Das hatte sie auch gar nicht angezweifelt, weil sie ihn dafür viel zu gut kannte. Und trotzdem musste sie dazu unbedingt etwas sagen, weshalb sie mit den Augen wieder nach seinen suchte und dabei die Finger nach ihm ausstreckte. "Das ist gut... Aber... Aber du musst nicht herkommen... wenns dir zu viel wird... Wir können... auch mal nur... telefonieren... oder gar nichts... Ich... ich versteh das wirklich, Victor... Guck mich mal an...", versicherte sie ihm, während ihre Finger über seinen Arm streichelten. Sie könnte ihn ja nichtmal besuchen, wenn sie dürfte, weil sie dazu momentan schlicht nicht in der Lage war. Es lag ihr entsprechend unendlich fern, ihm dafür plötzlich böse zu sein, wenn er es mal nicht zu ihr schaffte. Aus welchen Gründen auch immer, da gab es tausend. Angefangen damit, dass ihr Anblick einfach eine unendliche Last für seine Seele sein musste, dann die ganze schwere Atmosphäre dieser Einrichtung, der Weg hierher, die Emotionen, die jedes Gespräch zwischen ihnen aufkratzte... Nein, sie wäre die Letzte, die ihm irgendwas übel nehmen könnte. Er war nicht dafür verantwortlich, dass sich ihr Zustand verbesserte oder sie sich nochmal auf die gefühlt mindestens dreifach gebrochenen Beine kämpfte. Faye schwieg eine Weile. Auch nachdem er sie gefragt hatte, ob sie sich ausruhen wollte, wusste sie nichts zu sagen. Denn sie wusste nicht wirklich, was sie wollte oder sollte und die Taubheit ihres Herzens stand mal wieder in paradoxem Kontrast zu dem Pochen ihres Kopfes. Einzig ihre Finger strichen immer wieder über seinen Arm, während sie Victor anschaute... oder irgendwie auch nicht. "Ich kann... Grad nicht so gut denken...", gab sie mit einem heiseren Flüstern das Offensichtliche zu. Sie hatte dem Arzt schon gesagt, dass die Medikamente zu stark waren und ihr Körper das nicht so gut mitmachte. Aber sie konnte sich nicht wirklich daran erinnern, ob er die Dosis seit da verändert hatte oder nicht. Normalerweise waren die Nebenwirkungen auch nicht so stark wie jetzt, aber die Aufregung und das unerwartete Ausmass an Emotionen, die Victor zwangsläufig losgetreten hatte, schienen schlecht mit den Drogen zu kollaborieren. Liessen sie alles in allem einfach dezent überfordert zurück, unfähig, die Wogen in dem ganzen Sturm noch zu überschauen. Ausserdem hatte sich die altbekannte Übelkeit längst wieder eingenistet. Passte ja wundervoll zum Rest. "Du musst nicht... bleiben... wenn du gehen möchtest... oder frische... Luft brauchst...", es war so frustrierend hier zu liegen, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Jetzt, wo sie Victor mit in den Sturm gerissen hatte. Sie möchte sich mit ihm über seine Gefühle unterhalten, möchte ihm zuhören, wenn er ihr erklärte, was gerade bei ihm passiert war. Möchte wissen, wie er sich fühlte. Ob sie wirklich nichts tun konnte, um ihn zu unterstützen. Stattdessen lag sie auf dem Bett und schaute ihn verloren an, während ihre Augen überdeutlich verrieten, dass sie ihm eigentlich so gerne helfen oder zumindest beistehen möchte. "Ich kann... dir nicht versprechen... heute noch für... irgendwas zu gebrauchen zu sein... Aber... aber ich mach... mir Morgen ganz... viele Gedanken... und dann schreibe ich... mir das auf, damit ich... vielleicht...", ein hilfloses Schulterzucken und sie löste den Blick von ihm, schloss die Augen um ihn nicht wissen zu lassen, wie sehr sie das schon wieder mitnahm. Dass sich schon wieder die sinnlosen Tränen anbahnten. Sie musste sich vielleicht etwas weniger Gedanken zu Victor als zu sich selbst machen. Ein Bisschen weniger Minuten mit Schreiben verbringen und dafür einen Arzt dazu überreden, sie von diesen Drogen zu befreien. Einem Teil davon, jedenfalls... Irgendwas, das ihre Produktivität wieder steigerte und vor allem ihre Fähigkeit zu denken.
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Das waren eigentlich genau die Worte, die ich brauchen sollte, um von meinem selbstlosen Denken endlich etwas Abstand nehmen zu können. Faye verstand, dass meiner Psyche momentan wohl grundsätzlich erstmal alles zu viel war und es ging ihr damit leider auch nicht viel anders. Mehr Verständnis könnte ich ihrerseits gar nicht kriegen und dennoch fiel es mir schwer, die Richtung meiner Gedanken zu ändern. Was wiederum nur ein weiterer guter Grund war sauer auf meine eigene Person zu sein, weil ich bestens wusste, dass es genau das war, was ich dringend tun sollte - ab und zu mal an mich selbst denken. "Ich werd's trotzdem... zumindest versuchen.", hauchte ich nur leise und etwas undeutlich. Vielleicht konnte ich Faye guten Gewissens ab und zu mal alleine lassen, wenn Aryana wieder hier war. Es würde mir dann bestimmt zumindest ein kleines bisschen leichter fallen, weil ich wusste, dass in meiner Abwesenheit jemand Anderes da war, der Faye nahe stand. Chelsea gehörte leider einfach nicht zu diesem engen Kreis... der eigentlich auch zu wenig Leute beinhaltete, um wirklich sowas wie einen Kreis darzustellen. Es dauerte dann eine ganze Weile, bis ich eine Antwort auf meine eigentlich verhältnismäßig simple Frage bekam. Aber das war okay, war nicht so als hätte ich es eilig. Dementsprechend geduldig wartete ich also darauf, dass Faye mir etwas mitteilte, das gerade ziemlich offensichtlich war. Nein, sie wirkte wirklich ganz und gar nicht so, als könnte sie halbwegs geradeaus denken. "Ja, das seh' ich...", murmelte ich mehr zu mir selbst, als dass ich ihr damit aktiv auf ihre Feststellung antworten wollte. Kniff dabei auch nachdenklich die Augen zusammen. Ich musste wirklich dringend in Erfahrung bringen, wer ihr behandelnder Arzt war, was er ihr verschrieben und was zum Teufel er sich bitte bei dieser Dosierung gedacht hatte. Es war nachvollziehbar, dass man sie bis zu einem gewissen Grad ins Delirium hatte schicken wollen, weil sie zweifelsohne Suizidgedanken gehegt hatte. Diese Grenze war aber meilenweit überschritten worden, das machte die Reaktion ihres Körpers überdeutlich. Er schraubte also besser schleunigst mal ein bisschen an der Dosis oder verschrieb ihr etwas anderes, das sie besser vertrug. So wie es jetzt war konnte ich mir das wirklich nicht täglich ansehen und außerdem war das allem voran auch nicht gut für Faye. Ich bekam langsam tatsächlich akut das Bedürfnis nach kühler Abendluft, wo mir hier drin gefühlsmäßig immer mehr Luft zum Atmen genommen wurde. Es blieb jedoch schwer mich zu verabschieden und das nicht zuletzt deswegen, weil Faye schon wieder mit den Tränen kämpfte. Noch kullerte zwar keine, aber mir reichten zur Beurteilung ihrer Gefühlslage auch die schwach zuckenden Nasenflügel. Am liebsten hätte ich mich jetzt wieder zu ihr gelegt, aber ich wusste, dass das mit dem Essen im Magen keine gute Idee war und mir kotzübel werden würde, wenn ich mich dann später wieder nach den Schuhen bückte. Letzteres sollte ich vermeiden, auch wegen den jetzt wieder anhaltenden Kopfschmerzen. Die würden auch nur schlimmer werden. Also rutschte ich stattdessen ein kleines Stück mehr auf die Matratze, drehte mich Faye zugewandt auf die Seite und stützte mich rechts und links von ihr auf dem Laken ab. Lange würde ich diese Position wahrscheinlich nicht halten können, aber ich wollte auf Biegen und Brechen für das kleine Häufchen Elend da sein. Zumindest noch ein paar Minuten. "Du musst dir damit keinen Stress machen, Faye... mach langsam.", murmelte ich relativ ruhig, wenn auch mit etwas kratziger Stimme zu ihr runter. Strich ihr eine Strähne hinters Ohr und beugte mich dann zu ihr nach unten, um meine Stirn an die ihre zu lehnen. In den folgenden Sekunden atmete ich bewusst sehr tief in der stillen Hoffnung, der zierlichen Brünetten damit vermitteln zu können, dass - den Umständen entsprechend - alles okay war und sie sich nicht in die Lösungsfindung hinein zu stressen brauchte. Das machte sie am Ende sonst mehr kaputt, als es ihr oder uns beiden half. "Hast du mal angesprochen, dass... die Medikamente falsch eingestellt sind?", fragte ich erst gute zwei Minuten später, behielt den eher leisen Tonfall bei. Es war zwar ohne die Medikamente zu kennen schwer zu sagen, ob es an der Kombination lag - sie hatte vorhin ja mehr als eine Tablette geschluckt - oder an der Menge, aber es war auch nicht abwegig, dass der Arzt ihre Dosis schlichtweg zu hoch ansetzte. Präventiv, damit Faye gar nicht erst auf irgendwelche dummen Gedanken kam und er - oder sie - fein raus war. Zumindest auf den ersten Blick. Leider konnte eine zu hohe Dosierung von Antidepressiva zu körperlichen oder sogar neurologischen Dauerschäden führen, im schlimmsten Fall sogar tödlich enden. Ich hatte damals während meiner allerersten Therapie nicht gerade wenig recherchiert, was sämtliche Art von Medikamenten im psychotherapeutischen Behandlungsbereich anging und wusste ganz gut darüber Bescheid - nahm ja auch hauptsächlich deshalb keine mehr und auch deswegen, weil es mir damals langfristig einen Scheißdreck gebracht hatte dieses Gift zu schlucken. Es wurde also allerhöchste Zeit, dass mal Jemand ein Veto hinsichtlich Fayes Medikation einlegte.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Da sprach ja auch nichts dagegen - von ihr aus durfte er liebend gern jeden Tag hierher kommen und so lange bleiben, wie er wollte. Aber sie konnte beim besten Willen nicht auch noch verantworten, dass er an der Belastung dieser Besuche noch mehr kaputt ging. Damit wäre letztendlich weder ihm noch ihr geholfen, sie wären dann einfach beide komplett im Arsch und unfähig, daran noch etwas zu ändern. Also gewissermassen so wie jetzt, aber noch ein Bisschen aussichtsloser. Jetzt gab es wenigstens noch einige wertvolle Stunden wie heute Nachmittag, in denen sie ernsthaft daran glauben und Hoffnung darauf schüren konnten, irgendwann wieder alles geradebiegen zu können. Noch einmal die Kurve zu kriegen, sich irgendwie zu erholen, ihre Beziehung zu retten und ein weiteres Trauma zu verarbeiten, um endlich das Leben zu leben, von dem sie schon so lange träumten. Faye schaute Victor etwas besorgt dabei zu, wie er sich über sie beugte, weil sie sich nicht ganz sicher war, ob sein Arm das mitmachte. Aber er wusste wohl besser als sie, wozu er im Stande war... Ausserdem konnte er mit Krücken gehen. Da sollte sie die Belastbarkeit seines Arms wohl nicht so sehr in Frage stellen. Sie sollte sich keinen Stress machen, sagte er. Das war auch so ne Sache... Denn es war nunmal frustrierend, wenn man sich eigentlich mit einer Sache beschäftigen und Veränderung herbeiführen wollte, es aber nicht schaffte, weil einem ständig der eigenen Kopf und Körper im Weg standen. Aber ja, sie würde es versuchen. So wie sie beide eben sehr vieles versuchen mussten über die nächsten Tage, Wochen, Monate... Vielleicht Jahre. "Ich möchte... aber nicht... dass... du wieder... alle Arbeit machen musst...", flüsterte sie mit geschlossenen Augen, lauschte dabei seinem Atem, der ihre Haut streifte, weil er ihr so nahe war. Ihre Hand hatte sich währenddessen mit seinem Arm bewegt, lag noch immer dort und strich sporadisch über den Stoff seines Ärmels. So oft sie sich darauf konzentrieren konnte. Sie genoss die Stille. Auch wenn sie spüren konnte, dass sie wohl nächstens einschlafen würde, wenn sie nichts mehr sagte und er einfach nur da war. Es gäbe noch sehr viel zu besprechen und eigentlich hatte sie überhaupt nicht vor, zu schlafen. Aber das war ein verlorener Kampf, dann hätte sie nicht noch mehr Pillen schlucken sollen. Auf die Victor nach der Pause auch zu sprechen kam. Tja... das war eine berechtigte Frage. Wobei Faye schwerfällig für einen kurzen Moment die rechte Schulter anhob. "Ich hab schon... gesagt... dass ich nicht mehr... so gut denken kann... Und mir schlecht ist... aber... ich weiss nicht mehr, ob sich... seit da etwas verändert hat... oder wann das war... hab vergessen, nochmal drüber zu reden...", auch wenn dem Pflegepersonal ja jeden Tag deutlich ersichtlich war, dass es ihr auch körperlich nicht gut ging. Es war ausserdem möglich, dass ihre Appetitlosigkeit - die auch mit der Medikation zusammenhängen konnte - dazu geführt hatte, dass eine auf ihr ursprüngliches Gewicht angesetzte Medikation mittlerweile zu hoch war. Sie wusste es nicht und da sie die letzten Wochen über dankend jede Pille geschluckt hatte, die ihren Kopf auf stumm schaltete, wusste sie auch nicht mehr, was zu den ganzen körperlichen Beschwerden gesagt wurde. Dass sie zurück ins Krankenhaus abgeschoben wurde, wenn sie weiter abnahm. Aber abgesehen davon... keine Ahnung. "Aber ich frage Morgen...", schob sie das nächste Versprechen hinterher. Und wenn niemand auf sie hörte, dann musste sie wohl Chelsea oder sogar Aryana darum bitten, irgendwas für sie zu richten, je nach dem, auf wen hier besser eingegangen wurde. Oder sie fand raus, welche der Pillen ihren Kopf dermassen betäubte und schluckte sie einfach nicht mehr. Das wäre kein besonders geschickter Schachzug, aber solange sie niemanden gefährdete, konnte auch keiner sie dazu zwingen, die Medikamente zu schlucken, oder? Eigentlich wusste sie das nicht. Aber sie war ja nicht im Gefängnis... Und sie schrieben auch nicht das Jahr Neunzehnhundert... irgendwas, wo Selbstbestimmung noch kein Thema gewesen war, wenn jemand nur einen angemessenen Knacks aufwies, der die Medikation rechtfertigte.
