Tja, die Tage, die sie mit der neuen Gitarre, Entspannung und vermeintlichem Frieden hatten verbringen dürfen, waren leider rar gezählt. Es war zwar leider überhaupt nicht so, dass sie das ganze Übel wirklich aufgearbeitet und beseitigt hatten, als ihr erster Tag in Easterlins Armee anstand, aber so ein Bisschen besser war es schon geworden, seit sie darüber gesprochen hatten. Sie wussten jetzt zumindest beide ungefähr, was Sache war und wie sie die Problematik angehen wollten, hatten sogar schon Punkte auf ihrer Liste abgehakt und neue hinzugefügt. Aber die Hoffnung darauf, dass der Eintritt in ihre neue Hölle vielleicht doch nicht ganz so schlimm wurde, wie sie sich das im Vorfeld ausgemalt hatten, war leider komplett umsonst. Denn ja, es wurde mindestens genauso verschissen, wie sie das leider realistischerweise erwartet hatten. Es fiel der Brünetten unglaublich schwer, an ihrem vorgefertigten Plan festzuhalten und nicht einfach offiziell Kund zu geben, dass sie komplett kein Bisschen einverstanden war mit dem Umgang, der ihnen hier zuteil wurde. Zwei-drei Mal konnte sie doch auch nicht verhindern, einen bissigen Kommentar zurück zu zischen, wenn irgendeiner der vorwiegend männlichen Instruktoren ihr wieder höhnisch mitteilte, dass sie absolut gar nichts taugte und besser mit Puppen spielen sollte als hier anzutreten. Was auch immer die sich davon erhofften, es war ein Witz. Sie war bei der Army nicht zum Sergeant aufgestiegen, weil sie wusste, wie man Puppen tränkte und wenn irgendeiner dieser Vollidioten glaubte, ihr damit wirklich einreden zu können, dass sie scheisse war und ihr Handwerk nicht beherrschte, dann waren sie einfach nur dämlich. Also dämlicher als sie es offensichtlich sowieso waren. Die meiste Zeit schaffte die Brünette es aber, sich wirklich anzustrengen und die Kritik - sofern nicht nützlich, was leider sehr oft der Fall war - komplett zu ignorieren. Es war verdammt anstrengend und schon nach kurzer Zeit wiesen ihre Hände dort, wo sie die Fingernägel ständig wütend in die Haut bohrte, deutliche blaue Stellen auf. Aber es war nötig, wenn sie hier früher wieder raus wollten als erst in ewigen sechs Jahren. Und das mussten sie ohne Frage unbedingt schaffen. Denn jeden Abend, wenn sie sich nach der Arbeit im sicheren Umfeld ihres eigenen Balkons gemeinsam auskotzten, fiel es schwerer, dem ganzen Bullshit noch irgendwas Gutes abzugewinnen. Und das sagte schon Aryana, der es im allgemeinen eigentlich immerhin noch ein kleines Bisschen leichter fiel, Dinge ein Bisschen positiver zu sehen als Mitch das für gewöhnlich tat... Naja. Immerhin gelang es ihnen weiterhin, gegenüber der jeweils anderen Person ein wenig offener zu sein als früher. Jedenfalls vertrat die junge Frau diese Meinung und glaubte, dass sie wenigstens ihre Beziehung einigermassen gut im Griff hatten, beständig besser harmonierten und lernten, wie diese gewisse Intimität und Verletzlichkeit am besten gelebt wurde. Das zog sich bis zu dem einen verhängnisvollen Abend, an dem Mitch nach der Arbeit noch ins Büro gerufen wurde. Aryana wusste das nur, weil sie in dieser Zeit am Auto auf ihn gewartet hatte, um endlich nach Hause zu fahren. Ihr war natürlich klar, was dieses Gespräch bedeuten musste, war ja selber nicht blind und wusste, dass Mitch sich mit der Unterdrückung und dem Geschrei, wie es ihnen hier tagtäglich in grossen Mengen zuteil wurde, wesentlich schlechter klar kam als sie selbst. Aber dass er ihr im Anschluss weder auf dem Nachhauseweg noch auf dem Balkon irgendwas darüber erzählen wollte, war schlecht. Schlechter noch, dass sich diese Verschwiegenheit auch über die nächsten Tage und Wochen zog. Auch wenn sie fragte, bekam sie höchstens ein gehässiges Fauchen zurück, mit dem er ihr beteuerte, dass sie sich ja denken konnte, was gesagt worden war. Ja, das konnte sie tatsächlich. Und eine Gefängnisdrohung von Easterlin persönlich war ernstzunehmen und absolut beschissen. Aber das hatte Mitch gewusst... Es war keine so schockierende Neuigkeit, dass sie all das begründete, was von da an wieder schief ging. Dass ihr Freund wieder nicht mehr mit ihr reden wollte. Auch abends unendlich viel gereizter war und nachts aufstand und sie alleine im Bett zurückliess, um eine gefühlte Ewigkeit zu verschwinden. Sie wusste nicht was es war, aber in ihrem Kopf schrillten längst alle Alarmglocken, als sich dieses Verhalten auch nach zweieinhalb Wochen keineswegs gelegt oder verbessert hatte. Es war ein Freitagabend und obwohl das Wochenende direkt bevorstand, wirkte Mitch, als würde er auf Nadeln sitzen, als er ihr gegenüber am Esstisch sass. Sie hatte gefragt, ob sie dieses Wochenende irgendwas unternehmen wollten und ob er schon eine Idee hätte, sie vielleicht mal wieder auf ihre Liste zurückgreifen wollten. Seine Antwort war etwas, das man in ein absolut vernichtendes Ganz bestimmt nicht übersetzen konnte, gewesen. Und das war es dann auch, was das Fass bei der Brünetten endgültig zum Überlaufen brachte, ihrem Geduldsfaden den finalen Riss erteilte. "Verdammt, hörst du dir eigentlich mal selber zu?! Hast du vor, mir den Rest unseres Lebens solche Antworten ins Gesicht zu knallen oder wirst du irgendwann wieder normal mit mir sprechen und mir vielleicht mal erklären, was dein gottverdammtes Problem ist?!", sie machte sich heute nicht die Mühe, ihren Tonfall oder die Lautstärke ihrer Stimme zu zügeln, während sie ihn über den Tisch hinweg anfunkelte. Den ganzen Tag hatte sie sich mal wieder solche Stimmen anhören müssen, den ganzen Tag war ihr gesagt worden, was sie gefälligst zu tun und zu unterlassen hatte und worin sie komplett versagte und wie scheisse sie war. Das war die letzten Wochen über auch so gewesen und sie hatte sich diese Woche schon drei Mal mit Mitch in die Haare gekriegt nach Feierabend, weil sie beide nicht mehr gerade mit zu viel Geduld gesegnet waren. Aber sie hatte sich dreimal zurückgenommen und heute würde sie das bestimmt nicht nochmal tun. Wenn er nicht ausspuckte, worauf er seit Wochen herumkaute, sollte er sich doch einfach mal ein Wochenende verpissen und darüber nachdenken, ob er jemals vorhatte, diese Beziehung funktionierend zu gestalten oder lieber nicht, weil Kommunikation eben noch immer nicht sein Ding war. Sie wusste wirklich nicht, was so schlimm sein konnte, dass er es ihr nicht anvertrauen konnte. Wofür ihre Nerven zu schwach sein könnten.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Was war eigentlich Schlaf? Und was war Entspannung? Waren das greifbare Dinge? In den folgenden Tagen und Wochen wusste ich nicht wohin mit all der Wut, die Easterlin unweigerlich in mir zu Tage befördert hatte und die mir seitdem keine ruhige Minute mehr ließ. Seine Schoßhunde hatten mich bereits in den vorherigen Wochen kontinuierlich gereizt, aber der reiche Geschäftsmann ohne jede Skrupel hatte das Fass wohl einfach wieder gänzlich zum Überlaufen gebracht. Sorgte auch weiterhin dafür, dass der Pegel stetig auf Kantenhöhe stand, weil er sich innerhalb der paar wenigen Minuten so fest in meinem Kopf verankert hatte, dass die Drohung quasi allgegenwärtig in meinen Gedanken präsent war. Immer wieder ratterten seine Worte in meinem immer schwerer werdenden Schädel rauf und runter, machten nur selten mal eine Pause. Auf der einen Seite war das auch sowas wie gut, weil mich genau das ziemlich erfolgreich dazu brachte, mich gegenüber den Ausbildern zu mäßigen. Allerdings war das auch wirklich schon der einzige gute Aspekt. Dafür, dass ich es nicht mehr an diesen Idioten ausließ, fing ich an es so einigen anderen Soldaten gleich zu tun. Es war nicht so, als hätte ich vor dem Gespräch auf der Chefetage vor anderen Rekruten hier gekuscht, aber ich hatte es meistens doch bei ein oder höchstens zwei bissigen Kommentaren gelassen. Das war jetzt anders. Ich nutzte so gut wie jede Gelegenheit dazu mit unschönen Worten zurückzuschlagen und ebenso viel Provokation abzugeben, wenn es einer der anderen Soldaten wagte seine Laune an mir auszulassen, weil ich ja einer der Neuen war. Es war eines der wenigen Ventile, die noch ein kleines bisschen was von dem immensen Druck in meiner Brust nach draußen ließen und dafür konnte Easterlin mich nicht belangen. Ich schlug ja Niemandem eine rein, obwohl ich das weiß Gott lieber getan hätte, als nur verbal zurückzuschlagen. Auch schienen selbst die Soldaten der Privatarmee hier noch genug Ehre zu haben, um einen von ihnen selbst angezettelten Streit nicht an die Chefetage zu tragen und rumzuheulen, nur weil sie am Ende mal den Kürzeren zogen. Allerdings glaubte ich zu wissen, dass Aryana die ganzen verbalen Kämpfe, die ich seit dem Gespräch mit dem Chef auszutragen bereit war, eher nicht glücklicher stimmten. Auch, dass ich nicht weniger als sehr konsequent auf 180 war, war ganz und gar nicht förderlich für unsere Beziehung. Es war nicht so, als würde ich das nicht merken. Die daraus resultierenden Streits unter dem Dach des eigenen Zuhauses schlugen mir nur noch zusätzlich aufs Gemüt, aber ich war nicht fähig dazu das zu unterdrücken. Mich mal zurückzunehmen, mal durchzuatmen, mal den Bezug zur Realität wiederzufinden. Fast jede freie Minute, die meinem Kopf außerhalb des Trainings gegönnt war, brachte ich damit zu mir zu überlegen, wo und wie Easterlin am ehesten verwundbar war. Wie lange es voraussichtlich noch dauern musste, bis er seine letzten Atemzüge nahm und die Welt ohne ihn eine bessere sein würde. Dass er sehr penetrant durch meine Traumwelt geisterte, machte es nur noch schlimmer. Ich hörte irgendwann auf zu zählen, wie oft er mir in einem der Alpträume Aryanas abgeschlagenen Kopf mit toten Augen wortwörtlich auf einem Silbertablett servierte. Wie oft jedes mal an genau diesem Punkt ein Gitter zwischen ihm und mir vom Himmel krachte, das ihn und sein abartig selbstgefälliges Siegerlächeln in unerreichbare Ferne für mich rücken ließen. Die wieder sehr chronische Übermüdung trug wenig überraschend nur zusätzlich dazu bei, dass ich kontinuierlich lediglich einen kleinen Stups brauchte, um wieder in die Luft zu gehen. Das einzige, was jetzt noch besser lief als vor der mündlichen Abmahnung, war der Sport. Trotz meines niedrigen Energielevels wuchs ich was das anging gefühlt täglich über mich hinaus, pushte