Es dauerte seine gute Zeit, bis auf ihre Worte irgendeine Resonanz abgesehen von der Stille folgte und diese Zeit wiederum nutzte ihr Kopf gerne für wirre Gedankenspiele. Ein Bisschen Kopfkino hier und da, wie sie das eben besonders schätzte, gerade in Momenten wie diesem. Entsprechend froh war sie, als der junge Mann sich doch noch zu Wort meldete. Wenn der Inhalt seiner Aussage dann auch alles andere als erfreulich oder ermutigend in ihren Ohren widerhallte. Bewaffneter Raubüberfall hatte sie gewusst. Aber mehrfach - das machte die Sache natürlich keineswegs leichter. So war seine Schlussfolgerung leider auch sehr verständlich, denn wer hätte schon Lust auf genau das: ein Leben hinter Gitter? Faye fühlte sich hilflos überfordert mit den neugewonnenen Infos und dem Zeitdruck den die Dringlichkeit der Lage unterhalb seines Bauchnabels schuf. Eigentlich war sie nicht so leicht zu überfordern mit Wunden und Verletzungen aller Art, aber normalerweise liessen sich ihre Patientinnen und Patienten eben auch sehr gerne freiwillig ins Krankenhaus oder zum einem Arzt führen. So blieb sie einen Moment still, betrachtete unsicher seine Bauchdecke und bemerkte dabei erst gar nicht, dass Lance ebenfalls wieder im Zimmer war. Erst als dieser den kalten Lappen auswrang, blickte sie auf und nahm das Geschehen stumm zur Kenntnis, bevor sie sich etwas zurücklehnte, um ebenfalls wieder in Ryatts Gesicht zu sehen. "Ich weiss, dass das alles beschissen aussieht. Aber ich lass' dich hier trotzdem nicht einfach abkratzen, das ist doch keine Lösung. Du musst zu einem Arzt und das besser jetzt als gleich", erklärte sie sich nachdrücklich nicht einverstanden mit irgendwelchen sinnlosen Kompromissen, die ihm ziemlich sicher das Leben kosten würden. Stattdessen dachte sie krampfhaft darüber nach, wie sich seine Zukunft doch noch retten liess, auch wenn es diesbezüglich scheinbar wenig Möglichkeiten gab. "Wenn du Glück hast, wissen sie nicht alles, was du getan hast...", murmelte sie, als wäre das eine Garantie für eine milderes Strafmass. War es nicht, denn die Polizei hatte ja sogar ihr gegenüber erwähnt, dass Ryatt wegen mehreren Verbrechen gesucht wurde, also wussten sie ganz bestimmt schon von mehr als einem Überfall. Seine Chancen auf eine Straferleichterung standen schlecht. Es sei denn... "Kannst du das alles denn nicht irgendwie zumindest teilweise auf Sean abschieben? Deine Verletzungen sind wohl Beweis genug dafür, dass er dich offensichtlich zu den Überfällen zwingen will. Ausserdem weisst du von seinen Plänen für in zwei Wochen. Vielleicht kannst du damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen - du bist ihn dann los und wirst nur noch der Beihilfe beschuldigt. Wenn überhaupt", versuchte Faye ihm einen kleinen Lichtblick aufzuzeigen, von dem sie selber nicht wusste, ob er wirklich funktionieren würde. Aber die Chancen standen doch ziemlich gut, ihrer Meinung nach. Immerhin war vieles davon nachweisbar, Sean konnte sich nicht rausreden, oder? Jedenfalls nicht, wenn sie ihn in zwei Wochen auf frischer Tat ertappten. Und wenn das nicht reichte, konnte Ryatt auch noch sein Kriegstrauma erwähnen, das ihm der Kampf für Amerika beschert hatte. Das würde wohl sowieso zur Diskussion kommen und je nach dem wie patriotisch das Gericht veranlagt war, könnte allein der Titel eines Veteranen ihm eine weitere Milderung des Strafmasses bescheren. Also gab es alles in allem eben doch gewisse Gründe zur Hoffnung. Musste er nur noch ins Krankenhaus...
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Wäre es mir nicht ganz so miserabel ergangen, hätte ich womöglich gelacht. Glück. Weil ich davon in den letzten Monaten ja so viel gehabt hatte. Wäre ich ein Glückspilz, dann wäre ich jetzt nicht bettelarm, sondern Millionär. Oft genug hatte ich es in Casinos versucht, die waren mir selten gnädig gesinnt. Wobei ich auch vorher schon ein Mensch gewesen war, der sich nur ungern auf den Zufall verlassen hatte. Diese Eigenschaft war als etwas höheres Tier bei der Armee ohnehin unabdingbar, auch wenn sie mir am Ende genau gar nichts gebracht hatte. "Fortuna ist mir in letzter Zeit eher nicht gnädig gesinnt.", war meine Antwort darauf, auch wenn sie nicht wirklich nötig gewesen wäre. Vielleicht konnte die Polizei mich wirklich nicht jedem der Verbrechen zuordnen, die ich begangen hatte. Eins allein war für meinen Geschmack allerdings auch schon zu viel Risiko. Ehrlicherweise kümmerte es mich auch nicht wirklich, ob Faye es okay fand, wenn ich lieber hier sterben wollte, als vor den Richter zu kommen. Das war meine Entscheidung, nicht ihre. Mein Leben, nicht ihres. Jedoch schien sie gar nicht fertig mit ihren Überzeugungsversuchen zu sein. Suchte sich noch einen anderen Weg als bloße Überzeugungskraft - nämlich Argumentation mitsamt Idee. Dazu eine gar nicht mal schlechte, denn es war kaum ein Geheimnis, dass ich Sean nicht mehr ausstehen konnte, seit er sein wahres Gesicht zutage befördert hatte. Es war bestimmt nicht unmöglich diesem Arsch viel von alledem anzuhängen, was bis dato verbrochen worden war. Er war zweifellos auch der ausschlaggebende Punkt dafür, dass ich überhaupt mit dieser Scheiße angefangen hatte. Gut, vielleicht hatte ich vorher auch schon ein oder zwei Mal etwas gestohlen... aber das waren aus der Not heraus immer nur kleine Mengen an Nahrungsmitteln gewesen. Keine Juweliergeschäfte oder dergleichen. Nichts, was man Gier oder bösem Willen hätte zuschreiben können. Dazu hatte erst Sean mich überredet und zugegeben hatte es in meiner Lage auch nicht allzu viel zum Ja gebraucht. Das erbeutete Geld hatte zum Ausgleichen meiner Schulden bei einem zwielichtigen Kerl gereicht, zumindest dieses Problem hatte ich dadurch also abhaken können. Eigentlich war das einzige, das ziemlich vehement gegen diese Aktion sprach, mein eigener Kodex. Ich mochte Lügner und Verräter nicht und wollte demnach selbst keiner sein. Da spielte es auch keine so große Rolle, wer nun die am Ende betroffene Person war. Wie sollte ich andere für solches Verhalten noch verurteilen, wenn ich selbst nicht besser war? "Ich weiß nicht, Faye... zum Verräter werden? Es geht zwar nur um Sean, aber das... gefällt mir nicht.", murmelte ich ziemlich nachdenklich vor mich hin. Nachdem ich ihren Namen erwähnt hatte, richtete ich den Blick auch langsam wieder zur Decke. Dabei kam mir dann recht bald der Gedanke, dass eine solche Aktion theoretisch sogar noch mehr Personen involvieren könnte. Sean würde sich kaum auf der Straße aufführen wie der König von China, wenn er ganz allein wäre. Er hatte Leute im Rücken. "Außerdem steckt seine ganze Familie in diesem... kriminellen Ding drin. Ich weiß nicht wie genau, er hat nie viel erzählt... aber er hat Leute im Rücken. Vielleicht schafft mir das mehr Probleme, als es löst...", dachte ich laut weiter nach. Tja, wenn ich etwas mehr darüber wüsste, was genau seine Familie denn so alles tat, wenn es um illegale Machenschaften ging, würde mir die Entscheidung vermutlich leichter fallen. Leider wusste ich darüber ungefähr genau gar nichts. Sean wäre auch schön blöd gewesen, mir lang und breit zu erklären, wer bei seiner Familie denn nun welche Strippen zog und wie das Ganze überhaupt zusammenhing. Ich hatte auch noch Niemanden aus seiner Blutsverwandtschaft getroffen. Aber ungeachtet all dessen würde der Verrat an Sean - und seiner Familie - mein Leben retten... was schon nicht schlecht wäre, bemessen an der Tatsache, dass ich bis jetzt eigentlich noch gar nicht wirklich gelebt hatte. Außer auf der Militärschule und auf dem Schlachtfeld natürlich, was ich mir rückblickend betrachtet absolut hätte sparen können.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Das mochte sein oder auch nicht. Man konnte die Sache eben doch immer von zwei Seiten anschauen und natürlich war Glück nicht das Erste, woran man dachte, wenn man einen Obdachlosen auf einem fremden Sofa vor sich hatte, der vor der Wahl zwischen einem Gerichtsverfahren und dem Sterben stand. Aber hätte er gar kein Glück, wäre er schon vor zweieinhalb Wochen auf der Strasse gestorben und kein Passant hätte einen Krankenwagen gerufen. Hätte er gar kein Glück, wäre er direkt im Anschluss sofort eingebuchtet worden. Hätte er gar kein Glück, hätte sich die Wunde längst entzündet und er wäre an einer Sepsis gestorben. Hätte er gar kein Glück, würde er nicht hier auf Lance's Sofa sondern irgendwo auf der Strasse liegen. Aber das brauchte sie nicht auszusprechen, denn fairerweise musste man auch sagen, dass sie, die in einer Beziehung voller Liebe in einer sicher bezahlten Wohnung mit einem bis vor Kurzem eigentlich sehr stabilen Arbeitsverhältnis und guten Zukunftsaussichten, einfach leicht reden hatte und in der falschen Position zu ihm stand, um ihm die tollen Seiten seiner miesen Lage vorzuhalten. Eigentlich stand es auch nicht in ihrem Ermessen, etwas zu den anderen Dingen zu sagen, die er auf ihren Lösungsvorschlag erwiderte. Denn es war sein Leben letztendlich auch seine Entscheidung, ob er Sean verraten wollte. Sie kannte die Risiken nicht, die damit verbunden waren, hatte den Übeltäter nur ein einziges Mal gesehen und konnte davon keinesfalls den Einfluss abschätzen, den er auf der Strasse haben mochte. Die Brünette seufzte angestrengt, zog die Füsse unter ihrem Hintern hervor, um sich stattdessen ganz auf den Boden zu setzen und sich so auf der Höhe der Wunde seitlich ans Sofa zu lehnen. So konnte sie ihn zwar noch anschauen, konnte aber auch sehr gut ihre Schläfen massieren, um mal wieder die ganze Leistung ihres Hirns abzurufen. "Naja willst du denn wirklich lieber sterben als einen Mann zu verraten, der ohne mit der Wimper zu zucken deinen Tod in Kauf genommen hat? Denkst du, er würde dich nicht verraten, wenn er hier liegen würde? Ich weiss, das mag keine Rolle spielen... Aber er hat ja selber gewählt, dich zum Feind zu machen und dich in eine Situation zu bringen, in der das mehr oder weniger deine einzige Option bleibt...", sie murmelte die Worte mit aufkeimender Verzweiflung vor sich hin, weil sie ihn viel lieber längst in einem Rettungswagen auf dem Weg zur Notaufnahme wissen würde als hier, abwägend, wie lange er sein anscheinend nicht vorhandenes Glück noch herausfordern wollte. Natürlich verstand sie sein Gegenargument, Verrat war keine schöne Sache und sie wäre ebenfalls absolut nicht dafür zu begeistern - wenn es eben nicht um sein Leben gehen würde. Und nicht nur das, denn Sean wirkte nicht so, als hätte er vorgehabt, das das letzte Messer gewesen sein zu lassen, welches er in den Körper eines anderen Menschen versenkte. Er und seine Familie, die ja offenbar mit ihm drin steckte, hatten sicher noch sehr viel mehr vor als zwei drei kleine Überfälle, die ihrerseits schon jeweils mindestens eine Person traumatisierten. "Aber wenn du ihn tatsächlich verraten solltest, müsste die Polizei dich doch dann schützen, oder nicht? Das gehört doch zum Zeugenschutz oder... keine Ahnung, ich weiss es nicht...", nahm Faye einen zweiten Anlauf, den sie dann aber selber abbrach, weil sie eigentlich nicht besonders viel Ahnung von diesem Gebiet hatte. Einfach nicht wollte, dass er starb, das war alles...
