Scheinbar war auch er zufrieden darüber, dass sie Morgen nochmal vorbeischaute - das leitete sie jedenfalls von dem ebenfalls etwas breiter werdenden Lächeln ab, welches sich auf seinem lädierten Gesicht abzeichnete. Und offenbar war Hazel tatsächlich seine Schwester, wie er ihr mittels Kopfnicken bestätigte. Wobei ihr weiterhin etwas schleierhaft war, was er sich von einer Unterhaltung zwischen Aryana und Hazel erhoffte. Tatsächlich klärte er sie aber bald darüber auf, nachdem sein Seufzen einmal mehr zum Ausdruck brachte, wie anstrengend diese Unterhaltung für ihn wegen der fehlenden Sprechfunktion sein musste. Das Argument, dass Hazel sie über seine Diagnosen und Prognosen besser aufklären könnte als er dazu momentan im Stande war, leuchtete ein, weshalb sie darauf sofort nickte. Diesbezüglich machte ein Gespräch also sicherlich Sinn. Was sie hingegen weniger gut verstand, war sein zweiter Hinweis, den er mit sichtlicher Mühe schief auf das Papier kritzelte. Faye? Was hatte Hazel ihr denn über ihre Schwester zu erzählen? Es war eher unwahrscheinlich, dass Victors Schwester mehr Informationen bezüglich Fayes Gesundheits- und Geisteszustandes von Seiten des Krankenhauspersonals bekommen hatte, als sie selbst. Und sonst blickte sie auch nicht wirklich durch, was er ihr damit sagen wollen könnte. Entsprechend fragend war auch der Blick, mit dem sie von den Buchstaben auf und in Victors Gesicht schaute, als auch schon das erwartete Klopfen an der Tür erklang, welches das Ende dieser Unterhaltung einläutete. Tja. Der Arzt machte nicht den Eindruck, als möchte er gerne abwarten, bis sich das Fragezeichen in ihrem Kopf geklärt hatte, weshalb sie sich wohl hinsichtlich dieser Frage bis Morgen gedulden musste. Sie seufzte leise, auch wenn ihr klar war, dass es wohl besser war für Victor, wenn ihm zumindest mit dem Schreiben wieder eine Pause vergönnt wurde. "Machs gut Victor und wir sehen uns Morgen", verabschiedete sie sich also vorübergehend, als sie schon dabei war, sich von dem Stuhl zu erheben. Sie warf ihm noch ein ehrliches Lächeln zu, hätte ihm ja gerne nochmal versichert, dass Faye sich bestimmt über die relativ guten Nachrichten betreffend seiner Heilungschancen freuen würde. Aber da der Arzt mit im Zimmer stand, der von ihrer Schwester lieber kein Wort hören wollte, behielt sie diese Worte vorsorglich für sich. Nicht, dass er sie hier auch noch aussperrte, nachdem sie sich mühsam die Zutrittsbewilligung erkämpft hatte. Aryana kehrte nach diesem Gespräch erstmal nach Hause zurück, weil sich Mitch immerhin auch freute, wenn sie ihre freien Tage nicht ausschliesslich im Krankenhaus verbrachte und ihn gänzlich aussen vor liess, solange er nicht mitkommen wollte, um sie die Fahrt über zu unterhalten. Vielleicht könnte er ja Teil ihres Unterhaltungsprogramms werden, sobald die beiden Patienten wieder etwas stabiler waren, aber bis dahin gestaltete sich das wohl noch etwas schwierig. Victors Arzt würde sicherlich verneinen und Faye würde die Zurückweisung gleich selber übernehmen. Am Abend schaute sie trotzdem nochmal bei ihrer Schwester vorbei, um sie über das Gespräch mit Victor zu informieren und ihr noch etwas Gesellschaft zu leisten, die bisher eher mässig geschätzt wurde. Aryana war sich zwar sehr sicher, dass es Faye nicht gut tat, wenn sie die ganze Zeit alleine war, aber eigentlich war es genau das, was die Brünette wollte. Alleine sein und sterben, um genau zu sein. Das Update zu Victor brachte jedoch - wenig überraschend - etwas mehr Leben in das fahle Gesicht der jungen Frau. Abgesehen davon dass allein die Erwähnung seines Namens ihr Tränen in die starren, abgelöschten Augen trieb, war das zweimal gehauchte "das ist gut...", welches voller Erleichterung folgte, doch ein gutes Zeichen. "Ich hoffe, er wird wieder gesund", hatte Faye auch noch gesagt und es war überdeutlich, dass diese Worte ihrem tiefsten Herzen entsprangen. Als Aryana jedoch erwähnte, dass Victor auch nach ihr gefragt hatte und sie gerne sehen würde, schaute Faye nur zur Seite weg, begann unruhig auf ihrer Unterlippe herumzubeissen und die Nägel der nicht eingebundenen Fingern in die Handballen zu bohren. Bestätigte so nunmehr Aryanas Vermutung, dass hier irgendein neues, bedrohliches Elend begraben lag, das möglicherweise in kausalem Zusammenhang mit dem Todeswunsch ihrer Schwester stand. Am nächsten Morgen stand sie dann pünktlich während des ausgemachten Zeitfensters, um 10:20 Uhr vor Victors Zimmertür, wurde erneut vom Arzt angemeldet, bevor sie eintreten durfte und den jungen Mann mit einem schwachen Lächeln grüsste und unbewusst musterte. Nur falls die Tests von heute Morgen sichtbare Spuren hinterlassen hätten, er erschöpfter aussah oder die Heilung seit gestern signifikant fortgeschritten wäre.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ich verabschiedete Aryana zwangsweise mit einem schwachen, aber aufrichtig dankbaren Lächeln. Meine Hand schien wirklich eine Pause zu brauchen - die hatte heute ja auch nicht zum ersten Mal geschrieben - aber ich wollte trotzdem nur ungern wieder alleine sein, weshalb ich der Brünetten auch etwas wehmütig nachsah. Mein Arzt lud sich kurzerhand selbst ins Zimmer ein, als er sicher war, dass mein vorheriger Besuch auch wirklich den Gang hinunterlief. Fragte mich, wie ich mich fühlte und sagte mir im selben Atemzug, dass er glaubte, dass so viele Besuche pro Tag eigentlich noch zu viel waren. Vielleicht wollte er mich dadurch auch nur indirekt dazu zwingen noch einmal zu schreiben, damit ich ihm noch einmal schön vor Augen hielt, dass die Finger schwächelten. Falls er tatsächlich so hinterlistig war musste ich ihn jedoch enttäuschen. Caldwell bekam lediglich ein für meine Verhältnisse aussagekräftiges hin und her wiegen meines Kopfes, was er mit einem wenig zufrieden klingenden Seufzen kommentierte. Er erinnerte mich überflüssigerweise noch einmal an die Termine am nächsten Morgen - wollte an meiner Reaktion darauf wiederum vielleicht sehen, ob ich mir das überhaupt gemerkt hatte - und verabschiedete sich nach einem erneuten kurzen Check für die nächsten paar Stunden von mir. Meine Eltern zeigten sich glücklicherweise verständnisvoll, was das Splitten der künftigen Besuche anbelangte. Für meinen Vater war es offensichtlich auch jedes Mal eine Erleichterung, wenn er dann mit meiner Mutter hier bei mir saß. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie sie ihm die restlichen 23 Stunden des Tages, die sie nicht hier im Krankenhaus oder auf dem Weg vom Hotel hierher verbrachten, die ganze Zeit in den Ohren lag. Sich Sorgen machte und gar nicht wusste wohin mit sich. Im Grunde war das ja auch nachvollziehbar und es ginge mir wahrscheinlich kaum anders, hätte ich einen Sohn mit Hang zum Selbstmord... aber sie steigerte sich da schon immer sehr extrem rein. Es gab gerade keine Anhaltspunkte dafür, dass ich doch noch abkratzen oder sich mein Gesundheitszustand verschlechtern würde, sie konnte also durchatmen. Zumindest theoretisch eben. Auch am nächsten Tag versprach Aryana die im Vergleich dazu deutlich angenehmere Gesprächspartnerin zu werden und ich hatte allgemein ganz gute Laune. Der Zustand meines Gehirns zeigte sich weiterhin den Umständen entsprechend stabil und gut. Die Verbrennung sah selbst unscharf nach wie vor ekelhaft aus, aber ich begnügte mich einfach damit bei der täglichen Behandlung nur kurz hinzusehen. Mich damit auf den neuestens Stand zu bringen und mehr dann auch nicht. Bei den kurzen Beweglichkeitstests konnte ich zumindest mit ein bisschen mehr Mobilität glänzen als am Vortag. War für mich allerdings weniger zufriedenstellend als für die anwesenden Ärzte, weil es nach wie vor gefühlt in unerreichbarer Ferne lag endlich wieder aufstehen zu können. Die Sicht war laut Sehtest ebenfalls etwas besser geworden und das merkte ich auch. Die Unschärfe schwand mühselig, aber wenigstens war ein Prozess spürbar. Auf den Blick in den Spiegel danach hätte ich hingegen gut verzichten können, wurden die Blutergüsse im Gesicht jetzt nach ein paar Tagen doch langsam so richtig schön hässlich bunt. Wenigstens fühlte sich mein Gesicht insgesamt nicht mehr so steif an wie noch vor zwei Tagen, weil die Schwellungen nun stetiger zurückgingen. Alles in allem hatte ich also keine Gründe mich zu sorgen, wenn man mal von der bisher gefühlt gar nicht besser gewordenen Sprachsteuerung in meinem Hirn absah. Ich würde wohl einfach in meiner Einsamkeit damit anfangen selbstständig zu üben. Die nasale Intubation konnte glücklicherweise gestoppt werden - was bedeutete, dass es heute wahrscheinlich noch Suppe gab! - und es war zweifelsohne ein befreiendes Gefühl. Vielleicht ging das mit dem Reden dann jetzt auch dadurch wieder etwas besser. Blieb auf jeden Fall zu hoffen. "H...Hi.", es brauchte zwei Anläufe, aber wenigstens bekam ich das Wort aus nur zwei Buchstaben zur Begrüßung auf die Reihe, als Aryana zu mir kam. Meine Augen wanderten kurz zu der Uhr an der Wand, dann zurück zu der Brünetten. Wann Hazel wohl kam? Hoffentlich zeitnah. Bis dahin stellte ich mir selbst erstmal eine ziemlich schwierige Aufgabe, indem ich versuchte eigenhändig ans Klemmbrett auf dem Nachttisch zu kommen. Da es der Naht am Hinterkopf blendend ging sprach auch nichts mehr gegen milde Kopfbewegung - solange ich mich nicht ständig auf der genähten Verletzung rumrollte - um mein Sichtfeld nach links und rechts zu erweitern. Es dauerte trotzdem fast eine ganze Minute, bis ich die Kante des Bretts zu packen bekam und das Teil wackelig aufs Bett rüberhob. Wäre fast runtergefallen, aber das überspielte ich einfach und ließ mir die anhaltende Schwäche nicht bis ins Gesicht kriechen. Ich atmete lediglich kurz durch, bevor ich den Stift aus der Halterung und danach die Kappe abzog. Wie gehts dir? Euch?, lenkte ich das erste Gesprächsthema nicht gleich wieder primär auf Faye. Natürlich wüsste ich gerne wie sie reagiert hatte, falls Aryana inzwischen wieder bei ihr gewesen und mit ihr über meine Wenigkeit geredet hatte. Aber ich fühlte mich ein bisschen schlecht, weil ich gestern gar nicht danach gefragt hatte, wie es Aryana selbst überhaupt ging... also abgesehen davon, dass sie sich bestimmt - genauso wie ich auch - wahnsinnige Sorgen um Faye machte. Ob Mitch ihr gerade eine Hilfe war? Ich hoffte wirklich, dass es ihm inzwischen etwas besser ging und ihm der vorgetaktete Alltag half, er zumindest ein bisschen für seine Freundin da sein konnte.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Die Tatsache, dass die Ein-Wort-Begrüssung tatsächlich wörtlich erfolgte, liess ihr Lächeln doch noch etwas breiter werden und selbstverständlich erwiderte sie ungeachtet ihrer davor schon ausgesprochenen Begrüssung auch darauf nochmal ein "Hey". Er machte sich bereits daran, sich das Klemmbrett wieder zu schnappen, bevor sie überhaupt daran hatte denken können. Und da er sie nicht danach gefragt hatte, liess sie ihn lieber alleine machen, auch wenn es sie gewissermassen in den Fingern juckte, ihm das Schreibzeug einfach zu reichen. Sie brauchte ihm hier sein momentanes Handicap ja nicht noch weiter unter die Nase zu reiben und schliesslich war sein Vorhaben ja auch erfolgreich. Es dauerte nicht lange und die ersten Worte fanden ihren Weg aufs Papier. Sie war sich nicht ganz sicher, wessen Wohlbefinden er damit erfragte, weil sie nicht genau wusste, auf wen das Euch bezogen war. Wahrscheinlich sie und Faye, aber vielleicht auch sie und Mitch. Aryana beschloss also kurzum, einfach alles davon zu beantworten, wobei das wie immer nicht so ganz einfach war. "Also mir gehts den Umständen entsprechend gut", begann sie, wobei sie wohl selber etwas an der Wahrheit ihrer Worte zweifelte. Wahrscheinlich gings ihr nicht wirklich gut. Aber irgendwie war momentan zwischen den ganzen Sorgen um Faye und Victor auch kein Raum, sich über ihren eigenen Gefühlszustand Gedanken zu machen. Sie könnte ihn ja nichtmal ändern, wenn sie das versuchen würde, solange ihre beiden Sorgenkinder nicht wieder auf dem Damm waren. Dafür war sie emotional viel zu sehr an sie gebunden. Also ja, ihr gings so gut, wies ihr eben im Moment gehen konnte. "Mitch erholt sich noch etwas vom Einsatz, aber im Grossen und Ganzen ist er auch fit, falls du das wissen wolltest. Er richtet dir liebe Grüsse aus und fragt, ob er jetzt an der Reihe sei mit Motivationsreden und guten Zusprüchen", richtete sie die standardmässig sarkastisch angehauchten Grüsse ihres Freundes aus. Womit sie dann bei der Person ankamen, die Victor wohl eigentlich am meisten interessierte, deren Zustand aber eben auch eindeutig am kompliziertesten war. Und von der Aryana auch nicht wusste, wie viel sie ihm sagen sollte oder besser nicht. Entsprechend brauchte sie einen Moment, um sich überhaupt eine Antwort zusammenzustellen, die einigermassen zufriedenstellend das erklärte, was in der Zwischenzeit so passiert war. "Und Faye... Sie hat sich wirklich gefreut, dass es dir schon besser geht und ich mich mit dir unterhalten konnte. Und sie hofft ebenfalls fest, dass du bald wieder fit bist. Ansonsten ist da nicht viel passiert seit gestern...", sie würde ihm ja lieber erzählen, dass ihre Schwester wieder glücklich war und lachte, aber dafür konnte sie eindeutig zu schlecht lügen. Und es würde auch nichts bringen, denn sobald er sie wieder sehen durfte und konnte, würde ihm die Wahrheit entsprechend nur umso mehr wehtun. "Und wie siehts bei dir aus? Hast du Neuigkeiten?", stellte sie die Rückfrage, woraufhin sie ihn unbewusst musterte. Er sah nicht schlechter aus als gestern - auch nicht viel besser, bis auf das Lächeln, welches vorhin doch schon etwas breiter gewirkt hatte. Aber das würde wohl einfach noch dauern, mussten sie alle sich noch ein Bisschen in Geduld üben.
