Shit. Sie hatten nur Sean festgenommen. Wie... wie hatte sie nicht merken können, dass die Brünette abgehauen war? Wie hatten es die Cops nicht merken können? Die Tür musste offen gestanden haben, hatte denn wirklich keiner nachgeschaut, wo das Mädchen hin verschwunden war?? Offensichtlich nicht - weil keiner gewusst hatte, dass sie überhaupt da gestanden hatte. Keiner ausser Faye und sie hatte im Denken komplett versagt. Mal wieder. Wie sagte man so schön? Nicht die hellste Kerze auf der Torte. Und das war sie noch nie gewesen, nur dass es sie normalerweise nicht den Kragen kostete, wenn sie etwas übersah. Falls sie zuvor ihre Tränen unter Kontrolle gebracht hätte, so gehörte dieser Zustand auf jeden Fall Vergangenheit an, denn mittlerweile wurden die stummen Bäche wieder ungehalten von der Schwerkraft geleitet, während sie sich darum bemühte, das Ausmass der Katastrophe zu fassen. Damit sie vielleicht irgendwann damit beginnen konnten, Lösungen zu suchen. Wenn es dafür überhaupt Lösungen gab. Ihr Gemüt liess sich nicht unbedingt davon beruhigen, dass Victor sich ganz von ihr löste, um sich zurück auf die Füsse zu erheben. Aber trotzdem war sein Verhalten durch und durch nachvollziehbar, er war immerhin genauso überfahren wie sie - nur sehr viel weniger selber Schuld. Sie hätte nie erwartet, dass sich das Schicksal so übel gegen sie wenden würde, war nie davon ausgegangen, Seans Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und damit die Wut seiner ganzen Anhängerschaft. Ryatt hatte befürchtet, dass es ihn treffen würde, wenn er erstmal gegen Sean aussagte. Aber scheinbar war sie ihm auf wundersame Weise zuvorgekommen, hatte ihn auf der Abschussliste im Sturm überholt. Was nicht heissen sollte, dass sein Name da nicht ebenfalls mit drauf stand. Nur mit einer bestimmt weitaus niedrigeren Priorität. "Victor ich... es tut mir so leid... ich...", sie schaffte es nicht, einen fertigen Satz zu formen, weil sie es eben genauso wenig wusste wie er. Und weil sie einfach nur riesige Angst hatte, ihn zu verlieren. Noch mehr Angst als je zuvor, weil sie wusste, dass es diesmal ihre Schuld sein würde. Und wie sollte sie je in ihrem Leben damit klar kommen, wenn ihm ihretwegen etwas passierte?? "Du musst weg, Victor, bitte... oder wir beide... aber ich... ich kann nicht... wenn etwas passiert und es meine Schuld ist, dann... dann...", stammelte sie wirr vor sich hin, merkte, wie die unterschwellige Übelkeit wieder stärker wurde, wieder ihren ganzen Körper einzunehmen drohte, während sie hier schief auf der Liege hing und fast kotzte. Sie war noch nicht fertig mit ihrem zusammenhanglosen Flehen, als die beiden Sanitäter zurückkamen, die sich scheinbar in der Zwischenzeit noch um das Bein des Polizisten gekümmert hatten. Oder um irgendwas anderes, was spielte es für eine Rolle... "Es wird Zeit zu fahren, Faye... Möchten Sie mit dem Krankenwagen mitfahren..? Es stehen noch ein paar Untersuchungen zur Dokumentation an und die Hand wird wohl noch genauer angeschaut", wandte sich Matthew zuerst and die zitternde Brünette und dann an Victor, während Faye sich mit Gabs Hilfe in die gewünschte liegende Position begab, ehe er sie auf der Liege anschnallte. Sie hätte gerne etwas dagegen gesagt und allen klargemacht, dass sie weder mit dem Rettungswagen fahren noch ins Krankenhaus musste. Aber sie fühlte sich wie von einem tausend Tonnen schweren Zug überrollt und dazu vollkommen taub vor Angst. Victor könnte diesen Rettungswagen verlassen, zu seinem Auto gehen und auf dem Weg dorthin schon abgeknallt werden. Oder sein Auto könnte explodieren, während er drin sass. Oder er wurde überfallen. Während sie einfach hier lag und nichts tat ausser in Schmerzen und Panik zu versinken, bis ihrem Körper endlich komplett die Kraft ausging und sie einschlief.
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Ich wusste, dass es Faye leid tat. Dass sie ganz bestimmt nie gewollt hatte, dass die Dinge einen solchen Verlauf nahmen, nur weil sie einem Veteranen dabei half nicht abzukratzen. Ich kannte die zierliche Brünette inzwischen mehr als gut genug, um zu wissen, dass sie in etwa die letzte Person auf dem Planeten war, der es nach derartiger Action verlangte. Zumindest nicht bewusst. Dennoch musste ich mich unweigerlich fragen, wie es was das anging mit ihrem Unterbewusstsein aussah. War ihr das 0815-Leben, das wir beide inzwischen wieder führten, womöglich doch einfach zu normal? Fehlte ihr irgendwie der Kick - und sei es nur unterbewusst? Ich schüttelte innerlich den Kopf, um die Gedanken in diese Richtung loszuwerden, waren sie doch ziemlich absurd. "Ich weiß, Faye...", war alles, was ich aufgewühlt nach ihrer Entschuldigung vor mich hin murmelte. Noch im gleichen Atemzug hob ich die rechte Hand wieder, um mir damit durchs Haar am Hinterkopf zu reiben. Als würde das irgendwie zu meiner Beruhigung beitragen. Dazu schlangen sich Fayes offensichtliche Schuldgefühle viel zu eng um meinen Hals, als sie sagte, dass ich weggehen musste. Erst daraufhin suchte ich mit meinen Augen wieder nach ihren. Als würde ich allein irgendwo hingehen und sie auch noch hier lassen, wo ich doch wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie mit dem nächsten gefährlichen Aufeinandertreffen konfrontiert wurde. Als stünde das überhaupt irgendwie zur Debatte. Zusammen von hier wegzugehen klang da deutlich sympathischer - nur war das sehr viel leichter gesagt, als getan. Man konnte ja nicht mal einfach so für ein paar Wochen oder gar Monate verschwinden, ohne dass das Folgen hatte. Mal ganz abgesehen von dem leidigen Thema, dass Faye hier eigentlich sowieso nicht weg konnte, weil ja Aryana hier war. Sich erneut von ihrer älteren Schwester distanzieren zu müssen passte ihr vermutlich grundsätzlich sowieso nicht in den Kram. Unabhängig davon löste Weglaufen bekanntlich auch nur selten ein Problem. Zwar glaubte ich nicht, dass diese Kriminellen uns bis ans andere Ende der USA folgen würden, aber ich wollte eben auch eigentlich nicht sonst wohin fliehen und dann für immer dort bleiben. Wir hatten uns irgendwann während der Therapie mal gesagt, dass die warme Westküste eigentlich nach unserem Geschmack wäre und sicherlich auch nicht verkehrt für den Aufbau eines Unternehmens mit Wachpersonal meinerseits - aber das hatten wir weiß Gott noch nicht jetzt sofort tun wollen. Ich war noch nicht fertig damit darüber nachzudenken, als die Sanitäter wieder zu ihrem Fahrzeug kamen, weil es scheinbar Zeit zur Abfahrt war. Meine Augen wanderten zu Fayes Hand, war mir bisher doch gar nicht aufgefallen, dass sie auch dort verletzt war. Die Kratzer und die allgemeine Rötung waren aber nicht zu übersehen, jetzt wo ich sie unter die Lupe nahm. Wahrscheinlich wäre es schlauer, wenn ich dem Krankenwagen einfach hinterher fahren würde, weil wir sonst später noch ein Taxi nehmen müssten. Das war im Grunde völlig unnötig, aber ich wusste nach einem Blick in Fayes Augen auch, dass ich sie jetzt nicht hier allein lassen sollte. Außerdem wollte ich das eigentlich auch gar nicht, wer wusste schon was auf der Fahrt zum Krankenhaus noch passieren konnte... Vielleicht hätte mir eine Autofahrt allein ganz gut getan - jetzt, wo ich wusste, dass die zierliche junge Frau mit ein paar Kollateralschäden davongekommen war und nicht in Lebensgefahr schwebte. Ich könnte ein paar stille Minuten gerade wirklich gut gebrauchen um mal durchzuatmen, aber die mussten wohl warten, bis Faye geröntgt und näher untersucht wurde. Also nickte ich dem Sanitäter nach ein paar Sekunden zu und nahm auf einem der seitlichen Sitze nahe Fayes Kopf Platz, schnallte mich an. Nicht nur für die Fahrt zum Krankenhaus, sondern auch sinnbildlich für die turbulente Achterbahnfahrt an Gefühlen, die unweigerlich bevorstand. "Ich geh nirgends ohne dich hin.", sagte ich erst dann, als der Wagen anfuhr und bemühte mich dabei um einen möglichst ruhigen Ton. "Wahrscheinlich sollten wir..." Ganz dringend ganz schnell von hier weg. "...zuerst mit Ryatt reden und dann überlegen, was... wir am besten tun sollten.", versuchte ich irgendwie etwas logischer an die Sache ranzugehen, was unter den aktuellen Umständen wirklich schwer fiel. Meine erste Intention war Sachen packen und weg hier, nicht erst noch irgendwelche Fragen stellen. Aber wenn der Kerl wirklich mehr über all das wusste, dann sollten wir uns vermutlich erstmal einen besseren Einblick verschaffen.
