Naja, neue Charas sind halt immer etwas schwierig… aber ich denke, es ist dir trotzdem gut gelungen. :) Finds ja schön, haben wir jetzt schon 5 Kriegskrüppelchen zusammen, um die Runde zu vervollständigen. x‘D ______
Sie war sich anfangs nicht so wirklich sicher, ob er ihr zuhörte - geschweige denn sie auch verstanden hatte - so wie er durch sie hindurchblickte. Aber das schwache Kopfschütteln das folgte, machte einigermassen deutlich, dass wohl zumindest ein Teil ihrer Fragen zu ihm durchgedrungen war. Der verletzte Mann bemühte sich im Anschluss sogar noch um ein heiseres Nein, das sie mit einem leichten Nicken beantwortete. "Okay, das ist gut", meinte sie, wohl im Versuch, hier etwas Zuversicht zu streuen, die wie üblich auch in diesem Fall eher rar gesät war. Nicht, dass sie ihm dafür jemals einen Vorwurf machen könnte, sie würde wohl auch an andere Dinge als die Schönheit des Lebens denken, wenn sie abgestochen auf dem Boden liegen und für einen Moment so absolut gar nicht mehr klar kommen würde. Faye hatte sich gerade nach dem Cop hinter ihr umgesehen, um sich bei ihm nach den - offensichtlich zwei - Stichwunden zu erkundigen, weil besonders ein Verband in der Bauchgegend wenig Gutes versprach, da meldete sich der Verletzte ein weiteres Mal zu Wort. Wenn diesmal auch deutlich wirrer und überhaupt nicht auf irgendwelche Fragen ihrerseits bezogen. Im Gegenteil, es klang vielmehr nach einem komplett anderen Film, in dem er sich bewegte. Einer weit entfernten Welt, der sie vor langer Zeit eigentlich final hatte entfliehen wollen. Ihr Blick lag automatisch und ziemlich schnell wieder auf seinem Gesicht, wobei sich ihre Stirn in tiefe Falten legte, die sich ganz bestimmt auch dann nicht glätteten, als er sich nach ihrem Arm ausstreckte. Relativ erfolglos, lag er doch schneller wieder auf dem Rücken, als sie ihn hätte abschütteln können. Gott sei Dank war sie trotz den sommerlichen Temperaturen in die Jacke geschlüpft, sonst wäre ihr Arm jetzt nämlich definitiv dezent blutverschmiert. "So geht das hier schon die ganze Zeit.. er redet ständig als liege er mitten auf dem Schlachtfeld...", hörte sie den Polizisten hinter sich sagen, was ihr aufkommendes Unbehagen eher nicht stillte. Faye blickte zu Jackson, der die Tragbahre mittlerweile direkt neben dem jungen Mann platziert und nach unten gefahren hatte, ehe ihre Augen wieder zurück in dessen Gesicht fanden. Sie legte ihre Hand erneut an die Schulter seines unverletzten Arms, damit er sie ebenfalls wieder anblickte, dadurch hoffentlich wieder einen Draht zur Gegenwart ziehen konnte. "Keine Sorge, Sie müssen niemanden beschützen… Sie sind verletzt - wir bringen Sie ins Krankenhaus…“, erklärte die Brünette ruhig wie sie es gelernt hatte, liess sich nicht anmerken, dass sie ihren Job liebend gerne umgehend abgeben würde. Es folgte ein kurzes Zögern, bevor sie doch noch ein paar Worte anhängte: „Die anderen sind in Sicherheit, es… es geht allen gut“, wer auch immer sie waren, wahrscheinlich ging es den anderen in Wirklichkeit so gar nicht gut. Aber offensichtlich ging es hier auch einfach gerade nicht um die Wahrheit. "Wir bringen Sie jetzt zum Krankenwagen", das war wohl eine überflüssige Ankündigung, da sie nicht vorhatte, eine mögliche Antwort abzuwarten, sondern sich sofort mit Jackson daran machte, ihren Verletzten auf die Trage zu transferieren. Gab kümmerte sich indes um die bereits angeschlossenen Geräte, während der Cop nun auf Jacksons Frage antwortete und die Stichverletzungen grob umschrieb, auch wenn diese Information wenig daran änderte, dass sie die Druckverbände sowieso bis im Krankenhaus ganz sicher nicht entfernen würden. Faye ignorierte das zu laut rauschende Blut in ihren Ohren und ihr pochendes Herz gekonnt, während sie sich wieder an den Mann wandte, der sie innerlich sehr erfolgreich aus dem Konzept geworfen hatte. "Ich lege Ihnen zwei Sicherheitsgurten an, damit Sie nicht von der Trage rutschen, okay?", auch diesmal wartete sie nicht auf die Reaktion sondern schloss wie angekündigt die zwei Gurtschnallen, ehe sie das Gestell der Trage ausfuhr, um ihn im Anschluss in Begleitung von Gab, der den Koffer mit dem angeschlossenen Corpuls trug, und Jackson zum Rettungswagen zu bringen. Habseligkeiten brauchten sie dabei offensichtlich keine einzusammeln und mitzunehmen - der junge Mann schien wenig bis gar nichts mit sich getragen zu haben, als es zur Auseinandersetzung gekommen war.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
5... irgendwann sinds 6... dann 7... vielleicht nicht alles Veteranen, aber ich kann unseren Sammel-Wahn schon riechen. XD __________
Ich musste Niemanden beschützen? Der dumpfe Klang von weit entfernten Schüssen sagte mir etwas ganz anderes. Ich sah die Brünette ungläubig an und schüttelte ein weiteres Mal etwas koordinationslos den wirren Kopf. Wahrscheinlich müsste ich inzwischen eigentlich Realität und Hirngespinst voneinander unterscheiden können, wo ich lebhafte Gedanke wie diese hier doch schon ein paar Mal hinter mich gebracht hatte. Irgendwie wurde ich nicht besser darin, auch wenn es dieses Mal eigentlich genug Anzeichen dafür gab, dass ich nicht tatsächlich im Krieg war. Beispielsweise den Polizisten oder auch die Uniformen der Sanitäter, hatte das doch beides nichts im Krieg zu suchen. Klar - es gab auch auf dem Schlachtfeld medizinisches Personal, aber das sah eben anders aus und war außerdem rar gesät. Stand nicht während einer Schlacht plötzlich zu dritt auf der Matte. Ich wollte nicht glauben, dass es allen gut ging und ich mir keine Sorgen zu machen brauchte. "Nein, sind sie nicht... sehen sie das nicht?" Eine aufgebracht klingende Frage, die nicht weniger als überflüssig war. Es kam wohl sämtlichen Sanitätern sehr gelegen, dass ich den Kopf wieder zu dem vermeintlich teilweise eingestürzten und brennenden Haus drehte, während sie mich auf die Trage verluden. Dadurch ließ ich sie einfach machen und hielt lange genug still, starrte lediglich an einer den Uniformen vorbei auf die eigentlich sehr intakte Häuserfassade. Die Stimme der Sanitäterin - deren Name vorhin nicht bis ganz zu mir durchgedrungen war - erklang nebenher wieder undeutlich, aber ich verstand kein Wort. Merkte auch nicht, dass sie mir die Gurte um den Körper legte, damit ich während dem Verladen und später bei der Fahrt nicht ungünstig zur Seite runterkippte. Es brauchte schließlich die Wand des Krankentransporters, die meine Sicht auf das Haus gänzlich kappte und mich damit zum Handeln zwang. Zumindest bildete ich mir das eben ein. Aus den Augen war leider nicht immer automatisch auch aus dem Sinn. Ich ignorierte die Schmerzen an Arm und Hüfte mit gequält verzogenem Gesicht, als ich die Hände seitlich an die Tragbahre legte und mich hochstemmen wollte. Nur, um dabei festzustellen, dass das nicht ging, weil Irgendwer es für eine gute Idee gehalten hatte, mich mit Gurten an der Liege fest zu tackern. Einen Moment lang sah ich ungläubig auf die schwarzen Gurte, dann zog ich die Augenbrauen tiefer und streckte die Hände danach aus, um sie wieder aufzumachen. Dass das keiner der anwesenden Sanitäter guthieß, war wohl überflüssig zu erwähnen. Ich schlug die Hand des jüngeren Mannes einfach weg, als er mich daran zu hindern versuchte, wenn auch nur mehr oder weniger gut koordiniert. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatte meine hastige Reaktion für einen kurzen Schrecken gereicht, was ich aber nur im Augenwinkel sah, als ich die Hand erneut an die Schnalle legte. Leider war es gar nicht so leicht einen an sich wenig komplizierten Verschluss wie diesen zu lösen, wenn man nicht klar sah. Der Blutverlust lag durch die Druckverbände sicherlich noch in keinem kritischen Ausmaß, war aber trotzdem so gar nicht hilfreich für meine Rettungsmission. "Macht diese Scheißdinger wieder auf, verdammt nochmal!", knurrte ich gereizt und gehetzt vor mich hin, während ich an dem Gurt verzweifelte, weil die zitternden Finger mir einfach nicht gehorchen wollten. Es durften nicht noch einmal so viele sterben... vor allem nicht durch schon wieder durch mein Versagen. Als ich den Schrei des kläglich verreckenden Soldaten hörte, den ich vor über einem Jahr aus dem brennenden Haus gezogen hatte, nur damit er wenige Stunden später im Krankenhaus verreckt war, setzte dann richtige Panik in meinem Blick ein.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Es war sehr schnell relativ deutlich ersichtlich, dass ihre Worte nicht bis zum Verstand des jungen Mannes durchgedrungen waren. Er reagierte zwar darauf, hatte sie diesmal also definitiv verstanden, vertrat aber eine komplett irrationale andere Meinung und wies sie auf das imaginäre Schauspiel hin, das sich ihm bot und bei dem offensichtlich die anderen stark zu Schaden kamen. Jedenfalls dann, wenn er sie nicht rettete. Noch so eine, ihr etwas zu bekannte Situation. Beinahe hätte sie auf seine Frage genickt und bestätigt, dass sie das sehr wohl sah und bestens verstand. Aber es war eben trotzdem nicht wahr - nicht hier, nicht jetzt. Sie sagte allerdings vorerst nichts dazu, da es dann erstmal zum Krankenwagen ging, wo die Trage inklusive dem Verletzten verladen wurde und sie somit genau damit anderweitig ausreichend beschäftigt war. Sie war so beschäftigt mit der Sicherung, dass Faye erst gar nicht merkte, wie er sich aus den Gurten schälen wollte, bis sie im Augenwinkel mitbekam, wie Gabs Hand zur Seite flog. Das führte dazu, dass auch sie sich sehr schnell wieder ihm zuwandte und sachte aber doch relativ bestimmt nach seinen Händen griff, so fast zwangsläufig seine Aufmerksamkeit auf sich zog. "Sie müssen sich wirklich keine Sorgen machen, heute gibt es keine weiteren Verletzten... Sie sind in Sicherheit", redete sie im erneuten Versuch, ihm die Wirklichkeit etwas näher zu bringen, auf ihn ein, betonte absichtlich, dass es sich dabei um die Lage von Heute handelte, sie also keine Ahnung hatte, was sich vor seinem inneren Auge für ein Film abspielte. "Versuchen Sie tief durchzuatmen und blicken Sie mich an. Wir fahren jetzt ins Krankenhaus und dort kümmern wir uns um Ihre Verletzungen. Ich werde Ihnen jetzt ein Schmerzmittel verabreichen, in Ordnung? Und Sie atmen weiter tief durch", wies sie ihn mit klarer Stimme dazu an, in die Gegenwart zurückzukehren, auch wenn sie sich weitaus unsicherer darin war, wie gut das in diesem Moment klappen konnte, als sie sich gab. Es war ihr reichlich egal, wenn er sich jetzt wünschte, sie würde einfach die Klappe halten, um ihn wieder raus ins Verderben stürzen zu lassen, während er sie innerlich verfluchte. Hauptsache er hörte auf, sterbende Kammeranden an die Hausfassaden zu projizieren und sich hier losreissen zu wollen. "Wir sind nicht auf einem Schlachtfeld, nicht im Krieg, nicht in einem Kampf. Nur in einem Krankenwagen - und alles wird gut", waren die Worte, die Faye von sich gab, während sie seine Hände langsam losliess. Sie fischte stattdessen nach der Infusion, die sie liebend gerne stecken würde, weil Jackson soeben eingestiegen war und das definitiv besser funktionierte, bevor ihr Kollege den Wagen ins Rollen brachte. Gab hatte sich bereits gesetzt und angeschnallt und sie würde dasselbe tun, sobald sie das hier hinter sich gebracht hatte. Oder auch nicht, je nach dem, was der Dunkelhaarige davon hielt. Sie wusste nicht genau, wie erfolgreich sie ihn aus seinem dunklen Traum geholt hatte, auch wenn ihre Augen die ganze Zeit auf ihm lagen, um seine Reaktion zu betrachten. Es war fast unausweichlich, dass sie dabei die verschiedensten Theorien dazu spann, was genau ihn zu diesem Verhalten bewegte. Was er wohl erlebt haben mochte? Wo war er gewesen? Wer war Sergeant Hayes? Sein Vorgesetzter, den er im Stich gelassen hatte? Jemand, der ihn verraten hatte? Oder sogar er selbst? Was hatte er gesehen, das ihren Augen verborgen geblieben war und wie lange war es in Wirklichkeit her? Wahrscheinlich wollte sie die meisten Antworten gar nicht hören. Aber sie konnte schon jetzt sagen, dass sie heute Abend viele Stunden wachliegen würde, um darüber nachzudenken...