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Viel mehr als das konnte man kaum erwarten, oder? Ich wusste schließlich sehr gut wie eng die beiden Schwester miteinander verbunden waren, wie sehr sie aneinander hingen. Ziemlich genau deswegen hatte ich überhaupt die Chance dazu bekommen Faye kennenzulernen. Dass es Aryana kaum wirklich gut gehen konnte, wenn ihre Schwester zum wiederholten Mal in einer psychiatrischen Einrichtung feststeckte, war nur logisch. Aber wenigstens ging es ihr abgesehen davon scheinbar soweit ganz okay. Auch Mitchell schien mehr oder weniger ein bisschen der Alte geworden zu sein, dem übermittelten Gruß nach zu urteilen. Es konnte kaum schaden, wenn er seinen Humor zurück hatte. Zumindest ein bisschen was davon. Ich lächelte automatisch bei dem Gedanken daran, dass er Faye und mir damals nach unserer Befreiung auch bestmöglich Unterhaltung geboten hatte, sobald er selbst wieder verhältnismäßig gut auf den Beinen gewesen war. Damit hatte er uns nicht vor der danach anstehenden, schweren Zeit bewahren können, aber er hatte uns die Heilung zumindest immer mal wieder etwas erleichtert. Uns abgelenkt, zumindest kurzzeitig auf andere Gedanken gebracht. Es wäre schön, wenn er das auch jetzt wieder tun würde, nur hatte ich so das blöde Gefühl, dass meine Besucherliste in den Augen Dr. Caldwells bereits jetzt zu lang ausfiel. Ich wusste schon, dass der Kerl nur seinen Job machte und das offensichtlich auch gut, aber er nervte halt trotzdem von früh bis spät. Am besten war aber zweifelsohne, dass Faye inzwischen wusste, dass es langsam mit mir bergauf ging. Dass sie sich darüber gefreut hatte - wobei mich alles andere auch gewundert und stark zum Nachdenken angeregt hätte. Dass sich ansonsten kaum etwas bei ihr geändert hatte war kein Wunder, Aryana hatte mir ja auch gestern erst erzählt, dass es ihr nicht gut ging... natürlich wünschte ich es wäre jetzt anders, wobei ich diesem Gedankengang im Moment lieber nicht zum ungefähr fünfhunderttausendsten Mal in den paar Tagen nachgeben wollte. Das konnte ich später wieder machen, wenn ich alleine war. Sobald er darf., kommentierte ich also lieber nur Mitch's Worte zu der sich irgendwie mehr oder weniger wiederholenden Situation. Nur lag er dieses Mal eben nicht selbst mit im Krankenhaus. Was mich selbst anging gab es mehr oder weniger einige Neuigkeiten. Dass es weiter bergauf gehen sollte hatte der Arzt ja vorher schon in Aussicht gestellt, also eigentlich war es nur bedingt etwas Neues, dass das auch tatsächlich eintrat. Fast alles besser als gestern., ließ ich sie dennoch grob wissen, was denn nun bei den Untersuchungen heute rausgekommen war und gleichzeitig auch, dass ich mich insgesamt etwas besser fühlte. Etwas weniger müde und träge. Auch meine Hand fühlte sich jetzt deutlich ausgeruhter an, nicht mehr so krampfig wie gestern. Als ich den Kopf wieder anhob, um zu Aryana zu sehen, bemerkte ich im Augenwinkel einen Schatten vor dem Fenster zum Gang. Deshalb wandte ich den Kopf vermehrt in diese Richtung und erkannte Hazels blonden Haarschopf (ich hoffe mal sie war wirklich blond, andernfalls war sie halt mal beim Frisör... ich muss dringend Stichpunkte dazu machen irgendwo. x'D) durch die Scheibe. Sie kam aber noch nicht direkt rein, sondern unterhielt sich zuerst noch mit Caldwell. Das war wohl auch der ausschlaggebende Grund dafür, dass sie bereits lächelnd die Tür öffnete, als sie angeklopft hatte. Trotzdem wirkte ihr Gesichtsausdruck gleichzeitig auch etwas verunsichert, der Arzt hatte sie hinsichtlich Aryana scheinbar vorgewarnt. "Ich stör nicht, oder?", fragte sie vorsichtig, woraufhin ich gleich den Kopf schüttelte und auf den zweiten Stuhl deutete, der neben dem Kleiderschrank an der Wand stand. Ich würde die beiden ja gerne offiziell einander vorstellen, aber... naja.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Also mit Wissen zu Hazels Haarfarbe kann ich echt nicht punkten, von daher... Blond passt, nachdem ich hier ja ständig nur Brünetten beisteure. x'D _________
Ja, das war eine gute Devise, der sie sich scheinbar allesamt fügen mussten. Solange der Arzt nicht sein Okay gab, würde hier wohl kein weiterer Besucher eintreten, also musste Mitch wohl oder übel noch etwas warten. Er verpasste ja auch nicht allzu viel, wenn die Besuchszeiten so knapp ausfielen und Victor sich nur spärlich unterhalten konnte. Das dürfte sich aber in absehbarer Zukunft ändern, wenn man dem nächsten Satz Glauben schenken durfte und sich der Zustand des jungen Mannes also entsprechend weiter verbessern würde. "Das sind doch mal gute Neuigkeiten", gab sie ihrer Freude mit einem Lächeln Ausdruck. Sie hatte nicht unbedingt mit was anderem gerechnet, aber momentan war es trotzdem noch ein ständiges Bangen darum, dass die Verbesserungen seines Gesundheitszustandes Fortschritte machten und nicht plötzlich zu stagnieren begannen. Besonders hinsichtlich seines Sehvermögens und der anderen Dinge, von denen seine Ärzte noch nicht sicher sagen konnten, wie sie sich entwickeln würden. Sie bemerkte, dass er einen Moment an ihr vorbeischaute, widerstand jedoch dem Bedürfnis, sich umzudrehen um zu sehen, was hinter ihr passierte. War auch gar nicht nötig, da es nicht lange dauerte und ein Klopfen an der Tür weiteren Besuch ankündete. Aryana hatte die Blondine zwar noch nie zuvor gesehen, war sich aber vom ersten Moment an relativ sicher, dass es sich dabei um Hazel handeln musste. Ganz einfach weil Victor wohl nicht viel anderer Besuch zuteil wurde, weil er seine Schwester bereits angekündet hatte und weil sich die zwei offensichtlich bestens vertraut waren. So blieb auch das Lächeln auf Aryanas Gesicht bestehen, als sie die Frage ebenfalls verneinte, bevor Hazel mit dem zweiten Stuhl im Schlepptau neben ihr auftauchte. "Hey... ich nehm' an du bist Hazel", hängte sie eine Begrüssung an, der sie selbstverständlich auch direkt die Vorstellung ihrer eigenen Person anhängte. "Ich bin Aryana... Fayes Schwester", war möglicherweise nicht nötig, das klarzustellen. Aber sie wusste nicht sicher, ob Victor Hazel schon erklärt hatte, wer denn heute abgesehen von ihr an seinem Bett sitzen würde. Und auch wenn ihr Name trotzdem hätte ausreichen dürfen, um sich auszuweisen, war die Anekdote ziemlich schnell ausgesprochen. Und da Aryana bekanntlich nicht halb so extrovertiert angehaucht und mit sozialem Geschick gesegnet war wie ihre Schwester, beugte sie mögliche Verwirrung, die die Situation gleich unangenehm gestalten könnten, lieber direkt vor.
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ich steuer' ja sonst auch nix Blondes bei, also... XD _________
Jetzt wo Hazel endlich da war, wusste ich nicht mehr so genau, was ich mir von diesem Gespräch erhoffte. Aryana würde besser informiert sein als vorher, ja... aber würde es überhaupt irgendeinen Effekt auf Faye haben, wenn ihre Schwester wusste, dass sie irgendwas ganz schrecklich bereute? Oder noch schlimmer sogar - würde sie sich daraufhin noch mehr abschotten? Ich musste wohl einfach darauf vertrauen, dass die ältere Cooper besser einzuschätzen wusste als ich, wie Faye darauf reagieren würde. Darauf vertrauen, dass sie hoffentlich einen Weg dafür finden würde, zu meiner offensichtlich sehr traumatisierten Freundin durchzudringen. "Ah, dann lernen wir uns endlich mal kennen... freut mich.", stellte Hazel fest und schenkte Aryana ein aufrichtiges Lächeln. Meine Schwester hatte durchaus schon die eine oder andere Geschichte über die ältere Cooper zu hören bekommen - allem voran natürlich, dass sie genauso wie Mitch daran beteiligt gewesen war, dass ich den IS überlebt hatte. Auch wenn die beiden sich bisher noch nicht zu Gesicht bekommen hatten, dürfte ihre Meinung zu der Brünetten kaum schlecht ausfallen. Zwar verstand das noch etwas jüngere Blondchen nach wie vor nicht, was wir alle so toll am Krieg fanden, dass wir da unbedingt hingemusst hatten - aber das musste sie auch nicht. Es reichte vollkommen aus, dass sie es akzeptierte und nie Fragen dazu stellte, weil sie das bei mir genau ein einziges Mal getan hatte. Das hatte sie eine Stunde ihrer Lebenszeit, sehr viel Gerede meinerseits und einen Haufen Nerven gekostet. Den Fehler machte sie nicht nochmal. Jedenfalls glitt ihr Blick zu mir und sie stellte mir vermeintlich die stumme Frage danach, warum sie jetzt beide hier waren. Ob das Zufall war, oder ob ich mir dabei irgendwas gedacht hatte. War nach dem gescheiterten Versuch sie mit Faye direkt reden zu lassen ja nicht allzu abwegig. Ich lenkte mit dem Stift in meiner Hand ihre Aufmerksamkeit auf meinen Satz auf dem Klemmbrett, der sich auf meine Gesundheit bezog. Hob daraufhin dann den Stift wieder an und deutete zwischen ihr und Aryana hin und her. Es dauerte einen kurzen Augenblick, bis sie verstand. "Soll ich erzählen..?", hakte sie nicht ganz sicher mit ihrer Vermutung nach, woraufhin ich schwach nickte. Meine Schwester atmete etwas tiefer ein und dann folgte ein ganzer Schwall an Worten, der nichts enthielt, was ich noch nicht wusste. Sie arbeitete sich von unten nach oben. Begann mit der Fußprellung, erwähnte dann die Verbrennung, bevor sie auf die Stich- und Schnittverletzungen zu sprechen kam und schließlich auch auf meinen Kopf - beziehungsweise alles, was damit einherging, weil die Platzwunde selbst nicht gravierend war. Ich wartete eigentlich nur darauf, dass sie endlich damit fertig war und Aryana dementsprechend darauf reagiert hatte, bevor ich mich erneut indirekt zu Wort meldete. Ich bewahrte die Blätter auf, die ich vollgeschrieben hatte. Vor allem deswegen, weil ich daran dann selbst auch sehen konnte, ob das mit dem Schreiben optisch besser wurde. Also blätterte ich zurück aufs gestrige Blatt, auf dem stand, dass Hazel auch eine Kleinigkeit zu Faye erzählen konnte. Klopfte schwach mit dem Stift direkt unter diese Zeile, um erneut Hazels Aufmerksamkeit zu kriegen. Hazel senkte kurz den Blick auf ihre Hände, die auf ihren Oberschenkeln lagen. Schien zu überlegen, wie sie nun am besten in Worte fasste, was vorgefallen war. Nach drei, vier Sekunden drehte sie den Kopf dann langsam zurück zu Aryana, seufzte leise. "Ich... Victor hat mich vorgestern losgeschickt, um nachzusehen, ob Faye wirklich noch hier ist. Der Arzt sagt Vicky ja nicht mehr, als er unbedingt wissen muss... wenn's nach Caldwell geht hätte 'sie lebt' wahrscheinlich alles an Info gewesen sein sollen.", druckste sie erst mit einem trockenen, leisen Witz ein bisschen ums eigentlich Wichtige herum. Parallel dazu erntete sie einen wenig erfreuten Blick meinerseits - des blöden Spitznamens wegen. "Jedenfalls war ich dann in der psychiatrischen Abteilung, um nachzusehen. Die Schwester hat Faye auch gefragt, ob ich reinkommen darf... aber das wollte sie leider nicht. Eigentlich haben wir uns immer sehr gut verstanden, wenn sie mit Victor zu uns gekommen ist. Sie..." Hazel unterbrach kurz und warf einen prüfenden Blick in meine Richtung, bevor sie zurück zu Aryana blickte. "Sie hat mir bloß ausrichten lassen, dass ihr alles schrecklich leid tut.", schloss sie schulterzuckend damit ab, Fayes offensichtlich vorhandene Schuldgefühle anzusprechen. Wieso hatte ich dieses Mal, als die Blondine das Geschehene erzählte, das ganz blöde Gefühl, dass sie mir etwas verschwieg? Ihre Stimme klang zwar wie sonst auch, aber sie begann an ihren Fingern rumzunesteln. Das war so eines der Dinge, die sie häufig tat, wenn sie entweder log oder etwas verheimlichte.