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Faye schwieg einen kurzen Moment - sofern man das Seufzen nicht dazuzählte - und positionierte sich dabei neu neben dem Sofa. Eigentlich brauchte ich dann auch nicht lange über die Worte nachzudenken, die sie mir im Anschluss zukommen ließ. Nein. Nein, ich wollte nicht gerne sterben und erst recht nicht für Jemanden wie Sean. Er gab mit Sicherheit weniger als nichts auf mein Leben. Ich hatte nicht umsonst schon mehrfach den Gedanken gesponnen, ob er mich nicht nach dem Überfall einfach entsorgen wollen würde, damit er die Beute alleine haben konnte. Es gab also eigentlich wirklich keinen guten Grund dafür, ihn nicht einfach in die Pfanne zu hauen und ausnahmsweise mal nicht selbst den Kürzeren zu ziehen. Da war nichts außer meinem eigenen Moral-Kodex... wobei ich den in letzter Zeit sowieso schon des Öfteren vernachlässigt hatte, so ganz nüchtern betrachtet. Zwar teilweise aus der Not heraus oder zu meinem Schutz, aber das einfach mal dahingestellt. Ich glaubte allerdings weniger daran, dass die Polizei mich im Anschluss an mein Geständnis schützen würde. Vielleicht so lange, bis sie Sean hatten und er hinter Gittern saß, aber der Staat gab bestimmt nur im dringenden Notfall Geld für Zeugenschutz aus. Sie konnten mich ja schlecht für immer vor der Sippschaft dieses Idioten schützen, also wäre damit sicher nach seiner Einbuchtung Schluss. "Wenn sie's überhaupt machen, dann hören die bestimmt damit auf, sobald er einsitzt...", grummelte ich undeutlich vor mich hin, weil ich nachdachte. Ich sah nicht wieder zu Faye, stattdessen aber auf die Wunde an meinem Bauch. Das Licht hier im Wohnzimmer war nicht absolut grell, aber eindeutig hell genug, um mit bloßen Augen zu erkennen, dass ich mir mit meiner Entscheidung nicht mehr ewig Zeit lassen konnte. Andernfalls würde sie mir einfach abgenommen werden und das hatte dann nichts mit Pech zu tun. Ich wäre selbst daran schuld. Nach einigen schweigsamen Sekunden, in denen ich einfach nur auf die Naht herabgesehen hatte, schloss ich mit einem Seufzen für einen Moment lang die müden Augen. Ich hätte mir wahnsinnig gerne über das angespannte Gesicht gerieben, um vermeintlich den Kopf klarer zu bekommen. Leider war aber weiterhin so wenig bewegen wie nur möglich die Devise, weshalb es bei der untätigen Schweigeminute bleiben musste, bis ich die Lider schließlich erneut anhob und langsam zu Faye sah. "Schön, von mir aus... ruf an.", hatte ich mich breitschlagen lassen, auch wenn ich weiterhin etwas undeutlich sprach. Einfach deshalb, weil ich bis jetzt noch nicht so richtig daran glauben konnte, auf diese Weise vielleicht wirklich mit einem blauen Auge - und einer mich nur grade so nicht umbringenden Stichwunde - davonzukommen. "Aber falls sie mich doch in den Knast stecken besuchst du mich da... als Entschädigung oder so.", hängte ich noch ein paar mehr Worte an und hob dabei die rechte Augenbraue leicht an, mahlte danach fast schon krampfhaft mit dem Kiefer. Letzteres resultierte daraus, dass die Schmerzen langsam ziemlich unerträglich wurden. Das war auch einer der Gründe dafür, warum ich zähneknirschend einlenkte. Allein der Gedanke daran hier womöglich noch etliche Stunden mit derartigen Schmerzen herumliegen zu müssen, bis mich die innere Blutung dann letzten Endes wirklich umbrachte, war das Grauen. Klar, man konnte es aushalten und vielleicht würde ich irgendwann dann einfach ohnmächtig und damit vom Schmerz erlöst werden, aber die Zeitspanne bis dahin stand in den Sternen. Sollte der Richter mich trotz meines Geständnisses und den restlichen Umständen trotzdem noch ewig lange Jahre einbuchten wollen, dann konnte ich mir im Gefängnis ganz sicher ein weniger qualvolles Ende bescheren, als ich es hier und jetzt durchlaufen müsste.
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Ja, da mochte er Recht haben. Wie gesagt, sie hatte keine Ahnung davon, wie mit solchen Aussagen umgegangen wurde und welche Vorsichts- und Schutzmassnahmen der Staat übernahm, um sicher zu stellen, dass Verbrecherfamilien nach Verhandlungen keine Zeugen abstachen. In diesem Sinne fand sie das Argument von Seans unberechenbarer Sippschaft weitaus tragkräftiger, als das mit dem Verrat an einem Menschen, dem Ryatts Leben offensichtlich keinen Cent wert war. Nur änderte das eben zugleich trotzdem nichts daran, dass der junge Mann neben ihr sterben würde, wenn er einfach hier liegen blieb und Däumchen drehte. Doch offensichtlich war ihm diese Tatsache ebenso bekannt, denn es dauerte nicht viel mehr als eine weitere Minute, bis er schliesslich überraschenderweise nachgab und ihr die offizielle Erlaubnis erteilte, den Rettungsdienst zu rufen. Das wiederum würde sie sich nicht zweimal sagen lassen, weshalb sie umgehend ihr Handy hervorholte. Noch währenddessen erreichte sie seine Aufforderung für den Fall der Fälle und sie blickte ihn einen Moment verwirrt an, bis sie begriff, was er denn überhaupt meinte. "Das wird schon nicht passieren... Aber ja, geht klar", zeigte sie sich mit einem Nicken einverstanden, auch wenn sie wirklich hoffen wollte, dass das nicht eintreffen würde. Faye erhob sich vom Boden, um mit dem Telefon in der Hand den Raum zu verlassen, da sie nicht plante, das Gespräch direkt hier in Anwesenheit ihrer zwei neuen Freunden zu führen. Noch auf dem Weg nach draussen fanden die drei Ziffern des Notrufs ihren Platz auf dem Display, auf welchem sie gleich darauf den grünen Hörer antippte und das Handy ans Ohr hob. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis am anderen Ende der Anruf entgegengenommen wurde und sie umgehend damit beginnen konnte, die Situation zu schildern. Vielleicht war es auch keine gute Idee, wenn sie diesen Part mit dem Anrufen übernahm - dass sie überhaupt vor Ort war, wenn irgendwas in Zusammenhang mit Ryatt geschah. Andererseits deckte es sich ja schon irgendwie mit ihren Aussagen gegenüber der Polizei - sie hatte ja zugegeben, ihm ihre Nummer gegeben zu haben. Und nun hatte er sie eben angerufen, weil er offensichtlich Hilfe brauchte... Passte schon irgendwie. Es wäre eben auch nicht besser, wenn Lance noch weiter mit reingezogen wurde - der arme Kerl hatte ja eigentlich, ihres Wissens zufolge, überhaupt nichts damit zu tun. Den Anruf hatte Faye ziemlich schnell hinter sich gebracht, da sie auch nicht auf die Tipps und die telefonische Begleitung des Notrufs angewiesen war, bis der Rettungswagen hier eintraf. Das Wissen, das dieser bald da sein würde, reichte ihr völlig aus. Auch wenn die ganze Nervosität und das mulmige Gefühl in der Bauchgegend - eigentlich im ganzen Körper - damit längst nicht beseitigt waren. Sie ging zurück ins Wohnzimmer, wo ihr Blick auf Lance traf, der sie abwartend anschaute. "Sollte nicht lange dauern...", meinte sie, sowohl zu Ryatt als auch zu dem anderen Mann, der sich dieses Abendprogramm mit Sicherheit auch nicht gewünscht hatte. "Brauchst du noch irgendwas..? Ich kann dir deine Sachen bringen wenn du möchtest, wäre sicher gut, wenn du die dabeihast im Krankenhaus..", fragte sie abwartend, da sie seine Tasche bei einem kurzen Rundumblick nicht gesehen hatte.
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Ich würde es bereuen, oder? Irgendwas würde wieder schiefgehen. Sehr wahrscheinlich sogar, ich wusste nur noch nicht was genau. Allerdings war es jetzt ohnehin zu spät dafür mir darüber Gedanken zu machen. Kaum hatte Faye mein Einverständnis bekommen, erwiderte sie nur noch knapp, dass sie meiner Bedingung nachkommen würde, bevor sie mitsamt Mobiltelefon den Raum verließ. So oder so würde ich aber in Untersuchungshaft sitzen, da war ich mir recht sicher. Zumindest im Fall der Fälle, dass sich die Anhörung vor dem Richter über den Heilungsprozess meiner Narbe hinauszog. Vermutlich kam das ganz darauf an, wann sie Sean zu fassen bekamen und was er zu der ganzen Geschichte sagte. Was passierte eigentlich, wenn er das Gegenteil behauptete? Sagte, dass es Notwehr gewesen war, weil der böse, traumatisierte Veteran auf ihn losgegangen war? Ich schüttelte innerlich den Kopf. Es war jetzt egal, die Brünette telefonierte bereits. Der Krankenwagen würde kommen und diesmal sah ich mich noch weniger im Stande davor wegzulaufen, als es das letzte Mal schon der Fall gewesen war. Ich sah also anstelle des Grübelns zu Lance, sagte aber nichts weiter und so seufzte er nur erleichtert. Faye kam bald zu uns zurück und ich beobachtete den kurzen Blickwechsel der beiden. War besser, wenn der Krankenwagen nicht mehr ewig brauchte. Zwar glaubte ich noch nicht in den nächsten fünf Minuten zu sterben, aber je länger es dauerte, bis sich Jemand dem Übel annahm, desto schlimmer wurde es bis dahin. Mein Körper war sicher froh über jede Sekunde, die er früher erlöst wurde. Ich sah zu der zierlichen jungen Frau auf, als sie ihr Wort erneut an mich richtete. Ja, meine Sachen wären gut. Nicht zuletzt deswegen, weil die Polizei mit Sicherheit nach der Waffe fragen würde, die ich ebenso wie den Rest meines Hab und Guts darin verstaut hatte. Andererseits warf es womöglich kein gutes Licht auf mich, wenn ich sie mit bis ins Krankenhaus nahm... ich wusste es nicht. Wirklich nicht. Auch wusste ich nicht, wo Lance mein Zeug vorhin abgestellt hatte, weshalb ich fragend zu ihm rüber sah. "Ich hab die Tasche im Flur unter die Bank an der Garderobe geschoben, damit sie hier nicht im Weg rumsteht.", gab er Auskunft und sah in Richtung Flur. Daraufhin wanderte mein Blick zurück zu Faye. "Ansonsten brauch ich nichts, glaube ich.", murmelte ich nachdenklich. Mal so ganz unabhängig davon, dass ich sonst auch gar nichts hatte, würde ich im Krankenhaus wohl kaum mehr als meine Klamotten und Papiere brauchen. Letztere waren für die Polizei aber bestimmt essentiell, auch wenn sie Ausweis und Co. kaum zur sicheren Identifikation meiner Person brauchen würden. "Also fährst du nach..?", fragte ich eher überflüssig nach, ohne den Blick auf aus ihren Augen zu nehmen, aber ich wollte es irgendwie gerne nochmal wortwörtlich hören. Die Sanitäter würden sie bestimmt nicht im Krankenwagen mitfahren lassen. Sie war weder meine Partnerin, noch eine Angehörige und sollte demnach sicher nicht unnötig Platz beim Transport beanspruchen, wenn es nach dem Rettungspersonal ging.
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Die Brünette wartete einen Moment auf eine Antwort, die letztendlich aber nicht wie erwartet von Ryatt, sondern von Lance kam, der ihr erklärte, wo sie das wenige Hab und Gut ihres Patienten finden würde. Sie war schon fast dabei, sich in die entsprechende Richtung zu drehen um die Tasche zu holen, da erreichte sie Ryatts eher unerwartete Frage, die sie beinahe etwas ins Stocken geraten liess. Tja, fuhr sie nach? Das hatte sie sich so noch gar nicht überlegt. Das mit der Tasche war eher so gemeint gewesen, dass sie diese holen würde, um sie dem Krankenwagen mitgeben zu können. Aber sie hatte eigentlich schon nicht vor gehabt, ihn von hier an einfach seinem Schicksal zu überlassen. Die andere Frage war nur, ob es denn noch was brachte. Sie wusste nicht, ob die Polizei - sobald die vor Ort wäre - sie überhaupt noch zu Ryatt gehen liess. Ausserdem war es beinahe 23 Uhr und er würde gleich mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit eine OP durchleben müssen, so wie sie das sah. Aber gut, wenn sie ehrlich war, konnte sie ja doch mit nichts anderem als einem Ja auf diese Frage antworten. Sie würde einem Verletzten - der sie aus welchen Gründen auch immer offensichtlich wirklich kümmerte - diesen indirekten Wunsch kaum ausschlagen können. Schon gar nicht jetzt, nachdem sie ihn gerade mehr oder weniger zu diesem risikoreichen Spielchen überredet hatte. „Naja ich kann natürlich auch nach Hause fahren und mir dort weiter Sorgen machen… aber ich denke, das macht uns auch nicht glücklicher..“, meinte sie, hob dabei eine Augenbraue an und schielte in seine Richtung. „Ich hol‘ schon mal die Tasche“, erklärte sie dann und setzte sich umgehend in Bewegung, um genau das zu tun. Das Gepäck war schnell gefunden und ebenso schnell ins Wohnzimmer geschafft, wo es dann nur noch die Ankunft des Krankenwagens abzuwarten galt. Etwa zehn bis fünfzehn Minuten nach ihrem Anruf, machte das sich deutlich hörbar nähernde Martinshorn daraf aufmerksam, dass die Rettung gleich eingetroffen war, Faye konnte gar nicht schnell genug reagieren, da war Lance mit den Worten Ich lass‘ die dann mal rein aufgesprungen, um noch vor jedem Klingeln an die Haustür zu eilen und das Sanitätspersonal einzuweisen. Die Brünette blieb etwas untätig stehen, wusste nicht Recht wohin mit sich. Besonders nicht in Anbetracht der Tatsache, dass gleich darauf ihre Arbeitskollegen in den Raum eilten, um Ryatt aufzugabeln. Tja das war dann wohl mal eine schöne neue Perspektive, auf die sie gut und gerne hätte verzichten können. Als endlich auch der Notarzt eintraf, der die Lage etwas gekonnter einschätzen und vor allem stärkere Schmerzmittel verabreichen konnte, atmete Faye langsam wieder auf. Manchmal war die Sicherheit, die die Anwesenheit eines Arztes - oder einer anderen Fachperson des jeweiligen Gebietes - vermittelte, zwar eine Illusion, aber sie stützte sich eigentlich ganz gerne auf die Hoffnung ab, dass der gute Herr ihrem obdachlosen Freund helfen konnte. So verabschiedete sie sich schliesslich vorübergehend von Ryatt und seinen neuen Betreuungspersonen, wartete dann aber selbst nicht mehr allzu lange, bevor sie sich auch von Lance trennte, um selbst den Weg ins Krankenhaus anzutreten. Unterwegs wählte sie Victors Nummer, um ihn auf den neuesten Stand zu bringen und ihm vor allem auch zu sagen, dass er heute Nacht besser nicht auf sie warten sollte mit Schlafen. Wer wusste schon, ob sie überhaupt noch nach Hause kam, bevor die Sonne aufging…
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Nur als beiläufiger Hinweis: Bin von Morgen bis Freitag unterwegs an der Ostsee, deswegen werden ich wohl nicht oder nur wenig zum Tippen kommen. :) _______________
Es dauerte tatsächlich eine kleine Weile, bis ich eine Antwort auf meine beinahe nur so beiläufig eingeschobene Frage bekam. Nahm ich es inzwischen schon als zu selbstverständlich hin, dass die Brünette mir ab und an mal Gesellschaft leistete? Möglicherweise schon. Das könnte daher rühren, dass es sonst Niemanden gab, dem ich eine solche Frage hätte stellen können. Lance war sicherlich froh, wenn er mich hier weg hatte - ohne ihm das ankreiden zu wollen. Faye ließ sich bisher eben auch immer recht leicht dazu überreden, mir Gesellschaft zu leisten, in welcher Form auch immer. Eigentlich tat sie das meistens sogar von sich aus. Die Antwort, die ich letzten Endes dann von der jungen Frau bekam, war zwar kein eindeutiges Ja, ließ sich aber doch so auslegen. Also ging ich einfach mal davon aus, dass ich zumindest nicht völlig allein im Krankenhaus sein würde. Was das anging redete ich mir den Optimismus ausnahmsweise selbst ein und ließ den linken Mundwinkel kurz nach oben zucken. Von da an wurde es dann recht still und ich machte die Augen mehrfach für einige Sekunden lang zu. Lance machte den Lappen zwischendurch nochmal neu nass, was ich gerne annahm. Durch die nicht vorhandene Beschäftigung fühlte es sich so an, als würde mein Körper einfach noch zwei Gänge runterschalten, bis der Krankenwagen mich dann durch das schrille Geräusch wachrüttelte. Die Sirene war nicht gerade meines Kopfschmerzes Freund, aber noch deutlich schmerzhafter war es wenige Minuten später, als ich auf die Trage musste. Das zu diesem Zeitpunkt bereits verabreichte Schmerzmittel wirkte da natürlich noch nicht, aber zu warten stand wohl nicht zur Debatte. Es schien höchste Eisenbahn zu sein, wenn man dem angestrengt ernsten Gesichtsausdruck des Arztes nach urteilte. Ich gab aber keinen Ton von mir, abgesehen von dem durch Schmerz geprägten Aufächzen, als ich von A nach B gehoben wurde. Kaum schien ich laut Personal für die Abfahrt bereit zu sein, blickte ich noch ein letztes Mal angespannt zu Faye, erwiderte auf ihren Abschied jedoch nur ein schwaches Nicken, das ich gleichzeitig mit einem recht langsamen Blinzeln unterstrich. Es verschlug mir ja tatsächlich nur selten mal die Sprache, aber der Schmerz kroch mir in diesem Moment noch gefühlt bis in den Hals. Die Ungewissheit darüber, was jetzt noch alles passieren würde, sorgte auch nicht gerade für mehr Wohlbefinden meinerseits. Dank des Schmerzmittels war ich ein paar Minuten später schon teilweise vom Schmerz erlöst und das war wirklich ein Segen. Ich konnte wieder lockerer atmen und meine verkrampften Muskeln lockerten sich langsam auf dem Weg zum Krankenhaus. Ich bekam beiläufig mit, dass Irgendwer im Krankenwagen der Klinik Bescheid gab, dass ein OP vorbereitet werden sollte, ehe der Arzt mir grob schilderte, wie das weitere Vorgehen im Hospital dann vermutlich ablaufen würde. Aufgrund seiner bisherigen Diagnose eben. Auch er bekam von mir aber nur ein Nicken zum Abschluss seiner Worte, weil ich für alles andere zu kaputt war. Wüsste ich es nicht besser, würde ich behaupten, dass er dem Schmerzmittel noch ein Schlafmittelchen beigemischt hatte. Wahrscheinlich war es nur die blanke Erschöpfung, die meinen Körper und meinen Geist gerade so langsam dahinraffte. Bis es dann endlich zur OP kam, war ich schon mehrfach fast eingeschlafen - tat es dank der Narkose dann auch endgültig. Ich ließ mich nur zu gerne von dem schwarzen Mantel der Dunkelheit einhüllen und hatte keine Ahnung, wie lange ich eigentlich weggetreten war, als ich dann langsam wieder aufwachte. Es fühlte sich so an, als hätte ich mindestens zwei Tage durchgeschlafen, was hoffentlich nicht wirklich so war. Zuerst bewegten sich nur meine Augenbrauen etwas nach unten, weil ich das nervige Piepen des EKGs neben dem Bett hörte. Erst nach einem tieferen Atemzug fing ich dann an zu blinzeln und es dauerte einen Moment, bis meine Sicht klar wurde. Es war auch keine Lampe im Zimmer an, es schien nur vom Flur etwas Licht hinein. Fenster zogen sich die gesamte Zimmerbreite entlang zur Gangseite hin, was ich mal der Tatsache zuschrieb, dass man mich im Auge behalten wollte. Ob aus gesundheitlicher oder polizeilicher Sicht mal dahingestellt, sah ich draußen auf dem Gang doch gerade zwei Cops mit einem Arzt reden. Wahrscheinlich um Auskunft darüber zu kriegen, wann sie mich aus ärztlicher Sicht frühesten mit Fragen und Anklagepunkten löchern durften, aber ich schien vorerst verschont zu bleiben. Tatsächlich wendeten sich beide ab und gingen ihrer Wege - allerdings nur, damit sich dann bald ein anderer Kerl nahe meiner Zimmertür vermeintlich auf einen Stuhl setzte, was ich so nicht genau sehen konnte, dank dem gemauerten, unteren Teil der Wand. Security? Wachmann? Hausmeister? Die dunklen Klamotten konnten sicher Vieles bedeuten und zu genauerer Analyse war mein matschiges Hirn noch nicht fähig.
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Toll, ich hoffe du konntest es geniessen! :) Also ich nehme an, das war Urlaub?^^ Ich war sowieso das ganze letzte Wochenende weg und war darum bis jetzt etwas im Scheiss mit Uni-Zeugs, passte also gerade ganz gut. x'D _______
Der Weg ins Krankenhaus zog sich zu dieser Uhrzeit leider nicht wirklich lange hin, was in ihrem Fall eher ein Nachteil war. Sie wusste ja mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass Ryatt sowieso erstmal im OP landen würde und sie sich entsprechen ein paar lange Stunden mit sich selbst beschäftigen konnte. Hier kam es ihr wiederum zu Gute, dass er erneut in das Krankenhaus geschifft wurde, in welchem sie (noch) angestellt war. So besass sie die Schlüssel zu den Ruheräumen des Personals, die zu dieser Uhrzeit meist nicht alle besetzt waren. Im Krankenhaus angekommen, bemühte sich Faye aber zuerst darum, herauszufinden, wie lange Ryatts OP denn dauern würde und was genau überhaupt gemacht wurde. Natürlich wurde mit Informationen ihr gegenüber dezent gesparrt, da sie eigentlich rein gar nichts mit dem jungen Mann zu tun hatte, sich nicht mal wirklich als Freundin seinerseits bezeichnen konnte, da sie ihn ja in Wirklichkeit trotz allem kaum kannte. Bestimmt spielte es ihr in die Karten, dass das Krankenhauspersonal - abgesehen von ein paar ranghöheren Leuten ihrer Abteilung - nicht über die Ereignisse der letzten Wochen informiert worden war, die Chefs es entsprechend ebenfalls bevorzugten, das Malheur auf beiden Seiten nicht an die grosse Glocke zu hängen. Dadurch konnte sie es sich zunutze machen, dass sie einen Chirurgieassistenten, den sie von ihren eigenen Schichten in der Notaufnahme kannte, ein paar Sekunden zur Seite nehmen konnte, bevor er sich selber in den OP-Saal begab, in dem Ryatt vermutlich bereits vor sich hin döste. Mehr als zwei Stunden sollte es nicht dauern, hatte er gesagt. Käme aber darauf an, was sie letztendlich wirklich fanden und wo das Problem lag. Diese Information reichte ihr aber erstmal und Faye verzog sich wieder von der Bildfläche - wo sie nämlich lieber nicht sein wollte, wenn die Polizei hier aufkreuzte. Stattdessen suchte sie einen der angedachten Ruheräume auf, stellte sich einen Wecker für in zwei Stunden, wünschte Victor noch einmal eine gute Nacht und legte sich dann erstmal hin. Sie war sich nicht sicher, ob sie später nochmal ein Auge zumachen konnte und gerade fühlte sie sich unendlich ausgelaugt, was sie unbedingt nutzen sollte um einzuschlafen, bevor ihr Kopf sich wieder zu viele Gedanken um zu viele neue Eindrücke und Probleme machte. Zwei Stunden und zehn Minuten später irrte die noch etwas schläfrige Brünette über die nächtlichen Gänge der Klinik, auf der Suche nach ihrem obdachlosen Freund, der mittlerweile in weisse Laken gebettet sein sollte. Wahrscheinlich schlief er sowieso und sie würde sich gleich wieder zurück ins Personalbett verkrümeln und ihn erst am Morgen besuchen. Aber mal sehen... Dass sie sich auf dem richtigen Weg befand, wurde ihr gleich darauf in nicht bevorzugter Art und Weise bewiesen. Und zwar durch zwei Cops, die ihr direkt hinter der Tür zur Abteilung, auf welcher sie Ryatt vermutete, entgegenkamen. Natürlich musste einer von ihnen genau der Idiot sein, der damals in ihrer Küche gesessen und sie mit Fragen drangsaliert hatte, sie also trotz des kurzen Aufeinandertreffen innerhalb von drei Sekunden erkannt hatte. Was wiederum dazu führte, dass er sie sehr höflich nach den Gründen ihrer Anwesenheit fragte. Da Faye in Privatklamotten vor ihm stand und hier eigentlich nichts verloren hatte, war diese Frage zugleich berechtigt als auch unnötig - denn er kannte die Antwort sowieso. Ausserdem brauchte er nur das Rettungsprotokoll etwas genauer zu lesen, um auch zu wissen, dass niemand anderes als sie persönlich überhaupt erst den Krankenwagen gerufen hatte, vor ein paar Stunden. Sie hätte es ja bevorzugt, einfach gar nichts zu sagen. Aber das schien scheinbar nicht zur Auswahl zustehen, weshalb sie ihm schlicht erklärte, dass sie gerne nachsehen würde, wie es Ryatt nach der Operation ging. Tatsächlich hielt er es für besonders witzig, einen auf überrascht zu machen und sie anzuschauen, als hätte er das überhaupt nicht erwartet und als wäre das allein schon eine Straftat. Und dann forderte er sie tatsächlich auf, sich mit ihnen über den Hergang des letzten Abends zu unterhalten. Was sie wiederum mit einem Seufzen quittierte und kurz - mehr oder weniger zwischen Tür und Angel - schilderte, was passiert war, dass sie nun hier stand. Da es dazu wirklich nicht viel zu sagen gab und sie für alle weiteren Informationen nicht bei ihr andocken mussten, war das eben auch schnell gesagt und sie glaubte eher nicht, dass irgendwer sie noch für ein längeres Verhör aufbieten würde. Und zumindest vorerst bewahrheitete sich diese stumme Hoffnung, da die Polizei vielleicht doch noch etwas Wichtigeres zu tun hatte für den Rest der Nacht und sich mit einem, von einem Nicken begleiteten, "Wir melden uns", verabschiedete. Auch sie erwiderte ein stummes Nicken, bevor sie weiter ihres Weges ging, sich unterwegs bei einer Angestellten nach dem Verbleib des Verletzten erkundigte und schliesslich das Zimmer fand, vor dem ein Security-Mitarbeiter platziert worden war. Scheinbar machte man - zumindest diesbezüglich - Vorschritte und lernte aus seinen Fehlern... Faye blickte durch das Glas nach drinnen, erkannte im Halbdunkeln eine Gestalt auf dem Bett liegen, die gut und gerne Ryatt sein mochte. So genau sah sie das von hier aus natürlich nicht. Ungeachtet der Tatsache, dass der Security sie argwöhnisch betrachtete, ging sie zur Tür, um diese aufzumachen. Was dann auch der Moment war, in dem der kleine Wachmeister nicht mehr einverstanden mit ihr war und sie sofort darauf hinwies, dass dieser Patient keine Besucher empfing. Faye rollte mit den Augen, bevor sie ihren Badge aus der Tasche holte und dem Mann unter die Augen schwenkte. "Ich arbeite hier", erklärte sie trocken, war nur froh, dass sie das Teil überhaupt dabei hatte, da sie sich sonst weder Zutritt zum Bett von vorhin, noch zu diesem Zimmer hier erschleichen hätte können. Der Aufpasser wirkte skeptisch, bis sie ihm die fehlende Arbeitskleidung mit irgendeiner unnötigen Geschichte schmackhaft gemacht hatte. Dann huschte sie ins Innere des Raumes, in dem das EKG mit seinem ständigen leisen Ton den Rhythmus vorgab.
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Ja, das konnte ich. Nach dieser ewigen Corona-Zeit endlich mal den anderen, geliebtesten Teil der Verwandtschaft wiederzusehen war einfach super. Das mit Meer verbinden zu können ist natürlich immer schön. :D Uff, Lernstress is immer blöd... aber sonst läufts weiterhin einigermaßen gut, hoffe ich? :'D _______________
Der Typ auf dem Stuhl außerhalb des Zimmers schien sich vorerst nicht mehr von seinem Thron wegbewegen zu wollen, weshalb ich mit einem tieferen Atemzug den Blick von ihm abwandte. Stattdessen begann ich damit den Raum mit den Augen abzusuchen. Besonders aufregend war das allerdings nicht, sahen die vier Wände hier doch exakt genau so aus, wie man sich ein Patientenzimmer eben vorstellte. Ziemlich einheitlich weiß, nur hier und da ganz schwache Farbakzente. Ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen, ein Schrank, eine zweite Tür, die vermutlich zum Badezimmer führte und ein winziger Fernseher, von dem ich vermutlich keinen Gebrauch machen würde. Nicht zu vergessen natürlich die Geräte zur Überwachung meines Zustands, was ich mal der Tatsache zuschrieb, dass es mir vor der Operation bescheiden ergangen war und die Verletzung schon mehr als nur der Rede wert gewesen war. Sollte es bei dem Eingriff selbst noch irgendwelche kritischen Komplikationen gegeben haben, dann hatte ich davon nichts mitgekriegt. Alles, was ich beurteilen konnte, war meine angenehme Schmerzlosigkeit. Was im Augenblick für eine Art Schmerzmittel durch meinen Körper zirkulierte konnte ich nicht wissen, aber es wirkte auf jeden Fall erfolgreich. Zwar fühlte ich mich nach wie vor so, als würde mich die Schwerkraft stärker als normalerweise ins Kissen drücken, aber das lag sicher an der generellen Ermüdung meines Körpers. Ich drehte den Kopf langsam in Richtung der Zimmertür, als ich unmittelbar davor Stimmen hörte. Daraufhin dauerte es auch gar nicht allzu lange, bis sich die Tür öffnete und eine mir bekannte Gestalt durch den Spalt hinein kam. "Du bist da...", stellte ich überflüssig mit kaum merklich nach oben zuckendem Mundwinkel fest, dass die zierliche Brünette sich an ihr Wort gehalten hatte. Auch, wenn es eigentlich verwunderlich war angesichts der Tatsache, dass sie auf der Arbeit momentan vielleicht nicht gerne gesehen war. Ich wusste ja gar nicht, wie sich ihr Arbeitgeber bisher zu der ganzen Misere rund um meine Person geäußert hatte und ob sie überhaupt noch arbeitete. Oder ob sie gar schon gefeuert worden war... wobei sie dann wahrscheinlich nicht freiwillig hier drin herumlaufen würde und mir sicherlich von vornherein gesagt hätte, dass das keine gute Idee wäre. So oder so war Faye jedoch erfolgreich an dem Kerl an der Tür vorbeigekommen und mir klappten die nach wie vor sehr müden Augen noch einmal kurz zu, während sie sich mir näherte. Als sie mir meinem Gehör zufolge nahe war, hob ich die Lider wieder an und sah zu ihr hin. "Wie lang war ich weg?", fragte ich leicht gemurmelt nach. Theoretisch hätte ich das selbst rausfinden können, weil eine Uhr an der Wand des Bettes hing. Allerdings war mir die bisher gar nicht aufgefallen, weil ich den Kopf dafür nicht weit genug gedreht hatte. Ich hätte mich auch gerne etwas aufgesetzt, um mich besser mit der Brünetten unterhalten zu können, aber auch, wenn die Schmerzen gerade wie weggepustet waren, war das sicher keine gute Idee. Wahrscheinlich gab mein aktueller Energiepegel das sowieso gar nicht her.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Oh das klingt wirklich schön, freut mich für dich! :3 Und Meer ist auch immer super... :) Naja, als Stress kann ichs eigentlich nicht bezeichnen, musste einfach paar Dinge machen, die ich davor etwas hab liegen lassen... Aber sonst läufts wirklich locker. Da wir uns die Module in diesem Lehrgang an meiner Uni selber einplanen müssen/dürfen, hab ich mir dieses halbe Jahr offenbar unbewusst relativ chillig haha.^^ __________
Offenbar war da jemand wider Erwarten tatsächlich wach, obwohl die Uhrzeit zweifellos eher zum Tiefschlaf einlud. Das war wohl den abklingenden Narkosemittel zu verdanken - und der Tatsache, dass Ryatt wahrscheinlich keine Ahnung hatte, dass es eigentlich mitten in der Nacht war. Es war fast etwas süss, wie er sich scheinbar wirklich darüber freute, dass sie vorbeigekommen war. Dabei hatte sie es ja mehr oder weniger versprochen, bevor seine Reise ins Krankenhaus geführt hatte. "Konnte dich doch nicht noch länger alleine lassen - dafür hast du viel zu viel Unfug im Kopf", erwiderte sie mit ebenfalls leicht angehobenen Mundwinkeln, während sie aufs Bett zuging. Dabei tastete ihr Blick beiläufig das karg und absolut funktional eingerichtete Zimmer ab, wobei sie unbewusst wohl irgendwelche Anzeichen polizeilicher Überwachungsmassnahmen suchte. Nicht dass sie vor hätte, jetzt irgendwelche verbotenen Dinge mit ihm zu besprechen, aber die Cops, die ihr entgegengekommen waren, liessen eben darauf schliessen, dass sie bereits vor ihr hier gewesen waren. Seine Frage liess sie kurz auf ihre Uhr schielen, auch wenn das eigentlich nicht nötig war, da sie relativ genau wusste, wie lange sie selber geschlafen hatte. "Ich denke so zwischen zwei und drei Stunden... Es ist kurz vor halb Drei in der Nacht", erklärte sie, gefolgt von einem Schulterzucken und einem weiteren schiefen Lächeln in seine Richtung. "Du darfst nachher also noch etwas schlafen, denke ich", zumindest wenn sie das zu entscheiden hätte, was bekanntlich nicht der Fall war. Sie würde ihm nämlich noch sehr viel mehr Zeit geben, um sich auszuruhen nach den Strapazen, die sein Körper durchgemacht hatte. Erneut blickte sie sich kurz in dem Zimmer um, bevor ihre Augen wieder in sein Gesicht fanden. "Wie lange bist du schon wach? Waren die Cops schon da?", wollte sie wissen, auch wenn sie es als äusserst daneben empfinden würde, falls die Gesetzeshüter ihn tatsächlich mitten in der Nacht direkt nach einer OP schon belästigen mussten. Aber theoretisch war eben alles möglich, je nach dem nach was den Deppen gerade die Laune stand. Eigentlich war Faye keine Polizeihasserin, gab den Cops durchaus ihre Daseinsberechtigung. Aber sie musste schon zugeben, dass die unfreiwilligen Erfahrungen, die sie momentan mit den Gesetzeshüter sammelte, alles andere als positiv in ihre Memorien eingehen würden.
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Danke, danke c: Jetzt genieß ich meine zweite Urlaubswoche dann noch Zuhause. ^^ Ah, die klassische Aufschieberei also... wer kennt sie nicht. x'D Aber das mit den zufällig selbst locker geplanten Modulen ist ja wirklich geil, haha. :D _______________
Mit dem Unfug hatte Faye sicher nicht ganz Unrecht. Man konnte das Klauen aus der Not heraus und den beinahe schon mutwilligen Fast-Suizid sehen wie man wollte, auch unabhängig davon stiftete ich hier und da gerne Unruhe. Zumindest hatte ich das vor der Militärschule immer mit Freuden getan, schien das doch einfach in meinem Charakter verankert zu sein. Womöglich hatte selbst der strikte Armee-Alltag rein gar nichts daran geändert. Andernfalls säße ich jetzt vielleicht nicht so tief in der Scheiße. "Da würden dir meine Eltern Recht geben.", bestätigte ich die junge Frau in ihrer Annahme, wobei der amüsierte Unterton allerdings gänzlich verloren ging. Da war immer noch ein leichter Druck auf meiner Brust, der das Reden generell etwas anstrengend machte. Ich schien nur ein paar wenige Stunden außer Gefecht gewesen zu sein. Es war doch eine gewisse Erleichterung, dass ich nicht wirklich die gefühlten Tage weggetreten war. Das war eine für meinen Geschmack zu lange Zeitspanne, in der noch alles mögliche hätte passieren können. Außerdem war ich einfach gerne Herr meiner Sinne, bewusstlos oder im ewigen Tiefschlaf gefangen zu sein passte da denkbar schlecht ins Konzept. "Gut... ich hatte schon befürchtet, ich hätte ewig gepennt.", ließ ich den Ursprung meiner Frage zutage kommen. Die paar Stunden Schlaf, die ich demnach auch noch bekommen konnte, schienen mir sehr angebracht. Ich würde sie wohl dringend brauchen, um halbwegs klar im Kopf zu sein, wenn die Bullen hier das nächste Mal auf der Matte standen - womit wir dann auch schon beim nächsten Thema waren. "Nicht lange... fünf oder zehn Minuten vielleicht.", beantwortete ich Fayes erste Frage mit nachdenklich gesenkten Augenbrauen. Wie lange genau ich hier schon still vor mich hin geblinzelt und geguckt hatte, wusste ich nicht. Vielleicht waren es auch schon ein paar Minuten mehr gewesen, ich hatte gerade ein wahnsinnig schlechtes Zeitgefühl. "Ich hab sie draußen vor dem Fenster gesehen. Es sah so aus, als hätte der Arzt sie nochmal nach Hause geschickt.", berichtete ich von meiner mehr oder weniger eindeutigen Beobachtung, die noch im Halbschlaf stattgefunden hatte. Vielleicht hatten die beiden auch nur schon irgendeinen Bericht vorab und noch gar nicht konkret zu mir gewollt, auch wenn letzteres nur eine Frage der Zeit war. Ich war mir sehr sicher damit, dass ich noch am heutigen Tag mit den Polizisten sprechen müssen würde. Wenn ich demnächst eine Mütze voll Schlaf bekommen hatte und meine Verfassung stabil blieb, hatten die Ärzte später bestimmt keinen Grund mehr, mich noch davon verschonen zu wollen. "Sind sie dir über den Weg gelaufen?", hängte ich noch eine Gegenfrage an. Wäre ja möglich, allzu lange waren die beiden schließlich noch nicht weg gewesen, als Faye zu mir ins Zimmer gekommen war.
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Auch sehr reizend... Das würd ich zweifellos auch nehmen, so eine oder zwei Wochen Ferien... xD Ja, echt, dagegen waren die ersten beiden Semester direkt streng... xD ________
Seine Eltern? Es lag ihr schon fast auf der Zunge, nachzufragen, was mit denen genau passiert war. Oder was eben der Grund war, dass er auf der Strasse und nicht bei ihnen war. Aber natürlich würde sie dieses Wissen niemals anfordern, dafür besass die Brünette eindeutig zu viel Taktgefühl und es ging sie auch schlicht nichts an. Sie wusste ja nicht mal, ob seine Eltern noch lebten und wenn ja hatte sie eben keine Ahnung, ob etwas zwischen ihnen vorgefallen war oder er aus anderen Gründen nicht mehr dort wohnen wollte. Sie wusste ja nichtmal, wie alt Ryatt wirklich war. Das könnte sie zwar anhand des Rettungsprotokolls von vor zwei Wochen - oder gestern - schnell herausfinden, aber sie stöberte nicht gerne in Akten nach Informationen zu Menschen, die sie nicht nur während ihrem Rettungseinsatz kennen gelernt hatte. Da gehörte auch der junge Mann vor ihr dazu. Faye wollte lieber nicht mehr über ihn wissen als das, was er ihr selbst mitgeteilt oder sie miterlebt hatte. Was somit selbstredend eine noch recht überschaubare Menge an Informationen darstellte. Die Brünette erwiderte also nichts auf den Hinweis zu seinen Eltern und hatte auch sonst nicht viel mehr als Nicken übrig als Antwort auf seine Worte. Bis auf die Sache mit der Polizei eben. Es beruhigte sie ein Bisschen, zu wissen, dass die blauen Männer Ryatt offenbar noch eine Schonfrist bis Morgen gönnten und ihn nicht direkt nach dem Aufwachen belästigen mussten. Auch wenn es so irgendwie fraglich war, warum sie überhaupt hier gewesen waren. Die hatten ja gewusst, dass er als allererstes eine Operation brauchen würde und hätten sich den kleinen Ausflug ins Krankenhaus auch bis zum nächsten Tag aufheben können... Aber gut, sie wurde ja eh nicht schlau aus der ganzen Strategie, die in diesem Fall verfolgt wurde. "Ich habe sie auf dem Flur gekreuzt... Einer von ihnen war leider auch direkt der Kerl, mit dem ich mich schon einmal in meiner Küche unterhalten habe, weshalb er mich tollerweise erkannt hat. Ich konnte sie aber dann mit den spärlichen Informationen, die ich zur Verfügung hatte, relativ leicht abspeisen - zumindest vorübergehend", erklärte sie kurz, wie ihre Begegnung von vorhin abgelaufen war. "Dürfte dir Morgen wohl weitaus schwerer fallen", fügte Faye beiläufig hinzu, wobei ihre Stimme wieder von leichtem Sarkasmus begleitet wurde. Es war nur logisch, dass Ryatt diesem Aufeinandertreffen eher nicht freudig entgegenblickte, aber es war fast unausweichlich und sie hoffte einfach inbrünstig, dass alles gut und nach ihrem sehr grob formulierten Plan ablaufen würde.
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Da würde wohl auch Niemand nein sagen. x'D Dir sei die "Auszeit" gegönnt! :D _______________
Unglücklicherweise schien Faye den Uniformierten tatsächlich glatt in die Arme gelaufen zu sein. Nicht nur irgendwelchen, nein - es musste natürlich auch einer der beiden Deppen dabei gewesen sein, der sie bereits befragt und mich gleichzeitig im Nebenraum nicht wahrgenommen hatte. Ja nicht einmal nachgesehen hatte, ob ich irgendwo in der Wohnung war. Immerhin schien die Brünette die beiden Polizisten vorhin relativ bald wieder losgeworden zu sein, sonst wäre sie auch kaum schon hier. Vermutlich würde es was das anging mit mir ganz anders aussehen, wenn ihnen der Zutritt zu meinem Zimmer erst einmal gewährt worden war. Deshalb ließen mich Fayes Worte auch leise seufzen, dicht gefolgt von einem schwachen Nicken. Der Justiz folgende Beamte waren potenziell schwerer von meiner Einstellung und meinen Worten zu überzeugen, als das bei den mir anvertrauten Rekruten damals bei der Army der Fall gewesen war. Es würde vermutlich weitaus mehr Nachdruck und Entschlossenheit brauchen, um sie dazu zu überzeugen, mir eine Art Deal für die Aushändigung Seans zu sichern. Ich würde mich also zeitgleich sowohl von meiner besten, als auch von meiner stursten Seite zeigen müssen, damit wir da irgendwie alle gemeinsam auf einen möglichst grünen Zweig kamen. Es war wichtig, dass ich mir zuvor zumindest noch zwei, drei wirklich gute Argumente schlagfertig im Kopf zurechtlegte, falls sie mir auf die Tour kamen, dass ich froh sein könnte, wenn ich nicht lebenslänglich im Knast landen würde oder irgend so einen Mist. Schließlich säße ich eben auch nicht das erste Mal vor dem Richter, hatte schon damals nach meinem unfreiwilligen Ausscheiden aus dem Militär in meinen Augen mehr als genug Buße tun müssen. "Ja, wahrscheinlich... die Cops dürften schwieriger umzudrehen sein als ein paar naive Army-Frischlinge.", murmelte ich vor mich hin, verlor mich dabei mit den Augen irgendwo an Faye vorbei im Raum. Dachte kurzzeitig daran zurück, wie ein aufmüpfiges Trio aus Freunden sich ins damalige Camp zu mir verloren hatte und zu Beginn eine ordentliche Straf-Einheit beim Sport hatte absolvieren müssen, weil sie offenbar vergessen hatten, dass sie nicht zum Spaß ins Ausland gereist waren. "Ich würd' dir ja im Anschluss berichten, wie's gelaufen ist, aber die kassieren sehr wahrscheinlich mein Handy ein, wenn sie erstmal hier sind.", stellte ich nach ein paar schweigsamen Sekunden fest und sah Faye im Anschluss daran wieder in die Augen. Zwar war denen die Waffe sicherlich wichtiger als mein Telefon, aber den Kontakt zur Außenwelt würden sie mir fein säuberlich abriegeln. Außerdem würden sie sicherlich anhand von Anrufen und ausgetauschten Nachrichten prüfen wollen, wie viel an meinen Aussagen hinsichtlich Sean dran war - sofern ich an diesen Punkt zu kommen schaffte. Ich wusste, dass ich extrem überzeugend sein konnte, wenn ich es darauf anlegte, aber ob das in meiner Lage noch ausreichte, ließ sich schwer im Voraus einschätzen. Ich hatte ja nicht einmal eine Ahnung davon, inwiefern Sean schon auf dem Radar der Polizisten war oder auch nicht. Blieb also zu hoffen, dass seine blöde Familie bereits ins Visier gerückt war - auf welche Weise auch immer.
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In welcher Hinsicht hatte Ryatt denn Erfahrungen mit Army-Frischlingen gemacht? Die Aussage liess ja beinahe darauf schliessen, dass er irgendeine Position mit Verantwortung innegehabt hatte. Wobei das wieder reine Spekulation war und sie eigentlich keine Ahnung hatte - auch definitiv besser nicht nachfragen sollte. Nicht nur weil Victor sie darum gebeten hatte, sich zumindest aus diesem Teil von Ryatts Leben rauszuhalten. Es war auch mitten in der Nacht und absolut nicht die Zeit für solche Gespräche. Ausserdem hatte sie selbst nicht vor, ihre eigenen Erinnerungen aufzuwühlen, bloss weil sie gerade gerne wissen würde, was seine Worte für einen Hintergrund hatten. "Ich habe keine Erfahrungen damit, Army-Frischlinge umzustimmen, also kann ich dir das nicht sagen...", gab sie ebenfalls eher gemurmelt zur Antwort, hob dabei die Schultern etwas an, um ihre Ahnungslosigkeit zu unterstreichen. Sie war ja die halbe Zeit selbst ein Army-Frischling gewesen, und auch als diese Zeit offiziell eigentlich vorbei gewesen war, hatte wohl bis zum Schluss mehr oder weniger jeder sie als genau das angesehen. Und selbst wenn nicht, hätte sie doch nie den Versuch gestartet, irgendjemanden für irgendwas umzustimmen. Es spielte auch keine Rolle, bis dato wusste Ryatt ja sowieso nichts von ihrer Vergangenheit, stellte wohl nichtmal im Traum die Vermutung auf, dass sie mal ein Schlachtfeld von Nahem gesehen hatte. Und vielleicht war es besser, wenn er das dachte und sie sein Bild von ihr noch ein Weilchen das bleiben liess, was es bisher war. Mit seiner Vermutung, dass die Cops ihm sein Hab und Gut - oder zumindest Teile davon - abnehmen würden, sobald sie sich erstmal mit ihm unterhalten hatten, könnte er durchaus Recht haben. Jedenfalls war es naheliegend. Voraussetzung war nur, dass er seine Sachen überhaupt hatte, wie ihr gerade auffiel. "Hmm ja, dazu müsste ich dir wohl deine Tasche mit dem Handy erstmal vorbeibringen... Die liegt noch aufm Rücksitz meines Autos", stellte sie trocken fest, dass sie so weit noch gar nicht gekommen war. Müsste sie wohl noch nachholen, bevor sie nach Hause fuhr. "Ich werde morgen sicher nochmal vorbeischauen, damit du mir Bericht erstatten kannst. Ich hab - glücklicherweise - Spätschicht, dann bin ich sowieso hier und kann dich davor besuchen. Sofern sie mich nochmal reinlassen oder ich mich ein zweites Mal am Wachmann vorbeischummeln kann jedenfalls", erklärte sie dass das hoffentlich nicht ihr letztes Aufeinandertreffen vor allfälligen Gerichtsterminen gewesen sein dürfte.