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Ich bekam es ja doch nicht hin. Oder zumindest wurde mir die Möglichkeit dazu genommen es noch länger dermaßen aussichtslos zu versuchen, als die junge Frau sich einfach meine Hände nahm. Es lag wohl daran, dass sie nicht unbedingt zögerlich nach meinen Fingern gegriffen hatte und sie recht vehement festhielt, dass ich ihr dieses Mal deutlich mehr Gehör schenkte. Ich hatte die Augenbrauen noch widerwillig nach unten gezogen, als ich zu ihr hochsah und ihren Worten lauschte. Nüchtern betrachtet gab es genau zwei Möglichkeiten: Entweder ich gehörte theoretisch in die Klapsmühle, weil sie mir hier die Wahrheit sagte, oder aber sie versuchte nur mich zu manipulieren, damit ich einen verheerenden Fehler beging. Es war mir in den letzten Jahren förmlich eingeprügelt worden grundsätzlich alles zu hinterfragen und am allermeisten die Worte anderer Menschen. Denn sagen konnte man viel, wenn der Tag lang war. Während in meinen Ohren noch die imaginären Flammen knisterten, begann ich darüber nachzudenken, warum die Brünette mich hinters Licht führen wollen könnte. Warum sie wirklich wollen könnte, dass ich einen Gang runterschaltete und den Rest meines Trupps vergaß. Allerdings schien es dafür keinen anderen plausiblen Grund zu geben, als dass ich eben wirklich irgendwo ganz zivil in einem Krankenwagen lag und sie mir einfach gerne in Ruhe eine Nadel setzen würde, weil das ihr Job war. Ich hielt nicht still, weil ich mich tatsächlich nach dem Schmerzmittel sehnte - nach dem Schmerz der großflächigen Brandwunde waren die paar Schnitte quasi gut zu verkraften und ich würde ganz sicher auch ohne überleben, zumindest solange noch Adrenalin durch meine Adern rauschte -, sondern weil mein Gehirn fieberhaft versuchte einen Grund zu finden, warum die Sanitäterin mir doch nur Blödsinn erzählte. Weil ich versuchte in den Augen der jungen Frau irgendeinen Hinweis auf eine Lüge zu finden, nur war da eben nichts. Trotzdem fiel mir die Wahrheit noch immer schwer zu glauben, als der Blickkontakt abbrach und sie meine Hände langsam losließ. Es ratterte nach außen hin gut sichtbar in meinem Schädel, als ich den Blick senkte und dann das erste Mal ganz bewusst an mir runter sah. Es dauerte einen kurzen Moment, aber dann fiel mir auf, dass ich meine Uniform nicht trug, die sich doch deutlich von der verwaschenen Jeans und dem schwarzen Shirt unterschied. Ich trug eigentlich auch im Sommer nie Shorts, weil ich es nicht leiden konnte, wenn Jemand mein auf ewig gekennzeichnetes Bein anstarrte. Nur, weil ich mich selbst mit dem riesigen Narbengewebe abgefunden hatte, hieß das nicht, dass ich gern Schauplatz für Schaulustige war. Ich hatte einfach gerne meine Ruhe... und die hatte man in 0815-Klamotten eher als in Dienstuniform. Die gequälten Laute des Soldaten in den Trümmern mischten sich immer wieder in meine Gedanken ein, aber es machte eben wirklich absolut keinen Sinn. Man ging nicht mit Jeans in die Schlacht. Außerdem war er längst tot. Genauso wie einige andere aus meinem Trupp. Noch dazu kam jetzt auch wieder hoch, dass es Sean gewesen war, der mir das Messer in den Körper gestochen hatte. Ich mahlte angespannt mit dem Kiefer, als ich den angehobenen Kopf schließlich nach hinten sacken ließ und tatsächlich tief durchzuatmen versuchte. Leider sorgte das aber nicht dafür, dass mein Kopf Ruhe gab. Es machte keinen Unterschied - das vermeintlich einstürzende Haus sah ich jetzt zwar nicht mehr und ich begriff zunehmend, dass ich mir hier Dinge einbildete, dafür spielten sich die Bilder nun aber hinter meinen geschlossenen Lidern ab. Das knisternde Feuer und der Krach der herabstürzenden Decke versiegten nicht, genauso wenig die entfernten Schüsse. Auch nicht die Geräusche, die ein Mann von sich gab, wenn er drauf und dran war einen Todeskampf auszufechten. "Kannst du mich nicht einfach mit irgendwas sedieren, damit's aufhört? Es ist so verdammt laut...", murrte ich vor mich hin. Klang noch immer etwas gereizt, weil ich einfach genervt von mir und meinem eigenen Trauma war. Ich wagte zwar stark zu bezweifeln, dass man als Sanitäter mal einfach so jemanden sedieren durfte, nur weil derjenige darum bat, aber es wäre für mich eben das einfachste. Es dauerte manchmal Stunden, bis mein Schädel wieder Ruhe gab und auch die Schmerzen wären damit erstmal weg. Auch wenn ich sie sicher noch eine Weile lang ohne Hilfe ausgehalten hätte. Wahrscheinlich würde nie wieder irgendwas so weh tun wie lebendig halb zu verbrennen. Von den unzähligen Monaten Behandlung danach mal ganz zu schweigen, ohne Morphium hätte ich das nur unwahrscheinlich überlebt.
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Tatsächlich schien die Berührung - oder die Hinderung daran, weiter an den Gurten zu reissen - doch recht erfolgreich den gewünschten Effekt zu erzielen und der Mann blickte sie wieder an. Weiterhin alles andere als glücklich sondern viel mehr misstrauisch, wenn nicht sogar wütend darüber, dass sie ihn nicht endlich gehen liess. Aber immerhin führte es dazu, dass er einen Moment innehielt, um offenbar selber die Realität seiner Wirklichkeit zu reflektieren. Und auch als sie ihn losliess, hatte er sein endgültiges Urteil noch nicht gefällt, brauchte noch einige weitere Sekunden, bis er sich schliesslich mit seinem Schicksal abfand. Währenddessen hatte sie auch seinen Ellbogen freigelegt und desinfiziert, setzte nach einer kurzen Warnung die Nadel, die ihr Ziel glücklicherweise beim ersten Versuch traf. Faye sicherte das Ganze mit einem Fixierpflaster, bevor sie den Schlauch anschloss, an dem in einem Beutel die Vollelektrolytlösung hing, die nun langsam aber stetig zu tröpfeln begann. "Haben Sie Allergien, von denen ich wissen sollte? Nehmen Sie Medikamente oder haben Sie in letzter Zeit Drogen konsumiert?", wandte sie sich mit einer Reihe weiterer Fragen, die bei der Verabreichung von Medikamenten nunmal nicht ganz irrelevant waren, erneut an den jungen Mann. Und erst als sie die Antwort darauf erfahren hatte, hängte sie das Fläschchen mit dem Schmerzmittel, welches sich nun ebenfalls tröpfelnd mit der Lösung vermischte, neben den Beutel. Dabei erreichten sie die unzufriedenen Worte ihres Patienten, die ihr für eine halbe Sekunde trotz dem Ernst der Lage ein kurzes Lächeln übers Gesicht schickten. Konnte er zum Glück aber nicht sehen, da sie noch der Infusion zugewandt war, sich erst im Anschluss wieder neben ihn setzte und sich endlich anschnallte, damit Jackson losfahren konnte. "Nein, diesen Wunsch kann ich Ihnen leider nicht erfüllen", offenbarte sie ihm die wohl nicht ganz unerwartete Tatsache, dass alles, was über die Infusion von jetzt gerade hinausging, nur von einer Notärztin oder einem Notarzt verabreicht werden durfte und ihre Kompetenzen definitiv überschritt. Es sei denn, sie befand sich im Krieg, natürlich. Ihre Augen streiften kurz prüfend das EKG, das aber mehr oder weniger normale Werte anzeigte und soweit keine weiteren Gründe zur Sorge bot. So fand ihr Blick wieder zurück zu dem Dunkelhaarigen, den sie nun das erste Mal mit mehr als rein medizinischem Interesse musterte, sich auf andere Dinge als seine Atmung und die Weite seiner Pupillen konzentrierte. "Verraten Sie mir, wie Sie heissen? Und vielleicht möchten Sie ja auch erzählen, was vorhin passiert ist..?", auch wenn sie auf eine aufschlussreiche Antwort bezüglich ihrer zweiten Frage eher wenig Hoffnung hegte, man konnte es ja versuchen. "Und wenn Sie das nicht möchten... können Sie auch sagen, was Sie gesehen haben oder was denn so laut ist...", es hatten ein paar zögernde Sekunden zwischen der zweiten und dritten Aufforderung gelegen, einfach, weil sie sich selber nicht ganz sicher war, ob sie mit Erklärungen zu seinem offensichtlichen Trauma wirklich klar kam. Aber eigentlich sollte sie das schaffen - sie hatte viele Wochen, Tage und Stunden damit verbracht, ihre Belastbarkeit zu trainieren, um wieder auf Vorkriegsniveau zu kommen. Und momentan war sie mental auch nicht gerade auf einem Tiefpunkt, es sollte also durchaus drinliegen, ihm zuzuhören, wenn er das Bedürfnis empfand, die Bilder zu teilen. Eben, WENN. Und das bezweifelte sie irgendwie doch auch stark. Sie war nunmal eine komplett fremde Person für den jungen Mann, er wusste nicht einmal, dass sie ihn vielleicht gar nicht so schlecht verstehen würde. Warum also sollte er mit ihr das probieren, was er bestimmt selber schon in so einigen Traumatherapien getan hatte, die am Ende doch zu nichts geführt hatten...
