lang ich weg sein würde, es würde sich ganz bestimmt nicht wie bald anfühlen, dessen war ich mir sicher. Ich trat an die Tür heran, blieb noch einmal stehen. So, dass ich gerade noch Fayes Gesicht sehen konnte, ohne dass die offene Tür dabei im Weg war. "Ich liebe dich auch, Faye... und ich... versuch mich so schnell wie möglich in den Griff zu kriegen... versprochen.", erwiderte ich noch ein paar letzte Worte. Eigentlich waren sie unnötig, weil ich der Brünetten schon mehr als einmal gesagt hatte, dass ich nicht länger wegbleiben würde, als ich es wirklich für nötig hielt. Wahrscheinlich fühlte ich mich nur wegen dem bald verpflichtet dazu, ihr das noch ein weiteres Mal zu versprechen, auch wenn es am Ende nichts daran änderte, wie lange ich tatsächlich weg sein würde. Denn meine Psyche heilte nicht schneller, nur weil ich das gerne so hätte. Ich hatte meinen Traumata nie genug Aufmerksamkeit geschenkt, was sich jetzt gewaltig rächte. Nicht nur an mir, sondern an uns beiden. Ich hob noch ein letztes Mal die rechte, freie Hand, um ihr über die feuchte Wange zu streicheln. Sah sie dabei unweigerlich sehr wehmütig und traurig an, bevor ich mich endgültig von ihr zu lösen schaffte. Die Hand zu mir zurückzog, um mit einem schweren Schlucken auf den Flur zu treten. Ich hätte mich auf dem Weg nach draußen gerne noch einmal umgedreht. Hätte gerne gewusst, ob sie mir nachsah... aber ich wusste, dass ich umdrehen würde, wenn ich das tat. Denn auch ohne einen weiteren Blick in Fayes nasse Augen zog schon bald die unsichtbare Kraft an meinen müden, schweren Schultern. Ich hatte sie schon oft ersticken müssen in den letzten Tagen - die Stimmen, die mir sagten, dass ich Faye nicht einfach hier zurücklassen konnte, dass das falsch und egoistisch war, dass sie mir das mit genügend Bedenkzeit gar nicht verzeihen würde und dass das hier ein Abschied für immer war. Aber gerade waren sie noch so viel lauter und ich kniff für einen Moment lang die noch immer brennenden Augen zusammen, als ich die Hand auf die Klinke der Haustür nach draußen legte. Versuchte verzweifelt durchzuatmen, bevor ich mit bebenden Lippen die Augen wieder öffnete und ins Tageslicht trat. Der Wagen war nicht weit weg. Nur ein paar Meter gehen, dann einsteigen und losfahren. Es klang so einfach und war doch so wahnsinnig schwer. Ich hätte am liebsten einfach Kehrt gemacht, weil ich den Gedanken nicht ertrug, dass Faye sich für den Rest des Tages ohne jeden Zweifel die Augen ausweinen würde. Vielleicht morgen auch noch. Übermorgen dann nicht mehr, weil das nicht ging wegen der Arbeit - aber bis dahin vergingen zwei ganze Tage, in denen sie Niemand daran hindern würde, weil sie womöglich nicht einmal ihre Schwester in die Wohnung lassen würde. Ich packte die Sachen fast in Zeitlupe in den Kofferraum, nahm dann noch die oben in den Seesack gepackte Wasserflasche heraus, bevor ich nach vorne ging und mich hinters Steuer sinken ließ. Dort die Wasserflasche auf dem Beifahrersitz ablegte und mein Handy ins Seitenfach der Fahrertür legte, ehe ich den Schlüssel ins Zündschloss schob. Trotzdem brauchte ich noch fast eine halbe Minute, bis ich den Motor tatsächlich anwarf und losfuhr. Lehnte mich in der Zwischenzeit nach vorne aufs Lenkrad und versuchte die letzten, aufkommenden Tränen loszuwerden, noch einmal tief durchzuatmen. Wahrscheinlich hätte ich besser noch länger sitzenbleiben und runterkommen sollen, weil ich mich auch danach noch weit entfernt von fahrtüchtig sah, aber das steigerte nur die Chancen auf einen Rückfall. Also parkte ich mit zumindest fast ganz klarer Sicht aus und fuhr los, während mich das schwere Herz, das nichts als am liebsten sofort zu Faye zurückwollte, mit gefühlt aller Kraft nach hinten in den Sitz drückte.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Ja, das würde er. Und sie würde warten und sich in der Zwischenzeit darum bemühen, das Gleiche zu tun. Sich in den Griff zu kriegen um endlich der Frau gewachsen zu sein, die sie an seiner Seite sein wollte. Stark und selbstbewusst, einfühlsam und vor allem glücklich. Einfach eine Person, die wusste, was sie vom Leben wollte und wie sie das erreichen würde. Wie sie mit ihm vorwärts kam und wie sie ihre Zukunft wundervoll machen konnten. Die Berührung seiner Finger brannte auch dann noch auf ihrer Wange, als er längst durch die Tür getreten war. Sie schaute ihm nach, wie er mit einer unsichtbaren aber tonnenschweren Last auf den Schultern die Treppe nach unten schritt. Und sie wünschte sich so sehr, ihn nie wieder so niedergeschlagen und gebrochen zu sehen wie heute. Nie wieder seine Tränen an ihren Fingern zu spüren und die tiefe Trauer aus seinen Augen zu lesen. Die Verzweiflung, weil es einfach keine schönere Lösung für die Probleme gab, welche sie über so lange Zeit gesammelt hatten. Sie betete zu allen Göttern und dem Universum darum, dass er heilen würde, wie er es sich wünschte, dass er gesund wurde und seine Seele sich von all dem Elend erholen konnte, dass er über die Jahre gesehen hatte, das ihn gezeichnet hatte, als wäre er eine leere Leinwand gewesen. Sie hoffte, dass all die Wunden sich schliessen konnten und die neu entstandenen Narben das Herz darunter zuverlässiger schützten als zuvor - dass ihm niemals wieder etwas so sehr weh tun könnte, wie die Vergangenheit es getan hatte. Faye schaute ihm nach, auch dann noch, als sie längst die Haustür unten hatte zufallen hören. Irgendwann schloss sie auch die Wohnungstür, wandelte wie ein Geist ins Wohnzimmer, wo eine unsichtbare Hand sie auf geradem Weg zum Fenster trieb. Er war noch hier, sie sah sein Auto auf dem Parkplatz. Aber der Rückfahrscheinwerfer leuchtete bereits, kündete das kurzum gestartete Ausparkmanöver an. Das Auto bog aus der Parklücke auf die Strasse, blinkte nach links und rollte die Strasse runter, nach wenigen Sekunden aus ihrem Sichtfeld. Und sie blieb allein zurück. In einer Wohnung, die noch kaum zum Zuhause geworden war und jetzt so unendlich leer wirkte. Verlassen, einsam und kalt. Faye musste gar nicht darüber nachdenken, bevor sie das Wohnzimmer verliess und wieder im Schlafzimmer verschwand. Sich unter der Decke verkroch und ihr Gesicht in sein Kissen drückte, bevor ihre Emotionen sie, wie erwartet, komplett ausser Gefecht setzten.