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Stimmt, ja... wir stehen wohl einfach auf dunkelhaarig... xD ___________
"Mich auch", erwiderte Aryana wahrheitsgemäss auf die Worte der Blondine, auch wenn sie sich das erste Aufeinandertreffen mit Hazel nicht ganz so vorgestellt hatte. Eher irgendwann auf einem Geburtstag oder im Kontext eines anderen Besuches bei Victor und Faye. Aber das Leben lief ja bekanntlich mal wieder nicht nach Plan und so sassen sie nun gemeinsam hier bei Victor, der sich nichtmal ordentlich mit ihnen unterhalten konnte. Das war im Übrigen auch nicht die Form von Kennenlernen, die sie bevorzugte. Es war immerhin höchst unwahrscheinlich, dass sie am Ende dieses Treffens - das diesmal hoffentlich mehr als zehn Minuten dauern durfte, wenn Hazel dabei war - überhaupt irgendwas über sie herausgefunden hatte, ausser dass sie ihr bestes tat, Victor eine gute Schwester zu sein. Aber gut, auch hier gabs Schlimmeres. Zum Beispiel die ganzen Verletzungen, die im Anschluss aufgezählt wurden und bei denen Aryanas Blick je länger je nachdenklicher wurde. Sie hatte ja schon erkannt, dass Victor nicht bloss gegen einen Türrahmen gelatscht war. Aber Hazel sprach von sehr unschönen Verletzungen aller Art, die allesamt eine traurige Gemeinsamkeit hatten: Nämlich dass sie roher Brutalität entsprangen. Sie war selbstverständlich darüber informiert worden, dass auch Faye eine ganze Reihe an Schnittverletzungen sowie den ausgekugelten Arm und einen gebrochenen Finger davongetragen hatte - aber wenn man das alles zusammenzählte und sich vorstellte, dass Faye sich tatsächlich an jede dieser grausamen Taten erinnerte, dann war der grösste Teil ihres Geisteszustandes eigentlich schon erklärt... Aryana nickte schwach, als Hazel soweit fertig war mit ihren Erklärungen, brachte aber vorerst nicht mehr als die nachdenklich gemurmelten vier Worte "das ist nicht gut", über die Lippen. Ihre Augen fanden zurück zu Victor, als er aufs Blatt klopfte, auf dem die Worte von Gestern geschrieben standen. Noch immer war ihr nicht wirklich klar, was das bedeuten sollte, aber dem sollte sehr bald Abhilfe geschafft werden. Hazel dachte einen Moment nach, begann dann aber zu sprechen und haute damit gleich die nächsten schlechten Neuigkeiten raus. Sie hatte also nach Faye sehen wollen, aber scheinbar hatte die Ärztin ihr gestern die Wahrheit gesagt und Aryana war die einzige Besucherin, die Faye bis in ihr Zimmer liess. Nicht nur das, offenbar hatte sich Faye auch noch für irgendwas entschuldigt. Man könnte glauben, es wäre nur auf ihre Unfähigkeit, Besuch zu empfangen, bezogen, aber leider war Aryana sich ziemlich sicher darin, dass dem nicht so war. Ihre Schwester hatte sich also offensichtlich für das Geschehene entschuldigt, als wäre es ihre Schuld. Faye entschuldigte sich oft, besonders dann, wenns ihr schlecht ging - das war nichts Neues. Aber warum sollte sie sich für das entschuldigen, was andere Menschen ihrem Freund und ihr selbst angetan hatten? Wahrscheinlich war es die Frage, die Victor und Hazel ihr hier stumm stellten, aber Aryana wusste es nicht. Zog die Augenbrauen nur noch nachdenklicher zusammen, was alles in allem in einem Gesichtsausdruck endete, aus dem die Sorge deutlich abzulesen war. Sie seufzte fast tonlos, rieb sich mit einer Hand die verkrampfte Stirn. "Das ist auch nicht gut...", war ihr erster, nutzloser Kommentar, bevor sie den Blick langsam wieder anhob. "Faye hat mir nichts davon erzählt... Aber dass sie sich zumindest einen Teil der Schuld daran zuschreibt, dass ihr beide im Krankenhaus liegt, habe ich auch schon festgestellt...", meinte sie in Victors Richtung, wobei auch das nicht sehr hilfreich war. Dass sie so langsam wirklich glaubte, Faye würde Victor genauso wegschicken, wie sie es mit Hazel getan hatte, behielt sie lieber für sich. Das trug hier genau gar nichts zum allgemeinen Wohlbefinden bei und solange Victor sich nicht auf die Suche nach seiner Freundin machen konnte, war das auch noch nicht so relevant. Vielleicht hatte sie sich ja bis dahin auch ein Stück weit erholt, wer weiss... "Sie hat das sicher nicht böse gemeint, Hazel. Wahrscheinlich... fühlt sie sich momentan einfach nicht dazu in der Lage, mit jemandem zu sprechen. Ausser mit mir, weil sie mich nicht wegschicken kann..." wandte sie sich nochmal an Hazel, weil sie hoffte, dass diese die Abweisung nicht persönlich genommen hatte. "Aber Faye redet nicht mit mir über das, was passiert ist. Sie erzählt es weder mir noch einem Psychologen, ihrer Ärztin oder der Polizei. Also kann ich euch nicht sagen, warum sie sich so verhält, falls ihr das gehofft hättet", ja, irgendwie war wohl alles, was sie von sich gab, sehr ernüchtern und wertlos. Und sie wünschte sich wirklich, es wäre nicht so.
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Nicht gut, nein. Überhaupt gar nicht gut, um genau zu sein. Wenn Faye sich gezielt isolierte, soweit wie es ihr möglich war, dann war das eigentlich nicht weniger als das Worst-Case-Szenario. Aryanas Gesichtsausdruck allein reichte im Grunde schon dazu aus, mich langsam aber sicher doch mal vom Schlimmsten ausgehen zu lassen. Es war nicht so, als hätte ich diese Möglichkeit nicht längst unterbewusst in Betracht gezogen... aber wahrscheinlich war es einfach das starke Schmerzmittel, das mich in Watte packte und mich bisher noch nicht an zu negativen Gedanken festhalten ließ. Es war schließlich auch nicht unbedingt normal, dass man es schon irgendwie okay fand, dass einem der halbe Arm verbrannt worden war, nur weil es ja wieder verheilte. Vielleicht war es auch die Kombination aus betäubter Psyche und der Amnesie, die mich nicht einhundertprozentig nachvollziehen lassen konnte, was denn nun eigentlich Sache war. Was passiert war, dass Faye so ganz ohne Licht am Boden des schier endlos tiefen Brunnens hockte. So, wie die Umschreibung seitens Aryana gerade klang, musste ich jetzt langsam aber sicher davon ausgehen, dass es mindestens so schlimm war wie letztes Mal. Eher schlimmer. Und sie hatte mich doch letztes Mal schon kaum noch an sich rangelassen... "Nein, das glaub ich auch nicht.", murmelte Hazel etwas nachdenklich, ziemlich leise und senkte den Blick erneut auf ihre Finger, bevor sie ratlos mit den Schultern zuckte. Das bezog sich wohl alles darauf, dass Faye es eher nicht böse damit gemeint hatte, sie nicht ins Zimmer kommen zu lassen. Viel schlauer war ich jetzt auch nicht geworden, während Aryana und Hazel sich hier ausgetauscht hatten. Wenigstens hatten die beiden in dem Gespräch jetzt aber etwas mehr ausgeholt, als sie das jeweils getan hatten, als sie allein mit mir geredet hatten. Es war also wenigstens nicht völlig umsonst gewesen. Faye versank in Vorwürfen gegen ihre eigene Person und ich saß hier und konnte nicht weniger als absolut nichts dagegen tun. Wunderbar, wirklich. Würde sie überhaupt jemals mit Jemandem darüber reden? Würde sie es wenigstens mir erzählen, falls ich mich niemals daran erinnern würde? Ich atmete tief durch und machte einen Moment lang die Augen zu. Ihr konnte nichts passieren, solange sie hier drin war, oder? Es war zwar ein unschöner Gedanke, dass es am besten war sie eingesperrt zu halten, aber es schien der Wahrheit zu entsprechen - meiner eigenen EInschätzung nach. Als ich die Augen wieder aufmachte drehte ich das Klemmbrett quer und blätterte zur nächsten leeren Seite, ohne noch einmal zu den beiden Frauen zu sehen. Ich schrieb fast über das gesamte DinA4-Blatt hinweg die drei Worte Ich liebe dich, bevor ich die Kappe zurück auf den Stift setzte und ihn auf die Bettdecke fallen ließ. Dann zog ich das einzelne Blatt aus dem Klemmbrett... und damit zwangsweise alle anderen mit, was kurzzeitiges Chaos auf meinem Schoß entstehen ließ. Das mit dem Falten gestaltete sich jetzt, wo ich es umsetzen musste, auch gar nicht so leicht. Trotzdem bekam ich es auf der geraden, harten Unterlage des Klemmbretts halbwegs hin, das Blatt Papier zweimal so ganz ungefähr mittig zu falten und streckte es dann Aryana entgegen. Forderte sie mit meinem Blick recht unmissverständlich dazu auf, noch einmal den Boten zu spielen - und wahrscheinlich noch sehr viel öfter. Wenn sie nicht mehr konnte, weil sie zurück an die Waffe musste, dann würde Hazel weitermachen müssen. Oder irgendeine Schwester. Ich würde Mittel und Wege finden, wenn ich das musste. Ich konnte nicht mit Faye reden und ich konnte sie nicht sehen. Schreiben, das ging. Bisher nur in Maßen, aber auch das würde besser werden. Aus dem kurzen Satz würden irgendwann kleine Romane werden und das so lange, bis ich sie sehen konnte. Wenn sie mich dann nicht sehen wollte... daran wollte ich eigentlich nicht denken, nein. Das würde so ganz einfach nicht passieren. Und wenn doch, dann setzte ich mich eben vor ihre Tür und schob das Papier drunter durch, bis sie mich irgendwann rein ließ.