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Ich würde gerne behaupten können, dass Fayes Bedenken in Hinsicht auf die Arbeit an unserer Beziehung unbegründet waren, aber das waren sie wohl eher nicht. Ich hatte mir schon in den letzten beiden Wochen wirklich viele Gedanken dazu gemacht, woran wir beide in unserer Beziehung bisher gescheitert waren und könnte deshalb eigentlich ohne mich schlecht fühlen zu müssen mal eine Pause einlegen. Mich mal überwiegend um mich selber kümmern, nur so lange bis Faye von diesem fiesen Medikamenten-Trip runter war und sich eben auch aktiv daran beteiligen konnte. Im Grunde war es eine Win-Win-Situation - ich kam vielleicht mal von meinem Trip runter ständig alles selbst oder gar alleine machen zu müssen, während die zierliche Brünette sich langsam wieder aufrappelte und mit vernünftiger Dosierung ihren eigenen Teil zu alledem beitragen konnte. Eigentlich musste ich mich jetzt nur noch erfolgreich selbst davon überzeugen, mal einen Gang runterzuschalten. Einen Moment lang versuchte ich einfach die Streicheleinheit zu genießen, bis ich den Kopf schließlich wieder ein klein wenig anhob und Fayes Gesicht musterte. "Wie wär's denn damit, dass wir beide uns darauf einigen, erstmal jeder für sich ein bisschen... fitter zu werden? Und wenn wir dann beide soweit sind und du dich effektiver einbringen kannst als jetzt, fangen wir dann mit... dem eigentlichen Haufen Arbeit an. Das ändert ja an meinen Besuchen nichts... und wenn uns bis dahin trotzdem schon Stichpunkte zu unseren... Beziehungsproblemen einfallen", es fiel mir ehrlicherweise etwas schwer das Kind beim Namen zu nennen, "dann können wir sie ja trotzdem schonmal festhalten.", murmelte ich nachdenklich vor mich hin, ohne ihr Gesicht dabei aus meinen Augen zu lassen. Suchte dann mit meinem Blick nach ihrem, auch wenn sich aus dem etwas schwammigen Ausdruck in ihren Augen leider nicht besonders viel lesen ließ. Ich fing besser jetzt schonmal an darum zu beten, dass die medikamentöse Umstellung - sei es auch nur das Herabsetzen der Dosis - sich nicht zu negativ auf Faye auswirkte. War schon schlimm genug so wie es jetzt gerade war. Sie schien sogar schon einmal angesprochen zu haben, dass die Dosis so nicht ganz passen konnte. Entweder hatte sich seitdem aber nichts geändert oder sie war ganz einfach nicht ausreichend angepasst worden. Was vielleicht auch allein deshalb schon schwer war, weil Faye in letzter Zeit nicht genug gegessen hatte - was wiederum eigentlich auch nur logisch war, wenn ihr von dem Zeug schlecht wurde. Aber es war halt auch nicht so als wäre nicht gut sichtbar, dass sie in den letzten Wochen fortwährend abgenommen hatte. Die machten hier doch mit Sicherheit auch einen wöchentlichen Gesundheitscheck wie in anderen Kliniken auch, spätestens an der Zahl auf der Waage musste es also aufgefallen sein. Es konnte mir auf jeden Fall keiner weiß machen, dass man Fayes jetzigem Zustand nicht hätte vorbeugen können. Ich nickte ganz leicht, als sie schließlich sagte sich morgen noch einmal darum kümmern zu wollen. "Gut, mach das.", bestätigte ich sie darin. Versuchte mich etwas kläglich an einem aufbauenden Lächeln. Ganz vielleicht hätte ich das sehr viel lieber in die eigene Hand genommen, weil ich befürchtete, dass Niemand wirklich Wert auf Fayes Einschätzung legen würde. Ich wusste aber auch, dass es besser war, wenn sie sich selbst darum kümmerte. Oder es zumindest mal versucht hatte, je nachdem wie die Reaktion darauf morgen ausfiel. Wenn es nicht funktionierte musste eben doch noch Jemand anders ein Wort einlegen. Es war unschwer zu erkennen, dass Faye müde war. Dass die Pillen sie müde machten. Vor der Einnahme war sie zwar auch weit entfernt von topfit gewesen, aber das hier war eine ganz andere Art von Müdigkeit. Eher schon sehr akute Sedierung. "Du solltest dich ausruhen...", stellte ich leise, ziemlich überflüssig fest. Gegen die Medikamente anzukämpfen wäre nur unnötig anstrengend für sie, sollte sie ruhig schlafen. Ich hielt sie ganz bestimmt nicht davon ab. "...also geh ich wohl besser erstmal, ich komm sonst später schlecht wieder hoch.", hängte ich kurz darauf an, dicht gefolgt von einem Seufzen. Ich wollte nicht gerne gehen, aber es war das Sinnvollste. Nicht nur in Hinsicht darauf, dass ich mich dann später vom Bett quälen und selber auch mit Übelkeit und Schwindel kämpfen musste, sondern auch weil es mir nicht viel brachte sie jetzt noch ein oder zwei Stunden lang in ihrem Drogenschlaf zu mustern. Das würde meine Sorge um sie nur noch weiter ankurbeln. Obwohl ich mir mit dieser Entscheidung auch eigentlich sicher war, wartete ich Fayes Reaktion darauf noch ab. Als bräuchte ich noch immer ihre Erlaubnis dazu mich um mich selbst zu sorgen.
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Das war wahrscheinlich der absolut sinnvollste Vorschlag von allen. Sie waren nämlich beide sehr offensichtlich nicht auf dem Damm, hatten eine Menge Scheisse zu verarbeiten, die ungeachtet der Beteiligung des jeweils anderen schon traumatisch genug war. Es war wahrscheinlich sogar vollkommen unsinnig und auch irgendwie umsonst, wenn sie sich jetzt schon den Kopf darüber zerbrachen, wie sie die Sache zwischen ihnen wieder in eine gesunde Richtung lenken konnten. Faye wusste in diesem Moment noch nicht einmal, was es denn war, das eben schief gegangen war oder nicht mehr stimmte und ihnen Schwierigkeiten bereitete. Also ja, seine Idee klang vollkommen vernünftig. "Das ist wohl das beste, ja...", willigte sie ohne lange Bedenkzeit ein. Wenn er es vorschlug und sich hoffentlich auch daran halten würde, dann musste es ja irgendwie Sinn ergeben. Und sie konnte definitiv nicht mit einer besseren Idee punkten, realistisch gesehen weder jetzt noch sonst wann. Sie hätte sich wohl besser schon früher um die Medikation gekümmert, dann wäre dieser Nachmittag etwas anders, vielleicht sogar produktiver verlaufen. Vielleicht hätte sie dann auch schon etwas an ihrer Psyche gearbeitet, um heute nicht mehr in ganz so miserabler Verfassung zu sein. Aber leider hatte sie zuerst diesen Besuch gebraucht, um überhaupt irgendwas anderes tun zu wollen, ausser zu sterben. Rückblickend auch kein besonders nettes Geschenk für Victor, dem wohl ebenfalls nicht entgangen war, dass sie so langsam dezent gegen die schweren Augenlider ankämpfte. Auch das tat ihr leid, da sie ihn bestimmt nicht loswerden wollte, ihm lieber einen angenehmeren Abschied gewährt hätte. Faye streckte noch die Hand aus, um statt über seinen Arm nun über seine Wange zu streicheln während sie langsam nickte. "Okay...", murmelte sie müde, blickte ihn noch einen Moment voller Sehnsucht an. Sie wünschte sich so unendlich, irgendwann in naher Zukunft endlich wieder im gleichen Bett, in seinen Armen, schlafen zu dürfen. Ihn neben sich zu wissen, während sie träumte, seinen Atem zu spüren und das leise Pochen seines Herzens. So wie heute Nachmittag... nur viel länger. Und ohne all die schweren Gespräche und Unsicherheiten... Ohne Schmerz und Trauer... "Ich muss auch nochmal aufstehen... und ins Bad...", gab sie bekannt, dass sie nicht in diesen Klamotten einfach liegen bleiben konnte oder wollte, streichelte nochmal über seine weiche Haut, bevor sie die Hand zurückzog und darauf wartete, dass er sich zurückzog, damit sie sich ebenfalls erheben konnte. Sie setzte sich auf und wartete mit geschlossenen Augen ein weiteres Mal darauf, dass der Schwindel sich soweit zurückgezogen hatte, dass sie sich auf die Beine wagen konnte. Kaum tat sie das, wanderte ihr Blick wieder zu Victor und ihre Mundwinkel zuckten zu einem sehr müden aber doch ehrlichen Lächeln nach oben. "Danke nochmal... für alles... für deinen Besuch... Dass du... noch immer an mich... und an uns glaubst...", es war ihr wichtig, das nochmal gesagt zu haben, es ihm wahrscheinlich auch noch zweihundert weitere Male zu sagen. "Und pass auf dich auf, okay?", bekanntlich war die Welt da draussen nicht besonders harmlos. Und die menschliche Psyche auch nicht. Er sollte sich am besten vor beidem in Acht nehmen, während er versuchte, so gut wie möglich zu heilen. Faye trat den letzten nötigen Schritt auf ihn zu, um sein Gesicht zwischen ihre Hände zu betten, ihm nochmal in die Augen zu schauen. "Ich liebe dich", sie streckte sich für einen vorerst letzten Kuss nach ihm aus, legte zärtlich ihre Lippen auf seine. Weil sie sich lieber an dieses Gefühl erinnern wollte als an all die anderen.
