Das können wir uns nicht erlauben! o.o Und Faye dankt für den Balkon - keine Ahnung, ob die davor schon einen hatten oder nicht, ich denke, das war nicht definiert. xD _______
Sie hatte damit gerechnet, dass sie ihn nur nochmal nerven würde. Dass er nach ihren Worten die Augen verdrehen, die Türfalle greifen und nach draussen verschwinden würde. Und trotzdem hatte sie ihm die paar Sätze unbedingt sagen wollen, weil sie hoffte, dass er sich später daran erinnerte und ihr alles davor Gesagte zumindest ein Bisschen weniger übel nahm. Es dauerte bis sie fast zu Ende gesprochen hatte, bis sein Blick ihre Augen fand. Und als er sie musterte, hielt sie diesem auch nur kurze Zeit stand, bevor sie selber zur Seite weg blickte, ihre Schultern weiter nach oben und ihre Hände unsicher in die Ärmel des Pullis zurück zog. Erst, als er sich wieder abwandte, stattdessen gegen die Wand lehnte, hob sie den Blick erneut etwas an, weil sie nicht verstand, was er tat. Dass er nicht ging, wie sie fest erwartet hatte. Natürlich hatte sie nichts dagegen, sie hatte ihm vorhin immerhin selbstständig die Tür versperrt - es kam trotzdem unerwartet. Und so blieb sie angespannt in der Ecke hinter der Tür stehen, hob nur einmal die Hand, um sich erneut die Tränen aus den Augen zu wischen. Auch ihrer Schwester warf sie einen kurzen Blick zu, aber sagen tat sie nichts, hielt viel mehr die Luft an, während Mitch mit sich und dem ihnen allen bestens bekannten Sturm im Kopf rang. Eine gefühlte Ewigkeit lang, bis er sie schliesslich wieder anschaute. Seine Mimik war nach wie vor alles andere als entspannt, genau wie seine Körperhaltung und überhaupt seine ganze Ausstrahlung. Aber er sah nicht mehr ganz so aus, als möchte er sie allein mit seinem Blick vom Erdboden verschwinden lassen, weshalb sie langsam die unbewusst angestaute Luft ausatmete. Faye ging zuerst davon aus, dass er zurück ins Wohnzimmer wollte, um sich nochmal zu den anderen zu setzen, als er in diese Richtung deutete. Weil er vielleicht doch noch irgendwas zu sagen hatte oder sich auf magische Art bereit fühlte, doch nochmal ein gesittetes Gespräch zu führen. Aber als sie sich langsam in Bewegung setzte, um ihm zu folgen, stoppten seine Schritte nicht beim Sofa, sondern durchquerten den Raum in Richtung Balkontür. Was auch der Griff zur Kippenschachtel schon hätte offenlegen können, wie ihr jetzt klar wurde. Sie war sich nicht ganz sicher, ob es eine gute Idee war, wenn sie sich alleine zu ihm gesellte. Es war immerhin auch wirklich nicht so, als hätte sie all das, was er ihr vorhin an den Kopf geworfen hatte, auch nur annähernd verarbeitet oder gar vergessen in der Zwischenzeit. Und noch mehr von diesem Kaliber verkraftete sie an einem einzigen Tag wirklich nicht - nicht, nachdem alles davor schon so aufwühlend gewesen war und sie sowieso am Rande eines Nervenzusammenbruches gestanden hatte. Aber trotzdem führten ihre unsicheren Schritte sie mit etwas Verzögerung nach Mitch in Richtung Balkontür. Wenn sie auch Victor davor noch einen kurzen, beklommenen Blick zugeworfen hatte. Als sie über die Schwelle getreten war, zog sie die Tür hinter sich wieder zu, vermied es vorerst, Mitch direkt anzuschauen und setzte sich lieber erstmal auf die gepolsterte Bank, die neben einem kleinen Tisch mit zwei Stühlen, einem Grill und drei Blumentöpfen den mittelgrossen Balkon füllte. Auch über das Geländer hatte sie vor zwei Wochen Blumenkisten gehängt und zu genau diesen frisch gepflanzten Blütenpflanzen verirrte sich ihr Blick die ersten paar tiefen Atemzüge lang. Erst dann hob sie den Kopf, um Mitch entgegen zu blicken, hörte gleichzeitig aber nicht damit auf, nervös an ihren Fingerspitzen herum zu nesteln. Sie rechnete damit, dass er irgendwas sagen wollte. Weil er sonst kaum gewollt haben könnte, dass sie ihm hier draussen Gesellschaft leistete. Weil er sonst seine Kippe alleine geraucht und sich dabei hoffentlich etwas beruhigt hätte. Jedenfalls wartete sie erstmal mit sprechen, weil sie sich ziemlich sicher war, für den Moment genug gesagt zu haben, ihr ausserdem auch absolut nichts einfiel, was sie noch zum Thema loswerden musste.
Sie hatte wirklich mit vielem gerechnet, aber definitiv nicht damit, dass Mitch sich tatsächlich von Faye mehr oder weniger dazu überreden liess, jetzt doch nicht schon einen so unschönen Abgang hinzulegen. Viel mehr hatte sie den nächsten Ausraster erwartet, der ihre Schwester endgültig zu Boden gerissen hätte. Oder ein stummes Verschwinden. Aber das Schauspiel, welches sich ihr bot, zeigte nur wieder sehr deutlich, wie schlecht Mitch einzuschätzen war und wie wenig sie ihn auch nach all der Zeit noch kannte. Viel deutlicher zeigte sich aber erneut der Kampf, den er mit sich selbst ausfechten musste, der ihn innerlich zerriss und komplett fertig machte. Und sie wusste, dass da irgendwo noch immer sein Gewissen mitredete, auch wenn er es die letzten Minuten über erfolgreich stummgeschaltet hatte. Mitch war kein schlechter Mensch, er hatte nur zu lange mit schlechten Menschen gelebt... War nur zu verbittert und verzweifelt, um sich so viel Verletzlichkeit einzugestehen, wusste vielleicht auch einfach nicht oder nicht mehr, wie solche Diskussionen besser geführt werden konnten, als mit gegenseitigen Schuldzuweisungen und Geschrei. Aber er würde es wieder lernen. Mit viel Zeit. Es würde bestimmt irgendwann besser werden. Irgendwann wieder so, wie es vor einem Jahr gewesen war. Vielleicht auch besser als damals... Aryana war einen Schritt aus dem Türrahmen zurückgetreten, als sie sich mehr oder weniger sicher war, dass keine Vollkatastrophe mehr folgte. Trotzdem ruhte ihr Blick weiterhin auf den beiden Menschen, die da vor der Tür standen, beide so, als würden sie dort eigentlich lieber gar nicht sein. Verständlicherweise... Und dann drehte Mitch sich wieder um. Zuerst zu Faye und dann in Richtung Wohnzimmer. Dass seine Hand dabei die Zigarettenschachtel hervorholte, war wenig erstaunlich und in diesem Fall vielleicht auch gar nicht schlecht. Was sie wiederum alles andere als gutheissen konnte, war der Blick, den sie von ihm geschenkt bekam. Sie hatte gar nicht vorgehabt, ihm zu folgen, wenn Faye dies tun sollte. Auch sonst hatte sie ihm so zirka null Gründe dafür gegeben, sie so anzuschauen. Klar wäre ein Lächeln jetzt absolut fehl am Platz, aber es pisste sie doch auch dezent an - oder verletzte sie, je nachdem, welcher Hirnhälfte man hier mehr Gehör schenken wollte - dass er sie behandelte, als wäre sie ihm in irgendeiner Weise in den Rücken gefallen. Aber sie sagte nichts, natürlich - sie wollte die tickende Zeitbombe nicht ein weiteres Mal explodieren hören. Ging stattdessen langsam in Richtung Sofa zurück, als sowohl Mitch als auch ihre Schwester in Richtung Balkon vorbeigezogen waren und wenig später die Tür wieder zugezogen wurde. So ähnlich musste es sich für Faye wohl angefühlt haben, als Victor lieber Aryana von seinem Ausfall in der Ausbildung berichtet hatte, als ihr. Jedenfalls war das für einen kleinen Moment der Gedanke, der ihr durch den Kopf ging. Bevor sie sich nochmal zur Balkontür umdrehte, sich dann aber wieder aufs Sofa sinken liess. Sie fühlte sich ausgelaugt und müde und leer und traurig. Überfordert und voller Ungewissheit. Wahrscheinlich ähnlich beschissen wie ihr Gegenüber, zu dem ihr Blick nach einigen Minuten des Schweigens glitt. "Die versteht man wohl beide manchmal einfach... überhaupt gar nicht...", murmelte sie vor sich hin, unterstrich die Aussage mit einer dezent ratlosen Geste. Sie strich sich ein paar Mal mit den flachen Händen über die Oberschenkel, noch immer irgendwie im Versuch, sich zu beruhigen. "Ich wollte wirklich nicht... hierher kommen, und euch so überfahren... Aber es ist halt alles noch etwas... herausfordernd...", milde ausgedrückt. Es war auch alles noch ein Bisschen verdammt scheisse. Ein Bisschen die Hölle. Ein Bisschen die Pest.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