mich selbst bis an die äußerste Grenze meiner körperlichen Möglichkeiten. Es galt sich schließlich für meinen nächsten persönlichen Krieg vorzubereiten. Danach fühlte ich mich meistens dann auch tatsächlich für eine kleine Weile minimal besser, weil ich einfach erledigt war. Allerdings nur so lange, bis ich den nächsten guten Grund fand, um die Wut wieder aufleben zu lassen. Es war also sehr vorhersehbar, dass sich die Situation auch hinsichtlich meiner Beziehung noch weiter zuspitzen würde. Dass ich auch dabei irgendwann mal mit meiner miesen Laune an eine Grenze seitens Aryana stoßen würde, an der dann Schluss mit lustig war. Vermutlich war es ein kleines Wunder, dass sie sich überhaupt mehrere Wochen von mir anmaulen und immer wieder abweisen ließ, ohne, dass ein allzu schlimmes Echo von ihr folgte. Ich wechselte momentan auch kaum noch mehr Worte mit ihr, als unbedingt nötig war, weil ich die Diskussionen einfach umgehen wollte. Dass man auf diese Weise langfristig keine funktionierende Beziehung führen konnte, war mir auch klar, aber ich fühlte mich so momentan einfach vermeintlich am wohlsten. Implizierte inzwischen ziemlich genau den Mitch, den die junge Frau zu Beginn unserer näheren Bekanntschaft nicht hatte leiden können - kalt, uneinsichtig, unnahbar, stur, dauerhaft gereizt. Dementsprechend wies ich die junge Frau auch ein weiteres Mal zurück, als sie danach fragte, ob und was wir am Wochenende unternehmen würden. Überflüssig zu erwähnen, dass mir für irgendwelche Pärchenausflüge gerade absolut jede Geduld und Nerven fehlten. Allerdings hatte Aryanas Verständnis für meine Launen dieses Mal hörbar ein Ende und ich hob nur noch angepisster als vorher schon den Blick vom Teller in ihre Augen an, schnaubte leise. "Sehe ich irgendwie so aus als würde ich dir darauf jetzt eine andere Antwort geben, als schon seit Wochen?", stellte ich mich mit einer Gegenfrage weiterhin komplett stur. Trotz ihrer erhobenen Stimme nicht allzu laut, aber der leicht knurrende Unterton brachte mein schon wieder über die Maßen strapaziertes Gemüt wohl auch deutlich genug zum Ausdruck. War ja schön und gut, dass sie sich offenbar Gedanken darüber machte, dass irgendwas ganz gewaltig nicht bei mir stimmte, aber ich sah schlichtweg keinen großen Sinn darin, es ihr zu sagen. War ja nicht so, als könnte sie Easterlin und seine Mordandrohungen mit einem Fingerschnippen mal eben so beseitigen. Ich glaube ohnehin keine Ruhe mehr finden zu können, solange der reiche Sack noch atmete. Wieso als der Brünetten wieder meine Sorgen mit aufladen? Der Sinn dahinter war mir bei all der Wut und dem Hass wieder gänzlich entfallen.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Sie war wirklich mit ihrem Latein am Ende. Auf der einen Seite stand noch immer ihre, durch das Gespräch in der einen Nacht vor etwa neun Wochen ausgelöste, mittlerweile wieder deutlich grössere und dezent lähmende Angst, ihn an die tiefen Wunden seiner Seele zu verlieren. Auf der anderen Seite die absolute Ratlosigkeit und auch dezente Verständnislosigkeit gegenüber seinem beständigen Schweigen, mit dem er sie nun schon seit Wochen strafte. Sie hatten doch darüber gesprochen, sich darauf geeinigt, dass sie nicht weiterkamen, wenn sie einander keinen Zugang zu den eigenen Gedanken gewährten! Dass sie so nicht leben konnten und sich damit ins Abseits spielten! Warum tat er es dann trotz mehrfacher Aufforderung ihrerseits schon wieder? Was war es, das er ihr verschwieg, das so mächtig sein konnte, dass es sein seelisches Gleichgewicht komplett aus der Bahn warf und ihm trotzdem nicht über die Lippen kriechen wollte?? Ihre Augen blitzten verständnislos in seine Richtung, als sie seine - leider schwer vorhersehbare - Antwort vernahm. Ihr Blick traf auf seinen, der ihr mit dem ungefähr gleichen Gemütsausdruck entgegen funkelte. Aber was schaute er sie überhaupt so an, als wäre sie es, die ihm auf den Schlips getreten war?! Seine Worte liessen sie angepisst und irgendwie komplett hilflos die angestaute Luft ausstossen und den Kopf schütteln. "Nein. Du siehst überhaupt nicht so aus. Du siehst aber auch verdammt nicht so aus, als würdest du mit irgendwas in deinem Leben in diesem Moment noch klarkommen, Mitch. Seit Wochen weigerst du dich, überhaupt mit mir zu sprechen, hast jeden Vorsatz, den wir uns gemeinsam genommen haben, über Bord geworfen und mich komplett ausgeschlossen - wozu?! Warum sprichst du nicht einfach mit mir??", sie wollte gar nicht so verzweifelt klingen, wie sie es letztendlich tat. Aber irgendwie war es auch schwierig, das nicht zu tun, wenn alles, was sie von ihm wollte, die Wahrheit war und das genau die Sache war, die er ihr nicht bieten wollte oder konnte. Sie hatte ihre Gabel mittlerweile auf den Tisch neben ihren Teller geknallt, um ihre Worte mit hilflosen Gesten zu unterstreichen und mit den Fingern durch die Luft zu fuchteln, als würde das Lösungen bieten für ein Problem, das sich erfolgreich ihrer Macht entzog. Vielleicht wäre es besser, wenn sie dieses Wochenende einfach wirklich nicht gemeinsam verbrachten. Vielleicht sassen sie tatsächlich zu viel aufeinander rum. Vielleicht brauchte er mal ein Bisschen Zeit alleine. Sie glaubte zwar nicht, dass das wirklich der Grund für diesen bereits über zweiwöchigen Ausfall seinerseits war, aber was wusste sie schon? Vielleicht segnete sowas sie beide ja mit etwas Intelligenz und Weisheit bezüglich ihrer Zukunft. Victor hatte ihr vor langer Zeit mal angeboten, dass er sich auch mal um ihren Freund kümmern könnte, wenn ihr das Ganze über den Kopf wuchs... Es fühlte sich behindert an, einen Babysitter zu organisieren, aber ihn in diesem Zustand einfach alleine zu lassen, war eben auch absolut suboptimal. Vielleicht sollte sie also tatsächlich auf dieses Angebot zurückgreifen. Falls der Freund ihrer Schwester zufälligerweise frei war dieses Wochenende und den Nerv hatte, sich mit dem ausser Kontrolle geratenen Nervenbündel zu befassen, das sich erfolgreich jeglichen Ratschlägen entzog. Sie wollte ja nicht wirklich gehen. Aber wenn er nicht endlich mit ihr redete, dann rastete sie komplett aus. Was dann sicher zu derselben Reaktion auf seiner Seite führte. Und das konnte nur schlecht enden...
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Warum konnte sie es nicht endlich einfach akzeptieren, dass ich keine Lust dazu hatte, ihr mehr zu verraten? Ja, vielleicht ging es mir beschissen. Ja, vielleicht war ich in meinem Schädel wieder sehr festgefahren, wenn auch in vollkommen anderer Richtung als noch in den Wochen zuvor. Fixierte mich dabei nicht mehr auf mich selbst, sondern den eigentlichen Feind. Aber in meinen Augen brachte es genau gar nichts die Brünette jetzt daran teilhaben zu lassen, in welche neue, ungute Richtung sich meine Gedanken bewegten. Einfach, weil ich mir sicher damit war, dass sie nichts daran ändern würde. Konnte sie gar nicht, wenn der Großteil des Alltags der gleiche bleiben würde. Weil ich jeden Tag aufs Neue mit Easterlin - beziehungsweise seinem Gesocks - konfrontiert wurde und sich das alles dadurch nur unweigerlich noch weiter festigte. Die paar freien Stunden an einem Wochenende änderten daran auch genau gar nichts. Montags war es dann wieder genauso wie vorher. Die gleiche Scheiße fing mit jedem Wochenstart von vorne an und jedes Mal, wenn ich Easterlin auch nur sehr flüchtig irgendwo sah - ab und an geisterte er dann ja doch mal selbst übers Gelände, um sich die Drangsalierung seiner Soldaten mit eigenen Augen anzusehen -, wurde es nur noch schlimmer. Aryana konnte daran nichts ändern, würde mir sehr wahrscheinlich nur mit irgendwelchen Worten und Ratschlägen um die Ecke kommen, die ich schlicht und ergreifend nicht hören wollte. Würde mir vermutlich nur sagen, dass ich doch bitte zurückrudern und mal in Ruhe drüber nachdenken sollte, weil ich wieder mehr und mehr verrückt wurde. Es war echt leichter einfach meinen Frieden damit zu schließen, dass ich einen an der Klatsche hatte, größenwahnsinnig und unausstehlich war. Aber bitte - wenn sie sich deswegen jetzt streiten wollte, konnte sie das gerne haben. "Weil du verdammt nochmal nichts dran ändern kannst. Und weil ich keinen Bock drauf habe, mir jetzt den fünfhundertsten Ratschlag dazu anzuhören, wie ich wieder weniger wahnsinnig werden kann und was mir denn so helfen könnte. Der Zug ist vielleicht ganz einfach schon abgefahren.", knurrte ich nur zurück, bevor ich aufstand. Noch nicht, um auf den Balkon oder gar ganz aus der Wohnung zu flüchten, aber um zumindest schon mal meinen Teller vom Tisch und rüber zur Küchenzeile zu räumen, weil mir der Appetit absolut vergangen war. "Ich meine, ihr wolltet doch alle so gern, dass ich meinen Arsch wieder hochkriege. Ich fühl mich grade lebendiger denn je, Ziel erfüllt.", wetterte ich zynisch weiter vor mich hin, als die Essensreste beseitigt waren und ich den Teller dezent unsanft in die Spülmaschine räumte. Das Besteck bekam direkt im Anschluss etwa genauso viel meiner Wut ab, bevor ich die Spüle wieder schloss. Natürlich hatte weder Faye, noch Aryana davon geredet, dass ich zurück in mein altes Hamsterrad von vor ein paar Jahren sollte, um die Suizidgedanken zu beseitigen. Dass ich wieder ein Bündnis mit den Dämonen in meinem Kopf einging, nur weil ich vor die nächste unschöne Tatsache gestellt worden war und mir nicht anders zu helfen wusste. Dass ich nur deswegen funktionierte, weil ich den ungesunden Hass als Antriebsmittel nutzte, wie ich das schon vor einer halben Ewigkeit erfolgreich getan hatte. Vielleicht war ich einfach zu kaputt, um noch repariert zu werden und vielleicht war das im Moment schlichtweg der einzige mögliche Weg dafür, nicht gänzlich den Halt unter den Füßen zu verlieren. Wobei das natürlich sehr relativ zu sehen war. Vielleicht rissen mir jetzt keine Selbstzweifel mehr den Boden unter den Füßen weg, aber ich war trotzdem weit davon entfernt mit beiden Beinen fest im Leben zu stehen, weil bewusste Mordgedanken an einer anderen Person von einem Psychologen ganz sicher nicht als glimpflicher eingestuft werden würden. Ich bewegte mich einfach nur in einem anderen, genauso unguten Extrem meiner selbst, das meinem Umfeld am Ende nur noch mehr schadete als die andere Variante es tat.