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Gut, das beugte wenigstens noch zusätzliche Sorgen bezüglich Faye vor - wenn immerhin keiner wütend auf sie war wegen ihres fragwürdigen Verhaltens. Man könnte meinen, ein Mensch mit dem Arsenal an Erfahrung in Sachen Psychotherapie und mentaler Gesundheit wie Faye das ausweisen konnte, sollte eigentlich wissen, dass Abschottung und Einsamkeit nur selten hilfreich waren. Aber Rationalität und gesunder Menschenverstand funktionierten eben nur so lange, wie man auch gesund war. Es war dagegen offensichtlich, dass ihre Schwester durch die Ereignisse meilenweit hinter diese Schwelle geschleppt worden war... Aryana wusste nicht wirklich, was sie noch sagen sollte, weshalb auch ihre Augen einen Moment lang auf ihre Finger hinunter sanken. Bis sie im Augenwinkel Bewegung auf Victors Decke wahrnahm, weil er offenbar wieder dazu ansetzte, seine Gedanken aufs Papier zu bringen. Er schrieb gross und auf einem leeren Blatt und sobald Aryana erkannte, was seine Worte aussagten, war auch klar, weshalb er das tat. Weil die zwölf Buchstaben nicht für sie und auch nicht für Hazel bestimmt waren, sondern für Faye. Sie spürte ein Stechen in ihrem schweren Herzen, schon nur bei der Vorstellung, Faye dabei zuzuschauen, wie sie das Blatt zwischen ihren eingebundenen Händen auffaltete. Auch weil sie wusste, dass das zum nächsten Nervenzusammenbruch führen würde. Vielleicht wäre es trotzdem gut... Vielleicht würde sie sogar lächeln, wer weiss? Vielleicht würde sie eine Antwort verfassen. Vielleicht würde sie so zumindest mit Victor wieder zu kommunizieren anfangen, wenn schon sonst keiner in den Rahmen passte... Aryana griff nach dem Blatt, als Victor es ihr entgegenstreckte. "Ich werde sie nachher besuchen und ihr deine Nachricht überreichen", versicherte sie ihm mit der Begleitung eines schwachen Lächelns, das ihre Augen nicht so ganz zum Leuchten bringen wollte - das Einzige, was bei all den düsteren Gedanken gerade drin lag. Sie würde ihm gerne auch versprechen, dass sie ihm sagen würde, wie Faye reagiert hatte und dass sie ihm ihre Antwort überbringen würde. Aber es war wohl besser, wenn sie diesbezüglich den Mund nicht zu voll nahm, da sie weder wusste, ob sie eine Antwort mitbekam, noch ob sie ihn über Fayes Reaktion denn wirklich aufklären wollte. Dann wanderte ihr Blick nochmal zu Hazel, weil sie Victor lieber nicht länger mit schlechten Neuigkeiten bezüglich ihrer Schwester in den Ohren lag. Da war immerhin stets das Risiko seines Arztes, der immer noch ein Zutrittsverbot aussprechen konnte, wenn sich Victors Zustand oder Laune nach jedem Besuch ihrerseits verschlechterte. "Hat der Arzt denn schon eine Prognose gestellt, wie lange es erfahrungsgemäss etwa dauert, bis sich Dinge wie die Sprachfunktion und das Sehen einigermassen erholt haben?", wollte sie wissen, blickte dabei auch von Hazel zurück zu Victor, da es ja eigentlich um ihn ging. Sie nahm zwar nicht an, dass er das Antworten gerne übernehmen würde, da er erstmal seine Blätter wieder sortieren musste, aber man sprach trotzdem nicht unbedingt in dritter Person über anwesende, ansprechbare Personen. "Und wie lange bleiben du und deine Familie in der Stadt?", soweit sie sich erinnern konnte, lebten Victors Verwandte nämlich nicht ganz um die Ecke sondern ein paar Stunden entfernt. Aber war auch möglich, dass sie sich diesbezüglich täuschte.
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Glücklicherweise zögerte Aryana nicht damit, meinen kleinen Auftrag anzunehmen. Es war vermutlich auch kaum ein Aufwand, das eine Blatt Papier mit bis zu Faye zu tragen - körperlich zumindest nicht. Wie es mit ihren Nerven dann später aussah, war unter Umständen eine ganz andere Geschichte. Das war aber auch etwas, an das ich nur ungerne denken wollte. Allein der Gedanke daran, dass Faye nicht mehr glücklich darüber wäre, wenn ich ihr sagte, dass ich sie liebte, war nicht weniger als grausam. So versuchte ich das Ganze noch positiv zu sehen soweit mir möglich war, nach den düsteren Erzählungen von gerade eben. Erwiderte dabei schwach das Lächeln der Brünetten, nickte ihr dankbar zu. Was die voraussichtliche Dauer meines Heilungsprozesses anging konnte Caldwell nur eher vage Angaben machen, was scheinbar schlicht und ergreifend daran lag, dass das Koma auf jeden Menschen völlig individuell wirkte. Ich hatte es schon das letzte Mal gut überstanden - was ihm meine Eltern auch ausführlich erklärt hatten - und da es dieses Mal alles in allem sehr ähnlich aussah bis auf ein paar zusätzliche Wehwehchen, standen die Chancen gut für eine relativ schnelle Rehabilitation. Hazel sah genauso wie Aryana jedoch erst einmal zu mir, bevor sie zu einer Antwort diesbezüglich ansetzte. Ich machte eine Handgeste, die deutlich vermittelte, dass sie ruhig weiter für mich sprechen konnte. Damit wanderten ihre Augen prompt zurück zu Fayes älterer Schwester und ich widmete mich in der Zwischenzeit dem auf meinem Schoß verteilten Papier. "Erfahrungsgemäß ist bei Koma-Patienten wohl so eine Sache... aber Victor hat das erste Mal schon sehr gut weggesteckt, deswegen denkt Caldwell, dass es dieses Mal kaum anders sein wird. Letztes Mal hat er bis zum einigermaßen sicheren Gehen ungefähr... 4 Wochen?" Hazel warf einen fragenden Blick in meine Richtung, was ich nur merkte, weil sie den Satz nicht beendete. Ich nickte nach einem kurzen Blick in ihre Richtung, ehe ich zurück nach unten blickte und das Papier zurück unter die Klemme schob. "4 Wochen gebraucht. Kommt dieses Mal natürlich aber auch darauf an, wann die Prellung im Mittelfuß ganz weg ist und er mit dem Lauftraining anfangen kann. Achja - der werte Herr Doktor hat mir vorhin gesagt, dass du morgen Vormittag wahrscheinlich den ersten Besuch von der Physiotherapeutin bekommst. Sagt er dir aber bestimmt sowieso auch nochmal selber.", ließ die Blondine mir nur eine Randinformation zukommen, die ich mit einem leisen Seufzen beantwortete. Ich wusste, dass früh anzufangen wichtig war nach dem Koma. Es war nur eben auch sehr anstrengend, wobei es erstmal nur milde Massagen und Beweglichkeitsübungen sein dürften. Hazel hatte in jedem Fall ein Faible dafür wahnsinnig lange um den eigentlichen Kernpunkt herumzureden - hatte sie von unserer Mutter. "Wie dem auch sei - nachdem seine Augen jetzt schon besser werden, sollte sich das hoffentlich in spätestens zwei Wochen erledigt haben. Wenn nicht, könnte der Schaden... naja, bestehen bleiben. Für das Sprechen hat er grob einen Monat veranschlagt - also für flüssige, ununterbrochene Kommunikation.", redete Hazel weiter und zuckte erneut mit den Schultern. Inzwischen sah ich wieder zu den beiden hin, nickte bestätigend. Kürzere Sätze und Worte sollten schon vorher wieder im Bereich des möglichen liegen, nur bis ich zur Quasselstrippe wurde dauerte es vermutlich eine kleine Weile. Vielleicht auch länger als den veranschlagten Monat, ließ sich halt schwer vorhersagen. Ich geb mir Mühe., kritzelte ich auf das nächste, weiße Blatt Papier. Würde ich wirklich, auch wenn mich dabei gewiss kein Spaß erwartete. Ich musste zu Faye, also musste ich mindestens bald wieder ein bisschen Sprechen und aufrecht im Rollstuhl sitzen können, ohne dabei Schwindel der puren Vergeltung zu verspüren. Ich brauchte wohl auch einen Chauffeur, solange ich noch nicht gehen konnte. Des verbrannten Armes wegen... Gott, es war doch einfach nur zum Kotzen. "Ich muss in spätestens drei Wochen wieder nach Hause, wegen des Studiums... unsere Eltern haben noch nicht gesagt, wie lange sie bleiben. Aber sicherlich bleibt mindestens unsere Mutter so lange hier, bis Victor wieder halbwegs selbstständig unterwegs ist. Sie arbeitet ja nicht mehr.", berichtete meine kleine Schwester noch von der voraussichtlichen Dauer des familiären Ausflugs.
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Tja und sie hatte so wenig Kenntnisse in Sachen Medizin, dass ihr natürlich auch nicht bewusst war, dass man offenbar nicht sagen konnte, wie lange die Erholung seines Körpers etwa dauerte. Wobei ihr die Angaben der Blondinen dann eigentlich doch ausreichten, zumindest als grobe Richtwerte. Vier Wochen bis er wieder gehen konnte. Dann konnte sie mit mindestens einer, wohl aber eher zwei Wochen rechnen, bis sein Arzt ihn mit Faye in Berührung kommen liess. Also hatte sie sieben bis vierzehn Tage Zeit, ihre Schwester aus ihrem Loch zu ziehen, bevor jemand wirklich mitbekam, wie schlecht es ihr ging. Ob das reichte? Es war auf jeden Fall ein sehr optimistischer Zeithorizont, für dass sie Faye erstmal beibringen musste, dass sie aufhören sollte, sterben zu wollen. Bis jetzt glaubte sie nämlich nicht, auch nur diese Mission bereits erfüllt zu haben... Das war doch zum Kotzen. Vor allem weil dann noch dazu kam, dass sie nicht ewig Zeit hatte. Easterlin hatte ihnen zwölf Tage zugesprochen und sie konnte versuchen, spontan noch ein paar Urlaubstage anzuhängen. War aber fraglich, auf wie viel Verständnis sie bei dem Arschloch stossen würde - er drohte ja lieber zwischendurch damit, sie umzubringen, als etwas zu ihrem Wohlbefinden beizusteuern. Und wer passte dann auf ihre Schwester auf, wenn sie wieder nach irgendwo in unerreichbare Ferne fliegen sollte? Bis jetzt war das immer Victor gewesen. Aber verschiedene Gründe erschwerten das momentan bekanntlich gravierend, weshalb der Gedanke durchaus berechtigt war... Aryana erwiderte nicht viel mehr als ein weiteres nachdenkliches Nicken auf Hazels Ausführungen, hoffte dabei natürlich für Victor, dass sich die optimistischen Prognosen bewahrheiteten und er nicht nur in baldiger Zukunft, sondern vor allem auch wirklich vollständig wieder geheilt war. "Will ich dir auch anraten... Sonst liegst du dir irgendwann den Hintern wund", murmelte Aryana sarkastisch auf Victors Beitrag zum Gespräch, lächelte ihn dabei mit kurzzeitig erhobenem Zeigefinger schief an. Dass Hazel nicht unbedingt viel länger als sie selbst hierbleiben würde, war schade. Blieb nur zu hoffen, dass Victor bis dahin ein paar neue Beschäftigungen gefunden hatte, um die Einsamkeit zu überbrücken. Vielleicht konnte und wollte er bis dahin ja auch Freunde organisieren, die ihn besuchen kamen, aber er dürfte trotzdem noch Einiges an Zeit totzuschlagen haben. "Ich seh' schon... Mir bleiben wohl auch nicht mehr als zwei bis drei Wochen, je nach dem wie verständnisvoll mein Arbeitgeber sich zeigen möchte", allein die Bemerkung führte zu einem Augenrollen, wobei sie lieber nicht zu lange darauf sitzen blieb, da sie kein Interesse hatte, sich hier über ihren Job zu unterhalten. "Was studierst du denn?", ergriff die Brünette lieber die kleine Chance, doch noch irgendwas über Victors Schwester zu erfahren, das sie auch in einer normalen Kennenlernsituation erfragt hätte. Wobei nur zu hoffen blieb, dass sie ihr dann nicht die Gegenfrage stellte. Die war ohne Lügen nämlich schwer zu beantworten und Lügen lag Aryana bekanntlich nicht so wirklich.