Das war vor ganz genau zwei Wochen gewesen. Sie hatte seit da überhaupt gar nichts mehr von Victor gehört. Wusste zwar, dass er gut angekommen war, weil seine Familie sich bei ihr gemeldet hätte, wenn dem nicht so wäre (und eventuell auch weil sie Hazel gefragt hatte, nachdem sie bereits nach vierundzwanzig Stunden fast den Verstand verloren hatte), aber das war dann auch schon alles. Sofern sie nichts anderes hörte, konnte sie davon ausgehen, dass er existierte und atmete und sich irgendwie durch die Tage kämpfte, da sie mit ihm abgemacht hatte, dass seine Familie sich sonst sofort bei ihr melden würde. Eine kleine Notfallklausel, die sie einfach unbedingt gebraucht hatte, weil sie ihn sonst wahrscheinlich nicht hätte gehen lassen können, ohne zwei Tage später wieder in der Klapse zu hängen. Allerdings war die Tatsache, dass er lebte, eben wirklich alles, was sie mit Sicherheit sagen konnte. Und Gott - es war einfach nur schrecklich. Sie konnte von Glück reden, den neuen Job zu haben, der sie doch noch sehr forderte und dadurch zumindest ein Bisschen von den kreisenden Gedanken ablenkte, solange sie auf der Arbeit war. Sie konnte und wollte echt nicht riskieren, diese Stelle zu verlieren, da es ihr hier eigentlich sehr gut gefiel und sie nicht schon wieder versagen wollte wie beim letzten Mal. Und darum legte sie sich auch sehr ins Zeug, übernahm Schichten, die sie nicht arbeiten müsste und blieb länger, wenn sie noch gebraucht wurde. Natürlich war das eine Art Verdrängungstaktik, damit sie sich nicht mit der Einsamkeit konfrontieren würde. Sie hatte auch nicht vor, das auf Dauer durchzuziehen - sonst wäre nämlich die nächste Station ein Burnout, einfach, damit sie das dann auch noch abhaken konnte. Aber für die ersten Wochen, jetzt, wo alles wahrscheinlich - hoffentlich - am schlimmsten schmerzte, brauchte sie irgendwas, woran sie sich klammern konnte, und das war eben ihr Job. Ausser jetzt gerade, da sie gestern Nacht gearbeitet hatte und heute der entsprechenden Ruhetag anstand. Sie hatte bis etwas nach dem Mittag geschlafen, jedenfalls mehr oder weniger und eben einfach so gut, wie das mit dem Schlafen ihr im Moment gelang, in dem grossen, einsamen Bett. Dann war sie aufgestanden, hatte sich lustlos irgendwas zu essen gemacht. Und jetzt war sie in der Stadt. Der anderen Stadt, der, die sie eigentlich nicht mehr besuchen wollte. Aber ihre Therapeutin war hier und was sie noch weniger wollte, als wöchentlich für ein-zwei Stunden in dieser Stadt zu sein, war eine neue Therapeutin, der sie wieder alles von Anfang an erzählen musste und mit der sie sich bestenfalls gerade mal halb so gut verstand wie mit Mrs White. Die 44-Jährige war ein wahres Supertalent auf ihrem Gebiet und schaffte es jedes Mal, sie - egal wie beschissen Faye sich gerade fühlte - wieder zurück auf den Boden zu holen. Sogar heute, nachdem sie mal wieder fast die ganze Stunde durchgeheult hatte, weil die Themen, die sie behandeln musste, einfach nichts als puren Schmerz darstellten. Natürlich war es um Victor gegangen und um ihre Beziehung. Und momentan gab es fast kein Thema, das schrecklicher und tiefgreifender wehtat, als die Gedanken an ihren Freund. Wahrscheinlich waren ihre Augen auch noch immer gerötet, als sie das Gebäude verliess, um über den Parkplatz zu ihrem kleinen Ford hinüber zu gehen. Eigentlich würde es ihr wohl guttun, erst noch ein bisschen durchzuatmen, vielleicht eine Runde im Park zu drehen... Aber wirklich wohl fühlte sie sich hier nunmal längst nicht mehr. So blieb die Brünette am Ende nur neben ihrem Auto stehen, lehnte sich an die Fahrertür. Sie könnte auch nach drinnen sitzen, aber die kühle Brise, die ihr um die erhitzten Wangen wehte, fühlte sich fast tröstend an. Nur für ein paar wenige Minuten, bis die Kälte durch ihren dicken Wintermantel zu ihr durchdringen würde. Sie schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken, starrte in den wolkenverhangenen Himmel. Ob er bei Victor genauso trist aussah? Vielleicht schien die Sonne, da wo er war... Vielleicht war es warm. Und vielleicht regnete es auch und er fror... Genau wie sie.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Sorry zwecks Überlänge, aber es hat sich leider Dank Ryatts Abwesenheit in der letzten Zeit so ergeben... x'DDD _______
Tja, wo sollte ich am besten mit der Beschreibung der letzten paar Wochen anfangen? Im Grunde tat ich eine ganze Menge Nichts. Nachdem Faye und ihr großer, mich böse anschauender Beschützer - aka Victor - mir einen Besuch abgestattet hatten, sah ich sie nie wieder. Das einzige, was ich im Krankenhaus noch tat, war die Stichwunde im Bauch auszukurieren. Die innere Blutung war verheerend gewesen und ich hatte damit zumindest insofern Glück, dass ich nicht noch früher in Untersuchungshaft wanderte. Das Krankenhaus war schon öde gewesen, aber die vorübergehende Inhaftierung war um Welten schlimmer. Ich kam in einem nicht weit entfernten Gefängnis in einen eher kleinen Trakt mit anderen Häftlingen, die entweder chronisch sehr krank, ebenfalls unschön verletzt oder eine wandelnde Zielscheibe für andere Inhaftierte in den verbliebenen Trakten waren. Insgesamt war es in diesem Teil des Gefängnisses also verhältnismäßig ruhig. Da ein einziger Schlag auf die nur langsam verheilende Stichwunde zu Beginn meiner vorübergehenden Haft noch ausreichen würde, um mich ein weiteres Mal auf die Intensivstation eines Krankenhauses zu verfrachten, fuhr ich damit wirklich gut. Als es langsam so aussah, als könnte ich vermeintlich in einen normalen Trakt mit wenig komplizierten Häftlingen, simulierte ich aber dennoch weiterhin gekonnt Schmerzen. Eigentlich ging es mir von Tag zu Tag besser, aber der Krankenstatus war ein unverdienter Segen, den ich gerne behalten wollte. Es kam mir ein bisschen zugute, dass die recht junge Ärztin auf der Krankenstation noch manipulierbar zu sein schien. Vielleicht hatte sie auch einfach nur ein zu großes Herz für kerngestörte Veterane oder war etwas zu fasziniert von den Geschichten über den Krieg, auf die wir dank meiner bis zu den Rippen reichenden Brandnarbe gekommen waren. Die Unterhaltungen mit ihr boten mir zudem ein bisschen Abwechslung. Jedenfalls konnte ich so zumindest umgehen, irgendwo in diesem Gebäude mit Sean zu kollidieren - oder Jemandem, der einem Auftrag von ihm folgte - und endgültig das Zeitliche zu segnen. Ich wollte kein Risiko eingehen, auch wenn die hier kaum dumm genug sein dürften, mich wirklich in den selben Trakt zu stecken oder uns auf dem Innenhof in der Freizeit zu nah aneinander geraten lassen würden. Vorsicht war trotzdem besser als Nachsicht. Er müsste nur einmal an mir vorbeigehen und ich hätte die nächste provisorische Waffe im Bauch, der Kerl steckte schließlich nicht zum ersten Mal im Gefängnis. Dass er hier war, war nicht schwer zu erfahren gewesen. Auch wenn dieses Gebäude nur unwahrscheinlich seine Endstation bleiben würde, wo er doch im Moment noch auf seinen Prozess wartete... Beziehungsweise unseren. Da wir unweigerlich beide in dieser Sache drinsteckten, bekam ich ihn einige Wochen später schließlich doch noch zu Gesicht. Allerdings steckte er dabei in Handschellen, dicht begleitet und allzeit beaufsichtigt von einem bewaffneten Polizisten, der schräg hinter ihm im Gerichtssaal stand. Als unsere Blicke sich das erste Mal verfingen, wusste ich schon, dass er mich tot sehen wollte und ganz bestimmt an seine liebreizende Gangsterfamilie weitergegeben hatte, dass sie mich gefälligst umzulegen hatten, sollte ich auf freien Fuß kommen. Riley war tatsächlich auch da - saß relativ weit hinten im Raum, weshalb ich beim Reingehen nur einmalig einen kurzen Blick auf sie erhascht hatte. Sie war auch nicht meine Priorität, während sich der Saal zunehmend weiter erhitzte. Mehr als einen Pflichtverteidiger hatte ich natürlich nicht, weil ich keinen richtig guten Anwalt bezahlen konnte. Trotzdem machte der schon etwas ältere Mr. Borrow seine Sache gut und ließ sich nicht von dem 10-Sterne-Anwalt der Hernández unterkriegen, während die Beweislage zu meinen Gunsten stand. Ich spielte auch die Karte des traumatisierten Soldaten wunderbar aus - was nicht schwer war, weil mein Flashback ohnehin in der Krankenakte des Krankenhauses notiert worden war - und das machte das Bild quasi komplett. Als der Hammer gefallen war, wurde Sean für mindestens 30 Jahre pseudo-lebenslänglich verknackt, mit anschließender Chance auf Bewährung bei guter Führung. Weil er sich selten gut benahm, hoffte ich also eher auf wirklich