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Mein Gott, hatte irgendein Mensch in ihrem Leben ihr je so dermassen die Nerven geraubt wie Mitch?! Sie hatte viele Menschen gehasst - aber gegen das hier war Hass relativ einfach. Da wünschte man sich eben schlicht, die andere Person würde nicht existieren. Liebe war viel komplizierter, so unendlich anstrengend. Manchmal musste sie wirklich hochgradig hinterfragen, was ihr je das Gefühl verliehen hatte, dass es eine gute Idee sein konnte, sich darauf einzulassen. Auf ihn, von dem sie von Anfang an gewusst hatte, dass er eben nicht einfach war. Sie hatte Mitch schon vor der Geburtsstunde ihrer Beziehung gut genug gekannt, um sich bewusst zu sein, dass sie beide manchmal zu stur zum Leben waren und das waren nicht unbedingt Voraussetzungen, die zu mehr Harmonie führten. Wie man hier allerbestens erkennen konnte. Aryana lachte alles andere als belustigt auf, als sie in seinen Worten den unterschwelligen Vorwurf für all die vergangen Versuche hörte, bei denen sie sich um eine positive Entwicklung seines Geisteszustands bemüht hatte. "Entschuldigung, dass ich je versucht habe, mit dir nach Lösungen zu suchen", fauchte sie sofort zurück, wollte definitiv auch seinen dämlichen Satz von wegen der Zug sei vielleicht schon abgefahren nicht hören. Nein, sie hatte gerade wirklich absolut keine Lust, in sich nach Verständnis für ihn zu suchen oder sowas wie Mitleid zu generieren. Sie hatte genau wie er eine beschissene Woche -viele beschissene Wochen - voller Unterdrückung hinter sich und würde gewiss ebenso wenig tolerieren, dass das hier jetzt genauso weiterging. "Ich habe dir über zwei Wochen Zeit gegeben, alleine damit fertig zu werden und du bist trotzdem noch immer genauso beschissen drauf", kam sie gar nicht auf die Idee, ihn jetzt wieder wütend von dannen ziehen zu lassen, damit sie später oder morgen am gleichen aussichtslosen Punkt wieder ansetzen konnten. Und auch diesmal ignorierte sie die Hälfte seiner Worte, verdrehte nur die Augen, als er tat, as würde es ihm irgendwie besonders gut gehen oder als hätte sein Gemütszustand tatsächlich Fortschritte gemacht. Auch die Brünette hatte sich unterdessen aus dem Stuhl gestemmt, wobei ihre Augen wütend in seine Richtung funkelten, sie aber nicht den Anschein machte, auch ihren Teller in die Küche zu tragen. Viel eher fasste sie einen ganz anderen Entschluss, zuckte plötzlich gleichgültig mit den Schultern und wandte sich energisch zum Gehen. "Aber gut, wenn du weiter keine Lust hast, mit mir zu reden, kann ich den Pisskopf auch einfach persönlich fragen gehen, was zur Hölle er dir erzählt hat, dass du jetzt so drauf bist. Spielt uns zwar nicht besonders in die Karten, aber wen juckt sowas mittlerweile noch", zischte sie vor sich hin, blickte überhaupt nicht mehr in seine Richtung, als sie auf dem Absatz Kehrt machte, um stattdessen das Schlafzimmer anzusteuern, damit sie sich dort erstmal wieder so einkleiden konnte, dass sie überhaupt vor die Tür treten und ernstgenommen werden konnte. Da der Sommer mittlerweile doch sehr warm über sie wachte, wechselte sie die kurze Sporthose einfach gegen eine Jeansshorts, und behielt das Shirt bei, ehe sie sich lediglich mit Handy und Geldbeutel bewaffnet zum Gehen wandte. Sie war sich noch nicht sicher, ob sie tatsächlich zu Easterlin fahren wollte um einen solchen Aufriss zu veranstalten. Möglicherweise ging ein solcher Schuss nach hinten los. Aber hier bleiben würde sie sicherlich auch nicht, war sie doch schlau genug, zu sehen, dass das nur in einem kompletten Geschrei ausartete, auf das sie ebenso wenig Lust hatte, wie auf die Laune ihres Freundes, die sich so schon wochenlang hinzog.
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Ich kam nicht umher die Augen mit einem genervten Stöhnen nach oben zu rollen. Hatte ich denn jemals darum gebeten, dass mir Jemand half? Ich für meinen Teil konnte mich jedenfalls nicht daran erinnern. Von mir aus konnten sie all zusammen ihre schlauen Ratschläge einfach sein und mich in Ruhe lassen, auch wenn ich das vor ein paar Wochen noch anders gesehen hatte. Meinungen änderten sich schnell, wenn entsprechende Voraussetzungen gegeben waren. Die ironische Entschuldigung hätte die Brünette sich von mir aus gerne sparen können, aber gut. Außerdem war ich ja quasi drauf und dran alleine mit dem Scheiß fertig zu werden. Irgendwas aufschreiben tat ich zwar nicht, sondern machte mir nur geistige Notizen dazu, wo man - also ich - hinsichtlich Easterlin am besten ansetzen und ihn zunichte machen konnte, aber das war auch vollkommen ausreichend. Mein Gehirn war durchaus im Stande Lösungen ohne handgemachte Notizen zu entschlüsseln, mein Gedächtnis hatte im Knast wohl mit am wenigsten gelitten. Ob die Lösungen, die dann am Ende dabei raus kamen, so auch wirklich gut für mich waren, war vielleicht ein bisschen fragwürdig, aber im Moment war mir vermutlich nichts mehr egal, als die möglichen Folgen eines Mords an der reichen Pestbeule. Das kam eben auch mit auf die Liste an Dingen, die mir deutlich wichtiger sein sollten, als sie das aktuell waren, für die ich einfach blind war. Es reihte sich jedoch erst unter der Tatsache ein, dass es mir momentan auch vollkommen egal zu sein schien, was ich Aryana mit meiner Gemütslage alles antat. Vermutlich lag das ganz einfach daran, dass nicht mal für einen Hauch von Liebe noch Platz in meinem Kopf und meinem Herzen war. Ich nicht fähig dazu war positiven Gefühlen neben all der angestauten Wut ihren rechtmäßigen Platz einzuräumen, obwohl ich eigentlich wusste, dass es mir gut tat, mich ab und an einfach bei der jungen Frau zu verkriechen und die Welt mit all ihren Problemen mal für einen Moment lang auszublenden. Der Tunnelblick machte mir offensichtlich selbst diese einstige Erkenntnis kaputt. Im nächsten Moment wünschte ich mir unweigerlich, Aryana wäre nicht genauso stur wie ich. Das wollte sie jetzt nicht wirklich tun, oder? Es wäre leider nicht unbedingt das erste Mal, dass sie eine Sache, von der sie besser die Finger lassen sollte, einfach so eiskalt durchzog. Ich konnte mir leider also absolut nicht sicher damit sein, dass sie sich nicht einfach aus sturer Gegenwehr tatsächlich zu dem Ursprung allen Übels aufmachte. Sie war Niemand, der oft und gerne nur bluffte, um ihr Gegenüber zu täuschen. Meine Augen bohrten sich förmlich in ihren Kopf, als sie den gemischten Ess- und Wohnbereich verließ, um stattdessen ins Schlafzimmer zu gehen. Eigentlich ging ich dann nur in den Türrahmen zum Flur, weil ich still und heimlich darauf hoffte, dass sie eben tatsächlich nur so zum Schein als leere Drohung gesagt hatte, dass sie das Arschloch persönlich fragen gehen würde. Leider war das aber nicht der Fall und als Aryana dann doch ernsthaft die Haustür ansteuerte, schloss ich fast schon reflexartig zu ihr auf, um nach ihrem Handgelenk zu greifen und sie mit einem unsanften Ruck zu mir umzudrehen. "Wag es ja nicht..!", zischte ich drohend zu ihr runter und funkelte sie lebhaft an, ließ ihr Handgelenk auch nicht los. Ich zerquetschte ihr den Unterarm zwar nicht förmlich, aber meine Finger lagen doch sehr unnachgiebig um ihr Handgelenk. Es war schon sehr ironisch, dass ich mich tagtäglich so endlos darüber aufregte, dass Easterlin mir damit gedroht hatte der jungen Frau etwas anzutun und ich im Grunde gerade selbst absolut nichts anderes tat, als sie nur immer weiter von mir wegzustoßen. Wenn ich so weitermachte würde ich ihn früher oder später wohl nicht mehr dazu brauchen, sie zu verlieren.
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Sie hatte in ihrem Ärger nicht wirklich damit gerechnet, dass er tatsächlich versuchen würde, sie aufzuhalten. Immerhin wäre es für ihn ja auch besser, wenn sie ging, da er offensichtlich kein Interesse an einem sinnvollen Gespräch mit ihr hegte und in diesem Moment auch nicht viel mehr als Wut gegenüber ihrer Person verspürte. Aber nein, scheinbar vertrat ihr lieber Freund auch in dieser Sache eine andere Meinung – ganz nach dem Motto Hauptsache nicht spuren und wenigstens auch jetzt die Klappe halten, wo er ihr doch scheinbar sonst auch nichts sagen wollte. Sie zuckte zusammen und schnappte erschrocken nach Luft, als er sie zurückriss. Sie hatte ihn zwar im Augenwinkel gesehen, aber doch nicht wirklich daran geglaubt, dass er zu allem hinzu auch noch die Dreistigkeit besass, ihr jetzt hier den Abgang zu versauen. Aryana starrte ihn im Anschluss nicht weniger angepisst an als umgekehrt, machte sich aber zugleich nicht die Mühe, gegen seinen Griff anzukämpfen, der sich auch in den folgenden Augenblicken kein Stück lockerte. Sie war ja nicht dumm und wusste bestens, dass er stärker war, ausserdem hatte er sie gefälligst auch ohne ihre Beihilfe wieder loszulassen, weil er sie nämlich gar nicht erst festzuhalten hatte. „Ich denke wirklich nicht, dass du das tun solltest, Mitch. Und das ist kein nett gemeinter, fakultativer Ratschlag, wenn dir grad der Sinn danach steht, für einmal auf mich zu hören. Lass mich los“, zischte sie zurück, während auch ihre Augen absolut unkontrollierte Funken sprühten. Ab da übte sie dann doch minimalen Gegendruck aus, um ihm über einen anderen Rezeptor deutlich zu machen, was genau sie von ihm verlangte, da seine Ohren ja gerade nicht so gut auf Wünsche ansprachen. Sie war sich ja wirklich nicht sicher, ob sie tatsächlich zu Easterlin rennen wollte. Aber es ging einfach ums Prinzip, dass sie nicht jedes Mal spurte, wenn er ihr blöd kam. Ihre Geduld war durch die letzten Wochen und das Training ebenfalls am Anschlag und irgendwann reichte es auch. Wenn er den Gesprächsinhalt einfach nicht mit ihr teilen wollte, dann war das eine Sache und von ihr aus sogar in Ordnung, sie musste ja nicht immer alles wissen. Wenn er zugleich aber so unendlich pissig war und sich verhielt wie das letzte Arschloch, war das was anderes und irgendwann war das Fass ihrerseits voll. Es wäre sicherlich anders, wenn sie den Grund für seine Laune kennen würde, wenn sie wüsste, womit Easterlin ihm gedroht hatte und was Mitch solche Sorgen bereitete und ihn erneut in so tiefen Hass gestossen hatte. Nur hatte sie davon keinen Schimmer und sah nur, wie beschissen er sich ständig verhielt. Und darauf hatte sie echt keine Lust mehr. „Es ist schon interessant, dass du solche Angst davor hast, ich könnte zur Quelle des Übels aufbrechen und ihn fragen, wo’s denn so leidig klemmt... Was ist dein scheiss Problem Mitch?? Er wird mir ja kaum verraten, was du mir seit Wochen verschweigst - es sei denn, es macht Sinn, wenn ich es auch weiss!“, zischte sie weiter wie ein uneinsichtiger Teenager vor sich hin, kam gar nicht auf die Idee, sich von ihm jetzt ihren Plan vermiesen zu lassen. Entweder er redete mit ihr oder er scherrte sich augenblicklich weg - sie machte wahrlich kein Geheimnis aus dem eindeutigen Ultimatum.
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Es war wohl nicht zu erwarten gewesen, dass die Brünette sonderlich begeistert davon sein würde, dass ich sie so unnachgiebig festhielt. Weder davon, noch von meiner andauernden Widerrede. Es war aber auch keine wirklich durchdachte Handlung von mir gewesen, sondern sehr viel mehr nur Instinkt. Auch, wenn ich mir nicht sicher damit war, was jener mir eigentlich sagen wollte - etwa, dass ich Aryana nicht so sehr trauen konnte, wie ich das bisher angenommen hatte? Gedanklich schüttelte ich den Kopf über diesen Gedanken, würde es doch weniger als gar keinen Sinn machen, wenn sie nun plötzlich damit anfangen würde mir in den Rücken fallen zu wollen. Die junge Frau war kein Mensch, der seine Meinung zu solchen Dingen schnell änderte, es war also doch sehr absurd. Es sei denn, sie hatte vielleicht das nicht zu erstickende Gefühl, mir wiederum nicht mehr trauen zu können... und das wäre im Grunde sogar ein kleines bisschen berechtigt, wo ich doch jetzt schon seit Wochen nichts besseres zu tun hatte, als sie anzuschnauzen. Sie in der jetzigen Situation ja viel mehr sogar krankhaft zu unterdrücken versuchte, weil ich anders nicht mehr weiterzukommen schien. Würde Easterlin ihr das überhaupt in Details so sagen, wie er es mir gesagt hatte? Eher nicht, oder? Ich meine, im Grunde hätte er nichts davon. Vielleicht käme es diesem Arschloch sogar ganz gelegen, wenn er uns auf diese Weise voneinander wegbringen konnte, obwohl er uns angeblich nicht trennen wollte. Er redete sicher viel, wenn der Tag lang war und ich wusste wirklich nicht, wo ich mit all meinen Theorien zu seiner abartigen Persönlichkeit ein Ende finden sollte. Wie man ihn durchschauen konnte, weil er es einem selbst mit guter Menschenkenntnis wirklich wahnsinnig schwer damit machte hinter jede seiner fünf Milliarden Fassaden und Intrigen zu sehen. Um es kurz zu machen - ich hatte keine Ahnung, was ich in diesem Moment tun sollte und deswegen dauerte es auch sehr lange fünf schweigsame Sekunden, bis ich mich wieder regte. Ich konnte die Brünette schlecht in der Wohnung einsperren, wäre mit so einer Aktion zweifelsohne auf ein neues Tief meiner ohnehin schlechten Persönlichkeit gerutscht und sie einfach gehen zu lassen war aber auch nicht wirklich in meinem Sinn, weil ich weder wusste, was Aryana nun wirklich vor hatte, noch, ob Easterlin einfach so die ganze Wahrheit bezüglich unseres Gesprächs auspacken würde, selbst wenn ich das für eher unwahrscheinlich hielt. Ich schnaubte letztendlich leise in mich hinein, schüttelte dabei leicht den Kopf und sah einen Augenblick lang zur Seite weg. Im gleichen Moment ließ ich auch das schmale Handgelenk los, gab mich damit mehr oder weniger geschlagen. "Bitte, wenn es das ist, was du willst..." Ich drehte den Kopf zurück in ihre Richtung und sah sie dabei nun auch etwas weniger streitlustig an, allerdings kein bisschen weniger schlecht gelaunt oder wütend. "...dann lass du dir auch nochmal von ihm sagen, dass er dich bei Bedarf einfach in die Luft sprengt. Ich bin mir sicher danach fühlst du dich besser.", motzte ich noch ein paar letzte Worte mit Nachdruck zu ihr runter, bevor ich mich wieder von ihr abwandte. Nicht, weil ich partout nicht mehr mit Aryana reden oder flüchten wollte, sondern weil ich drauf und dran war hier gleich Irgendwas zu zerlegen. Es war sehr sicher besser für alle Beteiligten - und vor allem auch für sämtliche Gegenstände und Möbel im Flur -, wenn ich stattdessen nach einer bis allen noch übrigen Zigaretten in der Schachtel griff, die ich vorhin nach dem Nachhause kommen schon draußen auf dem Fensterbrett am Balkon gelassen hatte. Jetzt, wo es auch nachts durch die anhaltende Wärme weniger feucht war, hielten die Glimmstängel eine Nacht an der frischen Luft auch besser aus. Wobei eine Schachtel momentan ohnehin nie wirklich lange hielt, wo ich doch gefühlt alle paar Sekunden neue Gründe dafür bekam, mich mit dem Nikotin zu beruhigen. Als würde es noch effektiv was zu einer ruhigeren Gemütslage meinerseits beitragen. Aber gut, solange es mich erfolgreich daran hinderte Etwas oder Jemanden zu schlagen, erfüllte es wohl immer noch irgendeinen Zweck.
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Es dauerte einen Moment, aber immerhin zeigte sich dann, dass ihr Freund den Verstand doch nicht komplett verloren hatte. Alles andere als sie loszulassen, hätte auch zwangsläufig zu einer fetten Katastrophe geführt. Naja, wäre zwar gut möglich gewesen, dass ihn das gar nicht interessiert hätte - grosse Katastrophen waren ja quasi ihr gemeinsames Fachgebiet. Aryana zog die Hand zurück, kaum hatte er sie losgelassen, rieb sich einen Moment lang das Handgelenk, ohne den Blick dabei aber von Mitch abzuwenden. War auch gar nicht nötig, da er ihr damit schon zuvorgekommen war und zumindest für ein paar Sekunden zur Seite weg schaute, sich damit gewissermassen geschlagen gab, was aber wenig überraschend auch nicht gerade zu überschwänglichen Hochgefühlen ihrerseits führte. Theoretisch könnte sie ja jetzt einfach gehen, aber in Wahrheit war das eben doch nicht das, was sie wirklich wollte. Sie hatte gehen wollen, weil er nicht mit ihr redete und sie den unnötigen, aussichtslosen Streit nicht brauchte. Trotzdem wäre es ihr noch immer lieber, er würde stattdessen einfach sagen, wo sein Problem lag. Und oh Wunder - genau das tat er nach ein paar weiteren Sekunden dann tatsächlich. Er rückte mit der Wahrheit raus, oder jedenfalls mit einem Teil davon, Aryana hatte ja keine Ahnung, was damals alles besprochen worden war. Dieser Teil reichte auf jeden Fall auch erstmal aus, um der Brünetten die Sprache komplett zu verschlagen, sie ihn dezent überfahren dabei zu betrachten, wie er sich abwandte. Eine hartnäckige Gänsehaut bildete sich mehr oder weniger auf ihrem gesamten Körper und zwar weit bevor sie den Inhalt seiner Worte auch nur annähernd begriffen hatte. Dass er dich bei Bedarf einfach in die Luft sprengt..?? Was zur Hölle? Sie hatte nicht gewusst, was genau sie sich von der Wahrheit erhoffte. Was sie erwarten sollte. Was es sein konnte, dass ihn dermassen aus der Bahn geworfen hatte. Die einzige Drohung, die sie von Easterlin wirklich erwartet hatte, war die, dass er Mitch eben zurück hinter Gitter setzen würde, wenn er sich nicht zusammenriss. Aber das?! Eine verdammte Morddrohung?! Das war Krieg. Wie konnte der alte Sack so dreist, so respektlos sein, sowas auch nur zu denken?! Und woher nahm er bitte den Mut, das auch noch auszusprechen?? Mitch war schon in Richtung Wohnzimmer - wahrscheinlich Balkon - verschwunden, als die Brünette sich aus ihrer kurzzeitigen Starre löste, um ihm nach einem ungläubigen Kopfschütteln hinterher zu stolpern. Handy und Geldbeutel wurden - zumindest vorerst - achtlos auf der Küchentheke deponiert und Aryana trat nach dem jungen Mann auf den Balkon, wo ihr mittlerweile durch und durch aufgewühlte Blick umgehend wieder auf ihm lag. Allerdings brauchte sie auch hier noch einen Moment, bis sie wieder Worte fand, bis sie irgendeine Reaktion zusammenkratzen konnte, die nicht wieder nur aus wenig hilfreichen Flüchen bestand. Sie trat an die Balkonbrüstung, wandte sich dort dann wieder Mitch zu, während ihre Hände sich derweil beständig zu engen Fäusten mit weiss herausstechenden Knöcheln schlossen, wieder öffneten und das ganze Spielchen wiederholten. "Hat er dir gesagt, dass er... dich tötet... oder mich?", war das Erste, was sie in Form einer Frage über die Lippen brachte, nun wieder sehr viel leiser als zuvor, was nicht nur mit der Tatsache zusammenhing, dass sie jetzt auf dem Balkon standen. Ihre Augen waren noch immer stark verengt, während sie ihn musterte und die für sie keineswegs irrelevante Antwort abwartete. Aber die Wut richtete sich nicht mehr auf ihn, hatte einen ganz anderen, aber nicht wirklich unbekannteren Fokus gefunden. Sie hatte es aus den Worten nicht sicher eruieren können. Wenn er Mitch für sein Fehlverhalten seinen eigenen Tod angedroht hatte, war das zwar absolut daneben und sie würde ihm dafür die hässliche Fresse einschlagen und den Schwanz abschneiden. Aber das war eine Strafe auf einer vollkommen anderen Ebene, als wenn er tatsächlich erzählte, sie zu töten, wenn Mitch versagte. Es würde ausserdem Einiges erklären. Würde Easterlin - oder irgendwer - ihr sagen, dass sie mit ihrem Verhalten quasi darüber entschied, ob ihr Freund dem Erdboden gleich gemacht wurde oder nicht, dann Gnade ihm Gott. Das konnte unmöglich sein Ernst sein.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Wahrscheinlich war es gut, dass ich für einen Moment lang meine Ruhe hatte. Fast sowas wie Stille, soweit das auf dem Balkon einer Mietswohnung in einer Kleinstadt eben möglich war. Die vergangenen Bilder von Easterlins hässlich überlegenem Lächeln begannen sofort wider in meinem Kopf aufzuleben, während ich die Zigarette aus der Schachtel auf der Fensterbank zog und dann nach dem Feuerzeug daneben griff. Wie er sich so vollkommen entspannt zurückgelehnt hatte. Wohlwissend, dass es ihn überhaupt nicht zu kümmern brauchte, dass er sich mit einer offensichtlichen Morddrohung im Grunde schon strafbar machte. Erstens, weil ich ihm das vermutlich nicht nachweisen können würde und zweitens, weil er sich wahrscheinlich schon die Hälfte aller Justiz-Angestellten im ganzen Land gekauft hatte. Ich hätte meinen Hinterkopf wieder einmal nur allzu gerne gegen eine Wand geknallt, um mir den Kopf zumindest für einige Sekunden leerzufegen, während ich die Kippe anzündete und danach eindeutig zu intensiv daran zu ziehen begann. Den Rauch nach jedem Zug lange in der Lunge hielt, um meinen beschleunigten Atem und die damit einhergehende unruhige Atmung künstlich wieder runterzuschrauben. Meine Augenbrauen blieben jedoch auch weiterhin tief ins Gesicht gezogen, während ich zwischen zwei Zügen sehr angespannt mit dem Kiefer mahlte und Aryana in meinem Augenwinkel durch die Balkontür trat. Immerhin ging sie nicht. Wahrscheinlich wäre ich nur noch eine Stufe mehr am Rad gedreht, wenn sie jetzt wirklich noch losgegangen wäre. Es war trotz meines ohnehin nur halben Eingeständnisses möglich gewesen, dass sie die Stimmung hier drin nicht weiter ertragen müssen wollte, aber es war zweifelsfrei besser, dass sie hier blieb. Eine kleine Weile blieb es noch ruhig und ich lehnte mit der Hüfte am Geländer des Balkons, den Rücken zur offenen Seite gewandt. Ich sah stur geradeaus an die gegenüberliegende Wand neben dem Fenster und krallte die Finger der freien Hand förmlich um die Brüstung. Das half genauso wie das Nikotin nur mehr schlecht als recht, aber es war besser als die Anspannung blank weiter in mich hineinzufressen. Als Aryana sich schließlich mit einer Frage an mich wendete drehte ich meinen Kopf nur minimal zu ihr rüber, sah mehr nur mittels ganz nach außen gedrehter Augen zu ihr hin. Ich stieß erst den Rauch der Zigarette aus, bevor ich antwortete. Eigentlich hatte ich nach wie vor kein bisschen Lust dazu weiter über dieses beschissene Thema zu reden. Wollte die Brünette am liebsten weiterhin vollkommen bei dieser Geschichte außen vor lassen und den Kampf allein weiterfechten. Nur stand das wohl jetzt nicht mehr wirklich zur Debatte, nachdem ich schon einen Fetzen ausgespuckt hatte und ich kannte die junge Frau inzwischen gut genug, um zu wissen, dass sie jetzt wohl erst recht nicht mehr locker lassen würde. "Dich natürlich.", war meine erste, sehr knappe Antwort darauf. Danach richtete ich die Augen wieder starr geradeaus auf die Wand, als würde da gleich eine Sofortlösung für das Easterlin-Problem auftauchen. "Schätze er kennt meinen Lebenslauf und unsere Vorgeschichte gut genug, um zu wissen, dass mein eigener Tod als Drohung nicht halb so wirksam wäre.", grummelte ich geladen weiter vor mich hin, während ich die Wand mit meinem leeren Blick löcherte, war das reiche Vollzeit-Arschloch doch weiterhin viel zu präsent vor meinem inneren Auge. So auch der Gedanke daran, einfach mal über die nette Mauer seines privaten Wohnsitzes zu klettern, um ihn im Schlaf zu erstechen. Ich konnte wirklich froh von Glück reden, dass noch so viel Vernunft in meinem Schädel vorhanden war, dass ich mir nicht einbildete jenes Grundstück wäre weniger geschützt als sein gläsernes Schloss von Büro auf dem Stützpunkt. Oder überhaupt das ganze Quartier an sich, wo an jeder beschissenen Ecke eine Kamera hing.
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Er sah keineswegs entspannter aus als zuvor, lehnte an der Brüstung, als müsste er sich krampfhaft zusammenreissen, nicht irgendwas oder irgendwen zu verprügeln. Aber mittlerweile machte das sogar Sinn für sie. Denn sie verspürte dieses Bedürfnis je länger je mehr ganz genauso. Sie hatte Easterlin eine Menge Scheisse zugetraut, aber er war drauf und dran diesen Rahmen komplett zu sprengen. Und sie verstand es einfach nicht. Mitch und sie hätten zu unendlich wertvollen Glieder seiner kleinen Scheissarmee werden können. Sie glänzten mit jeder Menge Erfahrung und genauso vielen Referenzgeschichten, bei denen sie ihr Können unter eindeutigen Beweis gestellt hatten. So gut wie der korrupte Intelligenzallergiker informiert war, wusste er sicherlich über einen guten Teil davon Bescheid. Und auch die Tatsache, dass sie beide Führungspersonen - Alphatierchen - darstellten und gerne ein Übermass an Eigeninitiative zeigen, sollte ihm nicht unbekannt sein. Wieso schoss er sich dann derart ins eigene Bein, indem er beschloss, dass diese pure Unterdrückung sein Weg zum Erfolg sein sollte?? Instruktionen waren gut und nötig, aber das ganze drum und dran lief einfach komplett aus dem Ruder. Es dauerte nicht besonders lange, bis Mitch ihre schwer lastende Vermutung bestätigte und Aryana stiess ungläubiges die angestaute Luft aus, schüttelte vollkommen fassungslos den Kopf. Natürlich.. Ja, natürlich hatte er Mitch mit ihrem Tod gedroht, weil alles andere nicht besonders effizient gewesen wäre und einfach überhaupt nicht zu seinen anderen Methoden gepasst hätte. Aber sie hatte wirklich gehofft, dass es nicht so wäre. Natürlich musste sie sterben, wenn er sich nicht benahm. Er wäre ja dann auch schon wieder im Gefängnis. Es sei denn, Easterlin würde davon absehen, auf diese Massnahme zurückzugreifen, wenn sich das andere so viel besser anbot. Aber das war unwahrscheinlich, unterschrieb er damit doch sein unumstössliches Todesurteil und würde überhaupt gar nichts mehr von Mitch erwarten können ausser Krieg - gegen ihn. Das war sowas von idiotisch! So dämlich, dass die Brünette beim besten Willen noch einige Minuten länger sprachlos blieb, einfach keine Worte fand, die es dazu zu sagen gab. Ausserdem waren da gleichzeitig so viele Gedanken und Emotionen, dass es unglaublich schwer war, sich auf eine Antwort zu konzentrieren. Aber Mitch brauchte die wohl auch kaum. Er wusste sicher schon lange, was sie davon hielt. Und das war überhaupt gar nichts Gutes. Sie schüttelte noch zwei-drei weitere Male den Kopf im Unglauben über dieses neue Wissen, massierte sich die schmerzenden Schläfen und starrte auf den nicht wirklich sauberen Boden des Balkons. Er würde sie also einfach umlegen, wenn Mitch sich nicht so verhielt, wie das in seinem Plan vorgeschrieben war. Das war eigentlich nicht einmal so weit hergeholt. "Natürlich... Wenn er merkt, dass das nicht funktioniert, wie er sich das vorgestellt hat, dann steckt er dich zurück ins Gefängnis... Und wenn er das tut, bekommt er sicherlich durch irgendeine blöde Klausel auch sein Geld zurück, weil er weiss, wo er dafür ankriechen muss... Wenn er das Geld wieder hat, braucht er mich auch nicht mehr, um es zu erwirtschaften. Dann ist die logische Konsequenz als Strafe für unser Versagen, dass er mich beseitigt", brachte sie einen einzigen wirren Gedankenstrang leise zum Ausdruck, murmelte die Worte in sich hinein, während sich das Bild des perfekten Verbrechers sich vor ihren Augen neu zeichnete. Gott, was hatte sie getan?? Warum hatte sie sich von einem Arschloch mit Geld wie ihm so sehr blenden lassen?? "Scheisse", fluchte sie in sich hinein, hatte ihr Gesicht mittlerweile komplett in ihren Händen vergraben, die ihr aber weder wirksamen Schutz noch Hilfe boten. "Das ist... echt einfach nur der nächste Warren im Schafspelz... Und scheinbar hat er das Kostüm schon nach acht Wochen über Bord geworfen. Dann... dann müssen wir das wohl ebenfalls tun", auch wenn sie kaum schon so weit waren...
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Meine kleine, aber feine Offenbarung ließ Aryana erst einmal sprachlos zurück und es dauerte nicht lange, da zwang ich die erste Zigarette in die Knie. Dementsprechend schwieg die Brünette auch immer noch, als ich mir die nächste Kippe nahm und sie anzündete, kaum war die erste im Aschenbecher auf der Fensterbank zerdrückt. Es wäre mir wohl weit lieber, mich einfach wieder mit Alkohol ins Aus zu schießen, wo das Nervengift doch so viel besser betäubte und entspannen ließ. Nur stand das eindeutig nicht zur Debatte und außerdem war ich wohl auch viel zu stur, um Easterlin diese Genugtuung auch noch zu geben. Auch, wenn er jetzt am Wochenende wohl kaum etwas davon mitbekommen würde, sofern er nicht Spaß daran hatte mich beschatten zu lassen. Ich traute ihm wirklich alles zu. Ihm und seinem schmierigen, dreckigen Geld. Meine Paranoia fand riesigen Spaß daran sich ausnahmslos jedes mögliche Szenario hinsichtlich Easterlin auszumalen. Was die Theorien bezüglich seiner sehr effektiven Drohung anging, äußerte Aryana sich dann letztendlich auch und durchbrach damit die eingetretene Ruhe, die absolut nicht beruhigend war. Und ja, vermutlich würde er seine Kohle einfach zurückkriegen. Wahrscheinlich konnte es ihm wirklich scheißegal sein, ob ich seiner Armee letzten Endes erfolgreich diente oder eben nicht, weil er was das anging nicht pokern musste. Weil er sich mit Sicherheit bei absolut Allem immer irgendwo ein Schlupfloch bereithielt, nur für den Fall, dass nicht der gewünschte Ausgang der Dinge eintrat. Er würde mir - oder eher uns - wohl immer einen Schritt voraus sein, egal wie gut wir ihn durchschaut zu haben glaubten und das war wahnsinnig gefährlich. "Ja, das kommt vermutlich hin.", grummelte ich nur missmutig weiter vor mich hin, kurz bevor ich mich auf die Bank setzte. Daraufhin dann anfing mit dem Bein zu wippen, weil mir das Stillsitzen genauso schwerfiel wie das Stillstehen. Scheiße traf unsere Situation wohl mal wieder bestens, aber das war nicht wirklich was Neues. Sie war schon vorher nichts als pure Scheiße gewesen, jetzt war sie halt nur noch beschissener. Mit dem Warren-Vergleich traf die Brünette den Nagel ziemlich gut auf den Kopf und entlockte mir dabei das nächste verächtliche Schnauben, dicht gefolgt von einem Nicken. Meine Augen richteten sich wieder starr geradeaus, bohrten sich in die Brüstung des Balkons. "Weil er's nicht braucht.", stellte ich trocken fest, dass das reiche Arschloch sich wohl so ziemlich alles erlauben konnte, weil er fast problemlos damit durchkam. Dafür brauchte er gar keinen Schafspelz. Und wenn doch mal irgendwo ein Stein in Form eines Widersachers auf seinem mit Geld gepflasterten Weg lag, na dann drückte er halt auch dem ein paar Scheinchen in die Hand. Oder drohte einfach eine ihm nahe stehende Person umzubringen, was sicher nicht nur bei mir gut funktionierte. Der alte Sack brauchte keinen schützenden Pelz, er setzte sich stattdessen einfach in eine so gut wie alles abschirmende Glaskugel, wie er sich selbst gebaut hatte. Was wiederum Aryana und mich anging... hatten wir im Grunde gar nichts. Nichts, was uns effektiv vor ihm schützen würde, wenn es drauf ankam, während wir zwischen all seinen treu Untergebenen wandelten. "Ja, das sagt sich schön. Zu blöd, dass ich ihm schlecht einfach mit dem Tod seiner eigenen Frau zurückdrohen kann, weil er sie einfach durch das nächste Püppchen ersetzen würde.", redete ich verbittert in Sarkasmus getränkt weiter, ehe ich das nächste Mal an der Kippe zog. Ich hatte Easterlin inzwischen einem recht ausgiebigen Background-Check unterzogen, aber es gab nicht wirklich viel zu finden. Er schrieb hier und da mal eine Schlagzeile, aber keine einzige Negative - auch hier vermutlich Pressebestechung, konnte ich mir doch absolut nicht vorstellen, dass niemals auch nur irgendwer mitbekam, was er hier mit seiner Armee für eine Scheiße trieb. Das war schlichtweg nicht möglich. Er hatte irgendein junges Ding an seiner Seite, das nicht wesentlich älter sein konnte als ich selbst und sehr sicher nur wegen dem Geld bei ihm war. Dass man sich in so ein Ekelpaket von Mann verlieben konnte, hielt ich für hochgradig unwahrscheinlich. Sie war bildschön, könnte auch jeden anderen Mann haben. Und dumm konnte sie bei ihrem gerade erst abgeschlossenen Jura-Studium auch nicht sein, es entzog sich mir also jeder Logik - zumindest von ihrer Seite aus. Es sei denn natürlich sie war genauso ein gefühlstotes Biest.
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Je länger sie darüber nachdachte, umso mehr wurde ihr bewusst, wie logisch und vorhersehbar die Drohung eigentlich war beziehungsweise gewesen wäre. Es gab eben wirklich genau null Gründe für Easterlin, sie nach dem ersten gescheiterten Versuch, der Mitch zurück ins Gefängnis befördern würde, weiter zu beschäftigen. Er war leider nicht ganz so bescheuert, wie sie das gerne immer wieder gedanklich betonte. Er wusste, dass sie ihm nach einem solchen Vorfall niemals wieder loyal gegenübertreten würde und wenn sie das nicht konnte, dann war sie einfach ein zu grosses Risiko in den eigenen Reihen. Dann war die Gefahr, dass sie ihm in den Rücken fiel, zu gross. Also machte er es umgekehrt und Mitch und sie steckten damit mal wieder erfolgreich aber ungewollt in einer Lage, in der sie den kleinsten Fehler mit dem Leben bezahlen würden. Ihre Augen folgten dem jungen Mann, als er sich von der Brüstung zur Bank bewegte, ohne, dass sie ihn dabei wirklich bewusst betrachtete. Sie hätte genauso gut die Wand als Fixpunkt nutzen können, den sie anstarrte, während das, was sie als Wahrheit betrachtet hatte, mal wieder komplett gemischt und neu aufgelegt wurde. Sie ratloser und überforderter zurückliess als je zuvor. Mitch hatte schon Recht - Easterlin brauchte keinen Schafspelz. Er brauchte überhaupt keine Maske und keine Fassade ihnen gegenüber. Sobald sie unterschrieben hatten, war die Geschichte für sie faktisch gesehen verloren und Aryana fragte sich unweigerlich, was wohl passieren würde, wenn sie sich tatsächlich sechs Jahre durchkämpften. Würden er sie dann am Ende, sobald sie bekannt gaben, dass sie sich verpissen würden, auch auf misteriöse Weise liquidieren? Vielleicht mochte er eifach keine Abgänger - niemanden, der von seinen Schändeltaten berichten konnte, der nicht selbst noch irgendwie mit drin hing. Das liess sich eigentlich relativ leicht herausfinden, falls einer der schon länger involvierten Hampelmänner Auskunft leistete. Mal schauen, ob sie sich irgendwann drum kümmern würde. Im Grunde war es ja sowieso keineswegs ihre Absicht, ganze sechs verschissene Jahre diesem Pisser zu dienen und ihm mehr Geld in die Taschen zu schaufeln, bloss weil er ihre Notsituation schamlos ausgenutzt hatte. Die bedauerliche Tatsache, dass Easterlin sich wohl durch keinen Tod einer geliebten Person erpressen liess, weil schlicht keine solche Person existierte, liess Aryana nur erneut leicht den Kopf schütteln. "Das Einzige, was dieser Mann liebt, ist Geld und sich selbst... Wenn wir ihm wehtun wollen, muss das wohl ihn persönlich betreffen", murmelte die Brünette eine bekannte Tatsache vor sich hin, während ihre Finger langsam wieder sanken und sie stattdessen damit begann, unruhig ihre Hände zu kneten. Im Grunde entsprach das ja sowieso ihrem Plan mit dem Mord. Nur hatte nicht nur Mitch jetzt das Bedürfnis, diesen Mord am liebsten noch heute durchzuziehen - obwohl sie noch nichtmal annähernd sowas wie einen Plan zusammengekratzt hatten. "Und ich habe nicht einmal den Anflug einer Idee, wie das funktionieren soll...", sie durften ja nicht irgendwas pfuschen und wenns nicht klappte, dann gabs halt einen zweiten Versuch. Ein Mord war bekanntlich eine One-Shot-Aktion und dann wurde es verdammt schwierig, wenn etwas nicht genau so passierte, wie es das sollte. Bei Warren war das noch eine Sache gewesen, weil Warren nie im Leben erwartet hätte, dass sie sich tatsächlich trauen würden, seine Person anzugreifen. Easterlin war leider Gottes - auch wenn sie das niemals zugeben würde - intelligenter. Er wusste, dass er viele Feinde hatte und sich täglich Neue schuf. Und er wusste auch, dass seine Feinde keine harmlosen Schulkinder waren. Ach fuck, sie kotzte hier echt gleich über die Brüstung. Aryana drehte sich um, um sich mit den Händen auf der Mauer abzustützen und in die Ferne zu blicken, als würden sich dort irgendwelche Antworten verbergen, die darauf warteten, von ihr gefunden zu werden.
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Das entsprach bedauerlicherweise sehr wahrscheinlich der Wahrheit. Vermutlich stand der alte Sack jeden Abend vor dem Zubettgehen vor dem Spiegel in seinem übermäßig luxuriösen Badezimmer und feierte sich selbst. Vielleicht führte er sogar Selbstgespräche, um sich selbst mit Worten zu loben. Man müsste sich also ganz gezielt ausschließlich gegen ihn richten. Natürlich war Mord mir dabei aber sehr viel lieber als nur gezielte Erpressung, der er nachgeben musste, weil er keine andere Wahl hatte. Nur war der Boden der Staaten kein Kriegsgebiet und ein Unfall wäre wohl wesentlich schwerer glaubhaft zu bewerkstelligen als drüben in Syrien. Sämtliche Tiere mit quälendem, tötenden Gift standen ganz außer Frage und es gab einfach kaum Möglichkeiten, für so einen simulierten Unfall überhaupt erst einmal nahe genug an dieses Arschloch ranzukommen. Wenn überhaupt, dann müsste man ihn außerhalb des Stützpunkts irgendwo abpassen und in die Mangel nehmen, wo im Quartier doch gefühlt jeder Grashalm mit einer Kamera eingefangen wurde. Von dem Bürogebäude mal ganz zu schweigen. Vielleicht gab es irgendwo tote Winkel oder andere Möglichkeiten, den Kameras zu entgehen, aber man konnte das alles nur eher schlecht herausfinden, wenn man sowieso nie in dem Tower drin war. Keiner von uns beiden hatte einen Schimmer davon wie das Sicherheitssystem des Stützpunkts nun genau funktionierte, dementsprechend eben auch nicht wo es vielleicht eine Lücke aufwies. Noch dazu hatte wir beide nicht sowas wie eine IT-Ausbildung, was wiederum hieß, dass wir sehr sicher so oder so einen Zwischenmann brauchten, der uns unterstützte. Sowas kam also eigentlich auch nicht in Frage, weil wir außer uns beiden Niemandem in diesem Scheißverein trauen konnten. Zumindest auf aktuellem Stand der Dinge stand sowas wie ein Attentat in Easterlins eigener Garnison also gar nicht zur Debatte, es müsste demnach irgendwo außerhalb stattfinden oder wir investierten wahnsinnig viel Zeit unserer Freizeit auch noch in diese Scheiße, um uns was diesen ganzen technischen Mist anging übermäßig fit zu machen. Ich seufzte tief, wurde mein Kopf doch immer schwerer und so stützte ich schließlich den linken Ellbogen auf meinen Oberschenkel, um die Stirn in die Hand zu legen und die Augen einen Moment lang zuzumachen. Was die Sache mit dem keine Ahnung haben anging konnten Aryana und ich uns hier nämlich wie so oft getrost die Hand geben. "Ja, genauso weit bin ich auch schon.", stellte ich überflüssigerweise vor mich hin murmelnd fest, ehe ich wieder die Zigarette an meine Lippen hob. Diesmal verließ der Rauch meine Lungen aber schon bald wieder. "Ich meine, theoretisch könnte ich ihn bestimmt aus zwei, drei Kilometern Entfernung abknallen... aber selbst dafür bräuchte es eine echt gute Gelegenheit, die ich bis jetzt noch nicht kommen sehe. Und eine nicht registrierte Waffe, inklusive Kugeln... und ein absolut wasserdichtes Alibi... die Zivilisation macht's einem mit Mord echt scheiße schwer.", faselte ich fanatisch vor mich hin, wobei ich dabei immer noch etwas leiser redete, die Augen letztlich wieder aufmachte und daraufhin den Boden löcherte. Die Anspannung hatte meinen Körper weiterhin fest inne, aber dadurch, dass ich mich nun nach vorne abstützte, hatte das Gewippe meines Beins vorerst ein Ende und ich begann zum inzwischen wohl eine millionsten Mal wieder damit sehr konzentriert über Easterlins Ende nachzudenken, das aktuell in sehr weiter Ferne lag. Das wiederum lenkte mich zumindest davon ab, irgendwo reinschlagen zu wollen. Ich würde den Mord wirklich liebend gerne irgendwo ins Ausland verschieben, aber sofern wir das Arschloch nicht bei einer seiner teuren Urlaubsreisen stören wollten, war auch die Aussicht darauf schwindend gering. Natürlich war er geschäftlich manchmal schon im Ausland, aber es gab keine Gründe dafür Aryana oder mich da mitfliegen zu lassen. Zumal ich sie sowieso auch in tausend Jahren nicht allein mit dem Bastard und anderen seiner Untergebenen irgendwohin fliegen lassen würde. Da wanderte ich lieber mit dem Wissen ihn unüberlegt spontan umgebracht zu haben zurück in den Knast.
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Im Moment standen sie also mit absolut gar nichts da. Sie hatten weder einen Plan noch eine wirkliche Chance oder auch nur einen Anhaltspunkt, an den sie sich die nächsten Wochen und Monate über klammern konnten. Easterlin einfach abzuknallen war wohl keine gute Idee. Es war immer besser, ein Verbrechen wo möglich als Selbstmord oder allenfalls auch als Unfall auszuschmücken und Schusswunden waren da jeweils ein Bisschen fragwürdig. Sollten sie wohl besser nicht riskieren, auch wenn es auf den ersten Blick die simpelste Lösung war. Er wäre dann immerhin tot - nur würde es ihnen wohl nichts mehr bringen, weil sie dann beide in separaten Gefängnissen alleine hinter Gitter den Verstand verloren oder einfach gleichfalls mit dem Tod bestraft wurden. Aryana gab ein schweres Stöhnen von sich und liess den Kopf in den Nacken fallen, starrte in den wolkenlosen Abendhimmel hinauf. Sie würde am Montag sehr definitiv den Haufen Panzerglas stürmen und so lange Terror machen, bis der Teufel sich zu einem Gespräch mit ihr herabliess. Und dann würde sie ihm erstmal erklären, welche 7843 Teile seines Verhaltens einfach Grundlegen unmöglich waren. Und weil ihn das nicht interessieren würde, würde sie ihm eine reinhauen, weil sie doch gut überzeugt davon war, mit eindeutig schnelleren Reflexen gesegnet zu sein als der kleine Sesselfurzer, der wohl nie einen richtigen Krieg erlebt hatte, somit auch nie auf Leben und Tod auf ebendiese Reflexe angewiesen war. Das würde ihr zwar nichts als Ärger einbringen, aber mein Gott... Wie viel schlimmer konnte es in seiner Hölle bitte noch werden? Sie wurden eh schon behandelt wie Dreck, daran würde sich sicherlich nichts ändern. Aryana kippte den Kopf wieder vorwärts, um ihren Blick zurück auf Mitch treffen zu lassen, der ihr Gegenüber ziemlich unglücklich auf der Bank sass. Und das war doch alles einfach nur lächerlich... "Unsere Leben geben sich schon echt viel Mühe, absolut beschissen zu sein, hm?", fragte sie mehr rhetorisch und mit purem Sarkasmus unterlegt. Es war einfach echt so. Sie hatten sich schon oft darüber unterhalten, aber Aryana kannte gefühlt niemanden, der genau wie sie beide einfach nicht eine einzige Pause gegönnt bekam, bevor sie von einer Scheisse in die nächste rutschten. Seit sie sich kannten war es nie einfach nur gut oder entspannt gewesen. Und das war so unendlich anstrengend und mühsam. Gleichzeitig zeigte ihnen das Leben beständig sehr eindringlich auf, wie schnell es eigentlich vorbei sein konnte. Und wenn man es von dieser Seite betrachtete, sollten sie echt nicht ihre Energie und Zeit damit verschwenden, über ein Arschloch wie Easterlin nachzudenken. "Können wir... vielleicht doch was anderes machen als... darüber nachdenken dieses Wochenende? Ich verstehe voll und ganz, wenn du keinen Nerv dafür hast, aber... Aber mein Kopf will nicht einsehen, ihm noch mehr Platz in unserem Leben zu geben, noch mehr Nerven und mögliches Glück an ihn zu verschwenden... Verstehst du? Er macht schon wieder alles kaputt...", hatte ihnen heute Abend schon einmal einen Streit beschert, den sie ohne ihn nicht erlebt hätten. Die Brünette hatte den Kopf leicht schief gelegt und betrachtete ihren Freund fragend, löste sich dann von der Brüstung, um langsam auf ihn zu zu gehen. Es musste ja nichts Grosses sein... Einfach irgendwas, das sie vielleicht für ein paar Stunden an etwas anderes denken liess. Ein Strand und seine Gitarre wären ihr persönlich schon genug. Oder auch kein Strand. Einfach irgendwas eben...
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Ich konnte nicht viel mehr als mit dem Kopf nickend bestätigend die Luft in meinen Lungen stoßartig über die Nase auszuatmen, bevor ich auch die zweite Zigarette zu Ende rauchte. Ja, unser Leben war beschissen. Nein, es wurde irgendwie nie besser. Und nein, es machte auch echt nicht oft länger als fünf Minuten Spaß. Es hatte so seine Gründe, warum ich schon im Knast das Lebens-Handtuch hatte werfen wollen und auch, wenn ich Aryana unmöglich mit diesem Ekelpaket alleine auf diesem Planeten zurücklassen konnte, hielt ich genau das noch immer für die einfachste Lösung von allen. Es hätte mir alles erspart und es hätte auch ihr alles erspart. Natürlich war das nach wie vor sehr schwarzweiß gedacht und die Brünette hätte sich nach meinem Tod wohl nicht gerade weniger schwer damit getan weiterzuleben, als das jetzt auch der Fall war, aber ich hatte schlicht und ergreifend keinen Bock mehr. Ich war es leid und würde den Hass und all die Wut wahnsinnig gerne an Irgendjemandem auslassen, der es noch weit mehr verdiente als ich selbst, darunter zu leiden. Ich wollte es endlich loswerden und gehen lassen, was sicher nicht dadurch passieren würde, einfach nur am Wochenende irgendwas zu unternehmen. Es tat mir schon ein bisschen leid, dass ich Aryana was das anging enttäuschen musste, aber ich fühlte mich auch nach den paar gewechselten Worten noch exakt genauso scheiße wie vorher. Es war keine Erleichterung zu spüren, nur weil die Brünette jetzt davon wusste. Das nahm wir weder den Druck von der Brust, noch meinen ständig Achterbahn fahrenden Kopf. Ehrlich gesagt wusste ich auch nicht, was denn überhaupt noch helfen sollte. Ich trieb ja schon fünf Tage die Woche echt extrem Sport und im Grunde sollte der mich zumindest körperlich so ermüden, dass ich mal für ein paar Stunden echt richtig runterkam. Nur passierte das nicht, weil mein Gehirn endlos unter Strom stand und meinen Körper vermutlich so lange wachhalten würde, bis ich letztendlich komplett zusammenbrach. Ich drückte die Zigarette gerade noch im Aschenbecher auf dem Fensterbrett rechts hinter mir aus, als die junge Frau auf mich zukam und ich seufzte hörbar, während die Glut des Stängels erlosch. Erst, als ich die Zigarette endgültig weggelegt hatte und mich wieder vollständig grade hinsetzte, sah ich zu Aryana auf und glänzte dabei mit einem nach wie vor hochgradig unmotivierten Gesichtsausdruck, bei dem die Mundwinkel gefühlt am Boden klebten. "Schön, von mir aus... aber ich kann dir echt keine gute Laune versprechen.", lenkte ich auch was einen Ausflug anging schließlich ein, was aber wohl hauptsächlich daher rührte, dass ich mich nicht sofort wieder mit ihr streiten wollte. Außerdem hatte ich gerade eben auch wirklich bedeutend wenig Kontrolle über sämtliche meiner Emotionen, ihr ein Lächeln zu versprechen wäre deshalb ganz einfach zu viel des Guten gewesen. Es wäre gesünder für uns beide, wenn sie sich von vornherein mit neutral bis eher etwas mies gelaunt zufrieden gab. Ich verstand schon, was sie mit ihren Worten sagen wollte und im Grunde hatte Aryana ja auch Recht mit dem, was sie sagte. Easterlin und sein Scheißverein nahmen schon fünf Tage unserer Woche für sich ein, man sollte sich wahrscheinlich also nicht auch noch das Wochenende damit versauen. Für mich war das aber wesentlich leichter gesagt, als getan und sie müsste vermutlich ganze Berge versetzen, um das zu ändern. Zwar wusste ich mit am besten, wie zielstrebig die junge Frau war, wenn sie sich etwas in den Kopf setzte, aber mich zu absolut positiver Laune zu bewegen, das hielt ich doch eher für ein Ding der Unmöglichkeit.
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Er wirkte alles andere als begeistert von ihrem Vorschlag - was aber vollkommen im Rahmen ihrer Erwartungen lag. Natürlich war er nicht begeistert. Aber sein Plan für dieses Wochenende - also sich den Kopf über ihren momentan ärgsten Feind zerbrechen - war eben doch auch keine gute Idee, was ihm ziemlich sicher sehr klar war. Meistens kamen einem die besten Ideen ja auch nicht beim aktiven Nachdenken sondern einfach so, irgendwann. War bei Warren jedenfalls so gewesen, als sie beschlossen hatte, dem Grauen ein Ende zu setzen. Sie hatte intuitiv bei Mitch angeklopft, als sie einen Komplizen gesucht hatte. Nicht unbedingt, weil sie beide davor tatsächlich Freunde gewesen waren. Nicht, weil er besonders vertrauenserweckend auf sie gewirkt hatte. Nicht, weil das überhaupt irgendwie nach einer guten Idee geklungen hatte. Sondern einfach, weil ihr Bauchgefühl ihr gesagt hatte, dass er der Richtige dafür war - was er dann sehr wohl auch bewiesen hatte. Und die Idee mit dem Schlangengift, die war ihnen auch nicht bei einer ihrer Grübelstunden auf dem Turm vom Himmel entgegen geschneit. Nein, Mitch war draussen gewesen und hatte sich vollkommen zufällig von einem Tier inspirieren lassen, das sich als perfekte Mordwaffe bewiesen hatte. So würde es wohl auch diesmal sein und irgendwann, irgendwie, würde sich ihnen ein Plan offenbaren, der den Erfolg versprach, den sie dringend brauchten. Es wäre wirklich schön, wenn sie bis dahin wenigstens bei jemandem anklopfen könnten der ihnen dabei half, den Rest des Elends auszuhalten. Aryana war auch nicht gerade dafür bekannt, gerne um Hilfe zu bitten, aber manchmal wäre ein kleiner Ratschlag eben doch schon viel wert. Oder jemand, der zwischendurch etwas Sicherheit bot, wenn man ständig durch ein schäumendes, aufgewühltes Meer watete wie sie. Sie war froh, dass sie Mitch hatte, das stand ausser Frage. Aber sein eigener Seelenzustand und die Tatsache, dass er genauso in dieser ausweglosen Scheisse festsass wie sie, machten ihn nicht gerade zur idealen Stütze, wenn sie sich eben mal nach sowas sehnte. War umgekehrt sicherlich genauso, wobei auch Mitch nicht einfach auf eine Ersatzperson zurückgreifen konnte, weil sie faktisch einfach nur sich selbst hatten. Und Faye und Victor, aber die beiden belastete man besser auch nicht mit zu viel Elend. Einen kurzen Moment geisterte Ragan durch ihren Kopf - der Lieutenant, der die einsame Ausnahme unter arschigen Vorgesetzten gebildet hatte. Doch dieser Zug war ziemlich sicher abgefahren... Ragan würde nicht plötzlich wieder auftauchen und ihnen helfen. Ausserdem war ihnen gar nicht zu helfen. Sie brauchten Easterlin ja, weil Mitch ohne ihn noch hinter Gitter sitzen würde. Es wäre aber einfach auch unendlich schön, wenn er durch einen weniger idiotischen Vertreter seiner Art ersetzt würde... "Ja, das ist okay... Erwarte ich auch nicht von dir", beruhigte sie ihren Freund, zeigte sich grosszügigerweise zufrieden damit, wohl keine glückliche Version seiner Person an ihrer Seite zu finden. Es war zwar sowieso nicht so, als könnte sie irgendetwas anderes tun, als mit dem zufrieden zu sein, was er ihr anbot, aber darum ging es ihr ja auch gar nicht. Sie erwartete nicht von ihrem hochgradig psychisch belasteten - ehrlicherweise nicht nur belasteten, sondern auch dezent kranken - Freund, dass er ihr irgendwas vorspielte. Natürlich zogen schlechte Laune und Pessimismus seinerseits sie mit runter, aber es war ihr lieber, als wenn er nicht mit ihr sprach und sie überhaupt nicht an seinem Innenleben teilnehmen liess, indem er beteuerte, es würde ihm gut gehen oder es wäre nichts. Hatte sie ja heute wieder deutlich genug bewiesen. Aryana liess sich schliesslich neben ihm auf die Bank sinken, stützte die Ellbogen auf den Knien ab und bettete ihren Kopf in ihre Hände. Für einmal versuchte nicht einmal sie sich an irgendwelchen aufbauenden Sprüchen, die die Realität als zu bewältigendes Übel darstellten. Erstens würde es nichts bringen und zweitens war sie sich absolut nicht sicher, ob das der Wahrheit entsprach. Ob ihr Weg wirklich noch zu bewältigen war oder einfach immer weiter einen endlosen, steinigen Pfad bergauf ging, nur um plötzlich am Fusse einer unüberwindbaren Felsmauer zu enden, an der die Reise dann einfach fertig wäre. So langsam deutete nämlich echt alles darauf hin, dass dieser Punkt in nicht allzu ferner Zukunft kommen würde. Alles, was sie heute erfahren und realisiert hatte, machte die Aussichten nur noch düsterer, komplizierter und schwerer zu fassen. Vielleicht sollte sie mal aufhören, daran zu glauben, dass es irgendwann besser wurde...
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ich folgte Aryana mit meinem Blick, als sie sich wieder in Bewegung setzte und letztendlich neben mir auf die Bank sank, es sich ähnlich bequem machte wie ich selbst noch vor ein paar Minuten. Es gab eigentlich sowieso keine andere Möglichkeit, als dass die junge Frau hinnahm, dass es mich in gut gelaunter Version aktuell eben einfach nicht gab, weil wir diese Sache dann einfach auch gleich hätten sein lassen können. Trotzdem war es ganz gut, dass sie mir noch einmal versicherte, dass das schon okay so war und sie nicht erwartete, dass ich mir plötzlich Euphorie aus dem imaginären Hut zauberte. Dann hatte ich wenigstens nicht auch noch zusätzlich den Druck auf mir lasten, dass ich ihren Ansprüchen und Wünschen nicht gerecht werden konnte... wobei das sicher ohnehin schon der Fall war. Ich war nüchtern betrachtet eben einfach kein Überflieger in Sachen Beziehungsführung, da brauchte ich mir selbst nichts vorzumachen. War ja an und für sich schon ein alles andere als einfacher Mensch und übertraf mich was das anging auch fortwährend immer noch selbst. Ich kam ja nicht einmal selbst wirklich mit mir zurecht und erwartete deswegen auch nicht, dass es jemand anders besser konnte. War mir auch sehr sicher damit, dass außer Aryana ohnehin Niemand lange diese Achterbahnfahrten mitmachen würde. Würde ich sie durch diese ganze Scheiße doch noch irgendwann verlieren, weil sie es nicht mehr aushielt, dann wäre ich sicher für immer allein. Mit ihr würden auch Faye und Victor gehen und ich wollte sowieso gar keine andere Frau. Genau deshalb sollte ich sie wesentlich besser behandeln, als ich das aktuell tat. Sollte nicht ständig einen Streit mit ihr provozieren und sollte sie auch nicht so grob am Handgelenk packen, wie ich das vorhin getan hatte. Ob das weh getan hatte? "Hast du schon irgendwas Bestimmtes im Sinn?", versuchte ich meine Gedanken zurück auf den Ausflug zu lenken, der dann wohl morgen anstand. Zumindest ging ich nicht davon aus, dass Aryana den Ausflug noch bis Sonntag aufschieben wollte. Sie hatte vorhin gezielt danach gefragt, ob wir was unternahmen und vielleicht hatte sie was das anging ja auch schon irgendwelche Ideen. Dass ich mich nicht sonderlich kreativ zeigen würde was das anging, war wohl überflüssig zu erwähnen. Sollte die Brünette auch noch keinen Ansatz haben, gab die Liste womöglich Irgendwas her, worauf wir beide - so weit wie meinerseits eben möglich - Lust hatten. Leider wollten meine vorherigen Gedanken nicht wirklich Ruhe geben und so seufzte ich gut zwei Minuten später leise, hob die rechte Hand und strich mir mit nicht zu wenig Druck einmal von oben nach unten über das angespannte Gesicht. "Hab ich dir... weh getan vorhin?", murmelte ich eine Frage zu ihr rüber, kaum hatte ich die Finger wieder sinken lassen. Suchte mit meinen Augen auch zögerlich wieder nach ihrem Gesicht. Wusste nicht, ob ich die Antwort überhaupt hören wollte. Es war nicht so, als hätte ich sie vorhin bei ihrem Marsch zur Haustür gefühlt quer durch den ganzen Flur zurückgezogen, aber ich war alles andere als sanft gewesen. Aryana war nicht schwach, sie hielt vieles aus und hatte schon schlimme Verletzungen hinter sich. Aber nur, weil sie das aushalten konnte, wäre es trotzdem falsch ihr wehzutun und das hatte ich ja auch gar nicht gewollt. Natürlich war es nicht meine Intention gewesen ihr zusätzlich zu all dem Stress, den sie sowieso schon mit mir hatte, auch noch Schmerzen zuzufügen - und seien sie auch nur verhältnismäßig gering -, aber wenn es trotzdem so war, dann war es bestimmt wichtig, dass ich das hörte. Würde wahrscheinlich zu noch mehr Selbsthass meinerseits führen, aber vielleicht dachte ich das nächste Mal bei einem Streit dann zumindest zwei Mal nach, bevor ich sie wieder so grob anfasste...
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Sie hing einen Moment zu lange ihren Gedanken nach, die mal wieder in eine absolut ungesunde Richtung kippten. Nur gab es daran manchmal auch nichts mehr zu rütteln. Manchmal war das Leben eben einfach scheisse, wie sie das vorhin so unverblümt ausgedrückt hatte, und im Moment befanden sie sich ohne Zweifel an einer solchen Stelle. So wie immer halt, aber teilweise waren die Kapitel auch ein Bisschen weniger dunkel als jetzt gerade, so viel stand fest... Seine Frage holte sie nach ein paar Minuten glücklicherweise zurück in die Gegenwart und kappten wenigstens vorübergehend die glühenden Drähte zum allzu hässlichen Kopfkino einer pechschwarzen Zukunft. Aber wirklich einen Plan hatte sie eigentlich auch noch nicht, weshalb nach kurzen Nachdenken ein Schulterzucken folgte. "Naja, nichts Verrücktes eigentlich... Vielleicht können wir zum Strand fahren oder zu den Bergen, wo's dich eher hinzieht...", wahrscheinlich zog es ihn nirgendwo hin, aber das liess sie gerade gerne aussen vor, "...und uns dann entsprechend entweder einen gemütlichen Tag am Wasser machen oder eine kleine Wanderung wagen. Betonung auf kleine", denn zu was anderem wäre sie für ihren Teil wiederum nicht zu begeistern. Nicht nach wochenlangem Sport weit über die eigenen Grenzen hinaus. Die kleine Wanderung käme wohl eher einem Spaziergang gleich, aber Mitch verstand sicherlich, was sie meinte, da ihm der Sinn bestimmt ebenso wenig nach einer weiteren sportlichen Überanstrengung stand. Während sie sich ziemlich sicher war, seine Motivation gegenüber Sport am Wochenende ganz gut eruieren zu können, so blieb ihr hingegen sein Gang zum im Folgenden geteilten Gedanken doch ziemlich schleierhaft. Entsprechend legte die Brünette auch leicht irritiert die Stirn in Falten, als er sie fragte, ob er ihr denn weh getan hatte bei ihrer Auseinandersetzung im Flur. Zuerst sah sie noch davon ab, ihn nun ihrerseits wieder anzuschauen, weil sie ganz einfach nicht wusste, was sie darauf sagen sollte. Besonders fest hatte er ihr sicherlich nicht wehgetan und in dem Moment hatte sie sich auch keineswegs auf irgendeinen Schmerz konzentriert, weil sie dafür viel zu wütend, frustriert und zugleich überrascht gewesen war. Aber davon abgesehen..? "Ich... ich weiss nicht... nur ein Bisschen... Machs einfach nicht wieder", entschied sie sich letztendlich für eine eher ausweichende Antwort - bei der nun auch ihre Augen wieder in seine fanden - weil sie nicht vorhatte, die ganze Sache für ihn noch schwerer zu machen. Es reichte, wenn er wusste, dass das nicht wirklich korrekt gewesen war - aber Aryana war sich sowieso relativ sicher, dass ihm das längst klar war. Also was wollte sie ihm hier noch mehr auf die überlasteten Schultern laden? Sie hatte es überlebt und es waren sicherlich nicht die Schmerzen ihres Lebens gewesen, auch wenn der junge Mann mit definitiv ausreichend Kraft gesegnet war, um sie ziemlich ruckartig und unangenehm zurück zu reissen und von ihrem sauberen Abgang abzuhalten. "Aber war wohl trotzdem besser, dass du mich aufgehalten hast, selbst wenn die Art nicht ganz ideal war... Stell dir vor ich wäre heute schon zu ihm gerannt und er hätte mir das tatsächlich ins Gesicht geknallt", meinte sie düster, schüttelte sich sofort etwas bei dem grauenvollen Gedanken. Sie hatte keine Ahnung, wie sie bei Easterlin reagiert hätte, aber es wäre zweifellos zur Katastrophe geworden, die sie nicht brauchten.
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Strand oder Berge. Viel mehr Kontrast hätte sie in zwei Vorschläge, die beide unmittelbar mit der Natur verbunden waren, kaum bringen können. Es hatte zweifelsfrei beides seine eigenen Vorzüge. Während ich Berge meistens eher mit sehr rauer Natur, viel Grün und klarer Luft in der Höhe verband, hatte das Meer mit seinem gleichmäßigen Rauschen und dem Sand unter den Füßen doch mehr von Urlaub. Schön konnte wohl beides sein, wenn man sich nur darauf einließ. Ich dachte erst einige stille Sekunden darüber nach, was mir lieber war und blieb letztendlich doch am Meer hängen. Erstens war mir nach den ewigen Läufen im und um den Stützpunkt herum nicht wirklich nach viel laufen und zweitens hatte ich irgendwie doch die leise Hoffnung, dass der Strand mehr positive Gefühle in mir wecken würde. Natürlich würde der kaum genauso aussehen wie in Australien, weil wir hier nun mal in den Staaten waren, aber vielleicht war er trotzdem ähnlich schön. Solange nicht endlos viele Menschen dort waren, könnte ich zumindest versuchen mich vielleicht ein winziges bisschen zu entspannen. Wenn viel Kindergeschrei oder anderweitiger Lärm von Mitmenschen gegeben wäre, würde das hingegen sicherlich eher schwierig werden. In den Bergen war die Tendenz für ruhige Natur wahrscheinlich besser, aber ich hatte einfach nicht sonderlich viel Lust dazu mich irgendeine Anhöhe hochzuschleppen. Der Muskelkater war zwar nicht mehr so schlimm, aber doch weiterhin fast täglich ein bisschen gegeben. Er wanderte einfach nur im Körper, je nachdem welche Muskelpartien am Vortag am meisten gestresst worden waren. "Strand und Nichtstun ist mir lieber, glaube ich.", veräußerte ich meine Gedanken schließlich etwas nachdenklich und weiterhin nur so semi-motiviert. Vielleicht war ich morgen dann interessierter daran, wenn ich noch eine Nacht darüber geschlafen und mich mit dem Gedanken angefreundet hatte. Die Auseinandersetzung im Flur hingegen ließ sich schlecht über Nacht schön reden. Allein schon die Tatsache, dass Aryana mit der Antwort zögerte, konnte kaum was Gutes bedeuten. Zwar sagte sie schließlich, dass ich ihr nun nicht die Schmerzen ihres Lebens beschert hatte, aber nur ein bisschen war eben schlichtweg schon zu viel. Ich wandte den Blick nach kurzem Augenkontakt mit der Brünetten dann meinerseits ab. Sah stattdessen auf den Boden, als ich denn Kopf schüttelte. "Werd' ich nicht.", versprochen. Eigentlich wollte ich den Satz genau so vollenden, aber dieses eine, sehr bedeutsame Wort blieb mir dann doch im Hals stecken. Einfach, weil ich es ihr nicht versprechen konnte. Nicht, solange ich dauerhaft dermaßen gereizt war. Bevor ich das Versprechen brach, ließ ich es also lieber sein. Auch, wenn ich natürlich trotzdem hoffte, dass es nicht mehr dazu kam. Wirklich mildern konnte Aryana dem Umstand auch mit ihren noch folgenden Worten nicht. "Lieber nicht.", war erstmal also das Einzige, was mir über die Lippen kam. Nein, gut ausgegangen wäre das Gespräch zwischen ihr und Easterlin wohl kaum. Zwar war die junge Frau im Regelfall sehr viel beherrschter als ich, aber wenn es um uns beide ging, dann fuhr auch sie deutlich leichter aus der Haut als gewöhnlich. Ich konnte darauf und auch auf die gedankliche Vorstellung dieses Szenarios dementsprechend recht gut verzichten. Ein paar schweigsame Sekunden später beugte ich mich schließlich etwas nach vorne und auch vermehrt zu Aryana hin. Hauchte nach kurzem Zögern einen Kuss auf den Stoff an ihrer Schulter, während ich die Hand an ihren Rücken legte und abwärts streichelte. Ihr ein paar kleine Zärtlichkeiten zukommen zu lassen war wohl meine Art von Reue. "Ich geh' noch duschen.", ließ ich sie murmelnd wissen, warum ich zwei Sekunden später aufstand und nach einem letzten Blick in ihre Richtung schließlich nach drinnen ging. Ich hatte die unwahrscheinliche Hoffnung, dass ich unter dem Wasserstrahl vielleicht ein bisschen runterkommen würde und dann besser schlafen konnte. Wirklich spät war es zwar noch nicht, aber ich war ebenso kaputt, wie ich angespannt war und außerdem würde meine Laune heute zweifelsohne nicht mehr signifikant steigen. Der Tag war gelaufen, war nach dem Streit vorhin doppelt im Arsch und mir blieb wohl nur zu hoffen übrig, dass es mit dem Start in einen neuen Tag besser wurde. Vielleicht schlief ich ja zumindest ein bisschen besser als die letzten Tage, wo der ganze Scheiß jetzt raus war.
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