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Wahrscheinlich würden mir der Arsch und auch der Rücken jetzt schon ordentlich zwicken, wenn ich nicht mit den Schmerzmitteln vollgepumpt wäre. Daran, dass ich mich etwas steifgelegen fühlte, konnten die allerdings auch nichts ändern. In der Hinsicht war es also sicherlich gut, dass die Physiotherapeutin morgen kam und sich darum kümmerte, so gut es möglich war. Dann wurde es in jedem Fall nicht mehr schlimmer, als es jetzt schon war. Wenn sie ihren Job gut machte, dann sollte ich dadurch besser wieder auf die Beine kommen. Aryanas Tadel ließ mich doch etwas amüsiert die Augenbrauen nach oben ziehen, was wohl daran lag, dass meine Aufmerksamkeitsspanne für eine Sache momentan noch relativ kurz war - die Gedanken an Faye ließen sich mit sowas also bis jetzt noch leicht vertreiben, wenn man meine Aufmerksamkeit ganz einfach in eine andere Richtung lenkte. Auch das würde sich aber ändern, wenn mein Gehirn sich vollends von der mehrfachen Kollision erholt hatten. Die Konzentrationsschwäche würde nicht ewig anhalten. Schon zu spät., antwortete ich ihr darauf also ebenfalls mit etwas Sarkasmus. So weit, wie das mit meiner noch etwas eingeschränkten Mimik eben ging. Die ältere Cooper wirkte nicht unbedingt glücklich damit, dass auch meine Familie nicht ewig hierbleiben konnte. Mein Vater musste zurück zur Arbeit - hatte sich sogar unbezahlten Urlaub genommen, um zumindest anfangs hier sein zu können - und meine Schwester hatte noch ihren weiteren Bildungsweg vor sich. Wenigstens machte sie im Gegensatz zu meiner Wenigkeit etwas aus sich, wenn sie ihre aktuellen Träume und Wünsche beibehielt. Bei ihr änderte sich das ab und an ganz gerne mal, aber sie war eben auch erst 21. Da stand einem die Welt noch offen. Zumindest vermeintlich. In jedem Fall hatte sie noch Zeit sich mehrfach umzuentscheiden, wenn ihr der sinn danach stand. "Das ist schade.", seufzte Hazel, die wohl ebenfalls darauf gehofft hatte, dass die Brünette ein bisschen mehr Zeit mitbrachte. Heutzutage war Zeit aber leider das kostbarste Gut und besonders die Arbeit wollte da gerne ihren zu großen Anteil haben. Gut, wie ich meine Schwester erzogen hatte, sah sie nicht so aus, als würde sie hinsichtlich Aryanas supertollem Arbeitgeber weiter nachhaken. Zwar hatte ich ihr nicht erzählt, dass die junge Frau jetzt für einen Bonzen mit zu viel Geld in einer Privatarmee schuftete, aber da war meine Schwester glücklicherweise einfach mit genug Taktgefühl ausgestattet. Wenn Jemand offensichtlich keine Lust hatte, über etwas Bestimmtes zu reden, dann ließ sie es meistens auch bleiben - nur bei mir gerne mal nicht, wie das mit Geschwistern eben so war. "Ich versuche gerade den Bachelor für Innenarchitektur hinzukriegen. An meiner Kreativität scheitert's bestimmt nicht, aber die Theorie ist manchmal schon sehr... nervtötend trocken.", erklärte sie leise seufzend und unterstrich die Bemerkung am Ende mit einer aussagekräftigen Handgeste. "Theorie-Schlafstunden hin oder her, das eine Jahr werd' ich jetzt schon auch noch geschaukelt kriegen.", fügte Hazel kurz darauf noch ein paar Worte an und zuckte optimistisch mit den schmalen Schultern. Ich sah das ähnlich wie sie, hatte sie doch bisher noch immer irgendwie selbst in den verhasstesten Fächern mit passablen Noten die Kurve gekriegt. Sie war nicht blöd. "Du wohnst hier in der Nähe, oder?", stellte Hazel der Brünetten kurz darauf eine andere Frage und sah sie abwartend an.
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Na das wäre aber unglücklich, in Anbetracht der Tatsache, dass Victor noch eine ganze Weile hier liegen bleiben würde. "Dein Glück, dass du unter den ganzen Drogen nichts davon mitbekommst, kleiner Junkie", fügte sie also nett wie eh und je an, lehnte sich vor, um mit ihrer Faust seinen Oberarm an zu stupsten. Natürlich nur ganz vorsichtig und so, dass es ihm selbst wenn der Arm tatsächlich verletzt gewesen wäre, nicht weh getan hätte. War ja möglich, dass Hazel vorhin bei ihrer Aufzählung eine Verletzung vergessen hatte und sie wollte lieber nicht riskieren, irgendwas kaputt zu machen, was bisher noch funktioniert hätte. Die Sache mit der beschränkten Zeit, die sowohl Hazel als auch sie selbst hier verbringen konnten, gab es leider nicht schön zu reden. Sie konnte hoffen, dass nach der Kompensationszeit und dem allfälligen Urlaub wieder etwas Trainingszeit in Easterlins Festung wartete, die es ihr ermöglichen würde, Abends trotzdem noch bei Faye und Victor vorbei zu schauen. Aber das war eher unwahrscheinlich, mehr als ein paar Tage Vorbereitungszeit würden vor ihrem nächsten Einsatz wohl nicht drin liegen. Und wenn das so war, dann konnte sie nur hoffen, dass besagter Einsatz kurz ausfallen würde. Denn sie war ganz und gar nicht angetan von dem Gedanken, ihre beiden Schützlinge - so fühlte es sich jedenfalls gerne an - alleine zurück zu lassen, schon gar nicht in dem Zustand, in dem sie sich momentan befanden. Vielleicht war Victor gerade ganz okay gelaunt, schien psychisch gut mitzumachen. Aber sie würde ihre linke Niere darauf verwetten, dass sich das sofort ändern würde, sobald die Schmerz- und Betäubungsmittel ganz abgesetzt waren oder spätestens dann, wenn er sich doch noch an das Geschehene zurückerinnerte. Vielleicht würde das nie passieren und wahrscheinlich wäre das im Allgemeinen auch wünschenswert. Denn wenn Faye so auf das Erlebte reagierte, wie sie es momentan eben tat, dann würde auch Victors Psyche sofort bergab purzeln, sobald die Erinnerungen zurück waren, dessen war sie sich sicher. Aber bevor sie sich zu tief in diesem negativen Gedankenstrudel verlor, lauschte sie lieber Hazels unschuldigen Zukunftsplänen, die doch eine anständige Laufbahn versprachen, sich nicht in einem Schlachtfeld und viel Trauma verlieren dürften. "Das klingt aber interessant. Abgesehen von der Theorie, mein ich", stellte Aryana ehrlich fest und warf auch Victors Schwester nochmal ein Lächeln zu. Gerade weil sie selber, ihre Geschwister, ihr Freund und der Freund ihrer Schwester - also kurz gefasst alle Menschen, die ihr wirklich nahe standen - allesamt keine normalen Karrieren hinter sich hatten, fand sie es doch schön zu hören, dass andere Menschen ihre Leben gewissermassen geschickter gestalteten. "Es ist trotzdem auf jeden Fall empfehlenswerter, als zur Army zu gehen", hängte sie nach Hazels Ausführungen zur langweiligen Theorie noch sarkastisch hinten an. Das konnte sie im Nachhinein, jetzt, wo sie doch um Einiges klüger war als mit 18, doch sehr eindeutig bekräftigen. Wahrscheinlich wäre so ziemlich alles empfehlenswerter als die freiwillige Traumatisierung. "Ja, ich wohne nur eine Stadt weiter. Ist nichtmal eine halbe Stunde von hier, also ganz praktisch eigentlich", auch dann, wenn ihre lieben Freunde nicht gerade im Krankenhaus residierten, wie das im Moment der Fall war.
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Anscheinend wirkte ich schon wieder fit genug, um mich zum Spaß boxen zu können. Also natürlich nicht richtig, von Schmerz wäre da sicher auch ohne die Schmerzmittel keine Spur. Spaß blieb mir in den letzten Tagen ziemlich effizient verwehrt, weshalb ich gerne darauf einstieg. Also setzte ich kurzerhand einen stark getroffenen Gesichtsausdruck auf und zog den Arm zu meinem Körper hin, als hätte die Brünette mir ernsthaften Schaden zugefügt. Allerdings löste sich der gespielt schmerzliche Gesichtsausdruck bald wieder in Luft auf. Die Konversation der beiden Frauen lief nämlich weiter und da wollte ich nicht im Weg stehen. Es tat mir selbst nämlich auch ganz gut, wenn es mal nicht nur um mich und den Verlauf meiner Verletzungen und den daraus resultierten Folgen ging. Ich war es eigentlich jetzt schon leid, ständig darüber reden - beziehungsweise zuhören - zu müssen. Hazel nickte auf Aryanas Worte hin lächelnd, stützte dann den Kopf in die rechte Hand, die wiederum von ihrem Ellbogen auf der Armlehne des Stuhls gestützt wurde. "Ist es auch... wobei unsere Eltern mich mittlerweile deswegen verfluchen, weil mir ständig irgendwas anderes dafür einfällt, wie man es bei uns Zuhause schöner haben könnte. Es ist doch alles gut so, wie es ist.", äffte sie unseren Vater nach, der sich in sein Haus eher ungern reinreden ließ. Unsere Mutter wäre vielleicht schon offen für Vorschläge, aber unser Dad änderte nur dann irgendwas, wenn er das als notwendig ansah. Es passierte Zuhause gar nichts ohne sein Einverständnis, was solche Dinge anging. "Aber ich werde wohl sowieso ausziehen, sobald ich nach dem Studium einen Job habe. Ich glaube die wollen mich langsam loswerden, weil Victor ja auch schon mit 18 quasi ganz aus dem Haus war.", erzählte sie weiter. Wahrscheinlich übertrieb sie mit ihrem Kommentar gegen Ende schon etwas, weshalb meine rechte Augenbraue nach oben wanderte. Sie sollte lieber froh darüber sein, dass die Uni in unserer Heimatstadt den passenden Kurs für sie anbot und sie nicht dafür hatte ausziehen müssen. Die Studiengebühren waren auch so schon teuer genug. Wahrscheinlich war das kleine Engelchen inzwischen ohnehin auch der Liebling unserer Eltern, weil sie weniger den Hang zum Selbstmord und für Nervenzusammenbrüche hatte. Wo wir dann beim Thema Army angekommen wären... "Da dürftest du Recht behalten, ja. Ich meine schau ihn dir an, ich darf jetzt schon zum dritten Mal regelmäßige Krankenhausbesuche machen und dabei ist er jetzt ja gar nicht mehr in Tarnklamotten unterwegs.", stieg auch meine Schwester auf den mit Humor beladenen Zug auf. Hazel blinzelte mit lieblichem Lächeln in meine Richtung, was mich augenrollend zum Stift greifen ließ. Mir macht's auch Spaß, danke., kommentierte ich ihre Worte mit trockenem Sarkasmus und einem entsprechenden Gesichtsausdruck. Ich nahm ihr die Worte nicht übel. Wusste, dass ich durch meinen - mild ausgedrückt - turbulenten Lebensstil nicht weniger als eine zeitweise sehr große Last für meine Familie war. Aber es war ja jetzt nicht so, als hätte ich wirklich drei Mal fast sterben und dann für mehrere Wochen im Krankenhaus landen wollen. Zumindest die ersten zwei Male hatte das mit absoluter Sicherheit nicht auf meiner Agenda gestanden... "Das ist schön, dann kriegst du deine Schwester ja öfter Mal zu Gesicht." In jedem Fall öfter, als Hazel mich zu sehen bekam. "Vielleicht lern' ich M... Mitchell? Dann auch kennen, wenn ich mal zu Besuch herkomme." Hazel konnte sich viele Dinge gut merken, aber Namen gehörten nicht unbedingt dazu. "Ich muss schon zugeben, dass ich ein bisschen neugierig darauf bin, was ihr beide für eine Kombination abgebt... und außerdem würde ich euch beiden gerne noch danken. Dafür, dass ihr die übergroße Zielscheibe in Form meines Bruder damals noch lebend von der Bildfläche gezogen habt, meine ich.", das Lächeln meiner Schwester wurde etwas schmaler und wehmütiger, aber der Dank spiegelte sich dennoch aufrichtig in ihren Augen wider. Damals klang irgendwie so, als wäre es schon etliche Jahre her, dass die Syrer Faye und mich in ihren Fängen gehabt hatten. Die traurige Wahrheit sah anders aus und die Abstände, in denen ich beinahe so nebenbei mal abkratzte, schienen grausamerweise immer kürzer zu werden.