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Es war natürlich gut, wenn Victor wusste, dass sie das alles nie gewollt hatte. Aber leider änderte es trotzdem nichts an der Tatsache, dass es passiert war und sie jetzt bis zum Hals in dieser Scheisse steckten. Mindestens. Ihre Augen wanderten verloren zu Gab, als dieser sich zu ihr gesellte, um die beiden Sicherheitsgurte der Liege zu schliessen. War besser, wenn er das selber übernahm, sie sah durch den Tränenschleier hindurch ja kaum noch die Schnallen. "Sind... sind die Cops noch da..?", fragte sie den Blonden, der daraufhin kurz stutzte und anschliessend schwach nickte. "Kannst du ihnen bitte ausrichten, dass Sean von einer jungen, braunhaarigen Frau begleitet wurde... die durch das Haus mit der aufgebrochenen Tür geflohen ist..? Es ist wahrscheinlich eh zu spät aber... vielleicht... vielleicht interessierte ja einen...", bat sie ihn mit dünner Stimme darum, noch einmal ihren Botengänger zu spielen. Gab nickte nur stumm und warf ihr einen undefinierbaren Blick zu, bevor er sich aus dem hinteren Teil des Krankenwagens entfernte, um ihrer Bitte nachzukommen. Matthew leistete ihnen sicherheitshalber weiterhin Gesellschaft, nur für den Fall, dass sie sich doch noch fürs Kotzen oder Ohnmächtig-Werden entscheiden sollte. Es dauerte zwei-drei Minuten, bis ihr junger Kollege seine kleine Mission ausgeführt hatte und offenbar in der Fahrerkabine des Rettungswagen Platz genommen hatte. Der Motor wurde gestartet und sie steuerten den direkten Weg ins Spital an, als Faye Victors verspätete Antwort auf ihre gesprochenen Worte vernahm. In einem anderen Kontext wäre das gewissermassen süss gewesen, dass er ohne sie nicht wegging. Aber jetzt war es eben nur ein weiteres Zeichen dafür, dass sie ihn mit voller Wucht mit sich in den Treibsand gerissen hatte. Die Brünette liess ihre brennenden Augen zufallen, als diese danach verlangten - auch wenn an Schlaf überhaupt nicht zu denken war. "Dann gehen wir zusammen...", hauchte sie - zumindest vorübergehend. Weil sie ganz bestimmt nicht mit Victor in ihre Wohnung zurückkehren und weiterleben würde, als wäre nichts gewesen. Falls die Polizei Seans Komplizin nicht mehr schnappte - und davon mussten sie realistischerweise leider wirklich ausgehen - konnten sie doch Gift drauf nehmen, sehr bald schon wieder Besuch zu bekommen, der aber kein zweites Mal so glimpflich ausgehen dürfte. "Wahrscheinlich sollten wir das, ja...", bestätigte sie seinen zweiten Vorschlag, der sicherlich etwas pragmatischer war als eine kopflose Flucht ins Blaue. Sie konnten auch einfach einen Monat verreisen. Und wenn sie zurückkamen, hatte die Polizei den ganzen Clan um Sean eingebuchtet und sie konnten weiterleben, als wären die letzten drei Wochen nie geschehen. Toller Plan Faye, klang doch optimal. Die Fahrt ins Krankenhaus dauerte ohne Blaulicht etwa zwanzig Minuten. Zwanzig stille Minuten, denn es gab denkbar wenig zu sagen und dafür umso mehr zu verarbeiten für sie beide. Vielleicht war zu viel nachdenken gerade ebenso unklug, aber da kamen sie nun wirklich nicht mehr drum herum. Schon nur, weil sie ihre Wohnsituation neu planen mussten. Oder eine Securityfirma anstellen, aber ob das ihnen letztendlich die nötige Sicherheit wiederschenkte, war fraglich. Im Krankenhaus angekommen, hatte sich an ihrem Allgemeinzustand noch nicht sonderlich viel geändert. Ihr war noch immer übel, sie fühlte sich durch und durch elendig, hatte trotz Medikamenten hämmernde Kopfschmerzen und wenig Aussicht auf Besserung. Es folgte eine ärztliche Untersuchung für den Polizeibericht, für den selbstverständlich alles genauestens dokumentiert werden wollte. Ein Röntgenbild identifizierte schliesslich die Fraktur am Mittelhandknochen ihres Mittelfingers der rechten Hand, die Sean netterweise verursacht hatte, als er ihre Hand gegen die Mauer gebrettert hatte. An und für sich keine schlimme Verletzung, da einer ersten Beurteilung zufolge alles ohne Operation verheilen sollte. Aber um sechs Wochen Krankschreibung kam sie damit trotzdem nicht herum, da dieser Knochen wie jeder andere natürlich absolute Schonung verlangte, um wieder zusammen zu wachsen. Etwa zwei Stunden nachdem sie im Krankenhaus angekommen waren, fand die Prozedur dann langsam ihr Ende. Da die Ärztin keinen Grund für eine weitere Überwachung sah, war das dann auch die Zeit, zu der sie eigentlich wieder nach Hause hätten fahren können. Eigentlich. Wenn Zuhause denn gerade in irgendeiner Weise verlockend klingen würde... "Möchtest du lieber jetzt noch zu Ryatt oder eher morgen..?", erkundigte sich Faye leise, als sie mit Victor zurück auf den langen Krankenhausflur trat, blickte fragend zu ihm hoch. Sie war zwar erschöpft und überhaupt nicht in Stimmung, sich noch mit irgendwem zu unterhalten, aber ob sie jetzt noch ein Gespräch mit Ryatt führten, machte den Braten auch nicht mehr fett. Ausserdem konnten sie die Frage, wo sie heute Nacht schlafen würden, so noch etwas in die Zukunft vertagen...
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Ja, war sicherlich besser, wenn die Polizisten auch davon erfuhren, dass Seans Komplizin gerade auf der Flucht war. Wahrscheinlich würden sie jene zwar nicht mehr zu packen kriegen - zumindest war die Chance darauf nach so vielen Minuten eher gering - aber das Wissen allein war wichtig. Damit gab es schließlich eine Mittäterin, die sich durchs Nichtstun mitschuldig gemacht hatte. Auch wenn sie bestimmt nicht gegen dieses Arschloch aussagen würde, wenn es drauf ankam. Was passierte, wenn man Sean gegen den Strich ging, konnten wir inzwischen ja in etwa einschätzen. Ryatt und Faye hatten da beide ein paar nette Beispiele bekommen. Es war wahrscheinlich also wirklich das beste, wenn wir uns für eine Weile von der Bildfläche zurückzogen. Ich würde durchdrehen, wenn der zierlichen Brünette noch einmal etwas zustieß. Schließlich drehte sich die Welt schon jetzt gefühlt zehn Mal schneller, als sie das eigentlich tun sollte. Aber eins nach dem anderen - erst einmal ging es für uns beide ins Krankenhaus. Obwohl sich die Untersuchungen, die Faye noch über sich ergehen lassen musste, über ganze zwei Stunden lang hinzogen, kam es mir nur wie ein paar Minuten vor. Ich tat in der Zwischenzeit nicht viel mehr als mit einem billigen Kaffee aus einem der Automaten im Wartebereich zu sitzen und mir dabei den Kopf darüber zu zerbrechen, wie wir da jetzt rauskommen sollten. Überflüssig zu erwähnen, dass ich nicht wirklich zu einem brauchbaren Ergebnis kam. Aber war es denn wirklich eine Option einfach nur darauf zu warten, dass die Cops das Ganze für uns in den Griff bekamen? Faye musste morgen noch einmal eine ausführlichere Aussage zum Tathergang machen. Vielleicht fielen ihr bis dahin mehr Details auf, die sie heute noch nicht erzählt hatte. Vielleicht hatten die Beamten danach die Möglichkeit das Blatt damit noch zu wenden und uns einen langfristigen Umzug zu ersparen. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht hatten wir einfach Pech und konnten förmlich auf das nächste Attentat warten, wenn wir hier in der Stadt blieben. Die Aussichten waren - mild ausgedrückt - nicht gut. Der Kaffee half mir auch nicht beim Nachdenken. Eigentlich wäre es auch angebracht Aryana darüber zu informieren, was mit ihrer Schwester so los war, aber andererseits schien es mir nicht sinnvoll sie auch noch zu involvieren. Sie und damit dann wiederum auch Mitch, der nach wie vor nur minder psychisch belastbar zu sein schien, wenn auch in anderer Form als Faye oder Ich. Mitgefangen, mitgehangen. Wobei ich natürlich nicht wusste, ob diese kriminelle Sippschaft unsere Verwandten nicht so oder so ausfindig machen konnte... Dass Faye einen gebrochenen Knochen in der geschädigten Hand davongetragen hatte, milderte meine Sorge nicht gerade. Es gab zwar schlimmeres als Knochenbrüche, wie wir beide aus eigener Erfahrung wussten, aber ich machte mir ja auch gerne wegen gar Nichts Sorgen um die zierliche Brünette. Ein Knochenbruch war zusammen mit all den anderen Blessuren in jedem Fall Grund genug, um meiner Freundin die nächsten Tage über die Welt förmlich zu Füßen zu legen. Mit dem Besuch bei Ryatt könnten wir theoretisch bis morgen warten, aber ich hatte es nicht wirklich eilig damit nach Hause zu gehen. Es war schon etwas später, aber hier im öffentlichen Gebäude waren zumindest einige andere Augen, die sich potenziell schützend auswirkten. "Lass uns jetzt noch gehen, wenns dir nicht zu viel ist..?", meinte ich und musterte einen Moment lang ihre Gesichtszüge. Faye wirkte weder wirklich begeistert, noch so als würde sie es lieber auf morgen verschieben. Also machten wir uns auf den nicht allzu langen Weg zu dem obdachlosen Veteran, brachten eine Aufzugfahrt hinter uns und fanden uns zwei Stockwerke weiter oben vor seinem Zimmer wieder. Der Wachmann an der Zimmertür beäugte uns beide einen Moment lang sowohl skeptisch, als auch etwas verwirrt - was ich mal Fayes Verletzungen zuschrieb - ließ uns dann aber gewähren. Also klopfte ich an, um Faye diesen Handgriff zu ersparen und trat als erster ein. Ryatt wirkte müde, als er sich vorsichtig auf den Rücken drehte und zu uns hinsah. Er hatte offenbar eher mit Personal des Krankenhauses als mit uns beiden gerechnet, blinzelte er uns doch erstmal etwas überrumpelt entgegen. Das "W... Was ist passiert?" ließ allerdings nicht lange auf sich warten.
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Wahrscheinlich war es ihr zu viel, so wie alles andere. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass sie noch bei Ryatt vorbeischauen sollten, heute oder morgen. Und nach Hause zu gehen war ihr eben auch zu viel, weshalb sie das liebend gerne noch etwas hinauszögerte. Also schüttelte sie auf Victors Frage nur etwas den Kopf, machte sich dann mit ihm auf den Weg zu dem bewachten Patientenzimmer ihres unglücklichen Bekannten. Der Mann vor der Tür musterte sie kritisch, obwohl er sie längst kannte, weil er nicht zum ersten Mal diesen Raum bewachte und sie auch nicht zum ersten Mal hier stand. Glücklicherweise sah er davon ab, ihnen noch irgendwelche blöden Fragen zu stellen, sondern schloss die Tür auf und trat zur Seite. Die Brünette schlüpfte nach ihrem Freund ins Zimmer, wobei sie instinktiv nach Victors Hand fischte, sobald die Tür hinter ihnen wieder zu war. Ihre Augen fanden dabei etwas zu schnell verunsichert den Boden, noch bevor Ryatts Frage sie erreichte. Tja, was sagte man dazu? Sie hatte sich noch keine Erklärung für ihn bereitgelegt, weshalb das eine durchaus nicht sehr leicht zu beantwortende Frage war. Zumal sie noch nicht mal dazu gekommen war, Victor wirklich offen zu legen, wie das alles von statten gegangen war. «Ich… eigentlich wollte ich einkaufen gehen», begann sie also ihre allgemeine Erzählung bei Adam und Eva. «Habs nur nicht bis da geschafft, weil… weil… Sean hat wohl auf der Suche nach dir dein Auto aufgebrochen und irgendwo da drin den Zettel mit meiner Nummer gefunden... Er hat mich gestern angerufen aber nichts gesagt, weshalb ich ihn nicht erkannte, mir nichts dabei dachte und einfach davon ausging, jemand hätte sich verwählt… Irgendwie hat er mich erkannt und anhand dieser Information herausgefunden, wo er mich suchen muss…», das erklärte eigentlich bereits alles, weil ihre Verletzungen im Zusammenhang mit dieser Vorgeschichte ziemlich eindeutig einem Aufeinandertreffen mit Sean entsprangen und nicht einem harmlosen Unfall auf der Treppe zu Hause. Die Brünette machte eine Pause, um ein paar Mal nervös auf ihrer Unterlippe herumzubeissen und zu überlegen, wie sie den Rest des Vorfalls am besten verpackte. Als würde es dafür sowas wie die richtigen Worte, die alles etwas weniger schlimm aussehen liessen, geben. «Er ist mir gefolgt, wahrscheinlich von Zuhause aus… Und dann hat er mich in einen Hinterhof gezogen und wollte wissen, wo du bist… Ich wollte es ihm natürlich nicht sagen, aber das schien nicht die richtige Option zu sein, weshalb ich ihm letztendlich erzählte, du seist bei der Polizei… Aber ich habe ihm nicht gesagt, ob freiwillig oder nicht…», gab sie in Kurzform die Informationen wieder, die ihrer Meinung nach möglicherweise relevant für ihn sein könnten. «Ich konnte unbemerkt Victor anrufen, der wiederum die Polizei alarmiert hat, die dann da war, bevor etwas Schlimmes passiert wäre. Sie haben Sean erwischt und abgeführt… Aber er war nicht alleine da, Ryatt… Ich weiss nicht, wer sie war, aber ich glaube, sie ist entkommen. Eine junge Frau mit braunen, langen Haaren, sicher nicht älter als ich und eher klein..?», schloss sie ihren Monolog mit einer indirekten Frage, blickte Ryatt erst jetzt wieder an, wo sie auf seine Antwort wartete. Blieb nur zu hoffen, er wusste überhaupt etwas dazu... immerhin war das keineswegs garantiert und dass sie keinen Namen hatte und es denkbar viele kleine, junge Frauen mit braunen Haaren gab, machte das auch nicht einfacher.