wie gut, dass das RP-Universum offen für spontane Add-Ons ist. x'D ____
Es war schon nachvollziehbar, dass Victor mir noch eine kleine Warnung mit auf den Weg geben wollte, aber ich hielt sie dennoch für unnötig. Nicht nur, weil ich gerade insgesamt nach wie vor etwas irrational dachte, sondern auch, weil mir zumindest jetzt gerade nicht im Sinn stand Faye noch mehr Mist an den Kopf zu knallen. Andernfalls hätte ich sie kaum dazu eingeladen mir zu folgen, wobei ich natürlich nicht grundsätzlich ausschließen konnte, dass ich es mir nicht im Laufe der folgenden Minuten noch anders überlegen würde. Sie mochte die Bombe mit einer weiß Gott merkwürdigen Taktik vorübergehend entschärft haben, aber jene hatte ungefähr endlos viele Zündschnuren, die zum Ziel führen konnten. Vielleicht war mein Vorhaben deshalb auch etwas gewagt und potenziell gefährlich. Aber ich wäre kaum ich, wenn mich das maßgeblich interessieren würde. Es würde schon keiner vom Balkon fallen. Und wenn doch, dann nicht tief. Der erste Blick übers Geländer, vor dem ich recht nahe zum Stehen gekommen war, verriet mir, dass unterhalb noch ein kleines Vordach war. Meine Augen wanderten dann kurz nach unten zu der Zigarette, als ich sie anzündete und danach das Feuerzeug wieder verstaute. Im Anschluss verloren sich meine Augen an das kleine bisschen Aussicht, das sich mir hier bot und ich nahm den ersten Zug, während die jüngere Cooper sich irgendwo hinter mir hinsetzte. Ich sagte auch vor dem zweiten, dritten und vierten Zug noch nichts. Behielt den Rauch jedes Mal recht lange in meiner Lunge in der gutgläubigen Hoffnung, dass er dann noch wesentlich effektiver war. Es war vermutlich eher das dadurch relativ gleichbleibend getaktete Atmen, das mich einen weiteren, wenn auch nur kleinen Gang weiter runter schalten ließ. Letztendlich machte ich noch zwei kleinere, langsame Schritte am Geländer entlang in Richtung des Grills, streifte auch diesen einmal kurz mit meinem Blick. Ich nahm einen weiteren Zug und drehte mich noch dabei dann langsam zu Faye um, atmete den Rauch aus und sah sie an. "Was denkst du über mich, Faye?", stellte ich ihr eine Frage, die an sich zwar simpel, aber womöglich gar nicht so leicht zu beantworten war. Nahm danach einen weiteren, etwas flüchtigeren Zug von der Kippe und ging etwas mehr ins Detail. "Ohne, dass du dabei im Hinterkopf hast, dass deine Schwester mich liebt." Ich versuchte meine Stimme nicht mehr ganz so stichelnd klingen zu lassen, etwas ruhiger. Es war aber sehr sicher unvermeidbar die anhaltende Anspannung rauszuhören, die ich sicherlich noch die eine oder andere Stunde mit mir herumschleppen würde. Es war nicht anzunehmen, dass die sich zeitnah wieder verflüchtigen würde, wo ich doch aktuell noch den ziemlich vehementen Drang dazu spürte, Irgendwas oder Irgendjemandem eine Faust zu verpassen. "Ich meine, so ganz ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Rein objektiv, ich nehm's dir auch nicht übel.", unterstrich ich meine vorherigen Worte noch etwas deutlicher. Hängte auch noch an, dass sie sich nicht unbedingt Sorgen um meine Reaktion darauf machen sollte - meinte das auch ernst. Ich hatte schon unzählige Male Irgendjemanden schlecht über mich reden hören, in einem Army-Camp blieb sowas nicht vor einem verborgen. Ich würde das schon aushalten und wenn das auch nur dieser oder der nächsten Zigarette zu verschulden war, weil ich weiter vor mich hinrauchen würde, um zu vermeiden, dass ich den Mund aufmachte. Vielleicht dachte ich unterbewusst auch, dass ich das brauchte. Dass ich es hören musste, wenn ihre Meinung mindestens zwiegespalten oder tendenziell eher schlecht behaftet war. Oder wenn sie mir gar Dinge an mir aufzeigen würde, die ich selbst so überhaupt nicht wahrnahm, die mir nicht präsent waren. Entweder, weil ich sie verdrängte, oder weil ich sie nicht wahrhaben wollte. Oder sogar beides. Erst einmal lehnte ich mich abwartend mit der Hüfte an das Geländer und stützte mich mit der freien Hand ab, während ich mit der anderen weiterhin die Kippe festhielt.
Meine Augen klebten unweigerlich noch ein paar Sekunden lang an der Balkontür, als Faye ebenfalls nach draußen gegangen war und sie wieder hinter sich zumachte. Hielt sie das wirklich für eine gute Idee? Nur, weil er sie eben im Flur offenbar nicht noch einmal angeschrien hatte, hieß das schließlich nicht zwangsläufig, dass er das heute gar nicht mehr tun würde. Außerdem fragte ich mich unweigerlich, wie das jetzt zustande gekommen war. Eben hatte Mitch ihr noch wüste Anschuldigungen an den Kopf geschmissen und jetzt verscheuchte er sie nicht sofort wieder vom Balkon, wenn sie ihn dort aufsuchte? Die Situation könnte fast nicht verwirrender und merkwürdiger sein. Dementsprechend sah ich die Tür auch an, ehe ich verständnislos für mich selbst den Kopf schüttelte. Sollte er doch wieder aus der Fassung geraten - für eine Lebensversicherung hielt ich die Zigaretten eher nicht -, dann war das hier drinnen zweifelsfrei hörbar und ich würde ihn vor die Tür setzen. Ich mochte ja für gewöhnlich ein sehr geduldiger und ruhiger Mensch sein, aber bei Faye hörte der Spaß für mich ganz schnell auf. Sie war von der Situation an sich schon genug mitgenommen und konnte es absolut nicht brauchen, dass er sie noch mehrfach anschnauzte, weil er selbst sichtbar nicht ganz okay war. In jenem Fall wäre es besser für alle Beteiligten, wenn er einfach ging und sich abreagierte - natürlich nicht an anderen Leuten, sondern für sich selbst. Irgendwo, wo er bestenfalls allein war. Mein zuvor recht nachdenklicher, leerer Blick richtete sich erst dann auf Aryana, als sie sich längst zurück aufs Sofa hatte sinken lassen und schließlich nach ein paar Minuten das Schweigen brach. Sie sah wohl ebenso ratlos aus wie ich selbst und stieg laut ihrer Worte ebenso wenig dahinter, was der Balkon-Ausflug sollte. Wie sollte sie auch - bis auf das genervte Ja doch hatte Mitch vermutlich gar nichts gesagt, wenn ich meinen Ohren trauen konnte. Ich glaubte eher nicht, dass er im Flur so leise gesprochen hatte, dass ich es nicht hatte hören können, wo die Tür doch offen geblieben war. "Ja, da sagst du was...", stimmte ich ihr mit einem leisen Seufzen zu und hob dabei die rechte Hand, um mir damit nach hinten durch die Haare zu streichen, weil sich eine der Strähnen gelöst und nach vorne auf meine Stirn verirrt hatte. Erst danach ließ ich mich noch etwas angespannt an die Rückenlehne sinken, war mir doch nach wie vor nicht ganz wohl dabei die beiden draußen allein zu lassen. Ich warf noch einen kurzen Blick in jene Richtung, ehe meine Augen zurück auf Aryanas trafen. Ich folgte ihren weiteren Worten, schüttelte aber schon gegen Ende hin schwach mit dem Kopf. Dass die ältere der beiden Cooper Schwestern nicht im Sinn gehabt