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Aryana verdrehte theatralisch die Augen, als Victor ernsthafte Schmerzen aufgrund ihres harmlosen Boxens vorspielte. "Wart' nur, bis du wieder fit bist, dann spielen wir diese Szene in Echt nach", warnte sie ihn schonmal vor, dass er irgendwann in Zukunft auch gerne mal einen weniger zögerlichen Hieb ihrer Linken erleben durfte. Das könnte aber tatsächlich weh tun, da sie - wie ihre beiden Geschwister auch - Linkshänderin war. Und ausserdem natürlich wie immer in bester Form, da ihre Arbeit ihr diesbezüglich keine Pause gönnte. Sie hatte ja nicht vor, sich aufgrund fehlender Disziplin ins Grab schieben zu lassen. Gab genügend andere Risiken, aber das war nicht Thema der Stunde. Sie lächelte leicht bei Hazels Imitation der Gespräche, die sie wohl schon des Öfteren mit ihren Eltern geführt haben dürfte. Wenn Aryana so darüber nachdachte, würde sie eigentlich auch lieber kleine Zickereien mit ihren Eltern diesen ganzen Formalitäten mit ständig neuen Ärzten vorziehen. Aber scheinbar konnte man dieses Angebot auch im Doppelpack abonnieren, so wie Hazel es gerade vorführte. "Dann musst du wohl noch etwas an deiner Überzeugungskraft arbeiten. Aber da kann ich nicht weiterhelfen, ich bin nicht besonders begabt in ruhigen Argumentationen", meinte sie schief grinsend, wobei sie bei Bedarf mit zahlreichen Beispielen ungünstiger Diskussionen ihrerseits dienen könnte. Sie war zwar schlau und konnte durchaus überzeugend sein, aber die entscheidenden Leute dann dazu bringen, ihr mehr zu vertrauen als sich selbst, war dann jeweils trotzdem eher schwierig. Aber man brauchte sich hier auch nichts vorzumachen - viel davon war einfach mit ihrem Geschlecht zu erklären und der Tatsache, dass sie sich deutlich zu oft in doch sehr sexistischen Umfelder bewegte. Dass ihre Eltern Hazel tatsächlich loswerden wollten, bezweifelte Aryana jedoch ein Bisschen. War es nicht immer so, dass Eltern in gut funktionierenden Familien ihre jüngsten Kinder am liebsten für immer behalten würden? Sie hatte nicht viel Erfahrung in diesem Bereich, aber es fühlte sich jedenfalls so an von dem, was sie mitbekam. Die Augen der Brünetten wanderten zurück zu Victor, sobald Hazel auf die wiederholten Krankenhausaufenthalte ihres Bruders zu sprechen kam. Die hatten sich zwar bestimmt jedes Mal absolut ungewünscht angeschlichen, aber diesmal war Aryana sich ziemlich sicher, dass er eigentlich nichts dafür konnte. Er war ja, wie soeben von seiner Schwester festgestellt, nicht mehr im Krieg, nahm das Risiko von Verletzung und Lebensgefahr also auch nicht mehr so freiwillig auf sich. Was auch immer vor einer Woche passiert war - es war eine äusserst unglückliche Fügung des Schicksals. "Weisst du Victor, du kannst uns auch einfach sagen, was du an den Krankenhausbetten so toll findest... Bestimmt lässt sich das auch für euer Schlafzimmer zuhause organisieren - ihr braucht euch wirklich nicht jedes Mal fast umzubringen, um wieder hier zu enden", setzte sie den unschuldigen Sticheleien lächelnd noch einen drauf. Die ganzen ernsten Gespräche über Gefühle und Sorgen waren einfach nicht ihr Ding, sie war noch immer nicht besonders gut darin, ihre Emotionen mit mehr als maximal einer Person zu teilen. Schon das war zuweilen schwer genug, wovon Mitch genau wie sie ein Liedchen singen konnte. Auf ebendiesen jungen Mann kam Hazel wenig später zu sprechen, als sie eine andere Richtung einschlug und stattdessen etwas unerwartet ihren Dank für die mittlerweile fast 1.5 Jahre zurückliegenden (oder so, ich hab leider auch hier den Überblick verloren.. x'D) Ereignisse aussprach. "Das lässt sich bestimmt einrichten, sobald hier alle wieder einigermassen auf den Beinen sind", kommentierte Aryana zuerst nur den Teil mit dem Treffen, sprach das wohl mehr auch für sich selbst so aus, als wäre es gar keine Frage, ob sowohl Victor als auch Faye sich jemals wieder ganz erholen würden. Was sie und Mitch für ein Bild abgaben - tja, das konnte sie schlecht beantworten. Wohl ein relativ überzeugendes, sonst hätten sie kaum einen Superreichen dazu gebracht, ein paar seiner kostbaren, gut gehüteten Millionen in sie zu investieren. "Ich werds ihm gerne ausrichten, ist nämlich doch grösstenteils seinem Einsatz zu verdanken", erzählte Aryana, wobei sie das Lächeln der Blondinen weiterhin erwiderte. "Ich wäre zwar zweifellos auch alleine aufgebrochen...", einfach weil es um das Leben ihrer Schwester und damit um alles, was sie damals noch hatte, ging, "aber in diesem Fall wäre sehr sicher keiner von uns mehr zurückgekehrt", ohne Mitch hätte sie es nie im Leben geschafft, Faye und Victor aus den Höhlen zu schleppen und gleichzeitig die ganzen Gegner abzuwehren. Dazu waren zu diesem Zeitpunkt beide viel zu lädiert gewesen. Also praktisch wie jetzt. Aber eigentlich wollte sie lieber nicht noch mehr Parallelen bauen.
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Ich hab da auch gar keine Peilung mehr, Zeitgefühl in Rollenspielen ist immer ganz schwierig... x'D ___________
Ach, würden wir das? Ich zog wenig beeindruckt beide Augenbrauen hoch, sah in der Brünetten wohl einfach keine ernsthafte Bedrohung. Natürlich tat auch der Boxhieb einer körperlich fitten Frau unter Umständen ziemlich weh, aber es war eben einfach so, dass ich so gut wie jede Frau um mindestens einen Kopf überragte. Aryana war noch ein bisschen kleiner als ihre jüngere Schwester, da waren fast zwanzig Zentimeter Größenunterschied zwischen uns. Wenn du das Echo verträgst..?, formulierte ich den wenig ernst gemeinten Gegenschlag absichtlich als Frage. Dass die Brünette so einiges einstecken konnte hatte sie oft genug bewiesen, da brauchte ich nicht nachzufragen. Da ging es nur um das kleine bisschen sarkastischer Provokation. Abgesehen davon würde ich eine Frau niemals wirklich schlagen, solange sie mir nicht ernsthaft nach dem Leben trachtete. Zumal beim weiblichen Geschlecht meistens auch schon ein schwungvoller Schubs ausreichte, um sie auf Distanz zu kriegen. Ging eben leichter als bei einem Mann meiner Größe. Was hatte das eigentlich so mit Frauen an sich, dass sie sich so gerne zusammentaten, wenn es um ein bisschen Piesacken ging? Selbst wenn man sich kaum kannte oder eigentlich nicht leiden konnte - für ein paar fiese Späße schlossen sich die meisten Frauen dann doch ganz gerne mal zusammen. Vielleicht war der Gedanke etwas oberflächlich von mir, aber es war eben auch nicht unbedingt das erste Mal, dass mir das passierte. Ein persönliches Krankenzimmer aus Fayes und meinem Schlafzimmer machen? Der Gedanke daran war wohl ebenso absurd, wie er schräg war. Weder konnte ich die getrennten Betten gebrauchen, noch die ziemlich kahle Einrichtung, die nun wirklich so gar nichts Romantisches an sich hatte. Anfangs war ich damit zwar etwas überrollt worden, aber inzwischen schätzte ich Fayes Hang zu viel Deko in der Wohnung dann doch schon ein bisschen. Wenn ich ganz allgemein mal unsere Wohnung mit dem befreundeten Lebensretter-Paar verglich, wirkte es doch deutlich... gemütlicher, kuscheliger. Was jetzt wiederum aber nicht heißen sollte, dass Aryanas und Mitchs Einrichtung mich abschreckte. Sie war nur eben deutlich schlichter, was vielleicht mitunter auch daran lag, dass die beiden ohnehin nicht so sehr viel Zeit Zuhause verbrachte, wenn sie auf den Einsätzen waren. War auch einfach Geschmackssache, aber zurück zum Wesentlichen: Ihr könnt mich mal. Die paar wenigen Worte auf dem Papier unterstrich ich noch mit einem kurzzeitig erhobenen Mittelfinger, der aber ebenso wenig böses Blut versprach wie all die Worte zuvor. Ein Treffen mit Hazel und versammelter Gemeinschaft stellte ich mir ein bisschen abenteuerlich vor. Allein deswegen schon, weil sie in diesem Bund die einzige Person wäre, die noch nie eine Waffe gehalten und auf dem Schlachtfeld gestanden war. Es machte einfach irgendwas mit Einem - man verlor diese Blindheit für all die Dinge, die in der Welt falsch liefen. Verlor die Naivität zu glauben, dass irgendwann einfach alles gut wurde und man nur darauf warten zu brauchte. War nicht so, man musste dafür arbeiten. Immer wieder. Täglich. Manchmal war jede Minute ein Kampf. Aber gut, meine Schwester würde schon mit Mitchs schroffer Art und der unverblümten Direktheit klarkommen, denke ich. Auf den Mund gefallen war sie schließlich nicht. Faye kannte sie schon und mit Aryana schien sie sich auch zu verstehen, sollte kein Problem sein. Jetzt gerade kam Hazel jedenfalls nicht drum herum etwas verständnislos den Kopf zu schütteln und sich aufgrund dessen gleichzeitig wieder im Stuhl aufzurichten. Ich war mir nicht ganz sicher, ob das jetzt mehr auf die Selbstmord-Aktion bezogen war, welche die anwesende Brünette ohne Mitch durchgezogen hätte, oder ganz allgemein darauf, dass sie sich in den Hügel voll syrischer Ameisen geworfen hatten. Wahrscheinlich beides. "Dann sollte ich wohl froh darüber sein, dass ihr allesamt den gleichen Hang zum Wahnsinn habt." Ihre Worte klangen recht ironisch, aber an sich nicht abwertend. Es war eben, wie es war - wenn man kein Soldat war, dann konnte man sowas schwer nachvollziehen. Wohl selbst dann, wenn Geschwister davon betroffen waren und ich zweifelte nicht daran, dass Hazel nie im Leben den Mut dazu hätte, sich mit einem Gewehr und einer gepanzerten Weste in so eine Schlacht zu stürzen. Da müsste schon die ganze Welt auf dem Spiel stehen, dass sie nicht lieber die Hand in die Beine nehmen und wegrennen würde. Sie war menschlich viel mehr der Typ Beute, kein Jäger.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Ja, es summiert sich halt irgendwie, wenn man immer mal wieder zwei, drei Monate springt und dabei nicht mitzählt... xD _____________
Ach, da machte sie sich eher wenig Sorgen drum. Sie hatte über die Jahre eigentlich ziemlich erfolgreich gelernt, sich zu verteidigen. Und wenns doch mal brenzlig wurde, war sie meistens trotzdem schnell genug ausser Reichweite und machte sich halt einfach aus dem Staub. "Denke schon, ja", antwortete sie also optimistisch, nickte dabei relativ überzeugt vor sich hin. Dass Victor wenig Begeisterung über das schnell geschlossene Bündnis zwischen ihr und Hazel übrig hatte, löste doch das nächste seichte Grinsen auf Aryanas Gesicht aus. Spätestens bei dem wundervoll aufrecht gehaltenen Mittelfinger. "Tolle Motorik, Victor - du machst gute Fortschritte", kommentierte sie auch diese Geste reichlich sarkastisch, bevor sie sich im gleichen Zug nochmal an Hazel wandte. "Kannst du das dem Arzt bitte weiterleiten? Ich bin sicher, er wird sich darüber freuen, wenn er erfährt, welch positive Wirkung wir auf die Genesung deines Bruders haben. Vielleicht schaut er mich dann auch nicht mehr jedes Mal so pissig an, wenn ich im Flur seine Eingangskontrolle passieren muss, weil ich zu Vicky will", säuselte Aryana weiter fröhlich vor sich hin. Und ja, sie hatte vorhin natürlich weder den Spitznamen noch Victors Reaktion dazu verpasst. Sie selber sah zwar kein Problem in der Nutzung von solchen Übernamen - gerade zwischen Geschwistern war das doch einfach üblich - aber wenn sie ihn damit noch zusätzlich ein kleines Bisschen nerven konnte, war das den Gebrauch schon längst wert. Hauptsache er war ein Weilchen abgelenkt, dachte einen Moment an was anderes und auch sie hatte für kurze Zeit etwas, um sich zu amüsieren und den eigentlichen Grund ihres Spitalbesuches zu verdrängen. Den gleichen Hang zum Wahnsinn. Ja... das war wohl relativ treffend formuliert und wohl eine der Eigenschaften, die unter anderem durch den Krieg formuliert wurde. Man lernte eben ein anderes Verständnis für Leben und Tod kennen, wenn ständig irgendwelche Menschen, die einem mit Pech sogar nahe standen, starben. Wenn man Freunde um ihre letzten Atemzüge ringen sah und Kollegen in Einzelteilen nach Hause senden musste. Da prägte sich eine andere Endgültigkeit, ein anderes Verlustempfinden aus. Eine andere Angst, genau die zu verlieren, die man niemals hergeben wollte. Und wahrscheinlich war es dieser ständigen unterschwelligen Panik zu verdanken, dass sie niemals im Camp hätte warten können, während Victor und Faye langsam abgeschlachtet wurden. Genau wie Victor das nicht hätte tun können, wenn es um Faye ging und Faye es nicht hätte tun können, wenn es um Victor oder sie