Als sie das Zimmer wieder betrat, schien Ryatt bereits eine neue Beschäftigung gefunden zu haben und drehte die Fernbedienung des Bettes zwischen den Fingern. Eigentlich könnte er das Kopfteil fast genauso gut unten lassen, es war mitten in der Nacht und er sollte die paar Stunden Schlaf wirklich geniessen, die ihm noch gegönnt wurden, bevor sich sein Leben in Gott weiss welche Richtung drehte. Aber vielleicht beunruhigte sie das auch fast mehr als ihn. Oder sie sollte aufhören, sich zu viele Gedanken darum zu machen und es lag sich leicht erhöht einfach besser als ganz flach, war wohl auch möglich. Faye war mit der Tasche schon fast auf dem Weg zum Schrank, als er den Geldbeutel erwähnte und kurzum versuchte, diesen aus eigener Kraft zu erreichen. Schien aber eine schlechte Idee gewesen zu sein, so schnell wie er den Versuch abbrach. Und ihr war es auch lieber, wenn sie ihrerseits das gute Stück aus der Tasche fischte und er sich einfach so still wie möglich hielt. Zwar dürfte die Verletzung ausreichend versorgt sein, dass nicht gleich wieder eine Naht aufriss, bloss weil er sich ein Bisschen bewegte - aber sie wollte lieber nichts mehr riskieren und er scheinbar auch nicht. "Das Hemd steht dir aber auch echt ausgezeichnet", murmelte sie noch sarkastisch zurück, wackelte begeistert mit den Augenbrauen, bevor sie sich der Tasche zuwandte. Die Brünette öffnete das Seitenfach, um den Geldbeutel hervor zu befördern und diesen im Anschluss auf den Nachttisch zu legen. Da das offenbar alles war, was das Herz des Verletzen begehrte - zumindest das Einzige, was diese Tasche in dem Moment hergeben konnte - brachte sie das gute Stück im Anschluss zum Schrank und verstaute es bis auf weiteres dort. Dann ging sie zu Ryatt zurück und musterte ihn prüfend, bevor sie mit einem leisen Seufzen die Schultern anhob. "Dann werde ich dich wohl mal schlafen lassen und selber mein Bett suchen gehen... In der Hoffnung, dass sie mich morgen nochmal rein lassen hier", machte Faye sich an eine Verabschiedung, hob den linken Mundwinkel leicht an. "Ich wünsch dir viel Glück für Morgen Ryatt und wie gesagt... es wird alles irgendwie gut ausgehen... Das tut es immer", erklärte sie, weiterhin mit einem leichten Lächeln, das eindeutig klar machte, dass sie glaubte, was sie gerade von sich gab. Ryatt mochte keine Ahnung von all dem haben, was sie in der Vergangenheit erlebt hatte. Er vermutete wohl kaum, dass sie in der Tat wusste, wovon sie sprach. Aber er durfte trotzdem merken, dass ihre Zuversicht echt war und sie in die Wahrheit ihrer Worte vertraute, auch wenn er es nicht tat. War nicht schlimm, sie konnte das für beide tun.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ich zog beide Augenbrauen nach oben, als Faye mir sagte, dass sie dem wenig anziehend wirkenden Krankenhausfetzen etwas abgewinnen konnte. Wenigstens hatte sie damit etwas gefunden, über das sie sich amüsieren konnte - wobei für mich wohl gleiches galt. Ein flüchtiges Anheben der Mundwinkel hatte bekanntlich noch Niemandem bei der Genesung geschadet und mit Pech hatte ich auch in Zukunft nicht viel zu lachen, weshalb ich die beiläufige Witzelei besser noch mit aufschnappen sollte, ehe es zurück zum Ernst des Lebens ging. "Danke, danke... ich kann mir auch nichts schöneres vorstellen.", meinte ich ironisch und schüttelte zumindest innerlich den Kopf. Andererseits war das lockere Hemd sicher besser für die Verletzung als ein gut sitzendes Tshirt, der Stoff war an sich auch leichter. Irgendwas Positives hatte das Teil bestimmt, nur die Optik war es definitiv nicht. Ich folgte Faye mit meinem Blick, als sie mit der Tasche zum Schrank ging. Als sie wieder bei mir angekommen war schien sie sich noch einmal kurz mit eigenen Augen von meinem relativ stabilen Zustand überzeugen zu wollen, bevor sie die zierlichen Schultern hob und mit dem Abschied begann. Hoffentlich wirklich nur ein Abschied bis zum morgigen Nachmittag, gewöhnte ich mich doch so langsam ein bisschen daran zumindest nicht mehr vollkommen allein zu sein. Es war inzwischen auch schon viel entspannter für mich geworden mich mit ihr zu unterhalten - oder mir zum tausendsten Mal von ihr helfen zu lassen. Einfach weil Faye jetzt zumindest grob wusste, was hinter meiner einstigen Flucht steckte und ich da kein Geheimnis mehr draus machen musste. Außerdem war ich an sich eigentlich schon ein geselliger Mensch. Nur bis ich auftaute dauerte es meistens ein bisschen und ich gab grundsätzlich ungern zu viele Details über meine eigene Person preis. Zum Selbstschutz. "Ach, das werden sie schon... wenn du nächstes Mal in Arbeitsklamotten kommst steigert das deine Chancen bestimmt.", meinte ich und zuckte kaum merklich mit den müden Schultern. Vielleicht postierten sie bis zu Fayes nächstem Besuch aber auch einen richtigen Cop vor meinem Zimmer. Oder sie wiesen den Deppen, der jetzt vor der Tür saß, dazu an, dass er wirklich absolut gar Niemanden außer den behandelnden Arzt und bestimmte Schwestern hier reinlassen durfte. Dann würde es wohl knifflig werden, aber ich wollte mir das jetzt nur ungern schwarzmalen. Reichte schon, dass das Verhör mit den Bullen kein Zuckerschlecken werden würde. Was die Sache anging, das alles gut werden würde... tja, da würden wir uns wohl noch nicht einig werden, bevor es wirklich so gekommen war. "Wenn die heilige Faye das sagt, wird's wohl so sein.", beschränkte ich mich auf einen weiteren ironischen Witz als Antwort. Natürlich war die Brünette genauso wenig eine Heilige wie jeder andere Mensch, weil nun mal wirklich jeder irgendwelche Leichen im eigenen Keller verstaut hatte, aber mit ihrer beständigen Hilfe für mich kam sie dem zumindest näher als viele andere Leute. "Komm gut heim... und schlaf gut, Faye.", verabschiedete ich mich von ihr. Dabei zierte ein schmales, aber ehrliches Lächeln meine Lippen, das gerade so auch noch meine müden Augen erreichte, während ich in die ihren sah.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Also ich schreib erstmal nur Faye... Das ist zwar jetzt wie immer schlecht geworden aber ääääh ich mag nicht nochmal umschreiben, es ist so schon anstrengend genug. x'D Ich hab Rileys Stecki jetzt auch noch zweihundertmal überarbeitet, bis ich zufrieden war, ich mag nicht mehr. x'D Sie kommt dann ja eh mit Sean, also passt das irgendwie schon. Aber ich seh grade, du hast dich auch noch etwas mit Bildchen beschäftigt... ¬‿¬ Noisss! xD _______________
Sie hoffte schon darauf, auch ein zweites Mal ins Zimmer gelassen zu werden. Aber irgendwie würde sie das schon hinbekommen. Selbst wenn sie ihn einsperrten, hatte er ja das Recht auf Besuch - vielleicht nicht unbeschränkt, aber zumindest einmal am Tag sollte schon drin liegen, solange er im Krankenhaus stationiert war. Würde schon klappen. Die Brünette hob leicht eine Augenbraue an, ohne dabei das Lächeln ganz zu verlieren, als er sie als heilige Faye bezeichnete. "Ich bin mir nicht so sicher, wie heilig die Faye wirklich ist... aber wenn das dabei hilft, dich hier wieder raus zu holen, dann geht das für mich in Ordnung", erklärte sie sich mit der Bezeichnung einverstanden. Es wäre wohl von grösserem Vorteil, wenn nicht er sondern die Polizisten sie als heilig bezeichnen und ihr alles glauben würden, aber man konnte eben nicht alles haben, wie sie beide bestens wussten. "Mach ich, schlaf auch gut und bis Morgen, Ryatt", verabschiedete sie sich schliesslich ebenfalls endgültig, erwiderte sein kleines Lächeln und wandte sich zum Gehen. Die nächsten drei Tagen liefen mehr oder weniger nach Plan. Faye arbeitete und besuchte den Verletzten nach ihrer Schicht in seinem Zimmer, das tatsächlich weiterhin von einem Security-Typen bewacht wurde. Offenbar wurde das dem Sicherheitsstandard der Polizei gerecht, wobei man fairerweise auch sagen musste, dass ein verletzter Ryatt wohl kaum gegen einen ausgebildeten Sicherheitsmann ankommen würde. Und wenn doch so hätte er trotzdem noch einen langen Weg von hier bis nach draussen, konnte auch von zwanzig anderen Menschen aufgehalten werden. Was die Gespräche mit der Polizei angingen, konnte noch nicht so genau gesagt werden, wohin das alles am Ende führte. Sie zeigten gemäss Ryatt natürlich grosses Interesse an allen Informationen, die er ihnen bezüglich Sean steckte, aber gefunden hatten sie den Übeltäter bis jetzt trotzdem noch nicht. Das würde sich aber spätestens bei dem geplanten Überfall in etwas mehr als einer Woche ändern, zu dem sie natürlich auch alle verfügbaren Daten bekommen hatten. Faye wäre es lieber, der Verbrecher wäre längst von der Strasse gefischt, auch wenn dieser Wunsch von gewissem Besorgnis begleitet wurde, was Sean Familie und Verbündete betraf. Sie kannte keinen davon und wollte auch nie jemanden treffen, aber das bewahrte bekanntlich nicht vor unglücklichen Zufällen. Solange Ryatt in Polizeigewahrsam, beziehungsweise im Krankenhaus, weilte, war das nicht so ein Problem. Aber das war ja eigentlich auch nicht das, was sie sich wünschten... Aber eins nach dem anderen. Momentan war sie damit beschäftigt, sich auf der Arbeit von ihrer besten Seite zu zeigen, dem Dunkelhaarigen ab und zu Gesellschaft zu leisten und zu hoffen, dass das ganze Drama bald das glückliche Ende fand, auf welches sie weiterhin hoffte. Dann könnte sie auch aufhören, bei jedem Anruf, der sie über ihr Handy erreichte, zusammenzuzucken und zu befürchten, dass ihr Arbeitgeber doch noch mit der Kündigung um die Ecke tanzte oder die Polizei sie mal wieder für irgendwelche unangenehmen Gespräche oder Gerichtstermine vorladen wollte. Das hatte sie gestern Morgen nämlich auch getan, als jemand sich offensichtlich verwählt hatte und damit ihren Puls in der Umkleide auf der Arbeit kurz auf zweihundert gejagt hatte. Ihre Finger hatten leicht gezittert, als sie das Handy wieder weggelegt hatte - und das obwohl sie noch nicht mal mit jemandem geredet hatte. Oder die andere Person jedenfalls schnell erkannt hatte, dass sie nicht mit ihr reden wollte. Sie hatte sich allerdings nicht weiter Gedanken dazu gemacht, konnte ja jedem passieren. War stattdessen arbeiten gegangen und hatte abends wieder Ryatt besucht. So war auch der heutige Tag vorbeigegangen und es war kurz nach 19 Uhr, als sie nach einem langen Tag zuhause ankam. Nur um wenig später festzustellen, dass sie eigentlich noch fürs Abendessen einkaufen wollte, weil Victor sowieso erst in einer Stunde zuhause wäre und sie derweil hätte kochen können. Wenn sie die Zutaten hätte. Fünf Minuten später stand sie also wieder auf der Strasse und da sie nicht viel brauchte, heute noch kaum draussen gewesen war und es noch nicht dunkel war, beschloss sie, den Weg zu Fuss zu gehen. Es waren maximal 15 Minuten Richtung Stadtmitte zum gewünschten Asian Store, also absolut machbar. Ausserdem tat ein Bisschen mehr oder weniger frische Luft ihrem Kopf auch gut.
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Mir ist eigentlich auch egal, ob die sie jetzt aktiv von Zuhause aus verfolgt haben oder mehr "per Zufall" auf sie treffen, weil sie ja eben in die Innenstadt latscht, wo das wahrscheinlicher ist als in ihrem Wohnquartier... Mach wie du willst, ich habs versucht. x'D
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is doch völlig in Ordnung sooo. x'D Grad jetz beim Aufeinandertreffen tut sie ja sowieso eigentlich nix, da reicht Faye völlig aus. Und der Stecki ist dir auch durchaus gelungen. ^^ Ja, ja das hab ich... also im Grunde war ich von Anfang an nicht ganz 100%ig zufrieden, aber jetzt hat's mich wieder so sehr getriggert, dass ich meine Langeweile am gestrigen Abend zumindest in der Hinsicht sinnvoll genutzt habe, haha. :'D Logischerweise existiert für Sean kein Banner, weil sich's halt nicht wirklich lohnt. Er wird ja jetzt danach sowieso eingebuchtet und sollte er irgendwann doch nochmal ausm Knast kommen aus von uns gebrauchten Gründen, dann hol ich's halt noch schnell nach haha. x'D _____________
Sean Manchmal sollte ich wahrscheinlich besser auf meinen Vater hören. Er war deutlich lebenserfahrener und weiser als ich. Ich hatte seine mahnenden Worte erneut im Hinterkopf, als ich mich auf die Suche nach Ryatt gemacht hatte. 'Er war kein einfacher Soldat, Sean. Es ist schwer Menschen zu unterwerfen, die es gewohnt sind zu führen.' Eine ganze Weile war er leicht für mich und meine Jungs im Auge zu behalten gewesen, hatte er sich in den vergangenen zwei Wochen zumeist doch immer wieder dem selben Schlafplatz zugewandt. Dann aber plötzlich nicht mehr. Von den anderen Obdachlosen dort hatte keiner einen Hinweis auf den Verbleib des Veteranen für mich, weshalb ich begann mich mit etwas Hilfe auf die Suche nach dem Truck zu machen, den Ryatt normalerweise sein Zuhause schimpfte. Es dauerte einen ganzen lästigen Tag, bis einem meiner Jungs der Wagen ins Auge fiel. Ich beobachtete ihn von da an auf eigene Faust, nachdem der Finder ein kleines Taschengeld bekommen hatte. Bis zur Nacht bewegte sich das Fahrzeug dort nicht weg und auch meine Zielperson tauchte nirgends auf. Also beschloss ich kurzerhand den Wagen in der Dunkelheit gewaltsam aufzubrechen und so neue Hinweise auf Ryatt zu finden. Erst als ich ein zweites Mal einen langen Blick ins Handschuhfach warf, fiel mir ein kleines, zerknülltes Stück Papier auf, das in der hinteren, rechten Ecke feststeckte. Ich zog das kleine Knüll heraus und entfaltete es ungeduldig, eine Nummer kam zum Vorschein. Eine, die mir selbst nicht bekannt war. Ich rief ungerne blind irgendwo an, aber es sollte meine einzige Spur auf den Vermissten bleiben. Ich verbrachte auch den Rest der Nacht noch damit, anderweitig nach Hinweisen auf Ryatt zu suchen, wurde aber nicht fündig. An seinen üblichen Aufenthaltsorten war er nicht zu finden, also schmiss ich den Hacker meines Vertrauens gegen fünf Uhr morgens aus den Federn. Bevor ich irgendwo anrief, wollte ich zumindest eine grobe Vorahnung darüber haben, wo ich landen würde. Dass der Inhaber der Nummer auf einen weiblichen Namen lief reichte mir dann allerdings aus, um sie etwas später am Morgen auch zu wählen. Es war wie eine glückliche Fügung, dass mir die Stimme am anderen Ende bekannt war. Es war so herrlich ironisch, dass ich mit einem Schmunzeln und ohne ein einziges Wort wieder auflegte. Ian, der mich hochgradig übermüdet durch seine Nerdbrille fragend ansah und sich gleichzeitig das Nasenbein massierte, bekam auch zügig eine Antwort von mir. "Ich weiß wer das ist. Find so viel über diese Faye raus wie du kannst, allem voran eine Adresse. Und zwar schnell, klar?", wies ich ihn an, was er nur mit einem müden Nicken quittierte. Er rollte im Drehstuhl zurück an seinen Schreibtisch, ehe ich auf dem Absatz Kehrt machte und ihn seine kleinen Wunder vollbringen ließ. Es gab kaum eine Firewall, durch die er nicht durchkam, ohne zurückverfolgt werden zu können. Er war ein kleines Genie, aber ab davon ein Loser, der sich fast ausschließlich nur nach draußen ans Tageslicht bewegte, um sich überlebenswichtige Dinge wie Nahrung zu sichern. Quasi die perfekte Person für einen anonymen Hintermann. Er schickte mir gestern am Nachmittag noch eine relativ ausführliche Liste an Infos, die ich in Ruhe studierte. Leider schien Ryatts kleine weibliche Bekanntschaft nicht allein zu wohnen, was grundsätzlich ungünstig war. Ich bevorzugte geschlossene Räume für ein Verhör, wollte aber eher weniger irgendwelche unbeteiligten Personen dabei haben. Dann konnte man sich die Wände nämlich genauso gut sparen. Am nächsten Tag besuchte ich vor meiner weiteren Suche nach Ryatt zuerst noch meine Eltern. Meine Mutter hatte ihre gesamte Kinderschar heute zu Kaffee und Kuchen am Nachmittag verdonnert. Ihr lag viel daran den Familienzusammenhalt aufrecht zu erhalten, seit ihre Kinder nach und nach das Haus verlassen hatten und ich fand das gut. Wenn man als Sohn eines Kriminellen aufwuchs, dann lernte man schnell, dass Familie heilig war. Außerdem genoss ich es immer, wenn ein Besuch im Elternhaus mir den öfters hektischen Alltag entschleunigte. Zusätzlich ließ es sich angenehm damit verbinden meine kleine Schwester heute unter meine Fittiche zu nehmen. Riley machte sich gut als rechte Hand, aber ihr fehlte hier und da noch Praxis, um mich im Ernstfall zuverlässig vertreten zu können. Gerade als Frau war man in diesen Gesellschaftskreisen besser gut vorbereitet. Ich hatte meinen Dodge einige Meter von Fayes Wohnsitz geparkt, um unauffällig beobachten zu können, wann sie das Haus verließ. Das tat sie eine ganze Weile lang nicht, weil sie gar nicht Zuhause war, sondern nach Hause ging. In meiner Ungeduld befürchtete ich schon sie erst morgen zu fassen zu kriegen, als die schmale Brünette doch tatsächlich noch einmal das Haus verließ. "Perfekt... komm.", summte ich grinsend und gab Riley mit dem Handrücken beiläufig einen flüchtigen Klaps an den Oberarm, bevor ich ausstieg. Ich hielt ihr auf dem Gehweg meinen linken Arm hin, damit sie sich einhaken konnte und zog mir die Kapuze über den Kopf, als wir Faye folgten. Wir hätten rein optisch sicherlich ein stinknormales Paar sein können, eine bessere Tarnung gab es kaum. Ein paar Minuten lang hielten wir den Abstand zu Faye noch großzügig, schlossen dann aber relativ zügig zu ihr auf, als eine Straße erreicht war, in der es hier und da zwischen den Häusern schmale Gassen gab. Ich hätte meinen können die Schritte unseres Opfers hatten sich bereits beschleunigt, als wir letztlich zu ihr aufschlossen und ich meine rechte Hand nach dem Kragen ihres Oberteils ausstreckte. Mit den Fingern am Stoff hielt ich sie nicht nur fest, sondern verpasste ihr einen kleinen Ruck, der sie unweigerlich aus dem Schwung brachte und sie geradewegs in meinem Arm landen ließ. "Keinen Mucks, Kleines. Sonst endest du wie unser Freund.", raunte ich Faye ans Haar, während sich mein Arm unnachgiebig um ihre Taille schlang und sie neben mir her weiter vorwärts schob. Die nächste Gasse auf der rechten Seite führte in einen eher weniger gut gepflegten Hinterhof, was wie gerufen kam - denn genau da bogen wir jetzt erstmal ab. Schön runter von der noch etwas zu belebten Straße.
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Ja das stimmt, ich hol die dann später raus, wenns relevant wird. Und danke, hab mir auch echt Mühe gegeben. x'D Ich hoffe nur, die Bilder verleiden mir nie, weil ich von diesem Model nur sehr wenig gefunden habe... wird also schwer mit ersetzen... x'D Hat sich doch gelohnt - bin ich froh, dass du so schön Zeit hattest. :) Und ja, passt schon, der braucht keins.^^ ____________
Der Laden war wirklich nicht weit weg und in der Stadt waren zu dieser Zeit noch relativ viele Leute unterwegs. Selbst Faye als durchaus gewissenhafte, wachsame und von Natur aus eher ängstliche Person hatte für diesen Spaziergang keine weiteren Vorsichtsmassnahmen getroffen. Hätte sie mit Komplikationen gerechnet, wäre sie ins Auto gestiegen und mit dem kleinen Ford zum Shop gekurvt oder hätte ganz einfach etwas aus den Sachen gekocht, die sie noch Zuhause hatten. Aber die Brünette war fest davon ausgegangen, dass das Bisschen frische Luft ihr gut tun würde. Es dauerte nur nicht besonders lange, bis sie vom Gegenteil überzeugt wurde. Zuerst glaubte sie, sich die Schritte nur einzubilden. Sie ging in Richtung Stadtzentrum, es war nicht unbedingt abwegig, dass jemand hinter ihr ein ähnliches Ziel verfolgte. Sie schüttelte also innerlich den Kopf über ihre eigene Paranoia und versuchte an etwas Schöneres zu denken. Victor zum Beispiel, mit dem sie sich Morgen einen schönen Tag machen würde, weil sie beide frei hatten - auch etwas, das dank ihrer unregelmässigen Jobs leider nicht allzu oft vorkam. Allerdings wollten die Gedanken an ihren Freund sie nicht wirklich von den Schritten ablenken, die leider nicht nur beständig hinter ihr blieben, sondern auch immer näher kamen, was sie automatisch selbst schneller gehen liess. Aber das änderte nichts an dem sich verkleinernden Abstand oder ihrer aufkeimenden Unruhe. Faye hatte das Handy längst aus der Tasche der dünnen Jacke gezogen, um Victors Nummer zu wählen, als eine Hand in ihrem Nacken sie zurückriss und erschrocken nach Luft schnappen liess. Das Handy glitt in dem Moment zurück in die Tasche, in dem sich der fremde Arm um ihre Taille schlang, wo er absolut nichts verloren hatte. Sie die Worte so dicht an ihrem Ohr vernahm, die ihr sofort verrieten, welche Stunde geschlagen hatte - noch bevor ihre weit aufgerissenen Augen in Seans Gesicht fanden. Was zur Hölle?! Wie hatte er sie gefunden, warum hatte er sie überhaupt gesucht?? Hatte er Beziehungen zu den Cops? Wusste er, dass sie gegen ihn ausgesagt hatte und genau das auch wieder tun würde? War er hier, weil er erfahren hatte, was sie zu Ryatt gesagt hatte? Würde er sie jetzt auch abstechen, irgendwo in der Seitengasse, in die er sie gerade neben sich her führte?! Faye war längst im Panikmodus, ihre Finger krampften sich um seine Hand und seinen Arm, versuchten, sich aus der Umarmung zu winden, nach der sie nie gefragt hatte. "Was willst du, Sean?!", waren die ersten leise und etwas atemlos gezischten Worte, die nach der Überwindung des vorübergehenden Schocks den Weg über ihre Lippen fanden. Sie war absolut nicht der Meinung, irgendwas zu besitzen, das er begehren könnte. Was in ihr die lähmende Angst weckte, dass er nur hier war, um ihr ebenfalls ein paar neue Körperöffnungen zu basteln. Er und... wer auch immer die junge Frau war, die neben ihm her tänzelte und zufrieden vor sich hin lächelte, sie argwöhnisch und dezent verachtend betrachtete, als würden sie sich schon lange kennen. Seans Freundin? Ein Mitglied seiner Sippschaft, die Ryatt erwähnt hatte und mit der nicht zu spassen war? Vor der er sich fürchtete, sollte Sean tatsächlich geschnappt werden? Und Faye hatte kein einziges Mal damit gerechnet, selber irgendwie in deren Visier zu rücken.
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Oh... dann drück ich dir schonmal die Daumen, schätze ich. x'D Danke danke, dann bin ich zufrieden. :'D ____
Sean Fayes Reaktion auf mein Auftauchen war für sich allein schon ausreichend, um mich selbstsicher lächeln zu lassen. Es war fast schon süß, wie sie mich am Arm abzuwimmeln versuchte. Als würde sie es tatsächlich ganz naiv für möglich halten, dass sie mir entkommen könnte, wenn sie es nur genug wollte. "Entspann' dich, Faye. Ich möchte mich nur ein bisschen mit dir unterhalten... und wenn du ehrlich antwortest, kannst du deinen Weg gleich fortsetzen. Ich will dich natürlich nur ungern von deinem Alltag abhalten, aber es ist wirklich, wirklich wichtig.", gab ich ihr eine bis dahin noch sehr zivilisierte, wenn auch gegen Ende dezent übertrieben betonte Antwort auf ihre Frage. Der Schraubstock in Form meines Arms hielt ihren schmalen Körper weiterhin fest umklammert, als wir das Ende der Gasse und damit den Hinterhof erreichten, der ein paar neue Blumen in den verwitterten Blumenkübeln gebrauchen könnte. Die Hintertüren der beiden angrenzenden Häuser hatten angesichts der bereits absplitternden Lackierung auch schon bessere Tage gesehen. Ich ließ Rileys Arm los und warf ihr nur einen flüchtigen Seitenblick zu, bevor meine Aufmerksamkeit ganz dem kleinen Nervenbündel zu meiner anderen Seite galt. "Also, Faye..." Ich verpasste ihr den nächsten Schubs, kaum dass sich mein Arm um ihren Körper etwas gelockert hatte. Dieses Mal allerdings nach vorne, weg von mir und damit in Richtung der unweit emporragenden, dreckigen Hauswand. "Wo ist Ryatt?", stellte ich die wichtigste, mir auf der Zunge brennende Frage gleich vorweg. Allerdings war ich damit noch nicht am Ende. Ich taxierte die zierliche Brünette unbarmherzig mit meinen dunklen Augen, kaum hatte sie sich wieder zu mir umgedreht. "Du solltest wirklich besser aufpassen, wem du deine Telefonnummer gibst. Oder den Leuten zumindest sagen, dass sie die kleinen Zettelchen wegwerfen sollten.", warf ich ihr die Information vor die Füße, dass sowas schon leichtsinnig war. Man konnte schließlich als junge, schön anzusehende Frau nicht einfach so durch die Gegend laufen und kaputten Männern die Handynummer reichen. Da konnte sie an sonst wen geraten - an Ryatt zum Beispiel. Oder an mich. Aber ich war wenigstens kein kaputter Veteran, mit mir ließ sich noch etwas anfangen. Ich war kein obdachloser Verlierer. "Oder gib sie das nächste Mal wenigstens gleich mir, dann muss ich mich nicht so anschleichen... wobei das schon seinen Reiz hat, ich will nicht lügen. Eine kleine Jagd schadet nie.", gab ich Fayes Paranoia für die Zukunft liebend gerne etwas Zunder mit. Grinste überlegen mit gestrafften Schultern zu ihr runter und ging dabei zwei Schritte auf sie zu, schloss aber nicht wieder ganz zu ihr auf. Das hob ich mir noch auf, für den Fall der Fälle.
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Haha ja, ich mir auch.. xD Aber sie passte halt so perfekt. Mal schauen ob ich mich irgendwann dafür hasse - dann wechselt sie eben auch 3x das Aussehen, so wie andere hier.. x'D ____________
Entspann' dich, Faye..?? Das war an und für sich ein sehr schönes Mantra - wenn man davon absah, dass sie ihm nie ihren Namen verraten hatte. Und sie zweifelte auch sehr stark daran, dass Ryatt sich mit Sean über sie unterhalten hatte. Das hätte er ihr bestimmt erzählt, ausserdem hatte er beteuert, seit dem Vorfall mit den Reifen nicht mehr mit Sean geredet zu haben. Also nicht von Ryatt. Und woher sonst? Sie kam nicht besonders weit mit grübeln, da sie auch den Rest seiner Worte nicht halb so beruhigend aufnahm, wie er sie aussprach. Es gab nämlich weniger als gar nichts, worüber sie sich mit ihm unterhalten wollte. Sie hatte ja gesehen, was passierte, wenn man diesem Mann nicht exakt die Antworten lieferte, die er sich gerade wünschte. Er spielte einfach liebend gerne mit Messer. Also drehte ihr Puls weiterhin im Roten, als sie das Ziel ihres Spaziergangs - einen viel zu verlassen wirkenden Hinterhof - erreicht hatten und Sean sie plötzlich von sich weg, in Richtung einer Hausmauer stiess. Bevor sie flach dagegen geprallt wäre, fing sie sich mit den Händen auf und stiess sich auch direkt wieder davon ab, um die beiden Dunkelhaarigen nicht länger als zwei Sekunden aus den Augen zu lassen. Wobei sich die fremde Frau weiterhin im Hintergrund hielt, zwar nicht direkt Abstand zwischen sie brachte, aber auch jetzt noch kein Wort von sich gab. Dafür begann Sean wieder zu reden, stellte ihr eine Frage und Faye war sehr schnell klar, dass das der Grund sein musste, weshalb sie überhaupt hier standen. Er hatte Ryatt verloren. Natürlich. Er plante noch immer den Überfall und wollte bestimmt nicht am entsprechenden Tag alleine vor dem Zielobjekt stehen - musste also sicherstellen, dass sein vermeintlicher Komplize sich ebenso darauf vorbereitete und einsatzbereit war. Ryatt war im Krankenhaus. Sie könnte es ihm schon sagen. Aber sie hatten vor zwei Wochen gesehen, wie gut dieses Krankenhaus gesichert war, nämlich gar nicht. So wie sie sich immer wieder ins Zimmer des Verletzten schmuggelte, könnte Sean das genauso tun. Und wer weiss, was er mit ihm machen würde... Also war die Wahrheit, und damit ihre Chance auf ein schnelles Ende dieser Verhandlungen schon ausgeschlossen. Bevor sie sich aber wirklich Gedanken um eine irgendwie befriedigende Aussage ihrerseits machen konnte, beschloss Sean stattdessen ihre ungestellte Frage zu beantworten und ihr zu erzählen, wie er an ihren Namen gekommen war. Sie hatte sich also selber verraten. Und langsam machte doch so Einiges plötzlich Sinn, was wohl auch die neue Bestürzung in ihrem Blick verriet. Er hatte das Zettelchen gefunden. Er hatte sie angerufen, gestern, als niemand geantwortet hatte nachdem sie ihren Namen gesagt hatte. Er hatte sie gesucht. Und gefunden. Wenn er das konnte, konnte das theoretisch jeder. Oh... oh bitte nicht. Sie hatte echt nicht darum gebeten, nachts mal wieder nicht mehr schlafen zu können. Vielleicht hatte sie an sich nicht viele Feinde, aber... aber es gab Leute in ihrem Leben... in ihrer Vergangenheit... Viele, die sie nie wieder sehen wollte. Verdammt. Falls er versucht hatte, sie mit seinen Worten endgültig aus dem Konzept zu werfen, war ihm das vollkommen mühelos bestens gelungen. Indem er ihr, genau wie bei ihrem ersten Aufeinandertreffen auch schon, mal wieder so gute Überlebenstipps sicherte. Man könnte fast meinen, es würde ihn tatsächlich kümmern, was aus ihr wurde... Fast. Und es war mehr irgendein innerer Mechanismus oder Instinkt als eine Tat ihres Verstands, dass sie die Anspielung auf den Anruf tatsächlich als Vorwand nutzte, ihre Hand in ihre Jackentasche zu stecken, wo das Smartphone sein Dasein fristete. Faye nahm es nicht heraus, das würde zu sehr dafür sprechen, dass sie "unauffällig" die Cops bestellte. Aber sie blickte kurz nach unten um zu sehen, dass Victors Nummer, welche sie vorhin auf der grossen Strasse schon eingetippt hatte, noch immer auf dem Bildschirm leuchtete. Und jetzt presste sie den grünen Hörer, auch wenn sie ihrem Freund nicht erklären können würde, warum sie ihn gerade anrief. Blieb nur zu hoffen, dass er es - trotz Arbeit - auch hörte. Und verstand. Und dass er die Cops schickte. Und Sean nichts davon mitbekam. Bis das alles geschehen wäre und die hier waren, vergingen mindestens 15 Minuten und sie war sich ziemlich sicher, dass schon in diesen fünfzehn Minuten alles passieren konnte - weil die Geduld des Verbrechers, der nun leider wieder näher auf sie zukam, bekanntlich keine Grenzen kannte. "Ich wusste ja nicht, dass er es dir schenken würde... und du hast nie gefragt", murmelte sie leise vor sich hin, auch wenn sie natürlich wusste, dass niemand Sean ihre Nummer geschenkt hatte. Blieb nur die Frage, wie er denn sonst an das Stück Papier gekommen war, aber die hob sie sich für später auf. Genau wie ihre nicht vorhandene Antwort auf seine eigentliche Frage. Vielleicht konnte sie ihn ja lange genug ablenken, dass er vergass, warum sie eigentlich hier standen. Ha. Ha.
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Ach, bei ihr wärs doch halb so wild. Lässt sich bestimmt mit ner gesichtsverändernden Schönheits-OP aus Gründen des Untertauchens verschleiern oder so... x'D ____
Sean Es war mir ein Rätsel, weshalb die zierliche Brünette sich so für den ehemaligen Soldaten einsetzte. Es konnte ja eigentlich nicht sein, dass die beiden sich schon ewig kannten und er ein guter Freund von ihr war. Zumindest wäre es schräg, dass er dann nie auch nur ein Wort über sie verloren hatte und er den Zettel für so eine lange Zeit da im Handschuhfach gelassen hatte. Man wechselte so ab und an ja auch mal die Nummer, also eine jahrelange Freundschaft war in meinen Augen eher auszuschließen. Zumal ich für meinen Teil auch nicht wirklich an sowas wie rein platonische Freundschaft zwischen Mann und Frau glaubte, sowas funktionierte nicht. Zumindest nicht bei zwei Menschen, die grundsätzlich eher als attraktiv einzuordnen waren. "Gut zu wissen, dass ich sie so leicht hätte kriegen können.", drehte ich ihr ganz bewusst schmunzelnd die Worte im Mund um. Worte, die sie so eben gar nicht gesagt hatte. Ich ging noch einen weiteren Schritt auf die schmale Brünette zu und streckte meine Hand nach ihr aus. Sie mied meinen Blick zeitweise und ich schien so auf die kleine Spielerei fokussiert zu sein, dass ich gar nicht bemerkte, dass sie noch mehr tat, als nur nach unten wegzusehen, weil sie meinem Blick nicht standhielt. Deshalb legten sich lediglich meine Fingerknöchel zur lockeren Faust geballt ohne Druck vorne an ihre Kehle, während ich gleichzeitig den Daumen nach ihrem Kinn ausstreckte, um es nach oben zu drücken. Blickkontakt war zur Manipulation grundsätzlich wichtig, sie sollte mich ansehen. "Wenn du mehr Kontakt zu mir möchtest, dann musst du mich dafür nicht provozieren, Faye." Meine Stimme klang unverändert noch recht mild, aber das Funkeln in meinen Augen verstärkte sich. "Warum schützt du ihn, Faye? Ich versteh's nicht, bitte erklär's mir.", fragte ich sie danach, was ihr denn so dringlich an seinem Leben lag. Sie brauchte mir doch nur eine einzige, glaubwürdige Information zu geben und setzte sich stattdessen aber lieber der Tortur hier aus. Bitteschön - wir konnten gerne auch hässlich spielen, wenn es das war, was sie lieber wollte. Vielleicht war das kleine Ding ja masochistisch veranlagt. "Ist er die hässlichen Narben wirklich wert? Deine Haut ist so makellos... ist fast schade drum.", sinnierte ich angetan weiter vor mich hin und musterte dabei absolut penetrant jeden Quadratmillimeter ihres Gesichts. "Und schade um deine Mitmenschen. Wie hieß dein Mitbewohner noch gleich? Sein Nachname war Rivera, das weiß ich noch... Vincent? Ich bin sicher es war ein Name mit V." Ich wusste ganz genau, dass er Victor hieß. Noch hatte ich sonst keine weiteren Informationen über ihn einholen lassen, aber das wäre im Handumdrehen erledigt. Sie sollte es also besser nicht darauf anlegen mich aufs äußerste zu reizen, ich verstand da nur wenig Spaß.
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Ja bestimmt, kein Problem.. ich behalts im Hinterkopf für den Fall der Fälle.. xD ____________
Sie hatte zwar nicht gesagt, dass sie ihm die Nummer auch gegeben hätte, wenn er denn gefragt hätte - aber wenns ihn erheiterte, sollte er das ruhig glauben. Spielte ja keine Rolle mehr, Fakt war, dass er sie auch so bekommen hatte und ihr das ganz offensichtlich zum Verhängnis wurde. Auch wenn sie wirklich gerne wüsste, wo er sich den Zettel geholt hatte, war das jetzt eben auch egal. Es gefiel ihr nicht, dass er näher kam und noch weniger, dass er erneut die Hand nach ihr ausstreckte, um ihr Kinn anzuheben. Sie wollte seine Finger nicht an ihrer Kehle spüren, ihn sowieso grundsätzlich nicht in ihrer Nähe haben und das vermittelte ihre Körpersprache auch überdeutlich. Schade nur, dass Sean sich nicht für ihre Wünsche interessierte und lieber weiter Scheisse von sich gab und Fragen stellte, die sie nicht beantworten wollte. Sie wollte nicht mehr Kontakt zu ihm und die Gründe, warum sie Ryatt deckte, würde sie ihm auch nicht nennen. Das würde viel zu viele Erklärungen verlangen, die ihn im Grunde überhaupt nichts angingen... Ausserdem spielte es auch überhaupt keine Rolle. Auch nicht, wenn er tatsächlich Bitte sagte. Sean machte kein Geheimnis daraus, dass seine Geduld sehr rares Gut war und er keine Lust hatte, sie mit ihr zu verschwenden. Aber sie hatte eben keine passenden Antworten an Lager, was das alles sehr schwierig gestaltete. Dass er im Anschluss ihre Haut als makellos bezeichnete, hätte sie unter anderen Umständen wahrscheinlich lachen lassen. So stiess sie lediglich wenig amüsiert Luft aus, war es doch bitter ironisch, dass auch er damit drohte, ihr ein paar Andenken zu verschaffen, die sie ihn nie mehr vergessen liessen. Das mittlerweile gut verheilte Brandmal unter ihrem Kinn, welches er bei genauerem Hinschauen theoretisch sogar sehen - oder ertasten - könnte, war dabei noch die harmloseste Erinnerung an seinen Vorgänger. "Du hast keine Ahnung, Sean... Und was haben Narben bitte mit dem Wert eines Menschenlebens zu tun?", zischte sie zur Antwort, während sich ihre Hände zu Fäusten verkrampften und wieder öffneten - ein ziemlich nutzloser Versuch, sich selbst zu beruhigen. Denn natürlich hatte sie Angst. Und sie wusste nicht, ob sie eine Klinge unter der Haut spüren musste, nur um nicht zu sagen, dass Ryatt im Krankenhaus lag. War es das wert? Fanden sie ihn nicht sowieso irgendwie? Und könnte sie nicht nachher einfach dafür sorgen, dass die Polizei ihn besser bewachte? Allerdings konnte der gute Herr vor ihr sicherlich auch eins und eins zusammenzählen, sich somit auch denken, dass die Polizei vor Ort war. Was wiederum bedeutete, dass Ryatt mit ihnen geredet hatte. Und sie, weil sie bei ihm gewesen war. Das war auch tendenziell eine schlechte Information für die falschen Ohren... Wenn sie Sean nur lange genug beschäftigt kriegte, ohne, dass er sie davor abstach... Das würde einige Probleme lösen. Zum Beispiel auch die, die er heraufbeschwörte, sobald er Victors Namen in den Mund nahm. Faye konnte die Bestürzung auf ihrem Gesicht nicht leugnen, als ihr klar wurde, dass der Dunkelhaarige nicht nur wusste, wo sie wohnte, sondern auch mit wem. Und wenn er sie gefunden hatte, würde er auch Victor finden. Ihre Augen huschten zur Seite, ohne dass sie dabei den Kopf bewegte. Sie spielte mit dem durchaus verlockenden Gedanken, es einmal mit Weglaufen zu versuchen, solange er sie nicht wirklich festhielt. Aber der Seitenblick reichte, um festzustellen, dass sich Seans Schatten in Form der kleinen Brünetten genau da hingestellt hatte, wo ihr Weg zurück auf die Strasse durchführen würde. Offensichtlich auch zu genau diesem Zweck, so wie sie sie anblickte und kaum sichtbar ein Kopfschütteln andeutete. Falls Faye also daran geglaubt hätte, Seans Fragen durch Weglaufen zu entkommen, so wurde diese Hoffnung sofort wieder zunichte gemacht. Sie müsste schon sehr viele ihrer einmal gelernten Selbstverteidigungs- und Angriffsstrategien auspacken, um mit beiden hier fertig zu werden. Sehr schwierig bis unmöglich, zumal sie wenns hoch kam noch halb so konditioniert war wie zu Zeiten der Army, als sie für genau diesen Zweck so viel trainiert hatte. "Ich weiss nicht wo er ist, er hat die Stadt verlassen... Aber ich habe nicht gefragt wohin. Keine Ahnung, ob er das überhaupt selber wusste", tischte sie die erste Lüge auf, auch wenn es naiv wäre, zu glauben, dass er sich davon allein abwimmeln liess. Achso okay, ja, wenn du das nicht weisst, suchen wir weiter. Danke trotzdem und einen schönen Abend - lag wohl nicht drin. Wie lange es wohl dauerte, bis Victor Hilfe geschickt hatte..? Zuerst musste er merken, dass sie - mal wieder - in der Scheisse steckte. Dann musste er ihr Handy orten. Dann die Polizei rufen, die dann wiederum auch erstmal hierher kommen musste. Vielleicht waren 15 Minuten sogar eine sehr optimistische Schätzung… wie lange wartete sie jetzt schon? Zwei Minuten vielleicht? Und sie wusste noch nicht Mal, ob Victor den Anruf überhaupt entgegengenommen hatte oder sie hier blind auf den heiligen Geist und Gottes Gnade hoffte.
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Sean Das bisschen an gezischten Worten, die Faye loswurde, war wie Musik in meinen Ohren. Der Inhalt ihrer beiden Sätze mochte mir nicht helfen und mir nach wie vor absolut keine Antwort geben, die ich brauchen konnte, aber die unterschwellige Verzweiflung darin war schön. Der Ton machte die Musik, wie man so schön sagte. Die unterschwellige Verzweiflung in ihrer Stimme war nicht zu überhören. "Nein, mit dem Wert eines Menschen haben sie wohl nichts zu tun.", stimmte ich der zierlichen Brünette zu, legte den Kopf dabei etwas schief. Ich nutzte meine freie Hand dazu in meine Hosentasche zu greifen und das kleine, aber sehr effektive Taschenmesser rauszuholen. Langsam, als hätte ich alle Zeit der Welt. "Aber sie wirken sich stark darauf aus, wie dich andere Menschen ansehen. Zumindest wenn du sie gut sichtbar am Hals oder im Gesicht trägst.", gab ich zu bedenken. Anschließend hob ich das Messer an, entklappte es jedoch erst rechts neben ihr, als ich mit der Hand auf Höhe ihres Kopfes angekommen war. Meine Augen lösten sich jedoch zu keinem Zeitpunkt aus den ihren. Dass Ryatt die Stadt verlassen hatte hielt ich für hochgradig unwahrscheinlich. Er würde den Wagen nicht einfach so an einer Werkstatt stehen lassen. Zwar wäre es schon möglich, dass der Inhaber jener den Wagen aufgekauft hatte und ihn fit für den Weiterverkauf machen wollte, aber das hielt ich für in etwa ebenso unwahrscheinlich. Ich hatte dort nirgends Autos gesehen, die zum Verkauft standen. Außerdem gab es an dem alten Blechding wahrscheinlich mehr zu reparieren als finanziell wieder reinzuholen war. Niemand, der kein kompletter Vollidiot war, würde das Ding kaufen. Deswegen lachte ich auch leise auf. Ein bitteres, trockenes Lachen. "Ach, hat er das?", stellte ich ihr eine rhetorische, ironische Frage und zog die Augenbrauen nach oben. Einen Moment lang verharrte ich noch mit diesem spöttisch fragenden Gesichtsausdruck, aber er verdunkelte sich, als ich meine Finger aus der Faust löste und sie stattdessen um den schmalen Hals der Brünetten legte, die Augenbrauen immer tiefer ins Gesicht ziehend. "Versuch nicht mich zu verarschen, sein Truck ist noch hier. Ohne den geht er nirgends hin.", knurrte ich und beugte mich dabei mit dem Gesicht noch etwas mehr zu ihrem runter. Ich mochte nicht Ryatts gesamte Lebensgeschichte kennen und hatte auch eigentlich gar kein Interesse daran, aber er machte nicht wirklich ein Geheimnis daraus, dass ihm an der Blechkiste viel lag. "Wenn ich mich ein drittes Mal wiederholen muss wird's unschön, Faye. Aber ich bin heute so nett dir zumindest noch eine zweite Chance zu geben, also - wo... ist... Hayes?", titulierte ich den Veteran dieses Mal mit seinem Nachnamen. Gleichzeitig hatte ich das Messer näher an ihr Gesicht geführt, tippte ihr zwischen meinen letzten Worten jeweils einmal mit der flachen Klinge an den schön definierten Kiefer. Es war ihr wirklich anzuraten jetzt langsam aber sicher mal den Mund aufzumachen, wenn sie keine Souvenirs von mir haben wollte. Die Hemmschwelle, die ich Gewalt gegenüber Frauen vor etlichen Jahren noch gehabt hatte, war inzwischen nämlich über alle Berge. Zwar würde ich an und für sich liebend gerne noch mehr Zeit mit dem hübschen, kleinen Ding verbringen, aber dafür hatte ich eigentlich gar keine Zeit. Es gab vor dem Überfall noch einige Dinge zu erledigen - allem voran Ryatt irgendwo einzusammeln und bis zum Stichtag dingfest zu machen, sofern er nicht eine wirklich gute Erklärung für sein Untertauchen hatte.
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Gut, waren sie sich also einig. Das würde wohl das eine und einzige Mal bleiben, aber immerhin. Rettete sie nur auch nicht davor, dass er gleich darauf trotzdem sein verdammtes Taschenmesser hervorholte. Ob es noch immer das Gleiche war, welches er in Ryatts Bauch gestochen und durch die Reifen seines Trucks gezogen hatte? Vielleicht. War aber auch gut möglich, dass er eine ganze Sammlung davon Zuhause hatte und jeden Tag aufs Neue entschied, welches denn seinen Zwecken am besten entsprach. Es könnte auch sein verdammtes Obstmesser sein - Fakt war, dass er mit seinen weiteren Worten genauso Recht hatte wie sie zuvor und Faye wirklich kein Interesse an einer Klinge im Gesicht hatte. Dazu erinnerte sie sich viel zu gut an die Zeit nach Syrien, an die ewig langen Tage, Wochen und Monate, die es gedauert hatte, bis sie irgendwie angefangen hatte, damit klar zu kommen, dass ihr Rücken für immer entstellt war. Dabei hatte sie diese Narben nicht einmal gesehen, wenn sie an einem normalen Morgen in den Spiegel geschaut hatte. Und niemand sonst hatte sie gesehen, wenn sie sich nicht ausgezogen hatte. Sie konnte sie jeden Tag fast komplett verstecken, indem sie einfach ein Shirt überzog. Das Einzige, was eventuell sichtbar blieb, waren die Spitzen der Striemen auf ihren Schultern - aber selbst das war vermeidbar. Wenn er in ihr Gesicht malte, sah die Sache anders aus. Jeder würde es sehen und jeder würde sich fragen, was mit ihr passiert war. Sie wusste ganz genau, dass sie nicht damit klar kommen würde, gefühlt von allen mitleidige Blicke zu ernten. Kinder, die mit dem Finger auf sie zeigten um dann fragend zu Mutti zu schauen und Muttis, die schnell die Hände ihrer Kinder wegschoben und den Blick abwandten. Nein. Weder sie noch Ryatt und geschweige denn Victor wollten das. Faye hatte unbewusst damit begonnen, ihre Unterlippe mit ihren Zähnen zu bearbeiten während sie versuchte, gedanklich ihre Optionen durchzugehen. Was schwer war, während neben ihrem Ohr ein Messer aufgeklappt wurde und das Geräusch der einrastenden Klinge allein sie schon zucken liess. Ihre Augen huschten zu seiner Hand mit der Waffe, auch wenn seine noch immer auf ihr lagen. Sie liess die Klinge nicht aus den Augen, auch nicht, als er ihr eine absolut rhetorische Frage, begleitet von einem trockenen Lachen als Resonanz auf ihren Vorschlag zu Ryatts Verbleib zukommen liess. Erst, als sich seine Finger um ihren Hals schlossen, änderte sich das wieder und die sowieso schon unruhige Anspannung ihres Körpers schlich sich nun in jede Faser ihrer Seele. Sie rutschte näher zur Wand und streckte das Kinn nach oben, die Finger ihrer rechten Hand legten sich reflexartig um seinen noch nicht wirklich festen Griff, als er seine nächste Drohung in ihre Richtung zischte. Es sollte wohl die Letzte sein, so wie er sprach. Und wenn sie könnte würde sie an dieser Stelle gerne den Anruf beenden, der - hoffentlich - in ihrer Jackentasche lief. Falls Victor nicht selbst schon aufgelegt hatte, um mit seinem Handy Hilfe zu rufen, glaubte sie nämlich nicht, dass er irgendwas von dem hören sollte, was ab hier geschah. Nur für denn Fall, dass es eben unschön wurde, wollte sie seiner Fantasie und seinen Ängsten nicht noch zusätzliches Material für zukünftige Alpträume bieten. Und wenn sie Victor fragen würde, möchte er bestimmt nicht, dass sie auflegte. Gut für ihn, dass das also auch gerade nur schwer möglich war. Schlecht für ihn, da seine Psyche in diesem beschissenen Gespräch sicher wieder viel Grund zur Sorge finden würde. Aber auch darüber konnte sie nicht weiter nachdenken, denn dafür war die Zeit längst abgelaufen. Das machte das unruhige Messer an ihrem Kinn mit viel Nachdruck klar. "Du wirst ihn nicht finden, solange du suchst, Sean", gab sie im mühsamen Versuch, ihre Stimme nicht zittern zu lassen, während beide ihrer Hände nun an ihrem Hals lagen, von sich. "Und da wo er ist, willst du nicht hin", fuhr sie nach kurzer Pause fort, weil sie wusste, dass das noch lange nicht reichte, um ihn und sein Messer von ihrem Gesicht fern zu halten. "Und er wird dir nicht helfen mit deinem dämlichen Überfall", nein, das sollte sie wohl nicht sagen, auch wenn es die Wahrheit war. "Es sei denn, du holst ihn davor aus einer Zelle raus. Aber das ist nicht so einfach, wenn er gar nicht mit dir mit will", das musste reichen, oder? Wenn sie ihm indirekt erzählte, dass Ryatt von der Polizei geschnappt worden - oder zu ihnen gegangen - war, dann klang das plausibel. Alles weitere musste er sich selbst ausrechnen. Vielleicht war er ja nicht so schnell damit und würde erst merken, dass Ryatt sich nicht nur ergeben, sondern auch kooperativ gezeigt und geplaudert hatte, wenn es zu spät war.
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Sean Sie verhielt sich ein bisschen wie ein aufgeschrecktes Reh im Scheinwerferlicht. Als würde sie genau wissen, dass sie da schleunigst weg sollte, doch im gleichen Moment kam sie dennoch nicht vom Fleck. In diesem Fall war das zwar einzig meiner Person und keiner Schockstarre zuzuschreiben, aber das sinnbildlich kurz stehenbleibende Herz war das gleiche. Ich sah gerne Angst in den Augen anderer Menschen, müsste ich doch ganz gewaltig lügen, um zu behaupten, dass dieses Gefühl der Macht sich nicht wahnsinnig gut anfühlte. Ich wurde lieber gefürchtet, als geliebt. Liebe war eine empfindliche Schwachstelle, so wohl auch für Faye - mir war schließlich nicht entgangen, dass sich die Drohung hinsichtlich ihres Mitbewohners deutlich in ihren Augen widergespiegelt hatte. Er dürfte wohl viel eher ihr Liebhaber, Freund, Verlobter oder gar Ehemann sein. Was davon genau war für die Wirksamkeit der Drohung offensichtlich kaum relevant. Und siehe da - meine rar gesäte Geduld sollte heute gar nicht bis aufs äußerste ausgereizt werden. Zwar sprach die zierliche junge Frau für meinen Geschmack deutlich zu viel um den heißen Brei herum, bis sie mir dann endlich mal klipp und klar sagte, dass Ryatt offenbar auf dem besten Weg in den Knast war, aber immerhin rückte sie mit der Sprache raus. Ich strich so gut es mir möglich war mit der flachen Klinge ihre Kieferkontur entlang, während ich ihren Worten lauschte. Dabei rutschten meine Augen erstmalig aus Fayes' und fokussierten stattdessen für einige stille Sekunden mit etwas abwesendem Blick die silbern glänzende Klinge. Ich hinterfragte gedanklich, ob sie mich auch damit wieder anlog. Theoretisch könnte sie das allein deswegen schon tun, weil ich auf einem Polizeirevier eben denkbar schlecht an den Veteranen herankam. Vielleicht hoffte Faye, dass ich es dann von vornherein bleiben ließ, damit er dem blöden Überfall ohne weiteres entfliehen konnte. Ob sie mehr darüber wusste? Ob er ihr irgendwelche Details darüber anvertraut hatte? "Wenn du weißt, dass er bei den Bullen ist, dann sag mir, Faye... hat er sich gestellt wie ein armseliger Köter? Wird er singen, der kleine Feigling?", bohrte ich weiter nach und hob erst dabei den Blick wieder in ihren an. Direkt im Anschluss rutschte meine Hand demonstrativ höher und packte unbarmherzig ihren Kiefer. Allein deswegen schon, weil sie die Dreistigkeit besaß, mit ihrer Hand nach meiner zu greifen. Schon wieder. Es war Ryatt leider zuzutrauen, dass er lieber bei den Cops ein bisschen bellte, als mich selbst zu beißen. Man sollte eigentlich meinen, dass man von einem ehemals sehr erfolgreichen Soldaten etwas mehr Anstand - oder zumindest Eigeninitiative - erwarten konnte. Wegen der in der Armee geltenden, ach so eindringlich vermittelten Werte. Bedingungslose Loyalität, Ehre und sowas. "Wenn du brav weiter antwortest, dann verzeihe ich dir vielleicht, dass du gerade meine Fähigkeiten als Bankräuber beleidigt hast. Das verletzt mich, weißt du.", ich machte einen gespielt beleidigten Gesichtsausdruck, als ich die Spitze des Taschenmessers an ihrem Hals ansetzte. Ziemlich genau dort, wo die Halsschlagader entlang laufen müsste, touchierte ich die empfindliche Haut unterhalb ihres Kiefers, strich langsam hinab bis zum Schlüsselbein. Nicht ohne leichten Druck, aber nur genau so viel, dass sie noch geradeso ohne Schnittwunde davonkam. Ich hielt die Klinge meines Messers immer so scharf wie nur möglich und wusste exakt wie viel Krafteinwirkung es benötigte, um in die verletzliche Haut eines Menschen vorzudringen. Das war nicht viel, die Brünette machte also besser keine unüberlegte Bewegung in die falsche Richtung.
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Sie hatte innerlich wirklich gehofft, dass ihm das reichen würde. Wenn er wusste, dass Ryatt im Gefängnis war, hatte sich die Sache für ihn doch erledigt, nicht? Er würde ihn nicht zurückbekommen, um den Überfall durchzuführen, konnte also mal langsam auf die Suche nach einem Ersatz gehen. Vielleicht besser jetzt als gleich, lag der ausgemachte Termin doch nur noch wenige Tage in der Zukunft, wenn sie richtig rechnete. Aber Sean gönnte ihr überhaupt gar keine Pause, nahm nichtmal die Klinge von ihrer Haut, sondern liess sie dort liegen um weiter Muster zu malen. Als bräuchte sie den zusätzlichen Nervenkitzel, um sich besser auf seine Fragen konzentrieren zu können, die er gleich im Anschluss auftische. Noch bevor seine Hand sich plötzlich nach oben verschob und sich eng um ihren Kiefer legte. Was das Suchen einer Antwort auf seine unmöglichen Fragen natürlich zusätzlich unterstützte. Im Grunde könnte er sich die wörtliche Resonanz auf das Offensichtliche ja sparen. Rein rational betrachtet: Wüsste sie, dass Ryatt vermeintlich im (vorübergehenden) Knast sass, wenn er nicht freiwillig da wäre? Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass er geschnappt worden war und von allen Kontakten ausgerechnet sie angerufen und darüber informiert hatte? Und warum? Selbst wenn das so wäre und er nicht freiwillig zu den Cops übergelaufen wäre, was sollte er da tun wenn nicht reden? Jahre über Jahre in den Knast wandern, bloss um einen Mann zu decken, der ihn fast umgebracht hatte? Merkte Sean selber, oder? Er tat gut daran, sich Sorgen um solche Sicherheitslücken zu machen, wenn er die Leute, die er für seine Zwecke brauchte, zwischendurch gerne mit Messern bespasste. Da brauchte sie ihm nichtmal unter die Nase zu reiben, dass sie persönlich es gewesen war, die Ryatt dazu überredet hatte, Sean zu verraten. Vielleicht hätte er es auch sonst getan... Wenn er denn noch rechtzeitig ins Krankenhaus gekommen wäre. Aber vielleicht auch nicht. Er hatte nicht so gewirkt, als hätte er sich diese Option bereits durch den Kopf gehen lassen, als Faye sie ihm vorgeschlagen hatte. Die Klinge glitt an ihrem Hals abwärts, als würde Sean nur auf einen Fehler ihrerseits warten. Dem fehlenden Schmerz entnahm sie, dass das Messer sich noch nicht in die Haut gegraben hatte - aber war das nicht nur eine Frage der Zeit? Und sie konnte wählen, wie wütend sie ihn davor machen wollte: Je nach dem malte er dann ein Herz oder schlitzte ihr die Kehle auf. Das Tempo, in welchem sich ihre Brust hob und senkte, wirkte alles andere als gesund, zeugte viel eher davon, dass sie näher an einem Nervenzusammenbruch war, als daran, sich hier wieder zu entspannen. Weil sie wusste, dass ihre nächste Antwort nur falsch sein konnte. Sie hatte drei Optionen und jede davon würde Sean wütend machen. Wenn sie log und erzählte, dass Ryatt geschnappt worden war und sich nicht freiwillig gestellt hatte, er sicher auch nichts sagen würde, würde Sean es ihr nicht glauben, weil sie dazu schon zu lange nachdachte und es ganz einfach so klang, als würde sie es nur darum sagen, weil es genau das war, was er vermeintlich hören wollte. Option A war somit ausgeschieden. Wenn sie erzählte, dass Ryatt sich gestellt und Sean längst verraten hatte, würde dieser erst recht wütend werden, weil das seinen ganzen Plan mit dem Überfall absolut zunichte machte - was sie sich ebenso wenig leisten konnte. Also war auch B eine sehr schlechte Idee. Und C somit das kleinste Übel, da Schweigen als Antwort D gar nicht in Frage kam. "Woher soll ich das wissen, Sean?? Ich bin nicht Ryatts Babysitterin und es ist nicht meine Sache, was er ihnen erzählt und was nicht", hielt sie sich leise an die kleinere Lüge, die aber maximal halbwegs plausibel klang, nachdem sie ja schon gesagt hatte, dass sie wusste, dass Ryatt auf der Polizeiwache sass. Es war schon sehr wahrscheinlich, dass sie dann auch wusste, warum er denn da war, weil er sie ja offensichtlich über seinen Stand informiert hatte. Und wenn sie nicht sagen wollte, was sie wusste, war diese Antwort irgendwie auch direkt gleichwertig wie Option B. Nur etwas mehr gelogen. Und sie etwas mehr am Arsch. Hatte sie ja wunderbar gelöst. Es war der deutliche Anflug von Verzweiflung und der dringliche Wunsch, sich hier nicht einfach abstechen zu lassen, der Faye mit beiden Händen nach seiner Hand mit dem Messer greifen und ihn zurückreissen liess, um etwas Luft zwischen ihre Haut und die Klinge zu bringen, bevor sie den Fuss anhob und gegen seine Kniescheibe trat. Pfefferspray - warum hatte sie den Scheiss nicht dabei? An diesem einen Tag in der Geschichte, an dem sie ihn gebrauchen könnte?
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Sean Ach, war sie das nicht? Ehrlich gesagt kam es mir langsam aber ganz genau so vor. Wenn Jemand etwas nicht wusste, dann reagierte er im Regelfall nicht so trotzig. Vielleicht mal hysterisch, weil es eben nicht jeder gewohnt war hier und da mal mit einem Messer oder einer Pistole konfrontiert zu werden. Die wenigsten Menschen aber wurden bockig. Es war nicht so als würde Faye mir ihre Worte frech ins Gesicht spucken, redete sie doch eher leise, aber ihre Wortwahl gefiel mir nicht. Ihre Ausrede machte auch einfach nicht so viel Sinn. Offenbar war sie ja schon auf dem Laufenden hinsichtlich Ryatts Aufenthaltsortes, dann wusste sie bestimmt noch mehr darüber hinaus. Alles andere erschien mir unsinnig, also schmälerten sich meine Augen schon ziemlich bald nach ihrer Aussage. Jedoch sollte ich noch nicht dazu kommen etwas dazu zu sagen, weil das kleine Biest sich allen Ernstes zu wehren begann. Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, weshalb sie damit im ersten Moment auch leicht durchkam. Es hatte zuvor schließlich kaum Spannung in meinem Arm gelegen, hatte ich sie bis dato ja noch gar nicht verletzen wollen. Allerspätestens mit dem Schmerz in meinem Knie änderte sich das aber. Da brachte mich diese Feder von Frau doch tatsächlich kurz aus dem Gleichgewicht. Ob sie ein paar Selbstverteidigungskurse belegt hatte? Ich würde mir wohl später irgendwann Gedanken über diesen gezielten Tritt machen müssen. Vorerst galt es den festen Stand wiederzufinden, war ich mit einem schmerzlichen Knurren doch unweigerlich etwas weggeknickt und dabei schräg nach vorne gekippt. Die Finger um ihren Kiefer hatten sich dabei gelockert. Ich brauchte zwei, drei Sekunden, um mich wieder zu sammeln. Das Messer umklammerte ich noch immer fest mit der Faust, wo auch Fayes Finger noch lagen. Ich holte aus und schlug unser beider Hände gegen die Wand hinter ihr, um die meine wieder frei zu kriegen. Gleich danach griff ich mit der anderen Hand nach den Haaren an ihrem Hinterkopf, vergrub meine Finger darin und hielt sie fest, als ich ein paar langsame Schritte mit ihr von der Wand wegging. Fayes Gesicht hielt ich dabei dicht vor meinem, starrte ihr funkelnd in die Augen. "Du hast gerade das Urteil für ein paar sehr lange, sehr schmerzhafte Wochen gefällt, Miststück.", fauchte ich wütend zu ihr runter, kurz bevor ich ihren Kopf neben meinem eigenen Körper nach unten drückte. Nur, um ihr mit ordentlich Schwung das nicht schmerzende Knie in die Magengegend zu rammen. Als würde das noch nicht ausreichen, um ihr das Überschreiten der Grenze aufzuzeigen, trat ich ihr danach noch fies in die Kniekehle. Aber auch als Faye dadurch eingeknickt war, hielt ich sie noch an den Haaren. Zog ihr den Kopf ruckartig in den Nacken, damit sie mich ansah, als ich ihr die Klinge an die Kehle hielt und sie oberflächlich in ihre Haut schnitt. "Ich hab dir letztes Mal schon gesagt, dass du dich nicht mit mir anle...", setzte ich an, doch Riley unterbrach mich mit einem beunruhigt klingenden "Sean..?", woraufhin ich zu ihr sah. Sie blickte in die Gasse, durch die wir in den Hinterhof gelangt waren. Es folgten einige Sekunden der Stille, in der ich hellhörig der Umgebung lauschte, den Blick jedoch wieder auf Faye gerichtet. Nur für den Fall, dass sie noch mehr dumme Ideen bekam - trotz des Messers an ihrem Hals. Sirene war da keine, aber es dauerte höchstens eine halbe Minute, bis Riley sich blitzartig an die schützende Hauswand flüchtete und damit war dann klar, dass die heutige Sitzung für Faye beendet war. Das Problem an der Sache war jetzt, dass es bis auf diese Gasse keinen Ausgang aus dieser von Häusern gesäumten Ecke gab. Vor allem keinen, der eindeutig in die andere Richtung führte. Ich visierte eine der beiden Haustüren an, als Schritte in der schmalen Gasse hörbar wurden. Ich schmiss Fayes Kopf förmlich zur Seite weg, ehe ich zu besagter Tür hechtete. Kaum versuchte ich das beinahe morsche Holz einzutreten, weil natürlich abgeschlossen war, wurden auch die Schritte im Hintergrund schneller. Riley schloss schon zu mir auf, als das Holz der Tür nachgab und nahe des stählernen Schlosses wegbrach. "Geh. Nicht direkt nach Hause, nimm Umwege und lass dich nicht sehen. Ich komm klar.", wies ich meine einige Jahre jüngere Schwester dazu an durch das Haus zu verschwinden, bevor es zu spät war, bevor die Bullen auch ihr Gesicht in die Kartei aufnahmen. Sie sah mich an als wäre das alles, aber ganz bestimmt nichts, was sie gerne tun wollte. Weil wir hier aber ganz und gar keine Zeit für Diskussionen hatten, verlieh ich meinen Worten mit einem lauteren, eindringlicheren "Geh!" und einer keine Widerrede duldenden Gestik noch einmal Nachdruck. Nur noch ein kurzer Blickwechsel, dann ergriff sie die Flucht. Als ich mich danach umdrehte, tauchte das uniformierte Grauen auch schon mit erhobenen Waffen auf. Das obligatorische 'Die Waffe fallen lassen und Hände über den Kopf!' ließ mich diabolisch grinsen. Wie hieß es so schön? Man sollte niemals mit einem Messer zu einer Schießerei kommen. War jetzt ungünstig, dass ich gedacht hatte bei Faye keine Schusswaffe zu brauchen, aber mich kampflos geschlagen zu geben stand keineswegs zur Debatte. Also holte ich aus und warf das Messer gezielt nach einem der vier Beamten. Die Sicherheitsweste einkalkulierend, traf ich seinen Oberschenkel. Der Griff in meine andere Hosentasche, in der noch ein zweites, schmales Taschenmesser bunkerte, sollte allerdings der letzte bleiben. Die eine, einsame Kugel, die durch die Luft zischte, traf nämlich wiederum mein eigenes, rechtes Bein. Ich war ja hart im Nehmen, aber das fegte mich unweigerlich von den Füßen, auch das Grinsen aus meinem Gesicht... und es war irgendwie schon okay. Mir war wichtiger, dass Riley sich in Sicherheit bringen konnte und dass ihr vor allem auch Niemand folgte. Dass sie Fayes Namen auf eine familiäre Abschussliste setzen konnte. Selbst wenn ich es trotz teurer Anwälte nicht am Knast vorbei schaffen würde, wusste ich, dass der Gerechtigkeit dennoch Genüge getan werden würde. Wenn Riley es nicht tat, dann tat es einer meiner Brüder, sobald sie davon erzählte. Auge um Auge. Ich war zwar wirklich nicht scharf auf die Handschellen, aber ich spürte das Metall nicht zum ersten Mal an den Handgelenken und sie waren hoffentlich nur vorübergehend. Sollte Ryatt im selben Knast landen, dann konnte ich ihn mir wenigstens noch ein letztes Mal selbst vorknöpfen.
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Offensichtlich hätte sie besser gar nichts gesagt und vor allem nichts getan. Sie hatte nur wirklich Angst gehabt, dass er ihr daraufhin wie angedroht das Messer unter die Haut führte, was sie so tatsächlich vorerst umgehen konnte. Die Frage war nur zu welchem Preis, denn dass er jetzt so richtig wütend war, war kaum zu übersehen. Faye keuchte zum ersten Mal schmerzerfüllt auf, als er ihre Hand mit etwas zu viel Wucht gegen die Wand bretterte. Sie war sich definitiv nicht sicher, wie gut die im Anschluss noch zu gebrauchen war, aber kam auch nicht dazu, sich den Schaden genauer anzuschauen, weil Sean gar nicht daran dachte, ihr dafür genug Zeit zu lassen. Stattdessen krallte er seine Finger in ihre Haare und zog sie mit sich von der Wand weg, wobei er es sich nicht nehmen liess, ihr Gesicht viel zu dicht vor seinem Eigenen zu halten. Nur damit ihr auch ja keine Nuance seiner ganzen Wut entgehen konnte, während er ihr seine persönliche Form der Hölle androhte. Wochen?? Was wollte er mit Wochen?! Sie würde ihm nach einer halben Stunde alles gesagt haben, was sie wusste! Eigentlich nach zehn Minuten, die Hälfte kannte er in etwas abgeänderter Form ja bereits. Bevor die Panik, die seine Worte hervorriefen, so richtig ausbrechen konnte, weil sie begriff, was er ihr gerade versprochen hatte, gönnte Sean ihn auch schon den nächsten Vorgeschmack in Form einer Begegnung mit seinem Knie, die ihr für einen Moment jegliche Luft aus den Lungen presste und ihr damit einen erstickten Schrei entlockte. Nicht nur die Schmerzen in ihrer gesamte Magengegend, sondern auch das Gefühl von rundum greifendem Schwindel und Übelkeit liessen nicht lange auf sich warten. Kehrten fast zur gleichen Zeit ein, wie sie sich nach dem Tritt mit zunehmender Panik auf den Knien wiederfand, während sie mühselig nach Luft schnappte. Mittlerweile waren selbstverständlich auch die Tränen über die Ufer getreten und ihre gläsernen Augen verrieten bestens, dass ihre Selbstbeherrschung sich langsam aber sicher verabschiedet hatte. Und das Messer an ihrer Kehle war schneller wieder da, als sie gucken konnte. Der brennende Schmerz verriet umgehend, dass es diesmal nicht bei der Drohung geblieben war und sie spürte das warme Blut an ihrem Hals, als Sean zur nächsten Predigt ansetzte, als wäre irgendein Teil ihres Gehirns noch in der Lage, ihm zuzuhören und nicht nur mit dem hilflosen Versuch, sich ihm zu entwinden beschäftigt. Aber dann hielt er inne. Und die andere Brünette nannte seinen Namen in einem Tonfall, der eher weniger Spass versprach. Zumindest nicht für die beiden Kriminellen. Faye brauchte einen Moment, um ihr Gehirn wieder zum Denken zu bringen, bevor sie begriff, was das bedeutete. Dass ihr Anruf tatsächlich durchgestellt wurde. Dass Victor Hilfe gerufen hatte. Dass die Polizei hier war und sie Sean schnappen würden. Die Brünette schnappte noch einmal erschrocken nach Luft, als der Dunkelhaarige sie ruckartig losliess, ihre Augen huschten zur Gasse, dann zu Sean und zurück in die Richtung, aus der die Schritte beständig näher kamen. Sie brauchte zwei Anläufe, um sich zurück auf die Beine zu kämpfen, ihre Atmung hatte sich noch kein Stück beruhigt und ihr war noch immer speiübel, als sie wackelig von dem Mann und seiner Begleitung weg in Richtung des Ausgangs zur Gasse eilte. Faye war viel zu beschäftigt mit dem Gedanken, hier weg zu kommen und das Adrenalin in ihren Adern animierte sie viel zu laut zur Flucht, sodass sie überhaupt nicht mitschnitt, was Sean tat, kurz bevor die Polizei den Hinterhof stürmte. Und dann waren innert kürzester Zeit so viele hektische Menschen in dem kleinen Garten, dass es gänzlich unmöglich für sie wurde, überhaupt zu sehen, dass die andere junge Frau nicht mehr da war. Ausserdem redete ein Polizist, kaum hatte er sie entdeckt, so penetrant auf sie ein, dass Faye sowieso nichts mehr mitbekam. Er fragte, ob sie gehen konnte, bewies ihr dann mitzukommen und stützte sie auf dem Weg aus der Gasse raus bis zurück auf die grosse Strasse, wo gerade der ebenfalls vorsorglich angeforderte Krankenwagen eingetroffen war. Immer wieder schaute Faye zurück, suchte mit ihrem Blick nach Sean um sicher zu gehen, dass sie ihn festhielten und er heute - und nach heute - nicht mehr entkam. Es war nur schwer ihn zwischen all den Leuten auszumachen. Innert Sekunden waren die Sanitäter - ironischerweise natürlich wieder zwei ihrer Kollegen - bei ihr, um die Wunde zu versorgen, die wohl so langsam ein Bisschen ihren ganzen Hals und ihre Kleider einsaute. Vielleicht war sie nicht tief, aber bluten konnte sie trotzdem hervorragend. Aber das war egal. Irgendwie war alles egal und sie wollte nur schlafen, um dann wieder aufzuwachen und festzustellen, dass ihre Alpträume langsam etwas zu realistisch wurden... Dass Victor neben ihr lag und friedlich schlief, anstatt mal wieder mit ihrer Fähigkeit, das Elend dieser Welt anzuziehen, konfrontiert worden war. Sie hatte keine Ahnung wo er war... Ob noch auf der Arbeit oder auf dem Weg hierher oder sogar irgendwo zwischen diesen Menschen... Oder zu Hause, oder irgendwo sonst... Aber es wäre besser, wenn er hier wäre. Auch wenn ihr schlechtes Gewissen sich selbst zwischen all den anderen hochwiegelnden Emotionen und der Aufregung schön wohlig eingenistet hatte. Falls irgendeine Freundin schlecht für seine Nerven war, dann war das definitiv Faye.... Und sie wollte wirklich wirklich nicht wissen, was sie sich hiermit wieder eingebrockt hatte. Denn selbst ohne das Wissen, dass das vorhin Seans Schwester gewesen war und dass ebendiese dem Gesetz ungesehen entwischt war, konnte sie sich schon ausmalen, dass Sean irgendwie irgendwem stecken würde, wer Schuld daran war, dass er eingebuchtet wurde. Ryatt hatte sie vor Seans Sippschaft und seinen Connections gewarnt. Tja, Faye. Hättest du das mal besser nicht zu deinem Problem gemacht.