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Zumindest mit meinem Vorschlag hinsichtlich unser eigenen, selbst herbeigeführten Therapie waren wir beide uns einig. Wahrscheinlich auch damit, dass ich jetzt gehen sollte, nur dass Faye das ihrem Gesichtsausdruck nach eigentlich trotzdem genauso wenig wollte wie ich selbst auch. Führte halt nur kein gesunder Weg dran vorbei, wo sich an den geschluckten Pillen logischerweise jetzt nichts mehr ändern ließ. Faye sollte sich der Müdigkeit zu ihrem eigenen Besten hingeben und ich wiederum sollte mir das mit meinem noch dünnen Nervenkostüm lieber nicht lange anschauen. Also versuchte ich die Berührung Fayes zierlicher Finger an meiner Wange förmlich mit meinen Sinnen aufzusaugen, schloss dabei auch nochmal einen Moment lang die Augen. Als sich ihre Hand von meinem Gesicht löste schlug ich die Lider wieder auf und sah sie noch einen Moment lang an, ehe es unweigerlich Zeit für den Abschied wurde. Ich zog mich zurück und meine Arme waren mir dafür am Ende beide recht dankbar. Der verbrannte Arm, weil die Haut sich endlich wieder entspannte und der andere, weil er sowieso noch chronisch überbelastet war. Zwar nutzte ich auch den verletzten Arm im Alltag wieder, aber wo es ging, da ließ ich ihn einfach der Schmerzen wegen noch immer gerne außen vor. Die Haut wurde schon dank der Krücken genug strapaziert. Ich lockerte wieder auf der Bettkante sitzend ein bisschen meine Schultern, ließ sie einen Augenblick lang kreisen. In der Zwischenzeit versuchte Faye wohl halbwegs sicher zurück auf die Beine zu kommen. Den Schwindel zu überwinden, der sie dank der Medikamente und der Mangelernährung mehrfach am Tag quälen musste. Wirklich kein schöner Zustand, aber es lag nur begrenzt in meiner Macht etwas daran zu ändern. Akut dabei helfen konnte ich ihr sowieso nicht, aber ich behielt sie wachsam im Auge, während Faye sich vom Bett erhob. Ich selbst stand mittlerweile schon, hielt die Krücken jedoch beide noch mit einem Arm fest. Wollte eine Hand frei haben, falls Faye fiel... auch wenn ich im Ernstfall wahrscheinlich getrost mit zu Boden gesegelt wäre. Außerdem konnte sie den Grad ihres Schwindels sicher wesentlich besser einschätzen als ich. Als sie vermeintlich sicher auf den Füßen stand, begann sie sich kurz darauf erneut bei mir zu bedanken. Ihre Worte lösten das nächste Lächeln auf meinen Lippen aus. Es war einfach schön zu hören, ganz gleich wie oft sie es sagte. Außerdem bestärkte es mich darin, dass der Schritt hierher zu kommen und sie zu besuchen nicht falsch gewesen war. Gerade nach dem gefühlsmäßig unschönen Zwischenfall im Speisesaal konnte ich das gut gebrauchen. "Ich weiß, dass es sich für uns lohnen wird... also ist es den steinigen Anfang wert.", erwiderte ich, ohne dass das Lächeln abklang. Vor uns lag ein steiniger Weg, der steil bergauf führte und für mich damit begonnen hatte, Faye davon zu überzeugen, dass sie auch wieder an uns glauben musste. "Mach ich... du aber auch, ja?", bejahte ich, Acht zu geben und schob ihr gleich darauf die Gegenfrage zu. Sie sollte auch auf sich aufpassen hier drin, umgeben von so vielen Verrückten. Umgeben von Jeffrey-artigen, gestörten Persönlichkeiten... Meine Augen wichen ihren nicht aus, als die Brünette mir noch einmal näher kam und ihre Finger nach mir ausstreckte. Dank der magischen drei Worte wurde mein Lächeln noch einmal breiter, bevor sich unsere Lippen vereinten. Ich erwiderte den Kuss liebevoll, versuchte sie all die Wärme spüren zu lassen, die sie mit diesen simplen Worten in meinem ausgehungerten Herzen auslöste. Hob dabei die freie Hand, um ihr ein letztes Mal über die Wange und den Kiefer entlang zu streicheln. "Ich liebe dich auch.", flüsterte ich an ihre Lippen, als der Kuss endete. Ich hauchte ihr noch einen weiteren, aber sehr viel flüchtigeren Kuss auf die Lippen, bevor ich die Hand langsam wieder sinken ließ. Es half ja nichts. Sie sollte ins Bad, bevor der Schwindel sie wieder einholte oder die Kraft sie verließ. Und ich sollte gehen, bevor es mit jeder Sekunde noch schwerer wurde. "Bis Morgen... und schlaf gut.", verabschiedete ich mich langsam aber sicher wörtlich von ihr. Ließ ihr noch ein letztes, aufbauendes Lächeln zukommen und machte dann einen Schritt von ihr weg, um die Krücken beide richtig aufnehmen zu können. Noch ein letzter Blick in ihr schmales Gesicht und ich wendete mich mit schwerem Herzen widerwillig von ihr ab, damit ich die Zimmertür und sie das Badezimmer ansteuern konnte.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Sie glaubte zwar nicht, irgendwie in Gefahr zu sein hier drin, umgeben von Pflegepersonal und Menschen, die sich um sie kümmerten, nickte aber trotzdem auf seine Gegenfrage. Sie konnte ja wenigstens versuchen, ihr bestes zu geben und sich nicht noch weiter in Schwierigkeiten zu bringen und kaputt zu machen. Faye genoss den sanften Kuss und seine Berührungen und beides half ihr dabei, ihm wenigstens mit einigermassen gutem Gefühl und ehrlichem Lächeln hinterher zu blicken, als er, begleitet von einer leisen Verabschiedung ihrerseits, den Raum verliess. Sie blieb noch einen Moment stehen und schaute ihm nach, liess die eintretende Stille auf sich wirken, doch die Müdigkeit meldete sich alsbald zurück und Faye verschwand im Badezimmer. Einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, noch einmal zu versuchen, die Narbensalbe selber auf ihrer Brust aufzutragen. Einfach, weil sie dringend mit diesem Anblick klarkommen musste, falls sie irgendwann in den nächsten Wochen vorhatte, Victor davon zu erzählen. Aber heute war bereits zu viel passiert und sie hatte absolut keine Kraft für noch mehr. Zudem wollte sie den Tag lieber mit einem Kuss des Menschen, der ihr die Welt bedeutete, abschliessen, als mit mit dem Grauen auf ihrem Körper, weshalb sie dieses Grauen auch heute lieber Aimee überliess. Am nächsten Tag tat sie tatsächlich fast alles, was sie Victor und sich selbst versprochen hatte. Bis auf die Gruppen- oder Beschäftigungstherapie, da sie sich ehrlich gesagt nach gestern Abend noch weniger nach Gesellschaft von anderen psychisch Kranken sehnte als davor. Sie ging aber zur Therapie und zum ersten Mal seit sie hier war, versuchte sie dort auch wirklich, sich helfen zu lassen. Noch war sie zwar nicht bereit, über das zu reden, was passiert war, aber sie versuchte immerhin, auf Tipps und Ratschläge einzugehen und die etwas andere Herangehensweise der Therapeutin bezüglich der Schuldfrage zumindest in Betracht zu ziehen. Faye hatte schon vor, irgendwann zu erzählen - sofern sie sich noch einmal glaubhaft versichern konnte, dass das, was sie erzählte in diesen vier Wänden blieb und niemand auf die Idee kam, es als Anzeige bei der Polizei zu verpacken. Aber noch nicht heute. Vielleicht, wenn sie besser denken konnte. Vielleicht auch nicht... Dank Aimees Hilfe - und mit ihrer Begleitung, da Faye lieber nicht Chelsea dabeihaben möchte - bekam sie ausserdem ein Gespräch mit dem Arzt, dem sie ebendiese kognitive Unfähigkeit gewissermassen zu verdanken hatte. Sie versicherte ihm, die Suizidgedanken verworfen zu haben und sich endlich darum bemühen zu wollen, wieder zurück ins Leben zu kommen. Was nicht ging mit derart betäubtem Kopf und taubem Herzen. Erzählte ihm ausserdem, mit dem Schwindel und der Übelkeit gar nicht gut klar zu kommen und sich wenigstens ein Bisschen Energie und Appetit zurückzuwünschen. Natürlich setzte er sie nicht komplett auf Null - was sicherlich auch keine gute Idee gewesen wäre, ausgehend von der Dosierung, die sie momentan verschrieben hatte - aber sie einigten sich auf eine deutliche Reduktion, unter der Bedingung, dass sie jeden Tag zur Therapie erschien und sofort sagte, wenn die Gedanken zurückkamen oder sie sich mit ihren Emotionen überfordert fühlte. Damit konnte sie sich abfinden und sie verliess das Behandlungszimmer im Anschluss doch sehr erleichtert. Klar machte sie sich auch Sorgen darum, was passieren würde, wenn die Betäubung nachliess. Aber dass sie in diesem Zustand nicht besonders weit kam, war eben auch offensichtlich. Nachdem sie diese beiden Punkte auf der Liste abhaken konnte, kam auch schon ihre Cousine fürs Mittagessen vorbei, welches sie natürlich mit möglichst viel Abstand von Jeffrey einnahmen. Chelsea machte kein Geheimnis daraus, wie sehr sie sich über die Nachricht von Victors erstem Besuch und allem, was damit verbunden ins Rollen gekommen war, freute. Dass sie Faye dafür die nächsten Tage oder bis zu Aryanas Rückkehr jeweils nur noch Mittags besuchte, schien ihr ebenfalls nichts auszumachen - offenbar hatte sie mittlerweile schon so einige Beschäftigungen in der Stadt gefunden, um sich nicht zu sehr zu langweilen. Ausserdem hatte sie viel Arbeit auf, weshalb das eigentlich ganz gut passen sollte. Am Nachmittag nach Chelseas Besuch, fand Faye endlich den ruhigen Moment, auf den sie gewartet hatte, um sich die noch immer geheimnisvolle Tüte vom Tisch zu schnappen und sich damit aufs Bett zu setzen. Aus der Tüte holte sie ein gut verpacktes, in Papier gehülltes Bündel hervor. Den Engel, den sie Sekunden später behutsam befreite, war aber ganz bestimmt nicht das, was sie erwartet hatte. Nicht, dass sie überhaupt irgendwelche Vermutungen gehabt hätte, aber das..? Sie betrachtete die zerbrechliche, bestimmt schon viele Jahre alte Figur, strich mit ihren Fingern vorsichtig über deren Körper und über die dünnen, teilweise kaputten Flügel. Eigentlich hätte sie damit rechnen können, aber Faye war auf den Schwall an Emotionen, der allein das Anschauen und Berühren der Figur in ihr auslöste, definitiv nicht vorbereitet gewesen und ihre Augen begannen sehr bald wieder, verdächtig zu glitzern, während sie sich seine Worte ins Gedächtnis rief. Sie sollte ihm sagen, was sie darin sah. Sie sah einen Engel, der wahrscheinlich weinte, auf jeden Fall traurig war. Mit kaputten Flügeln. Er - oder eher sie - wirkte verzweifelt, so als ob sie dringend jemanden brauchte, der einen Arm um sie legte und ihr versicherte, dass alles wieder gut werden würde. Sie war sich nicht ganz sicher, was Victor ihr damit sagen wollte. Vielleicht dass sie aufhören sollte, ihren Schutzengel die ganze Zeit zum Heulen zu bringen. Der Gedanke war passend, aber sie war sich ziemlich sicher, dass es das nicht war. Darum war sie auch noch immer dabei, die Figur in ihren Händen zu betrachten, als es etwa eine Dreiviertelstunde später an der Tür klopfte. Faye hob den Kopf und strich sich kurz übers Gesicht, um die getrockneten Tränenspuren sicher wegzuwischen. Die Figur schirmte sie mit den Fingern etwas ab, während sie die Person hereinbat. Sie hatte nicht vor, das Geschenk gleich jedem zu zeigen und noch war sie sich nicht sicher, ob das Victor war, der klopfte oder jemand anderes.
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War mir grad nicht sicher, ob ich nur bis hier oder besser noch so ein, zwei Wochen weiter springen will, aber mir ist grad etwas die Puste ausgegangen... Wie bei jedem Zeitsprung... x'D Also wenn du denkst, wir können da schon wieder was schreiben, lassen wirs so und sonst kannst du gerne auch schon weiter.^^
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Aaaaaach das passt schon, haken wir das ruhig noch ab. xD Aber das wird wohl nicht so extrem viel Gesprächsstoff, also sollten wir wohl trotzdem schonmal gucken wo's genau weitergehen soll :'D ________
Es war ein komisches Gefühl Faye wieder allein zu lassen. Ich hielt im Flur draußen noch einmal inne, um die Jacke anzuziehen, die immer noch ihr einsames Dasein auf der Bank fristete. Zog danach dann mein Handy aus der Hosentasche und kontaktierte schonmal eines der örtlichen Taxi-Unternehmen, um draußen nicht zu lange Herumstehen zu müssen. Bevor ich mich danach wieder in Bewegung setzte, warf ich noch einen langen Blick auf die Zimmertür. Schüttelte schließlich den Kopf und atmete durch, ehe ich zum Fahrstuhl ging. Schon im Fahrstuhl nach unten zerbrach ich mir den Kopf darüber, was ich heute alles falsch gemacht hatte oder zumindest hätte besser machen können. Was dämlich war, weil ich eigentlich noch viel zu aufgewühlt war, um auch nur irgendwas absolut sachlich beurteilen zu können. Das Wichtigste war erstmal, dass Faye sich von ihrem Todeswunsch losgesagt hatte und wir beide noch eine weitere Chance zusammen hatten. Es war sowieso irgendwie zu viel von mir selbst verlangt, mich in meinem momentanen Zustand sowas wie perfekt zu verhalten. Dazu waren meine eigenen Gefühle noch viel zu leicht zu beeinflussen, ich hatte kaum eine Kontrolle darüber - zumindest nicht, wenn es um Faye ging. Allein die Tatsache, dass ich heute sowohl geheult, als auch leise gelacht hatte, bevor irgendwann später ein kleiner innerer Wutausbruch gefolgt war, war dahingehend wohl Beweis genug. Mein Gemüt geriet unnormal leicht ins Wanken und trotzdem hatte ich den heutigen Tag relativ erfolgreich über die Bühne gebracht. Das war Grund zum Feiern, oder? Mein unruhiges Inneres wollte das eher nicht bestätigen, aber ich wusste, dass ich das Positive am heutigen Tag sehen sollte, nicht die negativen Dinge... war halt nur wie immer schwer, so mitten in einer Depression. Ich trug mich mit den Krücken weiter zur Rezeption und meldete mich dort offiziell ab, bevor ich nach draußen ging. Die kalte Luft half tatsächlich ganz gut dabei wieder runterzukommen und den Kopf freizukriegen. Ließ auch zu, dass ich mich noch einmal lächelnd an den Kuss vor wenigen Minuten zurück erinnerte, während ich nahe des Eingangstors am Parkplatz auf das Taxi wartete. Der Fahrer brachte mich zügig zurück zum Hotel, wobei wir kaum ein Wort wechselten, bis ich ihn dort angekommen bezahlte. Als ich im ersten Stock auf dem Flur angekommen war, auf mein Zimmer und das meiner Mutter war, klopfte ich kurz an der Tür von letzterem. Ich hatte eigentlich nur so beiläufig reinrufen wollen, dass ich halt wieder da war, aber mir blieb zumindest ein kurzes Gespräch selbstverständlich nicht erspart. Also leistete ich meiner Mutter zwangsweise noch kurz Gesellschaft und sagte ihr dabei sinnbildlich aber nicht viel mehr, als dass gerade keiner mehr sterben wollte und soweit alles okay war. Ich brauchte meine Ruhe und verzog mich deshalb schon bald in mein eigenes Zimmer, wo mir dann überhaupt erst bewusst wurde, wie müde ich war. Kaum saß ich einmal auf der Bettkante und versuchte mich einen Moment lang auszuruhen, zogen mich die unsichtbaren Hände förmlich auf die Matratze. Wie Faye auch musste ich aber zuerst noch einen Abstecher ins Bad machen, bevor ich mich in zum Schlafen geeignete Klamotten quälen und mich dann final hinlegen konnte. Es war eigentlich noch gar nicht so spät, aber der Tag war wahnsinnig anstrengend gewesen. Mindestens emotional anstrengender als all die einsamen Tage zuvor. Ich ließ den Fernseher noch ein klein wenig laufen, hätte mir das allerdings auch genauso gut sparen können, weil ich nicht viel davon mitbekam. Erst noch zu sehr in die Gedanken an Faye und unser Wiedersehen vertieft war, bevor ich der Erschöpfung wegen einnickte. Das Frühstück am nächsten Morgen fiel knapp aus, weil ich schlecht geschlafen und mich deshalb erst spät aus dem Bett gequält hatte. Das interessierte