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Nein, keine Drogen. Zumindest nicht in den letzten Tagen. Ohnehin war Alkohol eigentlich alles, was ab und an meinen Körper verunreinigte. Zwei oder drei Mal hatte ich auch am Joint von dem Typen gezogen, für den ich Gras vertickt hatte, aber das war es dann auch schon. Mein Leben machte momentan eben nicht besonders viel Spaß, also sagte ich eher nicht nein, wenn mir ein bisschen Balsam für die Nerven angeboten wurde. Aber nein - ich hatte nicht vor Kurzem Drogen zu mir genommen und dementsprechend fiel auch meine Antwort aus. Meine Augen fielen auf den Zugang an meinem Ellbogen, als die Brünette den dünnen Infusionsschlauch damit verband. Mein Blick ruhte einige Sekunden lang darauf, bevor ich ihn wieder zum Kopf der jungen Frau anhob. Nur, damit sie mir sagte, dass sie mich nicht ausknocken konnte oder durfte. Es war nicht so, als hätte ich mir wirklich große Hoffnungen auf eine andere Antwort gemacht, aber ein leises Seufzen konnte ich dennoch nicht unterdrücken. Es war halt nervig. Nicht nur, weil ich mich quasi darüber hinweg unterhalten musste - ich musste mich vehement daran erinnern nicht zu schreien, statt Zimmerlautstärke anzuschlagen und auch das Zuhören fiel nicht so leicht -, sondern auch weil es mir so herrlich bewusst machte, wie sehr ich inzwischen den Verstand verloren hatte. Noch vor etwas über einem Jahr war mein Kopf das Einzige gewesen, worauf ich mich jemals verlassen hatte. Sehr ironisch, dass ich ausgerechnet den dann bei Seite geschoben hatte, um meine Karriere und auch mein körperliches Wohl den Bach runter zu schubsen. Verstand ging leider nicht immer über Menschlichkeit. Letztere versteckte ich ab und an zwar gut, aber ich war kein Egoist. Andernfalls hätte ich kaum jahrelang so erfolgreich die mir unterstellten Männer immer wieder erfolgreich ins Trockene zurückgebracht. Es war die nächste Frage der Sanitäterin, die mich diesen Gedankengang kappen und wieder zu ihr hinsehen ließ. Ich war mir nicht sicher damit, ob ich ihr meinen Namen verraten wollte. Vielleicht war das keine so gute Idee unter dem Umstand, dass die Polizei vielleicht nach mir suchte. Sicher war ich mir damit nicht, aber es könnte doch sein, dass mein Gesicht nach einem vermeintlich kleineren Diebstahl auf irgendeiner Überwachungskamera aufgetaucht war. Im Grunde reichten aber wohl auch meine tätowierten Arme und das Tattoo am Hals für eine Identifikation, für eine Täterbeschreibung. Ich trug von jetzt an definitiv immer langärmlige Klamotten, war bei Weitem kein so guter Krimineller wie Kriegsstratege. Hier und da hatte Sean also sicherlich Recht mit dem was er vorhin gesagt hatte - nur halt nicht mit allem, wo wir auch schon bei der nächsten Frage der jungen Frau auf dem Sitz nebenan waren. Ich sagte nicht sofort etwas dazu, also überhäufte sie mich prompt mit noch einer Option zum Antworten. "Kann ich auf alles mit Nein antworten?", war meine erste rhetorische, reichlich ironische Antwort, bevor ich den Kopf wieder gerade richtete und den Blick von der Tür am Heck bis nach oben zur Decke wandern ließ. Meinen Namen würde sie erstmal nicht zu hören kriegen und wenn sie den im Krankenhaus für irgendeine Akte brauchten, bekamen sie halt ein Pseudonym. Krankenversicherung hatte ich sowieso keine mehr, sie würden also bei Niemandem mit meinem Namen durchklingeln müssen und Anzeige erstatten wollte ich auch keine. Ich war Niemand, der andere Leute verpfiff, wenn er es nicht musste. Bei der Army hatte ich was sowas anging keine Wahl gehabt, aber jetzt war das anders. Außerdem war Sean im Grunde nur die kleine Ratte am Ende der Nahrungskette und ich wollte mich weiß Gott nicht mit den Typen anlegen, die noch irgendwo hinter ihm standen. Ich war noch nicht ganz hinter das System da gestiegen. "Nur eine Meinungsverschiedenheit. Ist in der Gegend ja mehr oder weniger die Tagesordnung, es hat nur nicht jeder das Glück gesehen zu werden.", äußerte ich mich nur sehr oberflächlich zu dem Geschehen, das für meine Verletzungen verantwortlich war. Dieses Viertel der Stadt war eben nicht harmlos und das wussten meine Mitfahrer hier sicher ohnehin schon. Kam ja öfter Mal vor, dass ein Schuss fiel oder ein Messer gezückt wurde. Bestimmte, besonders grenzwertige Blocks mied ich deshalb ganz bewusst, auch wenn mir das am Ende jetzt genau gar nichts gebracht hatte. Allerdings hatte ich auch naiv nicht dran geglaubt, dass Sean so austicken würde, wenn ich ihm die Stirn bot. Was hingegen die Sache mit meinem Trauma anging wusste ich nicht, ob ich dazu überhaupt irgendwas sagen sollte. Sedierung bekam ich so oder so keine, also hatte ich davon keinen Nutzen. Andererseits hatte ich inzwischen gefühlt schon so oft darüber geredet, dass es auf einmal mehr oder weniger nun auch nicht ankam. Auch, wenn ich Details weiß Gott außen vor lassen würde. "Ich bin Veteran. Schüsse, Explosionen, Feuer, sterbende Menschen... also nur das Übliche, schätze ich.", beließ ich es bei der Kurzfassung und drehte erst danach den Kopf langsam wieder zu ihr rüber, um sie anzusehen und ihre Reaktion darauf sehen zu können.
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Diesmal dauerte es gar nicht so lange, bis sie eine Antwort bekam - wenn diese auch erstmal äusserst ironisch ausfiel. Es zeigte ihr immerhin, dass er wohl mehr oder weniger wieder im Hier und Jetzt angekommen war, sich zumindest endgültig dafür entschieden hatte, ihr zu glauben, dass der Rest seiner Wahrnehmung wohl nichts mehr als ein Streich des Traumas war. Sie zuckte mit den Schultern, um seine Frage, auf die er wohl gar nicht unbedingt eine Rückmeldung brauchte, zu beantworten. „Klar. Sie brauchen sich nicht mit mir zu unterhalten. Es erspart Ihnen lediglich die gleichen Fragen ein weiteres Mal im Krankenhaus gestellt zu bekommen... und dient meiner persönlichen Unterhaltung“, erwiderte sie mit einem ebenfalls deutlich ironischen Unterton. Faye glaubte eher nicht, dass eine Erklärung - am besten noch mit absolut fürsorglicher Babystimme - zur Nützlichkeit dieser Informationen und der Angebrachtheit von Kooperation angesichts seiner momentanen Position irgendwie fruchten würde. Er wirkte nicht so, als wäre ihm seine Lage nicht bewusst, immerhin war genau das wohl ausschlaggebend dafür, dass er ihr seinen Namen nicht verraten wollte. Aber sie konnte damit leben, diese Informationen nicht oder wenns hochkam nur dürftig zu bekommen, das konnten auch andere erfragen sobald es relevant wurde. Sie war da, um - etwas dramatisch ausgedrückt - sein Leben zu retten und den sicheren Transport ins Krankenhaus zu gewähren und diese Zuständigkeit erfüllte sie wie immer mit grosser Gewissenhaftigkeit. Was sie wiederum zu der Meinungsverschiedenheit sagen sollte, die er ansprach, war etwas fraglich, weshalb sie leicht eine Augenbraue anhob und einmal nickte, das aber auch ihre einzige Reaktion bleiben liess. Sie hatte sich ja schon selber denken können, dass er nicht beim Fussballspielen auf der Strasse auf ein Messer gefallen war, welches dann beim Rausziehen aus Versehen auch noch seinen Arm gestreift hatte, aber gut. "Möchten Sie Anzeige erstatten?", fragte die Brünette wieder den Formalitäten wegen, obwohl sie sich doch relativ sicher darin war, dass das kaum der Fall sein würde. Erstens hatte er das Geschehen gerade selber runtergespielt und zweitens käme er bei einer Anzeige nicht drum herum, seine Kontaktangaben anzugeben. Aber es wollte eben gefragt sein. Dass er später im Krankenhaus noch Besuch von der Polizei bekam, die dasselbe fragen würde, liess sie diesmal aussen vor. Auch weil da ja noch ihre dritte Frage war, auf die er sogar zu Antworten beabsichtigte - wenn auch wieder nur flüchtig. Ihr Blick war auf ihre Hände gefallen, die unbewusst angefangen hatten, unruhig an den Nähten ihrer Hose herumzunesteln, während sie passend dazu ihre Unterlippe mit den Zähnen malträtierte. Es dauerte einige lange Sekunden, bis ihr bewusst wurde, dass sie auf seine Worte vielleicht etwas erwidern sollte, um das Ganze nicht komplett frei im Raum stehen zu lassen. Aber als sie den Kopf hob, wurde ihr ziemlich rasch bewusst, dass der kleine mentale Aussetzer ihrer Professionalität wohl nicht unbemerkt geblieben war, da der Mann sie bereits im Blick hatte. Also nickte sie rasch, strich sich eine nicht wirklich störende Haarsträhne aus dem Gesicht und streckte den leicht nach vorne gebeugten Rücken wieder durch. „Verstehe. Das tut mir leid“, meinte sie etwas hastig und abgeklärt, äusserte damit die Worte, von denen sie glaubte, dass er sie wohl von jeder Person zu hören bekam, der er sowas erzählte. Und sie hatte soeben ihre Meinung geändert - sie wollte lieber nicht mit ihm über sein Trauma oder irgendwelche weiteren Details diesbezüglich reden. Sah die Bilder von Schüssen, Explosionen, Feuer und sterbenden Menschen selber viel zu klar vor ihrem inneren Auge, als dass sie diese Ausführungen brauchte. Es war gut, dass der Rückweg zum Krankenhaus wohl kaum mehr als zwanzig Minuten dauern würde, sie sich also auch gar nicht zu lange damit befassen musste. Und ein Blick auf die Uhr verriet zudem, dass ihre Schicht schon sehr bald zu Ende war - was ihr ebenfalls nur Recht war. Blieb zu hoffen, dass bis dahin kein weiterer Notfall mehr reinkam und sie sich mit Reinigung und ähnlichen Nebensachen beschäftigen konnte, bis sie ihren Arsch zum Privatauto schleppen durfte. Faye wandte den Blick wieder von dem Mann, der sich für weitere Unterhaltung von ihrer Seite gerade einen Moment gedulden musste, ab, um sich stattdessen dem Ausfüllen des Rettungsprotokolls zu widmen. Besonders viele Informationen hatte sie ja bisher nicht von ihm bekommen, aber es gab trotzdem genug zu schreiben, was für eine oder zwei Minuten Ablenkung versprach.
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Ich rollte beim Kommentar der Sanitäterin hinsichtlich unseres Gesprächs flüchtig die Augen nach oben, konnte mir das schlichtweg nicht verkneifen. Allerdings zuckten dabei auch meine Mundwinkel kurzzeitig nach oben, weil ich das Augenrollen im Grunde nicht böse meinte. An und für sich war es gut, dass der Krankenwagen mich eingesammelt hatte. Zwar hätte ich die Wundversorgung vielleicht noch irgendwie allein hingekriegt, wenn ich es auf Biegen und Brechen bis zum Verbandskasten meines Trucks ein paar Straßen weiter geschafft hätte, aber da war meines Wissens nach nichts zum Desinfizieren drin. Wahrscheinlich wäre ich ohne fachmännische Wundversorgung früher oder später also krepiert, wenn sich die Verletzungen übel entzündet hätten. War sehr fragwürdig, wie sauber Seans Taschenmesser gewesen war. Vermutlich wollte ich gar nicht wissen, was er mir damit alles für Dreck in den Blutkreislauf gestoßen hatte. Trotzdem brachte der Aufenthalt im Krankenhaus auch zwangsläufig Probleme für mich und deshalb würde ich wohl förmlich aus der Notaufnahme flüchten, sobald die Wunden geflickt und ein Antibiotikum verabreicht war, das mich vor Wundinfektion schützen sollte. Blieb zu hoffen, dass mich Niemand daran zu hindern versuchen würde, weil es dann zwangsweise unangenehmer werden würde, als ohnehin schon vorprogrammiert war. "Nein. Mit einer Anzeige wird man solche Leute nicht los.", stellte ich wenig später dieses Mal für die junge Frau hörbar fest. Redete eigentlich nur weiter, weil mich das zumindest ein bisschen davon ablenkte, dass mein Kopf und vor allem meine Ohren mich gerne weiterhin auf dem Schlachtfeld haben wollten. Ihre Reaktion auf meine nur sehr knappe Erzählung hinsichtlich meines Traumas ließ mich die Augen leicht zusammenkneifen und sie erst recht etwas akribischer mustern. Ich wusste nicht wieso, aber es schien ihr etwas näher zu gehen, als es das bei einem Menschen tun würde, der mit der Kriegsführung dieses Staates so gar nichts am Hut hatte. Vielleicht hatte sie Verwandte, die im Krieg gefallen oder so wie ich mehr oder minder dem Wahnsinn verfallen waren. Oder ich war einfach nur nicht der erste Veteran, den sie von der Straße fischte und sie hatte mit einem anderen schon unschöne Erfahrungen gemacht. Ich dachte in diesen Sekunden an vieles - nicht aber daran, dass sie selbst schon zwischen durch die Luft zischenden Kugeln gestanden hatte. Schlicht und ergreifend deswegen, weil sie nicht so aussah. Kein bisschen. Auch ihre nervöse Reaktion und der Klang ihrer Worte ließen nicht darauf schließen, dass sie diese Information gerne gehört hatte und es ihr auf irgendeiner Ebene nahe ging. Meine rechte Augenbraue wanderte von ganz allein etwas nach oben, kurz bevor ich etwas auf jene Worte erwiderte. "Langsam hab ich das Gefühl, dass dieser Satz in irgendeinem Lehrbuch steht." Der leicht verbitterte Sarkasmus war nicht zu überhören und ich schüttelte kaum sichtbar den Kopf, bevor ich die Augen eine Weile lang zumachte. Es war wohl dem Blutverlust und dem langsam weichenden Adrenalin zu verdanken, dass ich damit anfing mich etwas überrollt zu fühlen. Außerdem machte mich jener Satz auch einfach müde. Warum sagte man sowas? Ich verstand das bis heute nicht. War ja nicht so als könnte irgendein Therapeut oder Arzt oder Sanitäter irgendwas dafür, dass ich mich der Armee verschrieben hatte. Das war meine Entscheidung gewesen, auch wenn der Weg gewissermaßen von meinem Vater eingeleitet worden war. Trotzdem hatte ich den fatalen Fehler am Ende meiner Karriere ganz allein selbst gemacht und es war demnach vollkommen unnötig, dass hier Irgendjemanden Irgendwas leid tat. Ich drehte den Kopf erst nach drei oder vier Minuten - in denen ich mir weiter den schwerer werdenden Kopf über eine Parallele zwischen ihr und meinem Trauma zerbrach - wieder zu der Brünetten, um die Augen zu öffnen und sie anzusehen. "Und zum Überspielen hat's auch nicht gereicht.", hängte ich verspätet noch ein paar Worte mehr zu meinen vorherigen an. Erwartete darauf auch gar nicht zwingend eine Antwort, hatte diese Feststellung einfach nur in den Raum des Krankenwagens stellen wollen. Weit war es bis zum Krankenhaus wahrscheinlich jetzt sowieso nicht mehr, also würden sich unsere Wege bald trennen. Leider beantwortete mir dann nichts meine bestehen bleibende Frage, aber inzwischen war ich zu gut erzogen worden, um wortwörtlich tiefer nachzubohren. Wohl auch deswegen, weil mir meine eigene Privatsphäre über die Jahre bei der Army heilig geworden war. Und auch weil es dort ungute Konsequenzen haben konnte, wenn man den falschen Leuten die falschen zu aufdringlichen Fragen stellte.