lebenslänglich, weil er eine scheiß nachtragende Persönlichkeit besaß. Was mich selbst betraf, schrammte ich dank des Richters Gnade um ein Haar am Gefängnis vorbei. Er ließ mir die Wahl - bezahlen konnte ich die mir aufgebrummte Geldstrafe nicht, also konnte ich stattdessen Zeit im Knast absitzen oder aber gefühlt endlos viele Sozialstunden leisten, um das Geld abzuzahlen. Weil ich die Gitter zukünftig um jeden Preis umgehen wollte, entschied ich mich für letzteres, auch wenn das irgendeine Arbeit bedeutete, die ich wahrscheinlich nicht machen wollte und ich um die Fußfessel zur Kontrolle meines Aufenthalts nicht herumkam, solange ich die Arbeit noch nicht angetreten hatte. Alles war besser als kalte Gitter und triste Betonwände anzustarren. Zwar glaubte ich noch nicht wirklich dran, aber vielleicht kam ich durch den Job ja wirklich wieder auf die Beine. Die Hoffnung starb zuletzt - zumindest sagten das immer alle. Riley saß näher am Gang als vorher, als ich den Gerichtssaal weit hinter Sean wieder verließ und als sich unsere Blicke erneut kreuzten, stand ihr quer übers Gesicht geschrieben wie wenig ihr der Ausgang des Verfahrens gefiel. Also mal sehen, wie weit ich mit den Sozialstunden überhaupt kommen würde... Ich verließ gerade das Sozialamt, das sich um meine neue Arbeitsstelle und meine deshalb benötigte Unterkunft kümmerte. Wegen letzterer waren noch ein paar anstrengende Formulare auszufüllen - als indirekt vom Justizsystem zur Rehabilitation aufgeforderter Kriegsveteran konnte ich wohl auf irgendeinen Zuschuss oder gar die gänzliche Tilgung seitens einem nationalen Sponsor hoffen, der Projekte für gescheiterte Ex-Soldaten unterstützte. Wäre gut, wenn das klappen würde. Andernfalls dürfte ich nämlich im Anschluss an die Sozialstunden die Rechnung für die Unterkunft, die wohl aus irgendeinem Sozialheim für Hilfsbedürftige eine Stadt weiter bestand, mit irgendeinem anderen Scheiß-Job abbezahlen, wenn ich bis dahin nicht zufällig einen Geld kackenden Esel gefunden hatte. Ich war auf jeden Fall froh den Papierkram für heute abgehakt zu haben und die tattrige Angestellte des Amts würde sich melden - logischerweise auf meinem neuen Billighandy - sobald sie eine Rückmeldung bekommen hatte. Es zog sich also unweigerlich alles in die Länge, was mir Zeit zum Durchatmen gab. Ich fühlte mich körperlich eigentlich wieder ganz gut, auch wenn die neuen Narben allesamt noch ab und an zwickten und piekten. Mental kam ich allerdings kaum zur Ruhe und sehnte wirklich den Tag herbei, an dem ich diese Stadt mit persönlicher Eskorte verlassen konnte - für den Truck hatte ich bis dahin wahrscheinlich noch keine Lösung, er würde also doch noch einen neuen Besitzer finden müssen. Ich hasste es, aber er war dank Sean nur noch ein Klotz am Bein. Das war jedoch nicht das, was mich so kirre machte - ich drehte mich ständig um, um meinen Rücken zu sichern. Mied das kriminelle Stadtviertel per se - hatte dank der Fußfessel auch gar keine andere Wahl - und versuchte mich dauerhaft nur auf sehr belebten Straßen aufzuhalten. Außerdem trug ich grundsätzlich immer die Kapuze der Baseballjacke, damit man mich nicht besser als nötig erkannte, während ich ununterbrochen die Umgebung scannte. Mich unterbewusst schon darauf vorbereitete, dass hinter irgendeiner Ecke irgendwann eins von Seans Anhängseln auf mich warten würde, um mir ein Ende zu bereiten. So sah ich mich auch jetzt gerade um und ich traute meinen eigenen Augen kaum, als ich den Gehweg zur nächsten Bushaltestelle entlang ging. Verlangsamte unbewusst meine Schritte, als ich dachte ein bekanntes Gesicht zu sehen - nur aus einer ungewohnten Perspektive. Auf den zweiten Blick war ich mir aber sicher, dass es Faye war, die einige Meter entfernt so still in den Himmel sah. Erkannte auch das Auto wieder, das mich schon ein, zwei Mal von A nach B gebracht hatte. Ich war bereits stehengeblieben und musterte die Brünette noch einige Sekunden lang, während ich darüber nachdachte, ob es eine gute Idee war auf sie zuzugehen. Ich war damals nach ihrem letzten Besuch im Krankenhaus irgendwie davon ausgegangen, dass wir nochmal voneinander hören würden - auf welche Art auch immer. Wenn ich mir jedoch hier und jetzt bewusst machte, dass Riley nach wie vor auf freiem Fuß war und sie offensichtlich nicht von den Bullen geschnappt worden war, während Faye hier einen Seelenklempner besuchte... dann kam ich doch stark ins Grübeln, was den Verbleib der zierlichen Brünetten anging. Noch während ich diesen Gedanken zu Ende führte, setzte ich mich wieder in Bewegung. Als ich der jungen Frau schließlich näher kam, räusperte ich mich leise. "Faye?" Ich wusste schon, dass sie es war, stellte mich aber gerne kurz dumm, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Als sie mir ihren Blick zuwandte, hob ich die Hände, um die mehr oder weniger weiße Jackenkapuze abzunehmen. Kurz darauf blieb ich mit genügend Abstand vor ihr stehen. "Hi... ich... bist du okay? Ist... lange her.", fragte ich etwas wirr. Klang dabei unruhig, weil ich das nun mal war. Eigentlich fiel mir Reden selten schwer, aber was sagte man in so einer schrägen Situation? Sie sah auch nicht grade so aus, als wäre alles okay.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Ach ich stör mich nicht daran, hatten wir in letzter Zeit oft genug... xD ____________
Diese Stadt war definitiv nicht ein Ort, an dem sie so aus dem Nichts heraus und auf offener Strasse angesprochen werden wollte. Entsprechend zuckte sie auch vollkommen unkontrolliert zusammen und ihre Hand lag längst fluchtbereit am Griff der Fahrertür, als sie sich dann doch mal noch umschaute, um herauszufinden, wer ihr den Schrecken überhaupt eingejagt hatte. Als sie Ryatt erblickte, wurde die Überraschung in ihrem Gesicht aber nicht unbedingt weniger. Und für ein paar zögernde Sekunden war sie sich auch nicht sicher, ob sie nicht doch besser einfach einstieg und die Flucht ergriff. Das letzte Mal, als er so plötzlich in ihr Leben getreten war, hätte sie ihn - rein egoistisch gesehen - möglicherweise besser direkt wieder ausgesperrt. Ihn nicht zu ihrem Problem gemacht. Dann hätte sie jetzt keine Narbe auf ihrer Brust und Victor wäre noch da. Klar, vielleicht hatte es dieses Trauma gebraucht, damit sie merkten, dass sie wie begonnen nicht weitermachen konnten oder sollten, weil sie so nie ganz glücklich wären... Aber im Moment war es eben noch immer sehr schwer, das Positive in der Abwesenheit ihres Liebsten zu erkennen. "Ryatt... hey...", kam es reichlich verzögert und doch noch immer ziemlich inhaltlos über ihre Lippen, während sie ihn musterte. Er sah wesentlich besser aus als vor ein paar Monaten und natürlich auch gesünder. Die Verletzung schien er also gut überstanden zu haben. Und er spazierte hier durch die Stadt ohne Polizeibegleitung, Handschellen oder ähnliches, woraus sie schloss, dass der Prozess sogar besser ausgegangen sein musste, als sie es sich erhofft hatte. Jedenfalls für seinen Teil. Denn obwohl sie selbst daran hätte teilnehmen können oder sollen, da sie es immerhin gewesen war, die Sean endgültig den Cops übergeben hatte und die ebenfalls bei der Polizei gegen ihn ausgesagt hatte, war sie selbstredend nicht dort gewesen und wusste nicht, welches Urteil gegen Rileys Bruder verhangen wurde. Faye war sich nichtmal sicher, worauf sie gehofft hätte, wenn sie sich damit befasst hätte. Einerseits natürlich dass er nie wieder freikam - zugleich war sie sich aber nicht sicher, was das für Auswirkungen auf die Aggressionen seiner Geschwister hätte. Und mit denen wollte sie sich beim besten Willen nie wieder konfrontiert sehen. Aber zurück zu dem jungen Mann, der mittlerweile bei ihr angekommen war und mit etwas Abstand stehen blieb. Ja, es war lange her und nein, sie war definitiv nicht okay. Aber darüber reden, weshalb ihre Augen noch immer rot sein dürften, wollte sie eigentlich auch nicht. Sie zuckte etwas überfordert mit dieser Frage und seiner Anwesenheit mit den Schultern. "Naja... in diesem Moment nicht grossartig, aber ich komm' zurecht", entschied sie sich letztendlich dafür, die Wahrheit mit einer Halblüge zu kombinieren. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie wirklich zurechtkam, aber irgendwie musste sie ja, oder? Und dass es ihr in diesem Moment gut ging, konnte sie leider schlecht erzählen. "Aber was ist mit dir? Scheinbar bist du am Gefängnis vorbeigekommen..? Das freut mich", es war das erste Mal, dass sie lächelte. Auch wenn dieses Lächeln noch etwas verhalten war, meinte sie es durchaus ehrlich. Seine Freiheit gab ihrem Leiden immerhin ein winziges Stückchen Sinn, auch wenn das nie der Plan gewesen war. Wenn er jetzt zu allem hinzu auch noch im Gefängnis sitzen würde oder abgekratzt wäre, dann hätte sie die dumme Aktion vor dem Krankenhaus am Abend ihres Kennenlernens wirklich auch einfach sein lassen können.