den fest vereinbarten Termin bei der Reha und den vorherigen, erneuten Check meines Fußes allerdings wenig bis gar nicht, also fuhr meine Mutter mich nach einer Scheibe Brot und etwas Rührerei schon zur Klinik. Trotzdem hatte ich in all der Hektik noch schnell einen meiner Pullover für Faye geholt, weil ich lieber in Kauf nahm zu spät zu kommen, als ihn hier zu lassen. Der Arzt stellte erst einmal fest, dass mein Fuß wohl hauptsächlich deshalb immer noch weh tat, weil die Sehnen durch die einstige Schwellung zu wenig Platz gehabt hatten und deshalb eine davon, die sich durch den Ultraschall leicht ermitteln ließ, noch immer leicht entzündet war. Er spritzte mir zur Sicherheit nochmal etwas Entzündungshemmer und ich sollte mich melden, falls es schlimmer wurde oder der Schmerz unverändert blieb - eben das Übliche, auch wenn er sowieso einen weiteren Kontrolltermin ansetzte. Er entließ mich zur Reha und die war wie gewohnt körperlich wie mental anstrengend. Danach ging es am frühen Mittag noch weiter zu meinem Hirnchirurgen, der weiterhin seine Protokolle führte. Damit sicherstellen musste, dass Spätfolgen frühzeitig erkannt und mögliche schlimme Zwischenfälle verhindert werden konnten. Es gab aber an dieser Stelle weiterhin keinen Grund zur Sorge, mein Kopf funktionierte meines Erachtens nach wieder sehr normal. Bis auf die noch zeitweise etwas verzögerten Reaktionen hinsichtlich Bewegung eben, aber das bekam Caldwell sowieso von seinen Kollegen in der Reha mitgeteilt. Das war jedoch alles völlig im normalen Rahmen, also kein Grund zur Beunruhigung. Nach der anstrengenden ersten Hälfte des Tages hatte ich ein richtiges Mittagessen bitter nötig. Also ließ ich mir dabei im Beisein meiner Mutter viel Zeit und hetzte mich nicht damit, wieder aus dem Restaurant zu kommen. Genoss es viel mehr, dass dort am Mittag deutlich weniger los war als am Abend und es ruhig war. Deborah hielt sich sogar damit zurück, sich weiter nach meinem gestrigen Besuch bei Faye zu erkundigen, sondern hielt die Gesprächsthemen sehr viel oberflächlicher. Ich nutzte die Zeit nach dem Essen mit einem Kaffee dazu, Aryana eine kurze Nachricht zukommen zu lassen. Das Kontaktverbot aufzuheben und ihr knapp mitzuteilen, dass es mir den Umständen entsprechend sehr gut ging, sie sich also zumindest um mich weiterhin nicht zu sorgen brauchte. Was sie vielleicht trotzdem weiterhin tat, falls Faye noch nicht mit ihr geredet hatte. Gute eineinhalb Stunden, nachdem wir das Restaurant betreten hatten, verließen wir es dann wieder und meine Mum setzte mich wie gestern schon an Fayes aktuellem Zuhause ab. Ich ging mit den Krücken nach drinnen, meldete mich an und suchte zielstrebig Fayes Zimmer auf. Klopfte unbewusst lächelnd an und öffnete dann die Tür, als ich eintreten durfte. Ich begrüßte sie mit einem "Hey.", ehe ich die Tür wieder hinter mir zumachte. Mein Lächeln wurde gleich noch breiter, als ich sah, dass die Brünette sich gerade noch - oder wieder - mit dem Engel beschäftigte. Trotzdem hinkte ich erstmal zum Tisch, um dort meine Krücken anzulehnen und mir den zusammengeknoteten Pullover von der Hüfte zu lösen, weil ich ihn nicht anders hatte mit reinnehmen können. Ich warf ihn relativ gut koordiniert mit wenig Schwung neben Fayes ans Ende des Betts, bevor ich mir die Jacke von den Schultern schob. "Guckst du's dir immer noch oder schon wieder an?", hakte ich neugierig nach, während ich die Übergangsjacke über die Lehne des Stuhls hängte.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Gut, passt. xD Und ja ich weiss auch noch nicht genau... Ewig wird Faye wohl nicht in der Klapse bleiben, weil sie sich diesmal wohl schneller wieder soweit erholen wird, dass sie als nicht selbst- und fremdgefährdend erachtet und entsprechend rausgeworfen wird (bekanntlich sind diese Plätze ja Gold wert und man besetzt sie nicht mit halbwegs lebensfähigen Gestalten... Ausserdem hat sie auch nicht ewig Geld um sich diese Behandlung zu gönnen). Vielleicht also irgendwo so drei, vier Wochen in der Zukunft, wobei sich dann die Frage stellt, wo sie wohnen sollen... Und ob sie bis dahin schon über Victors geplante Zeit in der Ferne gesprochen haben und über Fayes Narbe etc. ____________
Als sie sah, dass es tatsächlich Victor war, der sie erneut mit seiner Gesellschaft bereicherte, bildete sich unverzüglich ein Lächeln auf ihrem Gesicht und sie liess die Hände wieder etwas sinken, damit er denn Engel darin erkannte. "Hey Baby", begrüsste sie ihn glücklich, wobei sie davon absah, sich auf die Beine zu zwingen, um ihm sofort in die Arme zu fallen - ihrem Kreislauf zuliebe musste die richtige Begrüssung wohl warten, bis er sich ebenfalls setzte. Stattdessen folgte sie seinen Bewegungen mehr oder weniger geduldig mit ihren Blicken, wobei diese dann auf den Pulli fielen, den er neben sie aufs Bett warf. Sofort streckte sie eine Hand danach aus, um nach dem Kleidungsstück zu angeln, es einen Moment an ihre Brust zu drücken, um dann mit einem noch breiteren Lächeln wieder zu ihm zu blicken. "Dankeee", gab sie langgezogen ihre Wertschätzung bekannt, ehe sie die Hand mit dem Pullover langsam wieder sinken liess. Seine Frage verschob ihre Aufmerksamkeit zurück zu der Engelsfigur in ihrer anderen Hand, wobei die Brünette weiterhin vor sich hin lächelte. "Immer noch... Ich hatte am Morgen keine Zeit, sie auszupacken und gestern Abend war ich zu müde. Am Mittag war Chelsea noch da und ja... jetzt versuche ich seit...", sie blickte nochmal zur Uhr, zuckte dann schwach mit den Schultern, da sie eigentlich keine Ahnung hatte, wann Chelsea wieder gegangen war, "einer Weile deine Gedanken zu erraten." Einen Moment betrachtete sie wieder den Engel, strich zart mit ihrem Finger über den zusammengekauerten Körper der Figur, bevor sie wieder zu Victor aufschaute. Wohl mit einem gewissen Fragezeichen im Blick, der gleichen Neugier, die sie gestern schon geleitet hatte, als sie noch nicht gewusst hatte, was denn überhaupt in der Tüte steckte. Jetzt wusste sie es, hielt es sogar in den Händen. Aber sie hatte eine starke Vermutung, dass sie in den ganzen Minuten, die sie bereits über der Figur gebrütet hatte, noch nichtmal annähernd hinter das gekommen war, was er ihr damit sagen wollte. Es sei denn, er fand den filigranen Engel einfach hübsch anzuschauen und hatte gedacht, er passe ganz gut zu ihr, weil er ebenfalls kaputt war, ganz eindeutig eine besonders sorgfältige, sanfte Behandlung und viel Liebe bedurfte. Sie konnte ihn auf den Nachttisch stellen und immer anschauen, wenn sie Victor vermisste. Und wenn sie ihn gerade nicht vermisste - falls es solche Momente überhaupt gab - dann konnte sie den Engel anschauen und trotzdem immer an Victor denken und den Gedanken ihre Seele erhellen lassen. Alles schöne Ideen, aber so wie sie ihn kannte, hatte sich der junge Mann definitiv mehr dabei gedacht als nur einen weiteren Staubfänger für ihre neue Wohnung zu besorgen. Mittlerweile lag ihr Blick wieder auf ihm und sie wartete, bis er sich neben sie gesetzt hatte. Kaum war das geschehen und er hatte die Krücken beiseite gestellt, lehnte sie sich auch schon in seine Richtung, um ihm einen innigen Kuss auf die Lippen zu drücken, den Engel mit der anderen Hand festzuhalten, um nun mit den ihm zugewandten Fingern durch seine Haare und über seine Haut zu streichen. "Jedenfalls auch Danke dafür... Sie ist wirklich sehr schön... auch wenn ich - glaube ich - noch nicht ganz hinter das blicke, was du mir damit sagen willst...", murmelte sie ihm zu, streichelte mit einer Hand weiter sanft seinen Hals, während ihre Augen zurück zum Engel mit den brüchigen Flügeln fanden.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ja, das dachte ich mir auch schon so, dass sie da nicht so lange feststecken sollte... x'D Ich würde vorschlagen, dass sie das mit der Narbe noch in der Klinik abhaken. Halt so zur Sicherheit, nur falls es den nächsten Zusammenbruch provozieren sollte. Wo die danach wohnen sollen is allerdings eine sehr gute Frage, weil Hotel auf ewig frisst ja auch endlos Geld. Ich weiß jetzt nicht wie das bei euch ist, aber bei uns liegen Mietkautionen etwa bei zwei Kaltmieten und die Kündigungsfrist meistens bei drei Monaten. Wenn die den Vermieter jetzt zeitnah drauf ansprechen, dass sie aus triftigen Gründen da nicht mehr wohnen bleiben können, könnte man sich ja drauf einigen, dass sie nur noch den einen nächsten Monat (den Faye ja dann sowieso noch zu Teilen in der Klapsmühle ist) Miete zahlen und der Vermieter im Gegenzug für die restlichen zwei Monate der eigentlichen Kündigungsfrist halt die Kaution einbehält (weil er die anderweitig nicht braucht, weil an der Wohnung selber ja nichts beschädigt ist durch den Einbruch o. Ä.). Ist zwar auch ärgerlich, kommt für die zwei finanziell ja aber trotzdem günstiger raus als noch zwei volle Mieten. Und für den Vermieter isses am End auch gut, wenn er schon vor Ablauf der Frist neue Mieter findet, also geht das bestimmt irgendwie. Zumindest is mir bisher nix besseres oder realistischeres eingefallen, haha. x'D Wenn die dann noch nicht pünktlich eine neue Wohnung haben müssen die Möbel etc. halt kurzfristig irgendwo zwischengelagert werden, aber das wird wohl machbar sein heutzutage. ^^" Oder sie verkaufen die aus Erinnerungsgründen, ist mir eigentlich völlig egal. Und hinsichtlich Victors Abflug... da könnt man evtl. machen, dass er das eigentlich für später geplant hatte (wenn die halt schon kleines bisschen länger draußen und beide stabiler sind) aber es dann selber zur Sprache bringt (noch bevor sie sich endgültig für eine neue Wohnung entscheiden haben), wenige Tage nachdem er die Narbe gesehen hat, weils ihn einfach dezent kirre macht zu wissen, dass Gil theoretisch ganz in der Nähe ist und blablabla. Er Faye deswegen auch drum bittet mindestens bis auf die andere Seite der Stadt zu ziehen, in der Aryana und Mitch wohnen, damit er zumindest slightly besser damit umgehen kann, solange er weg ist... Bin wie immer aber auch offen für andere Vorschläge, especially wenn Denkfehler meinerseits vorhanden sein sollten. XD ________
Allein schon ihre glückliche Reaktion darauf, dass ich den Pulli mitgebracht hatte, war das noch einmal zurück zum Zimmer hinken absolut wert gewesen. Natürlich hätte ich theoretisch meine Mutter dafür schicken können, aber je schneller ich sämtliche Belastung im Alltag wieder selbst hinbekam, desto früher konnte sie wieder heim und mich mit meinen Gebrechen alleine - beziehungsweise bei Faye - lassen. Die besorgten Blicke, die sie immer wieder ungewollt in meine Richtung warf, waren nur unnötig zusätzlich belastend... auch wenn ich den Fahrservice allein schon aus finanzieller Sicht wirklich zu schätzen wusste. Zwar traute ich mir das Fahren durchaus schon wieder zu, aber wenn dabei was passierte zahlte mir das keine Versicherung. Dann war ich selber Schuld, weil der Fuß ja noch nicht geheilt war und das ganz bestimmt mit reingespielt hatte - auch wenn es am Ende gar nichts damit zu tun hatte, die üblichen Ausreden eben. "Gerne. In der Wohnung war ich noch nicht wieder, also wirst du auf die CDs leider noch ein bis zwei Tage warten müssen.", setzte ich die Brünette auch über den Stand der Dinge hinsichtlich ihres zweitens Wunsches in Kenntnis. Ich hatte seit gestern noch gar keine Zeit dafür gehabt, nochmal unser altes Zuhause heimzusuchen. Vielleicht würde ich später auf dem Heimweg vorbeifahren. Ansonsten eben erst Morgen, je nach Gemütslage. Ich musste mich halbwegs bereit dafür fühlen, wenn meine Mutter nicht dabei war. Andererseits war es vielleicht trotzdem besser, wenn ich alleine hinging. Mal versuchte, es richtig zu verinnerlichen, statt nur schnell besagte CDs einzusammeln und danach zu flüchten. Genug davon. Ich ließ mich nahe Faye aufs Bett sinken und daraufhin ließ der erste Kuss nicht lange auf sich warten. Ich lächelte in in den Kuss hinein, während ich ihn erwiderte und Macht der Gewohnheit meine Hand an Fayes Gesicht hob. Ihr die Wange entlang bis hinters Ohr streichelte, bevor sich unsere Blicke wieder fanden. Ich lächelte noch immer schwach vor mich hin, als die zierliche Brünette sich für die Figur bedankte und mich mit ihrer darauffolgenden Feststellung zum Schmunzeln brachte. Einen Moment lang senkte ich den Blick und musterte den Engel in ihrer Hand, bevor ich wieder zu der jungen Frau aufsah. Meine Finger langsam von der empfindlichen Haut hinter ihrem Ohr löste, um sie stattdessen auf ihrem Oberschenkel abzulegen. "Ursprünglich... war der Engel mein bildlicher Notfall-Plan, falls du mich weiterhin nicht zu dir gelassen hättest...", holte ich weiter aus, als ich es tun müsste und streichelte unterbewusst mit dem Daumen über den Stoff ihrer Hose. "Ich hab Zeit in einem Antiquitätengeschäft überbrückt und nicht spezifisch nach Irgendwas Ausschau gehalten.... aber als ich den Engel gesehen hab, musste ich an dich denken. Sie sah so verzweifelt aus... verloren... als würde sie sich einfach verstecken wollen in der Hoffnung, dass sie Niemand mehr sieht... und wahrscheinlich wollte sie bisher nur Niemand kaufen, weil sie nicht mehr unversehrt ist... nicht mehr perfekt... du hast auch ein paar Feder verloren, die letzten Jahre über. Warst mehr als einmal am Boden zerstört... hast Schlimmes erlebt... selbst Fehler gemacht, die du gerne rückgängig machen würdest... und die Vergangenheit hält dich weiter am Boden, obwohl du auch mit ein paar Federn weniger immer noch fliegen könntest. Du müsstest es nur versuchen..." Zwar war das Fliegen ohne volles Gefieder sicherlich schwieriger und anstrengender, aber es war definitiv nicht unmöglich. Ich machte eine kurze Pause und lehnte mich zu ihr hin, hauchte einen Kuss an ihr Ohr und hielt inne. "Ich hab auch Federn verloren, Faye. Würde rückblickend betrachtet sicher einiges anders machen, was ich in den letzten Jahren alles verbockt habe... aber das geht nicht. Also ist der einzige Weg nach oben die Zukunft... auch wenn die mir wahrscheinlich genauso viel Angst macht wie dir. Wenn wir es schaffen, die Vergangenheit hinter uns zu lassen, dann... können die Federn irgendwann nachwachsen.", murmelte ich leise in ihr Haar. Ich hauchte einen weiteren Kuss an ihr Ohr, bevor ich mich zurücklehnte und sie wieder ansah. "Und auch mit ein paar Federn weniger bist du immer noch viel mehr als nur genug für mich.", verdeutlichte ich ihr auch das noch einmal, damit sie es auch ja nicht in Vergessenheit geraten ließ. Sie musste nicht ohne jeden Fehler sein, wenn ich es doch auch nicht war. "Du musst mich schließlich auch mit dem zerrupften Federkleid hinnehmen.", hängte ich kurz darauf noch ein paar sarkastische Worte an und grinste schief, um dem Ganzen etwas Lockerheit zu geben. Klopfte dabei ganz sachte zweimal auf ihren Oberschenkel, ohne den Blick von ihrem Gesicht zu nehmen. Vielleicht litten Faye und ich nicht beide an den exakt selben psychischen Leiden, weil die Folgen des selben Traumas bei uns jeweils ein bisschen anders ausfielen... aber am Ende des Tages war ich auch nicht weniger geschädigt, als sie es war. Musste in naher Zukunft genauso viel an mir arbeiten wie sie, wenn das mit uns beiden jemals wieder richtig funktionieren sollte.