ging. Mitchells Gründe hatten zu diesem Zeitpunkt womöglich etwas anders ausgesehen, aber auch sein Todesmut war zu grössten Teilen durch den Krieg begründet gewesen. "Möglicherweise, ja. Da kommt wohl keiner drum herum, wenn man lange genug dort gewesen ist", murmelte Aryana ihre eigene Bilanz zu den Erlebnissen vor sich hin, zuckte leicht mit den Schultern. Sie war sich nicht ganz sicher, wie viel Zeit vergangen war, seit sie das Zimmer betreten hatte. Sicherlich mehr als zehn Minuten, aber ihr hatte der Sinn eigentlich trotzdem noch nicht unbedingt nach Verschwinden gestanden, als es mal wieder an der Tür klopfte. Caldwell war wohl beschäftigt und hatte diesmal eine seiner Untertanen vorgeschickt, denn es war eine Krankenschwester, die den Kopf ins Zimmer streckte, um auf die Zeit aufmerksam zu machen. Sie sagte nichts zu Hazel, aber Aryana sollte offenbar langsam wieder gehen. Sie gehörte ja nicht zur Familie oder zum engsten Kreis - der hier lustigerweise ja nur aus der Familie bestand, da Victors liebe Freundin ganz sicher selbst auf Wunsch hin keine Zutrittsbefugnis bekommen würde. Die Brünette seufzte leise in sich hinein und rieb sich mit den Händen über die Oberschenkel, bevor sie abermals mit den Schultern zuckte. Half ja doch nichts. "Dann wünsch ich euch beiden noch einen wundervollen Tag, schätze ich", die Worte klangen etwas ironischer als beabsichtigt. Wohl hauptsächlich deswegen, weil sie das Gespräch eigentlich gerne noch etwas in die Länge gezogen hätte. "Wir sehen uns morgen", wandte sie sich mit einem schwachen Lächeln an Victor, winkte ihm mit dem Papier zwischen den Fingern zum Abschied zu, ehe sie auch Hazel nochmal ein Lächeln schenkte. "Und wir uns ja sicherlich auch nochmal in den nächsten zwei Wochen. Hat mich jedenfalls gefreut", auch wenns kurz gewesen war, was vielleicht ja sogar von Vorteil war. Dann hatten sie keine Zeit dafür gehabt, in die unangenehme Stille zu rutschen, die gerne mal auftauchte, wenn Aryana sich mit fremden Leuten unterhielt. Eine der tollen Begleiterscheinungen von Gesprächen mit introvertierten Menschen, die nicht wussten, wie man Konversationen führt.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Fortschritte, ja - wäre aber auch schlecht, wenn ich keine machen und mein Zustand schon jetzt stagnieren würde. Wenn ich mit einem erhobenen Mittelfinger schön deutlich zeigen konnte, dass es mir schon besser ging, dann tat ich das in einer Situation wie dieser doch liebend gerne. Hazel lachte leise über Aryanas noch folgende Worte und ich konnte nur noch die Augen verdrehen, als sie dem Ganzen mit meinem Spitznamen noch einen draufsetzte. Zugegeben war ich damit aber auch schlichtweg sehr leicht zu ärgern. "Ja, der gute Caldwell... strenger als jeder Mathelehrer, den ich kennenlernen durfte.", stellte Hazel amüsiert mit einem Kopfschütteln fest. Der Kittelträger meinte es sicher nur gut mit seinen strengen Regeln - außerdem trug er für mein Wohlergehen gerade halt auch so ziemlich die volle Verantwortung - aber er war eben trotzdem ziemlich engstirnig und schwer umzustimmen. Wenigstens ging sein Verhalten mit seiner Erfahrung hinsichtlich Koma-Patienten und deren Gehirnschäden einher, er handelte also sicherlich nicht grundlos so strikt. Auch zu der Sache mit dem im Militär entstehenden, psychischen Wahnsinn sagte ich nichts weiter. Es stimmte leider und das bestätigte Aryana schon ausreichend. Wahrscheinlich verkorkste zwar nicht jeder Soldat so extrem, aber bis auf Faye - und die war auch traumatisiert genug - waren wir alle mehrere Jahre im Krieg gewesen. Ich selbst zwar mit Unterbrechung, aber das änderte auch nichts am irreparablen Schaden meiner Psyche. Den hatte ich schon nach der ersten Etappe weggehabt und die zweite hatte es noch schlimmer gemacht. Die Brünette schien dann leider auch schon wieder gehen zu müssen. War schade. Zwar hatte das Gespräch gegen Ende jetzt eine nicht ganz so fröhliche Wendung genommen, aber der kleine Spaß zwischendurch hatte gut getan. Der Blick, den ich der Schwester zuwarf, die im Türrahmen auftauchte, verriet ihr mit Sicherheit auch sehr gut, was ich von dem Rausschmiss hielt. Bei Aryanas Verabschiedung griff ich dann doch noch einmal kurz nach dem Klemmbrett, um ein großes Danke draufzuschreiben und es hochzuhalten, bevor sie durch die Tür verschwinden musste. Es bezog sich sowohl darauf, dass sie mich von jetzt an auch besuchen kam so gut und so lang sie konnte, als auch auf das Übermitteln des Briefchens an Faye. "Ja, ganz bestimmt. Bis dann.", verabschiedete Hazel sich lächelnd von Aryana und hob dazu auch kurz die Hand, bevor die Tür schließlich hinter ihr zufiel. Dann drehte sie sich noch immer lächelnd zurück zu mir und lenkte das Gespräch bald weiter. "Ich hoffe wirklich, dass Faye sich über die kleine Botschaft freut. Das war süß von dir.", summte sie, förmlich von der eigentlich nicht romantischen Atmosphäre im Krankenhaus ergriffen. Es kam ihr leider nicht zugute das Thema gleich wieder auf Faye zu lenken, weil ich mich dadurch wieder daran erinnerte, dass ich vorhin das Gefühl gehabt hatte, dass sie mir etwas verschwiegen hatte. Deshalb griff ich auch zum Stift. Was verschweigst du mir?, hakte ich nach und sah sie forschend an, was sie nur seufzen und wegschauen ließ. "Ha...zel..!", versuchte ich sie auch wörtlich dazu zu bewegen, mit der Sprache rauszurücken. Es entsprang sicher einzig der Tatsache, dass ich versuchte sie mit Sprache zu erreichen, dass sie doch wieder zu mir sah. Sagen tat sie aber immer noch nichts, weshalb ich letztlich den Stift nach ihr warf. Ursprünglich hatte ich ihren Oberkörper treffen wollen, er streifte jedoch lediglich ihren Unterarm. Da hatten weder die Augen, noch die Motorik wirklich gut funktioniert. Die Blondine stöhnte genervt und hob den Stift auf, drehte ihn einen Moment lang nachdenklich zwischen ihren Fingern. "Ich glaube Faye wollte nicht, dass ich sie besuche, weil ich deine Schwester bin. Weil sie sich vor allem die Schuld dafür gibt, dass du jetzt hier liegst... die Schwester hat gesagt, Faye hätte versprochen, dich nie wieder kaputt zu machen. Ich wollt's dir nicht sagen, weil ich dich nicht unnötig beunruhigen wollte, okay? Außerdem gibt sich das bestimmt wieder, sie vermisst dich sicher längst. Ihr seid doch so unzertrennlich..." Je länger die zierliche Blondine vor sich hinredete, desto leiser wurde sie. Außerdem begann sie nervös an den Ärmeln ihres Pullovers zu spielen und hörte auf mich anzusehen - völlig zu Recht. Sie machte mich sauer. Wir erzählten uns immer alles und da verschwieg sie mir ausgerechnet das. Ich konnte förmlich spüren, wie mein Puls sich beschleunigte und das Adrenalin meine Adern flutete. Dementsprechend änderten sich auch zügig die Wellen, die auf dem Display des noch immer mit den Messfühlern an meiner Brust angebrachten EKGs ausschlugen. Ich ging zwar davon aus, dass das Personal der Station sowieso gleich Meldung deswegen bekam und hier in kurzer Zeit Jemand aufkreuzen würde, aber dennoch wollte ich den Rausschmiss gerne persönlich vornehmen. Also nickte ich mit ins Gesicht gezogenen Augenbrauen in Richtung Tür, während Hazel mich fast schon flehend ansah. "Ich hab's wirklich nicht böse gemeint, Victor. Ich wollte doch nur...", versuchte sie wohl noch irgendwas an meiner Gemütslage zu retten, aber da brauchte sie sich kaum Hoffnungen zu machen. Außerdem stürmte die Schwester, die eben noch Aryana rausgeholt hatte, ungefähr drei Sekunden später förmlich die Tür. Eilte zu mir ans Bett und fragte, was los sei. Ich antwortete nicht, drehte nur den Kopf weg - hätte mich lieber demonstrativ ganz auf die Seite und von den beiden Frauen weggerollt, aber das ging schlecht. "Nichts, ich hab nur... ich gehe.", murmelte die Blondine etwas hektisch und stand auf, um zügig das Zimmer zu verlassen. Damit war die Schwester wenig einverstanden, weil sie die Ursache jetzt halt nicht kannte, aber sie war darauffolgend dann eher damit beschäftigt, mich mit Worten beruhigen zu wollen. Mir zu sagen, dass Caldwell auch gleich kommen würde, was mich herzlich wenig interessierte. Ich blendete ihr Gerede bestmöglich aus und versuchte lediglich sehr tief und flach durchzuatmen, um auf natürliche Weise meinen Blutdruck zu senken. Ich wollte weiß Gott nicht auch noch ein Beruhigungsmittel gespritzt kriegen, nur weil mein Gehirn auf gesteigerten Blutdruck noch immer allergisch reagieren könnte. Spielte dann am Ende eigentlich auch keine Rolle mehr, oder? Wenn Faye mich sowieso nicht mehr in ihrem Leben haben wollte... zumindest war es das, was ich aus Hazels Worten schlussfolgerte.
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Es war keine Überraschung, dass das Überbringen der Botschaft bei Faye einen Nervenzusammenbruch ausgelöst hatte, oder? Hatte Aryana ja bereits vorausgesehen. Sie hatte bis nach dem Mittagessen gewartet, als sie zusammen im Zimmer gesessen hatten und Faye wieder damit begonnen hatte, die Nagelhäutchen an ihren noch funktionsfähigen Fingern zu malträtieren. Aryana hatte ihr das Blatt mit den leisen Worten "von Victor" vor die Nase gehalten. Und da war sie wieder in Fayes Blick, die aufflammende Panik, während sie das Papier betrachtete, noch bevor sie es überhaupt aufgefaltet hatte. Ihre Finger hatten sofort zu zittern begonnen bei dem Klang des Namens ihres Freundes und sie taten es noch immer, als sie vorsichtig nach dem Blatt fischten um die Botschaft darauf freizulegen. Und kaum hatte ihr Verstand die Buchstaben zu Wörtern verbunden, füllten sich ihre Augen mit schmerzvollen Tränen, weil Faye sich absolut sicher war, dass Victor ihr diese Worte nie wieder zusprechen würde. Nicht nach allem, was passiert war, nicht nach allem, was sie ihm angetan hatte, nicht nach allem, was er wegen ihr durchlaufen musste. "Er... er w-weiss gar n..nichts, oder? Sonst würde er das nie...niemals sagen", gab sie zittrig und tonlos von sich, ohne von dem Papier aufzuschauen, um welches sich ihre Finger zu Fäusten krampften. Sie erkannte nichts mehr dank dem Tränenschleier, aber das musste sie auch nicht, hatten sich die Zeilen doch längst in ihr Gehirn gebrannt. "Er... liebt mich nicht, Aryana, er l-liebt nur... nur eine Vorstellung... einen Gedanken... s-sag ihm... sag ihm dass... dass er das nicht tun sollte... ich bringe ihn doch... ständig... nur um!", das schien dann auch wieder das Maximum an Worten gewesen zu sein. Denn auch wenn Aryana umgehend versuchte, die Wogen zu glätten, sich zu Faye auf den Bettrand setzte und sie in den Arm nahm, ihr sagte, dass das nicht ihre Schuld sein konnte, egal was passiert sei, dass Victor sie wirklich vermisse und liebe, dass es auch diesmal einen Weg zurück ans Licht geben würde - es half ja doch nichts. Sie wusste weiterhin nicht, was es war, das die Seele ihrer Schwester dermassen zerquetschte, aber selbst der Anblick allein war einfach nur grausam. Sie fragte Faye lieber erst am nächsten Tag, ob sie Victor denn nicht vielleicht doch auf die Nachricht antworten wollte, er sich bestimmt darüber freuen würde. Als Antwort darauf zog ihre Schwester einen sorgsam gefalteten Zettel hervor, den sie etwas zögerlich überreichte. Auch ihre Buchstaben präsentierten sich herzhaft wackelig auf dem Stück Papier, was unter anderem daran lag, dass ihr kleiner Finger im Gips lag und sie den ganzen Arm noch immer mehr schlecht als recht benutzen konnte. Die Schulter war am Tag nach ihrem Eintritt ins Krankenhaus operiert worden, weil sie so lange ausgekugelt und dabei offenbar heftig strapaziert worden war, dass die Ärzte befürchtet hatten, die Verletzung würde ansonsten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einer dauerhaften Instabilität führen - wie das eben häufig passierte nach Schulterluxationen. Das war auch nicht weiter schlimm (abgesehen davon, dass Faye keinen Sinn darin sah, weil sie die Schulter für den Rest ihres Lebens kaum mehr brauchen würde), aber seit da lag der Arm eben in der Schlinge und sollte wenn möglich nur in der Physiotherapie bewegt werden, was das Verfassen eines Textes, und war er auch noch so kurz, etwas umständlich gestaltete. Ich dich auch. Und ich werde dich für immer lieben. Mehr hatte sie nicht geschafft, aber es war wichtig, dass er das wusste. Wenn er sich wieder erinnerte - und sie glaubte nicht daran, dass