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Es war kaum verwunderlich, dass Faye nicht unbedingt freudestrahlend auf mein Auftauchen reagierte. Dass sie wegen mir nun zusammengezuckt war, schrieb ich mal der Tatsache zu, dass Sean sie damals so unschön in eine Seitengasse gezerrt hatte. Das war durchaus als ein Erlebnis zu werten, das einen traumatisieren konnte. Vor allem als Frau, denke ich. Solange die Brünette mich deswegen nicht in die Flucht jagte oder gar wortlos einstieg, war das so auch okay für mich. Schließlich wusste ich selbst am besten, dass ich so oder so nur bedingt guter Umgang war und da durfte man sich schon zwei Mal überlegen, ob es das Gespräch wert war - und offenbar war es das. Besonders gut schien es Faye nicht zu gehen, was schon bevor sie es aussprach für mich erkennbar war. Zugegeben wirkte sie auf mich eher nicht so, als käme sie mit ihrer Situation - was auch immer das jetzt für eine sein mochte - besonders gut klar. Man stand selten mit verweintem Gesicht in den Himmel starrend auf dem Parkplatz unmittelbar vor einem Psychotherapeuten herum, wenn man zurecht kam. Das waren Worte, die man für gewöhnlich am ehesten dann in den Mund nahm, wenn man nicht besonders erpicht darauf war darüber zu reden. Ich quittierte ihre Gefühlslage letztlich nur mit einem schwachen Nicken und schob währenddessen meine Hände zurück in die Jackentaschen. Die waren nicht gefüttert und von kuschelig warm weit entfernt, aber da drin wurden meine Finger wenigstens nicht noch kälter. Faye kam dann auf meine Wenigkeit zu sprechen und ihre Mundwinkel zuckten leicht nach oben. Ob sie sich wirklich freute, dass ich wieder auf freiem Fuß herumlungerte, nachdem ich ihr all diesen Ärger eingebrockt hatte? Ich hatte meine Zweifel, obwohl ich die Brünette als durchweg selbstlosen Menschen kennengelernt hatte. "Ja... der Richter war nachsichtig, zumindest mit mir. Sean sitzt mindestens für 30 Jahre ein." Ich zuckte mit den Schultern. "Ich konnte mir aussuchen, ob ich Gitter oder Sozialstunden will... es sind zwar echt viele und bis ich richtig eingearbeitet bin schlepp' ich eine Fußfessel mit mir rum, aber ich denke alles ist besser als jeden Tag dieselben Wände anstarren zu müssen. Die Untersuchungshaft war für meinen Geschmack schon lang genug.", gab ich mein Fazit zum Verlauf der Dinge preis. Glaubte auch nach wie vor die richtige Entscheidung getroffen zu haben und dass es eigentlich ganz gut war, dass ich noch nicht an meiner Verletzung krepiert war. Sofern ich denn auch was davon haben würde, das kam ganz auf Seans Sippe an. "Dass ich damit und mit dem Leben davongekommen bin hab ich dir zu verdanken...", stellte ich fest, was offensichtlich war. Ich wäre schon kurz nach meiner Flucht aus dem Krankenhaus abgekratzt. Hätte Faye mir etwas später dann nicht ins Gewissen geredet, dass Sterben keine Lösung war, wäre ich wohl bei Lance krepiert oder er hätte den Krankenwagen zu spät geholt, wenn ich schon bewusstlos gewesen war. Zwar konnte Fayes Aussage bei der Polizei vor Gericht nicht schwer gewichtet werden - eben weil sie nicht aufgetaucht war, um sie noch einmal zu bestätigen und eventuell weitere Fragen zu beantworten - aber das war offensichtlich auch nicht nötig gewesen. Es hatte genug andere Hinweise darauf gegeben, dass ich mir nicht einfach nur irgendwelche Lügengeschichten aus dem Hut zog. Die Bullen hatten schließlich weiter gearbeitet, während ich im Krankenhaus und der Zelle vergammelt war. "Also... danke. Zum wahrscheinlich schon hundertsten Mal... wenn dir was einfällt, wie ich's ansatzweise wieder gutmachen kann, dann wüsste ich's echt gerne. Aber das weißt du ja eigentlich schon...", meinte ich, klang dabei schon etwas weniger unruhig. Zog im Anschluss daran den rechten Mundwinkel für ein schiefes Lächeln nach oben, das auch nicht allzu lange anhielt, aber mehr war wohl gerade nicht drin. Ich fühlte mich einfach nicht unbedingt gut damit, derartig in ihrer Schuld zu stehen und meine Mittel dafür, etwas an diesem Zustand zu verändern, waren wohl kaum existent - ich konnte mich ja nicht einmal frei bewegen, die Stadt nicht verlassen. Außerdem war es auch nicht angenehm hier auf einer so verhältnismäßig offenen Fläche herumzustehen. Ein leichteres Ziel konnte man kaum sein, weshalb ich mich unterbewusst erneut flüchtig umzusehen begann.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Das waren irgendwie eine Menge Neuigkeiten auf einmal, zumindest für ihre Ohren. In Wirklichkeit sagte er lediglich, wie die Strafen für ihn und Sean ausgefallen waren, aber das waren eben Informationen, die sie erstmal verdauen musste. Für mindestens 30 Jahre war eine lange Zeit und Faye war sich sicher, dass Riley ihr dabei zustimmen würde. Nicht lange, sondern viel zu lange, hörte sie sie bereits in ihr Ohr zischen. Eigentlich eine Ewigkeit. Was das bedeuten mochte, wusste sie nicht. Vielleicht würden Seans Verwandte erneut Jagd auf sie machen..? Wie schwer war es, herauszufinden, wo sie jetzt wohnte? Wie ihre neue Telefonnummer lautete? Sie hatte echt keine Ahnung. Allerdings war es diesmal auch nicht sie, die an dem Schlamassel die Hauptschuld trug und Riley hatte indirekt gesagt, dass sie mehr oder weniger in Sicherheit waren, solange sie davon absahen, zur Polizei zu rennen. Für ihren Fehler hatte Faye bereits doppelt bezahlt und sehr wahrscheinlich wäre Sean auch dann irgendwann geschnappt worden, wenn sie ihn nicht so direkt verraten und mehr oder weniger ausgeliefert hätte. Hiess dass, das nun Ryatt an der Reihe war, weil er immerhin vor dem Richter gesessen hatte? Sie hatte echt keine Ahnung, aber es war plausibel... Faye wusste nicht, ob sie ihn diesbezüglich noch warnen musste - so wie er sich umschaute, war er nämlich auch ohne zusätzliche Erläuterungen bereits genauso paranoid wie sie. Aber es war ein Grund mehr, sich nicht auf offener Strasse mit ihm zu unterhalten, da sie wirklich bestens darauf verzichten konnte, von irgendwem der Familie Hernandez (oder irgendeinem Komplizen besagter Verwandtschaft) mit ihm gesehen zu werden. Das war ein unnötiges Zusatzrisiko und wie sie Victor gesagt hatte, dass er auf sich aufpassen musste, sollte sie hier dasselbe tun, wenn sie ihn irgendwann wiedersehen wollte. Bestenfalls ohne eine weitere Nahtoderfahrung inklusive Ehrenrunde in der Klapse. "Dreissig Jahre...", wiederholte Faye nachdenklich und etwas verspätet das Urteil, welches Ryatt ihr vorgetragen hatte. Sie mussten wohl einfach beide darauf hoffen, dass das keine weiteren negativen Folgen für sie haben würde. "Aber ja, ich denke auch, dass Sozialstunden wesentlich besser zu verdauen sind als Knast...", siehe Mitch als bestes Beispiel. Ein Jahr Sozialstunden hätten niemals dieselben Effekte gehabt wie ein Jahr Gitterstäbe und psychischer Folter. "Wo arbeitest du denn die Sozialstunden ab?", falls er das schon wusste. Sie war sich nicht sicher, wann genau das Urteil gesprochen wurde und ob er seit da bereits mit dem Massnahmenvollzug begonnen hatte. Auf seinen Dank wusste sie nichts zu sagen, blickte nur auf ihre Füsse runter und nickte leicht. 'Gern geschehen' war irgendwie nicht so ganz korrekt - sie hatte es im Moment des Geschehens zwar für richtig und gut befunden, jetzt im Nachhinein sah sie das aber selbst auch etwas anders. Hauptsächlich deswegen, weil Victor komplett unschuldig in die Sache mit reingezogen worden war und sie Victors Wohl an jedem Tag ihres Lebens über das eines anderen Mannes stellen würde. "Ich weiss nicht... Bisher hatte ich keinen Einfall. Aber falls das noch kommen sollte, lass' ich's dich wissen. Bist du noch unter der gleichen Nummer erreichbar?", fragte sie nach, wobei sich erneut ein zartes Lächeln zu dem fragenden Gesichtsausdruck gesellte. Falls er gleich mit Ja antworten sollte, würde sie ihm nämlich umgehend erklären, dass das eine sehr beschissene Idee war. "Und ja, ich bin auch der Meinung, dass Unterhaltungen auf offener Strasse keine gute Idee sind", merkte Faye an, wobei ihre Mundwinkel direkt wieder absackten. Er hatte zwar nicht gefragt, aber die Blicke sagten alles. Die, die sie gerne auch immer wieder prüfend um sich warf. Gute alte Paranoia...