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Ja, halte ich auch für sinnvoller, dass die gute Frau selber merkt, dass sie das Problem mit der Narbe in der Klinik ansprechen muss.. x‘D Das mit der alten Wohnung klingt realistisch und ich denke nicht, dass sie die Möbel verkaufen müssen… Geht bei dem Umzug ja weniger darum, dass die netten Menschen die Möbel betatscht haben, als einfach darum, dass sie da drin waren und wissen, wo F&V gewohnt haben und theoretisch zurückkommen könnten. Mal schauen. Dass sie etwas weiter als drei Blocks wegziehen, finde ich auf jeden Fall gut und wird Faye auch gerne unterstützen, da es letztendlich absolut in ihrem Interesse steht, guten Abstand zwischen Gil und sie zu bringen. Vielleicht können sie auch zwei Städte weiter ziehen (also von da wo sie jetzt sind, zu M&A und noch eine weiter), wo wiederum ein Krankenhaus platziert ist, das zum gleichen Unternehmen wie das andere gehört, wodurch Faye dann auch den Arbeitsplatz wechseln und sobald möglich wieder mit Arbeiten beginnen kann. Dann muss zumindest sie dann theoretisch überhaupt nicht mehr in die alte Heimat, ausser um Freunde zu treffen oder so. Und wegen der Wohnung - sie können ja auch einfach einmal Glück haben (lel) und innerhalb von zwei Wochen oder so nach Fayes Austritt eine finden, die ihren Bedürfnissen entspricht (mit der Aussicht, dass Victor für längere Zeit weggehen wird, muss das ja auch nichts perfektes sein, sondern eher mal so ne nicht zu teure aber trotzdem verhältnismässig angenehme Übergangslösung für ein bis max. zwei Jahre). Und bis die bezugsbereit ist, sind sie halt eben noch so zwei Wochen in einem Hotel oder b&b oder bei Freunden oder was auch immer. ____________
Das hatte ja auch Zeit mit der Wohnung. Noch war sie überaus gut beschäftigt damit, sich selbst wieder zu einem lebensfähigen Wesen zu entwickeln. Die CDs würden erst dann relevant werden, wenn sie abends überhaupt die Energie hatte, länger als bis 20:00 Uhr wach zu bleiben, um der Musik überhaupt mehr oder weniger aktiv zu lauschen. Darum schüttelte sie auch sofort schwach den Kopf, als er davon redete. "Nur keine Eile, ich dachte eher, dass du die holen kannst, wenn du sowieso mal was aus der Wohnung brauchst... Ich bin relativ gut beschäftigt im Moment", gab sie ihm auch wörtlich Bescheid, lächelte ihn dabei sanft an. Sie betrachtete den Engel, als Victor zu der Erklärung ansetzte, auf die sie ohne Hilfe nicht gekommen war. Ein Notfall-Plan also. Gut, dass es diesen nicht gebraucht hatte, weil sie nicht vorgehabt hatte, ihn ohne ein weiteres Wort für immer auszusperren. Und gut, dass sie gestern verhältnismässig schnell nachgegeben hatte und eingeknickt war, bevor sie ihm noch mehr Schmerzen bereitet und Anstrengungen gekostet hatte. Doch Fayes Gedanken blieben nicht besonders lange am gestrigen Nachmittag hängen, als Victor weiter sprach und ihr das erklärte, was sie selber hätte sehen können. Dass die Engelsfigur ihn an sie erinnert hatte, weil sie sich mindestens bis gestern ganz genauso verzweifelt und kaputt gefühlt hatte. Unbewusst strich ihr Finger immer wieder über die Haare der Frau, als möchte sie sie trösten und ihr versichern, dass sie sich nicht weiter zu verstecken brauchte. Genau wie Victor ihr das gestern so vehement hatte klarmachen wollen. Genau wie er es ihr jetzt schon wieder sagte. Sie könnte noch immer fliegen... Ihre Finger hielten inne, als sie den Kuss an ihrem Ohr spürte und gleich darauf weitere, leise Worte vernahm. Sie wusste, dass es die Wahrheit war... Aber auch, dass es schwierig war. Besonders der Teil mit die Vergangenheit hinter uns lassen, denn sie wusste nicht, wie das wirklich funktionierte. Weil sie es noch nie so ganz geschafft hatte. Auch wenn sie wollte, spätestens diesmal wirklich. Sie hob den Blick wieder an, um Victor nach dem zweiten Kuss mit ihren Augen zu suchen, tastete sein Gesicht mit ihren Blicken ab und blieb letztendlich an seinen Augen hängen. Viel mehr als nur genug. Das würde sie sich aufschreiben und zweitausend Mal am Tag lesen müssen, falls sie es irgendwann glauben sollte. Und das wollte sie wirklich - ihm zuliebe. Damit er sich endlich auf etwas anderes konzentrieren konnte als darauf, ihr ständig sagen zu müssen, dass sie ihrem Kopf nicht alles glauben sollte, was er über sie dachte. Faye streckte sich ihm erneut ein Stück entgegen, um ihm den nächsten langen Kuss auf die Lippen zu drücken, mit dem sie die unendliche Dankbarkeit und Liebe, die sie für ihn empfand, ein Bisschen besser ausdrücken konnte als mit Worten allein. Ihre Finger strichen über seine Schläfe, als sie sich wieder etwas von ihm löste und ihm einfach nur gerührt in die Augen blickte, das Herz pochend voller Liebe. "Das ist... wirklich... wirklich sehr süss von dir", stammelte sie vor sich hin, wobei die Worte wie erwartet nicht annähernd das übermittelten, was sie ihm sagen wollte. "Und wir schaffen das... irgendwie, irgendwann... Und dann fliegen wir gemeinsam", hauchte sie mit aller Zuversicht, die sie aufbieten konnte, bevor ihre Augen erneut zu der Figur sanken. Ja, vielleicht sahen seine Federn auch nicht mehr so makellos aus, wie sie das früher irgendwann getan hatten. Aber sie hatten nicht zuletzt dadurch Schaden genommen, dass er seine Flügel schützend um sie gelegt hatte, sie gegen das Böse hatte abschirmen wollen, das ihnen auf ihrem gemeinsamen Weg so oft begegnet war. Aber das war es eben, was ihre Geschichte ausmachte. Ihre Pfade waren ineinander verwoben, die Schmerzen und Traumata miteinander verbunden. Und weil die Seile sich unterwegs so oft verknotet hatten, mussten sie nun auch gemeinsam wieder nach draussen finden. Sonst schleppte am Ende eine Person für immer die Überreste des anderen hinter sich her, würde mit diesem Zusatzgewicht nie wieder fliegen können. Das konnten sie nur, wenn sie zusammen aufstanden, zusammen Heilung suchten und sich beide regenerierten. Und das würden sie tun... Bis sie wieder - oder zum ersten Mal - wirklich frei waren. Bis der Engel nicht mehr weinen musste, bis die Flügel wieder wunderschön glänzten.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Gut, ok, dann is dat ja alles schonmal geklärt... x'D Passt alles, einwandfrei. Schon traurig, wie man extra betonen muss, dass sie ausnahmsweise mal Glück haben können... x'D arme Kinderchens. ^^ ________
Keine Eile, nein. Ich hatte es auch eigentlich so gar nicht eilig, unsere alte Wohnung wieder zu betreten. Zwar glaubte ich nicht, dass mir dort tatsächlich mal jemand auflauern würde, aber die Wohnung hielt einfach ein schrecklich beklemmendes Gefühl für mich bereit. Ich hatte mich schon das letzte Mal beobachtet gefühlt, obwohl mir auch beim Verlassen des Hauses im Anschluss nichts aufgefallen war, das auch nur ansatzweise verdächtig gewirkt hatte. Es wurde aber leider auch nicht gerade einfacher, wenn man sich tagelang immer wieder einredete, dass es scheiße werden würde und man sich infolge dessen davor drückte. Es wurde eher schlimmer, je länger man es aufschob. "Das ist gut... aber zu lang will ich's auch nicht aufschieben... es wird denke ich nur schwerer, je länger ich mich davor drücke.", stellte ich leise fest. Trotzdem war es gut zu hören, dass Faye die CDs nicht unbedingt am besten sofort jetzt gleich brauchte, weil ich mir dann nicht unnötig zusätzlich Druck machen musste. Außerdem wären ein paar frische Klamotten für mich sowieso bald mal notwendig, also womöglich sollte ich das auch einfach gleich in einem Aufwasch erledigen... oder ich machte doch beides separat, nur um mich einmal mehr mit der Angst zu konfrontieren. Würde ich mir noch überlegen, es eilte ja nicht. Der innige Kuss, der auf meine etwas lang geratene Ausführung folgte, war im Grunde schon alles, was ich als Antwort brauchte. Während ich den Kuss liebevoll erwiderte, setzte sich auch meine Hand erneut in Bewegung und strich an ihrem Oberschenkel aufwärts, bis sich unsere Augen schließlich erneut begegneten. Bei Fayes Worten hob ich lächelnd meine Hand von ihrem Bein an, um stattdessen nach ihrer zu greifen. Sie behutsam von mir zu nehmen, damit ich meine Finger richtig mit ihren verschränken konnte. "Ja, das werden wir... höher als jemals zuvor.", bestätigte ich, ließ mir die für den Moment ganz gut anhaltende Zuversicht nicht nehmen und küsste ihren Handrücken, bevor ich unsere Hände langsam sinken ließ. Bisher hatte uns immer Irgendjemand vom Himmel geschossen, wenn wir versucht hatten wieder nach oben zu kommen. Zurück zu Wolke 7... oder noch höher, denn unsere Liebe an sich hatte sich in all dem Chaos und dem Schmerz nie verloren. Sie war geblieben und das würde sie für immer. Das war eines der wenigen Dinge, die ich mit absoluter Sicherheit wusste und es würde sich lohnen, für die Freiheit unserer Liebe zu kämpfen. All die alten Ketten der Vergangenheit loszuwerden. Der Optimismus dafür ließ sich leicht aus Fayes Nähe schöpfen. Deshalb beugte ich mich der zierlichen Brünetten noch einmal entgegen, um mir einen weiteren zärtlichen Kuss von ihren Lippen zu stehlen. Dabei über ihre zierlichen Finger zu streicheln, bis ich sie schließlich wieder ansah. Meine Augen fielen kurz darauf zurück auf den traurigen Engel. Ich löste meine Hand langsam wieder von Fayes, um stattdessen nach dem Engel zu greifen. Die ohnehin schon etwas lädierte Figur zu nehmen und sie auf dem Nachttisch beiseite zu stellen. Dafür musste ich mich doch etwas mehr ausstrecken und eine der beiden neuen alten Stichwunden am Rücken zwickte kurz, weshalb ein leichtes Zucken durch meinen Oberkörper fuhr. Der Engel kam aber unbeschadet auf dem kleinen Beistelltisch an und als sich meine Körperhaltung entspannte, schwand auch der Schmerz schnell wieder. War also kaum der Rede wert. "Jetzt, wo das Engelchen in Sicherheit ist...", setzte ich an und plante nicht, den Satz noch wörtlich zu beenden. Weil ich aus dem gestrigen Dilemma gelernt hatte und draußen ja glücklicherweise noch kein Schnee lag, schlüpfte ich noch während meiner Worte beiläufig aus den Sneakern. Die konnte man locker genug binden, um sie nicht ständig ganz aufmachen zu müssen, sondern auch dank dem etwas flexibleren Stoff einfach so wieder reinschlüpfen zu können. Da waren sie den wärmeren Stiefeln einfach voraus und ich musste mich beim Anziehen dann deutlich weniger vor Übelkeit und schwerem Schädel fürchten, weil es sehr viel schneller erledigt war. Danach drehte ich mich Faye wieder vermehrt zu und legte den vernarbten Arm vorne um ihren Bauch, um sie kurzerhand mit mir inklusive auf die Matratze umzuschmeißen. Mit nicht grade viel Schwung, damit ihr dabei im besten Fall nicht kotzübel wurde, natürlich. Aber ich brauchte das. Ein bisschen Normalität. Ein kleines bisschen verliebte Verspieltheit. Irgendwas, das an gute Zeiten erinnerte. Ich hatte meinen Arm noch immer locker um Fayes schmaler gewordenen Körper liegen, als ich ihr lächelnd zwei, drei flüchtige Küsse auf die Wange hauchte. "Hat Aryana sich schon gemeldet?", fragte ich nach ein paar schweigsamen Sekunden und einem zufriedenen Seufzen unbefangen nach. Wenn nicht war das auch nicht schlimm, es interessierte mich nur. War ja möglich. Falls sie sich noch nicht gemeldet hatte, dann würde sie das aber wahrscheinlich zeitnah machen, nachdem sie meine Nachricht gelesen hatte. Nur für den Fall, dass sich basierend auf der Kontaktaufnahme von meiner Seite aus hier irgendwas zum Positiven gewendet hatte - was glücklicherweise der Fall war.