hatte sich hier zu streiten lag schließlich auf der Hand und ich machte ihr diesbezüglich nun wirklich keine Vorwürfe. "Ist denke ich trotzdem besser, als wieder ein Geheimnis draus zu machen... dass das auch nicht die Lösung ist, haben wir ja schon gelernt.", redete ich leicht gemurmelt vor mich hin. Zuckte dann leicht mit den Schultern, weil ich nicht wirklich eine andere Option sah, als Faye und mich zu überfahren. Es zu verheimlichen wäre auch nicht besser gewesen. Irgendwann kam sowas immer raus und ich wagte doch stark zu bezweifeln, dass das Faye nicht noch mehr aus der Bahn geworfen hätte. Gerade nachdem ihre Schwester ebenso an meinen Geheimnissen beteiligt gewesen war, wenn auch nur kurzfristig. Sie hatte damals klar gemacht, dass sie nicht verschont werden wollte. "Kommst du klar, Aryana..?", hakte ich schließlich etwas zögerlich nach. Die Frage war wohl nicht nur auf die Sache mit dem erneuten Einzug in eine Armee bezogen, sondern vor allem auch auf ihren dezent explosiven Freund. Wenn er permanent so geladen war wie jetzt gerade, dann wäre das doch schon ziemlich... naja, hart. Ich sah jetzt gerade nur diese Momentaufnahme von ihm, vielleicht war er sonst auch überwiegend ruhig und es lag nur an der sich sehr schnell zugespitzten Situation, dass er so an die Decke gegangen war. Leider hielt ich es aber auch durchaus für möglich, dass das häufiger passierte, weil er sich von nichtigen Kleinigkeiten angegriffen oder genervt fühlte. Er war eben einfach Mitch. Sowas war früher Alltag bei ihm gewesen.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Einen so langen Monolog hat gefühlt noch keiner meiner Charas je gesprochen.. xD __________
Es dauerte ziemlich lange, bis er sich ihr zuwandte. Aber das war wahrscheinlich auch ganz gut so, für sie beide. Auch Faye musste dringend mal durchatmen - wozu sich der Balkon bestens anbot. Sonst heulte sie beim kleinsten Pieps wieder los. Und wenn Mitch etwas rauchte, sich zumindest minimal entspannte, bevor sie ihr Gespräch - wenn man es denn so nennen wollte - fortführten, würde er hoffentlich auch nicht mehr gleich an die Decke gehen, sobald sie sich ungünstig ausdrückte. Auch wenn sie sich natürlich nach Möglichkeiten davor hüten würde, dies zu tun. Ihr war es also nur Recht, erstmal eine Pause vergönnt zu bekommen. Ihre Augen folgten schon länger seinen Bewegungen, bevor er sich dann zu ihr umdrehte und sein Blick auf ihren traf. Direkt gefolgt von einer Frage, die sie so definitiv nicht hatte kommen sehen. Eine Frage, die sich ausserdem auch echt nicht leicht beantworten liess. Ihre Stirn legte sich in nachdenkliche Falten, noch bevor er weiter sprach und seine Worte in den drei folgenden Sätzen noch genauer präzisierte. Eine Weile ruhte ihr Blick noch auf seinem Gesicht, musterte seine Züge, als könnte sie daraus ihre Meinung ablesen, nach der er gefragt hatte. Dann fanden ihre Augen langsam den Weg nach unten, zu ihren Händen, die noch immer damit beschäftigt waren, sich gegenseitig mit den Fingernägeln zu malträtieren. „Das ist eine schwierige Frage, Mitch... Ich kenne dich schon so lange... und doch irgendwie nicht wirklich...“, begann sie leise zu sprechen, hielt für den Moment nun auch mit ihren Fingern inne und hob stattdessen sachte die Schultern. „Da gibt es einen Mann, mit dem ich vor Jahren, als ich frisch bei der Army war, zwischendurch ein paar Worte gewechselt habe. Er war nicht... nett. Aber er war ehrlich. Ich habe immer bewundert, wie gut du gekämpft hast, wie sehr du dich draussen für alle eingesetzt hast, während du im Camp so offen dazu stehen konntest, wen du in Wahrheit alles für absolut unbrauchbar hältst. Ich weiss, dass ich für dich zu diesen Menschen gehört habe. Aber ich wusste auch, dass du damit Recht hattest, auch wenn ich mir das damals nicht eingestehen wollte. Ich habe dir nicht wirklich vertraut, spätestens nach dem Vorfall mit dem Lauschen nicht mehr. Aber in keinem entscheidenden Moment hat sich dieses Misstrauen je als berechtigt erwiesen... bis eben die ganze Sache aufgeflogen ist, die damals offenbar unbemerkt schiefgelaufen ist. Aber ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht. Und vielleicht kann ich es... ein Bisschen verstehen. Wie gesagt - ich kann manchmal auch nicht mehr denken, wenn mein Kopf sich ins Chaos stürzt. Ich weiss wenig über dich, deine Gründe, deine Kindheit, deine Erfahrungen, deinen Entscheid, der Army beizutreten. Aber es gibt unendlich viele Gründe, die einen Menschen im Krieg dazu bewegen können, vollkommen irrationale, nicht nachvollziehbare oder auch falsche Dinge zu tun... Ist nicht so, als hätte ich damit keine eigenen Erfahrungen gemacht. Und ich glaube nicht, dass du ein schlechter Mensch bist...“, sie hielt nach all den Worten einen Moment inne, um den Kopf zu heben und wieder nach seinem Blick zu suchen. „Denn es gibt auch noch den anderen Mann... der, welcher der Erste und Einzige gewesen ist, der mit Aryana ohne irgendeine nachvollziehbare Begründung dem Tod entgegen gerannt ist, um Victor und mich aus der Hölle zu retten. Ohne dich wäre zumindest Victor wenige Stunden später gestorben... Und ich wohl auch... oder ich hätte mir gewünscht, gestorben zu sein. Du hast gekämpft, als wäre es dir egal, wenn du die Kugeln einsammelst, welche für uns bestimmt waren. Du hast nichtmal dran gedacht, einen von uns zurück zu lassen, damit du dich nach draussen retten konntest. Und ich glaube, dass du dieser Mann bist, ihn sein kannst, weil du ihn in dir trägst. Dass du selbstlos, mutig und scharfsinnig bist. Ich glaube, dass du alles, was du getan hast, als du nicht du selbst gewesen bist, auf dieselbe Art wiedergutmachen würdest, mit der du uns gerettet hast - wenn du könntest. Ich glaube, dass es dir unendlich leid tut. Und ich glaube, dass du... diese Schuld loslassen musst. Ich weiss, das hört sich falsch an, nach dem, was ich dir vor zehn Minuten an den Kopf geworfen habe... Aber wir alle haben dir längst vergeben. Auch ich, egal, was ich vorhin gesagt habe. Wirklich. Niemand, der dein Leben und dein Glück beeinflussen kann, hält dir das noch vor. Und wenn ich irgendwie kann, dann will ich dir auch helfen. Ich glaube fest daran, dass du wieder das sein kannst, was du damals gelebt hast. Dass du der Mitchell bist, der im Krankenhaus sarkastische Witze reisst, welche die Krankenschwestern ihre schönen Augen verdrehen lässt, bevor sie im Flur dann doch lachend den Kopf schütteln. Der gewissenhaft dafür gesorgt hat, dass wir jeden Tag wenigstens ein paar Minuten Unterhaltung kriegen konnten. Der uns halbtot aus den Hügeln geschleift hat. Der Aryana einen Grund zu Lachen und einen Grund zu Lieben, eine Perspektive und endlich wieder ein Zuhause geboten hat. Der unser Freund sein kann - oder unser Bruder. Oder beides“, sie hatte lange und langsam geredet, mit vielen Pausen, weil sie zuerst noch immer vorsichtig darauf geachtet hatte, kein Fettnäpfchen zu erwischen. Aber dann hatte sie viel mehr versucht, ihm das nahezulegen, was sie wirklich dachte. Dass er nach seinem haftverschuldeten Setback nicht abgeschrieben war. Und sie hoffte, dass er verstand, was sie meinte. Faye zuckte leicht mit den Schultern, während ihr Blick sich wieder irgendwo am Horizont verirrte. „Keine Ahnung, ob das deine Frage beantwortet hat..“, wenn nicht, dann hatte sie sich leider unsonst den Mund wund geredet.