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Dreißig Jahre waren eine sehr lange Zeit, da waren wir beide uns einig. Schließlich umfasste diese Zeitspanne fast meine gesamte Lebensdauer und es war in jedem Fall genug Zeit, um bis zum Ende dieser Haftstrafe nicht mehr im Umkreis dieser Stadt unterwegs zu sein, sondern das Weite gesucht zu haben. Sich irgendwo aufzuhalten, wo weder seine Sippschaft, noch Sean selbst mich finden würden. Leider musste ich bis dahin aber erst einmal kommen, also galt es die Sozialstunden so bald wie möglich ganz abzuhaken. Auch wenn ich eigentlich so gar nicht erpicht darauf war, mich mit nervtötenden kleinen Quälgeistern herumzuschlagen, sollte ich besser keinen Tag ohne triftigen Grund auslassen. Mal ganz davon abgesehen, dass das alles nur unnötig verzögern würde, zog das sicherlich auch eine Mahnung nach sich - oder gleich den Knast. Das sollte ich noch in Erfahrung bringen. "In der Stadt östlich von hier (bloß wieder keinen Namen einfügen x'D) gibt's ein Kinderheim... wenn die sich nicht mehr umentscheiden, leiste ich die Stunden da ab. Auch wenn ich ehrlich gesagt nicht ganz verstehe, warum sie das für eine gute Idee halten... naja. Wenigstens bin ich ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie man sein Leben nicht leben sollte.", erklärte ich und schloss das Ganze kurzum mit einem eher trockenen Witz ab, schüttelte dabei leicht den Kopf. War halt irgendwie sehr ironisch. Am Ende brachte ich den wahrscheinlich ohnehin schon schwierigen Kindern und Jugendlichen nur noch mehr Unsinn bei, den sie besser nicht tun oder überhaupt wissen sollten. Ich brachte zwar schon ein bisschen Lebenserfahrung mit, aber im Umgang mit Kindern würde ich mich als alles andere als versiert bezeichnen. Nicht einmal eigene Geschwister hatte ich gehabt und an Einfühlungsvermögen mangelte es mir zeitweise auch gewaltig. Würde lustig werden, wenn auch vielleicht nicht für die Kinder. Als Faye sich nach meiner Erreichbarkeit erkundigte, zog ich unbewusst die linke Augenbraue etwas nach oben. Hielt sie es für eine gute Idee, wieder Nummern auszutauschen? Das letzte Mal hatte ihr das nichts als Ärger eingebracht, wenn ich mich recht entsann. "Nein. Aber bist du dir sicher damit, dass du die neue Nummer haben willst? Du wärst nach wie vor die einzige Person, die ich um Hilfe bitten könnte, sobald du mich ein einziges Mal angerufen hast... auch wenn die Hilfe jetzt wohl nicht mehr so fatal ausfallen würde.", versuchte ich auch diese Worte nicht zu düster klingen zu lassen, obwohl sie recht ironisch waren. Wenn sie meine Nummer hatte, hieß das natürlich nicht zwangsläufig, dass ich auch ihre haben würde. Vielleicht würde sie sich auch nie melden, aber irgendwie glaubte ich das nicht. Sie unterhielt sich jetzt gerade ja auch mit mir, obwohl es dafür keinen wirklich plausiblen, guten Grund gab. Ich hatte ihr nichts als Ärger eingebracht und sie war selbst offenbar gerade nicht einmal in guter Verfassung. Meine Augenbraue war inzwischen wieder gesunken und ich sah an Faye vorbei zu ihrem Wagen. Sie schien meine Blicke bemerkt und auch richtig gedeutet zu haben, weshalb ich kurzum in Richtung des Fords nickte. Nicht, weil sie mich irgendwohin fahren sollte, sondern weil man im Inneren eines Autos zumindest etwas besser vor Blicken geschützt war. Es müsste dann schon Jemand gezielt nach ihrem Auto oder Kennzeichen Ausschau halten und ich ging nicht davon aus, dass das der Fall war. Ich wartete Fayes Antwort nicht ab, sondern setzte mich in Bewegung, um zur Beifahrerseite des Wagens zu gelangen. In der Zwischenzeit war auch das Schloss der Zentralverriegelung zu hören und so konnte ich ungebremst einsteigen. Dafür war ich allein deswegen schon dankbar, weil die Luft im Wagen nicht so unangenehm nasskalt war wie draußen. Ich blickte einen stummen Moment lang aus dem Beifahrerfenster, bevor ich den Kopf in Fayes Richtung drehte. "Sie sind aber nicht mehr hinter dir her, oder?", fragte ich gerade heraus, was mir durch den Kopf ging. Wenn Faye sich auch nicht gerne gut sichtbar auf der Straße herumtrieb, hatte das bestimmt einen Grund. Vielleicht war das nur der Zusammenstoß mit Sean, vielleicht aber auch nicht. Ich war neugierig.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Faye zog etwas erstaunt die Augenbrauen hoch, als er ihr den Ort nannte, an dem er die Sozialstunden leisten würde. Ein Kinderheim. War es nicht fast fahrlässig, Verbrecher auf diese jungen Geschöpfe loszulassen? Sie hielt Ryatt zwar noch immer nicht für einen schlechten Menschen oder einen gefährlichen Gesetzlosen, aber wenn er dort zur Arbeit verdonnert wurde, wurden es andere bestimmt auch. Und vielleicht waren die nicht alle so nett und wirklich darauf erpicht, zurück ins Leben zu kommen. Also ja, sie teilte seine Fragen bezüglich des Sinns dieser Idee und den Gründen einer solchen Platzierung vollumfänglich, zuckte auch schwach mit den Schultern um dem Ausdruck zu verleihen. "Klingt in meinen Ohren jetzt auch nicht nach der besten Idee... Aber die werden das schon irgendwie begründen können. Magst du Kinder?", sie hoffte es für ihn. Sonst würde das nämlich ganz schön anstrengend werden, da Kinder echte Quälgeister sein konnten, wenn sie es denn sein wollten. Sie selber hatte da zwar kein allzu grosses Problem mit, aber auch sie müsste arbeitstechnisch nicht unbedingt mehr mit ihnen zu tun haben, als sie es jetzt bereits tat. Irgendwann vielleicht, falls sie und Victor sich jemals dazu bereit fühlen sollten, selber Kinder zu haben. Aber gerade war dieses Thema bekanntlich sehr weit weg. Und zwar in mehreren Dimensionen weit weg. Das mit der Nummer war eine gute Frage, denn nein, sie war sich nicht wirklich sicher damit. Aber wenn er wollte, durfte er ihr seine Nummer schon geben - sie würde es einfach umgekehrt nicht tun. Zumindest nicht spontan und schon gar nicht handschriftlich auf einem verdammten Zettelchen oder so. Bezüglich seiner Aussage, dass sie auch jetzt sein einziger Notfallkontakt sein würde, wusste sie ebenfalls nicht viel zu sagen. Denn das war noch immer traurig und stellte sie vor die Frage, ob sie ihn denn jetzt überhaupt noch einfach so stehen lassen könnte - ganz alleine und ohne irgendeine Nummer, die er wählen konnte, wenn er Hilfe brauchte. Kein Mensch sollte so alleine sein. Und es war trotzdem genau dieses Denken, das sie das letzte Mal in die Scheisse geritten hatte, wie hier alle bestens wussten. Victor hätte ihr längst geraten, dieses Gespräch abzubrechen, oder? Aber das war auch nicht fair. Ryatt hatte sie ja nicht absichtlich mit in die Sache hineingezogen. Er hatte eher mehrfach versucht, ihr das Hirngespinst wieder auszureden. Nicht sehr erfolgreich, aber er hatte es versucht. Ausserdem schien ihr noch etwas Zeit vergönnt, um über ihre definitive Entscheidung bezüglich der Handysache nachzudenken, denn Ryatt verlegte ihre Unterhaltung in den Schutz ihres Autos, wo zumindest die Chancen auf zufällige, neugierige Blicke wesentlich tiefer lagen. Faye drückte den Knopf des Schlüssels und liess ihre Blicke ein letztes Mal über die Umgebung schweifen, bevor sie sich nach einem tonlosen Seufzen ebenfalls nach drinnen schwang. Dort sah sie sich ziemlich umgehend mit einer Frage konfrontiert, auf die sie beim besten Willen einfach keine Antwort hatte. Entsprechend unsicher hob sie nach einigen Sekunden die Schultern an, blickte dabei durch die Frontscheibe nach draussen und rieb ihre kalten Hände an den Oberschenkeln. "Weiss ich nicht...", für den Fall, dass er das nicht bereits aus ihrer Aura gelesen hatte. Seans Geschwister hätten sie wohl nicht laufen lassen, wenn sie sie nicht wirklich gehen lassen wollten. Machte zumindest nicht viel Sinn - ausser natürlich der definitiv längeren Leidenszeit, die sie so genossen hätten. Aber ob die das Risiko, dass sie oder Victor in der Zwischenzeit doch noch bei der Polizei vorbeischauten, wert war? Eher nicht. Trotzdem würde sie leugnen, wenn sie behaupten würde, Gils Worte nicht mehr in ihren Träumen zu hören. Die kalte Drohung, dass sie nicht für immer so viel Glück haben würde. Er sie irgendwann noch schnappen würde... Das war keine Aussage, die darauf hindeutete, dass sie in Frieden durch die Stadt spazieren konnte. "Es... es sind... Dinge passiert. In der Zwischenzeit. Aber ich weiss nicht... ich bin mir nicht sicher, ob das... für immer alles war. Gerade weil du mir jetzt von dreissig Jahren erzählst", versuchte die Brünette sich möglichst gepflegt auszudrücken, ohne direkt auf das zu sprechen zu kommen, was eigentlich gewesen war. Falls Ryatt das nicht bereits wusste - was der Fall sein dürfte, denn wieso sollte er davon erfahren haben - hatte sie auch wenig Interesse, ihn in die Details oder die Folgen davon einzuweihen. Es würde ihm ja doch nicht besser gehen mit diesem Wissen... Und ihr? Keine Ahnung. Sie hatte genug andere Probleme wie zum Beispiel einen Freund, den sie zum Mond und zurück vermisste.