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Muss leider so sein weil wir wissen, dass es langweilig wird, wenn sie zu oft Glück haben... x'D ___________
Das war gut möglich, da es meistens nicht sehr sinnvoll war, Dinge, die man nicht tun wollte, aufzuschieben. Trotzdem waren Victor und sie gleichermassen nicht unbedingt in Situationen, in denen sie sich unbedingt noch irgendwelchen zusätzlichen, vermeidbaren Belastungen aussetzen mussten - wenn ihn also der Besuch der Wohnung zu sehr belastete, brauchte er das von ihr aus auch nicht zu tun. Oder jedenfalls nicht alleine. Aber sie vertraute hier wohl einfach erstmal auf seine persönliche Beurteilung und Entscheidungsfähigkeit. Darauf, dass er selber alt genug war und vor allem die Kraft seiner Psyche am besten einschätzen konnte, um zu wissen, ob er sich das geben wollte oder nicht. Also beliess sie das Thema nun auch, weil sie ja scheinbar noch genügend andere Dinge zu bereden hatten. Oder auch nicht zu bereden, weil nicht alle Emotionen Worte brauchten, wie der folgende Kuss sehr deutlich zeigte. Besonders dann nicht, wenn man über die Jahre längst gelernt hatte, miteinander zu kommunizieren, ohne die eigenen Aussagen auf diese Art zu verpacken. Trotzdem hatten natürlich auch Worte ihre Schönheiten - besonders dann, wenn sie so voller Zuversicht ausgesprochen wurden, wie die, die er ihr zukommen liess. Höher als jemals zuvor. Ja, es wurde langsam Zeit, dass sie das Wirklichkeit werden liessen. Dass sie so hoch flogen, dass selbst die fiesesten Schüsse sie nicht mehr erreichen konnten. Sie in Freiheit und Sicherheit schwebten, fernab von Angst und Verzweiflung. "Höher als jemals zuvor - ich glaube, damit können wir uns bestens anfreunden", bestätigte sie nochmal, drückte sanft seine Finger und lächelte ihn dabei glücklich an. Es war wohl besser, dass er ihr daraufhin den Engel vorerst abnahm, weil Faye selbst am wenigsten riskieren wollte, ihr noch mehr Federn aus den lädierten Flügeln zu brechen. Sie schaute ihm dabei zu - wobei ihr leider auch das schwache Zucken nicht entging, das ihrer Meinung nach eindeutig von Schmerzen zeugte. Allerdings liess er ihr wenig Zeit, darüber nachzudenken, als er schon aus den Schuhen schlüpfte und sie gleich darauf damit überraschte, sie heute etwas schneller in die liegende Position zu schicken als gestern. Sie lachte mittelmässig erschrocken auf - hätte das Vorhaben eigentlich voraussehen können, als er die Sneakers von den Füssen geschoben hatte. Trotzdem legte sie umgehend ihre Hände um seinen Arm, die Augen wegen des Schwindels vorübergehend geschlossen, während sie zwischendurch noch immer lachte, als er schon dabei war, ihr die Küsse auf die Wange zu setzen. "Betest du vor solchen Übungen jeweils, dass ich dich daraufhin nicht ankotze, oder hoffst du einfach aufs Beste?", fragte sie sarkastisch, von einem breiten Grinsen begleitet und schlug dann langsam die Augen wieder auf, um ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue zu betrachten. Ihr war nicht wirklich übel, nur natürlich etwas schwindlig. Wobei man hier anmerken könnte, dass ihr ständig etwas schwindlig war und er eine ziemlich sanfte Methode dieses Umschmeissens vollzogen hatte. Trotzdem. Ein gewisses Restrisiko blieb. "Sie hat gestern Abend angerufen, aber da hab ich schon geschlafen und sowas wie Textnachrichten stehen mir momentan nicht zu... Beziehungsweise ich hab ja mein Handy noch nicht zurück. Aber sie hat ausgerichtet, ich soll sie heute Abend nach neunzehn Uhr zurückrufen. Wieso? Hast du mit ihr gesprochen?", berichtete sie von den letzten Lebenszeichen ihrer Schwester, blickte nun neugierig zu ihm rüber. So wie seine Frage klang, könnte man nämlich davon ausgehen.
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Wir waren uns auf jeden Fall einig damit, zusammen wieder nach oben zu wollen. Der Sonne entgegen, endlich über den anhaltenden Regenschauer hinaus. Oder erstmal doch eher in die entgegengesetzte Richtung, runter auf die Matratze. Faye wieder lachen zu hören war wohltuender als alles andere. Wir hatten ja schon einige Tage vor der Entführung nicht mehr unbedingt Etwas zu lachen gehabt, also nahm ich jetzt gerne jede kleine Möglichkeit dafür wahr, diesen an sich simplen Ausdruck der Freude von ihr mitzunehmen. Zwar heilte Lachen allein keine geschundene Seele, aber gerade nach so einer zu langen, einsamen Zeit konnte es nur Gutes bewirken. Sowohl bei mir, als auch bei ihr. Ihr Kommentar dazu ließ mich umgehend ebenfalls grinsen, noch bevor ich mich auf den unverletzten Arm stützte und zu ihr hinabsah. So konnte ich Faye besser ansehen und mir ihr Grinsen einprägen, als hätte ich es nicht sowieso schon unzählige Male gesehen. Aber ich wusste zur Zeit eben nie, wann der nächste düstere Moment folgte. "Hmm... ich denke letzteres? Es sei denn du sagst mir, zu welchem Gott wir neuerdings beten. Vielleicht ist er mir ja ausnahmsweise sympathisch.", antwortete ich nicht weniger belustigt, zuckte dabei mehr oder weniger mit den Schultern. So gut es eben ging, wenn man sich auf einen Ellbogen stützte. Ich war nicht gläubig. Ganz früher, als meine Eltern Hazel und mich noch ab und zu mit in die Kirche geschleift hatten, da hatte ich mir über Religion manchmal Gedanken gemacht. Aber allerspätestens im Krieg war ich mir dann doch sehr sicher damit gewesen, dass es zumindest diesen einen ach so gnädigen Gott nicht geben konnte. Seitdem war das Thema für mich auch gegessen. Aryana schien tatsächlich im Verlauf der vergangenen Stunden versucht zu haben sich bei ihrer jüngeren Schwester zu melden. Nur hatte die eben schon geschlafen, was wegen der Medikation nachvollziehbar war. War unwahrscheinlich, dass sie nach meinem Besuch schon zeitnah wieder aufgewacht war, wenn sie sich erstmal dem Schlaf hingegeben hatte. Auch wenn die beiden demnach nicht miteinander geredet hatten, war es schön, dass die ältere der beiden Schwestern damit ein deutliches Lebenszeichen von sich gegeben hatte. Für mich rückte es manchmal in den Hintergrund, dass sie theoretisch weiterhin täglich bei irgendeiner Mission sterben konnte, auch wenn sie dank moderner Technologie angeblich viel besser geschützt waren. Das Restrisiko blieb trotzdem da. Aryana war nicht meine Schwester, weswegen ich mir wohl seltener Sorgen darum machte als Faye. Sie war aber eine gute Freundin und ich wünschte ihr und Mitch, dass sie auch irgendwann mal frei und glücklich waren. Die beiden hatten das ja leider auch noch nicht von ihrer imaginären To-Do-Liste streichen können. "Nein. Ich hab ihr nur vorhin beim Essen eine kurze Nachricht geschickt... dass sie sich wieder melden kann, wenn sie das will, es mir nach wie vor den Umständen entsprechend relativ gut geht und so. War denke ich einfach angebracht, nachdem ich sie und Mitch nicht unbedingt liebenswert aus meinem Zimmer verbannt habe.", meinte ich und wurde zum Ende hin etwas leiser, während mein Blick auf meinen verbrannten Arm und Fayes Hände fiel. Ein bisschen leid tat mir das im Nachhinein schon. Nicht, weil ich es getan hatte, sondern auf welche Art. War nicht nett gewesen und hatte Aryana wahrscheinlich nur unnötige zusätzliche Sorgen beschert, die sie nicht hatte brauchen können. "Dass ich bei dir war hab ich ihr aber nicht gesagt, die Nachricht darfst gerne du überbringen.", hängte ich lächelnd ein paar Sekunden später an und suchte wieder nach Fayes Blick. Streichelte ihr mit den Fingern sanft über die Seite, weil sich die am besten erreichen ließ, ohne den Arm - und demnach die einst angekokelte Haut - zu sehr unter Spannung setzen zu müssen. "Was hat der Arzt gesagt?", erkundigte ich mich kurz darauf weiter. Das interessierte mich wohl auch eigentlich noch mehr, als Aryanas Anruf. Es war einfach wichtig, dass Faye nicht mehr länger unter der zu hohen Dosis leiden musste. Sich wieder bewegen konnte, ohne dass ihr ständig schwindelig war oder sie das Gefühl bekam, sich nächstens übergeben zu müssen. Wenn sie ständig nur mit ihrem Körper beschäftigt war, konnte sie sich kaum auch noch effektiv um ihre Psyche kümmern.
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Tja, das musste sie sich wohl selber zuerst überlegen, was auch ihr gespielt nachdenklicher Blick verriet. "Hmm... Vielleicht ist es besser, wenn du ihn dir selbst aussuchst, ich habe keine besonders kreativen oder verlockenden Vorschläge“, folgten dann die eher enttäuschenden Ergebnisse. Der Gott aus der Kirche würde wohl auf genauso wenig Anklang stossen wie der liebe Allah oder irgendeiner aus der griechischen Mythologie. Mussten sie also scheinbar weiter ohne auskommen wies schien. Zum Glück hatten sie genug Übung damit, dass das nicht so schlimm war. Faye lauschte auch seiner Erklärung zu der Frage nach Aryana, die scheinbar wirklich nicht ganz unbegründet gekommen war, auch wenn er offenbar noch nichts von ihrer Schwester zurückgehört hatte. Was aber nicht weiter erstaunte, da sich Aryana und Mitch ja gerne in Zeitzonen aufhielten, die nicht unbedingt mit ihrer eigenen korrespondierten. Vielleicht hatte sie die Nachricht noch gar nicht gelesen oder nicht antworten können, weil sie noch arbeitete. Trotzdem war es gut, dass Victor ihr geschrieben hatte, um die Funkstille - die wohl auch wieder auf die eine oder andere Art Faye zuzuschreiben war - aufzuheben. "Vielleicht wird das gar nicht mehr nötig sein, wenn sie deine Nachricht liest...", lächelte sie ihm zu, nachdem er erwähnt hatte, noch nichts von seinem Besuch hier geschrieben zu haben. Aryana dürfte schon vermuten, dass es irgendeinen Auslöser für die Nachricht gegeben haben dürfte, wobei der scheinbar nicht zu schlecht ausfallen könnte, da es Victor ja sonst nicht relativ gut gehen würde. Wäre also ein naheliegender Schritt. Aber würde sich heute Abend wohl zeigen, wenn Faye mit ihr redete, worauf sie sich auch wirklich freute. Das erste Mal gute Neuigkeiten zu überbringen, war doch schon ein ziemlich schöner Meilenstein. Ihre Finger strichen über seinen Arm, den sie noch immer locker festhielt. Sie hatte mittlerweile auch gemerkt, um welchen Arm es sich dabei handelte, weshalb ihre Berührungen auch nur sehr sehr vorsichtig und zart ausfielen, weil sie sich dezent davor fürchtete, ihm damit Schmerzen zuzufügen und das war das Letzte, was sie wollte. Aber sie wollte sich auch nicht auf ewig vor dieser - oder irgendeiner anderen - Narbe auf seinem Körper zieren, weshalb sie versuchte, sich abgesehen von den leichten Berührungsängsten so normal wie möglich zu verhalten. Den Gedanken in ihrem Kopf nicht zu viel Platz zu lassen, während sie ihr einreden wollten, dass diese Haut nur wegen ihr vernarbt war, nur wegen ihr Feuer gefangen hatte. Sie durfte nicht daran denken und sich davon nicht abstossen lassen, das wäre alles, was er nicht verdient hatte... Und sie wusste, dass er es merken würde und es ihm bestenfalls auch noch wehtun würde. "Er hat die Dosierung reduziert... Ziemlich stark. Solange ich jeden Tag zur Therapie gehe und eben umgehend sage, wenn... die ganz üblen Gedanken zurückkommen oder ich mich überfordert fühle...", gab sie Victor Bescheid über den positiven Verlauf ihres Arztbesuches, den sie heute Morgen hinter sich gebracht hatte. Das dürfte ihn bestimmt auch glücklich machen, da er immerhin die gleichen Ziele vor Augen hatte, was ihre psychische Gesundheit anbelangte, wie sie selbst mittlerweile. Und die konnten sie nicht erreichen, wenn Faye nicht denken konnte. "Tut... tut das noch weh..?", schob sie eine leise Frage nach, die ihr trotz dem Themenwechsel auf der Zunge brannte und die eindeutig auf seinen Arm bezogen war, zu dem ihr Blick nun auch wanderte. Eigentlich hatte sie keine Unsicherheit zeigen wollen, aber es wäre besser, wenn er ihr das sagen würde, als wenn sie ihm hier zusätzliche Schmerzen zufügte, die er nicht brauchte. Und wenn sie wusste, dass es nicht wehtat, würde sie sich sicherlich auch nochmal etwas mehr entspannen können. Etwas weniger Hemmungen verspüren.