Ja, Victor ging es definitiv gerade sehr ähnlich wie ihr. Sie sassen beide hier drin auf Nadeln, weil absolut nicht vorauszusehen war, wie sich die hitzige Situation auf dem Balkon weiterentwickeln würde. Vielleicht war es kein Geschrei mehr wie vor ein paar Minuten, aber es war doch sehr naheliegend, dass Mitch und Faye sich spätestens in ein paar Minuten wieder in die Haare kriegten. Wieso sollten sie auch plötzlich Frieden schliessen, nur weil Faye sich als Einzige entschuldigt hatte? Das war in diesem Moment doch vollkommen utopisch.. Immerhin schien aber Victor Aryana verziehen zu haben - jedenfalls für den Teil, welchen sie gerade erwähnt hatte. Was die ganze Sache mit ihrem künftigen Job angelangte, dürfte sein Verständnis möglicherweise noch etwas tiefer liegen... Aber das war gerade nicht Thema des Gespräches. „Stimmt schon... Wäre hier auch dezent schwierig geworden, wenn wirs vorgehabt hätten“, murmelte sie zurück. War ja nicht so, als hätte sie tatsächlich nicht vorgehabt, das hier zu erwähnen. Aber abgesehen davon, wäre es auch relativ unmöglich gewesen. Seine Frage, die man ihnen wohl allen sehr berechtigt hätte stellen können, löste ein schwaches Lächeln bei der jungen Brünetten aus. Ein trauriges, ziemlich verlorenes Lächeln, das ihre Augen komplett unberührt liess. Tja, kam sie denn klar? Spielte es eine Rolle? Was, wenn nicht? War ja doch nicht so, als könnte ihr irgendwer helfen, oder? „Nein... Nein, tu‘ ich in der Tat nicht... Auch wenn ich mir alle Mühe gebe. Momentan komm ich überhaupt nicht klar“, antwortete sie schlicht, blickte Victor dabei mit einem verlorenen Schulterzucken an. Es wäre eine Sache, nur mit Mitch’s Launen oder nur mit dem Gedanken an die Armee klar kommen zu müssen. Aber sie hatte es eben echt nicht gern zu einfach. Und darum empfing sie beides gleichzeitig dankend und mit offenen Armen. „Aber ich bin halt auch selbst Schuld, nicht die Einzige, die unter der Situation leidet und sollte aufhören, im Selbstmitmeid zu baden, denke ich“, fügte sie mittelmässig sarkastisch an. Ein Bisschen weit stimmte das ja auch. Sie hatte sich das alles selbst eingebrockt. Was nur nicht hiess, dass es sie nicht trotzdem überfordern konnte. Ausserdem hatte sie einige erschwerende Umstände nicht ganz in diesem Ausmass mit einberechnet, allen voran natürlich Mitch‘s Gemütszustand. Ihr war bewusst gewesen, dass er ihr kaum um den Hals fallen und im Anschluss auf ewig lieb zu ihr sein würde. Dass er zurück in alte Muster gefallen war, hatte sie im Gefängnis ja auch schon gesehen. Wahrscheinlich hatte sie einfach ein Stück weit die Augen verschlossen und schön naiv daran geglaubt, dass das alles schon wieder gut wurde, wenn er erstmal draussen war. Würde ja schon reichen, das alles etwas leichter verdaubar zu machen, indem er wenigstens ihr gegenüber nicht vergessen hätte, wie er sich gewissermassen respektvoll zu verhalten hatte. Aber das war halt auch zu viel verlangt im Moment. Sie hatte echt viel Verständnis für seine Situation. Aber das hiess nicht, dass es nicht trotzdem immer wieder aufs Neue wehtat und sie hinterfragen liess, wirklich das Richtige getan zu haben. Gerade in einem Moment wie vorhin, indem er es wagte, ausgerechnet gegen ihre Schwester so ausfällig zu werden, der sie mit diesem ganzen Projekt echt schon genug zumuteten. Und er hatte vorher schon gewusst, dass Faye das kaum gut aufnehmen würde, fast zwangsläufig irgendwas in diese Richtung folgen musste. Er hätte ihrer Schwester seinen Standpunkt ja ein ander Mal, etwas sanfter nahelegen können, wenn sie nicht eh schon die Krise schob wegen den Neuigkeiten, die ihre Welt ein weiteres Mal auf den Kopf stellten. Aber nein... „In ein paar Wochen bis Monaten wird sich das bestimmt wieder alles etwas einpendeln... Und dann wieder leichter werden“, schob sie mit einem Seufzen noch eine Portion versuchten Optimismus nach, zuckte nochmal mit den Schultern. Was anderes durfte sie ja nicht sagen oder glauben, sonst stürzte sie komplett ins Loch.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Dafür hab ich doch liebend gern die Weichen gestellt. x'D Besondere Situationen erfordern eben besondere Maßnahmen. ____
Die zierliche Brünette brauchte einen Moment lang dazu ihre Stimme zu dem Thema zu finden. Fayes erste Worte zu meiner Frage waren auch nur wenig aufschlussreich, eine bloße Feststellung. Überraschend war die aber nicht, angesichts der Tatsache, dass nicht einmal Aryana mich wirklich gut kannte. Natürlich besser als jeder andere Mensch auf diesem Planeten und das allein war sicher schon ein großer Meilenstein. Aber wenn man bedachte, dass wir uns eine halbe Ewigkeit lang fast jeden Abend auf einem der Wachtürme unterhalten hatten, dann war es fast schon ein bisschen erschreckend, wie wenig wir über einander wussten - angefangen damit, dass wir erst vor zwei Tagen geistig notiert hatten, wann der jeweils andere Geburtstag hatte. Dennoch schien selbst Faye sich trotz wenig Informationen über meine Person ein Urteil über mich bilden zu können. Sie redete insgesamt eher zögerlich, was angesichts des vorherigen Streits nicht verwunderlich war. Ich folgte ihren Worten aufmerksam, wobei sie erst einmal damit begann frühere Zeiten wieder aufzurollen, in denen ich nicht nett gewesen war. Klang mir nach einer sehr milden Formulierung, aber ich folgte ihr weiter. Wendete in der Zwischenzeit jedoch selbst wieder den Blick ab, wo sie doch ohnehin nicht in meine Richtung sah, während ich immer wieder an der Kippe zog. Meine rechte Augenbraue wanderte unterbewusst immer weiter nach oben, weil ich nicht ganz verstand, wieso sie selbst meinem damaligen Ich noch irgendwas Positives abgewinnen konnte. Obwohl sie am Ende doch noch restlos darin bestätigt worden war, dass man mir eben besser nicht traute. Schließlich wanderte auch die zweite Augenbraue etwas ungläubig nach oben und ich sah doch wieder zu Faye, als sie sagte, sie könne es zumindest ein bisschen verstehen, dass ich weiß Gott wie viele Menschen dem Tod geweiht hatte. Ich meine, ja - ich wusste selbst wohl am besten, wie sehr ich ab einem gewissen Punkt nicht mehr hatte geradeaus und klar denken können. Wie festgefahren ich in der Wut war, die mich damals sicher nicht selten auch in Gefechten motiviert hatte und die mich leider aber auch jetzt wieder heimsuchte. Wenn auch in etwas abgewandelter Form, das Ergebnis war wohl das selbe - ich wurde blind für Vieles. Als Faye sagte, dass sie mich trotz allem nicht für einen schlechten Menschen hielt, was schräger gerade kaum sein konnte, dachte ich kurz an den Moment zurück, als Aryana und ich uns nach der Befreiungsmission im Helikopter unterhalten hatten. Der genaue Wortlaut war mir nicht mehr präsent, aber als ich ihr damals gesagt hatte, dass ich hoffte sie könne mir irgendwann mal verzeihen oder zumindest vergessen, musste sie ziemlich genau das selbe gesagt haben. Ich unterbrach die aufflackernde Erinnerung, als ich in der kurzen Sprechpause Fayes Augen auf meinem Gesicht bemerkte, ihr deswegen dann auch erneut bewusst in die Augen sah. Sie begann meine Persönlichkeit mehr oder minder von der vorherigen Zeitspanne abzukapseln. Mir aufzuzeigen, wie sie die Nacht ihrer Rettung empfunden hatte. Was sie in mir gesehen hatte. Und ja, ich war wirklich dazu bereit gewesen, mir noch mehr Kugeln einzufangen, als mich letztendlich getroffen hatten. Einfach, weil es mir ziemlich egal gewesen wäre, wenn ich beim Versuch zumindest eine einzige, gute Sache mit meinem Leben zu vollbringen, draufgegangen wäre. Ich es als die einzige Chance gesehen hatte Aryana davon zu überzeugen, dass ich nicht nur schlecht war. Dass ich es mit der Freundschaft ernst gemeint hatte... und wohl auch zu diesem Zeitpunkt schon darüber hinaus noch mehr, rückblickend betrachtet. Ich hatte noch nie Angst vor dem Tod, weil ich einfach nie Irgendwas zu verlieren gehabt hätte. In dieser Nacht hingegen hatte dieser blinde Mut die einzige Sache retten können, die mir wichtig geworden war. Als die junge Frau auf der Bank schließlich meinte, ich müsse die Schuld loslassen, die wohl sehr offensichtlich auf meinen Schultern ruhte, schnaubte ich jedoch leise in mich hinein und wendete den Blick nach unten ab. Ließ den Kopf ein wenig hängen, weil das für mich ungefähr so klang, wie den Mount Everest in einem Tag zu besteigen - nicht machbar. Ich versuchte ihren letzten Worten noch zu folgen, aber es fiel mir ab diesem Punkt schwer. Denn obwohl Faye insgesamt wirklich viele gute Worte für mich übrig hatte, hängte ich mich natürlich an diesem Punkt auf. Mein akuter Tunnelblick ließ etwas anderes noch gar nicht zu. Die jüngere Cooper hatte meine Frage letzten Endes nicht nur insgesamt ein wenig philosophisch, sondern auch deutlich ausgiebiger und positiver als eigentlich angenommen beantwortet. Dennoch... "Ja, das sagt sich schön.", waren meine ersten paar trockenen, bitter ironischen Worte, dicht gefolgt vom letzten Zug an der schon hart an der Grenze angekommenen Zigarette. "Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung wär nett, weil's mir irgendwie schwer fällt zu glauben, dass ich's echt irgendwann hinter mir lassen kann tausende unschuldige Menschen in den Tod geschickt zu haben.", redete ich zynisch weiter vor mich her, drehte mich nach dem Ausdrücken der Zigarette wieder zur offenen Seite des Balkons und zog die nächste Kippe aus der Schachtel. Es tat mir nicht leid um all die syrischen Soldaten, die ich auf dem Gewissen hatte. Oder um Warren. Oder um die Arschlöcher im Knast, die ich der Messerstecherei ausgeliefert hatte. All diese Dinge ließen sich noch irgendwie mit meinem Gewissen vereinbaren. Aber meine mit Abstand größte Sünde war seit meiner ersten, kürzeren Zeit in der Einzelzelle quasi unantastbar geworden. War wie eine Wand in meinem Kopf, die mich davon abschirmte noch Irgendwas Gutes an mir zu sehen und nirgends ein Ende hatte. Es war egal wie weit mein Verstand sich nach links oder rechts verlief - an ihr vorbei kam er ja doch nie. Die Wand hätte mir einen großen Gefallen damit getan mein Gewissen auch mit auf die andere Seite zu nehmen und mich nicht mit ihm allein zu lassen. Es ließ sich mal für ein paar Stunden ausblenden, aber es kam jedes Mal schneller zurück, als mir lieb war. Als ich die Zigarettenschachtel wieder in der Hosentasche verstaut hatte, lehnte ich mich nach dem ersten Zug mit den Unterarmen nach vorne aufs Geländer. "Eigentlich hast du Recht. Aryana hätte gut daran getan mich einfach da drin verrotten zu lassen... man sieht ja, was sie rausgeholt hat." Ich murmelte die Worte gereizt, aber undeutlich vor mich hin, den leeren Blick auf das Dach eines Hauses weiter hinten gerichtet. Faye hatte das genau genommen so zwar nie gesagt, aber ich schob mir auch das gerne so zurecht, um meinem Gewissen weiter Zunder dafür zu geben mich irgendwann endgültig zu Grunde zu richten. Ohne hatte sich's echt leichter gelebt.
Das war wohl wahr. Es wäre irgendwann schwierig zu erklären gewesen, warum sie ständig nicht da waren. Oder auch, warum sie vielleicht mal verletzt waren. Auch, dass Mitch vorhin wenig begeistert vom gemeinsamen Training gewesen war, ergab gleich viel mehr Sinn nach dieser Offenbarung. Immerhin war er früher sehr aktiv gewesen, wir hatten uns nicht selten am Trainingsplatz im Camp gesehen. Auch schätzte ich ihn eigentlich als sehr ambitionierten Menschen ein, wenn er sich erstmal was in den Kopf gesetzt hatte - mindestens an seinen Kampfkünsten bemessen, aber er war auch sonst immer ziemlich zielstrebig. Aber zwei Trainingsprogramme auf einmal waren sehr sicher zu viel. Ich nickte nur noch einmal leicht auf Aryanas Worte hin. Als Antwort auf meine Frage bekam ich zuallererst ein wirklich durchweg müde aussehendes Lächeln. Sie hätte gar nicht mehr Irgendwas dazu sagen müssen, war dieser ziemlich niedergeschlagen wirkende Gesichtsausdruck doch bereits Antwort genug. Die leicht angehobenen Mundwinkel konnten da nichts retten, ließen es eher gleich noch eine Stufe unglücklicher wirken. Ich hatte noch gar nichts weiter dazu gesagt, als die ältere Cooper anfügte, dass sie nicht in Selbstmitleid baden sollte, weil es ja nicht nur ihr schlecht ging. Ich schüttelte schwach den Kopf, mehr nur für mich selbst, fing dabei zu lächeln an. Einen kurzen Kontrollblick warf ich Richtung Balkon, aber es schien weiterhin ruhig zu bleiben, also sah ich zurück zu Aryana. "Komplett in Selbstmitleid zu versinken wäre natürlich nicht gut..." Dass man damit nicht glücklich wurde, hatte ich mir selbst oft genug bewiesen. So schwarzweiß, wie Mitch das vorhin gesagt hatte, konnte man die Angelegenheit jedoch nicht sehen. "...aber es ist denke ich nur menschlich, wenn man sich manchmal fragt, warum man von einer Scheiße in die nächste tritt. Ist normal, dass man sich damit schlecht fühlt und das darf man auch mal zulassen.", redete ich so vor mich hin und zuckte im Anschluss leicht mit den Schultern. Aryanas Stärke und ihre Entschlossenheit wirklich in allen Ehren - aber auch sie hatte mental irgendwo ihre Grenzen. Die waren beachtlich weiter gesteckt als bei Faye oder mir, aber sich einzureden man dürfe nicht auch mal schwache Momente haben, war ebenso wenig gesund wie das andere Extrem. Sollte ihre Grenzen dann mal geknackt werden fiel sie noch um einiges tiefer, weil dabei alles, was sich endlos lange angestaut hatte, auf sie zurückfallen würde. Ich behielt das Lächeln bei, auch wenn ich dabei selbst vermutlich ebenso danach aussah, als wäre ich schon wieder die Ruhe selbst. So weit wäre es vermutlich erst wieder, wenn die anderen beiden unbeschadet und ohne sich nochmal in die Haare zu kriegen wieder rein kamen. Die junge Frau auf dem Sofa hängte noch ein paar vorsichtig optimistische Worte an. Ja, man brauchte wohl immer irgendeine Hoffnung, an die man sich klammern konnte. Sonst endete man wie Faye und ich monatelang in der Klapse, weil man irgendwann mittelmäßig gestört bis suizidgefährdet war. Sich einen winzigen Lichtstrahl am Ende des Tunnels immer offen zu halten war wichtig, wenn auch nicht leicht. "Ich würd's euch beiden wirklich wünschen.", meinte ich wahrheitsgemäß. Ich musste die Entscheidung, dass sie sich wieder verpflichtet hatten, nicht gutheißen. Das hieß aber nicht, dass ich mich nicht darüber freuen würde, wenn die beiden wieder einen guten, gemeinsamen Weg finden und letzten Endes heil zusammen nach Hause kommen würden, nachdem sie all das endlich hinter sich gelassen hatten. Das auch sie mal ankommen und damit zumindest einen Teil der Vergangenheit hinter sich lassen konnten. "Falls du mal was mit Faye unternehmen, oder einfach mal raus willst und dich aber nicht gut damit fühlst, ihn... allein zu lassen", beziehungsweise ihn potenziell allein auf die Menschheit loszulassen, "dann sag's einfach, ja? Ist meistens kein Problem die Schichten im Laden mal zu tauschen. Du... musst das nicht allein machen.", bot ich Aryana ehrlich an, dass ich kein Problem damit hätte sie mal abzulösen, wenn sie das brauchte. Nachdem ich die Worte ausgesprochen hatte, dachte ich noch kurzzeitig weiter darüber nach und im Grunde könnte man damit sogar ziemlich viele Klappen auf einmal schlagen. Erstens wäre es denke ich ganz gut, wenn die beiden Schwestern etwas mehr Zeit nur allein zu zweit verbringen würden. Meistens trafen sie sich ja doch hier Zuhause bei uns und dann war oft eben auch meine Person anwesend. Gerade jetzt, wo die beiden mal wieder auseinander zu segeln drohten, täte ihnen etwas Zeit zusammen sicher gut. Zweitens konnte Aryana dann vielleicht einfach mal ein paar Stunden durchatmen, wenn es ihr gerade zu bunt mit unserem Problemkind wurde. Sie war schon jetzt sichtbar angeschlagen von der Situation und einen Ausgleich zu schaffen konnte nur gut sein. Drittens täte es Mitch womöglich ganz gut, wenn er hin und wieder Jemand Anderen auf dem Sofa Zuhause sitzen hatte. Er musste ja nicht mit mir trainieren, aber ihm zu zeigen, dass er auch unabhängig von Aryana nicht weiter den Einzelkämpfer geben musste, war einen Versuch wert. Wir mussten nicht die allerbesten Freunde werden, wenn er das nicht wollte. Wenn jedoch weder Faye, noch Aryana in der Nähe waren, dann trat ich ihm sicherlich so ruhig gegenüber wie Niemand sonst. Es lag mir im Blut anderen Menschen helfen zu wollen und wenn ich nicht um das Wohl des mir liebsten Menschen fürchten musste - kurzer, erneuter Kontrollblick zum Balkon -, dann bot ich ihm gerne mal ein offenes Ohr oder trank einfach nur ein Bier mit ihm, um einen Tapetenwechsel ranzuziehen. Ich war da sehr flexibel. Außerdem sah ich vielleicht auch eine kleine Chance darin, meinen in sehr hitzigen Situationen noch öfter nach oben schießenden Puls dadurch etwas in den Griff zu kriegen, sollte er wieder austicken. Ich hoffte natürlich nicht, dass der ehemalige Häftling mal so ausrasten würde, dass er mir gegenüber mutwillig ein Messer zog - bloß nicht. Aber er war aktuell ziemlich wahnsinnig wie mir schien und vielleicht musste er einfach wieder lernen, dass sich nicht jeder von ihm zusammenschreien ließ und auch zurück brüllte, oder stattdessen den Kopf einzog, nur weil ihm gerade der Sinn danach stand. Dass sich nicht jeder von ihm in welcher Hinsicht auch immer provozieren ließ. Meine Geduld war natürlich auch nicht endlos, aber ich glaubte doch zu wissen, dass er bei mir eher gegen eine Wand rannte, als das bei Aryana der Fall war. Natürlich würde auch sie ihn nicht einfach kommentarlos mit seinen miesen Spielchen durchkommen lassen, aber sie traf das eben wesentlich mehr. Bei ihr machte er damit mehr kaputt, als bei mir, weil ihre Bindung zueinander eine ganz andere war - ich nahm also gerne hin und wieder mal ihren Platz ein, wenn sie das brauchen konnte.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Sie wusste nicht, wie viele ihrer Worte letzendlich bis zu Mitch vorgedrungen waren. Aber sie hoffte fest, dass er sich den Rest zumindest unterbewusst gemerkt hatte und sich irgendwann daran erinnern konnte, wenn sein Zustand sich verbessert hatte und er bereit wäre, über seine Schuld und die alten Fehler hinweg zu sehen. Denn seine Reaktionen an den entsprechenden Stellen ihrer kleinen Erzählung hatten deutlich gezeigt, dass genau diese Schuld hier das wesentliche Problem war. Und Mitch machte auch kein Geheimnis daraus, indem er wenig nachdem ihre letzten Worte gefallen waren, genau dort wieder einstieg. Und sie verstand auch das irgendwie sehr gut. Sie hatte ihm aber keine gewünschte Anleitung. Oder sollte sie ihm erzählen, was sie getan hatte, nachdem sie einen sehr unschönen Fehler begangen hatte, denn sie ausserhalb des Krieges und ihrer Verzweiflung sicherlich nicht getan hätte? Sie hatte sich den Arm aufgeschlitzt und rumgeheult. Ja, das klang nach hervorragenden Tipps für einen Mann wie Mitch. Würde sicherlich nicht dazu führen, dass er sie kopfschüttelnd auslachen und endgültig für komplett irre erklären würde. Faye sagte erstmal nichts, schwieg und dachte nach, während er sich die nächste Zigarette anzündete, sich bald schon in deren Rauch hüllte und ihr noch ein paar Worte zukommen liess, die sie augenblicklich verstört den Kopf schütteln liessen. „Und dann? Wäre es dann besser geworden? Du hast gesagt, du hättest dir in zwei Monaten die Kehle aufgeschlitzt, wenn du drin geblieben wärst. Denkst du wirklich, damit wäre irgendwem hier gedient gewesen? Der Welt? Den Menschen, die gestorben sind?“, ihre Stimme blieb weiterhin ruhig, eher leise, wenn sie auch deutlich genug sprach, dass ihr Gesprächspartner zweifellos jedes Wort bestens verstehen konnte. „Ich habe gesagt, dass ich die Umstände der Freilassung nicht schätze, ja. Und damit müssen wir wohl alle erstmal klarkommen. Aber nicht, dass ich dich tot sehen will“, berichtigte die Brünette seine Aussage, mit der er ihr gerade irgendwelche Worte in den Mund zu legen versucht hatte. Es folgte erneut eine kleine Pause seitens Faye, in der sie zwei, drei tiefe Atemzüge nahm und sich auf seine vorangehenden Worte konzentrierte. „Ich habe keine Schritt-für-Schritt-Anleitung...“, surpriiise, hätte er bestimmt nicht gedacht. Wieder fügte sie eine Pause ein um nachzudenken und weil sie echt nicht wollte, dass er in diesem Gespräch nochmal explodierte und sie anschrie, weil er ihre Worte falsch aufnahm. Konnte ihr nur leider keiner garantieren. „Aber es wäre schön, wenn du irgendwann zulassen würdest, dass wir dir helfen dürfen. Wenn du dich nicht so sehr abkapselst und das alles von Anfang an als sowieso unnötig und aussichtslos abstempelst. Wenn du uns sagst, was wir tun können und du nicht so sehr daran festhalten würdest, dass die ganze Welt gegen dich ist. Ich kann nicht für alle Menschen sprechen, aber wir drei sind es nicht. Ich verstehe, wenn du mir nicht viel abgewinnen kannst und nicht glaubst, dass ich im Stande bin, dir irgendwie zu helfen. Aber wenigstens Aryana oder Victor... Du kannst mich hier nicht halbwegs um Rat fragen, mit der einzigen Absicht, in meinen Antworten dann das zu finden, was du suchst: Nämlich die Bestätigung darauf, dass ich dich nicht verstehe und ich dir nicht helfen kann und ich dich Scheisse finde und ich dich lieber aus meinem Leben radieren würde. So funktioniert das alles nicht, auch wenn du das bestimmt nicht hören möchtest“, sie wusste, dass sie sich mit dieser Aussage etwas weit aus dem Fenster lehnte und sicherlich riskierte, dass er gleich wieder komplett die Schoten dicht machte. Aber es war eben so. Er suchte sich in all ihren Aussagen immer das heraus, was ihn darin bestätigte, dass das alles niemals gut werden konnte und sie ihn hasste und eh keine Ahnung hatte. So wie vorhin. Sie hatte so viel gesagt, und alles, was er daraus mitgenommen hatte, war gewesen, dass sie ihm nicht wirklich helfen konnte, weil sie nie in seiner Situation gewesen war, und dass es ihr lieber wäre, er sässe noch im Knast - was sie nicht einmal gesagt hatte. Und vorhin drinnen war es genauso gewesen. Er hatte ihre Entschuldigung nichtmal gehört, weil er so in Rage gewesen war über einen davor ausgesprochenen Satz.
Es war tatsächlich schön, sich nach dem Drama vorhin auf eine etwas pragmatischere Art mit jemandem zu unterhalten. Und sie wusste, dass Victor ihr wirklich helfen wollte, was sie auch wirklich schätzte. Auch wenn sie im Moment nicht wirklich sah, wie das funktionieren sollte. Passte wiederum nur zum Rest - da wusste sie auch nicht, wie es funktionieren, beziehungsweise jemals gut werden sollte. Die Brünette nickte langsam bei seinen Worten. Natürlich hatte er Recht, was die Sache mit dem Selbstmitleid anging. Zuviel davon machte krank, aber gar keins war auch schwierig. Sein Angebot, auf Mitch aufzupassen, während sie mal wieder was mit Faye unternahm, klang eigentlich ziemlich gut. Jetzt, wo sie ebenfalls keinen 9-5 Job mehr hatte, liesse sich da sicher auch mal was neben den Wochenenden einrichten, was für Faye bestimmt auch gut passte. Ganz zu schweigen davon, dass Mitch nur davon profitieren konnte, auch mal mit jemand anderem Zeit zu verbringen als ständig nur mit ihr. Liebe hin oder her, Abwechslung brachte neue Perspektiven und führte automatisch zu mehr Ausgleich. Nicht, dass sie damit Erfahrung hätte, aber es klang logisch. Gerade auch, weil sie ja nicht nur abends und in ihrer Freizeit Zeit miteinander verbringen würden, sondern auch auf der Arbeit. Einzige Voraussetzung für dieses Vorhaben war natürlich die Zustimmung ihres lieben Freundes. „Das klingt eigentlich wirklich gut“, zeigte sie sich erstmal durchaus dankbar und überzeugt von seiner Idee. „Solange wirs ein Bisschen intelligenter verpacken als jetzt, wo es klang, als bräuchte er einen Babysitter“, schob sie dem noch wundervoll sarkastisch nach. Aber das war Victor sicherlich schon klar gewesen. Er kannte Mitch gut genug, um sich seine Reaktion auf eine solche Aussage sicher bestens vorstellen zu können. Aryana war längst aufgefallen, dass Victors Blick immer mal wieder in Richtung Balkontür hüpfte - auch wenn sie bezweifelte, dass er da wirklich etwas sah. Es war wohl mehr eine Absicherung dafür, dass ihr Freund sein Verhalten gegenüber Victors Freundin tatsächlich gemässigt hatte. Wofür Aryana sicher nicht die Hand ins Feuer legen würde, bei der allseits bekannten Unberechenbarkeit von Mitch‘s Launen. „Wie geht es euch, Victor? Mit deinem Job? Und dem ganzen Rest..?“, richtete sie nun eine eher allgemeine Frage in seine Richtung, stellte diese bewusst sehr offen, ohne ihn in eine bestimmte Richtung zu drängen, damit er ihr erzählen konnte, was er wollte. Denn der ganze Rest konnte wahrlich eine Menge umfassen. Vom psychischen Zustand ihrerseits, über die Wohnsituation und Freizeitgestaltung bis hin zu ihrer Beziehung oder Zukunftsplanung... Vielleicht war jetzt nicht der perfekte Moment für eine solche Unterhaltung, da sie immerhin keine Ahnung hatten, wann sie seitens des Balkons wieder unterbrochen wurden. Aber es kam eben noch immer sehr selten dazu, dass sie sich mit Victor alleine unterhielt. Und wie gesagt lag es in seinem Ermessen, was er nun aus dieser Frage machen wollte oder nicht.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ja, es wäre dann besser geworden. Vielleicht nicht für das Trio, das jetzt gerade ebenso unter mir leiden musste - aber für mich. Weil ich dann endlich nicht mehr täglich daran denken müssen würde, für wie endlos viel Leid ich verantwortlich war. Vielleicht brachte das keine der armen Seelen zurück, die sich blind unter meinem indirekten Kommando mutig in den Tod gekämpft hatten. Und natürlich konnte das auch den Familien nicht den Schmerz und die Trauer nehmen, die ich verursacht hatte. Trotzdem würde sicher der eine oder andere von ihnen Genugtuung in meinem Ableben finden. Wahrscheinlich hatten sich alle von ihnen gefragt, warum ich nur spärliche 25 Jahre anstelle von lebenslänglich - oder noch besser der Todesstrafe - bekam. Oder aber sie würden sich nur darüber ärgern, dass ich nicht weiter in der Zelle vor mich hin moderte, sondern es mir selbst am leichtesten gemacht hatte. Es war egal, wie ich es drehte und wendete - gut war es nie. Aber wenigstens könnte ich dann damit aufhören nur noch eine Hülle meiner selbst zu sein, mit der ich selbst nicht leben konnte oder wollte. Die sich täglich von neuem unter der erdrückenden Schuld begrub, die mich nach und nach auch ohne äußere Einwirkung umbrachte. Ich hatte in den letzten Jahren so viel ausgehalten. So viel erlebt und mitgemacht, dass das Maß inzwischen ganz einfach voll war. Zweifelsohne hatten sie mit der Einzelhaft, in der ich mir Gedanken darüber machen sollte, was ich getan hatte, ihr Ziel erreicht. Eher nicht bezogen auf die Stecherei, sondern auf all das, was noch so viel tiefer in mir begraben lag. Vielleicht war Selbstmord wahnsinnig egoistisch, aber er war auch Erlösung... und ich war mehr als ein bisschen müde. "Ja, für mich schon.", war alles, was ich stumpf dazu sagte, als wäre es nicht meine eigene Hinrichtung, über die wir hier gerade redeten. Der Rest würde sonst den Rahmen sprengen und es war eben auch eigentlich offensichtlich, dass ich Niemandem außer mir selbst damit helfen würde. Als nächstes ließ Faye mir noch einen Roman an Worten zukommen, bei dem ich bis zum Ende hin nur weiter an der Zigarette zog. Ich versuchte ihr zuzuhören, aber es war schwer. Allein schon deshalb, weil ich die schlichte Ansicht vertrat, dass mir nicht zu helfen war. Was wollten sie schon machen? In meinen Augen war das Einzige, das mir noch irgendwie Linderung verschaffen könnte, die Wiederbelebung all der toten amerikanischen Soldaten, die auf meine Kappe gingen. Dass das nicht möglich war, war überflüssig zu erwähnen. Außerdem glaubte ich auch nicht, dass man all das, was im letzten Jahr noch alles in mir kaputt gegangen war, wirklich wieder zusammenflicken konnte. Dass es überhaupt noch irgendwas zu retten gab. Es waren wohl nur Fayes letzte Worte, die mich nicht sofort etwas in dieser Richtung erwidern ließen, sondern mich tatsächlich für einen Moment lang zum Nachdenken und damit zum Schweigen anregten, als sie mit ihrer Ansprache fertig war. Es war mir nicht so präsent gewesen, aber vermutlich war doch irgendwie genau das mein Ziel - weitere gute Gründe dafür zu finden, mir doch noch bei der nächstbesten Gelegenheit den Schädel von den Schultern zu pusten, weil er sowieso nichts mehr taugte. Weil es das war, was ich dazu brauchte. Ich schaffte es nicht, diesen Schritt zu gehen, weil ich ganz genau wusste, dass ich mindestens eine Person dann mit in den Abgrund nahm. Weil ich nicht wollte, dass Aryana ihr Leben wegwarf, nur weil meins so kaputt und am Ende war. Würden sich die einzigen Menschen, die mein Leben noch begleiteten, auch noch von mir abwenden... ja, dann hätte ich, was ich für den finalen Schritt brauchte. Weil ich es nicht fertig brachte mir auch noch die Schuld dafür aufzuladen den einzigen Menschen zu zerstören, der je versucht hatte meine eigentliche Persönlichkeit unter all dem Schutt zu suchen. Aber war es denn so viel besser, wenn ich sie stattdessen Stück für Stück mit dem kaputt machte, was sie noch aus den Gefängnismauern hatte bergen können? Ich ließ den Kopf nach gut einer halben, stillen Minute mit einem leisen Schnauben nach vorne sinken und schloss dabei kurz die Augen, weil es das einzige war, was ich gerade zum Überspielen meiner eigentlichen Gedankengänge fertig brachte. "Bei mir gibt's nichts mehr zu retten... und selbst wenn, dann wüsste ich nicht wie. Aber bitte, wenn's euch glücklich macht...", war das erste, was ich mit spöttischem Unterton von mir gab, bevor ich erneut an der Kippe zog und den Kopf aufrichtete. "...dann versucht's doch. Helft einem psychotischen Massenmörder, die Welt wird's euch sicher danken. Ich will aber kein Gejammer hören, weil euch nicht gefällt, was ihr dabei ausgrabt.", murrte ich doch wieder hörbar angepisster als vorher vor mich hin, weil es mir ganz einfach nicht gefiel, dass Faye schon wieder irgendeinen Nerv getroffen hatte, der eigentlich sehr tief verborgen liegen sollte. So wie früher eben, als Verletzlichkeit bei mir eher nicht existent gewesen war. Und dass es mit ein paar Worten und der Erlaubnis mir zu helfen nicht so ganz getan war, war eigentlich auch klar. Ich müsste mich schon auch öffnen wollen, was aktuell nicht der Fall war. Wahrscheinlich würden sie allesamt schon daran scheitern, mich überhaupt erst an diesen Punkt zu bringen.