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Ehrlich gesagt war ich mir nicht so ganz sicher damit, was ich von Kindern halten sollte. Bisher befand ich mich nach wie vor an einem Punkt in meinem Leben, in denen ich nie welche haben wollte, weil sie mich sonst meine Freiheit und Unabhängigkeit kosteten. Mir war beides sehr wichtig und Kinder fesselten einen erbarmungslos an Ort und Stelle. Auch sonst waren Kinder meistens alles andere als eine entspannte Abwechslung. Sie wurden bockig, wenn sie nicht bekamen was sie wollten und fingen mit Pech auch noch an zu weinen. Im Grunde konnte man sagen, dass ich nichts gegen Kinder hatte, solange sie spurten oder zumindest gut gelaunt waren, aber die sturen Vertreter gingen mir grundsätzlich etwas auf die Nerven. Was zum einen keine gute Voraussetzung dafür war, mit elternlosen Kindern arbeiten zu müssen und zum anderen wahrscheinlich einfach daher kam, dass ich selbst sehr stur sein konnte. "Keine Ahnung. Mögen wäre sicher zu viel gesagt, nachdem ich schon über 30 bin und immer noch nicht scharf drauf bin, mir jemals selbst eins ans Bein zu ketten... oder mich um eine ganze Horde davon zu kümmern." Ich seufzte leise, zuckte mit den Schultern und sah einen Moment lang still durch die Frontscheibe des Wagens. "Aber ich komm schon mit ihnen klar und es wird nicht in einem Desaster enden.", schloss ich meinen Gedanken wörtlich ab und wandte Faye meinen Blick erneut zu. Ein paar Kinder bekam ich schon irgendwie geregelt, zur Not mit ein paar kleinen Hilfsmitteln. Junge Menschen waren noch grün hinter den Ohren, die ließen sich leichter austricksen. Die Angelegenheit mit der Handynummer fiel erst einmal unter den Tisch. Ich begann die Brünette erneut zu mustern - blöde Angewohnheit aus Armyzeiten - und es war unschwer zu erkennen, dass sie sich ganz und gar nicht wohlfühlte mit dem Gedanken an Seans Sippschaft. Da ihre Unwissenheit an sich aber noch keine wirklich brauchbare Antwort für mich war, sagte ich dazu erst einmal nichts und wartete ab, was sie dann noch von sich gab. Nämlich dass in der Zwischenzeit, während ich das Krankenpaket im Knast genossen hatte, scheinbar tatsächlich noch irgendwas passiert war. Sie anscheinend erneut mit dieser abstoßenden Familie konfrontiert worden war, auf welche Art und Weise auch immer - denn Informationen gab es sonst keine. "Warst du deswegen da drin..?", ich nickte leicht in Richtung des nahen Gebäudes mit dem aussagekräftigen Schild. Ich hätte sehr viel lieber ohne Umwege danach gefragt, was denn passiert war, aber auch jetzt sah Faye wieder nicht so aus, als stünde ihr nach einem Gespräch darüber wirklich der Sinn. Sollte sie sich also nicht über mehr oder weniger unauffällige Umwege dazu verleiten lassen, mir etwas mehr zu erzählen, musste ich damit wohl leider leben. Mir stand nämlich nicht im Sinn den einzigen Menschen zu verscheuchen, der etwas zu gutherzig für mich war und sich trotz allem offenbar immer noch auf irgendeine Weise um mich scherte. Ich schien Fayes Unsicherheit bezüglich der Ausgangslage durch meinen knappen Bericht der Gerichtsverhandlung nur weiter angeschürt zu haben. Ob ich ihr sagen sollte, dass Riley dort gewesen war? Spielte das für sie eine Rolle, machte es einen Unterschied? Nachdenklich schwieg ich für kurze Zeit und mein Blick rutschte dabei auf Fayes Jackenärmel, bevor ich zurück in ihr Gesicht sah. "Riley war auch da... bei der Verhandlung. Vermutlich ist sie die Einzige, die sich da blicken lassen konnte.", murmelte ich. Scheinbar hatte sie sich noch nicht offiziell strafbar gemacht, anders ließ sich ihr Auftauchen dort nicht plausibel erklären. Ich überlegte mir danach noch ein paar schweigesame Sekunden lang, ob ich mehr dazu sagen sollte und entschied mich schließlich dafür. "Ich will dir keine Angst machen... aber sie sah alles andere als glücklich aus, als ich dann wieder rausgegangen bin.", hängte ich an. "Ich stehe auf ihrer Prioritätenliste aber so oder so bestimmt sehr viel weiter oben als du... Immerhin hab ich den Cops sämtliche unserer Überfälle schön detailliert aufgelistet, das dürfte Seans Strafmaß sehr negativ beeinflusst haben.", meinte ich, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Doch, da war ich mir sicher. Denn hätte ich den Gesetzeshütern nicht so viel ich wusste über all die krummen Dinger erzählt, die wir in letzter Zeit so gedreht hatten, könnten sie Sean ja lediglich wegen anderer belangloserer Dinge, die sie schon gewusst hatten, verhaften und eben für den Überfall auf Faye. Das hätte zwar dank seiner bereits vorher existenten Strafakte sicherlich auch für den Knast gereicht, aber wahrscheinlich nicht für Pseudo-Lebenslänglich.
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Damit bestätigte er nur die Vermutung, die sie gegenüber ihm und Kindern schon gehegt hatte. Er schien zwar kein akuter Kinderhasser zu sein, was ihm hier sicher in die Karten spielte, aber wirklich begeistert wirkte er von dem Job auch nicht. Aber es waren auch Sozialstunden und nicht eine Ausbildung, die er für die Zukunft machte und bei der es relativ wichtig wäre, dass sie ihm Spass bereitete. Sie waren absehbar - selbst wenn sie in der Anzahl scheinbar relativ hoch angesetzt waren. "Das will ich doch hoffen... Ich erwarte auch nicht, dass du dir freiwillig ein weiteres Desaster einheimsen würdest", merkte sie leicht sarkastisch an. Wenn man das betrachtete, was er gerade hinter sich hatte, war die Vermutung wohl relativ naheliegend. Leider hatte der zarte Humor in den folgenden Worten wenig bis gar keinen Platz mehr. Weder die Gründe ihrer offensichtlichen Psychotherapie, bei der Ryatt sie scheinbar bereits ertappt hatte, noch alles andere, was mit Riley und Co. zu tun hatte, löste in ihr auch nur das geringste Bedürfnis zu lächeln aus. Eigentlich eher so ziemlich keine einzige positive Emotion. Faye schwieg auf die Therapie angesprochen eine Weile, blickte auf ihre Hände und presste unruhig ihre Lippen aufeinander. "Unter anderem... Ich war schon vorher da. Aber nicht so regelmässig", gab sie eine etwas schwammige Antwort, die am Ende aber mehr verriet, als sie eigentlich hatte sagen wollen. Denn genau genommen konnte es Ryatt doch eigentlich egal sein, dass Fayes Leben von psychischen Problemen beziehungsweise Trauma begleitet wurde und sie deswegen seit Syrien nie ganz mit der Therapie aufgehört hatte. Zuletzt war sie zwar nur noch einmal im Monat bei Mrs White gewesen, was im Vergleich zu ihren nun wieder wöchentlichen, notwendigeren und definitiv tränenreicheren Sitzungen ein ziemlicher Erfolg gewesen war, aber ihr Leben war für ihren Geschmack trotzdem etwas zu eng mit der Psychotherapie verstrickt. Und wo sie schon bei tränenreich waren... Allein die Tatsache, dass er Rileys Namen aussprach - und dann noch im Zusammenhang mit tendenziell schlechten Neuigkeiten - reichte aus, um ihr die erst kürzlich versiegten Tränen wieder in die Augen zu treiben. Sie wusste nicht, ob sie Ryatt erzählen sollte, was passiert war oder besser nicht, war vollkommen hin und her gerissen. Es wäre gut, weil er die einzige Person war, die sowohl sie als auch Seans Sippschaft kannte, er also auch der Einzige war, mit dem sie über die mit dieser Familie verbundenen Probleme reden konnte. Und sie wünschte sich wirklich jemanden zum Reden, konnte das Geschehene mit keinem teilen ausser mit Victor und Victor war gefühlt unerreichbar, wollte ausserdem auch keinen Kontakt. Und ja, sie wusste warum das Nötig war blahblah - aber es machte es eben doch nicht leichter. Es wäre auch gut, weil sie Ryatt vielleicht vorwarnen könnte. Allerdings wusste er auch ohne Warnung bereits bestens, was ihm möglicherweise drohte, wenn ihn die falschen Leute in die Finger kriegten. Sie wusste auch nicht, inwiefern sie bereit war, überhaupt darüber zu reden. Und - und das war der wichtigste Punkt - was passierte, wenn sie mit Ryatt redete und ihm das erzählte, was Riley so vehement unter Verschluss halten wollte. Sie hatte ihr verboten, mit jemandem darüber zu reden. Zwar würde er ganz bestimmt nicht mit den neuen Infos zu Riley rennen, aber trotzdem brach sie dieses Gesetz, das sie gemäss Seans Schwester vor einem Wiedersehen bewahrte. Es war nicht gut, dass Ryatt sich bereits jetzt so unbeliebt gemacht hatte bei dieser Teufelsfamilie. Vielleicht hatte er damals Recht gehabt, als er nicht hatte aussagen wollen, weil das gefährliche Rachegelüste wecken würde. Sie wusste zwar nicht, wo er heute wäre, wenn er schweigend im Krankenhaus gelegen hätte - aber wenn Riley jetzt Jagd auf ihn machte und es so (oder schlimmer) enden würde wie bei Victor und ihr, dann konnte sie nicht mit besonders viel Überzeugung behaupten, dass eine Gefängnisstrafe das grössere Übel wäre. "Keine Sorge, du... du brauchst mir keine Angst zu machen... die hab ich auch so", murmelte sie, hatte es noch immer nicht geschafft, den verschleierten Blick von ihren Händen wieder zurück in sein Gesicht anzuheben. "Ich... ich war nicht da bei den Verhandlungen, weil... weil ich in der Klapse war, weisst du... Wegen dem was... passiert ist", gab sie mühsam die Erklärung für ihr Fernbleiben bei jeglichen Gerichtsterminen Preis. Sie hätte ihn dabei unterstützt, wenn Riley, Gil und Mateo nicht dazwischengekommen wären. Hätte ihre Aussage wiederholt, um dafür zu sorgen, dass Sean eingebuchtet wurde. Und vielleicht hätte sie sogar Riley mit reinziehen können, wenn sie irgendwann die Chance gehabt hätte, sie mit dem Vorfall in Verbindung zu bringen. Aber das hatte sie nie geschafft, weil Riley diesem Feldzug etwas zu früh ein Ende gesetzt hatte. "Pass auf dich auf, Ryatt.. wirklich... ich weiss nicht... ob... ob du ihre Strafe überleben würdest... Wobei ich... auch nicht weiss, worauf sie warten... würden sie dich suchen, hätten sie dich wohl längst gefunden", sprach sie stockend ihre wirren Gedanken aus, die sie vielleicht besser erst überdenken und ihm dann erst mitteilen würde.