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Mir meinen neuen Gott selbst aussuchen? "Dann bleib ich bei keinem.", stellte ich ironisch fest und schüttelte kurz den Kopf. Nein, das mit dem Glauben an Götter ließ ich gerne bleiben. Alles andere empfand ich als ebenso wenig verlockend, wie Faye das auch tat. Da philosophierte ich lieber noch mehr darüber, was genau meine kurze Nachricht bei Aryana ausgelöst hatte oder noch auslösen würde. Als ich das Restaurant verlassen hatte, war jedenfalls noch keine Rückmeldung darauf gefolgt. Zumal ich, wenn ich mich recht entsann, sogar zu ihr gesagt hatte, das ich meine Ruhe haben wollte, um mich erst auf mich und dann eben auf Faye zu konzentrieren. Ihr wieder auf die Beine helfen zu wollen, sobald es mir möglich war und deshalb Kraft sammeln zu wollen. So oder so ähnlich jedenfalls, an den genauen Wortlaut erinnerte ich mich nicht mehr. Aber womöglich würde sie diesbezüglich wirklich schon von sich aus eins und eins zusammenzählen, noch bevor sie irgendwo anrief oder eine Nachricht zurückschickte. Aryana war ja nicht blöd, es musste einen tendenziell positiven Grund für die Änderung meiner vorherigen Einstellung geben. Ich gönnte ihr jegliche erleichternden Gedanken diesbezüglich auch gerne, sie musste in den letzten Wochen ebenfalls nicht weniger als die Hölle durchgemacht haben. Auch wenn sie Verwandte an Fayes Seite wusste, wäre es ihr sicher lieber selbst hier sein und nach ihr sehen zu können. Weggehen zu müssen, wenn man wusste, dass man Zuhause eigentlich gebraucht wurde, war ein beschissenes Gefühl. "Damit könntest du Recht behalten, ja.", bestätigte ich Faye in ihrer Annahme und nickte lächelnd. Hinsichtlich der Medikamente hatte die zierliche Brünette gute Nachrichten für mich. Die Erleichterung war mir wohl förmlich anzusehen, kaum hatte sie ihren Satz zu Ende gesprochen. Dass sie als Bedingung regelmäßig zu ihrer Therapie gehen sollte konnte ich ohnehin nur befürworten, da waren ihr Arzt und ich uns also sehr einig. Blieb jetzt nur noch zu hoffen, dass Faye auch mit der Umstellung einigermaßen gut zurecht kam und deshalb nicht ins nächste Loch fiel. "Gut, das... erleichtert mich.", sagte ich das wahrscheinlich schon sehr offensichtliche, begleitet von einem hörbaren Durchatmen. Es war schließlich ein wichtiger Meilenstein, dass sie sich körperlich besser fühlen musste. Wenn das erstmal der Fall war, dann würde sie nicht nur auch aktiver mitdenken und an sich arbeiten können, sondern sich hoffentlich auch insgesamt besser fühlen. Mit Glück auch recht bald wieder mehr essen, waren an ihrer Appetitlosigkeit sicherlich nicht zuletzt auch ihre Medikamente Schuld. Körper und Geist hingen eben leider grundsätzlich sehr stark zusammen, das eine beeinflusste immer auch das andere. Mein Blick sank ebenfalls für ein paar Sekunden lang zurück auf den Arm, den Faye beiläufig immer wieder streichelte. Ich war so auf die Gedanken an ihren Zustand fokussiert gewesen, dass mir gar nicht richtig aufgefallen war, dass sie schon länger darüber nachdenken musste. Sonst hätte sie die Frage wahrscheinlich nicht so zeitnah nach meiner Antwort auf ihren Arztbesuch gestellt. Ich schüttelte langsam den Kopf, bevor ich den Blick wieder anhob und Faye lächelnd in die Augen sah. "Solange du keinen Druck ausübst nicht.", beruhigte ich sie erstmal hinsichtlich ihrer Streicheleinheiten und beugte mich zu ihr runter, um ihr einen sanften Kuss auf die Lippen zu drücken. Das Streicheln war in diesem Maß völlig unbedenklich. "Es tut manchmal schon noch weh, aber eigentlich hauptsächlich dann, wenn... ich den Arm selber bewege. Wenn sich die Haut mehr spannt, als im Ruhezustand.", gab ich noch etwas genauere Auskunft, als ich mich wieder aufgerichtet hatte und sah erneut auf die lange Brandwunde. Ich hatte Glück gehabt, dass Mateo die Flamme nie lange an ein und derselben Stelle gehalten, sondern sie immer kontinuierlich weitergeführt hatte. Dadurch waren die Verbrennungen weniger tief. Dass ich trotzdem noch Schmerzen hatte lag daran, dass die oberste Hautschicht noch nicht vollständig wieder hergestellt war und ihre Elastizität noch nicht wieder hatte. Das ziepte eben unangenehm. Es tat auch wenn, wenn man übermäßig Druck auf die Brandstellen ausübte, aber das kam so ja normalerweise nicht vor. Nur nahe dem Ellbogen war es mit der Krücke ein bisschen blöd, deswegen bekam diese Stelle auch immer hier und da noch eine Extrabehandlung. War manchmal gerötet.
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"Damit kann ich leben...", gab Faye bezüglich der Sache mit dem Gott bekannt, grinste zufrieden vor sich hin. Sie hatten beide wohl einfach genug erlebt, um irgendwo unterwegs den Glauben an diese übernatürliche, schützende Hand verloren zu haben. Nicht, dass die Brünette nicht glauben würde, dass es irgendwas Grösseres als den Menschen gab, aber zu diesem was-auch-immer hatte sie keinen Bezug. Glaubte sie lieber an Engel. Auch wenn sie manchmal gebrochen und besiegt wurden, traurig waren, nicht so allmächtig wie die angeblichen Götter. So wie der auf dem Nachttisch. Davon gab es immerhin auch genügend, dass jeder Mensch auf der Welt einen haben konnte. Zum Beispiel auch Aryana und Mitch, wobei die - genau wie Victor und Faye selber - manchmal wohl sehr viel mehr als einen einzigen Engel in Anspruch nahmen. Immerhin konnte sie ihrer Schwester eine kleine Freude bereiten, wenn sie ihr heute Abend offiziell verkündete, mit ihrem akuten Todeswunsch abgeschlossen zu haben, weil Victor sie erfolgreich daran erinnert hatte, dass er sie niemals wegen eines nicht-böswilligen Fehlers ihrerseits hassen oder abschieben oder aufgeben würde. Mit etwas Pech hatte die Person, die gestern Abend mit Aryana geredet hatte, diese bereits über Victors Besuch aufgeklärt, weil Fayes Schwester bestimmt nach ihrem Zustand und den Neuigkeiten etc. gefragt hatte. Oder Chelsea stand mit ihr in Kontakt. Aber ja, spielte auch keine Rolle, sie würde sich trotzdem freuen, dessen war Faye sich sicher. Genau wie Victor sich offensichtlich über ihren Deal mit dem Arzt freute, der hoffentlich etwas Besserung versprach. Sie lächelte ihn, nicht minder erfreut sowohl über die gute Nachricht, als auch über seine Reaktion darüber, an, bevor sie sich dem, in ihren Augen weitaus bedrückenderem Thema seiner Verletzungen widmeten. Er sagte zwar, dass es meistens nicht mehr weh tat und die Streicheleinheiten vollkommen in Ordnung waren, aber ein gewisses, nicht so tolles Gefühl blieb eben trotzdem bestehen. Und es würde wohl auch noch eine ganze Weile so bleiben, bis sie sich wirklich vollkommen an die Verletzung und damit verbundene Narbe gewöhnt hatte. Auch wenn diese wohl mit der Zeit nicht mehr ganz so gut sichtbar sein würde... Das Problem an sich war auch nicht die Narbe oder der Anblick davon, sondern dieses schwer aushaltbare Gefühl der Schuld, das sich vermutlich noch ziemlich lange in ihrer Brust festbeissen würde, bis sie endlich ganz verstand, wie sie sich davon befreien konnte. Oder zumindest damit umzugehen lernte. "Gut...", meinte sie leise, als er mit seinen Ausführungen, denen sie sehr aufmerksam gefolgt war, scheinbar fertig war. Den sanften Kuss hatte sie in der Zwischenzeit selbstverständlich erwidert, auch wenn sie sich selbst von seinen Lippen nicht vollkommen hatte ablenken lassen können. "Ist es sehr... schlimm für dich..? Also die Narbe...", fragte sie weiter, blickte nun wieder in seine Augen statt auf den Arm. Die meisten seiner Narben waren bisher ja an seinem Rücken platziert, wo sie nicht direkt jedem auffielen, sobald er mal in einem Shirt herumspazierte. Natürlich war der Anblick der Narbe nicht das Schlimmste an der ganzen Sache, weil sie gar nicht wissen wollte - beziehungsweise längst vermuten konnte - was davon wirklich schlimm für ihn war. Aber trotzdem waren die körperlichen Spuren keine reine Nebensache, wenn man sie fragte. Sie konfrontierten einen zwangsläufig jeden Tag mit dem Erlebten und sie zogen Blicke auf sich, die man nicht brauchte. Sie hatten in Syrien beide (glaub ich zumindest... x'D) das Glück gehabt, nur Narben abzusahnen, die sich relativ gut verstecken liessen, wenn man sie nicht auf dem Serviertablett herumführen wollte. Jetzt war das etwas anders... Die Messerschnitte auf seinem und ihrem Hals und an ihrer Schläfe waren schon gut verblasst und würden zumindest nicht direkt jedem ins Auge fallen, erst bei genauerer Betrachtung bemerkt werden. Aber die Brandnarbe war weniger unauffällig. Dachte sie jedenfalls, so genau kannte sie sich mit dem Vernarbungsprozess einer Verbrennung nicht aus, auf der Arbeit sah sie diese meistens nur sehr frisch und dann nicht wieder. War also schwer zu beurteilen, welcher Grad zu welcher Narbe führte. Und sie wusste auch nicht, wie Victors Verbrennung im Krankenhaus beurteilt worden war. Es sah zwar nicht so aus, als hätte eine Hauttransplantation stattgefunden, weshalb es wohl "nur" Verbrennungen zweiten Grades sein dürften, aber trotzdem... Da gab es auch nochmal verschiedene Abstufungen und Schweregrade, die unterschiedlich gut verheilten.