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Die Antwort kam durchaus erwartet, Faye hatte wie gesagt ohnehin nicht damit gerechnet, dass er sich für eine Anzeige entscheiden würde. Und sein Argument machte ebenfalls Sinn. Es war nunmal leider wahr, dass Rivalitäten und Auseinandersetzungen dieser Art, in welcher Form und zu welchem Zweck auch immer, meistens nicht besser wurden, wenn einer bestraft aber nicht eingebuchtet wurde. Selbst mit Gefängnisstrafe gab es genügend Fälle, in denen die Inhaftierten dann einfach durch Drittpersonen Rache ausübten. Also tat der Geschädigte heute wohl gut daran, das Ganze einfach zu vergessen und zu hoffen, dass es nicht wieder vorkam. Sie beugte sich ein Bisschen fokussierter als nötig über das Rettungsprotokoll, als schliesslich Stille eingekehrt war, wusste auch nicht recht, was sie ausser einem Schulterzucken noch auf seinen sarkastischen Kommentar zu ihrem dämlichen Beileidsspruch erwidern sollte. Ja, der Satz war sinnlos gewesen, das wusste sie selber am allerbesten, hatte sie ihn doch ebenfalls oft genug zu Ohren bekommen. Aber genau darum hatte sie ihn auch von sich gegeben - weil das eben jeder tat und sie nicht wollte, dass er dachte, sein Trauma würde in ihrem Kopf eine andere Antwort auslösen als bei anderen. Sie hatte die Details auf dem Fragebogen nahezu fertig ausgefüllt, als der Dunkelhaarige sich nach einem Moment der Stille wieder ihr zuwandte, um ihr zu eröffnen, dass ihr genau das im Übrigen trotzdem kaum bis gar nicht gelungen war. Ihre Finger hielten mitten im Satz inne und sie biss sich erneut auf die Innenseite ihrer Unterlippe. Sie sollte sich davon nicht verwirren lassen. Von seinen Worten nicht und von den Geschichten nicht. Überhaupt war jetzt nicht der Moment, über die dunkelsten Kapitel ihrer Vergangenheit nachzudenken. Darum schüttelte sie leicht, mehr zu sich selbst, den Kopf, legte das Protokoll schliesslich wieder zur Seite, weil es nicht mehr Informationen gab, die sie auf den Zeilen verewigen konnte. "Tja... Tut mir leid, dass ich Sie damit vor das riesige Rätsel zu den Gründen meines unprofessionellen emotionalen Ausrutschers gestellt habe. Dann müssen Sie sich jetzt wohl auch selber was ausdenken - so wie ich, wenn es um ihren Namen, ihre Herkunft und die Gründe ihrer Auseinandersetzung geht. Klingt fair", gab sie ihren Unwillen, näher darauf einzugehen, bekannt, bemühte sich aber darum, die Worte nicht allzu zickig in seine Richtung zu schleudern sondern sie lieber weiter unter einer Schicht Ironie zu verpacken. Sie war immer noch auf der Arbeit und es war ja nicht seine Schuld, dass sie gefragt hatte. Oder dass sie sein Trauma bis zu einem gewissen Punkt teilte. Was er nur glücklicherweise nicht erahnen konnte, da so gut wie alle ihre Narben unter der langen Kleidung versteckt blieben. Bis auf den glücklicherweise relativ kleinen dunklen Fleck unter ihrem Kinn, den ihr der Elektroschocker damals gemalt hatte. War aber das Harmloseste der drei Brandmale und störte sie mittlerweile auch nicht mehr wirklich. Abgesehen davon hatte es eben noch andere Gründe als ihre persönliche Sicherheit, dass sie immer die Jacke trug, wenn sie ausrückten. Da war eine fette Narbe über ihrem linken Ellbogen, da, wo ihr ein wütender Syrer einmal sein Messer in den Arm gerammt hatte. Noch weniger wollte sie aber, dass irgendein Patient ihren rechten Unterarm zu genau musterte, weil die feinen Linien, die sie sich dort am Rande ihres psychischen Ruins selbst gemalt hatte, sicherlich die ein oder andere Person an ihrer Eignung für diesen Beruf zweifeln liessen. Also nein, der gute Herr auf der Liege konnte nur darüber rätseln, was sie wirklich mit der Kriegsthematik verband. Wahrscheinlich würde er auch kaum je auf die Wahrheit kommen und das war gut so. Sie musterte erneut für einen Moment das EKG und dann wieder sein Gesicht. "Wie gehts Ihnen mit den Schmerzen?", wechselte sie dann erstmal das Thema, gerade auch im Anbetracht der Tatsache, dass sie sicherlich bald das Krankenhaus erreichten. Das Medikament aus der Flasche sollte mittlerweile seine Wirkung zeigen und sie würde ihn auch gerne ohne unnötige zusätzliche Beschwerden übergeben.
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Es war sicherlich ein bisschen gemein, dass ich ein Faible dafür hatte Leute in mildem Ausmaß aus dem Konzept zu bringen. Meistens nur dann, wenn ich selbst nicht allzu guter Laune war und irgendwas zur Belustigung brauchte, aber es war in der Regel eben amüsant anzusehen. Außerdem war das so als Sergeant auch gar nicht verkehrt, holte man sich auf diese Weise mit ein paar richtigen Worten doch recht leicht den Respekt eines zu frechen Rekruten zurück, der dadurch bloßgestellt wurde. Ich war immer fair gewesen, aber so manch einer hatte es mit seiner großen Klappe schlichtweg nicht anders verdient, als mal kurz an seinen Posten in der Nahrungskette erinnert zu werden. Die junge Frau hier hingegen... hatte es sicherlich nicht verdient, aber ich litt gerade doch dezent und suchte mir ein Ventil dafür. Konversation war da ein nicht zu schlechtes Mittel und außerdem wusste die Brünette sich auch zu wehren, wie sie nach einem erneuten, kurzen Aussetzer beim Schreiben unter Beweis stellte. Sie entlockte mir mit der schnippischen Wortwahl doch ein schwaches und auch nur kurzes Grinsen, zu dem so manch anderer in meiner Situation gar nicht fähig wäre. Wahrscheinlich hatte sie gar keine andere Wahl in diesem Beruf - musste eben immer irgendwas zu sagen wissen, wenn sie von einem wenig begeisterten Patienten wie mir genervt wurde. Ich machte ihr den Job wohl auch nicht unbedingt leicht, also sei ihr ein kleiner Anflug von Zynismus durchaus gegönnt. "Nicht schlecht.", war meine erste Antwort auf ihren Konter, mit der ich mich durchaus zufrieden damit zeigte, dass sie sich nicht noch weiter von mir aus der Fassung bringen ließ. Zumindest eben nicht mehr, als das vorher schon der Fall gewesen war. Es lag mir inzwischen wohl einfach im Blut meine Mitmenschen auf die Probe zu stellen und ihr Maß an Belastung herauszufinden, war das mitunter doch die letzten Jahre mein Job gewesen. Sicherlich war das einer der Verhaltenszüge, den ich nur noch schwer ablegen konnte, auch wenn er nicht besonders nett war. Man fuhr gut damit seine Mitmenschen einschätzen zu können, auch wenn unser beider Wege sich schon sehr bald trennen würden. "Du musst mich übrigens nicht Siezen... es sei denn du bestehst drauf, natürlich.", ließ ich sie noch wissen, dass ich kein Problem damit hätte, wenn sie sich das Sie sparen würde. Natürlich konnte sie auch so weitermachen, aber es war für mich einfach nicht nötig. Ich konnte mit der Musterung ihrer Gesichtszüge kaum einschätzen wie viel jünger als ich sie war, vermutlich ohnehin nur ein paar Jahre. Außerdem trug ich meinen Dienstgrad nicht mehr mit mir herum, also konnte ich für meinen Teil auf das Siezen gut verzichten. Zumal ich da ja sowieso schon die ganze Zeit auch gar nicht mitmachte, ihr war das vermutlich im Job aber so vorgeschrieben. Was meine Schmerzen anging realisierte ich erst jetzt, dass sie schon etwas nachgelassen hatten. War wahrscheinlich auch ein bisschen in der Unterhaltung untergegangen und es war ohnehin mehr der Lärm, der mir zu schaffen machte. "Ist schon besser.", antwortete ich wahrheitsgemäß und zuckte kaum sichtbar mit den Schultern. Unter jener Bewegung tat der Schnitt am Arm dann doch noch weh, aber das war nur minder der Rede wert. Es war eher die Stichwunde unweit meiner Hüfte, die beim durchs Fahren entstehende Rütteln ab und an sehr unangenehm zwickte. Aber eben auch schon nicht mehr so schlimm wie vorher. Ich folgte ihrem Blick aufs EKG, auch wenn ich selbst kaum beurteilen konnte, ob die Werte vollkommen im Normalbereich lagen oder nicht. Also sah ich schon bald wieder zurück zu ihr. "Wie lang brauchen die Cops normalerweise, bis sie da sind? So ungefähr?", hakte ich nach. Wahrscheinlich wusste sie das gar nicht, weil sie an und für sich mit ihren Patienten nichts mehr zu tun hatte, sobald sie in ärztliche Hände übergeben waren. Falls doch wäre es aber gut zu wissen - sofern sie es mir denn verraten wollte. Falls ich keine brauchbare Aussage dazu von ihr bekam, würde ich mich einfach grundsätzlich damit sputen wieder aus dem Gebäude rauszukommen, das wir gerade erreicht zu haben schienen. Vermutlich waren die Bullen noch eine kleine Weile mit den Zeugenaussagen beschäftigt - irgendwer musste ja den Notruf gewählt haben -, aber ewig dauern würde das nicht. Ich tat also mit Sicherheit gut daran den Papierkram einfach schnell - und stellenweise absichtlich falsch - auszufüllen, um zeitnah gewohnt hinkend die Biege zu machen. Nur wohl noch etwas humpelnder als sonst, der Stichwunde wegen.