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Ich war auch nicht davon ausgegangen, dass die zierliche Brünette mal Rang und Namen bei der Armee gehabt hatte. Oder dass sie überhaupt jemals dort gewesen war, erschien mir das allein für sich ziemlich surreal. Vielleicht war das sehr oberflächlich und von Vorurteilen belastet, aber der durchschnittliche Anteil an Frauen im Militär war ja sowieso schwindend gering. Da kam ich eher weniger auf den Gedanken, dass eine Frau wie Faye sich nun ausgerechnet für diesen harten Lebensweg entscheiden würde. Allein deswegen schon, weil sie hier doch so vermeintlich glücklich mit Victor zusammenwohnte. "Du Glückliche.", war mein einziges Kommentar dazu noch, das aber durchaus ernst gemeint war. Die Neuen hatten mich hier und da so manche Nerven gekostet, auch wenn ich glücklicherweise nicht ständig meine Crewmitglieder hatte tauschen müssen. Meistens waren alle heil nach Hause gekommen, aber selbst mit perfektem Plan und perfektem Trupp konnte immer irgendwas schiefgehen. Man blieb nie vollkommen von Verletzten oder Toten verschont - was allein schon Grund genug sein sollte, sich nicht der Army anzuschließen. Was meine Sachen anging... ja, jetzt wo Faye es zur Sprache brachte, hatte ich die noch nirgends gesehen. Wenn sie diejenige war, die sie mit hergebracht hatte und sie gerade zum ersten Mal bei mir war, ohne den Kram mitgebracht zu haben, dann war es im Umkehrschluss nur logisch, dass mein Zeug noch nicht hier war. Allerdings würde ich in naher Zukunft wohl ohnehin nichts aus der Tasche brauchen. Außer meinen Ausweispapieren vielleicht, die könnten schon gefordert werden. "Wäre gut, ja... ich schick' dich ja ungern hin und her, aber sollten die Cops vor dir wieder hier sein, dann wollen die bestimmt meine Papiere haben." Und nicht nur die. Wüsste Faye, dass sie meine Pistole mit herumfuhr, würde sie die Tasche vermutlich auch zügig wieder loswerden wollen. Aber ich musste die sowieso schon aufgewühlten Gemüter jetzt nicht noch unnötig weiter erhitzen, oder? Dass Faye morgen sowieso noch einmal vorbeikommen wollte, weil sie das wunderbar mit der Arbeit verbinden zu können schien, ließ meine Mundwinkel ein weiteres Mal für wenige Sekunden nach oben wandern. "Dann hast du den Job also noch... das freut mich.", meinte ich ehrlich. Ich hatte wirklich nicht gewollt, dass die Brünette wegen mir ihren Arbeitsplatz verlor. Ich war froh mir dafür nicht auch noch zumindest zum Teil die Schuld aufladen zu müssen. "Und dass du wiederkommst natürlich auch, meine Besucherliste dürfte spärlich ausfallen.", fügte ich kurz darauf noch wenige Worte mehr an, die im zweiten Teil wieder vermehrt gemurmelt waren. Selbst, wenn ich meine Eltern anrufen würde, war ich mir gar nicht sicher, ob sie überhaupt reinkommen dürften. Allerdings war das auch ziemlich egal, weil ich sicher nicht zum Hörer greifen würde. Immerhin war ich gegangen, um den beiden meine Person künftig zu ersparen.
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Tja da konnte sie wohl wirklich glücklich sein, dass sie nie irgendwelche Soldaten übers Feld hatte scheuchen müssen, hm? Dass stattdessen nur sie von anderen herumgescheucht worden war. Wenn das in ihrem Fall doch meistens eher human vonstatten gegangen war - als Medical hatte sie doch einige zusätzliche Freiheiten erlebt, die anderen nicht vergönnt waren. Aber wie gesagt hatte sie nicht vor, das heute zur Sprache zu bringen, weshalb sie nur schwach die Mundwinkel anhob, ohne dabei aber wirklich zu lächeln. Das Thema war einfach unschön, egal ob es sie oder Ryatt oder irgendwen anderes betraf. Sie hasste den Krieg mit jeder Faser ihres Körpers und daran würde sich niemals etwas ändern. Denn es war noch immer der Krieg, der ihr ihren Bruder entrissen hatte, der ihre Schwester und Victor so kaputt gemacht hatte und der sie selbst und Mitch beinahe über die Klippe hatte fliegen lassen. Der auch bei Ryatt so unverkennbare Spuren hinterlassen hatte, die er einfach nicht verdient hatte - das wusste sie, ohne den jungen Mann wirklich zu kennen. Keiner verdiente diese Grausamkeit, die sie alle nur kaputt machte, dabei Trauer, Wut und Verzweiflung streute und sie nie wieder vollständig los liess. Aber genug davon, es war vorbei und im Gegensatz zu unzähligen anderen armen Seelen, waren sie den Klauen des Todes entkommen. "Klar, ich hole die Sachen nachher noch", versicherte sie ihm, dass sie nicht vor hatte, seine Tasche noch weiter in der Weltgeschichte herum zu kutschieren. Sie hatte sie nur vergessen und nicht mit Absicht liegen lassen, sah denkbar wenig Vorteile darin, sie ihm nicht möglichst bald auszuhändigen. "Brauchst du sonst noch irgendwas? Theoretisch könnte ich dir das nämlich Morgen vorbeibringen, wenn ich sowieso wieder hier bin...", erklärte sie ihren Gedankengang und blickte fragend zu dem Verletzten, der sich gleich darauf über ihren vorübergehend geretteten Job erfreute, was sie ebenfalls wieder schwach lächeln liess. "Ja, sie haben mich für eineinhalb Wochen in Zwangsferien geschickt... Aber jetzt arbeite ich wieder. Es ist noch nicht definitiv, leider, aber wenn das Gerichtsverfahren gut ausgeht - und mein Anwalt meint, dass es nicht so schlecht für mich aussieht - dann darf ich bleiben", fasste Faye ihre Jobsituation zusammen, machte kein Geheimnis daraus, dass sie sich ganz gerne an die Hoffnung klammerte, dass alles einfach wieder gut werden würde. So wie sie das auch ihm so sehr wünschte. Damit er in Zukunft ein normales Leben - oder was auch immer er sich eben wünschte - leben konnte und nicht mehr von irgendeinem Kriminellen auf der Strasse abgestochen wurde, um ihr dann im Krankenhaus zu erzählen, dass voraussichtlich so gar keiner ausser ihr ihn besuchen würde. "Wenn du willst, dass ich irgendwem... Bescheid gebe, dass du hier bist, kann ich das machen, ja..?", bot sie ihm vorsichtig an und hoffte dabei, nicht irgendeinen wunden Punkt getroffen zu haben. Denn sie war sich nicht ganz sicher, ob er wirklich niemanden hatte, der ihn besuchen würde, oder ob er das nur sagte, weil keiner wusste, dass er hier war. Letzteres konnte ja relativ leicht geändert werden, falls es das Problem war...
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Mein bisschen Hab und Gut würde den Weg in mein Zimmer definitiv noch heute zurücklegen, sicherlich zur Freude der Polizisten. "Danke.", ließ ich Faye zum inzwischen gefühlt hundertsten Mal meinen Dank zukommen. Blieb zu hoffen, dass das jetzt nicht weiter die Gewohnheit blieb. Auch abgesehen von den fünfzig Dollar würde ich gerne irgendwie die Schuld begleichen, die zwischen uns beiden entstanden war. Sie hatte bisher gar nichts dafür zurückbekommen, dass sie mir ständig unter die Arme griff, damit ich nicht endgültig am Boden liegen blieb. Oder eben auf dem Sofa eines unschuldigen KFZ-Handwerkers. "Nein, ich glaube nicht." Mir fiel auf die Schnelle zumindest nichts ein, was ich sonst brauchen könnte. Die grundlegenden Dinge, die man zu zivilisiertem Leben brauchte, stellten die einem im Krankenhaus ja gewöhnlich sowieso zur Verfügung und anderen Schnickschnack war ich nicht gewohnt. Brauchte ich auch gar nicht. Bei der Army waren meine Lebensgewohnheiten aufs Minimum reduziert worden und nach meinem kurzzeitigen, fatalen Ausraster direkt im Anschluss an den Auszug aus dem Haus meiner Eltern war mir auch sehr eindeutig klar geworden, dass man mich besser nicht mit vermeintlichem Luxus lockte. Das ging schnell schief und ich nahm die ganze Hand, statt nur den Finger. Aber zurück zu den wesentlichen Dingen, wie Fayes noch nicht sicherem Arbeitsplatz beispielsweise. "Schon ein ziemlich schlechter Scherz... da wird man am Ende noch dafür bestraft, dass man Jemanden nicht ins Verderben spazieren lässt.", konnte ich über die Justiz nur innerlich den Kopf schütteln. Hoffte darauf, dass die zierliche Brünette wirklich mit einem blauen Auge davonkam, auch wenn sie einen Verbrecher nicht an der Flucht gehindert hatte. Es war ja nicht so, als hätte sie mit meinen Verbrechen an sich irgendwas zu tun. Was allerdings anderweitigen Besuch für mich anging, brauchte die junge Frau sich nicht weiter ins Zeug zu legen. Ich rollte den Kopf ein klein wenig auf dem Kissen hin und her, was einem schwachen Kopfschütteln gleichkam. "Nicht nötig... und sollte ich's mir anders überlegen, haben die hier sicher auch irgendwo ein Telefon für mich.", redete ich ihr diesen Vorschlag murmelnd aus, rutschte dabei mit den Augen auf den Bettbezug ab. Die Telefonnummer meiner Eltern hatte sich in den letzten Jahren nicht geändert und ich konnte sie auswendig. Sollte ich hier wider Erwarten doch noch abkratzen konnte ich mich dann ja immer noch verabschieden, aber auf den Besuch verzichtete ich lieber. Mir war bei den Gedanken an meine Eltern nicht selten unwohl - was auch die seltenen Anrufe bei Ihnen verursachte, damit sie zumindest wussten, dass ich noch nicht gestorben war - und so auch jetzt. Je länger ich eben an sie dachte. Deswegen lenkte ich das Thema lieber um und damit weg von meinem eigenen Elend, als ich wieder zu Faye aufsah. "Vielleicht solltest du dich schonmal auf den Weg machen... Victor wartet bestimmt auf dich." Irgendwie klang das jetzt viel mehr nach einem Rausschmiss, als es das ursprünglich sollte. Ich wollte nicht gerne allein in diesem weißen Gruselhaus sein, aber mein Wohl sollte hier nicht über dem aller anderen stehen. Bestimmt wusste Fayes bessere Hälfte wo sie sich aufhielt, aber gut ging es dem recht sensibel wirkenden Kerl damit bestimmt nicht. Außerdem musste Faye ja noch doppelten Weg zurücklegen, erst noch meine Sachen holen und das kostete auch Zeit. Besser also sie fing damit schonmal an. Sie konnte den Schlaf Zuhause sicher auch brauchen, wenn sie in einigen Stunden zur Arbeit musste.
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Ja, was die Sache mit ihrem dämlichen Gerichtsverfahren anging, stimmte sie ihm tatsächlich zu. Das fand sie gleichermassen lachhaft wie verstörend, hatte sie doch in der Tat nie beabsichtigt, gegen irgendwelche Gesetze zu verstossen. Weder vor zwei Wochen noch sonst je in ihrem Leben. Aber Faye hatte eben ein etwas eigenes Gerechtigkeitsempfinden, das leider nicht die ganze Welt mit ihr teilte und so war diesmal ausnahmsweise auch die Justiz nicht auf ihrer Seite. Die Brünette zuckte mit den Schultern und verzog etwas missmutig das Gesicht: "Es gibt Dinge in unserem Rechtssystem, die muss man nicht verstehen... Aber immerhin können wir noch hoffen, dass alles gut ausgeht. Also für uns beide, meine ich", erwiderte sie, wobei ihre Augen gegen Ende wieder seine fanden und ihre Lippen vom nächsten sanften Lächeln umspielt wurden. Denn das hoffte sie wirklich. Natürlich war davon auszugehen, dass Ryatt gestorben wäre, wenn niemand einen Krankenwagen gerufen hätte - aber sie wollte trotzdem nicht mitverantwortlich dafür sein, wenn er für Jahre hinter Gitter wanderte und nie wieder auf ein normales Leben hoffen konnte. Folglich musste der wackelige Plan, den sie sich zurechtgelegt hatten, einfach aufgehen. Dass er ihr Angebot, jemanden für ihn herzubestellen, ablehnte, kam wenig überraschend, weshalb ein knappes Nicken auch die einzige Resonanz ihrerseits blieb. Das musste er nunmal wirklich selber wissen, sie würde ganz bestimmt nicht gegen seinen Willen Besuch organisieren. Ihr reichte es vollkommen aus, wenn er vorerst hier blieb und das Krankenhauspersonal aktiv dafür sorgte, dass er das ganze Drama lebend überstand. Alles andere war zweitrangig oder nicht in ihrer Verantwortung. Und zwar so stark nicht in ihrer Verantwortung, dass selbst Faye es als eben Solches abtun konnte. Was wiederum teilweise in ihrer Verantwortung lag, war das Wohlergehen ihres Freundes, welches Ryatt wenig später ansprach. Faye lächelte leicht und schüttelte etwas den Kopf. "Victor ist es sich mehr oder weniger gewohnt, ab und an ohne mich im Bett zu liegen... Ausserdem sollte er längst schlafen", beschwichtigte sie seine Befürchtungen. Das war der Nachteil, wenn man in Schichten arbeitete - da gehörten eben auch Nächte mit dazu, die ihr Freund wiederum ohne sie verbringen musste. Aber daran dürfte er sich längst gewohnt haben. Und da er wusste, dass sie sich gerade im Krankenhaus befand und nicht irgendwo auf der Strasse inmitten von leicht- bis schwerkriminellen Obdachlosen, konnte Victor vielleicht sogar einigermassen ruhig schlafen. War ihm jedenfalls zu wünschen, da er im Gegensatz zu ihr doch einigermassen früh raus musste morgen. "Aber ich hole trotzdem mal deine Tasche... Bis gleich", meldete sie sich schliesslich doch vorerst ab, ging zur Tür, um wieder auf den Flur zu treten. Die Brünette teilte dem Security mit, dass sie gleich wieder hier sein würde (nur damit er in der Zwischenzeit ihr Gesicht nicht vergass) und machte sich auf den Weg zu ihrem Auto. Es dauerte schon an die zehn Minuten, bis sie mit der Tasche wieder in Ryatts Zimmer stand, die Garage, in der ihr Auto seinen Platz gefunden hatte, war leider nicht gerade um die Ecke. Aber sie schaffte es gerade so wieder zurück, packte die Tasche weiterhin ahnungslos bezüglich deren Inhalt auf den Nachttisch neben dem Bett. "Wo soll ich sie am besten hin tun? In den Schrank?", fragte Faye unentschlossen. Wenn sie die Tasche in den Schrank räumte, wäre sie komplett ausser Reichweite für den Verletzten - hier auf dem Nachttisch machte sie sich aber auch wirklich nicht gut.
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Ich tat mir noch immer etwas schwer damit daran zu glauben, dass alles gut werden würde. Andererseits blieb mir aber auch nicht viel mehr übrig, als mich ebenso wie Faye an diesen Gedanken zu klammern, damit er nicht gänzlich außer Reichweite flog. Ich nickte auf ihre Worte hinsichtlich dessen nur knapp und hoffte im selben Atemzug, dass ich morgen einfach wahnsinnig überzeugend sein würde, obwohl ich hier quasi absolut wehrlos herumlag. Ich dürfte wahrscheinlich nicht auf Mitleid der Polizei hoffen, nur weil ich so zugerichtet war. Zumindest teilweise hatte ich mir das schließlich selbst zuzuschreiben. Die Flucht kam mir auch so gar nicht zugute, wirkte sich nur weiter negativ auf mein Urteil aus. Ich würde mit Sicherheit einen gnädigen Richter brauchen. Um Victor schien sich Faye keine Gedanken zu machen. Dass er durch ihre Arbeit als Sanitäterin des Öfteren Mal allein im Bettlaken liegen musste machte natürlich Sinn, aber milderte ihm das die restlichen Umstände? Vielleicht schätzte ich ihn noch nicht ganz richtig ein - hatte ja auch bei ihm keinerlei Ahnung davon, dass er nahe Schlachtfeldern hatte schlafen müssen. Auch wenn das ohnehin so gar nicht das Gleiche war. Man sorgte sich schnell auch mal unnötig um eine Person, die man liebte. Mit einem kurzen "Okay." verabschiedete ich Faye dann aus dem Raum, als sie sich auf den Weg zu meinen Sachen machte. Ich sah ihr noch bis zur Tür nach, dann rutschten meine Augen zurück auf die Bettdecke. An meinem Wunsch gerne etwas aufrechter zu sitzen hatte sich bisher noch nichts geändert, da Faye offenbar noch ein paar Minuten mehr bleiben würde, weshalb ich mich nach der Fernbedienung fürs Bettgestell umzusehen begann. Ich streckte die rechte Hand nach dem Seitenteil des Betts aus und spürte bald ein Kabel zwischen den Fingern. Die Fernbedienung befand sich wenig später in meiner Hand und als Faye wieder ins Zimmer kam, inspizierte ich gerade noch die Knöpfe. "Schrank passt schon.", meinte ich beiläufig und drückte erst kurz darauf den Knopf, der den oberen Teil des Betts gefühlt in Zeitlupe weiter nach oben fuhr. Völlig senkrecht saß ich dann nicht, aber ich konnte Faye von da an bequem ansehen. Die Fernbedienung wanderte an ihren vorherigen Platz außen am Bettgestellt. "Ich werd' so schnell nichts davon brauchen, die lassen mich bestimmt noch eine ganze Weile in dem wunderschönen Hemd. Nur der Geldbeutel könnte nützlich sein." Ich streckte die Hand nach der Tasche aus, merkte aber wie dabei durch die leichte Drehung recht deutliche Spannung in meinem Oberkörper entstand. Also nahm ich die Hand wieder zu mir zurück, wollte lieber nicht noch einmal innerlich verbluten. "Der ist im Seitenfach außen. Dann hab ich den Ausweis zumindest hier bei mir.", bat ich Faye sehr indirekt um Unterstützung ihrer Hände, unterstrich meine Worte mit einem eindeutigen Blick. Mein auf Hintertürchen gedrilltes Armee-Strategie-Hirn hätte sie auch gerne darum gebeten mir die Waffe, die zwischen den Klamotten ihr Dasein fristete, ebenfalls zu geben - so für unters Kopfkissen. Würde mir nur nichts bringen. Spätestens nach dem Mord an ein bis zwei Polizisten würde ich dann endgültig für immer eingebuchtet werden. Außerdem war mir auch gar nicht danach, zwei unschuldige Menschen umzubringen, jetzt wo ich das nicht mehr musste um zu überleben. Die Cops waren auch nur Menschen, die ihren Job machten. Wenn ich die Waffe nicht hier bei mir hatte, dann kam ich auf jeden Fall gar nicht erst auf dumme Ideen. Lieber in den Schrank damit.
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