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Ich hatte heute eigentlich nicht mehr mit Besuch gerechnet. Der abendliche Rundgang der Krankenschwester war schon beendet und der nächtliche Kontrollgang folgte erst in ein paar Stunden. Deshalb hatte ich mich auch schon vor einigen Minuten langsam auf die Seite gerollt und die Augen ein bisschen zugemacht. Ich schlief noch nicht wirklich, sondern döste nur so vor mich hin, während ich meinen Gedanken nachhing. Die kreisten wie so oft in den letzten Stunden um nahe Vergangenheit und auch Zukunft. Sowohl um Sean, als auch um die Justiz. Zwar hatten mir die Cops Strafminderung für meine Aussage zugesichert, aber das war es dann eben auch schon gewesen. Das hieß noch nicht, dass ich wirklich um die Gitterstäbe herumkam. Dass mir die Gedanken daran hier und da ordentlich den Schlaf ruinierten war kein Wunder. Aber wenigstens war ich hier im Krankenhaus vermeintlich sicher vor Sean und das trug wiederum relativ gut dazu bei, dass ich insgesamt ein klein wenig zur Ruhe kam und meine Verletzung dieses Mal wohl auch wirklich bis zum Ende auskurieren können würde. Sollte sich an meinem stabilen Zustand bis zum morgigen Tag nichts zum Negativen ändern, würde ich auch in ein normales Zimmer kommen. Natürlich weiterhin mit Wachmann vor der Tür, aber zumindest gab es dann diese blöden Fenster zum Gang nicht mehr. Die nervten nämlich. Ich hatte auf jeden Fall nicht damit gerechnet die zierliche Brünette heute nochmal zu Gesicht zu kriegen - schon gar nicht so. Entsprechend irritiert musste mein Gesichtsausdruck im ersten Moment auch sein, als ich mich noch etwas schläfrig auf den Rücken zurückdrehte. Faye war verletzt und auch in mental schlechtem Zustand, das war ihr anzusehen. Also wollte ich natürlich wissen, was passiert war. Und nicht nur ich - Victor sah ihre Hand haltend ebenfalls zu seiner Freundin, während sie mir die Geschehnisse darlegte. Es dauerte nicht wirklich lange, bis sich das schlechte Gewissen bei mir meldete. Zwar war es natürlich auch beschissen, dass Sean meinen Wagen aufgebrochen hatte, aber das war denkbar nebensächlich, wenn ich mir allem voran die Schuld dafür geben musste, dass dieser Mistkerl jetzt zu wissen schien, wo Faye wohnte. Dass er ihre Handynummer hatte. Wahrscheinlich wusste er sogar noch weit mehr über die junge Frau. Ich war mir auch sehr sicher damit, dass der heutige Tag weit schlimmer für die Brünette ausgegangen wäre, wenn die Cops nicht zu ihnen gestoßen wären. Den Tod gesehen hätte sie vielleicht nicht, aber ich hatte noch ein paar andere Vermutungen dazu, was Sean so mit Frauen anstellte, die sich bei ihm unbeliebt machten. Dagegen war der heutige Zusammenstoß mit ihm noch glimpflich für Faye ausgegangen. Ich fühlte mich im ersten Moment wohl nicht weniger überfahren als das Paar, das hier gerade vor mir stand. Schluckte hörbar, kurz bevor ich mich leise räusperte und mit auf der Decke ineinander gelegten Händen zu einer Antwort ansetzte. "Ich kann gar nicht sagen, wie leid mir das tut... ich dachte wirklich nicht, dass er zu solchen Mitteln greifen würde. Das wollte ich nicht.", entschuldigte ich mich aufrichtig, suchte Fayes Augen mit schuldbewusstem Blick. Dass das irgendwie nicht genug war, um die Sache wiedergutzumachen, sagte mir allein schon Victors Blick. "Passiert ist es offensichtlich trotzdem.", verlieh der hochgewachsene Dunkelhaarige seinem kritischen Blick Nachdruck. Ich konnte die Bitterkeit in seinen Worten nachvollziehen und verstand, dass er wütend auf mich war. Dazu hatte er jedes Recht, nur half das Faye und ihm jetzt auch nicht weiter. Vielleicht würde er eine Entschuldigung von mir irgendwann später noch annehmen, wenn er das jetzt nicht konnte. Fürs erste überging ich das Kommentar mit einem kurzen, unveränderten Blick in seine Augen, bevor ich wieder zu Faye sah. Dass Sean nicht allein gewesen war, war nämlich ein Problem... und nicht gerade ein kleines. "Hast du gesehen, ob sie Tattoos hat? Schmale Nase, eher lockerer Kleidungsstil... roter Lippenstift?", versuchte ich mir ein paar spezifischere Daten zu der entkommenen Komplizin zu ergattern, war Fayes vorherige Beschreibung doch leider sehr vage. Sollte sie all das oder zumindest einen Teil davon bejahen können, hatte ich besagte Frau schon zwei Mal gesehen. Allerdings nur flüchtig, quasi im Vorbeigehen. Ich kannte sie demnach nicht wirklich, aber sie gehörte auf jeden Fall zu Seans engstem Kreis. Das war leicht an der Art auszumachen, wie er mit ihr umgegangen war.
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Ja, sie hatte auch nicht geglaubt, dass Ryatt damit gerechnet hatte, dass Sean ausgerechnet nach ihr suchen würde. Und es war ja auch mehr eine wiederum sehr unglückliche Fügung des Schicksals, die den Kriminellen zu ihr geführt hatte. Hätte sie ihre Nummer einfach direkt in Ryatts Handy getippt, wäre das nie passiert. Warum hatte sie sie überhaupt erst aufgeschrieben..?? Bestimmt hätte der Veteran sie auch gespeichert, wenn Faye sie nur diktiert hätte. Hatte sie aber selbstverständlich nicht. Sie hatte sie aufgeschrieben und ihm mitgegeben, und das ohne ihm - wie hatte Sean so schön gesagt? - wenigstens zu sagen, dass er das kleinen Zettelchen wegwerfen sollte. Sie machte wirklich gefühlt alles seit dem ersten Aufeinandertreffen mit Ryatt falsch. Und gerade als sie geglaubt hatte, es würde wieder besser werden, jetzt, wo er im Krankenhaus lag und nicht mehr vor der Polizei weglaufen musste, tauchte Sean auf und machte alles kaputt. Die Brünette schüttelte langsam und etwas halbherzig den Kopf, blickte Ryatt an und ihr Blick verriet ziemlich deutlich, dass er sich gar nicht zu entschuldigen brauchte, weil sie das alles längst gewusst hatte. Victors Worte animierten sie sofort wieder dazu, auf den Boden zu schauen und mit dem freien Daumen am Verband zu kratzen, der die Schiene um ihre vier anderen Finger umfasste. Ja, es war passiert. Aber leider war das kaum nur Ryatts Schuld. Er hatte ja nie gewollt, dass sie ihm half - oder wie auch immer man das, was sie hier die ganze Zeit versuchte, nennen wollte. Sie sagte aber nichts dazu, weil sie zu diesem Thema keine Diskussion starten wollte. Und auch, weil sie Victor hier sicher nicht in den Rücken fallen wollte, nachdem er in der ganzen Sache der Einzige war, der überhaupt keine Mitschuld trug und dank ihr trotzdem mittendrin steckte, fast der gleichen Bedrohung ausgesetzt war, wie sie selbst. Sie wusste nicht, ob Seans Begleiterin und ihre Verbündeten sich so schnell mit Victor anlegen würden, weil er doch ein etwas weniger leichtes Opfer war wie sie selbst. Allerdings spielte es auch keine Rolle, wie leicht ein Mensch zu überwältigen war, wenn man ihn ganz unpersönlich und bequem aus der Ferne abknallen konnte. Ein durchaus plausibles Schauspiel, wenn man bedachte, dass Faye dafür mitverantwortlich war, dass Sean in den Knast wanderte - sie der fremden Frau also auch einen möglicherweise geliebten oder nahestehenden Menschen entrissen hatte. Warum sollte sie es ihr nicht gleich tun, um ihr einen auszuwischen? Sie den gleichen Schmerz durchleben zu lassen, bevor sie sie ebenfalls sterben liess, als ultimative Rache dafür, dass sie die Polizei gerufen hatte? Faye wollte gar nicht weiter darüber nachdenken, die Gedanken allein jagten ihr kalte Schauer den Rücken runter, liessen sie leicht zittern, während sie noch einen kleinen Schritt näher an ihren Freund herantrat und seine Hand etwas fester umklammert hielt. Niemand würde ihn ihr wegnehmen. Der Krieg hatte es nicht geschafft. Ganz Syrien hatte es nicht geschafft. Der IS persönlich und seine grausamen Folterzellen hatten es nicht geschafft. Victor blieb bei ihr und sie bei ihm und das für immer. "Ja... sie... ich glaube ihre Finger waren tätowiert... Den Rest hab ich nicht gesehen... Rote Lippen hatte sie bestimmt und wahrscheinlich passt der Rest deiner Beschreibung auch...", versuchte sie sich auf ihre wage Erinnerung von Seans Komplizin zu konzentrieren. Faye hatte sie nicht sehr genau angeschaut, weil sie zu beschäftigt gewesen war mit dem in diesem Moment grösseren Übel, der ihr sowieso die Sicht auf irgendwas anderes versperrt hatte und sie die ganze Zeit dazu angehalten hatte, ihm in die Unheil versprechenden Augen zu blicken. Aber sie glaubte trotzdem, Ryatt in allen Punkten Recht geben zu können, wobei sie sich nicht sicher war, ob das jetzt gut oder schlecht war. "Wer ist sie..? Kennst du sie..?", wollte sie im Anschluss wissen, da das immerhin einigermassen plausibel war, nachdem er einen relativ spezifischen Beschrieb der Brünetten hatte liefern können.