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Tatsächlich zuckten auch Fayes Mundwinkel für eine Sekunde leicht nach oben, als sie die anerkennende Reaktion auf ihre sarkastische Feststellung vernahm. "Danke", erwiderte sie trocken, als hätte er ihr gerade ein fettes Kompliment entgegengebracht. Es fiel ihr im Gegensatz zu ihrer Empfindlichkeit im Privatleben in der Tat sehr viel leichter, sich die Launen ihrer Patientinnen und Patienten auf der Arbeit nicht zu Herzen zu nehmen. Aber das war auch gut so, weil sie es sich nicht leisten konnte, jedes Mal heulen zu gehen und wie ein getretener Hund für den Rest des Tages den Kopf hängen zu lassen, kaum kam ihr irgendwer blöd. Die meisten Insassen dieses Rettungswagens waren ihr zwar durchaus dankbar oder zumindest freundlich gestimmt, aber jeder Mensch reagierte anders auf Schmerzen, Angst und Verzweiflung, weshalb besonders mitfahrende Angehörige doch nicht zu selten zu einer ungünstigen Wortwahl neigten, die sie in diesem Zustand aber doch keinem anschwärzte. Sie fand eigentlich sogar, dass der junge Mann hier neben ihr sich bisher relativ anständig benahm - abgesehen von der Tatsache, dass er sich nicht so kooperativ zeigte, sobald es um persönliche Daten und aufschlussreiche Details ging. Aber wie gesagt, das war echt nicht primär ihr Problem. Auch nicht sekundär. Eher gar nicht. Erneut huschte ein wieder deutlich entspannteres Lächeln über ihr Gesicht, wie er ihr erklärte, dass sie das Siezen eigentlich sein lassen konnte. Sie hatte nichts dagegen. Grundsätzlich begann sie immer beim Siezen ausser es handelte sich um ein Kind, aber wenn irgendwer glaubte, das ändern zu wollen, gab es für Faye keinen Grund, daran festzuhalten. Die Idee dahinter lag ja in der vorsichtigen Distanz, die eine solche Art zu Sprechen automatisch zwischen ihnen aufbaute. Aber da sie ihn eh bald aus ihrer Aufsicht entliess und sie dieses Niveau an Professionalität auch anderweitig aufrechterhalten konnte, nahm sie sein Angebot trotz fehlendem Namen, den sie zum Ansprechen brauchen könnte, an. Normalerweise fügte man, wenn beschlossen wurde, das Sie zu begraben, dem Vorschlag ja seinen eigenen Vornamen an. Schien ihr Patient aber weiterhin für unnötig zu halten und sie hackte ausnahmsweise kein zweites Mal nach. "In Ordnung", äusserte sie ihr Einverständnis mit einem kurzen Nicken, erwartete dann zufrieden seine Antwort bezüglich der Schmerzen. Und diese schienen sich tatsächlich positiv vom Schmerzmittel beeinflussen zu lassen, was im Grunde auch alles war, was sie hatte hören wollen. Sie hatte ihm natürlich nicht die krasseste Dosis des stärksten Mittels verabreicht - erneut weil sie dazu auch einfach nicht befugt war - aber doch etwas, das bei der Durchschnittsbevölkerung durchaus Wirkung zeigte. So scheinbar auch bei ihm. Es wirkte scheinbar so gut, dass er sich längst wieder um ganz andere Dinge sorgen konnte als die Schnitte in seinem Körper, wie beispielsweise dem bevorstehenden, zwangsläufigen Besuch der Polizei. Die Brünette musterte erneut seine Gesichtszüge, hob dabei fragend eine Augenbraue an. „Warum klingt das nach einer sehr spezifischen Frage, die jemand stellen würde, der nicht vorhat, sich mit den Cops zu unterhalten..?“, fragte sie langsam, ohne den Blick abzuwenden. „Du brauchst dich kaum um deren Besuch zu sorgen - die werden nur weitere Fragen zu der Auseinandersetzung stellen, aber wenn du keine Anzeige erstatten willst, wird das Gespräch auch entsprechend kurz ausfallen…“, fügte sie hinzu, wobei sie gedanklich noch sowas wie es sei denn, du fürchtest dich aus anderen Gründen als dieser Meinungsverschiedenheit vor ihnen anhängte. Ob er kriminell war? Grundsätzlich wäre das ebenfalls nicht ihr Problem, aber sie hoffte es wirklich nicht. Viele Kriegsveteranen fielen nach ihrer Heimkehr aufgrund ihres PTSD aus dem Raster, weil sie nicht mehr nach den Ansprüchen der Gesellschaft funktionierten. Es war aller Anschein nach wahrscheinlich keine besonders abwegige Vermutung, dass das auch bei ihm der Fall war und er weniger Glück als sie und Victor gehabt hatte, als es um die Bewältigung seines Traumas gegangen war. Naheliegend, dass ihn das auf die Strasse getrieben hatte und wenn sie so darüber nachdachte, war es schon fast naiver Glaube an das Gute im Menschen, der sie bis jetzt nicht wirklich drauf hatte kommen lassen, es hier mit einer potenziell kriminellen Person zu tun zu haben. Auch wenn er dafür sicher seine Gründe hatte und ihre Empathie bislang trotzdem massiv überwiegte als ihre Abneigung gegenüber jeder Art von Verbrechen. „Ich weiss nicht, wie lange sie brauchen. Aber auf jeden Fall hat die medizinische Versorgung Priorität und die Wunden werden zuerst ordentlich kontrolliert und zusammengeflickt, bevor überhaupt irgendwer sich mit dir über Formalitäten unterhält“, beantwortete Faye letztendlich so gut sie eben konnte seine Frage, ohne ihren nachdenklichen Blick abzuwenden.
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Die kleineren Unstimmigkeiten waren fürs erste wohl vergessen und auch das Sie wurde bei Seite gelegt. Wir bewegten uns demnach mehr oder weniger auf Augenhöhe miteinander, als die Brünette sich schließlich sichtbar durch meine Frage irritiert wieder mir zuwendete. Ich hatte allerdings längst damit gerechnet, dass sie auch diese Worte von mir etwas genauer hinterfragen würde. Mindestens gedanklich, aber sie stellte mir mitsamt ihrer hochgezogenen Augenbraue sogar eine indirekte Frage dazu, mit der sie den Nagel auf den Kopf traf. Es klang nämlich so, weil es ganz genau so war - ich konnte auf die Gesetzeshüter bestens verzichten. Allerdings hatte das mit meinen jetzigen Verletzungen und dem Streit mit Sean absolut nichts zu tun. In diesem Fall war schließlich ich das Opfer und nicht derjenige, der der Körperverletzung bezichtigt werden würde. Das war für meine Frage demnach nicht ausschlaggebend. Es ging eher um zwei bis drei Angelegenheiten, die schon vorher passiert waren und in denen zweifelsfrei ich einer der Schuldigen war. "Weil's so ist.", bestätigte ich sie knapp, aber absolut gleichgültig in ihrer Vermutung. Es wäre für die Sanitäterin auch ohne diese wörtliche Bestätigung ein Leichtes gewesen, zu dieser Feststellung zu kommen. War sie ja mehr oder weniger schon durch ihre Gegenfrage. Zu sagen, dass ich mich um den Besuch der Cops wirklich sorgen würde, wäre ein bisschen zu viel des Guten, weil ich mir dafür viel zu sicher war, dass ich ihnen erfolgreich durchs Netz gehen würde. Das einzige Hindernis dabei war die Zeit, die der behandelnde Arzt brauchen würde, um meine Verletzungen zu flicken. Es blieb also zu hoffen, dass die Stichwunde nicht zu kompliziert zu kitten sein würde. Die Klinge des Taschenmesser war nicht so lang gewesen, ich hoffte also einfach mal das beste für mich selbst. Dass die Brünette nicht zu wissen schien, wie lang die uniformierten Idioten brauchen würde - die in meinen Augen zeitweise wirklich zu leicht auszutricksen waren, als das man sie wirklich ernst nehmen konnte - war für meine spätere Flucht nicht wirklich produktiv, aber ich mehr als das würde ich wohl nicht kriegen, also nahm ich das einfach mit einem leisen Seufzen zur Kenntnis. Wenigstens schienen die Wunden zuerst versorgt zu werden. Vielleicht hätte ich die Möglichkeit dazu mich unauffällig zu verziehen, noch bevor das Krankenhauspersonal mit dem Papierkram zu mir kam. Es war sicher alles andere als ratsam sich mit einer frisch genähten oder getackerten Wunde sofort wieder zurück auf die Beine zu hieven und aus dem Hospital zu spazieren, aber es ging halt nicht anders. Ich hatte kein Geld für Gerichtsverfahren oder Geldstrafen und wollte auch schlichtweg nicht in den Knast - je nach dem, was sie mir vorwarfen, war auch eine kurze Haftstrafe vielleicht nicht gänzlich auszuschließen. "Das hilft mir... zumindest fast.", meinte ich nicht ganz zufrieden mit der Antwort. Die erlangte Information war zwar nur mehr oder weniger für mich zu gebrauchen, aber es war besser als gar keine Antwort auf meine Frage. Schließlich beantwortete ich die Fragen der jungen Frau auch nur oberflächlich, sie hätte sich also weiß Gott nicht verpflichtet dazu fühlen müssen. Der Krankenwagen schien indessen final anzuhalten und daraufhin dauerte es auch nicht lange, bis die Anwesenden sich von ihren Sitzen erhoben und die Tür am Heck des Transportwagens aufging. Die Stichwunde piekte doch ordentlich, als ich schließlich ausgeladen wurde, weil der eine oder andere kleine Ruck an der Trage schlichtweg nicht vermeidbar war. Deshalb verzog ich auch ein, zwei Mal angespannt die Mundwinkel, was aber die einzige Reaktion auf die Schmerzen blieb. Im Verhältnis dazu wurde mein Gesichtsausdruck sehr viel kritischer, als uns der Arzt drinnen kurz nach dem Passieren des Eingangs zur Notaufnahme empfing. Ich war bei Menschen mit weißen Kitteln schon skeptisch, seit ich denken konnte, was wohl ganz einfach daran lag, dass ich Arztbesuche als Kind auf den Tod gehasst hatte. Andererseits war ich damals ohnehin von allem angepisst gewesen, was nicht nach meinen Vorstellungen abgelaufen war, also war das vielleicht nicht ganz so ausschlaggebend. So oder so trat ich Ärzten einfach mit einer in meinen Augen gesunden Vorsicht entgegen. Konnte schließlich das eigene Leben von abhängen, die Kittelträger unter die Lupe zu nehmen schadete also bestimmt nicht.
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Zugegeben hatte die Brünette wirklich nicht mit dieser Antwort gerechnet. Nicht, weil es sie nach ihren vorangehenden Gedankengängen sonderlich überraschte, dass der junge Mann offenbar kein Bedürfnis verspürte, sich mit den Cops zu unterhalten, sondern weil sie nicht geglaubt hatte, dass er das tatsächlich so einfach zugeben würde - als wäre nichts dabei. Wahrscheinlich blickte sie ihn darum auch einen Moment durchaus irritiert an, wusste nicht so Recht, was sie darauf denn noch sagen sollte. "Komm' einfach besser nicht auf dumme Ideen", murmelte sie nur noch, als Jackson bereits schon den Wagen parkte, ihr Gespräch somit unterbrach, bevor sie noch weitere Äusserungen zum Thema nachschieben konnte. Und auch bevor sie sich zu viele Möglichkeiten potenziell dummer Ideen ausdenken konnte. Faye war nicht ganz sicher, ob sie tatsächlich froh drum war, ihn nun schon aus ihrer Verantwortung zu geben und dem Krankenhauspersonal zu überlassen. Eigentlich war es gut, wenn sie sich nicht länger als nötig mit Menschen unterhielt, die in ihr Erinnerungen weckten, die sie lieber schlafen liess. Aber es gab eben doch auch Fälle in ihrem Arbeitsalltag, die ihr etwas näher gingen. Bei denen sie sich teilweise auch Tage und Wochen später noch fragte, wie es den Geschädigten wohl mittlerweile erging. Bei denen sie der Versuchung das durch die Klinik vervollständigte Protokoll und den später erstellten Bericht zu lesen, nicht wie üblich problemlos widerstand. Und sie könnte beinahe jetzt schon wetten, dass er aufgrund ihrer kleinen, feinen, nicht ganz harmlosen Gemeinsamkeit ganz sicher dazugehören würde. Doch auch das brauchte der Dunkelhaarige nicht zu wissen, während sie ihn in die Notaufnahme schoben, wo sie sehr bald vom hierfür geübten Personal abgelöst wurden. Es blieb ihr also nur noch ein schwaches Lächeln in seine Richtung, begleitet von den üblichen Wünschen einer raschen Genesung und dem finalen auf Wiedersehen, bevor sie sich abwandte, um mit der leeren Trage den Rückweg zum Rettungswagen anzutreten. Womit sich ihre Wege wohl zumindest physisch für immer trennten, wie sie innerlich relativ sicher prophezeite. In ihren Gedanken hingegen würde er vermutlich noch eine Weile herumschwirren. Der Rest ihres Arbeitstages zog sich relativ zäh dahin, auch wenn es kaum mehr eineinhalb Stunden waren. Glücklicherweise wurde ihr Gebet erhört und weitere Einsätze blieben aus, was sie mit der Aufgabe der erneuten Instandstellung des Rettungswagens und der Kontrolle eines weiteren Schrankes beschäftigt liess. Dass sie dabei etwas weniger empfänglich für sein Gerede war, schien Gab indes erst nach einer ganzen Weile aufzufallen - was nicht heissen sollte, dass er sich davon beirren liess oder gar die Klappe hielt. Was vielleicht auch besser so war - das Hintergrundgeräusch seiner Erzählungen bewahrte sie wenigstens teilweise vor den bösen Spielchen, die ihre selbstzerstörerischen Gedanken manchmal bevorzugten. Als um 22:00 Uhr schliesslich der Schichtwechsel anstand und ihre Kollegen eintrudelten, war sie doch ganz froh drum, sich nach der kurzen Übergabe in die Garderobe zu ihrem Spind verkrümeln zu dürfen. Sie stieg aus den Arbeitsklamotten und stattdessen in eine kurze bequeme Hose und ein schlichtes Top, schlüpfte noch in eine dünne Jacke, falls es draussen - auf den paar Metern von hier zum Parkplatz - tatsächlich schon kühler sein sollte, als sie das eigentlich erwartete. Dann schnappte Faye sich aber nur noch ihre Tasche, um mit einem finalen Seufzen in die Sneakers zu schlüpfen und sich durch einen Nebenflur auf den Weg nach draussen zu machen, wobei sie Victor anhand einer kurzen Textnachricht vorwarnte, dass sie sich gleich sehr müde neben ihn auf die Couch - oder auch direkt ins Bett - zu kuscheln plante.