er auf Dauer von den Bildern verschont blieb - würde er daran zweifeln. Er würde nicht mehr daran glauben, dass sie ihn jemals geliebt hatte, wenn sie zugleich tatsächlich riskierte, ihn noch einmal durch die Hölle zu schicken. Er würde sie verfluchen und bereuen, sie jemals in sein Zelt gelassen zu haben, damals, in Syrien. Aber vielleicht würde er ihr trotzdem irgendwann glauben und die Worte auf dem Blatt mit der Entschuldigung akzeptieren. Er musste sie nie wieder in sein Herz oder in sein Leben lassen. Damit hatte sie innerlich längst abgeschlossen, weil sie nicht glaubte, dass dieses Kapitel noch zu retten war. Auch weil sie schlicht nicht bereit dazu war, sich selbst jemals zu vergeben, ihm das alles angetan zu haben. Aber vielleicht würde er ein Stückchen Frieden finden - das Einzige, was sie ihm noch geben konnte. Zehn Tage waren seit da vergangen. Aryana hatte brav den schummelnden Boten gespielt. Vielleicht war das unfair, aber das Risiko, dass Faye irgendwelche Dinge aufs Papier kritzelte, die niemals zu Victor in seinem momentanen Zustand gelangen durften, war einfach zu gross. Aber das tat sie nicht. Fayes Antworten fielen immer sehr kurz aus, genau wie in ihren Gesprächen auch. Sie beantwortete keine schwierigen Fragen, gab keine ihrer Gedanken preis und wollte lieber ständig von ihm persönlich wissen, ob Victor Fortschritte machte, ob es ihm gut ging, wie es mit seiner Gesundheit aussah, ob ihm was fehlte und ob er sich je wieder vollständig erholen würde. Auch wenn Aryana sie besuchte, blieb das der Status Quo. Fayes depressive und suizidale Stimmung wurde zwar mittlerweile dank diversen gut abgestimmten Medikamenten ziemlich gedämpft, aber die Teilnahmslosigkeit und absolute Gleichgültigkeit gegenüber allem, was sie selbst betraf, war geblieben. Es war selbst durch die Wand der Psychopharmaka absolut ersichtlich, dass sie den Willen zu Leben irgendwo in dieser verdammten Nacht verloren hatte, dass sie quasi nur darauf wartete, hier raus zu kommen, um dem Elend dann ein Ende setzen zu können. Mrs Hill und ihre Psychologen-Freunde bissen sich an der allmählich wieder ungesund dünnen Brünetten die Zähne aus, weil diese bei Fragen nach den Geschehnissen weiterhin kein Wort von sich gab. Und Aryana sah sich selbst mit einer absoluten Sackgasse konfrontiert. Noch dazu spürte sie langsam aber sicher Easterlins ungeduldigen Atem im Nacken - es würde also nicht mehr lange dauern, bis sie wieder ausgeflogen wurden. Und was dann? Wer garantierte ihr, dass ihre Schwester noch lebte, wenn sie wieder da waren? Keiner. Weil keiner das konnte ausser Faye. Sie hatten sich heute darüber unterhalten, aber alles, was Aryana ihr hatte entlocken können, war ein sehr ausgelaugtes “Ich werds versuchen, Aryana... Aber ist schon echt anstrengend...", gewesen. Mit dieser absolut nicht zufriedenstellenden Antwort im Kopf, stapfte sie nun den Flur zu Victors Zimmer runter. Mitch war da, um ihrem bettlägerigen Freund etwas Gesellschaft zu leisten. Er war zwar mittlerweile von der Intensivstation in ein normales Zimmer umgesiedelt worden, da sein Zustand soweit stabil war, aber das mit den Besuchszeiten nahmen die leider noch immer ziemlich ernst. Auch wenn die Zeitfenster glücklicherweise etwas länger geworden waren, auch für Nicht-Familienangehörige. Aryana gab aber nicht immer gleich viel auf die Anmeldung, besonders heute nicht, da Mitch ja sowieso schon im Zimmer sass, als sie anklopfte. Schätzungsweise waren es vielleicht noch fünf Minuten, bis der nächste Rausschmiss drohte, aber sie schaute trotzdem noch kurz vorbei. Das Lächeln auf ihrem Gesicht wirkte angespannt und etwas forciert, wie immer, wenn sie direkt davor ihre Schwester besucht hatte. Trotzdem mühte sie sich jedes Mal damit ab, bevor sie Victor ein kurzes "Hey" zur Begrüssung zukommen liess. Sie trat an die beiden heran, blieb dann neben Mitch stehen und stützte sich auf seiner Stuhllehne ab. "...oder soll ich besser draussen warten, um eure wertvollen Männergespräche nicht zu unterbrechen..?", versicherte sie sich etwas spät, wobei sie das Zimmer natürlich schon verlassen konnte, falls das jetzt gewünscht sein sollte.
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Nüchtern betrachtet schien es irgendwie weder Aryana und mir, noch Faye und Victor vergönnt zu sein, mal sowas wie ein ruhiges oder gar angenehmes Leben zu führen. Zugegeben half es mir psychisch inzwischen doch ganz gut, dass ich wieder eine fordernde Aufgabe hatte. Wie sehr die Aufträge von Easterlin moralisch vertretbar waren stand auf einem ganz anderen Blatt, aber alles fiel mir leichter, als einem normalen Alltag nachzugehen. Es war gut, wenn ich durch stressige und adrenalingetränkte Situationen den Kopf nicht in die falsche Richtung verlor. Wenn ich damit beschäftigt blieb, eine Mission erfolgreich zu Ende zu bringen. Vielleicht war das auf einer anderen Ebene ungesund, aber es ließ auf jeden Fall die Suizidgedanken ersaufen und das war das Ziel oberster Priorität... glaubte ich. Seit Aryana und ich uns wieder mehr oder weniger regelmäßig - eben je nach Auftragslage - durchs Ausland wühlten, war ich demnach auch etwas ausgeglichener. Die eine oder andere etwas unangenehmere Diskussion ließ sich Zuhause im Alltag vielleicht nicht vermeiden, aber ich schottete mich zumindest nicht mehr krampfhaft von der Brünetten ab - was jetzt aber nicht heißen sollte, dass ich plötzlich gerne über meine noch unregelmäßig schwankende Gefühlslage redete. An guten, freien Tagen besuchte ich den kleinen Josh manchmal, das hatte ich ihm schließlich versprochen. Zwar ließen die Erzieher im Kinderheim mich nach wie vor keine Ausflüge allein mit ihm machen, aber er freute sich wirklich über jede noch so stumpfsinnige Kleinigkeit. Da reichten schon eine Tüte Gummibärchen und ein Football zum hin und her werfen. Nur seine kindlichen Fragen über Gott und die Welt, die waren manchmal echt schwer zu beantworten. Er hatte mich auch noch zweimal gefragt, ob ich ihm nicht zeigen konnte, wie man denn richtig zuschlug. Ich hasste mich wirklich dafür, dass ich damals am Strand gesagt hätte, er hätte nur falsch gehauen, wenn es nichts gebracht hatte. War dumm gewesen und natürlich zeigte ich ihm das nicht - sonst hätten die mich wahrscheinlich in hohem Bogen aus dem Heim geschmissen. Das konnte ich dem Kleinen nicht antun. Bei Aryana und mir lief es inzwischen also den Umständen entsprechend etwas besser. Scheinbar war das Leben dadurch schon wieder zu ruhig gewesen, weil Faye und Victor es einfach nicht sein lassen konnten, das nächste Drama anzuzetteln. Ich war heilfroh darum, dass Aryana die Nachricht über Fayes Einlieferung ins Krankenhaus erst erhalten hatte, als wir schon zurück auf amerikanischem Boden waren. Nur ungern hatte ich sie später alleine zum Krankenhaus aufbrechen lassen und das mulmige Gefühl, dass sich bis zu ihrer Rückkehr in unsere Wohnung quer in meinen Magen gelegt hatte, sollte sich bestätigen. Wir hatten ja schon vorher die beiläufige Information gekriegt, dass es da ein paar Leute gab, die nicht gut auf Faye und Victor zu sprechen waren, aber das hatte nicht so geklungen, als würden sie deswegen ein paar Tage später im Krankenhaus landen. Ich wusste gar nicht, was ich zu alledem sagen sollte, als die Brünette aus dem Krankenhaus zurückkam. Ich war eigentlich hundemüde von der langen Reise, aber wenn Aryana wachblieb und rege nach Antworten suchte, brauchte ich selber kaum an Schlaf zu denken. Also blieb ich mit ihr wach, bis sie am nächsten Tag zurück ins Krankenhaus fuhr und legte mich erst danach ins Bett. Die Tage darauf war mein Schlafrhythmus dann ziemlich im Eimer, aber das war wohl das geringste Problem. Ich versuchte das Ganze nicht zu nah an mich rankommen zu lassen. Versuchte nicht zu viel darüber nachzudenken, dass Victor beinahe schon wieder den Himmel geküsst hatte und Faye sich die Pulsadern mit Endgültigkeit hatte aufschlitzen wollen - aber wem machte ich da was vor... ich war nicht mehr so unabhängig wie früher. Immer dann, wenn Aryana zu den beiden flugunfähigen Tauben aufbrach, war ich allein und machte mir dann ja doch Gedanken darüber. Fragte mich, wie zum Teufel das alles hatte passieren können, wenn sie doch angeblich den Schutz der Polizei gehabt hatten. Fragte mich, ob es das jetzt endgültig für die zwei gewesen war, weil sie in meinen Augen nur noch zu zweit existierten und getrennt nicht mehr funktionierten. Sie eine Symbiose miteinander eingegangen waren, die bei Trennung dann das Ende bedeutete. Eigentlich konnte ich mir sämtliche Gedanken dazu aber sparen, ohne das Übel mit eigenen Augen gesehen zu haben... vielleicht sah die Realität anders aus. Einige Tage später gab Victors Arzt dann sein Okay dafür, dass er weitere Besucher empfangen durfte. Sein Gehirn schien die schlimmste Phase vollständig überwunden zu haben und allgemein hatte sich sein Zustand wohl schon gebessert, also stieg ich heute schon zum zweiten Mal zusammen mit Aryana ins Auto, um zum Krankenhaus aufzubrechen. Dieses Mal konnte ich mich mental schon besser drauf einstellen, dass Victor noch recht eingeschränkt in der Kommunikation war. Zwar konnte er inzwischen wieder etwas sprechen, aber da kam manchmal dann doch noch ziemlicher Buchstabensalat bei raus oder ihm ging einfach die Luft aus, weshalb er vorübergehend aufs Schreiben umstieg. Gestern war seine Laune etwas besser gewesen als jetzt - scheinbar weil die Physiotherapie heute Vormittag ihm etwas zu überdeutlich aufgezeigt hatte, wie viele Grenzen ihm sein Körper aktuell noch setzte, auch wenn trotzdem gut erkennbare Fortschritte da waren. Außerdem sah er schon deutlich besser und er reagierte wieder unempfindlicher auf helles Licht. Die komischen Lichtpunkte von denen er gestern erzählt hatte, blieben inzwischen aus. Ich versuchte ihm während der paar Minuten, die uns vergönnt waren, ein bisschen die Frustration hinsichtlich der langsam voranschreitenden Therapie zu nehmen. Natürlich durfte der eine oder andere Witz da nicht fehlen und irgendwann hoben sich seine Mundwinkel dann auch mal an. Die Blutergüsse in seinem Gesicht waren größtenteils nur noch blass zu sehen, aber er wirkte trotzdem hier und da ein bisschen wie ein trauriger Clown, der das Spiel halt nur mitspielte, weil er keine andere Wahl hatte, wenn er hier wieder rauskommen wollte. Dass Faye übers Papier bisher nur spärlich mit ihm kommuniziert hatte, schien da auch eine Rolle zu spielen und mir fiel auch heute mal wieder auf, dass ich kein guter Seelsorger war. Mit Witzen konnte ich dienen, aber das wars dann halt auch schon. Trotzdem konnte ich die Bilanz des heutigen Gesprächs als halbwegs positiv werten, schien der lädierte Patient doch zumindest ein bisschen besser drauf zu sein als zu Beginn, als Aryana sich schließlich zu uns gesellte. Während Victor sie ebenfalls mit einem "Hi." begrüßte, ließen mich ihre Worte ein bisschen grinsen. "Nah, passt schon... kannst ruhig auch wissen, dass ich die schöne Unterwäsche vermisse, die du schon zu lang nicht mehr anhattest.", machte ich auch an dieser Stelle gerne einen kleinen Witz mit immer breiter werdendem Grinsen, drehte meinen Kopf dabei in ihre Richtung und legte ihn etwas in den Nacken, um sie leichter ansehen zu können. Natürlich hatten wir uns hier vor ihrem Eintreffen nicht über Frauen unterhalten - jedenfalls nicht hinsichtlich sexueller Begierden - der gute Victor hatte ganz andere Sorgen. Da war es angebrachter gewesen ihm zu versichern, dass ich ihm gerne dabei helfen würde körperlich wieder richtig fit zu werden, sobald er mal aus der Reha raus war. Soweit es mir Easterlin zeitlich eben ermöglichte. War jedenfalls nicht so, als hätten Victor und ich uns hier grade über irgendwas männertypisches unterhalten, bevor die Brünette sich zu uns gesellt hatte. Victor selbst tat meinen Witz mit einem schwachen Grinsen ab, bevor er selbst das Wort ergriff. "Wie g... geht's Faye?", stellte er stockend die Frage, die wohl schon zu erwarten gewesen war. Da war das Grinsen auf seinen Lippen bereits verschwunden und man konnte förmlich aus seinen Augen lesen, dass er sich keine große Hoffnung auf positive Nachrichten machte. Aber wer konnte ihm das auch verübeln, so angesichts der aktuellen Lage...
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