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Mal eben kurz die Spätschicht zum Antworten genutzt. Falls da Fehler sind darfst du mein Handy beschuldigen. x'D ______
Mir persönlich war das Wahrscheinlich in Fayes Satz ein bisschen zu ungefähr. Das bedeutete, dass sie genauso gut nicht zu meiner Beschreibung passen könnte. Allerdings war es andererseits auch keine große Überraschung, dass die zierliche Brünette keine Augen für die Zweite im Bunde gehabt hatte. Sie dürfte eher darum bemüht gewesen sein ihren Hals aus der Schlinge zu ziehen. Hatte dabei sogar noch darauf verzichtet meinen eigentlichen Aufenthaltsort preiszugeben, was ich ihr hoch anrechnete. Das hätte sie nicht tun müssen und auch besser nicht tun sollen. Natürlich war ich nicht scharf darauf verpfiffen zu werden, würde ich dann doch vermutlich noch hier im Krankenhaus abgestochen werden, aber für sie wäre es besser gewesen. Für sie beide. "Kennen ist vielleicht etwas zu viel gesagt.", seufzte ich leise. Man konnte eben nicht wirklich sagen, dass ich wusste, wer die junge Frau war. Ich glaubte zu wissen ihren Namen aufgeschnappt zu haben, als Sean sie vor Wochen mit irgendeiner Aufgabe weggeschickt hatte, bevor er sich mir zugewandt hatte. Aber auch da hatten einige Meter Abstand zwischen uns geherrscht und es war seitdem so viel Zeit vergangen, dass ich damit auch völlig falsch liegen konnte. Mein Gedächtnis war gut, aber nicht perfekt. "Ich hab sie selbst nur zwei Mal kurz gesehen, nicht mal mit ihr geredet. Sean hat ihr immer irgendwas mit auf den Weg gegeben und dann war sie schon auf dem Sprung, als ich da erst ankam.", musste ich eine zumindest teilweise enttäuschende Antwort liefern und zuckte dabei schwach mit den Schultern. "Ich glaube, er hat sie Riley genannt. Davon abgesehen weiß ich eigentlich gar nichts über sie. Ich denke aber, dass sie sich in irgendeiner Weise nahe stehen. Er ist anders mit ihr umgegangen als mit dem gewöhnlichen Fußvolk. Sie könnte sowohl seine Freundin, seine Schwester oder seine Cousine, als auch genauso gut einfach nur eine langjährige Freundin sein." Meine Angaben waren nüchtern betrachtet nur wenig präziser als Fayes. "Ich vermute, dass sie in seinem ganzen... System ziemlich tief mit drin steckt. Wir sollten also besser davon ausgehen, dass sie die selben Connections hat wie er. Unter anderem ist da irgendein ehemaliger IT-Typ oder sowas, der hätte uns auch bei dem Überfall mit der Sicherheitstechnik geholfen. Deine Adresse dürfte Sean wohl deswegen so leicht gefunden haben...", stellte ich weitere Vermutungen an. Ich wusste ja allgemein nicht viel darüber, was für Leute Sean um sich hatte oder wie viele. Dass er sich aufführte wie der König von China ließ aber auf ein paar mehr Verbündete schließen. Entweder das oder er war absolut größenwahnsinnig. Meine Augen waren inzwischen auf die Bettdecke nahe meiner Hände gerutscht. Ich versuchte mich an irgendetwas zu erinnern, das Faye helfen könnte, aber mir wollte zumindest auf die Schnelle nichts einfallen. Nach einigen Sekunden gab ich das Denken also schwach kopfschüttelnd auf und hob den Blick wieder an. "Ich wünschte ich könnte euch jetzt ein riesen Repertoire an Infos mitgeben, aber ich hab bisher selbst noch nicht viel über Sean und das ganze Drumherum rausgefunden. Er sorgt echt akribisch dafür, dass keiner das Maul aufmacht. Ich komm hier ja leider auch nicht weg, bis der Richter den Hammer geschwungen hat...", sagte ich abschließend und sah kurzzeitig abwechselnd zu Faye und Victor, wobei mein Blick am Ende wieder an der Brünetten hängen blieb. Ich würde einfach gern irgendwie helfen, wo sie mir doch nicht weniger als das Leben gerettet hatte. Meine Möglichkeiten dazu waren gerade leider extrem eingeschränkt.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Na wunderbaaar. xD Und ich find nie Fehler... xD _____________
Ryatts Antwort war eigentlich ziemlich ernüchternd und wenig informativ. Er schien die Brünette an Seans Seite mehr oder weniger gar nicht zu kennen, konnte Faye lediglich das bestätigen, was sie schon vermutet hatte: Dass die junge Frau dem gefassten Verbrecher offenbar vermeintlich nahe stand. Was nur logisch war in Anbetracht der Tatsache, dass er sie vom Tatort gescheucht und damit gerettet hatte, während er sich nicht ganz freiwillig der Polizei stellte. Das hätte man ja sicherlich auch anders lösen können. Entweder, indem sie beide geflohen wären oder indem sie die Cops abgelenkt hätte, während er entkommen wäre. Aber Ryatt sprach noch weiter. Und so bekam das Grauen einen Namen. Riley... Das klang harmloser, als Faye es sich gewünscht hätte. Fast schon nett, wenn sie es nicht besser wüsste. Und dann folgte auch noch eine möglicher Erklärung dafür, wie Sean innerhalb eines Tages von ihrer Handynummer zu ihrer Wohnungstür gelangt war. Wenn dieser IT-Typ so gut war, wie es das Geschehen schlussfolgern liess - wie schnell war er dann von ihrer Wohnungstür an ihrem Arbeitsplatz? Natürlich war Arbeiten für sie momentan Geschichte, da sie dank Sean schon wieder - hoffentlich vorübergehend - beurlaubt worden war. Aber sie war ja nicht die Einzige, die in dieser Wohnung wohnte und einen Arbeitsplatz an der Front hatte... Theoretisch konnte morgen schon einer bei Victor an der Theke stehen und ihm die Knarre zur Brust führen. Gottverdammte Scheisse, sie hatte echt keinen Plan, nicht die geringste Ahnung, wie sie sich und Victor schützen sollte. Als Ryatt seine Erklärungen mit einer bedauerlichen Information schloss, nickte Faye schwach vor sich hin. "Schätze es ist ganz gut, wenn du noch ein Weilchen hier bleibst und ein Bisschen bewacht wirst... Ich denke nicht, dass du unbedingt weniger stark ins Visier rücken würdest als wir, wenn du draussen herumwandeln würdest. Du könntest uns also kaum wirklich behilflich sein, selbst wenn du das möchtest. Sollen die ruhig glauben, dass du genau wie ihr Liebling hinter Gitter deine Sekunden zählst...", winkte sie ab. Ihr war tatsächlich wohler dabei, wenn sie sich nur um eine weitere Person aufs Mal sorgen musste. Wenn diese Person in ihrem Leben auch die Wichtigste überhaupt war und sie auf der Abschussliste liebend gerne irgendwen anderes gegen Victor eingetauscht hätte. Faye blickte nachdenklich zu ihrem Freund hoch, um herauszufinden, ob dieser noch irgendwas zu klären hatte heute Abend. Und als sie der Meinung war, dass dem nicht so sein dürfte, sank ihr Blick zurück auf Ryatt. "Ich denke, dann lassen wir dich jetzt trotzdem mal ruhen... Falls dir noch was einfällt oder wir noch was zu sagen haben, sieht man sich ja sicherlich Morgen wieder...", setzte sie zu einem vorübergehenden Abschied an. Sie würde immerhin gleich noch mit Victor ihre Schlaf- und Wohnsituation besprechen müssen und irgendwann sollten sie sich ebenfalls etwas Ruhe gönnen. Faye hatte den Eindruck, dass ihr Leben sowieso drauf und dran war, wieder im Chaos zu versinken. Vielleicht wäre es nicht das Dümmste, davor noch so oft wie möglich etwas Kraft und Energie zu tanken. Oder es auch nur zu versuchen...
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Gut, gut... ich hab immer Bedenken, dass die Autokorrektur der Meinung ist überschlau sein zu müssen, das kann die ja so gut. x'D ______
Irgendwie war dieses ganze Gespräch schon wieder wahnsinnig ernüchternd. Ich brauchte nicht einmal mehr draußen auf der Straße rumzulaufen, um Gründe dafür zu finden, wieso ich es besser nicht mehr täte. Vielleicht nicht im Sinne von Sterben, das Thema sollte vorerst abgehakt sein, aber im Sinne von lieber woanders hingehen. Nicht nur meine eigenen Aussichten wurden düsterer, ich zog auch noch andere Leute mit rein. Vielleicht nicht beabsichtigt oder bewusst, passiert war es dennoch. Leider war ich eben so gar nicht der Mensch dafür einfach in einem Bett rumzuliegen und abzuwarten, was denn noch so passierte. Ich sah nicht zu, ich handelte. Normalerweise. Man konnte bei der Armee eben auch nicht einfach sitzen und zugucken wie die Schüsse und Granaten durch die Luft flogen, da mussten im Ernstfall schnelle Entscheidungen und Handlungen folgen. Es wäre zweifellos auch besser für Faye und Victor jetzt gleich zu einer Lösung des Problems zu kommen, als noch Wochen oder gar Monate in dieser heiklen Situation festzustecken und ich würde sie als Ursprung allen Übels gerne dabei unterstützen. Andererseits war es Victor aber vielleicht auch ganz recht, wenn ich auf Distanz blieb. Außerdem hatten die beiden noch ein winziges Ass im Ärmel, wenn keiner wusste, dass ich nicht in einer Zelle saß. Noch nicht jedenfalls. "Ja, mag sein...", meinte ich schwach nickend. "Ich meld' mich, falls mir was einfällt. Passt auf euch auf, okay?", gab ich den beiden noch einen eher überflüssigen Rat mit auf den Weg. Ich würde mich wohl auch nicht besser mit den Umständen fühlen, wenn sie das bejahten. Trotzdem wollte ich es einfach gesagt haben, wollte nicht, dass den beiden noch mehr zustieß. Allein schon wegen Fayes chronischem Helfersyndrom verdienten sie das nicht. Mal ganz davon abgesehen, dass das ursprünglich nur mein Kampf gewesen war. Dass Faye höchstens die Schuld traf, dass ich noch lebte - was wiederum streng genommen sogar in Seans Interesse gewesen war. Es wäre zwar ärgerlich gewesen den Überfall noch weiter verschieben zu müssen, weil es dafür nur ein gewisses Zeitfenster gab, aber wenn ich schon nach der Flucht aus dem Krankenhaus abgekratzt wäre, hätte er mich schon an diesem Punkt ganz abschreiben müssen. Zumindest unabhängig davon, dass ich bei dem ganzen Ding nicht hatte mitmachen wollen. Eine Wahl hatte ich laut ihm ja ohnehin nicht.
Ich hatte darauf gehofft, dass Ryatt zumindest irgendwas wirklich ausschlaggebendes, positives zu der Geschichte beitragen konnte, wenn er diesen ganzen Mist schon angekurbelt hatte. Ob bewusst oder ungewollt mal dahingestellt, säßen wir ohne ihn nicht in dieser beschissenen Situation, zu welcher er zu allem Überfluss auch noch so gut wie gar nichts beitragen konnte. Wenigstens wussten wir jetzt, dass dem kriminellen Pack so einige Informationen leicht zugänglich waren, sofern sie denn irgendwie im digitalen Bereich auffindbar waren. Da im heutigen Zeitalter so ziemlich alles in Form von Zahlencodes auf Festplatten gespeichert wurde, waren wir damit grundsätzlich von vornherein ziemlich am Arsch. Wir könnten Riley also genauso gut einfach gleich einen Zettel mit allen möglichen Eckdaten zu unserem Leben überreichen. Ich merkte gar nicht, wie ich Fayes Hand zwischenzeitlich etwas fester drückte. Tat es wohl jetzt schon instinktiv, weil ich langsam aber sicher das Gefühl bekam, dass sie mir bald Jemand wegnehmen würde. Dass ich bald zum gefühlt hundertsten Mal darum kämpfen müssen würde, dass genau das nicht passierte. Genau jetzt, wo ich geglaubt hatte, dass sich langsam aber sicher alles zu fügen begann und wir im Leben endlich ankamen. Ein einst schöner Gedanke, der gerade in ewig weite Ferne zu rücken schien. "Machen wir.", versicherte ich dem Veteran. Mehr bekam er von mir nicht, weil ich ihm schlichtweg nichts anderes zu sagen hatte. Nach der kurzen Verabschiedung wandten wir uns also zum Gehen, als Ryatts Stimme doch noch einmal erklang, kaum hatten wir die Zimmertür erreicht. "Mach dein Handy aber besser aus oder versetz es in den Flugmodus, Faye. Wegen der Ortung.", gab er noch zu bedenken. Ja, da war was dran. Womöglich sollte ich das auch machen, nur für den Fall, dass sie sich meine Nummer ebenfalls unter den Nagel rissen. Aus welchem Datensatz heraus auch immer. Zwar war es dann schwer für ihn die Brünette zu erreichen, sollte ihm noch irgendwas Wichtiges einfallen, aber er konnte ja eine Nachricht hinterlassen. Ab und zu das Handy kurz anzumachen war sowieso unabdingbar. Vor allem für Faye, musste sie für die Cops doch relativ gut erreichbar bleiben. Aber zumindest solange wir schliefen und eben da hinfuhren, wohin es uns heute Nacht verschlagen würde, wäre das sinnvoll. Dann bekam ich die Augen vielleicht sogar für zwei Minute zu, womit wir gleich beim nächsten unangenehmen Punkt angekommen waren... Als wir nach draußen auf den Flur traten stand der Wachmann prompt auf, um hinter uns die Tür erneut abzuschließen. Meine Füße trugen mich in eher langsamem Tempo in Richtung der Aufzüge, ohne dass ich Fayes Hand bis hierhin wieder losgelassen hatte. "Ich weiß nicht, wie's dir geht, aber ich fühl mich nicht unbedingt gut damit, nach Hause zu gehen.", seufzte ich leise, als wir am Fahrstuhl ankamen und ich die freie Hand nach der Taste ausstreckte. Aber wo sollten wir sonst hin? Es kam ja eigentlich nur noch irgendein Hotel oder Motel in Frage. Es war nicht so als hätten wir in naher Umgebung viele enge Freunde - abgesehen von Aryana und Mitch eben -, zumal ich solche nicht auch noch mit in die Scheiße ziehen wollte, in die ich selbst ebenfalls unbeteiligt gerutscht war.