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Dumme Ideen lagen immer im Auge des Betrachters, oder? Langfristig gesehen war es wahrscheinlich wirklich nicht besonders schlau sich vor der Justiz verstecken zu wollen, weil einen sowas früher oder später ziemlich sicher wieder einholte und mir bis jetzt zumindest noch nichts Schlimmes vorgeworfen wurde. Bewaffneter Raub war zwar gewiss kein Kavaliersdelikt, aber ich hatte nie Irgendjemanden verletzt. Redete mir auch gerne ein, dass ich das gar nicht könnte, weil es sich dabei um Unschuldige handelte, obwohl ich im Krieg nie ein Problem mit dem Abdrücken gehabt hatte. Ich bewegte mich damit sicher auf dünnem Eis, aber wie auch immer. Ich dachte für gewöhnlich lieber nicht länger darüber nach, als ich das musste. Dennoch entlockten mir die Worte der jungen Frau noch ein flüchtiges Grinsen, weil ich es einfach mochte, wenn sich Jemand den Kopf darüber zerbrach, was ich potenziell anstellen könnte. Auch so eine Sache, die ich bis zu meinem Wechsel in die Militärschule dauerhaft provoziert hatte. Seitdem war ich weit weniger chronisch streitlustig und hatte auch viele Verhaltensmuster von damals erfolgreich eliminiert, aber das war wohl eines der Dinge, die sich nicht geändert hatten. Zumindest zivil nicht, in der Army war dafür logischerweise kein Platz gewesen. Ich erwiderte auf die guten Wünsche, die mir die Brünette noch zum Abschied zukommen ließ, nur mehr einen schlichten Dank und erwiderte ihren Blick noch für einen Moment, bevor sie auch schon aus meinem Sichtfeld verschwand. Aufgrund der Tatsache, dass kurz darauf auch schon der behandelnde Arzt nach meiner Aufmerksamkeit verlangte, verschwand die Sanitäterin erstmal gänzlich aus meinem Kopf. Tatsächlich blieben formelle Fragen vorerst hintenan und er stellte mir nur Fragen danach, wie es mir ging, welche Blutgruppe ich hatte und was genau passiert war, damit er sich dementsprechend um die Verletzungen kümmern konnte. Die Schnittwunde am Arm war eher nicht das Problem, aber die Stichverletzung schien deutlich zu tief zu sein, um sie einfach nur oberflächlich zu nähen. Ich kam um eine schnelle, kurze OP nicht herum, wenn ich nicht morgen krepieren wollte, weil ich schlichtweg verbluten oder sich das Blut hinter einer nur oberflächlichen Naht stauen würde. Das wirbelte meinen einstigen Plan - falls man das so überhaupt nennen konnte - komplett durcheinander und er bestand auch auf eine vollständige Sedierung, statt mir nur eine lokale Betäubung für die Operation zu geben. Ich schloss also beinahe schon meinen Frieden damit den Cops die Hand schütteln zu müssen, als ich wegen der Sedierung langsam wegtrat. Das einzig Gute daran war wohl, dass dann auch endgültig die akustischen Halluzinationen ihr Ende fanden. Als ich wieder aufwachte war etwas weniger als eine Stunde vergangen. Mein Kopf war wahnsinnig schwer, als die Narkose in ihren letzten Zügen dahinschwand und ich fühlte mich in den ersten Sekunden deutlich mehr tot als lebendig. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich geradeaus schauen konnte, ohne dass mir dabei schwarz vor Augen wurde. Lag sicherlich auch an dem Blutverlust, der inzwischen durch eine Blutkonserve aber eigentlich ausgeglichen sein müsste. Zumindest wieder im halbwegs gesunden Bereich liegen müsste, weil andernfalls hier Jemand seinen Job verkackt hätte. Ich begann mich umzusehen, lag vermutlich noch in irgendeinem separaten Raum, der einstig dem Aufwachen aus der Narkose diente. Mein Oberkörper lag frei, aber die Wunde war durch ein großes Pflaster abgedeckt. Ich hätte sie mir gerne genau angesehen, ebenso wie den einstigen Schnitt am Arm. Der war ebenfalls abgedeckt, wohl um Bakterien fernzuhalten. Ich setzte mich auf und fluchte bereits dabei leise vor mich hin. Es tat trotz der Schmerzmittel weh und es dauerte nicht lange, bis eine Schwester durch eine gläserne Wand hindurch bemerkte, dass ich versuchte mich hier selbstständig zu machen. Sie legte sofort ihren Stift bei Seite und kam zu mir rein, um mir zu sagen, dass ich tunlichst still liegen bleiben sollte. Sie verbannte mich zurück auf die Liege und mir blieb erstmal nichts anderes übrig, als noch etwas abzuwarten. So lange, bis ich ein Patientenzimmer verlegt wurde, weil ich so tat, als hätte ich eine Krankenversicherung und als würde ich die Rechnung, die durch den ganzen Aufwand hier entstand, nicht eigentlich selbst zahlen müssen. In dem Zimmer hatte ich dann endlich meine Ruhe - bis auf einen Zimmergenossen, mit dem ich nicht wirklich Bekanntschaft schloss. Stattdessen fing ich an mich auf die Beine zu quälen und hinkte mir die Stichwunde haltend gefühlt in Zeitlupe zu seinem Schrank. Stahl mir einen grauen Pullover aus seinen Sachen und zwängte mich auf noch sehr wackeligen Beinen hinein. Kippte beinahe um und konnte mich nur in letzter Sekunde an dem Handlauf an der Wand festhalten. Der Kerl brabbelte die ganze Zeit irgendwas vor sich hin, aber ich hörte ihm nicht zu. Hangelte mich stattdessen an der Wand entlang bis zur Tür. Die Schwester hatte schon angekündigt, dass sie gleich für das schriftliche Festhalten der Formalitäten noch einmal wiederkommen würde. Als ich durch die Zimmertür in den Flur hinaus sah, sah ich sie einige Meter links den Gang runter mit einer anderen Schwester reden, das Klemmbrett mit dem Papierkram schon in den Händen. Es war also höchste Eisenbahn mit übergezogener Kapuze den entgegengesetzten Weg einzuschlagen und mich so unauffällig wie möglich den Gang entlang zu bewegen. Angesichts meiner Verletzungen war die Treppe so ziemlich die ungünstigste Alternative zum Fahrstuhl am anderen Ende des Flurs, aber ich musste glücklicherweise auch nur ein einziges Stockwerk nach unten schaffen, um wieder im Erdgeschoss anzukommen. Bevor ich dort aber die Tür am Treppenhaus hinter mir ließ, musste ich noch einmal kurz innehalten und durchatmen. Das Schicksal schien es gut damit zu meinen, dass ich noch einen kurzen Moment brauchte um weitergehen zu können, weil sich die Polizisten in genau dem Moment in die Eingangshalle bewegten, in dem ich die Tür aufzog. Natürlich ließ ich sie sofort wieder zufallen und wartete dann erst einmal ab, bis sie vom Empfang weg und eindeutig außer Sichtweite waren. Das schmale Glasfenster in der Tür leistete mir dabei ausgezeichnete Dienste. Schließlich stahl ich mich also mehr oder weniger mit gerader Körperhaltung in den Eingangsbereich und steuerte von dort an direkt die Schiebetüren an, die mich in die Nachtluft entlassen würden. Es verlangte mir wahnsinnig viel ab, nicht bei jedem Schritt der schmerzenden Wunde wegen einzuknicken und mir war ununterbrochen schwindelig dabei, aber ich hatte es geschafft. Ich schleppte mich noch einige Meter weit vom Eingang weg, musste schließlich aber doch noch einmal an einer Straßenlaterne innehalten, mich festhalten und durchatmen. Sicher eine halbe Minute lang, in der ich den Kopf zuerst noch gen Boden gesenkt hielt, ihn dann aber schließlich mit einem noch etwas angeschlagenen Grinsen auf den trockenen Lippen anhob. Allerdings versiegte das siegessichere Grinsen doch sehr schnell wieder, als ich erneut zum Gehen ansetzte. Ich würde wohl mindestens bis zur nächsten Telefonzelle kriechen müssen, um mir ein Taxi zu rufen, das mich zu meinem Truck zurückbrachte. Da hatte ich tatsächlich noch ein paar wenige Scheine, die ich dafür opfern konnte. Es war in jedem Fall besser, als hier gleich doch noch eingesammelt zu werden.
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Es musste eine ziemlich dämliche Eingebung der Götter gewesen sein, die sie dazu veranlasste, auf dem Weg zum Auto nicht wie üblich ihre berufsbedingte Alarmbereitschaft und Wachsamkeit abzuschalten. Sie musste eigentlich lediglich durch den Haupteingang nach draussen, dann rechts zum Parkhaus, dessen unterste Etage fast komplett für Mitarbeiterparkplätze draufging, und schon hätte sie es geschafft. Der gemütliche Abend war also quasi schon greifbar nahe, als sie in die tatsächlich noch angenehm warme Nachtluft schritt. Aber manchmal ging eben nicht alles nach Plan, auch wenn der Plan theoretisch so wenig störungsanfällig wie ihr Nachhauseweg wäre. Manchmal brauchte es etwas so Simples wie eine Kopfbewegung in die falsche Richtung beim Verlassen des Krankenhauses, bei der ihr die Gestalt, die sich ein paar Meter weiter relativ schief gegen eine Strassenlaterne lehnte, ins Auge fiel. Faye hielt in der Bewegung inne, zögerte und spielte einen Moment mit dem verlockenden Gedanken, das Schauspiel einfach zu ignorieren und sich zu verkrümeln, als hätte sie nie etwas gesehen. Aber was, wenn die Person tatsächlich ein Problem hatte und Hilfe brauchte? Was, wenn das ein Verwirrter war, der sein Zimmer eigentlich gar nicht verlassen durfte, irgendwie aber trotzdem abgehauen war? Natürlich, theoretisch könnte er einfach umdrehen und wieder nach drinnen spazieren, wenn etwas nicht gut war. Aber es gab oft genug Situationen, in denen die Selbsteinschätzung und Urteilsfähigkeit von Menschen durch Unfälle, Trauma, Schmerzen, Betäubungsmittel oder Angst wesentlich beeinträchtigt wurde. Und selbstverständlich war Faye sich dessen viel zu stark bewusst, als dass sie jetzt, wo sie eh schon stehen geblieben und ihn einige lange Sekunden beobachtet hatte, einfach zu ihrem Auto latschen und die mögliche Not des Fremden ignorieren konnte. Auch als er wieder zum Gehen ansetzte, dabei unverkennbar hinkte und mit seiner schiefen Körperhaltung nichts als Schmerzen ausstrahlte, war Abhauen keine Option mehr und sie schüttelte mit einem müden Seufzen den Kopf, ehe sie zur nicht sehr anspruchsvollen Verfolgung ansetzte. Sie verzichtete auf eine Vorwarnung in Form eines Rufes, da sie nicht befürchten musste, dass er ihr davonrannte, bevor sie ihn eingeholt hatte. Stattdessen erreichte sie den Fremden raschen Schrittes schon nach wenigen Metern, machte sich erst dann wirklich bemerkbar, als sie direkt neben ihm ging. "Entschuldigung, ist bei Ih...", weiter brauchte sie ihre Frage nicht auszuführen, da ein Blick in sein Gesicht ihr dezent erfolgreich die Sprache verschlug. Gott, warum hinkte er hier draussen rum?! "Ich hab' doch gesagt bitte keine dummen Ideen..!", war der erste ungläubige, aber in der Lautstärke stark gedämpfte Ausruf, der ihr ohne wirklich drüber nachzudenken über die Lippen wanderte. Es war beinahe unmöglich, dass er schon entlassen worden war - es sei denn, die Wunden waren wirklich so harmlos gewesen. Aber das glaubte sie kaum, sie hatte die Blutflecken ja gesehen und was der Polizist am Tatort geschildert hatte, war ebenfalls keineswegs harmlos genug gewesen, als dass er ein paar Stunden später schon wieder putzmunter durch die Strassen spazieren sollte. Jedes vernünftige Krankenhaus hätte ihn zumindest eine Nacht zur Überwachung dabehalten - so auch dieses. Was zwangsläufig bedeutete, dass er nicht entlassen worden war, sondern sich gerade mehr oder weniger auf der heimlichen Flucht befand. Eine kurze Aufnahme seiner aktuellen Verfassung machte auch deutlich, dass diese Flucht eine doch recht beschissene, viel zu riskante Idee war. Was, wenn die Nähte durch die Anstrengung platzten? Er hatte bestimmt nichtmal Antibiotika oder wenigstens Entzündungshemmer und Schmerzmittel mitbekommen, da er keinen offiziellen Austritt durchgemacht hatte! "Du kannst doch so nicht einfach abhauen, das ist viel zu gefährlich!", versuchte sie, weiterhin leise darum bemüht, keine weitere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ihm mit eindringlicher Stimme klarzumachen, dass eine Flucht wenns sehr dumm ging sein Todesurteil sein konnte.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Schon als ich Schritte hinter mir lauter werden hörte, schwante mir Böses vor. Vielleicht nicht unbedingt die Polizei, die inzwischen schon festgestellt hatte, dass ich auf mysteriöse Weise nicht da war, wo die Schwester mich zurückgelassen hatte, weil die sich bestimmt gleich lautstark bemerkbar gemacht hätten. Allerdings hatte ich keinen Schimmer, wer es sonst noch für eine gute Idee halten könnte mich in meinem Kampf zu welchem Telefon auch immer zu stoppen. Es konnte wohl nur irgendein Passant sein... oder ein Sanitäter, der eigentlich auf dem Weg in seinen Feierabend gewesen war, wie mir sofort klar wurde, als ich die Stimme meines unliebsamen Verfolgers hörte. Wahrscheinlich hatte ich auf dem Weg nach hier draußen schon zu viel Glück gehabt, als dass ich jetzt auch hier meine Flucht unbeirrt hätte fortsetzen dürfen. Ganz so gnädig war das Schicksal dann eben doch wieder nicht. Offenbar war die Brünette genauso wenig begeistert davon hier noch einmal meinen Weg zu kreuzen, wie das umgekehrt auch der Fall war. Nicht weil ich sie nicht sympathisch fand, sondern weil sie mir hier einfach keine Hilfe war. Wenn sie beabsichtigte mich zum wieder Reingehen zu bewegen, dann konnte sie sich das gleich von vornherein sparen, weil es mich schlichtweg nicht interessierte. Ich warf deshalb auch nur einen flüchtigen Blick zu ihr rüber und hielt nicht wieder an. Schnell voran kommen tat ich zwar nach wie vor nicht, aber ich wollte ja auch nicht explizit vor ihr weglaufen. Solange sie mich nicht an der Flucht hindern würde, konnte ich zähneknirschend akzeptieren, dass sie mir nicht gleich wieder von der Seite wich. "Dumme Ideen liegen... ziemlich stark im Auge des Betrachters.", ließ ich sie an meinem früheren Gedanken von vorhin teilnehmen, gab dem Ganzen auch wieder ein bisschen Sarkasmus mit auf den Weg. Einmal musste ich meine Worte wegen des stechenden Schmerzes aber doch kurzzeitig unterbrechen. Ich nahm ihren Tadel nicht mal ein bisschen ernst, obwohl mir durchaus bewusst war, dass man mit einer Stichwunde vielleicht eher keine Spaziergänge direkt nach einer Operation machen sollte. Das Gewebe war jetzt ja noch nicht verwachsener als vor einer Stunde und wurde lediglich von Nähten zusammengehalten. Das machten die anhaltenden Schmerzen auch ziemlich deutlich, aber den Bullen in die Arme zu laufen kam ganz einfach nicht in Frage. Wenn Verdächtige nach solchen Taten nie wieder das Radar berührten, dann verjährte der Mist irgendwann. Ich würde einfach die Stadt verlassen und woanders nochmal neu starten. War ja nicht so, als hätte ich hier was zu verlieren... nur musste ich wohl erstmal in eine andere Stadt kommen, was ohne ausreichend Spritgeld für eine längere Reise etwas schwierig war. Wie gesagt, ich hatte noch nicht sowas wie einen richtigen Plan, aber erstmal war es wichtig hier wegzukommen. "Was gefährlich ist und was nicht, kannst du mal ganz meine Sorge sein lassen.", wimmelte ich auch diese Worte der Brünetten einfach ab. "Wenn du also nicht vorhast mir zu helfen, kannst du... gerne in deinen wohlverdienten Feierabend abzischen. Ich hinder' dich eher nicht dran, wie du siehst." Der Sarkasmus zog sich weiter durch meine Worte und war wohl einfach Mittel zum Zweck, um ansatzweise zu übertönen, dass ich mir hier gerade extrem schwer mit meinen paar Schritten tat. Wohl weiterhin alle paar Meter anhalten müssen würde, wenn mir der Schmerz die Luft abschnürte. War halt was ganz anderes nur auf einer Liege herumzuliegen oder die Nähte permanentem Zug auszusetzen, weil der untere Teil meines Oberkörpers halt nun mal an meinen Beinen festhing. Ich war aber eigentlich nicht ihr Problem, also durfte sie mich gern einfach meinem Schicksal wieder ausliefern und den Weg fortsetzen, den sie ursprünglich mal angepeilt hatte.
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Ja, möglich. Aber nichtmal er, der die ganze Idee eigens entwickelt hatte, konnte offiziell behaupten, dass sie nicht zumindest ein Bisschen dumm war. Etwas lebensmüde und ungesund. Und möglicherweise gefährlich, denn wer sagte ihm, dass derjenige, der ihm heute schon einmal ein Messer in den Bauch gerammt hatte - was wohlverstanden keine besonders harmlose Gegend für Stichverletzungen war - ihm dann nicht dummerweise nochmal über den Weg lief? War das Gespräch mit den Cops dieses Risiko wirklich wert? "Bis zu einem bestimmten Grad vielleicht, ja. Aber mit einer solchen Verletzung durch die Strassen zu stolzieren, kann dir selbst auch nicht wie eine gute Idee erscheinen...", murmelte sie zurück, appellierte damit vielleicht an seinen augenscheinlich recht kritikresistenten Verstand. Doch er sprach einfach im gleichen Ton weiter, hielt daran fest, dass er nicht vorhatte, ihr zuliebe wieder umzudrehen. Was nicht überraschend kam, aber eben trotzdem eher problematisch war. Wenn sie nicht vorhatte ihm zu helfen, hatte er gesagt. Wobei brauchte er denn Hilfe? Beim Gehen? Sie konnte ihm echt schlecht zu einer Flucht verhelfen, mit der er indirekt seine Aussagen vor der Polizei verweigerte und sich damit strafbar machte. Oder? Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass er im Krieg gewesen war. Nicht sein Trauma, nicht ihre Empathie. Er musste sich trotzdem dem Gesetz stellen, es gab unzählige Veteranen, denen es gleich ergangen war. Und rein faktisch gesehen, war sie wahrscheinlich sogar dazu verpflichtet, ihn entweder wieder rein zu bringen oder jemanden zu rufen, der das für sie übernehmen konnte. Verdammt, hätte nicht Jackson an ihrer Stelle diese Begegnung machen können und seine professionelle Abgeklärtheit unter Beweis stellen können?? Das würde ihre Situation gerade ungemein erleichtern. "Ich kann doch nicht... Siehst du denn nicht, dass ich praktisch dazu verpflichtet bin, dich wieder nach drinnen zu schleppen?", stellte sie eine durchaus rhetorische Frage, strich sich über das müde Gesicht, als würde das ihre Denkfähigkeit unterstützen. Sie wusste ja offensichtlich, was sie tun sollte. Es entsprach nur scheinbar nicht ganz dem, was sie tun wollte. "Hast du... jemanden umgebracht? Oder verletzt..? Also hier, nicht im Krieg...", die Frage wirkte möglicherweise etwas aus dem Kontext gerissen, aber es kam ihr doch einigermassen relevant zur Entscheidung ihrer weiteren Handlungsschritte vor. Auch wenn sie sich schon denken konnte, dass er darauf niemals mit Ja antworten würde, es sei denn, er war dumm... Vielleicht konnte sie an seiner Reaktion trotzdem erkennen, wie viel Prozent Wahrheit denn nun darin steckte. "Ich mein... warum flüchtest du vor der Polizei?", eigentlich lautete die Frage noch ein Bisschen spezifischer ist der Grund für dein Verhalten schlimm genug, dass ich dich ins Verderben stürzen muss... oder vielleicht doch nicht? Aber sie war sich relativ sicher, dass er längst verstanden hatte, auf was sie hinauswollte, ohne es selber wirklich zugeben zu wollen. "Ich hab ein Auto. Kann dich also theoretisch ziemlich schnell und mit deutlich weniger Anstrengung von hier weg bringen, als wenn du dich durch die halbe Stadt schleppst", Gott, Faye... Sie hätte die Worte gerne zurückgenommen in der Sekunde, in der sie sie ausgesprochen hatte. Weil es eine dumme Idee war und sie sich nur Ärger einfahren würde. Aber trotzdem konnte sie nicht sagen, dass sie nicht trotzdem absolut hinter ihrem Angebot stand. Weil es ihr viel lieber wäre, sie würde ihn selbst nach Hause - oder wohin auch immer - fahren und ihm den ganzen Weg über eintrichtern, sich dann auch ja still zu halten, als wenn er sich gleich wieder was kaputtmachte.
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Vielleicht nicht, nein. Ich hatte auf jeden Fall schon bessere Ideen gehabt, aber es war gerade dennoch die einzige Möglichkeit dazu nicht an ein Krankenbett gefesselt und danach gleich in eine Zelle weitergeschickt zu werden. "Ich hab ja auch nicht behauptet, dass ich nicht schon bessere Ideen hatte.", grummelte ich eher leise vor mich hin, weil ich dafür schlichtweg kein brauchbares Gegenargument hatte. Es ließ sich eben nichts dran rütteln, dass man mit einer solchen Stichwunde nicht durch die Gegend laufen sollte. Ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen was das anging war ziemlich unmöglich. Wahrscheinlich erwartete die junge Frau auch gar keine Antwort darauf, dass sie eigentlich verpflichtet dazu war, mich wieder nach drinnen zu schleppen. Streng genommen war sie das vermutlich tatsächlich, nachdem sie sogar mehr oder weniger davon gewusst hatte, dass ich möglicherweise etwas in dieser Richtung im Schilde führte. Ich hatte es sogar mehr oder weniger wortwörtlich so gesagt - dass ich nicht vor hatte darauf zu warten, dass mich die Polizisten vernahmen und dabei feststellten, dass sie mich ohnehin gesucht hatten. Oder auch nur irgendwann danach auf dem Revier, wenn einer davon erneut über meine Fahndung stolperte. So oder so galt es die Bullen zu vermeiden. "Doch, schon. Aber wäre das das, was du vorhast, hättest du sicher schon irgendwas in der Richtung unternommen.", antwortete ich mehr oder weniger ungefragt auf ihre eher rhetorische Frage. Wer mir dumme Fragen stellte, bekam halt nicht selten auch eine dämliche Antwort von mir zurück. Ich warf ihr noch einen weiteren Seitenblick zu, während sie sich so unzufrieden mit der Gesamtsituation das Gesicht rieb und sehr offensichtlich nicht recht wusste, was sie denn jetzt eigentlich machen sollte. Dass sie es allerdings für möglich hielt, dass sie jetzt plötzlich sehr spezifische Antworten von mir darüber erhielt, wieso ich hier eigentlich herumhumpelte und mich mit den Schmerzen ganz freiwillig quälte, überraschte mich doch ziemlich. Vielleicht fragte sie auch nur, weil sie das Gefühl hatte, dass sie das musste. Um sich besser damit zu fühlen nicht sofort jemanden herzuholen, der mich mit ihr gemeinsam wieder an eine Tragbahre tackerte. Entweder das oder sie war einfach eine ganze Spur zu neugierig dafür, dass wir uns noch nicht wirklich lange kannten. So oder so seufzte ich erstmal etwas genervt davon, dass sie die Sache nicht gut sein lassen und mich einfach meinen beschwerlichen Weg weitergehen lassen konnte. Klang dabei wohl auch genauso angestrengt, wie ich es gerade war. Ich hatte mich noch nicht endgültig für eine Art von Antwort auf ihre etwas zu persönlichen Fragen entschieden, als sie mir plötzlich einfach anbot, mich hier wegzufahren, weil sie doch ein Auto hatte und das dann einfacher für mich wäre. Dieses Mal war ich derjenige, der tatsächlich einen Moment innehielt und sie zwei, drei Mal absolut ungläubig anblinzelte. Ich verstand einfach nicht, woher dieses Angebot jetzt kam oder warum sie das jetzt wiederum für eine gute Idee hielt. Im Grunde tat sie dann ja nicht weniger, als einem Verbrecher zur Flucht zu verhelfen. Ich war vielleicht keiner dieser ganz üblen Typen, die wirklich ohne jeden Zweifel hinter ein paar gut verankerte Gitterstäbe gehörten, aber deswegen machte die Sanitäterin sich damit ja nicht weniger strafbar. "Das ist jetzt aber eine nicht viel weniger dumme Idee.", stellte ich erstmal doch ein wenig belustigt fest. Blieb für den Moment stehen, warf zur Absicherung aber einen flüchtigen Blick über meine Schulter zum Eingang zurück. Danach wandte ich mich der Brünetten wieder zu, sah sie ganz direkt an. "Ich hab Niemandem was getan und hab's auch weiterhin nicht vor, könnte mit Pech aber trotzdem in den Knast wandern. Reicht das?", hielt ich mich mit einer detaillierteren Antwort weiterhin zurück, beantwortete ihre Frage aber zumindest durchweg ehrlich. Ich kannte sie bei Weitem nicht genug, um ihr mehr darüber zu verraten. Wenn ich jetzt aber wieder gar nichts dazu gesagt hätte, wäre die Chance auf ihre Hilfe mit dem Fahrservice sicher schwindend gering geworden. Oder ich hätte sie damit sogar dazu provoziert doch noch nach drinnen zu rennen und mich zu verpfeifen, weil sie es - berechtigterweise - für sehr verdächtig gehalten hätte. "Wenn du dich deswegen nicht umentscheiden willst würde ich dich aber gerne darum bitten, das Auto möglichst schnell zu holen, weil ich hier ungern länger stehenbleiben will, wenn du verstehst.", bot ich ihr mit einem Kopfnicken in Richtung des Krankenhausgebäudes hinter mir noch einen Ausweg aus diesem doch sehr unerwarteten Hilfsangebot, falls sie es sich anders überlegt hatte. Weil sie es mit einem Kriminellen zu tun hatte oder weil ich halt allgemein ganz einfach Probleme versprach, warum auch immer. Ich musste jetzt wissen, ob sie mich tatsächlich wegbringen würde, oder ob ihr Mund da nur schneller gewesen war als ihr Gehirn. Ich wäre ihr nicht einmal böse, wenn sie mich beim zweiten Mal drüber nachdenken doch lieber nicht bei meiner Flucht unterstützen wollte, aber dann sollte sie mir das bitte jetzt sofort sagen und nicht erst in zwei Minuten. Das war kostbare Zeit, die gerade wirklich nicht hatte, wo mich ein paar Meter Fußweg doch schon gefühlt ewig brauchten.