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Nein, wirklich nicht. Ich hatte nichts gegen Action und Adrenalin, aber die letzten Wochen und Monate waren trotzdem ganz und gar nicht nach meinem Geschmack gewesen. Ich hatte es selbst nicht für möglich gehalten überhaupt so tief sinken zu können, als ich noch dem Militär gedient hatte und doch war alles hiervon letztendlich meine eigene Schuld. Jetzt galt es meinen Arsch wieder hochzukriegen und zurück an die Oberfläche zu schwimmen, bevor Riley and Friends mir einen Betonklotz ans Bein ketteten. "Absolut nicht... von mir aus kanns jetzt liebend gern mal aufwärts gehen.", stimmte ich Faye voll und ganz zu, seufzte im Anschluss daran leise. Ich war zwar lieber viel draußen unterwegs als mir den ganzen Tag den Arsch abzusitzen, aber auf der Straße zu leben war eben schlichtweg zum Kotzen. Ich hätte gern endlich mal ein privates Dach über dem Kopf und brauchte dringend ein neues Ziel. Aber das zu gegebener Zeit... Denn es war Faye offensichtlich sehr unangenehm über ihre psychischen Probleme zu sprechen. Dabei war ich einer der letzten Menschen, vor dem das ein Tabuthema sein musste. Ich mochte nicht immer mit perfekter Empathie glänzen, aber ich war ja selbst mental auch nicht gesund. Sie war sogar Zeugin davon geworden - unsere erste Begegnung hatte mit einem psychischen Einbruch meinerseits begonnen. Die menschliche Psyche war dank unserer Intelligenz schrecklich fragil. Ich wollte der Brünetten also gerade mitteilen, dass ich sie dafür nicht verurteilte oder sonst irgendwelche blöden Schlüsse daraus zog, da wurden ihre Augen glasig. Deshalb hielt ich doch noch einen Moment inne, was ihr die Möglichkeit gab noch einige Worte mehr dazu loszuwerden. Ihre Angst war auch ohne ihr Geständnis diesbezüglich nicht wirklich zu übersehen. Sie schien sehr durch den Wind zu sein und die danach folgenden Worte machten deutlicher, weshalb das so war. Je mehr sie sprach, desto wirrer wurde ihr Gerede und ihre Wortwahl ließ mich nun kein bisschen mehr daran zweifeln, dass Jemand aus Seans Bund ihr Schmerzen zugefügt hatte - nicht nur psychische. Ich drehte mich Faye mehr zu und löste mich dabei von der Rückenlehne. Bewegte mich bewusst vermehrt in ihr Blickfeld, aber sie sah mich trotzdem nicht an, sondern taxierte weiterhin ihre Hände. "Bitte sieh mich an, Faye.", bat ich in ruhigem Ton, sprach etwas langsamer. Es dauerte, aber sie konnte sich dazu überwinden. Ich musterte ihr Gesicht erneut - was mir ein bisschen leid tat, musste unangenehm sein - und fragte mich kurz darauf, warum mir die dünnen, hellen Linien auf ihrer Haut vorher nicht aufgefallen waren. Sie waren kaum zu sehen und vielleicht hatten vorher ihre Haarsträhnen mehr oder weniger bewusst diese Stellen verdeckt, aber das war eine schlechte Ausrede. Ich war wirklich nachlässig geworden, seit ich Kolumbien hinter mir gelassen hatte. Es war wahrscheinlich das Werk einer sehr scharfen Klinge. Stumpfe Messer schnitten nicht so fein, zumal das ohnehin ein sehr gezieltes Anliegen gewesen sein musste - dafür nahm man ein ordentliches Messer mit. Ich hätte gerne die Hand ausgestreckt und die kaum sichtbaren Narben abgetastet, aber das wäre wohl sehr unangebracht. Halt in etwa so unangebracht wie sie anzustarren, weshalb ich schließlich zurück in Fayes Augen sah, statt mit meinem Blick die Linie entlang zu wandern, so weit sie für mich sichtbar war. "Es ist wirklich nicht schlimm, dass du nicht da warst. Ich hab's ja auch so raus geschafft... und bin selber kaputt, wie du weißt.", versicherte ich und hatte ihr das zu keinem Zeitpunkt irgendwie angekreidet, weil die Verhandlung von Anfang an zu meinen Gunsten ausgerichtet gewesen war. Außerdem war ich für sie eben auch nach wie vor nicht viel mehr als ein Fast-Fremder. So wie sie für mich auch. "Was haben sie dir angetan..?", hakte ich mit vorsichtiger Tonlage nach. Ich war zu neugierig und zu sehr auf der Hut vor Seans Sippe, um nicht doch noch direkt danach zu fragen. Allerdings nicht ohne eine paar zusätzliche Worte: "...oder falls du nicht darüber reden willst, kannst du mir vielleicht zumindest sagen, wer es war..?", ergänzte ich, weil sie ganz und gar nicht so wirkte, als würde sie gerne auch nur ein einziges weiteres Wort darüber sagen. Ich hielt es nur leider durchaus für möglich, dass die Kriminellen mich längst wieder im Blick hatten, so oft wie ich mich verfolgt fühlte. Mich zu finden war nicht schwer, Riley hatte mich den Gerichtssaal verlassen sehen und auch das Urteil gehört. Sie wusste, dass ich die Stadt nicht verlassen konnte, bis der weitere Ablauf der Dinge restlos geklärt war, das hatte der Richter gesagt. Sie mussten es gar nicht eilig haben, Bürokratie dauerte im Regelfall grundsätzlich zu lang und war nicht innerhalb von zwei Tagen erledigt. "Sie wissen, dass ich die Stadt noch nicht verlassen kann. Vielleicht warten sie bewusst, bis ich die Fußfessel los bin... und ich bin auch mit der Polizei hier lieber vorsichtig.", folgte ich mit nachdenklich angespannten Augenbrauen wörtlich meinen rege kreisenden Gedanken. Denn nein, ich würde es sehr sicher nicht überleben, wenn Seans Verwandte mich wirklich in die Finger bekamen. Es reichte Sean gut zu kennen, um zu wissen, dass ich mein Todesurteil selbstständig mit dem Verrat unterschrieben hatte. Die Frage war nur, wann es mich einholen würde und ob es einen Weg drum herum gab. Wenn ja, dann sollte ich den schleunigst finden und fehlerfrei ausarbeiten. Auf Polizisten war hier in den USA eben leider auch kaum Verlass. Verglich ich unsere 0815-Gesetzeshüter hier mit denen aus anderen Länden - und ich hatte ja doch schon so einige gesehen in den Jahren bei der Army - dann war das ziemlich erbärmlich.