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Das war dann alles, was es noch zu sagen gab. Faye nickte auf Ryatts gut gemeinte Aufforderung schwach, ehe sie sich mit einem leisen "Gute Nacht, Ryatt", abwandte, um mit Victor nach draussen zu gehen. Sie sollten auf sich aufpassen. Das war eigentlich genau das, was sie versuchten, seit sie sich zwischen zischenden Kugeln und explodierenden Bomben kennengelernt hatten. Nur war zumindest Faye scheinbar nicht besonders gut darin, sich an diesen Ratschlag zu halten, weil sie sich einfach zu gerne immer wieder in Schwierigkeiten brachte. Die letzten Monate hatte sie sich scheinbar erfolgreich zurückgehalten, aber dafür hatte sie jetzt mal wieder alles gegeben, um das Leben für Victor und sie ein Bisschen beschissener zu gestalten. Sie war gerade dabei, das Zimmer zu verlassen, als Ryatts Ratschlag sie erreichte, der durchaus einem sehr relevanten Gedankengang entsprungen war. Sie würden wohl beide die Nummer wechseln müssen. Wobei fraglich war, für wie lange das dann gut gehen würde... Aber ständig mit Flugmodus unterwegs zu sein - gerade dann, wenn die Umstände es nicht mehr erlaubten, dass sie ständig aneinander klebten - war auch keine Option. Sie wollte zwar nicht hoffen, dass eine Situation wie heute noch einmal vorkam, aber garantieren, dass es nicht so war, konnte ihr nach heute wirklich keiner mehr. Und was wäre dann? Wenn sie Victor anrief oder er sie und der Anruf direkt auf die Voicemail ging? Dann würde niemand die Polizei alarmieren. Und jemand anderes anrufen, kam ja irgendwie auch nicht in Frage, weil niemand so schnell verstehen würde, dass die Polizei zu rufen war. Und niemand so schnell ihren Standort orten konnte. "Ja, stimmt... Mach ich, danke", meinte sie, warf dem Veteran noch einen letzten Blick zu, bevor sie auf den Flur nach draussen verschwanden. Dort trottete sie neben Victor her zum Fahrstuhl, wo der junge Mann dann genau das ansprach, was ihnen wohl beiden auf dem Herzen brannte. Nämlich, dass sie faktisch kein Bett zum Schlafen hatten. Zumindest keins, in dem sie auch schlafen konnten. "Nein... ich denke, nach Hause ist gerade nicht wirklich eine Option. Zumindest nicht für die Nacht", stimmte sie ihm leise zu, als der Fahrstuhl mit einem Klingeln seine Ankunft verriet. Ein Glück, dass Victor morgen wenigstens auch nicht arbeiten musste, dann hatten sie etwas mehr als vierundzwanzig Stunden Zeit, um ihm eine wirklich gute Ausrede zu basteln, gleich zwei Wochen nicht mehr im Kiosk zu erscheinen. Möglich, dass die Polizei ihm auch ein entsprechendes Zeugnis schrieb. Wenn er das denn überhaupt wollte. "Vielleicht wäre ein Hotel für ein paar Tage gar nicht schlecht... Wenn wir uns mit einem falschen Namen einschreiben...", natürlich spielte sie kurz mit dem Gedanken, einfach bei Aryana und Mitch anzuklopfen. Aber sie könnte es unmöglich verantworten, wenn ihnen dorthin jemand folgte... Trotzdem würde sie Morgen wohl mal mit ihrer Schwester telefonieren, um sie über das Schlamassel zu informieren. Nicht, weil sie das Paar, welches alleine schon stets mit genügend Schwierigkeiten konfrontiert war, unbedingt noch mehr belasteten wollte, sondern einfach, damit auch ihre Schwester ein Bisschen auf der Hut war. Sean hatte von Victor geredet heute. Aber wer garantierte Faye, dass sein kleiner Hacker nicht noch mehr fand, wenn Riley ihn dazu anwies, etwas tiefer zu graben? Es gab viele Leute mit dem Nachnamen Cooper in den Vereinigten Staaten und Aryana und sie standen sich im Netz wohl nicht besonders nahe. Und trotzdem... Vorsicht war besser als Nachsicht, davon konnte sie persönlich Lieder singen.
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Das hab ich meinem gleich abgewöhnt als er neu war, das hat mich wahnsinnig gemacht. :'D Jetzt ringelt er ausschließlich mit rot, mehr darf er nicht. ^^" ______
Es musste im Leben schon irgendwas ordentlich schief gelaufen sein, damit man Gebrauch eines falschen Namens machen musste. Zwar würde uns das unter den gegebenen Umständen sicherlich keiner übel nehmen, aber wirklich wohl fühlen würde ich mich dabei später wahrscheinlich trotzdem nicht. Was wiederum nichts daran änderte, dass wir nicht wirklich eine Wahl hatten. Wenn wir unsere richtigen Daten an der Rezeption vermerken ließen, dann wurden die bestimmt in den PC eingetippt, weil heutzutage jeder Papier sparte wo er konnte. Wir sollten vermutlich irgendwelche häufig vorkommenden Namen nutzen, weil die mit Abstand am unauffälligsten sein würden. Glücklicherweise blieben uns noch ein paar Minuten, um uns bis dahin taugliche Decknamen zu überlegen. Als die Aufzugtür aufging trat ich nachdenklich ein und drückte innen angekommen dann den Knopf für den ersten Stock. "Ja, das ist wohl unsere beste Option...", murmelte ich vor mich hin und zog fast unmittelbar danach das Handy aus der Jackentasche. Suchte nach irgendeinem beliebigen Taxi-Unternehmen der Gegend, das uns im Idealfall zeitnah einen Fahrer schicken konnte. Unten angekommen wählte ich dann die Nummer, als wir den Fahrstuhl verließen und blieb dann während des kurzen Telefonats stehen, wobei ich mit der anderen Hand noch immer Fayes Finger hielt. Lange würde das Taxi nicht brauchen, weil es gerade erst einen anderen Kunden in der Nähe abgesetzt hatte. Etwa fünf Minuten, hatte die Dame am anderen Ende gesagt. Als der Anruf beendet war versetzte ich mein Handy prompt in den Flugmodus, bevor es zurück in die Tasche der dünnen Jacke wanderte. Heute würde ich Faye ohnehin nicht mehr von der Seite weichen und ich wüsste auch nicht, wer mich jetzt anrufen sollte. Während wir den Bereich mit den Aufzügen verließen und zur Eingangshalle weitergingen, wanderten meine Gedanken unweigerlich noch in eine andere Richtung weiter. "Ich weiß noch gar nicht, was ich meinem Chef sagen soll... ich glaube nicht, dass er was dagegen hat, wenn ich mir ein paar Tage freinehme. Dass was Schlimmes passiert ist klingt sicher plausibel, nachdem ich den Laden vorhin früher dicht gemacht hab... aber ewig kann ich da nicht wegbleiben, ohne dass er mich ersetzen muss, fürchte ich.", dachte ich gefolgt von einem weiteren Seufzen laut nach. Danach sah ich wieder geradeaus, während wir langsam die Eingangshalle durchquerten. Mein Chef war menschlich wirklich in Ordnung, aber er brauchte mich schlichtweg als Arbeitskraft. Das Kiosk warf nicht endlos viel Gewinn ab und noch Jemanden einzustellen kam sicherlich nicht in Frage, solange nicht Jemand anders kündigte. War für mich nachvollziehbar, aber eben trotzdem scheiße. Ich wollte über kurz oder lang eigentlich schon den Job wechseln, um im Security-Bereich Erfahrungen sammeln zu können - mich dabei lieber auch mental nochmal auf Herz und Nieren zu testen, bestandene Fortbildung hin oder her. Das hatte ich jedoch nicht unter Zeitdruck zwischen Tür und Angel machen wollen. Nicht während uns ein paar Wahnsinnige im Nacken saßen, sondern in Ruhe. Ich hielt es auch eine Weile ohne Job aus, hatte die ganzen Jahre über bei der Army ja doch einiges an Geld angespart und kaum was ausgegeben, aber dazu war es eben eigentlich auch nicht da. Das waren Ersparnisse, die nur im Notfall angefasst werden sollten... wobei das hier im Grunde schon ein Notfall war. Kam schließlich nicht alle Tage vor, dass Faye auf die rote Liste von was auch immer für einer Gang gesetzt wurde. Ich würde zweifelsfrei lieber den Job im Laden verlieren, als sie zu verlieren.
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Nein nein, so schlimm ist es nicht, der darf das noch^^ ________________
Ihre beste Option klang auch nicht besonders rosig, aber er hatte eben Recht damit. Wenn sie ein einigermassen sicheres Bett für die nächsten Nächte hatten, war das immerhin schon sehr viel wert. Ohne Schlaf funktionierten Menschen nicht besonders gut und würden sie nach Hause zurückkehren, wären schlaflose Nächte eben direkt vorprogrammiert. Nicht, dass ein fremdes Bett unbedingt vielversprechender klang, aber etwas weniger Paranoia dürfte einem anonymen Hotelzimmer trotzdem innewohnen. Kaum zauberte Victor sein Handy hervor, tat die Brünette es ihm gleich, weil sie sich unweigerlich an Ryatts Worte erinnerte. Und noch während ihr Freund das nötige Taxi organisierte, beantwortete sie die beiden einsamen Nachrichten auf dem Display. Hayley, eine Kollegin Mitte Dreissig, die ebenfalls beim Rettungsdienst war und sich seit Beginn von Fayes Karriere in diesem Krankenhaus sehr fürsorglich um die junge Brünette kümmerte, schien - wahrscheinlich dank Gab - bereits mitbekommen zu haben, was heute passiert war. Und natürlich bescherte das ihrem Nachrichtendienst so einige besorgte Mitteilungen, die Faye in dem Moment aber irgendwie nur noch trauriger stimmten. Hatte sie doch zwangsläufig auch Hayleys Bemühungen in den Sand gesetzt, wenn sie sich jetzt selber dieses Bein stellte... Die zweite Nachricht war von Gabriel persönlich, der gerne wissen wollte, für wie lange sie eigentlich noch plante, ihn mit den ganzen "Alten" im Stich zu lassen. Tja.. kam wohl ganz drauf an, ob ihr Arbeitgeber die sechs Wochen lieber für immer werden lassen wollte oder nicht und was bis dahin mit Seans Verbündeten so passierte... Inzwischen hatte Victor sein Telefonat beendet und die Brünette setzte auch ihr Mobiltelefon fürs Erste in den Flugmodus, schob das Gerät zurück in die Hosentasche und blickte fragend zu ihm hoch. Aber nicht besonders lange, da er wenig später auf seine mittlerweile leider fast genauso düstere Jobsituation zu sprechen kam, was ihren Blick zurück in Richtung Boden sandte. Sie schwieg einen Moment, während sie durch das zu dieser Stunde schon ziemlich leere Krankenhaus schritten, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte, weil er eben Recht hatte. Ein Chef musste keine bösen Absichten haben, um einen Mitarbeiter zu entlassen, der auf unbestimmte Zeit von irgendwelchen Kriminellen belagert wurde. Es war eben eine beschissene Situation - und zwar für alle Beteiligten. "Das stimmt... Wir... können wohl nur hoffen, dass wir in ein paar Tagen eine Lösung haben...", wie realistisch das war, brauchte sie nicht auszusprechen. Erstmal musste sie noch herausfinden, ob Riley bei der Polizei schon gesucht wurde. Wenn das der Fall sein sollte, mussten sie "nur" die Cops rufen, sobald sie der Brünette wieder begegneten. Aber wenn Sean die Frau bisher in seinem Schatten hatte wandeln lassen und sie so immer verdeckt agiert hatte, dann musste sie erstmal bei einer Tat ertappt werden, die schlimm genug war, um sie ebenfalls einzubuchten... Denn anderweitig wurden sie sie kaum los. Und ja, das glaubte Faye bestens einschätzen zu können, noch bevor sie einen einzigen Beweis davon hatte, dass überhaupt irgendwer hinter ihr her war. "...Sonst sind wir beide sehr bald arbeitslos und können uns noch viel einfacher in einer anderen Stadt niederlassen", schob sie eher sarkastisch nach, da das kein Stück weit in ihrem Interesse lag. Sie wollte überhaupt nicht umziehen. Ihr gefiel es ihr, sie mochte die Wohnung wirklich gerne und ihren Job auch. Victor war ebenfalls endlich angekommen und Aryana und Mitch wohnten nur dreissig Minuten entfernt am Rande der nächsten mittelgrossen Stadt. Die Küste war nicht weit von hier, ebenso die Berge, sie hatten alles, was sie brauchten und waren eigentlich sehr nahe dran, einfach ein glückliches, ruhiges Leben zu führen. Bis vor zweieinhalb Wochen. Oder auch nur bis heute Mittag, wo alles schon wieder relativ in Ordnung ausgesehen hatte. Faye verliess mit Victor das Krankenhaus durch den Haupteingang, wobei sie sofort spürte, wie dieser Akt alleine ein gewisses Unbehagen in ihr auslöste. Sie begann automatisch damit, sich prüfend umzusehen, um irgendwelche verdächtigen Schatten zu lokalisieren, während sie zügigen Schrittes zur Taxihaltestelle gingen. Immerhin konnten Riley und Anhang sich denken, dass sie im Krankenhaus verweilte. Theoretisch könnten sie nur darauf warten, bis sie hier auf die Strasse trat. Das war scheisse. Und Faye war wirklich froh, als das ausgemachte Taxi erreicht war und sie sich auf die Rückbank verkrümeln konnte. Nicht ohne dabei weitere verstohlene Blicke nach draussen zu werfen, natürlich.
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Es klang ziemlich utopisch schon innerhalb weniger Tage eine gute Lösung für dieses riesige Problem gefunden zu haben. Natürlich war das wünschenswert, um unser gemeinsames Leben nicht noch mehr ins Wanken zu bringen und es zügig wieder grade zu rücken, aber das war doch eher unwahrscheinlich. Da Ryatt selbst auch nicht besonders viel über das ganze Unterfangen zu wissen schien, brauchten wir uns was das anbelangte nicht allzu viel Hoffnung zu machen. Der einzige Hoffnungsschimmer war gerade, dass die Cops vielleicht bis zum morgigen Tag irgendwelche guten Neuigkeiten für Faye hatten. Dass sie Riley geschnappt hatten glaubte ich nicht, aber vielleicht hatten sie zumindest eine Spur. Einfach... irgendwas. Auch Fayes Sarkasmus entsprang wohl hauptsächlich purer Verzweiflung. Zu lachen hatten wir gerade nichts und mir war auch nicht wirklich danach zu scherzen, weshalb meine erste Reaktion ein leises, angespanntes Schnauben war. "Weil wir das auch ganz bestimmt jetzt schon machen wollten.", versuchte ich dennoch irgendwie auf diese Schiene aufzuspringen, was wegen meinem aufgewühlten Tonfall aber sicherlich nicht besonders gut funktionierte. Mir kroch prompt die Anspannung zurück in die Schultern, als die kühle Nachtluft mein Gesicht streifte. Ich fühlte mich ein bisschen so, als würde ich unbewaffnet über ein Schlachtfeld marschieren müssen in der stillen Hoffnung, dass uns Niemand sah. Faye ging es ihren Blicken nach zu urteilen sehr ähnlich. Ich konnte gar nicht anders, als mich auf dem Weg zum Taxi ebenfalls umzusehen - zwei Augenpaare sahen schließlich mehr als eines. Ich zog die Tür des Fahrzeugs dann auch zügig zu, sobald ich zu Faye auf den Rücksitz gerutscht war. Wir mussten trotz gegebener Umstände noch einmal kurz nach Hause, um ein paar Sachen zu packen, also nannte ich der Fahrerin unsere Adresse und sie fuhr los. Als der Wagen zurück auf die Hauptstraße rollte, streckte ich meine Hand nach Fayes Oberschenkel aus und wandte den Blick vom Fenster ab, um stattdessen zu ihr rüber zu sehen. "Was denkst du ist besser... ein Hotel im belebtesten Stadtteil oder etwas außerhalb?", fragte ich murmelnd und ließ dabei müde meinen Kopf an die Kopfstütze sinken, ohne den Blick von der Brünetten abzuwenden. Es hatte sicher beides seine Vor- und Nachteile. Wo viele Menschen waren, waren theoretisch zu viele Augenzeugen für schlimme Taten. Dafür kämen wir damit aber kaum weg vom Ort des Übels, was weniger in meinem Sinn war. Weiter draußen aus der Stadt in einer dementsprechend ruhigeren Lage hätten wir mehr Distanz zum Ursprung, dafür aber wahrscheinlich weniger Schutz durch andere anwesende Personen. Theoretisch konnten wir auch bis in eine andere Stadt fahren und so eine Kombination aus beiden Lösungen haben, aber weiter als eine halbe Stunde wegzufahren war zumindest so lange unsinnig, wie die Polizei noch Fayes Anwesenheit und Aussagen benötigte. Was das anging blieb also abzuwarten, was sie nach der Aussage der Brünetten morgen noch zu sagen hatten. Vielleicht rieten sie ihr am Ende sogar sich erst einmal aus der Schussbahn zu verkriechen, solange sie dennoch erreichbar blieb. Wo wir dann wieder am Punkt mit den Handys waren... wir sollten uns wohl nicht zu viel Zeit damit lassen andere Nummern zu kriegen.
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Nein, einen Umzug hatten sie, wie sie zuvor gedanklich bereits ausgeführt hatte, eigentlich überhaupt nicht geplant. Und eigentlich war Faye auch nicht bereit, sich jetzt schon mit dem Gedanken anzufreunden, wollte lieber noch ein Weilchen an der Hoffnung festhalten, dass sich das alles lösen würde und sie einfach hier bleiben konnten. Das lag nur nicht wirklich in ihrer Macht, sondern war viel mehr davon abhängig, wie rachsüchtig Seans Verwandtschaft sich zeigte. Wenn sie nach zwei-drei Wochen akzeptierten, dass ihr Komplize oder Anführer - Faye wusste nichtmal wirklich, mit welcher Funktion der Kriminelle in sein Netz eingebunden war - erstmal ein Weilchen fernbleiben würde, wäre die Sache schnell gegessen. Aber so wie sie Ryatt verstanden hatte, war es wahrscheinlicher, dass sie nicht ruhen würden, bis Faye in irgendeiner Art und Weise gebührend dafür bezahlt hatte. Allein der Gedanke beförderte die Übelkeit zurück - mindestens in gleichem Mass wie bereits vor ein paar Stunden, nachdem sie Seans Knie in der Magengrube gespürt hatte. Wenn Sean ihr für den einen Tritt, den sie ihm verpasst hatte, schon ein paar sehr lange, sehr schmerzhafte Wochen versprochen hatte, konnte sie sich leider sehr gut ausmalen, dass seine Familie im Umkehrschluss als Strafe dafür, dass sie ihn verraten hatte, auch erst zufrieden wäre, wenn sie nicht mehr atmete. Aber sie wollte gar nicht sterben, wirklich nicht. Es gab Zeiten in ihrem Leben, das hatte der Tod nach einer ziemlich verlockenden Alternative geklungen - aber das war nicht jetzt. Es wäre einfach so viel besser gewesen, sie hätte die Polizei - beziehungsweise Victor - nicht rufen müssen. Dann wären die beiden einfach entkommen und hätten sie vielleicht auch in Frieden gelassen, nachdem sie ihnen die Informationen gefüttert hätte, die sie forderten. Nur leider war das Risiko etwas zu gross gewesen, dass ihre Begegnung böse enden würde und sie hatte Hilfe rufen müssen, weil sonst weiss der Teufel was passiert wäre. Auch wenn sie sich damit zum Feind Nummer Eins gemacht hatte, jetzt, wo Riley und Co. davon ausgehen konnten, dass es Fayes Schuld war, dass Sean im Knast landete. Das war immerhin genau das, wovor Ryatt sich seinerseits gefürchtet hatte. Tja, dann hatte sie jetzt wenigstens für ihn gute Neuigkeiten: Ihre lieben Freunde mussten nie erfahren, dass der Veteran gegen Sean ausgesagt hatte, wenn Faye es gewesen war, die ihm die Cops an den Hals gesetzt hatte. Sie war froh, als die Taxitür zu war und der Fahrer zurück auf die Strasse rollte. Auch wenn sie sich nicht wirklich auf ihr Zuhause freute, war ein anonymes Auto wohl der beste Weg dorthin. Ihre Augen lösten sich von der Scheibe zu ihrer Linken, als sie Victors Hand auf ihrem Oberschenkel spürte und gleich darauf seine Frage vernahm. Faye legte ihre Finger auf seinen ab während sie nachdachte, aber irgendwie kam sie zu keinem Ergebnis. Ausserdem war ihr auch überhaupt nicht wohl dabei, auch nur eine einzige weitere Entscheidung bezüglich ihrer Zukunft zu treffen, nachdem man ja bestens sehen konnte, wo ihre Ideen sie jetzt hingebracht hatten. "Schwer zu sagen... Hat wohl beides Vorteile. Aber vielleicht solltest du für solche Entscheidungen eher nicht meinen Rat einholen...", murmelte sie, blickte ihn entschuldigend an und drückte kurz seine Hand. Es tat ihr ja leid, aber wenn sie jetzt sagte, sie würde eine Unterkunft in der Stadt für die sicherere Lösung halten, könnte sie darauf wetten, dann dort direkt vor der Tür abgeknallt zu werden. Gleiches galt übrigens für die Alternative. "Das einzige Argument, welches mir auf die Schnelle einfällt, ist halt, dass Riley ausserhalb sicher weniger Augenpaare hat, die uns per Zufall entdecken und verraten und sie uns an die Fersen setzen könnten... Sie brauchen also wahrscheinlich etwas mehr Geduld, um uns dort zu finden. Aber sollten sie uns trotzdem aufspüren, ist der Vorteil der Lage auch schon wieder dahin...", wägte die Brünette wenig spezifisch und ohne Ergebnis ab. Da der Abend schon relativ weit fortgeschritten war, hing ihre Entscheidung am Ende sicherlich auch davon ab, welches Hotel so späte Check-Ins denn auch anbot. Aber erstmal nach Hause, Tasche packen und dabei nicht sterben, lautete die Devise.
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Ich musterte Fayes Gesicht, während sie über die Antwort nachzudenken schien. Ihre Antwort verriet am Ende aber nicht wirklich, zu welchem Ergebnis sie gekommen war. Viel mehr war da nur der bittere Geschmack ihres letzten Satzes. Nein, in letzter Zeit hatte die zierliche Brünette nicht besonders viele gute Entscheidungen getroffen. Ich würde es gerne leugnen, aber es war leider die Wahrheit. Ich hatte auch oft genug gesagt und angedeutet, was ich davon hielt, dass sie dem Verbrecher so oft unter die Arme gegriffen hatte. Ryatt mochte genauso wie wir beide im Krieg gewesen sein und ich verstand, dass das wahrscheinlich irgendeinen Nerv bei Faye getroffen hatte. Das änderte jedoch nichts daran, dass er all seine Probleme selbst zu verantworten hatte. Niemand hatte ihn gezwungen zu stehlen. Es gab durchaus Einrichtungen für Kriegsgeschundene, die einem halfen sich wieder einzugliedern, wenn man das selbst nicht hinbekam. Hier in der Stadt zwar nicht, aber die Möglichkeiten hatte er trotzdem gehabt. Wenn er die nicht nutzen wollte, dann war das seine eigene Schuld. Genauso wie alles andere. Faye hätte sich da schlichtweg nicht einmischen sollen, von vornherein nicht. Ich wäre aber nicht ich, wenn ich ihr das jetzt nochmal unter die Nase reiben würde. Sie wusste es gut genug selbst, das machte ihr Verhalten deutlich. Außerdem änderte ein Vorwurf jetzt auch nichts an der Situation. Ich wandte also lediglich den Blick nach unten auf unsere Hände ab und sagte nichts weiter dazu, ehe sie fortfuhr. Mir war selbst auch etwas wohler damit die Distanz zum Unheil zu suchen. Allein schon deswegen, weil ich das Ausmaß unseres Feindes nicht einschätzen konnte. Sich inmitten der Höhle des Löwen aufzuhalten könnte mehr Risiko als Sicherheit sein. Auch ein Hotel außerhalb hatte wie erwähnt nicht nur Vorteile, aber es intuitiv fühlte es sich besser an. "Hat beides Vor- und Nachteile. Ich denke mir geht's aber besser damit, wenn wir Abstand zu... zum Problem kriegen." Der Name des Übels war ja leider nicht ausschließlich Riley. Eine einzige Person wäre deutlich leichter zu umgehen gewesen, als ein möglicherweise sehr großes Netzwerk an Beteiligten. Dass wir nicht allein im Fahrzeug saßen wurde mir erst wieder bewusst, als die schon etwas in die Jahre gekommene Fahrerin sich leise räusperte und über den Rückspiegel zu uns nach hinten sah. "Ich weiß nicht, wovor sie beide sich verstecken wollen... aber es gibt da ein nettes, kleines Hotel an der Hauptstraße, die nördlich aus der Stadt führt. Man sieht es von der Straße aus nicht, die Bäume verdecken es. Ich glaube an der Rückseite liegt sogar ein kleiner See, aber ich war selbst bisher nur als Kutsche da. Die Inhaberin ist eine sehr nette Frau, vielleicht hat sie noch ein Plätzchen für euch übrig.", erzählte sie und warf dabei immer wieder lächelnd einen Blick in den Spiegel, wenn der Verkehr es erlaubte. Hier im Auto nicht von der Taxifahrerin gehört zu werden war wohl unumgänglich gewesen und ich ließ mir ihren Vorschlag kurz durch den Kopf gehen. Bäume klangen nach Wald und irgendwie entsprangen die schlimmsten Horrorfilme immer ganz genau solch abgeschieden liegenden Orten. Wahrscheinlich sprach da aber wieder nur meine Paranoia. Uns würde schon keiner im See ertränken oder quer durch die Bäume jagen... hoffentlich. "Wo genau liegt das?", hakte ich zögerlich nach. "Nach geschätzten 15 Meilen kommt eine kleine Abzweigung auf der rechten Seite. Dann geht's noch drei oder vier Minuten eine schmale Zufahrtsstraße entlang.", beschrieb die Taxifahrerin genauer. Ich sah erneut auf Fayes Finger hinunter, die noch immer auf meinen lagen, bis ich nach ein paar Sekunden meinen Blick in ihren anhob, um sie fragend anzusehen. "Was meinst du? Klingt eigentlich... gar nicht so verkehrt.", äußerte ich meine eigene Meinung murmelnd mit einem schwachen Schulterzucken und strich gleichzeitig mit dem Daumen über den Stoff ihrer Jeans. Vielleicht hatte das Hotel sowieso keine Zimmer frei und die Option wurde nichtig, aber man konnte ja zumindest mal nachhaken. Sofern Faye der Wald des nachts nicht zu gruselig war, versteht sich.
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Ja, da konnte sie ihm eigentlich guten Gewissens zustimmen. Auch ihr war wohler damit, ihre Zelte nicht möglicherweise kaum eine Strasse von Seans Verbündeten entfernt aufzuschlagen - sie wussten ja nichtmal, wo genau die guten Leute angesiedelt waren. Abstand fühlte sich viel eher nach Sicherheit an. „Ja... ich denke, da gehts mir gleich“, pflichtete sie ihm leise bei. Bei ihren nicht vorhandenen Kenntnissen bezüglich Übernachtungsmöglichkeiten ausserhalb des Stadtkerns, half unerwartet die Taxifahrerin mit einem Vorschlag aus. Fayes Blick wanderte sofort nach vorne, während die Frau sprach und im ersten Moment klang der Vorschlag wirklich perfekt. Ein kleines, abgelegenes Hotel, irgendwo, wo keiner es vermutete oder suchte. Das perfekte Versteck für zwei Gejagte, die ein Weilchen untertauchen wollten. Nur Leute, die auch das Hotel zum Ziel hatten, würden die Strasse benutzen und sie konnten womöglich sogar bei jedem ankommenden Auto beobachten, wer ausstieg und ob die Person Ärger versprach. Und wenn sie eben Ärger versprach, versteckten sie sich so lange, bis die Polizei mal wieder aufkreuzte. Wenn sie richtig viel Glück hatte - oder Morgen richtig überzeugend argumentierte - würde sie die Cops vielleicht sogar dazu bringen, das Hotel vorübergehend zu bewachen. Immerhin rannten sie nicht vor Gespenstern davon, sondern vor einer sehr realen, plausiblen Gefahr, die auch Ryatt bestens bestätigen konnte. Die Brünette war schon der Meinung, dass sie dafür ein gewisses Mass an Zeugenschutz verdienten. Sonst wäre der Staat nämlich mitschuldig, wenn sie abgeknallt wurden. Würde zwar am Ende keinen interessieren - oder keiner würde es ausreichend beweisen können - und brachte ihnen überhaupt nichts mehr, wenn sie tot waren, aber so weit sollte es gar nicht kommen. "Ich denke nicht, dass wir für diese Nacht eine bessere Option finden... Über alles weitere können wir uns auch morgen Gedanken machen", tat sie etwas zögerlich ihre Meinung kund, als Victor danach fragte. Es war nicht schlimm, wenn die Taxifahrerin wusste, wohin es sie auf ihrer Flucht verschlug, oder? Keiner brachte sie mit ihnen in Verbindung und würde sie erpressen, um sie zu finden, wie Sean sie in die Mangel genommen hatte, um Ryatt aufzuspüren, oder? Ausserdem wusste die Taxifahrerin ja gemäss eigener - höchstwahrscheinlich durchaus wahrer - Aussage nicht, wovor sie sich versteckten, würde also auch nicht gegen Geld zu Riley rennen, um ihr verbotene Informationen zu verkaufen. Ja, fürs Erste klang der Vorschlag also doch besser, als alles andere, was sie auf die Schnelle organisiert bekamen. "Wie heisst denn das Hotel..?", fragte Faye eine letzte Angabe ab, damit sie vorgängig prüfen konnten, ob das Hotel denn auch wirklich existierte und wenn ja, was das Internet darüber ausspuckte. Oder war das eine schlechte Idee? So von wegen Browserverlauf und ihrem lieben Hacker. Gott das war grausam anstrengend, sich so viele Gedanken machen zu müssen. "Casa Viola, wenn ich mich nicht irre. Auf jeden Fall ein italienischer Name", folgte mit einem weiteren Lächeln auch diese Antwort, die Faye mit einem dankenden Nicken entgegennahm. Sie konnte ja mal an der beschriebenen Stelle in eine Karte zoomen, und schauen, ob da ein Hotel mit italienischem Namen angezeigt wurde. Das würde ihr schon reichen als Beweis. Alles andere würde sich dann wohl zeigen... Irgendwie dauerte die Heimfahrt etwas zu kurz, auch wenn Faye müde war und sich ihr Körper langsam dezent nach einem Bett sehnte. Nur eben nicht nach diesem Bett. Sie stiegen aus und natürlich wanderte ihr prüfender Blick sofort akribisch über die ganze Umgebung. Was ein Witz war, denn theoretisch konnte hinter jeder Autoscheibe jemand im Dunkeln sitzen und auf ihre Rückkehr warten. Theoretisch könnte jemand in ihrer Wohnung sitzen und Messer anschleifen. Theoretisch konnte alles passieren... Sie bezahlten die Taxifahrerin und es war an der Zeit, dem Übel ins Gesicht zu blicken, weshalb Faye sofort nach Victors Hand angelte, bevor sie auch nur einen Schritt in Richtung Eingang machte. Da sich das aber zuletzt als ziemlich hilfreich erwiesen hatte, hielt sie in der anderen Hand zwischen Daumen und Schiene ihr Handy eingeklemmt, selbstverständlich jederzeit bereit, den Notruf zu betätigen. Den kurzen Weg zur Haustür schafften sie aber unbeschadet und auch während dem Erklimmen der Stufen bis in ihre Wohnung blieb das Einzige gut hörbare Geräusch das Pochen ihres Herzens. Der Flur hinter der Wohnungstür lag im Dunkeln, bis sie das Licht anmachten. Aber auch hier geschah ganz genau gar nichts. Vielleicht waren sie also wirklich noch früh genug da, um nicht mit Besuch umgehen zu müssen und ihre Paranoia blieb soweit unbestätigt.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Es schien mehr und mehr alles darauf hinzudeuten, dass wir dem abgelegenen Hotel eine Chance geben würden. Wir konnten wahrscheinlich sowieso froh darüber sein, wenn uns überhaupt irgendwer zu dieser Uhrzeit noch ein Zimmer gab. Faye fragte noch nach dem Namen des Hotels und damit hatten wir dann wohl alles, was wir brauchten, um uns auf den Weg dorthin zu machen. Also alles außer unseren Sachen natürlich. Die galt es jetzt zu holen, als wir aus dem Taxi ausstiegen. Die hilfreiche Taxifahrerin wünschte uns zum Abschied noch eine ruhige Nacht - war uns der Stress jetzt schon so anzusehen? - und ließ uns allein am Gehsteig zurück. Als Faye ihre zierlichen Finger wieder nach meinen ausstreckte, schlangen sich meine instinktiv um die ihren. Es war schon merkwürdig, dass diese Geste zumindest für einen winzigen Hauch von Sicherheit sorgte, obwohl sie uns im Ernstfall vor genau gar nichts beschützen würde. Sie änderte dennoch nichts an den nervösen Blicken, mit denen ich die Umgebung absuchte, während wir den kurzen Weg zur Haustür zurücklegten. Mein Herzschlag beschleunigte sich auf dem Weg nach oben zunehmend und ich konnte die Adrenalinausschüttung spüren, war ich doch plötzlich wieder hellwach. Vermeintlich völlig zu unrecht, weil unsere Wohnung uns ganz genau so erwartete, wie sonst auch - still und dunkel, bis wir das Licht anmachten. Aber auch dann regte sich nichts. Die Tür hatte ich beiläufig mit der freien Hand hinter uns geschlossen, ohne den Blick vom Flur vor uns abzuwenden. Ich überlegte einen kurzen Moment lang, was sinnvoller war - alle Räume allein zu checken, oder Faye dabei mitzunehmen. Wenn ich sie mitnahm, war die der Gefahrenquelle genauso ausgesetzt wie ich, wenn tatsächlich Jemand hier war. Wenn ich sie aber im Flur ließ und zuerst im falschen Raum nachsah, war sie dort alleine... kurzum war beides beschissen, aber wahrscheinlich wollte die Brünette nur ungern alleine hier im Flur zurückbleiben. "Ich... seh' mich kurz um.", murmelte ich und warf Faye einen flüchtigen Blick zu, bevor ich meine Finger von ihren löste - um im Ernstfall beide Hände frei zu haben - und mit dem Schlafzimmer begann. Ich schob die Tür auf und machte das Licht an, bevor ich langsam den Raum betrat. Ich sah zuerst hinter die Tür, danach ging ich weiter zum Schrank. Der war ebenfalls leer, also sah ich danach unters Bett, wo mich ausschließlich Koffer und Reisetaschen begrüßten. Ansonsten gab es im Schlafzimmer keine Möglichkeiten sich zu tarnen, also konnte ich durchatmen. Ich ging die paar wenigen Schritte zurück zu Faye und hob meine Hand an ihr Gesicht, um flüchtig über ihren Wangenknochen zu streicheln. "Blieb hier und pack' schonmal, ich guck weiter... und schließ die Tür ab, bis ich fertig bin.", wisperte ich zu ihr runter, drückte ihr noch einen kurzen Kuss auf die Stirn und löste mich von ihr. Als ich sicher war, dass die ohnehin schon verletzte Brünette sicher hinter der Tür war - zwar ließen sich Türen durchaus kaputt machen, aber eine Riley tat sich damit bestimmt schwerer als ein Mann - machte ich weiter. Checkte nacheinander das Badezimmer, die Küche, das winzige Arbeitszimmer und auch das Wohnzimmer bis in die letzte Ecke, um absolut sicher zu sein, dass wir hier Zuhause keine böse Überraschung bekamen, solange wir unser Zeug zusammenpackten. Aber es schien wirklich Niemand hier zu sein, also begann ich selbst beim Packen mit meinem Laptop. Nicht nur deswegen, weil der hinsichtlich einer Online-Fortbildung zwecks Business-Gründung wichtig für mich war, sondern auch, weil sich damit langfristig leichter unbemerkt im Internet surfen ließ als mit dem Handy. Man bezahlte zwar ein paar Dollar dafür, aber die IP-Adresse und der eigentliche Aufenthaltsort ließen sich leicht geheim halten. Die Sicherheit war es mir eindeutig wert. Ich ließ den Laptop in seiner Tasche gleich auf der Kommode im Flur liegen, als ich zurück zur Schlafzimmertür ging. "Ist keiner hier, lass' mich rein.", meldete ich mich mit deutlich erleichtert klingender Stimme zurück. Ich trat ein, nachdem Faye den Schlüssel umgedreht hatte und begann dann damit, ebenfalls ein paar Klamotten einzupacken. Genug für einige Tage, wo wir doch voraussichtlich so schnell nicht wieder nach Hause kommen würde. Zumindest nicht, solange es sich vermeiden ließ.
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Eigentlich hätte sie sehr gerne sofort Einspruch erhoben, als er ihr erklärte, sich kurz umschauen zu wollen. Das klang viel zu gefährlich und wie schon mehrfach betont, würde sie es sich niemals verzeihen, wenn ihm ihrerseits etwas zustiess. Aber zugleich wusste sie auch, dass sie ihm schlecht helfen konnte, wenn tatsächlich jemand auf sie wartete und es auch durchaus besser wäre, wenn sie nicht beide gleichzeitig gefunden wurden. Sonst konnte sie ja gar nicht von ihrem altbewährten Telefontrick Gebrauch machen... ha ha. Trotzdem hätte sie seine Hand lieber nicht losgelassen, um ihn im Schlafzimmer mit dem Security Check beginnen zu lassen... Aber eine Diskussion erschien ihr hier ebenfalls sehr fehlplatziert, weshalb sie ihn letztendlich mit deutlichem Unbehagen machen liess, während sie das Handy schliesslich mit beiden Händen umklammerte und dabei stets den Flur im Auge behielt, um hoffentlich frühzeitig erkennen zu können, falls sich in einem anderen Raum etwas regte. Solange er im Schlafzimmer beschäftigt war, war das aber nicht der Fall und dann schien ihre Aufgabe auch getan zu sein - Victor verbannte sie in das als sicher erklärte Schlafzimmer und wies sie dazu an, sich genau dort zu verstecken, solange er sich weiter umschaute. Also eigentlich riet er ihr, mit dem Packen anzufangen, aber das war etwas utopisch formuliert. Ihre Hand strich über seinen Arm, als er sich bereits wieder abwandte und sie ihm mit sorgenvollem Blick nachschaute, dann aber seinen Worten Folge leistete und die Tür abschloss. Natürlich konnte sie aber nicht mit Packen anfangen, solange sie ihn nicht in Sicherheit wusste, weshalb sie viel eher an der Tür klebte und lauschte, ob irgendwelche verdächtigen Geräusche zu hören waren. Gott oder wem auch immer sei Dank, bestätigten sich ihre Vorahnungen und Befürchtungen aber nicht und das Einzige, was sie nach ein paar langen Minuten vernahm, war Victors Stimme, die die Gefahr als vorübergehend gebannt meldete. Sofort stiess die Brünette die ganze angestaute Luft aus, während sie den Schlüssel im Schloss drehte und die Tür zum Rest der nun hell erleuchteten momentanen Gruselwohnung wieder aufmachte. Mehr Zeit liess sie sich dann aber natürlich nicht und begann rasch mit dem Packen ihrer Tasche. Kleider und Pflegeprodukte waren relativ bald verstaut, genau wie alle anderen Dinge, die sie als wichtig erachtete. Auch wenn Faye sich überhaupt nicht sicher war, in ihrer Anspannung an alles gedacht zu haben. Das war doch sowieso nicht möglich, bei solcher Spontanpackerei... Eine sehr rasche Runde mit der Giesskanne musste natürlich auch noch sein, da sie eigentlich auch nicht den Tod all ihrer geliebten Zimmerpflanzen in Kauf nehmen wollte. Dann packte sie alle verderblichen Lebensmittel in eine zweite Tasche, um eine Fruchtfliegeninvasion zu verhindern, sorgte dafür, dass in der ganzen Wohnung die Vorhänge zugezogen waren und ging nochmal ins Wohnzimmer zurück, wo Victor sich mittlerweile aufhielt. "Denkst du, wir sollten Mike und Ella einen unserer Briefkastenschlüssel dalassen, damit sie ab und an die Post reinholen können?", fragte sie nach, weil sie sich nicht ganz sicher war, wie optimal ein überquellendes Postfach sich präsentierte. "Oder vielleicht besser doch nicht, sonst kommt noch jemand auf die Idee, sie beim Leeren unseres Briefkastens zu beobachten und zu vermuten, sie wüssten mehr...", verwarf sie die Idee umgehend wieder, als ihr klar wurde, dass sie wohl besser gar keinen mit ihrer Flucht in Verbindung brachten. Auch nicht nur in so oberflächlicher Weise. Ihr Blick glitt zu den grossen Fenstern, die eine weitere Frage offen liessen, bei der sie sich ebenfalls nicht so sicher war, was optimal war. "Rollladen runter oder eher nicht..?", waren sie unten, wusste jeder, dass hier keiner Zuhause war oder sie sich direkt in der Dunkelheit der Wohnung verbarrikadiert hatten. Dazu müsste aber zumindest eines ihrer Autos auf den dafür vorgesehenen Parkplätzen stehen, was eher nicht der Fall wäre. Waren die Läden aber oben, war das mit dem Einbrechen eben sehr viel leichter. Ausserdem wüssten Riley and Friends sicher sowieso bald, dass sie nicht da waren. Sie würden bestimmt direkt wieder dazu ansetzen, ihre Wohnung zu beobachten, wie sie das ja bestens von Sean gelernt bekommen hatte.
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Es ließ sich nicht vermeiden, dass ich noch ein paar Mal in der Wohnung hin und her lief, um alle vermeintlich essentiellen Dinge in die Tasche im Schlafzimmer zu kriegen. Ich versuchte gedanklich eine Liste abzuhaken, sie nach meiner täglichen Routine zu richten und so möglichst wenig zu vergessen, aber irgendwas fehlte am Ende bestimmt. Irgendwas, das so alltäglich war, dass ich es schon gar nicht mehr bewusst in meinem Kopf auftauchte. Faye war schon vorher fertig und begann sich um andere Dinge zu kümmern, während ich noch die letzten paar Sachen einpackte. Danach ging ich die imaginäre Liste in meinem Kopf erneut durch und trug währenddessen die Tasche vom Bett in den Flur, wo sie auf dem Boden neben der Kommode mit dem Laptop landete. Anschließend ging ich ins Wohnzimmer, wo die Brünette schon bald zu mir aufschloss. Ich stand mit den Händen auf die Lehne des Sessels gestützt da, war zu aufgewühlt um mich hinzusetzen. Tja, sollten wir den lieben Nachbarn einen Schlüssel geben? Wahrscheinlich lieber nicht, wie auch Faye schon kurz darauf feststellte. Es war sicherlich besser für die beiden, wenn sie nicht wussten, dass wir uns für eine Weile aus dem Staub machten. Wenn sie einfach gar nichts wussten, was damit zu tun hatte. "Wohl besser nicht, nein...", stimmte ich ihr dabei also mit einem schwachen Kopfschütteln zu. Danach richteten sich meine Augen wieder auf das Polster des Sessels vor mir, während ich über die Rollladen-Angelegenheit nachdachte. Wenn sie unbedingt in die Wohnung eindringen wollten, dann schafften sie das so oder so, richtig? Vielleicht würden sie aber im Flur dabei ertappt werden, wenn der Sonnenschutz die Fenster verdeckte und sie über die Wohnungstür rein wollten. Oder auch nicht, weil sie das bestimmt nachts versuchen würden, weil wir annehmen mussten, dass sie keine unfähigen Amateure waren, die gerne ins Gefängnis wollten. "Ich... weiß nicht." Ja, ziemlich oft in letzter Zeit, aber woher sollte ich's auch wissen? War noch nie vorgekommen, dass ich vor Kriminellen flüchten und auf unbestimmte Zeit fortgehen musste. "Lass sie einfach offen... ich denke wenn sie hier unbedingt rein wollen, dann schaffen sie's so oder so.", seufzte ich, stieß mich schwach vom Sessel ab und zuckte unwissend mit den gefühlt schon tief am Boden hängenden Schultern. Vielleicht freuten sich Fayes Pflanzen ja, wenn es hier drin nicht ganz so duster war, wo die Vorhänge doch ebenfalls Licht wegnahmen. Aber um ehrlich zu sein hatte ich keine Ahnung von den Gewächsen hier in der Wohnung, weil ich damit - genauso wie mit dem weniger lebendigen Teil der Deko im Haus - nicht wirklich was zu tun hatte. Faye kümmerte sich darum. "Können wir los?", hakte ich nach, ging auf die zierliche Brünette zu und versuchte mir gleichzeitig ein Lächeln abzuringen. Ich wusste nicht wieso ich den Versuch überhaupt machte, gingen die nur schwach angehobenen Mundwinkel doch kläglich in meinem unruhigen Blick unter. Deshalb versuchte ich das Ganze auch beiläufig damit zu vertuschen, dass ich den schmalen Handrücken der Brünette flüchtig mit dem Daumen streichelte. Im Anschluss ging ich ihre Antwort abwartend schonmal weiter in den Flur, erwartete aber auch eher kein Nein. Je früher wir hier wieder wegkamen, desto besser.
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