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Nein, hatte er tatsächlich nicht. Trotzdem wollte sie wohl noch einmal betont haben, dass die Idee zur Flucht hier eher nicht zu den Sternstunden seiner Intelligenz geboren war. Vielleicht versuchte sie auch indirekt, nochmal an seine Vernunft zu appellieren, damit er sich auf magische Art und Weise davon begeistern liess, einfach umzudrehen und der Polizei so direkt in die Arme zu laufen. Dabei wollte sie das ja eigentlich auch nicht. Klar, grundsätzlich stand sie meistens schon hinter den Gesetzen dieses Landes, war der Meinung, dass gewisse Strafen für begangene Fehler ihre Berechtigung hatten. Es war einfach nur die Sache mit der Army, die das alles hier so unendlich kompliziert machte... Das war der Grund dafür, weshalb sie eben nicht längst jemanden gerufen hatte. Warum sie nicht schon vorhin im Krankenwagen eine entsprechende Bemerkung ins Protokoll gekritzelt hatte, damit man im Anschluss etwas akkurater auf ihn aufpasste und er eben nicht weniger als zwei Stunden nach seiner Einlieferung schon wieder nach draussen spazierte. Dann hätte sie all diese Probleme jetzt nämlich nicht. Aber das hatte sie nicht getan, weil sie schon da nicht wirklich gewollt hatte, dass er auf die Cops traf. Weil sie schon da insgeheim gehofft hatte, er würde mit einem blauen Auge davonkommen und die Verletzungen blieben Strafe genug für was auch immer. Sie hatte sich das alles nur nicht ganz so vorgestellt, dass sie dann erneut auf ihn treffen würde und jetzt hier in der Zwickmühle sass. Sie wusste ja eigentlich ganz genau, was sie tun sollte. Nur wollte sie das eben nicht tun und der einzige Grund dafür war ihr dämliches, irrationales Mitgefühl, das glaubte, ihr Gewissen würde sich entspannen, wenn sie ihn einfach selber von hier wegbrachte. Seine Reaktion auf diesen doch sehr dummen Vorschlag war wenig überraschend und Faye konnte nicht viel mehr tun, als mal wieder ihre Unterlippe zwischen die Zähne zu klemmen und etwas hilflos die Schultern anzuheben, weil nichtmal ihr selbst eine sinnvolle Rechtfertigung für ihr Verhalten einfallen wollte. "Hab nichts anderes behauptet…", murmelte sie in sich hinein, sah damit auch eindeutig ein, dass er Recht hatte und das eine wirklich nicht intelligente Lösung war. Sie blickte ihn erst dann wieder an, als er, eigentlich unerwartet, zu einer Antwort auf eine vorherige Frage ihrerseits ansetzte. Seine Worte wirkten etwas zu beruhigend auf sie in Anbetracht der Tatsache, dass sie ganz genau null Beweise für die Wahrheit darin hatte. Er konnte ihr das auch einfach erzählen, weil er wusste, dass sie nicht sehr entspannt hier stehen bleiben würde, wenn er erklärte, er sei Massenmörder. Aber Faye war nicht wirklich dafür bekannt, auch nur einmal nicht an das Gute in einem Menschen zu glauben und das zeigte sich eben auch in diesem Augenblick etwas zu deutlich. Sie würde nicht direkt neben einem potenziell Kriminellen vom Eingang des Krankenhauses weg spazieren, wenn sie ihm zutrauen würde, einen Menschen zu töten. "Geh einfach so weit wie möglich diese Strasse runter, okay? Ich hole das Auto", mit dem sie möglichst nicht direkt vor dem Eingang parken wollte. Sie warf ihm einen letzten kurzen Blick zu, der wohl ziemlich klar zeigte, dass sie sich hier bei genau gar nichts wirklich sicher war, bevor sie sich abwandte und die Richtung einschlug, in die sie eigentlich von Anfang an hätte gehen sollen. Dabei vermied sie es aber trotzdem, nochmal direkt am Eingang vorbei zu spazieren, sondern wechselte erstmal Strassenseite, bevor sie das Parkhaus ansteuerte. Da war nämlich noch ein anderes Problem und das waren die Kameras, die den Eingang des Krankenhauses bewachten. Sie wusste nicht genau, wie weit ihr Radius ging, ob ihr Kaffeekränzchen gerade auf Video gefangen war oder doch nicht. Auf jeden Fall hatten sie gesehen, dass der Mann - spätestens jetzt wollte sie wirklich einen Namen, sie konnte ihn echt nicht einfach als der Mann in ihren Erinnerungen abspeichern - nach links abgebogen war und sie etwas gesehen hatte, bevor sie ebenfalls nach links gegangen war. Obwohl sie normalerweise immer nach rechts spazierte. Wunderbar. Sie fühlte sich immer beschissener in ihrer Haut, sah die Probleme, die das mit sich ziehen würde, ja schon in allen Farben vor sich. Ob sie deswegen den Job verlieren konnte? Wenn irgendwer dahinter kam bestimmt. Und sie wollte sich gar nicht ausmalen, was Victor dazu sagen würde... Oh nein, wirklich nicht. Bei ihrem Auto angekommen, kam sie trotz dem Zeitdruck nicht drum herum, sich, nachdem sie eingestiegen war, die Hände vors Gesicht zu schlagen und einen Moment die Misere zu reflektieren, die sie gerade veranstaltete. Noch könnte sie theoretisch einfach abhauen. Er würde das zwar sicher nicht schätzen, aber er wusste ja nicht, wo sie wohnte. Nur wo sie arbeitete. Aber da waren so viele andere Leute, dass sie sich dabei definitiv nicht bedroht fühlte. Ausserdem bezweifelte sie, dass er sich jemals freiwillig zurück zum Krankenhaus bewegen würde. Aber wenn sie ihn nicht aufgabelte, dann schleppte er sich durch die halbe Stadt und wenn eine Naht riss - idealerweise eine innere Naht an seinem Bauch - verblutete er unter Umständen langsam, ohne viel davon zu merken, ausser dass es eben wehtat. Da er jedoch schon jetzt Schmerzen hatte, würde ihm das vielleicht nichtmal auffallen. Ach verdammt. Faye startete den Motor und lenkte den Kleinwagen aus dem Parkhaus die Strasse runter. Er war - wenig überraschend - nicht besonders weit gekommen, als sie das Auto ein paar Meter vor ihm auf den Bürgersteig lenkte und darauf wartete, dass er ihr Gesellschaft leistete und sie so rasch wie möglich so weit wie möglich von diesem Ort wegkam.
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Die junge Frau schien meine weiterhin nur schwammige Aussage bezüglich meiner Taten einfach so hinzunehmen. Zwar war ich mir nicht sicher damit, ob sie mir die Worte zu einhundert Prozent abnahm, aber das musste sie auch nicht. Es reichte, wenn sie mich nicht sofort doch noch ans Krankenhauspersonal verpetzte, weil sie mich doch lieber nicht den Cops entwischen lassen wollte. Im Grunde passierte daraufhin sogar nicht weniger als das genaue Gegenteil davon - sie sagte mir schließlich, dass ich einfach noch ein paar Schritte weit die Straße runterhumpeln sollte, weil sie mich dann dort mit dem Wagen einsammeln würde. Natürlich hatte ich keine Garantie dafür, dass sie mich statt im Krankenhaus dann einfach auf dem nächstbesten Polizeirevier ablud, aber das glaubte ich eigentlich nicht. Ich verstand nach wie vor nicht woher ihr Drang dazu kam, mir unbedingt helfen zu wollen, aber es wirkte nicht gespielt. Lügen zu enttarnen fiel mir nur selten schwer und so glaubte ich einfach daran, dass sie mich tatsächlich dorthin bringen würde, wo ich hinwollte. Allem voran war das mein Truck, weil da nicht nur meine unregelmäßig gewaschenen Klamotten drin lagen - die Hose und die Boxershorts darunter würde ich dann doch gerne wechseln, waren die vom Blut doch nicht verschont geblieben -, sondern auch alle meine Papiere da drin waren. Ausweise und der ganze Kram eben. Auch eine Waffe im Handschubfach, die ich bis dato glücklicherweise noch nie hatte benutzen müssen. Die ich offiziell laut psychologischem Gutachten auch gar nicht mehr besitzen dürfte, aber das war wieder ein anderes Paar Schuhe. "Mach ich.", bestätigte ich der Brünetten, dass ich verstanden hatte und unterstrich das noch mit einem gut sichtbaren Nicken. Dann verschwand sie auch schon auf den Weg zu ihrem Auto und ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich mit immer wieder verzogenem Gesicht die nächsten Schritte wagte. Es war nicht weniger beschwerlich oder anstrengend geworden, nur weil ich kurz stehen geblieben war. Der Schmerz setzte genauso stechend und brennend wieder ein, aber ich gab mir Mühe damit zumindest ein paar Meter zurückzulegen, bis meine selbsternannte Retterin den Wagen auf den Bordstein fuhr. Ich warf aber doch noch einmal einen prüfenden Blick nach hinten, um zu sehen, ob sie auch wirklich zum Parkhaus und nicht einfach wieder ins Gebäude ging. Sie hielt ihr Wort. Ich brauchte noch ein paar ewig lange, quälende Sekunden bis zur Beifahrerseite des Autos, als sie es schon angehalten hatte, bis ich die Tür schließlich aufzog. Auch das ziemlich langsam, weil man dabei zwangsweise die Muskeln im Oberkörper mit bewegte. Ich wusste nicht recht, wie ich am schonendsten einsteigen konnte. Es war aber mein Ziel die Stichwunde nicht noch mehr Zug auszusetzen, indem ich zuerst vorsichtig meinen Hintern auf dem Sitz parkte und erst danach die Beine in den Fußraum hob. Auch beim Zuziehen der Tür stöhnte ich den Schmerzes wegen leise auf, ehe ich mich vorsichtig anschnallte. Allerdings ließ ich eine Hand am unteren Gurt, um ihn oberhalb der Stichwunde zu halten. "Ich muss zu meinem Truck, da ist mein ganzes Zeug drin. Steht ein paar Querstraßen vom Tatort weg...", gab ich ihr schonmal eine grobe Richtung zum Fahren vor. Wenn wir näher kamen würde ich sie die letzten paar Kreuzungen einfach lotsen. Ich war zwar weit entfernt davon fit zu sein, aber so weit sollte mein Hirn noch funktionieren. Ich kannte jenes Viertel inzwischen leider in- und auswendig. Es verging erst eine schweigsame Minute, bevor ich erneut das Wort ergriff. "Danke... Ryatt, übrigens. Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen.", verriet ich ihr den Humor beibehaltend nach einem ernst gemeinten Dank doch mal meinen Namen, drehte dabei auch den Kopf zu ihr rüber. Den Vornamen zumindest konnte sie schonmal wissen. Ich fand es bis heute sehr passend, dass man es im Grunde genauso aussprach wie Riot. Als hätten meine Eltern schon bei der Geburt geahnt, dass ich ein aufmüpfiger kleiner Scheißer werden würde. "Dein Name war..?", hakte ich nochmal nach. Ich meinte mich dunkel daran zu erinnern, dass sie sich schon vorgestellt hatte. Es könnte aber sein, dass ich damit nicht richtig lag, weil ich ihr zu Anfang eben nicht wirklich zugehört hatte. Da war zu viel anderes zum Zuhören gewesen.
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