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In dieses Lied konnte sie mit Freuden einstimmen. Genau darum bemühte sie sich im Moment ja auch mit aller Kraft - dass es irgendwann endlich wieder aufwärts ging, aber diesmal richtig und endgültig. Sie wusste nicht, wie lange Ryatt bereits in diesem Loch sass, aber es war bestimmt nicht weniger anstrengend und ermüdend, als ihr eigenes Leben sich momentan präsentierte. "Kannst mich gerne mitnehmen, auf dem Weg nach oben", murmelte sie, wünschte sich insgeheim, dass das wirklich so einfach wäre. Aber wenn es einfach wäre, würde es jeder tun und so funktionierte die Welt eben nicht. Faye brauchte ein paar lange, widerwillige Augenblicke, bis sie den Blick tatsächlich anhob, um Ryatt seiner Aufforderung folgend anzuschauen. Ihre Finger hatten ihr in diesem Moment einfach besser gefallen, um ehrlich zu sein. Hatten weniger aus ihren Augen lesen können - und weniger aus ihrem Gesicht. Hatten nicht so auffällig das gemustert, was eine feine Klinge in ihre Haut gezeichnet hatte. Ihre Finger machten sich keine Gedanken darüber, warum da diese hellen Linien schimmerten. Aber auch Ryatt sah davon ab, diese allzu bald zu kommentieren, stellte lieber nochmal klar, dass es sie bei diesen elenden Verhandlungen wirklich nicht gebraucht hatte. Und um ehrlich zu sein, fühlte sie sich auch so gar nicht schlecht dafür, dort nicht aufgekreuzt zu sein. Sie wusste, dass sie noch lange nicht stark genug war, Riley in die Augen zu blicken oder sie schon nur aus der Ferne zu sehen. Also wäre dieser Termin einzig und allein zur Vollkatastrophe geworden, bei der ihre Anwesenheit letztendlich niemandem was gebracht hätte. Und ja, dass Ryatt ebenfalls unter einem psychischen Knacks litt, war ihr bekannt. Er war nur nicht in der Klapse gewesen deswegen, zumindest nicht erst vor so kurzer Zeit. Sie war die Letzte, die Menschen aufgrund ihrer psychischen oder physischen Gesundheit verurteilte, aber stolz darauf, einen weiteren Urlaub in der Klapse verbuchen zu können, war sie trotzdem nicht. Es wurde auch auf diese Aussage wieder ein Schulterzucken, das ihre einzige Antwort darstellte, weil es für sie sonst nichts mehr zu sagen gab. Die gesprächsreicheren Themen folgten ja erst und Ryatt läutete diese mit einer doch sehr direkten Frage ein. Vielleicht etwas zu direkt, da Faye umgehend wieder der Versuchung nachgab, den Blick auf ihren Schoss zu senken, wo ihre Fingernägel mal wieder an den Nagelhäutchen herumkratzten. Sie konnte auch nichts gegen die Bilder tun, die die Antwort auf seine Frage vor ihrem inneren Auge abspielten - nur, damit sie auch ja kein Detail ausliess oder vergas, falls sie denn entscheiden sollte, zu reden. Natürlich tropfte Sekunden später schon die erste Träne auf ihre Hände runter und Faye atmete kontrolliert durch.Versuchte es zumindest. "N-nicht... mir... uns", korrigierte sie als Erstes seine Aussage mit dem absolut gravierendsten Umstand ihres Traumas: Nämlich, dass sie das alles nicht alleine, sondern mit Victor zusammen durchgemacht hatte. Es wäre wesentlich leichter zu ertragen gewesen, wenn nur sie für ihre Fehler bestraft worden wäre. Aber auch hier: Die Welt funktionierte nunmal selten bis nie nach Fayes Regeln. "Riley... Gil und Mateo...", beantwortete sie sehr sehr leise, eher geflüstert, seine zweite Frage, hob noch dabei den Kopf wieder an, um einmal ihre Umgebung zu scannen. "Ich darf nicht darüber reden, Ryatt. Sie hat versprochen, dass es sonst wieder passiert und wir das nicht überleben", die Nervosität war nun nicht mehr aus ihrer wackeligen Stimme herauszuhören und Faye biss sich angespannt auf die Unterlippe. Ryatt sass wirklich in der Scheisse, wenn Seans Geschwister ernsthaft Jagd auf ihn machen sollten. Und das mit der Fussfessel machte leider sogar Sinn. "Besser nicht der Polizei vertrauen, glaub mir", merkte sie auch hier einen leisen Tipp an, den er vermutlich nicht brauchte, der ihr aber dezent am Herzen lag. Sie für ihren Teil würde diesen Fehler hoffentlich nie wieder machen.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Uns... uns? Ich musste Faye einen Moment lang etwas perplex ansehen, was sie aber ohnehin nicht sah, weil ihre Augen längst wieder in ihrem Schoß ruhten. Sie hatten Victor da mit reingezogen? Er war zumindest die Person, die Faye am allerwenigsten von der Seite gewichen sein dürfte, nachdem sie mir damals im Krankenhaus einen Besuch abgestattet hatten. Ich wusste zwar, dass Sean nicht unbedingt für Herzensgüte stand, aber dass er - oder eben seine Schergen, machte keinen großen Unterschied - zu solchen Mitteln griff war nicht weniger als bestialisch. Auch wenn Victor und ich uns nur begrenzt sympathisch waren, war er ziemlich unbeteiligt daran wie die Dinge jetzt ausgegangen waren und ihn als Mittel zum Zweck zu nutzen, Faye zu tyrannisieren, weil sie sich ein bisschen in die falschen Angelegenheiten eingemischt hatte, war hochgradig sadistisch. Psychoterror der allerfeinsten Sorte. "Er... ist aber noch bei uns, oder?", hakte ich nach einem Schlucken leise nach. Eigentlich war ich mir relativ sicher damit, dass sie ihn nicht umgebracht hatten, weil ich glaubte zu wissen, dass Faye mir anders gegenüber treten würde, wenn sein Blut gewissermaßen auch an meinen Händen klebte. Schließlich hatte ich sie überhaupt erst in diese Lage gebracht. Meine Wortwahl war dabei leider ein bisschen unglücklich. Faye teilte mir tatsächlich die Namen ihrer Peiniger mit - ich kannte nur Riley namentlich, aber bei den anderen beiden ging ich relativ fest davon aus, dass es sich um Seans Brüder handelte, weil ich besagtem, verknackten Verbrecher ja schon sehr übel mitgespielt hatte und das bei seiner Familie sicher keine Freude ausgelöst hatte. Ich hatte einmal zwangsläufig mit den drei Brüdern an ein und demselben Tisch gesessen, als Sean sich eines Abends in einer Bar mit mir hatte treffen und unterhalten wollen. Vielleicht hatte das eine Einschüchterungstaktik sein sollen - er hatte sie nicht namentlich vorgestellt, nur gesagt dass seine Brüder uns Gesellschaft leisten würden. Gesagt hatten sie nicht viel, aber es war kein angenehmes Beisammensitzen gewesen. Es hatte sich wie nicht viel weniger als Sean im Dreierpack angefühlt, weshalb ich lieber kleine Brötchen gebacken hatte. Wenn auch weniger aus Angst, als aus Selbstschutz. Nennen wir es gesunde Vorsicht. "Seans Brüder..?", versuchte ich mich zu vergewissern. Das konnte Faye mir vielleicht ja noch bestätigen, wenn sie schon sonst nicht darüber reden durfte. Da schien Riley sehr deutlich und erfolgreich gewesen zu sein. Eigentlich brauchte die Brünette hier keine Angst davor zu haben, dass ich es Jemandem erzählte - wem denn? Den Cops hatte ich alles gesagt, was sie wegen Sean hatten wissen müssen und jetzt war das Kapitel aber auch abgehakt. Erst recht wenn Faye noch einmal betonte, offenbar auch damit schon schlechte Erfahrungen gemacht zu haben - wahrscheinlich auch erst vor Kurzem, weil sie mich vorher ja noch so ermutigt hatte mich lieber der Polizei zu stellen und auszupacken - was mich nur in meinem Denken bestätigte. Aber es war dem Häufchen Elend auf dem Fahrersitz wohl kaum zu verdenken, dass sie von jetzt an lieber auf Nummer sicher ging. Sie hatte genug Gründe dafür. Apropos Elend... sie weinte. Sollte ich irgendwie versuchen sie zu trösten? Wäre das schräg, weil ich Mitschuld an alledem war? Ich war sowieso nicht so gut darin. Ein paar aufbauende Worte für einen verletzten Soldaten finden, der vorher tapfer gekämpft hatte und jetzt Nachhause durfte - ja, das konnte ich gut. Das war aber halt was ganz anderes als das hier und in vielen Fällen deutlich unpersönlicher. Glücklicherweise fiel es dank der Mittelkonsole sowieso weg, sich zu umarmen oder sowas. Das machte mir die Entscheidung etwas leichter, als ich langsam die Hand nach Faye ausstreckte und sie ihr behutsam an ihrem Oberarm legte. "Dann rede auch nicht darüber... dich selbst zu schützen ist sicher der beste Weg. Man weiß nie, wo die ihre Ohren überall haben...", sagte ich und wurde zum Ende hin etwas leiser. Natürlich wüsste ich nach wie vor sehr gerne, was passiert war, aber vielleicht erfuhr ich es ja irgendwann später. Falls Faye mir irgendwann mal mehr vertrauen sollte als jetzt und sich sicher damit fühlte, mir sowas anzuvertrauen. Sofern unsere Wege denn auch weiterhin gekreuzt blieben und mir Hernández Inc. nicht in absehbarer Zeit sowieso das Licht ausknipste. "Wohnst du noch hier?", fragte ich murmelnd nach, ohne die Hand von ihrem Arm zu nehmen. Es wäre besser, wenn sie es nicht mehr täte. Auch wenn sie lebend aus der Sache rausgekommen war, konnte jeder erneute Zusammenstoß in der Theorie schwerwiegende Folgen haben.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +