Falls sie sich bis jetzt noch unsicher gewesen wäre, bestätigten Ryatts Worte nun unmissverständlich, dass es Seans Verschulden war, dass der junge Veteran gestern bei ihr im Krankenwagen gelandet war. Danke dafür an dieser Stelle. Allerdings schien er daraus überhaupt nichts gelernt zu haben – oder der Schaden, den er bereits angerichtet hatte, war ihm einfach egal. Denn Sean zückte auch heute in dieser Situation das Messer, was Faye absolut nicht gutheissen konnte. Sie war froh, dass Ryatt die Informationen zu ihrer Person dezent knapp hielt, weil sie überhaupt gar kein Interesse daran hegte, Sean näher kennen zu lernen. Nicht, dass sie mit etwas anderem gerechnet hätte, er hatte ja auch keinen Grund, sie hier übermässig exponieren zu wollen gegenüber einem Mann, den er offensichtlich wenig leiden konnte. Was absolut auf Gegenseitigkeit beruhte, wie Sean sehr deutlich demonstrierte, während er mit offener Klinge in ihre Richtung schlenderte. Das wiederum führte unmittelbar dazu, dass sich der Magen der Brünetten gefühlt dreimal drehte und schliesslich komplett verdreht jedes andere Organ zur Seite quetschte. Warum hatte sie das Handy im Auto gelassen?! Das war dumm gewesen, schon wieder. Sie konnte Sean schlecht fragen, ob er nicht eben kurz innehalten möchte, weil sie gerne ihren Telefonjoker einsetzen würde. Er würde nichtmal ja sagen, wenn sie ganz lieb darum bitten würde. Der ganze Gesprächsverlauf gefiel ihr überhaupt nicht, machte sie nur noch nervöser, während auch Faye zwei, drei Schritte rückwärts weiter in den vermeintlichen Schutz des Trucks geflüchtet war. Sie konnte so zwar nur noch knapp um die Ecke blicken, aber was sie sah und vor allem hörte, reichte ihr schon vollkommen aus. Ryatts Idee mit der Pistole war gar nicht so schlecht. Aber gleichzeitig hatte Sean eben auch nicht wirklich unrecht. Sie hatte keine Schusswaffe mehr in den Händen gehabt, seit sie mit Mitch, Victor und Aryana aus den Hügeln geflohen war. Entsprechend hatte sie auch keine Ahnung, ob sie das Ding nach allem was passiert war wirklich noch zwischen die Finger klemmen, geschweige denn sinnvoll einsetzen könnte. Und sie wollte es auch eigentlich nicht versuchen. Vorerst wurde dieses innere Gebet tatsächlich erhört und Sean liess sich von der Drohung allein abschrecken, steckte die Klinge wider aller Befürchtungen weg, was nicht nur Ryatt sondern definitiv auch Faye innerlich aufatmen und beinahe kurz die Augen schliessen liess. «Nein, so stelle ich mir das eben schonmal sicher nicht vor», begann Sean nun nicht mehr ganz so gut gelaunt zu reden, kniff für einen Moment sogar gehässig die Augen zusammen. «Du gehst ganz genau nirgendwo hin und Frieden ist das Letzte, was du verdienst. Ausserdem weisst du genau was ich will, hast es vorhin sogar netterweise so schön betont. Ich will deine Kooperation, das ist alles. Und dafür bekommst du auch deinen gerechten Anteil, wenn du dich nicht weiter so unnötig querstellst», erklärte er mit seiner rauchigen, knurrenden Stimme, während er Ryatt fest im Visier hielt. «Ist das jetzt klar oder brauchst du noch mehr Argumente, um endlich einzuspuren?», stellte er mit genug Nachdruck eine eher rhetorische Frage, auf die Ryatt offenbar besser mit Ja antworten würde. Sean stand nur noch etwa zwei Meter von ihm entfernt und wirkte nicht so, als würde ihn besonders viel davon abhalten, sich plötzlich umzuentscheiden und doch nochmal das Messer hervor zu zaubern.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Natürlich nicht. Was hatte ich mir bei dieser Wortwahl auch wieder gedacht... er machte mich wirklich wütend. Wenn es bei alledem wenigstens um einen wirklich gut durchgeplanten, quasi fast risikofreien Raub ginge, würde ich gar nicht erst so einen Elefanten aus der Sache machen. An und für sich brauchte ich das Geld schließlich und der Juwelier in der etwas weiter entfernten Großstadt versprach allein schon des Goldpreises wegen reichlich davon. Das war es in diesem Fall eben nur nicht wert, wenn wir es so machen würden, wie Sean das vorhatte. Dann würde das in die Hose gehen und die ganze Eskapade mit der Krankenhausflucht wäre für mich umsonst gewesen, weil ich dann trotzdem in den Knast wandern würde - mit noch einem Verbrechen mehr in der Tasche wohlgemerkt. Super Aussichten, wirklich. Eine Wahl hatte ich nicht, das machte das großkotzige Arschloch deutlich genug. Wüsste ich nicht, dass mir dann seine Großfamilie wie die Pest am Arsch kleben würde, hätte ich ihn vielleicht längst abgeknallt. "Schön, von mir aus... ich mach's.", lenkte ich zähneknirschend ein, die Stirn angespannt in Falten gelegt. Ob die Stichwunde bis dahin überhaupt ausreichend verheilt war? Sie war nicht endlos tief, aber solche Verletzungen brauchen grundsätzlich ziemlich lange, um zu heilen. Oberflächlich mochten sie schon nach ein oder zwei Wochen verschlossen sein, aber das Gewebe darunter war dann noch längst nicht in Schuss. Ob ein knapper Monat reichen würde, um bei dem Überfall halbwegs fit zu sein? Es blieb zu hoffen, denn offen für Verhandlungen war Sean eher nicht. "Vier Wochen sind für so eine Stichwunde aber knapp bemessen.", wies ich ihn darauf hin, dass ich zum geplanten Zeitpunkt des Überfalls vielleicht noch gar nicht wieder voll einsatzfähig sein würde. Seine Reaktion darauf war ein gleichgültiges Schulterzucken und eine verständnislose Miene. "Dann sorg dafür, dass du fit bist. Gibt genug Mittel und Wege dafür.", war alles, was Sean desinteressiert dazu sagte. Ich kam nicht umher flüchtig die Augen nach oben zu rollen und kaum sichtbar den Kopf zu schütteln. Natürlich gab es Medikamente oder Drogen, die dir die Schmerzen nahmen und dich wieder voll bewegungsfähig machten. Das änderte aber nichts an möglichen Folgeschäden von zu hoher Belastung auf der Wunde. Die Stichverletzung saß an einer verdammt ungünstigen Stelle für die Flucht vor den Bullen, die zwangsweise mit von der Partie sein würden. Früher oder später. Aber klar - was juckte es Sean auch, ob ich irgendwo auf der Strecke blieb, solange er dann immer noch einen Teil der Beute mit nach Hause nehmen konnte? "War's das jetzt..?", hakte ich nach, ob er nicht endlich mal verschwinden wollte. Er hatte mein mündliches Einverständnis und das war eigentlich alles, was er für den Augenblick gewollt hatte, oder? "Fast." Das selbstgefällige, provokante Lächeln kehrte in seine Gesichtszüge zurück und er zog das Messer erneut aus der Hosentasche. Allerdings kam er nicht wieder auf mich zu, sondern ging mit der Klinge vor sich hin pfeifend um mein Auto herum und zerstach zwei weitere Reifen. Den rechten Vorderreifen ließ es in Ruhe - weiß Gott wieso. "Einen darfst du behalten, weil ich einen guten Tag hab. Aber der ist auch schon ziemlich abgefahren, also tausch ihn besser gleich mit aus." Ich ballte die Hände zu Fäusten, mahlte mit dem Kiefer und hatte ihm gedanklich schon drei Mal den Hals umgedreht, während er mich scheinheilig angrinste. Wie gern ich ihm zumindest mal eine Reinhauen würde. Einfach irgendwas, nur damit er endlich mal den Mund hielt und sich nicht mehr so aufführte, als wäre er König von China. "Danke für den Tipp. Schönen Tag noch, Sean.", verabschiedete ich ihn zynisch mit funkelnden Augen, was ihn nur noch breiter grinsen ließ. Daraufhin wanderten seine Augen noch einmal zu Faye und er kam zu uns auf den Gehweg zurück, blieb unweit der zierlichen Brünetten stehen. "Du solltest dich nicht mit Ryatt abgeben, weißt du... dein hübsches Gesicht wäre woanders viel besser aufgehoben." Er zwinkerte ihr zu und machte erst danach Kehrt, um sich endlich zu verpissen. Viel zu langsam und mit viel zu gut gelaunten, fast schon beschwingten Schritten, während er das Messer fröhlich weiter in der Hand vor sich hin drehte. Er schaffte es wirklich immer wieder sich vor meinen Augen neue ekelhafte Charakterzüge zu verleihen.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Sie hatte keine Ahnung, worum dass es im Gespräch zwischen Sean und Ryatt überhaut ging. Aber es war auf jeden Fall etwas, wozu Ryatt besser nicht einlenken würde. Angesichts der Tatsache, dass sein Gegner jedoch mit einem gezückten Messer rumspazierte, blieb dem jungen Mann kaum eine andere Option – wie er gleich darauf auch deutlich machte, indem er sich eindeutig unwillig dazu bereit erklärte, in den sauren Apfel zu beissen und was auch immer hier zur Diskussion stand zu machen. Natürlich wäre Sean nicht das perfekte Arschloch, wenn er es bei einem Nicken belassen hätte und sich verpissen würde – nein, lieber grub er die Klinge des Messers auch noch in zwei weitere Pneus, deren zischend entweichende Luft die Hoffnung auf eine schnelle Lösung des Problems umgehend ausser Reichweite blies. Faye schloss einen Moment entnervt die Augen und fasste sich an die Stirn, während sie versuchte, den Ausweg aus dieser beschissenen Situation zu finden. War fraglich, ob dieser überhaupt existierte… Sean und Ryatt wechselten noch ein paar sinnlose Worte und als sie die Augen wieder aufmachte, stand der Unglücksbote unweit von ihr entfernt auf dem Gehsteig und hatte sein Grinsen bereits ihr zugewandt. Sie blickte ihn unbeeindruckt an, eindeutig so, dass ihm klar sein dürfte, dass sein Abgang auch bei ihr mehr als willkommen wäre. Sein dämliches Sätzchen hätte er nämlich auch für sich behalten können und Faye schüttelte nur schwach den Kopf. „Er scheint aber trotzdem noch immer die bessere Option von euch beiden zu sein…“, grummelte sie mehr zu sich selber, weil sie ja nicht wirklich vorhatte, ihn hier noch zusätzlich zu reizen. Sean unterbrach daraufhin trotzdem seinen entspannten Abgang, hielt inne und drehte sich mit erhobenem Zeigefinger nochmal in ihre Richtung, um dann die paar Schritte zu ihr zurück zu schlendern. „Schsch… Pass auf Kleines, ich geb‘ dir einen persönlichen Tipp – aber nur weil du so aussiehst, als würdest du das dringend brauchen…“, liess er sie wissen, ehe er noch einen Schritt nähertrat, damit sie ihn auch ja gut verstand. Was dann auch spätestens der Moment war, in dem sie absolut bereute, überhaupt den Mund aufgemacht zu haben. „An deiner Stelle würde ich ein Bisschen besser darauf achten, wen du dir zum Feind machen willst, hm?“, raunte Sean ihr eindringlich zu, sein stechender Blick unnachgiebig in ihre Augen gerichtet, bis sie endlich nickte und seine Frage damit bestätigte. Dann wechselte sich sein Gesichtsausdruck aber wieder und er lächelte sie lammfromm an. „Wäre sonst nämlich ausgesprochen schade, wenn ich dich umlegen müsste“, säuselte Sean, tätschelte ihre Wange, ehe er sich mit einem finalen Winken umdrehte um nun definitiv zu gehen. Und das Messer lag noch immer offen in seiner Hand. Schien fast so, als bräuchte er das zum Atmen… Faye blickte ihm nach, bis er verschwunden war, rieb dabei abwesend ihre Wange und kaute auf ihrer Unterlippe herum. Sie hatte echt nicht damit gerechnet, dass der kleine Ausflug sie noch tiefer in das Chaos von Ryatts Leben reissen würde – sonst wäre sie womöglich doch zuhause geblieben und hätte ihm ein Taxi bestellt. Denn Sean war ein Problem, bei dem sie ihm unmöglich helfen konnte. Es brachte also absolut gar nichts, dass sie überhaupt hier war und das Arschloch kennengelernt hatte. Die Brünette schüttelte den Kopf und ihre Augen suchten Ryatt, wanderten von da aber weiter zum Auto. „Du brauchst neue Reifen… Ich… ich kann Victor anrufen… Vielleicht können wir was organisieren… Oder hast du eine bessere Lösung?“, ging sie lieber erst gar nicht auf alles andere, was soeben passiert war ein, sondern versuchte sich auf die Fakten zu konzentrieren. Also darauf, dass Ryatt hier nicht mehr wegkam und das in jeglicher Hinsicht denkbar schlecht war. Faye ging neben dem Auto in die Hocke, um sich vollkommen unnötigerweise den Reifen genauer anzusehen. Aber da gabs wenig zu sehen – der Gummi war hinüber.
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Faye hätte wirklich wegbleiben sollen. Sollte am besten eigentlich kein einziges Wort mit Sean wechseln, weil er leider ein sehr gutes Gedächtnis für Gesichter hatte. Je länger er sie ansah und je mehr er sich mit ihr befasste, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass sich ihr hübsches Gesicht förmlich in sein Hirn brannte. Er sich das mit Pech irgendwann zunutze machen wollte, wenn ich in seinen Augen wieder nicht spurte. Zwar konnte er bis dato auch mit eigenen Vermutungen gar nicht wissen, in welcher Beziehung die junge Frau zu mir stand, aber sie war ja die einzige, die er überhaupt je mit mir gesehen hatte. Es war nicht so als hätte ich hier irgendwo Freunde. Ein paar Bekannte, die genauso wie ich obdachlos waren, aber das war es ansonsten auch schon. Ich mied diese Leute eigentlich, weil ich immer das Gefühl hatte, dass ich da nicht hingehörte. Vielleicht auch einfach nicht zu ihnen gehören wollte, obwohl ich das längst tat. Ich schlief vielleicht in meinem Truck, statt ich einem löchrigen Zelt, aber das war so ziemlich der einzige Unterschied. Ich hatte genauso wie sie kein Geld, kein Zuhause, keinen Job, gar nichts. So oder so wollte ich keinesfalls, dass Faye noch mehr in meine Misere mit hineingezogen wurde, als es nun ohnehin schon der Fall war. Sie wollte Sean nicht als Feind haben, wirklich nicht. Erst recht nicht mit dem sinnbildlichen roten Faden zwischen ihr und mir, der ihr da absolut nicht in die Karten spielte. Ich wendete mich der Ladefläche des Pickups zu und lehnte mich mit den Unterarmen dagegen, als Sean endlich aus unserem Sichtfeld verschwunden war. Die zierliche Brünette versuchte prompt schon wieder mit irgendeiner Lösung um die Ecke zu kommen, was mich die Stirn runzeln und auf den Unterarmen ablegen ließ. Dicht gefolgt von einem leisen Seufzen. Hatte sie bis jetzt noch nicht gelernt, dass sie nichts davon hatte mir zu helfen? Außer Probleme, die eigentlich gar nicht ihre waren, natürlich. Ich hob den Kopf erst nach ein paar stillen Sekunden wieder an, um ihn in Richtung meiner schier endlos barmherzigen Helferin zu drehen. "Faye... findest du nicht, dass du langsam genug geholfen hast? Du siehst doch, wo dich das hinführt. Ab hier wird's nur schlimmer.", stellte ich ihr eine rhetorische Frage und zog die Augenbrauen etwas nach oben. Danach stieß ich mich behutsam von dem Truck ab, schüttelte in mehr oder weniger gerade Körperhaltung angekommen dann mit Nachdruck den Kopf. "Ich habe keine andere Lösung, aber ich glaube auch nicht, dass es eine gibt. Ich hab mich in diese Scheiße reingeritten und muss es jetzt eben ausbaden." Ich zuckte schwach mit den Schultern und schleppte mich dann die zwei, drei wenigen Schritte bis zur Beifahrertür. Angestrengt streckte ich nach dem Aufziehen der Tür den unverletzten Arm nach dem etwas höher liegenden Handschuhfach aus, um die Pistole rauszuziehen. Pokerface hin oder her, bei dem Rumgefuchtel mit dem Messer war mir mehr als einmal ein Schauer über den Rücken gelaufen. Ich fühlte mich unbewaffnet nicht gerade sicher und mit einem Messer war ich im Moment absolut nicht flink genug. War ich ja selbst ohne die Verletzungen nicht wirklich, weil die Nachbeben des Krieges noch immer an mir nagten und es vielleicht für immer tun würden. Für eine Schusswaffe brauchte es weniger Körpereinsatz, nur den Druck am Abzug. Also wanderte die mit drei Schuss geladene, gesicherte Waffe in meinen Hosenbund. Besonders selten waren am Mann getragene Waffen hier in den Staaten sowieso nicht, es würde gerade in diesem kriminellen Viertel wahrscheinlich nicht einmal Jemandem auffallen. Außer der immer wieder hier patrouillierenden Polizei. Normalerweise parkte ich den Truck auch in einer anderen Straße, weil sie hier häufiger mal entlangfuhren, aber es war ja auch nicht so als wäre gestern auch nur irgendwas nach Plan gelaufen. "Gerade Victor würde es dir danken, wenn du hier einen Schlussstrich ziehen würdest. Ich weiß, dass du es nur gut meinst, aber du tust dir hier wirklich keinen Gefallen. Außerdem ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Bullen hier langfahren...", hängte ich abschließend noch ein paar letzte, gegen Ende hin nachdenkliche Worte an und ließ die Autotür zurück in den Rahmen fallen. Auch danach blieben meine Augen jedoch an dem stellenweise schon ausgeblichenen Lack meines Wagens hängen. Ich wollte eigentlich nicht einmal daran denken, aber wenn das hier so weiterging, dann würde ich das inzwischen leicht rostige Stück Blech am Ende doch noch loswerden müssen. Oder es zumindest gegen ein praktischeres, weniger werkstattreifes Gefährt eintauschen müssen... andererseits kam im Moment sowas wie ein weniger Sprit fressendes Motorrad ohnehin nicht in Frage. Das könnte ich mit der Wunde an der Hüfte kaum fahren. Ich hatte wiederum aber auch keine Ahnung, woher ich jetzt die Reifen für den Wagen bekommen sollte und noch mehr völlig Unbeteiligte in meine Probleme reinzuziehen war inakzeptabel. Was also tun? Ich wusste es wirklich nicht, hatte noch nicht einmal den Ansatz einer besseren Idee.
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Mit dieser Antwort hätte sie eindeutig rechnen können – wenn sie denn überhaupt über seine Meinung zu ihrem Vorschlag nachgedacht hätte. Natürlich wollte er nicht noch mehr Hilfe – oder was auch immer das letztendlich war – von ihr. Er hatte das ja gar nie gewollt, schon gestern nicht. Sie hatte sich nur ungeschickterweise nie abwimmeln lassen. Bis jetzt. In diesem Moment war sie jedoch noch viel stärker hin und her gerissen, was ihre nächste Amtshandlung betraf. Sie hatte Sean und das Messer gesehen, ebenso wie Ryatt und dessen Wunde. Und sie zweifelte keineswegs daran, dass Ersterer die Klinge auch gegen sie einsetzen würde, wenn sie ihm in den Weg kam. Sie hatte schlechte Erfahrungen gemacht mit Männern, die mit Messer drohten… Eigentlich weniger am eigenen Leib – wenn man von dem einen Zwischenfall beim Brunnenbau in dem kleinen syrischen Dorf absah – aber es hatte vollkommen ausgereicht, dabei zuzuschauen, wie Victor gnadenlos gefoltert wurde. Nichtsdestotrotz kam es ihr aber auch nicht wie eine Lösung vor, Ryatt jetzt einfach hier im Regen stehen zu lassen. Auch wenn es zweifellos intelligenter wäre. „Ich… ich weiss nicht…“, murmelte sie, zuckte unsicher mit den Schultern und suchte mit ihren Augen nach seinen. „Aber wenn ich jetzt einfach gehe, dann war ja irgendwie auch alles umsonst…“, meinte sie, noch immer keinen Zentimeter näher an einer Lösung als vor zehn Minuten. Sie war wenig begeistert von halben Sachen und wie gross war bitteschön die Chance, dass die Cops ihn schnappten, wenn sie jetzt einfach ging und ihn alleine liess? Die Prognose sah ihrer Meinung nach jedenfalls äusserst düster aus. Sie schaute Ryatt dabei zu, wie er sich mühsam zur Beifahrertür schleppte, um dann dort etwas aus dem Wagen zu holen. Etwas, das ihr keineswegs gefiel und das er mit Sicherheit nicht auf sich tragen sollte. Die Brünette begann erneut, unruhig auf ihrer Unterlippe herum zu beissen, machte in der Gegenwart der Waffe einen unbewussten Schritt rückwärts und starrte wieder auf den Boden. Er durfte die Pistole nicht besitzen, hatte die Polizei gesagt. Die Polizei, die laut ihm jeden Moment wieder hier aufkreuzen könnte. Faye kniff die Augen zu und rieb sich angespannt die Stirn, als könnte sie damit nützliche Gehirnenergie aktivieren, die sie heute allem Anschein nach nicht besass. „Ich kann ihn ja mal anrufen, vielleicht hat er eine bessere Idee… Oder er sagt, ich soll sofort nach Hause kommen“, noch immer war ihre Stimme kein Stück lauter oder entschlossener als das vorhergehende Gemurmel geworden, jedoch stiess sie sich nach einem letzten langen Blick in seine Richtung dann doch von seinem Auto ab, um stattdessen zu ihrem Eigenen zu gehen, dort die Fahrertür zu öffnen und drinnen nach dem Handy zu fischen. Die Brünette sah davon ab, mit dem Handy wieder zu Ryatt zurück zu spazieren, sondern blieb wo sie war, wandte sich auch nicht wieder dem jungen Mann auf der anderen Strassenseite zu, als sie Victors Nummer wählte und den grünen Hörer antippte. Es dauerte kaum zwei Sekunden, da hörte sie die vertraute Stimme ihres Freundes am anderen Ende der Leitung, und allein der Klang ihres Namens aus seinem Mund half schon dabei, sie ein Stück näher zurück zum Boden zu holen. Faye atmete jedoch nur einmal durch, bevor sie zu reden begann, um Victor kurz die Situation zu erklären. Und natürlich beschränkte sie sich vorerst darauf, dass Ryatt hier nicht wegkam, weil seine Reifen aufgeschlitzt waren, erwähnte weder Sean, sein Messer, den ihr unbekannten Deal zwischen Sean und Ryatt, noch dessen Schusswaffe auch nur mit einem einzigen Sterbenswörtchen. Es brachte nichts, ihm jetzt noch mehr Angst zu machen, oder? Ausserdem war naheliegend, dass Ryatts Freunde nicht allzu weit entfernt waren, das konnte Victor sich schon selber denken, wenn er wusste, dass jemand hier Schaden angerichtet hatte und den Standort des Trucks kannte.
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Umsonst? Wirklich nicht. Keiner von uns beiden konnte mit Sicherheit sagen, ob ich überhaupt noch so verhältnismäßig aktiv auf den Beinen wäre, wenn sie mit ihrer Hilfe nicht gewesen wäre. Natürlich war es auch möglich, dass mein Körper die blutende Wunde irgendwie ohne die fachmännische, erneute Säuberung verkraftet hätte. Aber wer wusste das schon - es hätte so oder so ausgehen können. In jedem Fall war es aber gut für mich gewesen, dass Faye mir ein Dach über dem Kopf gegeben und sich um meine Wunden gekümmert hatte. "Umsonst war sicherlich nichts davon.", widerlegte ich ihre vorherige Aussage also für mich und untermauerte meine Worte mit einem leichten Kopfschütteln, während ich den Blick in ihren Augen hielt. Nur war es eben nicht gut für sie. Genauso wie die Aktion, die sie jetzt im Begriff war durchzuziehen. Ich wollte nicht, dass sie ihren Freund ein weiteres Mal mit meinen Problemen behelligte. Ich lehnte mich mit einem inzwischen doch genervten Seufzen wieder seitlich an den Wagen und schloss für einen Moment lang die Augen. Wie hielt Victor das eigentlich aus? War Faye immer so stur, wenn es um ihre Hilfsbereitschaft ging? Es war jetzt nicht so als wäre ich ein ignoranter Mensch - sonst wäre ich nicht in der Situation, in der ich jetzt war, weil ich dann sehr sicher noch an der Front wäre - und als würde ich an Menschen in Not tatenlos vorbeiziehen, aber was scherte sie sich überhaupt um mich? Ich verstand es einfach nicht. Sie hatte nichts davon und ich sagte ihr sogar indirekt, dass ich ihre Hilfe gar nicht mehr wollte. Trotzdem wendete sie sich schließlich von mir ab, um zurück zu ihrem Auto zu gehen, weil sie unbedingt meinen Rat ignorieren und stattdessen den ihres Freundes haben wollte. "Schön, mach doch was du willst.", war alles, was ich deshalb noch leise vor mich hin grummelte. Danach hob ich den Arm an und rieb mir mit ordentlich Druck übers Gesicht. Massierte mir noch einen Augenblick lang die Schläfen, während ich die Brünette nicht allzu weit entfernt die Tür ihres Wagens aufziehen hörte. Hoffentlich sagte Victor ihr wirklich, dass sie einfach nach Hause kommen und mich hier stehen lassen sollte. Er schien mir von den beiden der wesentlich vernünftigere zu sein. Mir blieb deswegen wohl nicht wirklich was anderes übrig, als jetzt auf den hochgewachsenen Kerl zu setzen. Blieb nur zu hoffen, dass er seiner Freundin möglichst schnell klarmachte, dass sie sich auf den Heimweg machen sollte. Das Schmerzmittel machte zwar nach wie vor seinen Job, aber es wurde langsam schon wieder eine Spur zu anstrengend, mich auf den Beinen zu halten. Wobei mir so oder so erstmal gar nichts anderes übrig blieb. Auch wenn Faye gleich ging und mich alleine ließ, musste ich in die Gänge kommen. Mindestens irgendwohin gehen, wo ich nicht ganz so leicht von Beamten aufzulesen war. Während die zierliche Brünette zu telefonieren begann, wünschte ich mich auf mein Feldbett zurück. Trauma hin oder her - da wäre ich wenigstens nicht kriminell geworden.
Mir war wirklich nicht wohl dabei die beiden allein ziehen zu lassen und schon nach ein paar wenigen Minuten breitete sich das Gefühl in mir aus, dass ich hätte mitfahren sollen. Das hätte womöglich keiner der beiden gerne gewollt, aber ich traute Ryatt einfach nicht. Erstens kannte ich ihn nicht, zweitens war er ein irgendwie zwielichtiger Kerl und drittens auch noch ein Straftäter. Genau genommen war der Besitz einer Waffe, die er nicht mehr haben dürfte, sogar eine ziemlich schwere Straftat. Er wirkte auf mich zwar nicht so impulsiv, dass er aus dem Nichts grundlos plötzlich vor Faye mit einer Waffe herumfuchteln würde, aber das mulmige Gefühl in meiner Magengegend wurde immer schlimmer. Ich begann unruhig mit dem Bein unter dem Laptop zu wippen, was mir das Lesen nicht einfacher machte. Zeitweise starrte ich auch einfach nur gedankenversunken mit völlig leerem Blick auf den Bildschirm. Dass mein Handy letztlich klingelte ließ mich gut sichtbar zusammenzucken, ehe ich beinahe reflexartig danach griff. Wahrscheinlich hatte ich inzwischen einfach einen siebten Sinn dafür, wann Faye Probleme hatte, auch wenn sie nicht bei mir war. Denn nachdem ich sie gefragt hatte, ob alles okay war und warum sie anrief, bestätigte sich meine Befürchtung mehr oder weniger. Ich hatte nicht explizit mit kaputten Reifen gerechnet, aber so ganz allgemein einfach damit, dass irgendwas schiefgelaufen war. Wir beide waren inzwischen auch mehr als lange genug zusammen, dass ich mir zusammenreimen konnte, dass sie den armen Kerl - der sich die kaputten Reifen womöglich sogar verdient haben könnte - nicht einfach so da sitzen lassen wollen würde, obwohl seine Probleme eigentlich nicht ihre waren. Vor allem nicht ihre sein sollten, wenn es nach mir ginge. Ich stellte den Laptop mit der linken Hand auf dem unweit entfernten Couchtisch ab, stand auf und begann ein paar Schritte hin und her zu gehen, während Faye mir die Situation schilderte. Das wiederum tat sie für meinen Geschmack zu oberflächlich und ich war mir nicht sicher damit, ob die paar kaputten Gummis am Auto wirklich das einzige Problem waren. Ihre Schilderung klang ein bisschen unvollständig, aber eigentlich war das gar nicht so wichtig. "Faye, du... bitte komm nach Hause. Ich... hab wirklich kein gutes Gefühl dabei, dass du noch dort bist. Du solltest schon auf dem Rückweg sein...", bat ich die Brünette am anderen Ende der Leitung darum, um Himmels Willen schnell die Biege zu machen. Ich sagte dabei bewusst nicht, dass ich Ryatt kein Stück traute, sondern beließ es bei dieser oberflächlichen Aussage. Der Verursacher der platten Reifen könnte auch noch da sein. Beobachtete die beiden vielleicht schon, wartete nur auf eine gute Gelegenheit. Je länger ich darüber nachdachte, desto stärker wurde der unterschwellige Druck auf meiner Brust. Ich hob unterbewusst die freie Hand, um mir die Haare auf der angespannten Kopfhaut zu raufen. "Wir können dann immer noch nach einer Lösung suchen, aber bitte geh da weg." Ich hätte ihr lieber gesagt, dass das Ryatts Probleme waren und nicht unsere, aber da würde ich wahrscheinlich auf sehr taube Ohren stoßen. Allerdings hatte ich das ungute Gefühl, dass Faye ohnehin nicht ohne den unbeliebten Gast wieder nach Hause kommen würde, weil man ihn ja nicht einfach so mit seinen Problemen stehen lassen konnte. Hier in der Wohnung haben wollte ich ihn aber eigentlich auch nicht wieder, wie also löste man das Problem jetzt am besten?
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Offenbar war Ryatt nicht ganz ihrer Meinung was den Nutzen ihrer bisherigen Taten betraf. Oder auch ihr weiteres Vorhaben, das er eher unmutig kommentierte. Aber sie hielt es trotzdem für die beste Idee, erstmal mit Victor darüber zu reden - auch wenn sie sich natürlich selber schon denken konnte, was ihr Freund von all dem halten würde. Nämlich herzlich wenig, weil er eigentlich nur wollte, dass sie sofort wegging. Sie wusste ja, dass sie hier und jetzt nicht mehr besonders viel tun konnte. Aber einfach weglaufen war auch nicht ideal, in Anbetracht der Tatsache, dass Ryatt es ihr ja schlecht gleich tun konnte. Die Brünette schwieg eine Weile unsicher ins Telefon, während ihre Augen wieder die andere Strassenseite fanden und die Situation ein weiteres Mal begutachteten. "Ist gut... Ich...", sie schwieg erneut und biss auf ihrer Unterlippe herum, bevor sie sich entschieden hatte, wie der Satz enden sollte. "Ich schaue noch, was mit Ryatt ist und dann komm ich gleich, okay?", gab sie ihren finalen Lösungsansatz - wenn man es denn überhaupt so bezeichnen wollte - bekannt. Faye wartete nur noch Victors Bestätigung ab und schob ein "ich liebe dich", nach, ehe sie das Handy auflegte und diesmal hinten in ihre Jeans schob. Dank der selbstverständlich stets aktivierten Ortungsdiensten, wusste ihr Freund sowieso bestens wo sie gerade war, sie brauchte also nichtmal zu versuchen, diesbezüglich zu schummeln. Hatte sie im Übrigen auch nicht vor. Nun überquerte sie aber erstmal die Strasse, um zurück zu ihrem etwas in der Scheisse steckenden Bekannten zu gehen und ihm die wenig überraschenden News zu übermitteln. "Du hattest wohl Recht und ich sollte nach Hause...", gab sie ohne etwas schönreden zu wollen bekannt. "Aber ich kann dich ja trotzdem nicht einfach hier stehen lassen, weil du so auch nicht vorwärts kommst", offensichtlich nicht, drei von vier Reifen, die ihn hätten davontragen können, waren schliesslich platt. "Soll ich dich wenigstens... keine Ahnung... irgendwo hin bringen? Oder willst du doch nochmal... mit zu uns kommen und dann weiterschauen?", das hatte sie eigentlich nicht vorschlagen wollen - schon gar nicht ohne Rücksprache mit Victor. Aber manchmal war auch ihr Mund schneller als ihr Verstand und es war wohl einfach die naheliegendste Lösung, solange keine Alternative gefunden war. Die Polizei würde ja kaum mit einem Durchsuchungsbefehl bei ihr aufkreuzen, oder? Sie konnten ja nicht vermuten, dass sie einen Gesuchten beherbergte. Das wäre ein Bisschen zu viel Interpretation... Hoffte sie. Aber wahrscheinlich lehnte Ryatt das Angebot sowieso sehr schnell ab, weil er ihnen nicht weiter zur Last fallen wollte und weil er das mit der Polizei ja mehr oder weniger mitbekommen hatte heute Morgen. Er konnte das Risiko wohl sogar besser abschätzen als sie selber und sich entsprechen ausrechnen, wie intelligent es wäre oder eben nicht wäre, weiter in ihrer Wohnung zu residieren. Ausserdem musste sie morgen auch wieder arbeiten. Immer vorausgesetzt, dass sie überhaupt noch einen Job hatte. Was sich spätestens dann herausstellen würde, wenn sie versuchte mit ihrer Chipkarte ins Krankenhaus zu kommen. Vielleicht beriet sich das HR auch erst am Montag darüber und sie hatte deswegen noch nichts gehört...
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Ich verstand hier am Truck nichts von dem, was Faye auf der anderen Straßenseite mit Victor besprach und dennoch sah es für mich so aus, als würde meine Retterin in der Not nicht gerade das zu hören bekommen, was sie hatte hören wollen. Als ich mit der kurzen Massage meiner Schläfen fertig war und den Blick wieder anhob, beobachtete ich sie mehr oder weniger interessiert beim Telefonieren. Allerdings schien die Rücksprache mit ihrem Freund nicht viel Zeit zu beanspruchen, denn es dauerte gar nicht wirklich lange, bis sie das Handy wieder sinken ließ und es in ihre Hosentasche schob. Daraufhin steuerte sie erneut meine Richtung an und ihre Worte waren wenig überraschend - zumindest das mit dem nach Hause kommen sollen. Eigentlich sollte mich wohl auch ihr erneutes Hilfsangebot im Anschluss daran kein bisschen wundern. Dass sie nicht wirklich empfänglich für meinen Ratsschlag war mich einfach mir selbst zu überlassen, hatte ich ja heute schon vielfach gemerkt. Trotzdem verspürte ich für einen Moment lang den Drang dazu mich erneut dem Truck zuzuwenden und meine Stirn mittelschwer an die Oberkante der Ladefläche zu donnern. Stattdessen atmete ich unterschwellig seufzend tief durch und drehte dabei die Augen nach oben gen Himmel, sah einen Moment lang zu den Wolken auf und hängte dabei den Arm über besagte Ladeflächen-Kante. Die Sonne ließ sich gerade nicht blicken und das passte inzwischen bestens zu meiner Gemütslage. Die zierliche Brünette schien mir eine zu gute Seele zu sein, als dass ich auch nur irgendwas davon verdient hatte. Machen wir uns da nichts vor - man tat in höheren Rängen in der Army manchmal Dinge, die man besser nicht tun sollte oder auch gar nicht tun wollte. Meine Weste war nicht gerade strahlend weiß, vielleicht war die ganze Scheiße hier also einfach nur das Karma, das mich heimsuchte. Vielleicht war ich schlichtweg verdammt dazu nicht vorwärts zu kommen und mich mit Sean und seiner Sippschaft auseinanderzusetzen, bis es mich irgendwann mehr als nur drei Autoreifen kostete. Das war leider keine besonders schöne Aussicht, aber ich brauchte nicht lange darüber nachzudenken, um zu wissen, dass ich nicht mehr als zwei Optionen hatte. Entweder ich würde Faye sagen, dass sie verschwinden und mich endlich allein untergehen lassen sollte - vielleicht nur nicht wortwörtlich -, oder ich kam ein weiteres Mal mit zu ihr nach Hause, um ihr und Victor das Leben unnötig schwer zu machen. Als hätten sie nicht schon genug Ärger wegen mir am Hals, insbesondere Faye. "Ich kann nirgends hin, Faye. Ist nicht so als hätte ich einen brauchbaren Freundeskreis hier... und zu euch kann ich eigentlich auch nicht.", sprach ich leicht gemurmelt meine Gedanken aus und erst danach senkte ich den Blick in ihre Augen. Ich klopfte nachdenklich, kaum hörbar mit den Fingerspitzen an die teilweise mit Kunststoff verkleidete Innenseite der Ladeflächenwand, rang mit mir selber. Ich war jetzt schon monatelang mehr oder weniger allein gewesen und es störte mich an und für sich auch nicht, ich kam damit klar. Trotzdem war da dieser winzige Funke in mir, den es eben doch kümmerte, dass sich ausnahmsweise mal Jemand dafür interessierte, wie es mir ging oder was unter Umständen mit mir passierte. Meinen Eltern machte ich da allerdings gar keine Vorwürfe - die hatten irgendwann einfach keine Kraft mehr dafür gehabt, wo ich sie doch grundsätzlich von mir weggeschoben hatte. "Glaubst du Victor hat irgendeine Idee, wo ich Reifen herkriege? Falls ja würde ich's mir schon gern anhören..." Vielleicht war es auch die langsam ansteigende Verzweiflung in mir, die bei jenen Worten zutage kam. Aber falls der Kerl eine Lösung für mich hatte, würde ich das dankend annehmen - ich hatte sehr offensichtlich ja keine eigene parat. Ich wusste auch gar nicht, wo ich sonst mit der Lösungsfindung ansetzen sollte. Vielleicht hatte auch Fayes Freund keine für mich, aber dann konnte ich mit dem erneuten Besuch wenigstens Zeit schinden und war hier aus dem unmittelbaren Gefahrenradius raus. Oder mir kam auf dem Weg zurück im Auto unerwartet die Erleuchtung. So oder so würde ich mich aber nicht nochmal bei den beiden einnisten - im Notfall musste ich mir dann eben einen Platz im Zelt bei einem anderen Obdachlosen schnorren. Wegen der Polizeifahndung kam es eher nicht in Frage mal wieder die Miete in einem Motel zu prellen und ohne Bezahlung zu verschwinden. Wahrscheinlich war ich was das anging mittlerweile sowieso auch schon stadtbekannt.
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Er wirkte weiterhin nicht so, als möchte er ihre Hilfe gerne annehmen. Aber gleichzeitig war dem jungen Mann eindeutig klar, dass er nicht wirklich besonders viele Optionen hatte, der Situation hier alleine noch irgendwie Herr zu werden. Selbst wenn er wüsste, wo er Reifen her bekam - wie sollte er sie abholen? Oder wer würde sie bringen? Und der wohl grösste Knackpunkt: wie würde er sie bezahlen? Das blieb ein ziemlich relevanter Punkt, denn auch wenn sie oder jemand anderes - aka Victor - ihm die Reifen organisierte, sie würden nicht gratis sein. Selbst wenn er sich keine fabrikneuen Gummis holte. Ausserdem musste man die alten Reifen von den Felgen entfernen und die neuen wiederum aufziehen. Genau genommen musste das Auto schlicht per Abschleppdienst in eine Werkstatt. Sean hatte einen äusserst intelligenten und mindestens ebenso fiesen Schachzug getätigt, indem er dafür gesorgt hatte, dass Ryatt hier festsass... Dass er genau das tat, bestätigte der Dunkelhaarige mit seinen nächsten Worten noch einmal unmissverständlich und für alle zum Mitschreiben. Er konnte nirgends hin. Und sein Auto war unbrauchbar. Allein diese Worte liessen ihr Herz noch schwerer werden und die Brünette senkte den Kopf nach wenigen Sekunden Blickkontakt, um stattdessen langsam doch recht verzweifelt seine Füsse zu betrachten. Das war nicht fair... Egal was er getan hatte und wie schlimm welche Verbrechen auch immer sein mochten - dieser Mensch verdiente es sicher nicht, auf diese Art und Weise einsam und auf sich alleine gestellt zu sein. Bloss weil Vater Staat es einmal mehr nicht geschafft hatte, einem Veteranen der Army den nötigen Rückhalt zu bieten, nachdem der Krieg ihm sehr nachhaltig den Verstand zerrissen hatte. Sie wusste nicht, was sie getan hätte, wenn sie nichts von seiner Vergangenheit geahnt hätte oder er nicht Opfer der gleichen Art von Traumata wäre wie sie. Aber da dies eben der Fall war, fiel es Faye unendlich schwer, nicht alles darauf zurück zu schieben und in ihm nur die Person zu sehen, die sie auch erkennen wollte. Die Person, die nicht selber Schuld war an dem Elend, in dem sie nun steckte. Die Person, die das hier nicht verdient hatte und der sie gerne helfen wollte. Die Person, die gerettet werden konnte und gerettet werden wollte. Die Person, die man mit etwas Hilfe zurück in die Gesellschaft ziehen konnte, die sich ein würdiges Leben schaffen konnte, wenn nur mal jemand versuchte, sie dabei zu unterstützen. "Ich denke schon, dass er eine Idee hat... Und sonst finden wir eine... Es sind schliesslich nur Reifen, die kann man bestimmt relativ leicht irgendwo auftreiben", versuchte sie es mit pragmatischem Optimismus, obwohl sie sich alles andere als sicher war, gerade die Wahrheit gesagt zu haben. Victor wusste wahrscheinlich schon, wo man Reifen herbekam. Aber wie schon erwähnt würde das was kosten. Und mit neuen Reifen allein, war das Problem nicht behoben. Faye ging ein paar Schritte um das Auto herum, kniete sich neben das rechte Hinterrad und zog ihr Handy aus der Tasche, um die Beschriftung des Reifens zu fotografieren. Wenigstens die Grösse war doch ziemlich relevant, auch wenn Ryatt diese vielleicht auch auswendig hätte nennen können. Ihre Finger strichen über den nutzlosen schwarzen Pneu, ehe sie sich wieder auf die Füsse hievte und dem jungen Mann zu wandte. "Ich nehme nicht an, dass du schon das Mass an Schwerverbrecher erreicht hast, das eine 24/7 Überwachung meiner Wohnung rechtfertigen würde...", murmelte sie leicht sarkastisch angehaucht, als wäre eine mögliche Bespitzelung ihrer Wohnung der Grund dafür, dass er hier sichtlich mit sich rang.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Das Auftreiben der Reifen an sich würde wohl nicht das Problem sein, nein. Immerhin gab es dafür mehr als genug Anlaufstellen, sowohl lokal als theoretisch auch online. Das Problem war dabei nur die Bezahlung. Ich war kein absolut amateurhafter Dieb - wobei man das jetzt wieder sehen konnte, wie man wollte, schließlich wurde ich wegen Diebstahl von den Bullen gesucht -, aber man konnte eben nicht mal eben mit einem Satz Reifen abdampfen. Die ließen sich nicht so leicht klauen wie eine Packung Kaugummis. Irgendwie würde ich also dafür aufkommen müssen und das war definitiv leichter gesagt, als getan. Es blieb mir also nur zu hoffen, dass Victor irgendeine absolut ideale Lösung für mich hatte. Ich beobachtete Faye dabei, wie sie den Reifen fotografierte und mein Blick suchte automatisch wieder ihr Gesicht, als sie sich aufgerichtet hatte und ein paar Worte an mich richtete. Nein, ein ganz so übler Krimineller war ich wohl nicht. Zwar würde mich sicher gerne ein Polizist aufgabeln, um damit seine Karriere zu pushen, aber ich hatte ja Niemandem was getan. Bis dato belief sich der von mir angerichtete Schaden nur auf Vermögen, was zwar auch nicht gerade ein Kavaliersdelikt war, aber ich hatte wenigstens Niemanden umgebracht. Zumindest nicht, seit ich eben aus der Army geschmissen worden war. Für das, was davor passiert war, hatte ich meine Strafe schon kassiert. Wahrscheinlich liefen wir noch eher Gefahr von einem unliebsamen Verbrecher-Clan beschattet zu werden, wobei ich aber auch das für recht unwahrscheinlich hielt. "Ich denke eher nicht, nein.", war mein einziger, trocken ironischer Kommentar dazu. Ich glaubte auch zu wissen, dass ich gar nicht wirklich ins Profil eines Schwerverbrechers passte. Dazu war ich mental wahrscheinlich zu intakt - beziehungsweise nicht an der richtigen Stelle psychisch kaputt. Ich hatte ein Trauma, das ich bis jetzt noch nicht zu ersticken oder vollständig verarbeiten wusste. Ich war aus der Not heraus kriminell, nicht weil es für mich ein gefundenes Fressen war oder es mir Spaß machte. Andererseits war ich mir aber auch nicht ganz sicher damit, ob ich mit einem normalen Job gut zurecht kommen würde. Das müsste ich wohl ausprobieren dürfen, um es herauszufinden - nur bekam ich dazu gar nicht erst die Chance, was teilweise nachvollziehbar war. Jetzt jedenfalls wendete ich mich ein letztes Mal kurz dem Fahrerhaus des Wagens zu und warf einen flüchtigen Blick hinein. Ich schien nichts Wichtiges darin vergessen zu haben, also riegelte ich den Wagen endgültig wieder ab. Fast schon sehnsüchtig seufzend warf ich einen letzten Blick auf einen der kaputten Reifen und setzte mich dann in Bewegung. Das Stehen wurde anstrengend und das Laufen verbesserte meinen Zustand nicht unbedingt, also trugen mich meine Füße in eher langsamem Tempo hinkend zurück zu Fayes Wagen. Wir sollten besser keine Zeit verlieren, sonst kreuzte hier wirklich noch eine Streife auf, bevor wir wieder weg waren. Ich fühlte mich erleichtert, als ich dann letztendlich erneut auf dem Beifahrersitz saß. Das Metall der Waffe drückte etwas am unteren Rücken, weshalb ich mich so hinzusetzen versuchte, dass ich möglichst wenig davon spürte. Sie nicht mitzunehmen kam aber nicht in Frage. Sollte die Polizei meinen Wagen doch beschlagnahmt oder gefunden haben, bevor ich dazu kam ihn abschleppen zu lassen, wäre es eher weniger gut, wenn die Tatwaffe gefunden werden würde. Außerdem fühlte ich mich mit der Pistole eben einfach sehr viel sicherer, traute ich Sean doch allerspätestens jetzt keinen Millimeter mehr über den Weg. "Aber ich bleib wirklich nicht lange... ich glaube sonst beschwöre ich irgendwelche Seiten an Victor herauf, die er eigentlich gar nicht hat.", verpackte auch ich meinen Satz in Humor, um vermeintlich etwas vom Ernst der Lage wegzukommen, während ich mich anschnallte. Danach sah ich einen Augenblick lang zu ihr rüber, bevor meine Augen zurück nach vorne auf die Straße glitten. Ich fiel den beiden wirklich nicht gerne zur Last - aber ich wusste eben auch nicht, was ich anderes tun sollte, als zu hoffen, dass Fayes Freund eine zündende Idee hatte. Oder dass wir zu dritt schnell eine gute Lösung finden würden. Ich war nicht gerne egoistisch, aber Faye hatte es mir ja angeboten... was wiederum nicht unbedingt bedeuten musste, dass das eine gute Idee von ihr war. Hatten wir ja gestern schon gesehen. Und heute früh. Und vorhin, als sie Sean gegenüber gestanden hatte. Wir waren wohl beide momentan nicht so gut darin absolut nüchterne Entscheidungen zu treffen.
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Gut, dann waren sie sich wenigstens darin einig, dass ihre Wohnung kein unnötiges zusätzliches Risiko in ihrer ganzen Situation darstellte. Victor würde sich zwar sicherlich nicht freuen, wenn sie den Gast nochmals zurück brachte und es war zweifellos alles andere als optimal, aber irgendwie lief seit gestern eh nichts mehr wirklich gut für sie. Sie hatte die Nerven ihres Freundes sicherlich schon längst ausreichend provoziert, aber was sollte sie denn sonst machen? Ryatt hier gestrandet stehen lassen, mit einem Auto, das ihn keinen Meter weit mehr begleiten würde und nur Probleme versprach? Mit einem Kerl im Nacken, der gerne mit erhobenen Klingen durch die Welt spazierte? Und über all dem der unheilvoll drohende, gut mögliche Besuch der Polizei in den nächsten Stunden? War das eine Option? Nein. Also musste er wohl oder übel wieder mit nach Hause und sie musste Victors schier endlose Geduld mit ihrer zeitweisen zugegebenermassen sehr anstrengenden Persönlichkeit erneut auf die Probe stellen. Bei ihrem eigenen Auto angekommen, setzte sie sich mal wieder hinters Steuer und liess keine Zeit vergehen, bis sie den Schlüssel drehte und sich währenddessen anschnallte. Dass ihr Beifahrer jetzt eine Waffe mit sich trug, versuchte sie einfach bestmöglich zu ignorieren. Was nicht ganz so einfach war, da sie in Anwesenheit von Schusswaffen bis heute von einem dezent unguten Gefühl und einer leichten Nervosität begleitet wurde. Aber sie hatte nicht vor, sich mit Ryatt darüber zu unterhalten solange er nicht von sich aus hinter den weniger offensichtlichen Teil der Gründe ihrer schier endlosen Hilfsbereitschaft kam. Er würde die Pistole ja sicherlich auch nicht gegen sie einsetzen, so verzweifelt war er nicht. Glaubte sie jedenfalls zu wissen, weil er es sonst doch schon längst getan hätte. Er sich ausserdem weiter mit ihr unterhielt, als würde ihn das Metall an seinem Rücken keineswegs belasten. "Ach nein - Victor ist wirklich nett... Er macht sich nur immer sehr viele Sorgen um mich", beschwichtigte Faye Ryatts Befürchtungen, ebenfalls mit einem leicht ironischen Unterton, auch wenn ihre Worte sogar vollumfänglich der Wahrheit entsprachen. Sie lenkte den Wagen aus der Parklücke und machte sich umgehend und auf direktem Weg auf nach Hause, verschwendete keine Zeit an unnötige Umwege und Spazierfahrten. "Nur dass seine Sorgen diesmal vielleicht auch berechtigt sind... nicht wegen dir, aber wegen den Cops. Die waren echt nicht zum Scherzen aufgelegt heute Morgen...", fügte sie etwas weniger amüsiert an, weil der Gedanke an das kleine Verhör, das hinter ihr lag, sie sofort jeglicher guten Laune beraubte, das ungute Gefühl in ihrer Magengegend sofort verdreifachte. Sie hatte noch immer nichts vom Krankenhaus gehört, konnte also noch hoffen, dass es keine langfristigen Folgen für ihr Arbeitsverhältnis haben würde. Aber die Chance war trotzdem da und sie war nicht klein, vielleicht hatte sie auch einfach noch keinen Bericht gekommen, weil die Leute aus dem HR am Wochenende nicht arbeiteten und erst am Montag über ihr Schicksal bestimmen würden. Die Brünette versuchte den Gedankengang zu unterbrechen und sich stattdessen weiter den Kopf über die Reifenproblematik zu zerbrechen, doch auch hier kam sie noch auf keinen grünen Zweig. Am wenigsten Fragen stellen und am wenigsten Geld fordern würde ein Schrotthändler, aber da müssten sie doch sehr viel Glück haben, drei oder besser vier passende Reifen auf einem Schrottplatz zu finden. Sie konnten sich schlecht mal eben auf jedem Platz in der Umgebung umsehen gehen und dann weiterschauen. Und wenn sie noch mehr Pech hatten, würde die Polizei sein Auto finden, bevor sie mit den passenden Gummis aufkreuzten - und dann würden die Gesetzeshüter sicherlich besonders genau darauf achten, wer in nächster Zeit bei welcher Garage genau diese passenden Pneus suchte... Gott, kriminell sein war echt anstrengend und beanspruchte ihr gut bürgerliches, regelkonformes Gehirn mehr als anfangs erwartet. Dabei wollte sie gar keine Scheisse bauen, keinen Strafregistereintrag, keine Akte bei der Polizei. Hätte ihr gestern morgen jemand gesagt, dass sie heute mit diesen Gedankengängen durch die Stadt kurven würde, hätte sie sich wegen akuten Kopfschmerzen direkt krank gemeldet, um das nicht zu ihrem Problem werden zu lassen...
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Ich hatte keinerlei Zweifel daran, dass Victor ein sehr netter Mensch war. Sein Verhalten bestätigte bis jetzt schließlich genau das - dass er wie Faye ein bisschen zu gutmütig war, wenn auch auf etwas andere Weise. Er hätte mich im Gegensatz zu ihr vielleicht nicht von der Straße aufgelesen, aber er tolerierte mich, obwohl ihm offensichtlich nicht wohl dabei war. Ob das jetzt auch weiterhin so sein würde, blieb abzuwarten. Eben gerade weil seine Sorge um Faye berechtigt war. Nicht wegen mir selbst, weil ich ihr nun wirklich nichts zuleide tun würde, aber wegen den Cops. Die würden nämlich weit weniger gnädig sein als Victor, sollten sie mich in der Wohnung der beiden finden. Wohlgemerkt während wir einen Plan schmiedeten mich heil und schnell aus der Stadt zu kriegen. Das war Beihilfe zur Flucht und addierte sich dann fein säuberlich zu ihrer Missetat am Krankenhaus. "Deswegen ist es ja auch besser, wenn ich nicht länger bleibe als nötig. Sollte er genauso wenig wie wir zeitnah eine Idee haben, mach ich wieder die Biege. Ich... find schon irgendwas.", murmelte ich schulterzuckend vor mich hin und musterte dabei die langsam vorbeiziehenden Häuser. Irgendwo war ich bisher immer untergekommen, ich würde auch dieses Mal sicherlich eine kurzfristige Bleibe finden. Das war dann zwar sehr wahrscheinlich weder ein hygienisch sauberer, noch ein besonders gemütlicher Ort, aber solange ich die Wunden nicht bewusst durch den Dreck zerrte, war ich was das anging hoffentlich auf der sicheren Seite. Das letzte, das ich jetzt noch gebrauchen konnte, war eine Sepsis. Mir reichte Sean als lebensbedrohlicher Faktor vollkommen aus. Ich hatte auch ein, zwei Mal bei besagtem Verbrecher auf dem Sofa geschlafen, als es zwischen uns beiden noch gut gelaufen war, was wiederum noch gar nicht so lange her war. Das Blatt hatte sich leider recht plötzlich gewendet, aber bis dato hatte ich auch gar nicht gewusst, mit was für einer Person ich es wirklich zu tun hatte. Meine Menschenkenntnis war eigentlich ziemlich gut, nur hatte auch da scheinbar meine Verzweiflung überwogen. Sean wusste gut, welche Knöpfe er bei neuen Rekruten drücken musste. Ich schwieg den Rest der Fahrt über und hing meinen Gedanken nach. Die Lösung für mein aktuelles Hauptproblem wollte sich mir aber nicht einfach so auf dem Silbertablett servieren, also blieb ich genauso ratlos wie vorher. Außerdem wurde ich schon wieder müde. Ob das an der körperlichen Anstrengung oder an dem Schmerzmittel lag, war schwer zu beurteilen. Erst nach einem prüfenden Blick auf die Umgebung und vor allem umstehende, parkende Autos, hievte ich mich erneut aus dem Beifahrersitz des Wagens. Wenig später folgte ich Faye dann zur Haustür und wieder die Treppe hinauf. Victor wartete schon oben in der Wohnungstür, hatte vermutlich bereits auf seine Freundin gewartet und uns unten parken sehen. Sein Gesichtsausdruck spiegelte keinerlei Überraschung wider. Wirkte viel mehr kritisch und angestrengt, als ich durch den Türrahmen hinter seiner Freundin her an ihm vorbei ging. Ich spürte den Blick des Dunkelhaarigen im Rücken und es dauerte daraufhin nicht lange, bis ich die Worte "Das ist das letzte Mal, dass du diese Wohnung betrittst, Ryatt." zu hören bekam. Ob das an der Waffe oder ganz allgemein einfach an mir lag, konnte ich nur vermuten. Eigentlich wunderte es mich sogar, dass er auf die Pistole nicht empfindlicher reagierte. Ich drehte mich nur halb zu ihm um, musterte sein Gesicht und nickte schließlich. "Ich will auch gar nicht lang bleiben. Wir... ich hatte nur gehofft, du hast eine Idee, wie ich relativ günstig an einen Satz Reifen kommen kann. Oder eine Idee für eine alternative Flucht raus aus der Stadt...", versuchte ich ihn mit meinen Worten gleich allem anderen voran zu beschwichtigen. Trotzdem stöhnte er entnervt, als er an mir vorbei ins Wohnzimmer ging und schüttelte dabei kaum sichtbar den Kopf. "Dass ich Meister im geldlos Bezahlen oder im Flüchten bin, ist mir neu.", antwortete er bitter, kurz bevor er sich auf den Sessel fallen ließ und sich erneut den Laptop schnappte.
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Sie erwiderte bis auf ein knappes Nicken nichts auf seine Worte im Auto. Da gabs eben auch nichts zu sagen, es wäre mehr als unvernünftig, ihm eine weitere Nacht ihr Sofa als Bett anzubieten und wahrscheinlich würde er es auch gar nicht annehmen. Oder spätestens Victor würde ihr sagen, dass sie sofort aufhören sollte, Ryatts unvermeidbares Übel lindern zu wollen, indem sie sich selbst weiter in die Scheisse ritt. Denn letztendlich konnte sie die Wohn- und Lebenssituation des jungen Mannes nicht mal eben mit ihrer Nettigkeit lösen. Und sie kannte niemanden, der oder die ihm einen Schlafplatz bieten konnte. Weder eine ihrer noch nicht sehr zahlreichen neuen Freundinnen und Bekannten, noch bei irgendwelchen Arbeitskollegen die gerne ihr Elend teilen würden. Und am allerwenigsten bei denen, die ihr am nächsten standen - wie zum Beispiel bei Aryana und Mitch, die selber schon genug Ärger am Hals hatten. Sie nahm schwer an, dass dem Freund ihrer Schwester seine wiedergewonnene Freiheit etwas zu sehr am Herzen lag, als dass er sie wegen sowas aufs Spiel setzen möchte. Ganz davon abgesehen, dass Faye dieses Risiko selbst niemals eingehen würde - sie wollte ja ihre Schwester sicher nicht sofort ins nächste tiefe Loch kippen, wenn sie und Mitch doch noch immer so holprig auf der Klippe balancierten, nie mehr als zwei Sekunden vom nächsten Fall ins Bodenlose entfernt. Kurz gesagt: sie kannte keinen Ort, an den sie Ryatt bringen konnte und wusste nicht, wo er schlafen sollte, wenn er nicht selber mit einer Idee glänzte oder ihnen entsprechend noch was einfiel in den nächsten Minuten. Zuhause angekommen parkte sie den Wagen wieder in der gewohnten Lücke, blickte sich ebenfalls erstmal akribisch um, bevor sie sich nach draussen wagte. Auch wenn es nur wenige Meter Fussweg waren, die sie von der Haustür trennten - es gab trotzdem genügend Menschen, die sie dabei beobachten könnten. Da sich keine Auffälligkeiten zeigten, konnten sie den Weg nach drinnen, wo Victor sie bereits erwartete, wagen und die Brünette schob sich in der Wohnung angekommen umgehend mit gesenktem Kopf die Schuhe von den Füssen. Sie wollte gar nicht wissen, was Victor in diesem Moment dachte - die paar Worte, die er von sich gab, reichten an Resonanz vollkommen aus. Wie gesagt, ihr war bewusst, dass das hier keine Lösung und absolut suboptimal war, darüber brauchte keiner mit ihr zu streiten. Ihre Füsse trugen Faye vor dem Wohnzimmer zuerst noch in die Küche, wo sie jetzt doch mal auf ihren Körper hörte und nicht nur einen Krug mit Wasser und drei Gläser auf ein Tablett stellte, nachdem sie bereits den Inhalt eines Glases getrunken hatte, sondern sich auch mal einen Apfel und etwas Brot gönnte. War auch wirklich langsam Zeit. Ihr war bereits dezent schwindlig, auch wenn das Hungergefühl weiterhin eher dürftig vertreten war. Mit dem Tablett auf den Händen verliess sie die Küche und fand sich damit umgehend im Wohnzimmer wieder, wo sie die Sachen abstellte, alle drei Gläser ungefragt mit Wasser füllte und sich mit ihrer Verpflegung aufs Sofa setzte. Die Brünette konnte ein angeschlagenes Seufzen nicht zurückhalten, als sie sich ins Polster sinken liess und rieb sich mit der freien Hand übers Gesicht, bevor sie sich dem Apfel widmete. "Ist es realistisch gesehen überhaupt möglich, ein Auto mit drei bis vier neuen Reifen zu versorgen und wieder fahrtüchtig zu machen, ohne dass die Polizei Wind davon bekommt?", fragte sie mehr an ihrem Freund als an Ryatt gerichtet, weil sie immerhin hauptsächlich für sein Urteil hierher zurückgekehrt waren. Denn wenn sie sich dann sowieso nicht montieren liessen, konnten sie sich die Beschaffung der neuen Pneus wirklich sparen. Dann konnten sie sich auch irgendeinen shady Autohändler suchen, der sich Ryatts Truck auch ohne intakte Reifen gönnen wollte, und sie kauften für das kleine Geld ein neues, fahrtüchtigeres Auto - auch wenns kaum wieder ein Truck werden würde. Das würden sie selbstverständlich auch nicht tun weil ebenfalls zu kompliziert, aber wie dem auch sei...
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Obwohl ich mich mental schon darauf vorbereitet hatte, dass Faye nicht alleine nach Hause zurück kommen würde, machte meine Laune erst dann den endgültigen Abgang, als ich Ryatt mit ihr die Treppe hochkommen sah. Er schien auch bestens zu wissen, dass er hier ganz und gar nicht mehr willkommen war, wo seine Antwort auf meine Ansage das doch irgendwie indirekt sagten. Trotzdem war er da. Obwohl er sich vorhin noch verabschiedet hatte - für immer, nicht nur für die nächste Stunde. Der Kerl kam mir langsam vor wie ein lästiger Pickel, den man einfach nicht loswurde. Die Krönung war dann die Waffe an seinem Rücken. Ich bemerkte sie im ersten Moment tatsächlich gar nicht, sondern sah sie erst, als er sich noch einmal mehr oder weniger zu mir umdrehte, weil sein Top durch die Bewegung die Umrisse des Metalls deutlicher abzeichneten. Ich glaubte zwar nicht, dass er vor hatte hier einen von uns beiden abzuknallen, aber wohl war mir damit trotzdem nicht. Ich wusste dank des Security-Trainings in- und auswendig, wie ich Jemandem effektiv eine Waffe abnehmen konnte, aber das war eben auch nicht wirklich ausreichend, wenn vorher einer von uns schon eine Kugel gefangen hatte. Ich behielt es also aktiv im Hinterkopf, während ich mich wieder meinem Laptop widmete - dieses Mal allerdings nicht, um meine eigenen Skills hinsichtlich meines zukünftigen Business weiter auszubauen, sondern um mit Glück eine Lösung zu finden, um den Verbrecher loszuwerden. Ich beobachtete Faye, als sie zu uns ins Wohnzimmer kam. Ryatt hatte sich schon auf die Couch sinken lassen und hing wenig bedrohlich wie ein Schluck Wasser in der Kurve im Polster. Hektische Bewegungen dürften ihm glücklicherweise kaum möglich sein. Die Frage meiner Freundin lenkte meinen Blick dann zurück zu ihr. "Gute Frage. Meine erste Intention wäre Nein.", redete ich etwas grummelig vor mich hin, bevor meine Augen zurück auf den Laptop rutschten. Ich suchte nach Abschleppdiensten, die für die Stadt zuständig waren und das waren schon ein paar. Die meisten gehörten allerdings größeren Firmen an, man dürfte also kaum auf ein unter dem Tisch abschleppen hoffen. Wenn wir Ryatts Auto nicht einmal unbemerkt und vor allem undokumentiert von seinem aktuellen Standort wegbekamen, dann konnte man die Sache wohl getrost gleich ganz bleiben lassen. Mitten auf der Straße mal eben seine Reifen zu wechseln kam eher weniger in Frage. Gedanklich setzte ich also gerade einen Haken hinter die ganze Geschichte und schob schon den unliebsamen Gast zurück vor die Haustür... da kam mir ein weiterer Gedanke, den ich lieber nicht gehabt hätte. Als Teilzeit-Kassierer und Regal-Auffüller in einem günstig gelegenen Kiosk traf man nämlich so allerhand Leute. Manche davon waren recht redselig oder trugen noch ihre verdreckten Arbeitsklamotten, während sie eine Schachtel Zigaretten und ein paar Bier bei mir bezahlten. Einer von diesen Menschen war Lance. Ich wusste nie so recht, was ich von ihm halten sollte. Hatte er gute Laune, dann war er gefühlt der Sonnenschein persönlich. War ihm eine Laus über die Leber gelaufen, sollte man wohl eher nicht unnötig viel mit ihm reden. Das Wichtigste an ihm war in seinem Fall aber der Aufnäher, der mitten auf der Brusttasche seiner meistens dreckigen, grauen Latzhose prangerte. Ich gab den Namen seiner Werkstatt in der Suchleiste ein und fand keine Website, nur Telefonnummer und Adresse. Das hieß jetzt nicht per se, dass er auch Dinge unter der Hand abwickelte, aber so erregte man auf jeden Fall nicht mehr Aufmerksamkeit, als man zum finanziell überleben brauchte, wo heutzutage doch fast alles übers Internet lief. Außerdem löste das auch nicht das Problem mit dem finanziellen Aufwand, den ein neuer Satz Reifen mit sich brachte. Trotzdem würde es Ryatts Wagen zumindest schonmal aus der Schusslinie holen, sollte Lance einen geeigneten Abschlepper haben... und keinen Papierkram wollen. Ich seufzte leise in mich hinein und hob die rechte Hand, um mir die Schläfen zu massieren und darüber nachzudenken, ob ich unseren Kriminellen hier nicht lieber einfach unverrichteter Lösungsvorschläge wieder rausschmeißen sollte. Aber machen wir uns da nichts vor - so kalt war ich nicht. "Ich... kenn' vielleicht Jemanden, der helfen kann." Ich hob den Kopf wieder an, sah erst zu Faye und ein paar Sekunden später dann zu Ryatt. "Lance hat eine Werkstatt. So wie ich das hier sehe hat er zumindest keine Website und ist auch sonst eher der Typ Eigenbrötler. Soweit ich weiß verdient er hauptsächlich durch Stammkundschaft. Vielleicht hast du Glück und er schleppt dir die Kiste zumindest ohne Dokumentation schonmal da weg, damit die Cops sie nicht auf offener Straße finden. Ob er dir mit den Reifen dann auch helfen kann weiß ich aber nicht." Meine Augenbrauen waren noch immer leicht nach unten gezogen, während ich den Vorschlag nur widerwillig preisgab. "Wo ist das?", hakte Ryatt nach wenigen schweigsamen Sekunden nach. "Ist glaube ich in der Nähe der Chevron Tankstelle. Trantham Street." Ich war selber noch nie bei der Werkstatt gewesen, konnte nur einen groben Anhaltspunkt anhand der Wortwechsel mit dem Inhaber und der Adresse im Internet geben. So oder so war es weniger weit weg von dem Kiosk, als mir lieb war.
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Es tut mir echt leid, irgendwie fühle ich mich, als würde ich im Moment nur Müll schreiben... ._. Hoffe mal das bessert bald wieder. ________
Sie hatte Victors Antwort schon erwartet. Aber es war eben trotzdem schlecht, da ein Abschleppen ohne Polizeibegleitung immerhin genau ihren nicht wirklich zur Diskussion stehenden Wünschen entsprach. Mit Polizei konnten sie es sich schlecht leisten und dann würde der Wagen wohl für immer da stehen bleiben. Also für immer, bis die Polizei ihn wegschaffen liess eben. Sie schwiegen alle einen Moment, Victor tippte auf dem Laptop herum und sie tat sich müde an dem Apfel und anschliessend am Brot gütlich, das zwar wenig ihrem nicht vorhandenen Appetit entsprach, aber von ihrem Körper trotzdem gerne angenommen wurde. Vielleicht würde sie sich dann ja auch wieder etwas weniger gerädert fühlen. Auch wenn das wenig mit einem Apfel und Brot oder Hunger zu tun hatte, man konnte ja hoffen. Ihr Blick war etwas abgeschweift und hing ein Bisschen zoned out am Couchtisch fest, bis die Stimme ihres Freundes sie aus ihren nicht mehr wirklich aktiven Gedanken holte. Sofort fanden ihre Augen ihren Weg zurück zu ihm und sie schaute ihm interessiert entgegen, um das zu hören, was er wies schien eigentlich eher widerwillig mit ihnen teilte. Sie hatte keine Ahnung, wer Lance war, aber wenn er tatsächlich helfen konnte, war das auch egal. Wenn er Ryatts Auto zu einem billigen Preis aus der Schusslinie ziehen konnte, waren sie zumindest für den Moment aus dem unmittelbaren Gefahrenkreis raus und das war auch gerade alles, worum sie bitten konnte. Sie folgte dem kurzen Wortwechsel zwischen den beiden Männern, während ihre Zähne gegen das Brot kämpften. "Es wäre ja sicher schonmal stark von Vorteil, wenn das Auto seinen Standort wechseln würde... Also denke ich, sollten wir unser Glück schon versuchen", gab sie ihre drei Cent zum Thema bekannt, die wohl schon gut vorhersehbar gewesen waren und ausserdem auch den Gedankengängen von Victor und Ryatt entsprechen dürften. Ersterer hatte den Vorschlag ja überhaupt erst gemacht und ihr Gast war wahrscheinlich über alles froh, was irgendwie eine leichte Besserung seiner Lage versprach. "Hast du ein Telefon dabei oder willst du kurz meins brauchen?", richtete sie direkt die nächste Frage an Ryatt, da sie wenig Sinn darin sah, sich jetzt noch lange vor und zurück zu überlegen, ob das die beste Idee war. Optionen waren bekanntlich rar gesät, da hiess es zupacken, bevor jemand es sich anders überlegte. Dass Ryatt das Telefonat selbst durchführen würde, nahm sie jetzt einfach mal an und falls dem nicht so war, würde ihr das bestimmt gleich mitgeteilt werden. Dass er sein Handy dabeihatte, bezweifelte sie hingegen etwas, da sie sich nicht daran erinnern konnte, dass er es eingepackt hatte. Er hatte beim Auto ja lieber die Waffe eingesteckt... Aber gut, darüber wollte sie weiterhin nicht nachdenken. Warum er es für nötig gehalten hatte, zu ihr nach Hause eine Pistole mitzunehmen, blieb ihr schleierhaft. Selbst wenn die Polizei die Wohnung stürmen würde, wäre mit der Waffe absolut nicht gedient. Dass er mit diesem Verhalten gleichzeitig aber verhindern konnte, dass die Cops seine Waffe in seinem Auto fanden - falls sie vor ihnen beim Truck ankamen - so weit dachte sie eben nicht. Dazu war die junge Brünette möglicherweise noch nicht ausreichend geübt in ihrem neuerdings kriminellen Alltag.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ach Quatsch. ^^ Ich glaube so fühlt man sich eh fast immer, wenn man nur unregelmäßig schreibt. Mir geht's nicht wirklich anders. x'D ___________________
Ich hatte eher nicht damit gerechnet, dass Victor tatsächlich so bald schon einen relativ guten Vorschlag bringen würde. Zwar kannte ich diesen Lance nicht und konnte nicht abschätzen, ob er sich tatsächlich darauf einlassen würde mir unter den gegebenen Umständen zu helfen, aber ich musste wohl einfach darauf hoffen. Eine andere Möglichkeit sah ich bis dato nämlich noch nicht und wie Faye es schon so schön sagte, musste mein Truck möglichst zügig aus dem Viertel raus, in dem er jetzt stand. Mein Handy hatte ich nicht am Mann, es steckte unten im Wagen in meiner Tasche. Ich trug das Ding tatsächlich nur selten mit mir herum, weil es nicht oft vorkam, dass ich es brauchte. Es gab ja kaum Menschen, die ich anrufen musste oder wollte. In letzter Zeit war da der einzige ab und zu mal Sean gewesen und sollte mir in den Sinn kommen meine Eltern zeitnah mal anzurufen, dann wohl nur von einer Telefonzelle aus. Ich glaubte zwar nicht, dass die Bullen ernsthaft deren Telefonleitungen abhören oder verfolgen würden, aber einhundertprozentig auszuschließen war es eben auch nicht. Ich war nicht kriminell und vor allem nicht reich genug, um mir einen Spitzel bei den Cops leisten zu können. "Gib mir deins, bitte... meins ist in der Tasche.", bat ich die Brünette um ihr Telefon, woraufhin ich es dann auch bald in der Hand hielt. Ich warf einen bittenden Blick zu Victor, der einen kurzen Moment brauchte, um zu verstehen, mir dann aber die Nummer diktierte. Es dauerte eine kleine Weile, bis dann tatsächlich Jemand ranging. Offenbar hatte ich den grummelig klingenden Lance bei irgendeiner Arbeit unterbrochen, weshalb ich zügig auf den Punkt kam. Ich sagte ihm logischerweise nicht wortwörtlich, dass ich auf der Flucht vor den Bullen war, aber dass es mir wichtig war, dass der Wagen schnell und möglichst unauffällig da wegkam. Offenbar war er ein kleiner Scherzkeks, weil er mich belustigt danach fragte, ob ich einer wütenden Ex-Freundin zum Opfer gefallen war und meine Spuren verwischen wollte. Ich antwortete aber nicht sofort, weil ich zwei kurze Sekunden darüber nachdachte, ob ich einfach bejahen und damit lügen sollte. Natürlich waren Lügen nicht die feine, englische Art, aber solange mein Gesicht nicht gerade durch die Lokalnachrichten flatterte, wäre eine alternative Geschichte zu den kaputten Reifen gar nicht verkehrt. Das folgende 'Kann man so sagen, ja...' war also der erste Schritt in die Lügengeschichte und er lachte ins Telefon. Fragte mich kurz darauf wo der Wagen stand, wie das Kennzeichen lautete und wo das gute Stück hin sollte, ich könne seinem Bruder - der wohl den Abschlepper spielen müssen würde - dann einfach die paar Dollar in die Hand drücken. Die Überleitung zum Wohin hatte er damit auch schon in die Wege geleitet und ich fragte ihn kurzum, ob er sich um die Reifen nicht auch in den nächsten Tagen kümmern wollte, sofern sein Terminkalender das zuließ. Er schwieg eine kurze Weile, sah dabei vermutlich seine Termine durch und sagte mir schließlich, dass es gut eine Woche dauern könnte, bis er zum Reifen wechseln kommen würde, der Wagen aber so lange bei ihm stehen bleiben konnte. Dann müsste ich eben nur trotzdem in der Werkstatt vorbeischauen - erstens wegen der Bezahlung fürs Abschleppen und zweitens wegen der Auswahl der neuen Gummis, weil er seine Reifen wohl nur von einem einzigen Händler bezog und er die Auswahl für Kunden nur in Papierform bei sich ausliegen hatte. Ich sagte ihm also, dass ich mich gleich auf den Weg machen würde und verabschiedete mich vorerst. Danach räusperte ich mich leise und hielt Faye ihr Handy entgegen. Erst dabei fiel mir auf, dass es vielleicht gar nicht so schlau war, weitere Spuren bei Faye beziehungsweise in ihrem Telefon zu hinterlassen, aber das behielt ich gekonnt für mich. "Danke.", ließ ich ihr - mal wieder - meinen Dank zukommen und sah danach zu Victor. "Dir auch, das war 'ne gute Idee." Ich nickte ihm leicht zu. Klar, das Bezahlungsproblem hinsichtlich der Reifen blieb bestehen, aber da fand ich eine Lösung. Die Zeit drängte, ich musste dringend vor Seans ach so toll geplantem Überfall aus der Stadt verschwinden. "Du bleibst hier, oder? Dann müsstest du gleich aber trotzdem nochmal mit runter, wenn das Taxi kommt, das ich noch rufen muss... wegen meinem Zeug im Wagen." Ich sah fragend zu Faye, wartete geduldig ihre Antwort ab. Zwar hätte ich nichts gegen erneuten Fahrservice ihrerseits, gerade weil ich wohl schon das Abschleppen noch gerade so zahlen können würde, aber ich sollte ihre Gutmütigkeit - und Victors Geduld - wohl besser nicht endlos ausreizen.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Schon möglich... Aber irgendwie hab im momentan echt das Gefühl, dass ich mir nur Scheisse aus den Fingern sauge. Aber liegt wohl auch daran, dass ich oft übermüdet bin, wenn ich mal schreibe, da wirds inhaltlich auch nicht besser. x'D Also deine Beiträge sind jedenfalls nicht schlecht, da kann ich dich beruhigen. xD ___________________
Selbstverständlich zögerte Faye nicht, Ryatt ihr Telefon auszuhändigen, als dieser darum bat. Sonst hätte sie es immerhin gar nicht erst angeboten. Sie entsperrte den Bildschirm, kramte die Telefonapp hervor und überreichte das Gerät ihrem Gast, der daraufhin von Victor die Nummer diktiert bekam. Über Abhörung durch die CIA, spätere Spurensuche auf ihrem Handy durch zurückkehrende Cops oder ähnliche Dinge zerbrach sich die Brünette vorerst lieber nicht den Kopf. Das war der Vorteil davon, dass Ryatt noch immer hier war und sie beschäftigt hielt. Sobald er weg wäre, hätte sie nämlich jede Menge Zeit um über all die Folgen ihres Wochenendprogramms nachzudenken, die noch auf sie zukamen. Und eigentlich wollte sie darüber lieber gar nicht sinnieren, da ihr das nur unnötige Kopfschmerzen versprach. Noch konnte sie immerhin hoffen, dass sie ihren Job nicht verlor und daran wollte sie so lange wie möglich auch festhalten. Sie hatte den Fehler ja nicht während der Arbeitszeit begangen. Eigentlich durften die sie gar nicht rauswerfen deswegen, oder? Doch Faye, wahrscheinlich schon. Aber wie gesagt - eigentlich wollte sie darüber gar nicht nachdenken und darum war es ganz gut, dass Ryatt daneben zu telefonieren begann und sie somit mit Zuhören bestens unterhalten wurde. Allem Anschein nach schien wenigstens dieser Teil des Planes - falls man diese Lösungssuche einen Plan nennen wollte - mehr oder weniger aufzugehen und der junge Mann bekam einen Abschleppwagen organisiert und vielleicht auch noch passende Reifen in nächster Zeit. Die Brünette nahm ihr Handy zurück, als er es ihr entgegenstreckte und nickte nur kurz auf seinen Dank hin. Seine Frage ob sie denn gleich hier bleiben würde, wusste sie allerdings mal wieder nicht auf Anhieb zu beantworten, verhaspelte sich eher in einem zögerlichen Luft holen mit anschliessendem Seitenblick in die Richtung ihres Freundes. Wäre grundsätzlich wohl wirklich intelligent von ihr, das Ganze jetzt hier mal so stehen und gut sein zu lassen. Aber ihr fielen trotzdem sofort ungefragt zu viele Gründe ein, die absolut dafür sprachen, ihn nochmal zu fahren. Angefangen mit der Finanzierung des Taxis geschweige den der Reifen und letztendlich wieder zurück bei seinem nicht vorhandenen Schlafplatz. Sie seufzte innerlich und blickte wieder auf ihre Füsse, während sie sachte die Schultern anhob. "Ich... ich weiss nicht... hast du denn Geld fürs Taxi..? Und fürs Abschleppen..? Und wo willst du dann hin, wenn dein Auto in der Werkstatt steht?", stellte sie drei Gegenfragen, auf die sie nicht wirklich befriedigende Antworten erwartete. Aber es musste ja nicht sein, dass er Geld klaute, wenn sie ihm die paar Dollar auch geben konnte. Er musste ja nicht krimineller werden als er schon war, wenn sie dem sehr leicht entgegensteuern konnte. Am Ende ging er noch freiwillig zurück zu Sean, bloss weil dieser ihm die ganz grossen Summen versprach. Aber Ryatts zwielichtigem Freund traute sie keinen Meter über den Weg, ganz im Gegenteil. Vielleicht plante er ja sogar, Ryatt nach dem erfolgreichen Coup, den er scheinbar so sorgfältig plante, einfach umzulegen, um die Beute nicht teilen zu müssen. Wer weiss? Mit seinem Messer war er ja auch längst sehr fleissig am Üben.
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Ne, Übermüdung trägt eher nicht positiv zur Kreativität bei, das stimmt. Merk' ich bei mir auch immer, durch die Schichtarbeit lässt sich ausreichend Schlaf manchmal einfach nicht kriegen und dann schau ich mir Posts manchmal am nächsten Tag nochmal an... und denk mir holymaccarony, das hättest du aber echt besser hinkriegen können. :'D ___________________
Zack, da waren wir schon wieder im ewigen Kreis des hilfsbedürftigen Ryatt, der irgendwie niemals zu enden schien. Faye hatte mir inzwischen schon oft genug geholfen und das Schulterzucken allein hätte mir schon gereicht, um zu erkennen, dass sie ein weiteres Mal hin und her gerissen war. Eigentlich wusste, dass sie damit aufhören sollte sich dermaßen für mich einzusetzen, während ich das eigentlich gar nicht wirklich verdiente und trotzdem ließ sich ihr Wohlwollen für mich scheinbar einfach nicht abstellen. Sie war trotz der ganzen Schwierigkeiten, die ich ihr allein gestern und heute schon eingebrockt hatte, einfach nicht zu ermüden in ihrer ewigen Gutherzigkeit. Ich atmete etwas tiefer durch, bevor ich mich aufrichtete um nach einem der Wassergläser auf dem Tablett zu greifen. Das Trinken nutzte ich dazu, mir zu überlegen, was ich darauf jetzt antworten sollte, weil ich doch sehr zwiegespalten war. Im Grunde war ich nämlich wirklich kein Mensch, der andere gerne ausnahm oder ausnutzte, aber mit den Stich- und Schnittverletzungen machte genau das mein Dasein sehr viel einfacher. Ich war wirklich kein Jammerlappen was Schmerzen anging, aber es schränkte mich ja nicht nur im Wohlbefinden ein. Allein schon das Tragen der Tasche war wahnsinnig anstrengend, damit quer durch die Stadt zu irgendeinem Schlafplatz zu pilgern, den ich bis dato noch nicht einmal hatte, fast undenkbar. Sollte Sean wieder auftauchen mit noch schlechterer Laune oder plötzlichem Sinneswandel, dann war mein Todesurteil womöglich auch schon unterschrieben. Pistole hin oder her, die war keine absolute Lebensversicherung und solange ich alleine war, war ich eine freistehende Zielscheibe für ihn. Wo keine Zeugen, da keine Anklage. Ich stellte das leere Glas wieder ab und hob den unverletzten Arm, um ein paar nach vorne gefallene Haarsträhnen zurück nach hinten zu streichen. "Obs für beides reicht weiß ich nicht, hab Lance nicht nach dem exakten Preis gefragt... was dumm war, so gesehen. Aber so teuer wirds schon nicht sein, wenn ich die Steuer nicht mitbezahlen muss.", meinte ich schulterzuckend. "Ich find schon irgendwo 'nen Platz für die Nacht, Faye. Ich bin ja nicht erst seit gestern obdachlos.", versuchte ich mich was das anging optimistisch zu geben. Außerdem war es momentan ja auch noch nicht kalt draußen über Nacht, der Sommer hielt noch an. Im Winter hätte ich wohl kein warmes Sofa abgelehnt, aber aktuell war es ja wirklich noch unter freiem Himmel auszuhalten. Victor sah scheinbar schon das nächste Unheil kommen, so unsanft wie er den Laptop mit hörbar genervtem Seufzen zuklappte.
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Kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die Schichtarbeit den Schlaf nicht fördert.. ich kriegs ja schon ohne nicht hin, rechtzeitig ins Bett zu gehen.. x‘D Und ich vermeide es meist tunlichst, mir meinen Mist nochmal durchzulesen, wenn ichs schon beim Schreiben schlecht fand haha. x‘D ____________
Ja und da waren sie wieder an diesem Punkt und sie war ein weiteres Mal überfordert, wusste nicht, was sie tun sollte. Natürlich war sie nicht für Ryatt zuständig, wie wenn er ihr anstrengender Sohn wäre. Aber es sträubte sich doch Einiges in ihr dagegen, ihn jetzt quasi einfach vor die Tür zu setzen. Auch wenn er selbst das eigentlich befürwortete oder ihr zumindest ans Herz legte. Und Victor auch wenigstens teilweise, weil das eben einige Probleme lösen würde. Dieser Teil war ihr selbstverständlich klar, sie sah ziemlich gut, dass es Vorteile hätte, sofort jegliche Verbindungen zwischen ihr und dem Kriminellen ohne Zuhause zu kappen. Aber sie wusste auch, dass sie sich dann die nächsten drei bis dreissig Jahre ständig fragen würde, was aus ihm geworden war. Ob sie ihm nicht hätte helfen können. Wie viel es denn gebraucht hätte, um ihn zurück in ein lebenswerteres Leben zu holen. Ryatt hatte wohl Recht, wenn er sagte, dass er schon länger auf der Strasse wohnte - aber machte das denn wirklich irgendwas besser? Es war nicht ihre Verantwortung - eigentlich. "Ich weiss...", murmelte sie lediglich, begleitet von einem nicht gerade wenig frustrierten Seufzen. Mal wieder sass die Brünette da und kaute auf ihrer Unterlippe herum, als hätte sie das Brot gerade keineswegs gesättigt, während ihre Nägel an der Haut ihrer Finger herumkratzten. Ein kurzer Blick zu Victor reichte aus, um festzustellen, dass sein Gesichtsausdruck ganz gut zu dem genervten Laut von vorhin passte. Aber sie kannte den jungen Mann gut genug, um zu wissen, dass er hier genauso wenig schwarz-weiss sehen konnte wie sie. Er äusserte seinen Unmut darüber, dass sie sich und damit auch ihn in diese Situation gebracht hatte, einfach auf andere Art und Weise als sie. Faye gab ein weiteres Seufzen in ähnlicher Tonlage wie zuvor von sich, rieb sich übers Gesicht und stand dann auf. Ein paar Schritte nach Links blieb sie am Sideboard wieder stehen, kramte Papier und Stift hervor, kritzelte ein paar Zahlen auf das weisse Blatt und riss die Ecke der Seite, die nun ihre Handynummer zeigte, mehr oder weniger gerade ab. Das Stück Papier zwischen den Fingern faltend ging sie zurück zum Sofa, wobei ihr Blick nun doch eher an ihrem Freund hängen blieb. "Können wir kurz reden..?", stellte sie eine rhetorische Frage, wandte sich dabei aber bereits ab, um in Richtung Schlafzimmer zu gehen. Es war scheisse für Ryatt, wenn sie sich hier im Nebenzimmer quasi über sein Schicksal unterhielten, das war ihr schon klar. Aber sie konnte keine weiteren Hilfeleistungen beschliessen, ohne Victor mal wieder auf den Zahn gefühlt zu haben und zumindest sein widerwilliges Einverständnis mit auf den Weg zu bekommen. Er musste nicht begeistert sein von ihren Ideen, aber wenn er absolut dagegen stimmte, dann würde sie ein Taxi rufen und Ryatt vor die Tür setzen, sobald der Wagen vorfuhr. Er hatte ja gesagt, dass das okay wäre und er schon selbst klar kam. Im Schlafzimmer wartete sie darauf, dass Victor zu ihr aufgeschlossen und die Tür hinter ihnen zugeschoben hatte. Dann startete sie aber keinen Versuch mehr darin, um den heissen Brei herum zu reden, sondern kam sofort zur Sache und legte ihren Plan aus. "Ist es für dich okay, wenn ich ihn noch bis zur Garage fahre? Nur um sicher zu gehen, dass zumindest dieser Teil der Autogeschichte noch halbwegs gelingt. Ich lass' ihm meine Handynummer für Notfälle da, aber dann komme ich wirklich nach Hause... Okay..? Oder lieber doch das Taxi..? Oder nicht die Handynummer..?", sie blickte ihn etwas unsicher an, wusste nicht recht, was sie von ihm erwartete geschweige denn, was sie selbst überhaupt von diesem Vorhaben hielt. Aber wenn es ganz beschissen wäre, würde er es ihr bestimmt sagen, oder?
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Man hat wohl grundsätzlich einfach zu viel zu tun, um gerne früh ins Bett zu gehen. Dann hat man ja noch weniger Zeit... x'D Ich versuch es auch zu vermeiden. Aber wenn zB länger nicht geschrieben wurde isses unabdingbar, weil ich bis dann immer schon vergessen habe, was genau ich vorher geschrieben hatte... :'D ____________
Würde das irgendwann ein Ende nehmen? Musste Faye was Ryatt anbelangte zuerst einmal so richtig auf die Schnauze fliegen, um die ganze Geschichte deutlich rationaler zu sehen? Es schien nicht ausreichend zu sein, dass sie mit Pech vielleicht ihren Job verlor und dass die Polizei heute morgen zur Befragung vorbeigekommen war. Was brauchte sie denn mehr, um diesen Unsinn endlich bleiben zu lassen? Es war nicht so, als würde ich nicht verstehen warum sie das tat. Ryatt und wir beide teilten zumindest irgendwie das selbe Schicksal, wenn uns auch keine Details dazu bekannt sein mochten. In meinen Augen kannte sie ihn wiederum aber nicht gut genug, um seine Probleme wirklich gut begründet zu ihren zu machen - mal davon abgesehen, dass mir wohl kein Grund wirklich triftig genug wäre, um unser gemeinsames Leben für einen Menschen aufs Spiel zu setzen, der nicht viel mehr als ein Fremder war. Dafür hatten wir zu lange gelitten und auch zu viel darum kämpfen müssen an den Punkt zu kommen, an dem wir jetzt waren. Wieso riskierte sie das alles so mutwillig? Faye war schließlich nicht entgangen, dass mir das alles ziemlich gegen den Strich ging und dass sie eine Gratwanderung machte. Deshalb war mein Blick sicher auch Antwort genug auf ihre Frage, auf die sie allerdings gar keine Antwort haben zu wollen schien. Also blieb mir kaum etwas anderes übrig, als mit einem genervten Seitenblick auf Ryatt aufzustehen, nachdem ich den Laptop auf dem Couchtisch abgestellt hatte. An meinem Gesichtsausdruck hatte sich auch noch nichts geändert, als ich die paar Schritte zu meiner Freundin aufgeschlossen hatte und die Tür hinter mir zumachte. Kaum machte sie den Mund auf, war ich wieder selbst an der Reihe mit dem Seufzen. "Sehe ich für dich denn so aus als wäre überhaupt irgendwas von dem Ganzen hier für mich okay?", stellte ich ihr eine maulige, rhetorische Gegenfrage. "Ich hab dir gestern schon gesagt, dass ich ihn nicht hier haben will. Wenn du mit ihm rausgehst machts die Sache auch nicht besser. Irgendwo auf Patrouille sind die Cops immer... und offensichtlich gibt es ja auch unabhängig davon noch mehr Leute, die Ryatt an den Kragen wollen.", wetterte ich grummelnd vor mich hin, wenn auch nicht besonders laut. Vermutlich war es eher nicht so wahrscheinlich, dass die Bullen tatsächlich ganz zufällig ihren Weg kreuzten und sie auf frischer Tat ertappten. Ich wusste auch nicht, wer Fayes neuem Lieblingsobdachlosen die Reifen zerstochen hatte, aber die Vermutung, dass das keine besonders liebreizende Person gewesen war, lag einfach sehr nahe. War wahrscheinlich auch irgendein Krimineller, aber was wusste ich schon - weder Faye, noch Ryatt hatten es bisher für notwendig gehalten mich mal genauer über die Situation von vorhin aufzuklären, nachdem sie eine gefühlte halbe Ewigkeit weg gewesen waren. "Was war da vorhin überhaupt los? Es kommt mir irgendwie spanisch vor, dass er es plötzlich für nötig hält, mir eine Pistole in die Wohnung zu schleusen.", stellte ich Faye eine Frage, ohne bisher auf die ihre wirklich geantwortet zu haben. Nur, weil mir nicht wohl dabei war sie erneut mit dem Kerl rausgehen zu lassen, hieß das ja nicht automatisch, dass ich sie um jeden Preis davon abhalten würde. Sah man ja an den bisherigen Geschehnissen ganz gut. Am Ende ließ ich Faye sehr wahrscheinlich einfach das tun, was sie für das Beste hielt, auch wenn ich anderer Meinung war. Ich würde sie hier nicht krampfhaft in der Wohnung festhalten, das entsprach einfach nicht meinem Wesen.
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