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Ich hatte mir vor wenigen Tagen noch eingeredet, dass Faye schon wissen würde, was sie tat. Dass ich mich nicht schon wieder so wahnsinnig machen sollte, nur weil sie ein weiteres Mal zu ihrem neuen besten Freund fuhr. Dass ihr nichts passieren würde und mir nur die altbekannte Paranoia einreden wollte, dass uns beiden kein Frieden vergönnt war. Aber so verkehrt lag ich mit meinem schlechten Gefühl bei der ganzen Sache leider gar nicht. Der Besuch an der Werkstatt ging noch gut. Sie hatte Ryatt ins Krankenhaus gebracht, scheinbar mit dem Plan dadurch seinen Kopf auch vor der Polizei zu retten. Auch daraufhin hatte ich mir noch eingeredet, dass es das gewesen sein könnte und wir uns zukünftig nicht mehr mit dem Veteran rumschlagen müssen würden. Es wäre halt nur zu einfach gewesen, wie wenige Tage später klar wurde. Ich kassierte gerade einen Kunden an der Kasse ab, als das Handy in meiner Gesäßtasche zu vibrieren anfing. Ich wartete noch bis der Kunde zur Tür hinaus war, bevor ich das Telefon rausnahm und ranging. An und für sich war der Ladenbesitzer sehr entspannt was das anging, solange man seine Arbeit nicht durchs Handy beeinträchtigen ließ. Ich lehnte mich bis dahin noch entspannt an den Schrank hinter der Kassentheke, aber die Anspannung breitete sich ziemlich rasant in meinem gesamten Körper aus, als Faye keinen einzigen Ton von sich gab. Also zumindest keinen, der an mich gerichtet war. Ich hörte nach ein paar Sekunden zwar schon Stimmen irgendwo im Hintergrund, aber das Rascheln der Jackentasche war so laut, dass ich fast gar nichts davon richtig verstehen konnte. Es waren nur einzelne Wortfetzen, auch eine mir unbekannte Männerstimmte. Meine Paranoia erledigte den Rest. Mit schon leicht zitternden Fingern legte ich auf, weil ich keine Antwort vom anderen Ende der Leitung bekam. Ich wollte zwar nur ungern der ständig überreagierende, übervorsichtige Freund sein, aber in der Hoffnung, dass meine bessere Hälfte das GPS-Signal an hatte, versuchte ich ihren Standort ausfindig zu machen. Es war theoretisch schon möglich, dass das Ergebnis der Suche nicht absolut präzise war. Es war aber auch möglich, dass Faye sich nicht auf der Straße daneben, sondern eben ganz genau da befand, wo der Punkt auf der Karte auftauchte - und das war eindeutig abseits der Straße. Zu weit weg davon. Mein erster Instinkt war einfach die Autoschlüssel zu nehmen und den Laden unbeaufsichtigt zurückzulassen, aber das konnte ich nicht machen, sonst würde ich den Job verlieren. Also rief ich die Cops. Ich wusste nicht mehr wie der Typ hieß, den Ryatt hatte verpfeifen wollen. Also umschrieb ich dem Polizist am anderen Ende der Leitung eher wirr meine Befürchtung, aber nach einem Moment machte es bei ihm scheinbar Klick und ich hörte, wie er von seinem Stuhl aufstand. Ich nannte ihm noch einmal die Hausnummer, die dem GPS-Signal am nächsten gekommen war und er versicherte sich gleich mit Kollegen auf den Weg zu machen. Sagte mir noch, dass ich mich auf jeden Fall von dort fernhalten sollte - konnte er aber nur von träumen. Mein nächster Anruf ging nämlich an meinen Chef und der gab mir die Erlaubnis dazu den Laden zu schließen. Ich dankte ihm noch, ehe ich dem einsamen Kunden in dem kleinen Kiosk sagte, dass ich dicht machen musste und er sich beeilen musste, wenn er noch etwas kaufen wollte. Ich hasste es, wie er in Zeitlupe mit zwei Tüten Chips, einer Zeitung und einem Bier zu mir geschlurft kam. Hasste es, wie er ewig brauchte um die richtige Menge Geld aus seinem zerfledderten Geldbeutel zu fischen. Bis ich nach seinem Verlassen dann endgültig aus dem Laden kam, dauerte es noch zehn Minuten. Ich musste noch die üblichen Vorkehrungen treffen, bevor ich das Geschäft verlassen konnte. Ich brauchte gefühlt hundert Anläufe, bis ich dann das Schloss der Ladentür traf. Als sie endlich mal abgeschlossen war sprintete ich förmlich zum Auto und musste erstmal tief durchatmen als der Motor lief, bevor ich dann letztendlich losfuhr. Ich merkte, wie sehr ich eigentlich gar nicht in der Verfassung für sicheres Verhalten im Straßenverkehr war, aber ich konnte nicht einfach hierbleiben und warten. Zu allem Überfluss säumten auch einige rote Ampeln meinen Weg. Es fühlte sich wie Stunden an, bis ich endlich den Krankenwagen sah. Bis ich das Auto leicht schief und unkoordiniert etwas abseits am Straßenrand geparkt hatte, vergingen weitere wertvolle Sekunden. Außerdem kam ich auch gar nicht erst bis zum Ort des Geschehens. Ich hatte Faye noch gar nicht gesehen, als ein Polizist auf dem Gehweg seinen Arm nach meinem Oberkörper ausstreckte und mich anhielt. Mir sagte, dass ich da nicht durch dürfte. Dass meine Freundin in die Sache involviert war schien ihn auch nicht zu interessieren. Als ich mit meinem Latein am Ende war, zogen zwei andere Polizisten dann einen sich nach wie vor dagegen wehrenden Typen aus der Gasse. Ihm blutete die Nase und dafür, dass er scheinbar eine bereits versorgte Wunde am Bein hatte, war er noch sehr agil unterwegs. Keiner der beiden Polizisten war schmal gebaut, aber sie hatten trotz der Handschellen ihre Probleme damit den Kerl in den Polizeiwagen zu verfrachten. Erst als er dann endlich sicher verwahrt schien, brachten die Beamten ihn weg und der Polizist, der mich die ganze Zeit über auf Abstand gehalten hatte, führte mich unter seiner Aufsicht zum Krankenwagen. Er bat mich noch kurz seitlich vom Krankenwagen zu warten, als er einen Blick hinten in den Transporter warf. Seinen Kollege fragte, ob er mit seinen Fragen am Ende war. Der wiederum meinte nur, dass Fayes jetzige Aussage vorübergehend ausreichend war und das ausführliche Verhör bis morgen warten konnte. Er sprang aus dem Krankenwagen und dann war der Weg endlich frei. Als mir das kleine Häufchen Elend in die Augen fiel zog ich sorgenvoll die Augenbrauen nach unten und stieg zu ihr in den Krankenwagen. Setzte mich neben ihr auf die Trage, um sie mit der Hand an ihrer Schulter vorsichtig an meine Brust zu ziehen. "Faye...", nuschelte ich nur leise an ihren Haaransatz und schloss dabei die Augen. Es klang aber nicht nach einem Vorwurf, in meiner Stimme schwang pure Erleichterung mit. Ich brauchte auch nicht zu fragen, ob sie okay war. Dass dem nicht so war, war offensichtlich. Sie hatte offenbar eine Verletzung am Hals und war mit den Nerven am Ende, die Frage war überflüssig.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Sie war noch nie in dieser Situation gewesen, hinten in einem Krankenwagen. Hatte noch nie all die Fragen beantworten sollen, die sie sonst selber stellte. Von denen sie immer glaubte, dass sie eigentlich gar nicht so kompliziert waren. Aber zwischen all den tausend Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen, war einfach kaum mehr Platz fürs Sprechen, noch dazu war das Adrenalin definitiv verschwunden und liess sie in einem komplett verstörten, ausgelaugten Zustand zurück. Sie hatte mit vielem gerechnet, als sie vor etwas mehr als einer halben Stunde das Haus verlassen hatte. Aber sicher nicht damit, dass ihr kleiner Ausflug in die Stadt solch fatalen Folgen nach sich ziehen würde. Sie wollte sich wirklich nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn sie das Telefon nicht rechtzeitig bereit gehabt hätte, wenn Victor den Anruf nicht gehört hätte, wenn ihre Ortungsdienste versagt hätten oder wenn die Polizei schlicht zu spät gekommen wäre. Und doch war es weniger das, was sie belastete, als die niederschwellige Panik vor dem, was noch kommen könnte. Mussten sie jetzt umziehen? Wenn ja, wer garantierte ihnen, dass sie dort dann keiner mehr finden würde? Was, wenn nicht ihr sondern Victor etwas zustiess - weil sie sich in fremde Angelegenheit eingemischt hatte? Es war schwer, bei all diesen Vorahnungen überhaupt noch richtig zu Atmen und gegen die Übelkeit anzukommen, die sie sowieso schon fest im Griff hatte. Die Wunde an ihrem Hals war relativ schnell geklebt und versorgt und das Einzige, was blieb, waren die etwas zu dramatischen Blutspuren und im Kontrast dazu der weisse Verband. Sie war sich sicher, dass das nicht zum Problem werden sollte. Dafür war ihre Hand, die Sean gegen die Steinwand geknallt hatte, ein schmerzendes Elend und ihr wurde ziemlich bald ein Termin beim Röntgen angedroht. Sie wurde nach weiteren Verletzungen gefragt, aber dazu gabs relativ wenig zu sagen. Er war ja erst wütend geworden, nachdem sie sich gewehrt hatte - kurz bevor die Polizei eingetroffen war. Bis auf das Aufeinandertreffen ihrer Magengegend mit seinem Knie war nichts weiter passiert. Ausser ihrer Psyche natürlich, die die üblichen zweihundert Schritte rückwärts Richtung Klapse getanzt war, was sie so aber lieber nicht erwähnte. Der Polizist, der sich nach der Erstversorgung zu ihr gesellte, stellte weitere Fragen, die sie eher nur stockend beantwortete. Und nachdem das Nötigste gesagt war, verabschiedete er sich auch schon wieder, erwähnte nebenbei nur noch, dass er sich bei ihr melden würde, damit sie wenn möglich Morgen die vollständige Aussage machen konnte. Das würde sie wohl tun, weil es sowieso keine Frage gewesen war. Sie legte ihre nicht schmerzende aber eiskalte Hand vor ihr Gesicht, hatte das dringende Bedürfnis, ihre Fingernägel in die Augenhöhlen zu krallen und zu schreien, als eine andere Person den Innenraum des Krankenwagens betrat. Die absolut einzige Person, die sie überhaupt sehen wollte. "Victor...", hauchte sie, wobei ihre Stimme von derselben puren Erleichterung geprägt war wie seine. Er setzte sich neben sie und sie liess sich nur zu gerne von ihm an seine Brust ziehen, vergrub ihr Gesicht in der Öffnung seiner Jacke am Shirt, welches darunter lag - auch wenn das die Wunde an ihrem Hals unangenehm ziehen liess. Und allein seine Anwesenheit liess die zwischenzeitlich fast versiegten Tränen wieder sprudeln. "Es tut mir so leid Victor, ich hab... ich hab alles kaputt gemacht", ihre Stimme war ein heiseres, verlorenes Wimmern, mehrmals unterbrochen von einem nervösen Schluckauf, der weitere Wellen des Schmerzes durch ihren ganzen Körper sandte. "Er... er weiss wo wir wohnen und... und wenn er es weiss, wissen es alle", eigentlich hatte sie nicht mit der Tür ins Haus fallen wollen. Aber machte es echt einen Unterschied, ob sie ihn jetzt mit dem Elend konfrontierte oder später? Später, wenn sie wieder in genau der Wohnung sassen, die keine Sicherheit mehr bedeuten konnte?
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Früher hatte ich noch gedacht, dass es irgendwann leichter werden würde Fayes Tränen zu ertragen. Dass mein Herz irgendwann nicht mehr jedes Mal gefühlt so schwer werden würde, dass es bis unter die Erdoberfläche sank. Schon während unserer gemeinsamen Zeit in der Army hatte ich aufgehört mitzuzählen, wie oft die zierliche Brünette sich den Tränen nahe oder weinend in meine Arme geflüchtet hatte. Schließlich war gerade damals das Leben nicht selten so ungerecht gewesen, dass das Gefühl erdrückt zu werden einfach untragbar wurde. Wusste ich von mir selbst ja gut genug, auch wenn ich etwas weniger zum Weinen und etwas mehr zu schlaflosen Nächten neigte, die mich noch tagelang verfolgten. Letzteres würde mir sicher auch jetzt wieder passieren. Fayes Tränen und ihr durchweg aufgelöstes, verzweifeltes Gestammel reichten mir völlig aus, um für die nächsten paar Tage genug grauenvolle Gedanke zustande bringen zu können, weshalb ich den wohligen Stunden voll Schlaf, die ich inzwischen gewohnt war, schonmal Lebwohl sagte. Während mein linker Arm an ihrem Rücken lag streckte ich die rechte Hand vorsichtig nach ihrem Kopf aus, um ihr zuerst eine Haarsträhne hinters Ohr zu streichen, die andernfalls gleich wegen der Tränen an ihrer Wange kleben bleiben würde. Danach streichelte ich ihr behutsam den Hinterkopf, immer bedacht darauf bloß keinen richtigen Druck auszuüben, um die Verletzung an ihrem Hals keinen Strapazen auszusetzen. Ich atmete einmal tief durch, während ich meine eigenen Gedanken zu sortieren versuchte. Sie überschlugen sich förmlich, weil ich schlichtweg nicht wusste, was genau Fayes Worte bedeuteten. Wer waren denn Alle? Wer zum Teufel war jetzt hinter ihr und damit zwangsweise auch hinter mir her? Ich verstand den ganzen Zusammenhang nicht ganz, was wohl schlicht und ergreifend daran lag, dass die Brünette mir bisher vermutlich nicht mehr als das absolut Nötigste erzählt hatte, wenn es um das Drama rund um Ryatt ging. Was ich ihr nicht aus der Nase gezogen hatte, hatte sie vermutlich einfach für sich behalten. Dass der Kerl, den sie vorhin abgeführt hatten, dieses Arschloch war, das dem Veteranen das Messer in den Bauch gerammt hatte, konnte ich mir noch selbst zusammenreimen, weil Faye mit ihm ja leider schon Bekanntschaft gemacht hatte - das wars dann aber auch. "Langsam, Faye... atme erstmal durch.", murmelte ich zu ihr runter und senkte dabei den Kopf noch weiter nach vorne, was mitunter auch meiner eigenen Beruhigung diente. Sie lebte noch, sie atmete noch, ihr Geruch wehte mir noch um die Nase - wenn auch getrübt von irgendeinem Desinfektionsmittel. Ich wartete mit all den Fragen, die sich mir unweigerlich aufgetan hatten, bis sie sich zumindest ein bisschen beruhigt hatte. "Was meinst du damit? Wer... ist denn sonst noch hinter dir her..?", fragte ich zögerlich, ohne aber die beiläufigen Streicheleinheiten einzustellen. Musste ich jetzt Angst davor haben, dass mir die Wohnungstür mitten in der Nacht eingetreten wurde? Angst davor haben, dass mir auch Irgendwer auflauerte, nur weil ich Fayes Freund war? Obwohl ich mit Ryatt und diesem Schlamassel um ihn herum - das offenbar noch sehr viel größer war als anfangs angenommen - gar nichts zu tun hatte? Ohne jeden Zweifel würde ich mich ausnahmslos immer und ohne zu zögern vor Faye schmeißen, wenn ihr Gefahr drohen sollte. Völlig egal, ob mich das dann nur noch weiter mit in den Strudel riss, in den sie unvorsichtig ihre Füße gehalten hatte. Aber bei Gott, wieso? Ich war gerade wirklich noch so gar nicht im Stande dazu, vollständig zu realisieren, was passiert war und was noch passieren könnte. War noch viel zu verwirrt und überfordert, um zu realisieren, dass unser gemeinsames Leben ein weiteres Mal kurz davor zu sein schien einfach auseinander zu bröckeln, als hätten wir es nicht gerade erst sorgfältig mit größter Mühe wieder aufgebaut.
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Sie wünschte, seine Arme würden ihr die gleiche Sicherheit vermitteln wie früher, ganz zu Beginn ihrer Beziehung. Aber seit dem Ende ihres Syrienaufenthalts war da immer auch eine gewisse Sorge, die sich nicht so einfach verdrängen liess. Die durchaus berechtigte Sorge, dass sie ihn mit sich in den Abgrund riss, in den sie so gerne immer und immer wieder schlitterte. Heute war ein beispiellos guter Tag, um das mal wieder zu beweisen. Müsste er sich ohne sie jetzt Sorgen machen, dass sein Leben mal wieder komplett umgestochen wurde? Nein. Würde er ohne sie Gefahr laufen, von irgendwelchen Psychos heimgesucht zu werden? Nein. Würde er ohne sie hinten in einem Krankenwagen sitzen und sich einmal mehr den Kopf darüber zerbrechen, warum es immer ihn treffen musste? Nein. Die Brünette bemühte sich darum, seiner Aufforderung zum Atmen Folge zu leisten, was wirklich gar nicht so leicht war, so aufgewühlt wie sie sich fühlte. Zwar kreiste da schon ein Schmerzmittel, das gleichzeitig eine beruhigende Funktion haben sollte, durch ihre Adern, aber das reichte offensichtlich noch nicht wirklich aus, um sie den Schock erfolgreich verarbeiten zu lassen. Faye schwieg einen Moment, kämpfte mässig erfolgreich gegen die Tränen und den Schluckauf an, als wäre das die optimale Methode, um wieder klar denken zu können. Sie zählte innerlich sehr langsam bis zwanzig und zurück, erinnerte sich daran, was ihre Psychologen ihr gesagt hatten. Es war eine Weile her, seit sie in einer solchen Situation gesteckt hatte und sie hatte sich nicht gewünscht, es je wieder zu tun. Aber es half nichts, diese Tatsache zu beklagen oder im Selbstmitleid zu versinken, also versuchte sie sich stattdessen die Dinge ins Gedächtnis zu rufen, die noch in Ordnung waren. Die jetzt gerade nicht vom Tsunami verschluckt zu werden drohten. Noch waren sie alle gesund. Sean war zumindest vorübergehend aus dem Weg geschafft. Es gab Möglichkeiten, die drohende Katastrophe abzuwenden. Sie war nicht tot und vor allem war Victor noch nicht näher betroffen. Sie konnten sich noch retten und genau darauf mussten sie sich jetzt konzentrieren. "Ich... ich weiss es auch nicht, Victor... Ich muss... Ryatt fragen... Er hat das nur mal erwähnt, bevor er ins Krankenhaus kam... Sean hat Familie und Leute im Rücken, hat er gesagt, aber ich weiss nicht wie viele und wer das sein soll. Aber Sean wusste, wo ich wohne und vor allem auch mit wem...", und das war definitiv die Hiobsbotschaft des Tages. Hätte der Widerling sie auf offener Strasse per Zufall getroffen, könnten sie noch versuchen, seiner Sippschaft einfach aus dem Weg zu gehen. Aber so? Wer garantierte ihnen denn bitte, dass die nicht auch einfach herausfinden würden, wo Victor arbeitete? Oder sie? Oder beide? "Er... Er kann nicht der Einzige sein, der das so leicht herausfindet. Und ausserdem...", sie stutzte leicht, löste sich schwerfällig ein kleines Bisschen von seiner Brust, um sich in dem Krankenwagen umzusehen, mit dem Blick nach einem Polizisten zu suchen. Doch die waren gerade anderweitig beschäftigt als mit der Brünetten, die ihre Fragen noch nicht oder gar nie beantworten konnte. "Er war nicht allein, Victor... Da war eine Frau. Weisst du, ob sie sie auch abgeführt haben? Eine kleine Brünette, kaum älter als ich..?", sie sprach zögerlich, ihre Stimme belegt mit der unschönen Vorahnung. Sie richtete sich weiter auf, auch wenn ihr Körper und vor allem ihr Kopf sofort leise protestierten. Wieso merkte sie das erst jetzt?? Sean hatte auf die Tür zum Haus eingeschlagen. Jetzt, wo sie daran dachte, meinte sie sogar, sich daran erinnern zu können, dass das Holz im Hintergrund nachgegeben hatte. Aber Sean war nicht durch die Tür geflohen. Er war stehen geblieben... warum eigentlich? Weil er jemandem den Vortritt gelassen hatte. Weil sein kleiner Schatten bereits abgehauen war. Der kleine Schatten, der ganz genau wusste, was heute passiert war. Warum. Und wegen wem. Oh verdammt...
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Seah hatte also eine... Gang? Inklusive seiner Familie? Das war, wonach Fayes wenig informative Aussage klang. Sie wusste nicht viel darüber, weil Ryatt ihr wiederum nicht wirklich etwas darüber erzählt hatte. Ich müsste ganz gewaltig lügen, um zu sagen, dass es mich nicht störte, dass wir diesen Typen so schnell nicht loswerden würden. Ich brauchte ihn nicht weiter kennenzulernen, wollte das auch gar nicht. Er hatte bisher nur Schlechtes in unser Leben gebracht und damit war auch noch nicht Schluss. Dank ihm war uns ein kriminelles Pack auf den Fersen, das theoretisch schon bei uns Zuhause warten konnte. Menschen, die sicher alles andere als begeistert davon sein würden, dass gerade einer ihrer Mittäter von Polizisten abgeführt worden war. Heilige, gottverdammte Scheiße. Ich wusste noch nicht einmal was ich zu diesem Teil der Tragödie sagen sollte, als Faye fortfuhr und mir einen weiteren, sehr problematischen Teil dieser ganzen Angelegenheit offenbarte. Meine Augen folgten von ganz allein ihrem Gesicht, als sie innehielt und begann sich umzusehen. Ich hatte noch kaum verdaut, dass Sean sie wahrscheinlich einfach mal eben so nebenbei gefunden hatte, da sprach sie weiter. Fragte mich nach einer jungen Frau, die offenbar an der Seite des eigentlichen Peinigers gestanden hatte. Die ich ihrer Beschreibung nach nicht gesehen hatte. Vor allem war sie nicht abgeführt worden. Da war nur der widerspenstige Schwerkriminelle gewesen. Sonst hatte noch Niemand in diesem Auto gesessen, das hätte ich gesehen so auffällig wie ich die Umgebung nach meiner Freundin abgescannt hatte. Je länger Faye erzählte und Informationen aufdeckte, desto mehr bekam ich das Gefühl, dass ich in nächster Zeit an nichts anderes mehr denken würde. Dass mir jetzt nur wieder die nächste Hölle aufgetischt wurde, weil die letzte anscheinend noch nicht lange genug zurücklag. Durch Fayes inzwischen aufrechtere Körperhaltung hatte ich die rechte Hand sinken lassen und sie lag schon nur noch auf ihrem Oberschenkel, als ich tief seufzte. "Nein... nein, sie haben nur Sean weggebracht. Da war sonst Niemand...", sagte ich langsam, bevor ich die rechte Hand ganz zu mir zurückzog. Es dauerte nicht lange, dann folgte auch die andere Hand. Ich brauchte einen Moment für mich. Musste die Ellenbogen auf den Oberschenkeln abstützend in der Dunkelheit meiner beiden Hände verschwinden, um nicht gleich an die Decke zu springen. Ich war gut darin nach außen nicht zu viel von meinem sensiblen Inneren zu zeigen, zumindest solange ich nicht psychisch vollkommen labil war. Gerade kam ich aber an einen Punkt, an dem ich mich fragte, wie stabil ich eigentlich wirklich war. Wie lange es dieses Mal dauern würde, bis der Absturz kam, wenn wir nicht schleunigst eine Lösung für dieses riesige Problem fanden. Bei der letzten Hürde, die sich Faye und mir gestellt hatte, wusste ich wenigstens wo ich in etwa lang musste. Wie das mit der Bewältigung des Traumas funktionieren konnte, wie ich ihr damit wenigstens ein bisschen helfen konnte... aber wie wurde man denn eine kriminelle Organisation los? Wie verhinderte man in der Zivilisation, dass einem die Freundin abgestochen wurde, wenn sie abends noch kurz einkaufen ging? Wann sollte ich noch schlafen, wenn jederzeit Jemand bei uns Zuhause auftauchen konnte? Wie sollte ich denn jetzt nicht jeden x-beliebigen Kunden im Laden für eine mögliche Bedrohung halten? Wenn die schon wussten wo wir wohnten, dann fanden sie problemlos auch noch mehr Informationen - sie mussten uns ja bloß von Zuhause aus folgen. Überall hin. Konnten uns auf Schritt und Tritt verfolgen. Es verging bestimmt eine ganze Minute, bis ich mich wieder regte. Ich hatte die Hände noch immer vorm Gesicht, strich aber soweit hinab, dass ich flüchtig über meine Fingerspitzen hinweg an die gegenüberliegende Seite des Krankenwagens blicken konnte. Kurz darauf rieb ich mir noch einmal unruhig komplett von oben nach unten übers Gesicht, dann richtete ich mich auf und ließ die Hände aufgeschmissen fallen. "Ich... weiß nicht, was ich sagen soll. Oder was ich tun soll. Oder überhaupt irgendwas.", stellte ich auch noch wörtlich fest, wie sehr ich mich gerade aus der Luft gerissen fühlte. Unterstrich das am Ende auch noch mit einem leisen, verzweifelten Schnauben, bevor ich mich auf die Füße hob. Ich konnte nicht mehr sitzen, während die neu gewonnenen Infos wild durch meinen Kopf zirkulierten. Sich das Gefühl in mir ausbreitete, dass ich schon wieder unfreiwillig auf eine tickende Zeitbombe gesetzt wurde, von der ich nicht wusste, wie ich sie entschärfen sollte. Konnten wir denn überhaupt irgendwas anderes tun, als einfach nur die Polizei ihre viel zu langsame Arbeit machen zu lassen?
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