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Faye wirkte irgendwie nicht hundertprozentig überzeugt davon, dass das mit der Narbe schon okay war. Oder ihre Reaktion auf meine Entwarnung fiel deshalb so nüchtern aus, weil es nicht das einzige zu sein schien, über was sie in Hinsicht auf meine Narbe nachdachte. Denn das bestätigte die Brünette mit ihrer nächsten Frage und die war dann schon weniger leicht zu beantworten, als ihre erste. Deshalb sah ich auch eine ganze Weile lang erstmal schweigsam auf die bisher noch unter Schorf liegende Brandverletzung. War sie denn schlimm? Nicht schlimmer als all die anderen wahrscheinlich... natürlich dachte ich bei ihrem Anblick oft an den Moment zurück, indem die Verletzung meiner Haut passiert war und das war nie angenehm. Daran führte aber ja sowieso am Ende kein Weg vorbei - ich musste mich früher oder später damit auseinandersetzen, ob mir das nun gefiel oder nicht. Ich sah es eher nicht kommen, dass die Brandnarbe meinen Alltag beeinträchtigen würde, weil ich die Blicke der Leute schon jetzt relativ gelassen nehmen konnte. Natürlich war es irgendwie ein hässlicher Streifen am Arm, der wahrscheinlich immer bis zu einem gewissen Grad sichtbar bleiben würde. Zwar sollte die einst verbrannte Haut nach einigen Jahren dann zumindest nicht mehr auf den ersten Blick auffallen, aber ein bisschen anders aussehen würde die Haut dort wohl immer. Mateo hätte mir jedoch spielend leicht auch das ganze Gesicht verbrennen können, nicht nur das kleine bisschen am Kinn und den Arm. Ich könnte wesentlich entstellter sein. Während der Stationierung im Krankenhaus hatte ich auch zeitweise in einer Reha-Gruppentherapie mitgemacht und da hatte es einen Patienten gegeben, den es deutlich schwerer getroffen hatte. Sein Gesicht war ziemlich hinüber gewesen, was der Verdienst der nachgebenden Frontscheibe bei einem Autounfall gewesen war. Er hatte noch einige andere Verletzungen gehabt, aber das Gesicht war eben das, was man immer zuerst sah und meines war ziemlich unversehrt. Ein wahres Wunder nach zwei Foltereinheiten und einer explodierten Bombe. "Ich... weiß nicht.", murmelte ich erst nach einem langen, stillen Moment. Meine Augen klebten noch immer an der Wunde, als ich kurz darauf schwach mit den Schultern zuckte. "Natürlich ist sie nicht grade schön. Die Leute schauen und weggehen wird sie wohl nie ganz... und wenn ich sie anschaue, erinnere ich mich oft an... den Moment, wo's passiert ist...", redete ich so vor mich hin, sprach dabei noch immer eher leise und etwas undeutlich. Sprach die Worte so aus, wie sie mir in den Sinn kamen. Ein paar Sekunden später schaute ich schließlich von der Wunde auf und suchte nach Fayes Blick. "Aber die anderen Blicke stören mich eigentlich nicht wirklich...", was womöglich auch daran lag, dass ich schon vor meiner offensichtlichen Wunde öfter mal angeschaut worden war, was ich mal meiner ungewöhnlichen Körpergröße zuschrieb. "...und ich muss mich ja sowieso damit auseinandersetzen, besser früher als später.", meinte ich weiter. Mein Blick fiel nochmal zurück auf die Brandverletzung. "Ich meine, es... hätte alles wirklich sehr viel schlimmer ausgehen können, nach meinem dummen Versuch mich...", umzubringen. Nein, aussprechen tat ich es lieber nicht, um die bildliche Vorstellung nicht noch mehr zu provozieren, wo sie doch ohnehin unweigerlich in meinem Hirn aufflackerte. Natürlich war die Narbe an meinem Arm nicht mein eigenes Verschulden, aber der Schmerz der Verbrennung hatte sicherlich zu meiner Entscheidung beigetragen, auch wenn etwas anderes den ausschlaggebenden Grund für den Suizidversuch geliefert hatte. "Nur die hässliche Narbe zu haben ist auf jeden Fall erträglicher als für immer im Rollstuhl zu sitzen, denke ich.", stellte ich mit einem leisen Schlucken abschließend fest und suchte zögerlich Fayes Blick. Löste meinen Arm mit kurzzeitig flackernden Lidern vorsichtig etwas aus ihren Händen, um die Finger nach ihrem Gesicht auszustrecken und über ihre Wange zu streicheln. Nein, wahrscheinlich würde ich es mir niemals verzeihen an diesem Punkt aufgegeben zu haben. Oder ich würde zumindest noch sehr, sehr lange dafür brauchen.
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Es dauerte ausgesprochen lange, bis eine Antwort von ihm kam und Faye bereute es beinahe, die Frage überhaupt gestellt zu haben. Denn man sollte keine Fragen stellen, deren Antworten man scheute... eigentlich wusste sie das. Aber manchmal waren Neugier oder Sorge eben grösser als Vernunft und wahrscheinlich war das wieder ein solcher Anflug von Wissensdurst ihrerseits gewesen. Naja, irgendwann erfolgte seine Antwort ja doch, auch wenn sie ziemlich zäh floss und er selber nicht wirklich zu wissen schien, was er davon halten sollte - beziehungsweise wie schlimm die Narbe letztendlich für ihn war. Und spätestens der Moment, wo's passiert ist förderte auch die Bilder in ihrem Kopf, die sie automatisch in die Situation zurück versetzten, an die sie eigentlich (noch) nicht denken wollte. Es passierte eher unterbewusst, aber Faye hatte längst die Unterlippe wieder zwischen die Zähne geklemmt und begann diese angespannt zu bearbeiten, während sie ihm weiter zuhörte. Natürlich musste er sich damit auseinandersetzen. Aber ob jetzt schon der richtige Zeitpunkt für besser früher als später war, konnte sie nicht mit so viel Sicherheit behaupten wie er. Aber ja, dass es schlimmer hätte ausgehen können, stimmte definitiv. Und sie wusste, dass er es im Nachhinein als grossen Fehler beurteilte, im entscheidenden Moment seinen Kopf gegen den Pfosten geknallt zu haben. Es war auf jeden Fall leichtsinnig gewesen und hätte ihn sowohl Teile seiner Fähigkeiten oder Gehirnkapazitäten kosten können, als auch sein Leben. Und trotzdem stand in den Sternen, was passiert wäre, wenn er es nicht getan hätte. Wenn Riley nicht plötzlich realisiert hätte, dass sie das nicht bis zum Ende durchstanden. Wenn sie die Übung nicht deswegen abgebrochen, sonder noch weitergezogen hätten. Wenn niemand Gil gestoppt hätte. Wenn Mateo seine kleinen sadistischen Spiele weitergespielt hätte. Es war ein gewisses Paradox, einen Selbstmordversuch als lebensrettend zu bezeichnen, aber irgendwo irgendwie war es doch genau das gewesen... Nur konnte sie darüber nicht sprechen, weil Faye für ihren Teil einfach noch nicht bereit dazu war, Victor darüber aufzuklären, was nach dem Eintreten seiner Bewusstlosigkeit vorgefallen war. Wie er sie gewissermassen doch gerettet hatte, obwohl das irgendwie unmöglich gewirkt hatte. Und was eben stattdessen passiert war. Dazu musste sie sich erst selbst damit auseinandersetzen, musste zuerst irgendwie selber damit klar kommen. Wenigstens nicht mehr weinen, wenn sie die Narbe sah... Wenigstens im Stande sein, die Salbe auch hier selbst aufzutragen. Und davon war sie noch weit entfernt, leider. "Hmmh...", auch ihre Reaktion auf seine Worte folgte erst nach einer langen Pause, während der sie ihn einfach nur angeschaut hatte, den Kopf voller Bilder, voller Gedanken, voller Wenn und Aber's und Hätte und Wäre's. Sie spürte seine tröstende Berührung auf ihrer Wange, streckte nun ihrerseits die Hand aus, um sie an seine Schläfe zu legen. "Das stimmt schon... Es hätte schlimmer kommen können...", murmelte sie nachdenklich, leise vor sich hin. Aber es hätte auch nie dazu kommen müssen, theoretisch. Ihre Finger strichen zart über seine Haut und etwas Bittendes legte sich in ihren Blick, während sie fortfuhr. "Und... wenn du mir sagst, ich... soll mich selbst besser akzeptieren... dann solltest du dir wirklich, wirklich auch... die Sache mit deinem Kopf verzeihen", er wusste schon, was sie meinte - und das betraf nicht seine Gedanken oder seine Psyche oder irgendwas anderes, das man mit seinem Kopf in Verbindung bringen konnte. Sie zögerte etwas und wandte den Blick kurz ab, war sich nicht sicher, ob sie ihm das wirklich sagen sollte oder ob es sie letztendlich beide nur trauriger machen würde. Beschloss dann, darauf zu verzichten, ihm die frische Narbe an ihrem Handgelenk zu zeigen - falls er sie nicht längst unter dem Ärmel ihres Pullis entdeckt hatte - und die Tatsachen etwas schwammiger zu verpacken. Sollte er selber interpretieren, was er für richtig hielt oder fragen, wenn er es wirklich hören wollte. "Ist ja nicht so, als hätte ich mich die letzten Wochen über... irgendwie geschickter verhalten", meinte Faye. Diese Aussage umschloss ihr gesamtes, selbstzerstörerisches Verhalten - aber eben auch den Nervenzusammenbruch im Krankenhauszimmer, der sie überhaupt erst hierher befördert hatte.
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Wir schienen gerade beide nicht so recht fähig dazu zu sein, möglichst zeitnah mit unseren Gedanken ans Ziel zu kommen. Andererseits war es kaum verwunderlich, angesichts unseres psychischen Zustands und der Komplexität des Themas. Das waren eben alles keine Dinge, die man mal eben so als schwarz oder weiß betrachten konnte. Es steckte mehr in der Narbe als nur ihre nicht besonders schöne Optik. Genauso wie mehr hinter dem Selbstmordversuch steckte. Ich versuchte mich von der Berührung Fayes zierlicher Finger am Kopf wieder etwas erden zu lassen, mich möglichst darauf zu fokussieren. Schloss dabei auch für eine kleine Weile lang die Augen, aber das half nicht wirklich. Die zierliche Brünette hatte schon Recht mit dem, was sie sagte - ich hatte am Ende ja nichts davon, wenn ich mir jetzt für immer Vorwürfe deshalb machte. Es brachte ihr genauso wenig wie mir. Es war nur einfach sehr schwer sich davon zu distanzieren oder sich nicht mehr dafür zu hassen, was Faye wiederum bestens wusste, weil sie selbst Schuldgefühle hatte, von denen sie sich wiederum in meinen Augen bitte verabschieden sollte... es war leider nicht so einfach in die Tat umzusetzen, wie es sich sagte. Ich hatte noch nichts dazu gesagt, als Faye noch ein paar mehr Worte auspackte, die mich die Augen recht bald wieder öffnen und ihr Gesicht mustern ließen. Zugegeben hatte ich mich bisher immer sehr bewusst davor zu drücken versuchte das Ausmaß zu definieren, in dem es ihr nicht so gut gegangen war. Aryana hatte mir ja niemals irgendwelche Details zu Fayes Zustand verraten, nur dass es ihr wirklich beschissen ging. Und ja, die Einweisung in die Psychiatrie, die ganz bestimmt nicht auf einer freiwilligen Entscheidung seitens Faye basierte - weil man sie dann nämlich nur sehr unwahrscheinlich schleunigst hier in die geschlossene Abteilung gesteckt hätte - war leider ein relativ sicheres Indiz dafür, dass die Brünette sich wieder etwas angetan hatte... oder es eben zumindest versucht hatte. Ich war mir nicht sicher damit, ob ich es wirklich genau wissen wollte. Nicht sicher damit, inwiefern ich Details jetzt überhaupt vertragen konnte. Wahrscheinlich hatte ich aus demselben Grund auch nicht gezielt nach irgendwelchen Anzeichen eines Suizidversuchs gesucht. Sie hatte Mitch in seiner akuten Krise mit Selbstmordwunsch damals gesagt, dass sie ihn verstehen konnte - es war also nach den jüngsten Ereignissen nicht unwahrscheinlich, dass sie noch einmal am selben Punkt angekommen war, wie der tätowierte Hitzkopf damals. Aber änderte es meine Sicht auf meine eigene Tat? Falls sie es versucht hatte, dann vielleicht gerade deswegen. Weil ich im Koma gelegen hatte und sie das nicht ertragen hatte, weil sie es als ihre Schuld betrachtet hatte. Es wäre sicher sinnvoller Faye einfach danach zu fragen, statt mir die Geschehnisse irgendwie selber auszumalen und das vielleicht auch noch vollkommen falsch. Aber nur weil es mehr Sinn machte, war es nicht automatisch auch leichter. Ganz im Gegenteil. Und am Ende änderte es im Grunde auch nichts. Natürlich schon in der Hinsicht, dass es mir einen Stich ins Herz versetzte und Faye ebenso unsagbar gelitten hatte, wie ich das getan hatte... aber nicht in Hinsicht darauf, dass wir beide jetzt hier lagen und die gefühlt fünfhunderttausendste Chance dazu bekamen, noch einmal neu anzufangen. Faye hatte sich dafür entschieden, es noch einmal zu versuchen und das war es, was jetzt zählte. Ich wandte den Blick von ihrem Gesicht ab und nahm auch die Hand von ihrer Wange, um mich stattdessen langsam mit einem tiefen Seufzen auf den Rücken sinken zu lassen und an die Decke zu starren. Es war wirklich anstrengend ständig so schnell vom Lachen zu innerlichen Schreien wechseln zu müssen. Irgendwie war es aber unvermeidbar, es gab leider viel Schlimmes zu sagen. "Ich glaube, wir... kritisieren uns beide selbst zu sehr dafür, an einem gewissen Punkt... aufgegeben zu haben.", murmelte ich leise vor mich hin. Ich wollte uns jetzt hier keine Suizidkommandos schönreden, die waren nichts als hässlich. Aber jeder Mensch kam irgendwo an seine mentalen Grenzen und unser beider Grenzen waren etwas zu oft viel zu sehr strapaziert worden. Jeder Psychologe dieser Welt würde uns das bestätigen und sich ganz und gar nicht über den fatalen Zustand unserer Psychen wundern. "Waren sicher nicht unsere ruhmreichsten Momente... aber solange wir beide jetzt aufpassen, dass das nicht mehr passiert...", ich ließ den Satz offen und seufzte leise. Hob den unverletzten Arm, um mir mit geschlossenen Augen einen Moment lang das Nasenbein zu massieren. Ich wusste einfach nicht so recht, was ich dazu sagen sollte. Es war scheiße, dass es uns beide so weit getrieben hatte und es ließ sich jetzt aber nichts mehr daran ändern. Also sollte ich wohl wirklich aufhören, mir deshalb Vorwürfe zu machen. "Und ja, ich... werd's auf jeden Fall versuchen", kam ich abschließend noch auf Fayes Wunsch zu sprechen, der beinahe in meiner Denkerei untergegangen war und ließ dabei die Hand wieder sinken.
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