Es sollte gar nicht allzu lange dauern, bis Aryana ihre Meinung zu meinem Vorschlag äußerte und was das anging zustimmte. Sich doch recht überzeugt davon zeigte, dass es eher nicht schaden könnte, zumindest mal ausprobiert zu werden. Allerdings wäre es natürlich wenig sinnvoll, Mitch das so zu sagen, wie ich das gerade formuliert hatte. Hatte ich auch gar nicht vorgehabt, lag die Wahrscheinlichkeit dafür, dass er dann gleich ein weiteres Mal an die Decke ging, doch vermutlich bei vollen einhundert Prozent. Auch, wenn es im Grunde nun mal genau so war - vielleicht brauchte er nicht zwangsweise 24 Stunden am Tag Menschen in seiner Nähe, sondern auch mal fünf Minuten nur für sich, aber ich hielt es in seinem aktuellen Zustand für nicht so sinnvoll, ihn wirklich lange Zeit mit sich allein zu lassen. Er war im Gefängnis lange genug allein gewesen und ich glaubte nicht, dass sich das jetzt positiver auf ihn auswirken würde, als in den letzten Wochen. Dass ihn allein das frei sein nicht auf den Boden zurückholte war schließlich offensichtlich. Aryanas Worte ließen mich doch ein klein wenig schmunzeln und ich nickte. "Ja, wäre sicher besser. Ich will nicht der Auslöser für die nächste Katastrophe sein.", erwiderte ich mit einer Prise Sarkasmus. Allerdings war die Betitelung für seine Ausraster gar nicht mal so endlos übertrieben. Schließlich hinterließ er damit doch einiges an Verwüstung, wenn auch nur in den Köpfen anderer Menschen. War eigentlich sogar die schlimmste Form davon. Die Frage, welche die ältere Cooper mir dann im Anschluss stellte, war im Grunde gar nicht so schwer zu beantworten. Dennoch dachte ich erst einen kurzen Augenblick darüber nach, bevor ich zu einer Antwort ansetzte. "Eigentlich... geht's uns gut, denke ich." Zumindest eben bis jetzt, war dieser Abend hier doch schon wieder ziemlich verhängnisvoll und hielt in naher Zukunft sicher so einige Stolpersteine für uns bereit. Zumindest für Faye und das würde zwangsweise auch mich wieder ein Stück weit ausbremsen. Die Art unserer Symbiose war leider ebenso gut, um auf den Beinen zu bleiben, wie gemeinsam hinzufallen. "Faye kommt mit ihrem Job ganz gut zurecht, bis auf ein paar kleinere Zwischenfälle..." Bei denen hatte sie im Gegensatz zu mir wenigstens nicht hyperventiliert, sondern nur ein paar Tage Pause zum Durchatmen gebraucht. Ich war ziemlich stolz auf sie, was das anging. Sie machte immer weiter, selbst wenn es gerade mal nicht ganz leicht war, weil sich ihr eben doch mal sehr unschöne Bilder aufgetan hatten. Sie gab nicht auf und das war wichtig. Vor allem natürlich für sie selbst, aber auch für mich. "Das mit der Schulung bleibt schwierig, aber ich hab mich wohl irgendwie dran gewöhnt. Dauert eben noch ein bisschen.", ging ich auch auf meine Person ein und zuckte leicht mit den Schultern. Es würde eben einfach noch eine Weile dauern, bis ich diese Geschichte überwinden würde und bis dahin hieß es die Zähne zusammen zu beißen. Die Sache hinzuschmeißen, nachdem ich sie zur Hälfte schon mit Bravour abgehakt hatte, kam überhaupt nicht in Frage. Ich würde mir diesen Teil meines Traums von der Zukunft nicht kaputt machen lassen - egal, wie fertig mich das von Zeit zu Zeit machte. "Wir machen öfter Mal ein paar Ausflüge seit dem Streit...", schnitt ich auch dieses Thema nochmal kurz an. Nicht, weil ich es für nötig hielt Aryaa darüber aufzuklären, sondern weil es momentan doch maßgeblich mit dafür verantwortlich war, dass sich mein Schädel immer wieder auf simple Art dabei gerade rückte. Es ging mir besser, seit wir beide damit angefangen hatten und ich ab und an auch mal alleine loszog, wenn Faye auf der Arbeit war und ich frei hatte. Es gab meinem Kopf Luft zum Atmen, die man eher nicht bekam, wenn man zu viel Zuhause rumhockte. "Wir reden offener miteinander und vertrauen uns auch wieder mehr. Ich denke, das ist das Wichtigste... und alles andere wird schon noch.", schloss ich meine Sätze zur aktuellen Lage in diesem Haushalt schließlich ab. Hatte meinen Blick dabei nie wirklich lang von Aryana abgewendet und auch, wenn sich das Lächeln irgendwo auf dem Mittelweg etwas verloren hatte, kam es jetzt am Ende doch noch einmal zurück. Natürlich kam erstmal eine etwas schwierige Etappe auf uns beide zu, weil es Faye zweifellos sehr beschäftigen würde, dass ihre Schwester wieder in den Krieg zog. Dass sie nebenbei auch noch einen cholerischen Freund bei sich unterm Dach hatte, machte es vermutlich auch eher nicht besser. Aber es war uns schon sehr viel schlechter gegangen und ich sah uns beide zum jetzigen Zeitpunkt nicht zeitnah zurück in das Loch fallen, indem wir in der Klapse festgesteckt hatten. Ich würde sie oben halten, so gut ich konnte.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Sie hatte innerlich schon mit dieser Aussage gerechnet. Es hatte seine Gründe, weshalb sie ihn in ihrer Aufzählung von Menschen, denen sein Tod nicht geholfen hätte, nicht genannt hatte. Weil ihr durchaus bewusst war, dass es für ihn die einfachste Lösung gewesen wäre. Und sie wusste auch, warum er es folglich nicht getan hatte. Aus dem Einzigen, sinnvollen Grund, es nicht zu tun - nämlich dem, an dem sie sich damals auch festgehalten hatte. Faye räumte sich erneut eine längere Pause ein, bemühte sich dabei selber, irgendwie mit seinen Worten klar zu kommen. Wie von ihr prophezeit, klang Mitch nicht so, als würde er es irgendwie schätzen, dass sie scheinbar hinter das Muster seiner Fragen gesehen hatte, welches ihm wahrscheinlich noch nicht mal selbst bekannt gewesen war. Und sie wusste im Gegenzug nicht, wie sie mit den Aussagen klarkommen sollte, die er ihr entgegen schob. Er wirkte wütend - aber da war so viel mehr Verzweiflung als Wut. Und das wiederum machte ihr Angst. Er hatte ihr soeben sehr offen gestanden, dass Suizid für ihn persönlich die einfachste Lösung wäre. Und Faye würde den Gedanken nicht ertragen, letztendlich mitschuldig daran zu sein, weil sie was Falsches sagte, weil sie ihn nicht retten konnte. Weil sie hier versagte. Und das machte sie fertig. Das mulmige Gefühl, welches sie schon auf dem Weg vom Flur auf den Balkon begleitet hatte, hatte sich längst in eine dumpfe Übelkeit gewandelt, während sie eine gefühlte Ewigkeit ihre dunkelblauen Socken anstarrte. „Ich... ich war auch an diesem Punkt, Mitch... Ich weiss, wie sich das anfühlt... Vielleicht hatte ich nicht die gleichen Gründe wie du. Aber ich habe den Druck in meinem Kopf auch kaum mehr ausgehalten... ich... ich war auch... so kurz davor, es einfach zu beenden... und Victor und Aryana waren ebenso meine einzigen Gründe... nicht von der Klippe zu hüpfen...“, sie wusste nicht recht, warum sie ihm das sagte, da sie eigentlich nicht einmal damit rechnete, dass es ihn überhaupt interessiert. Vielleicht versuchte sie einfach, ihm damit klar zu machen, dass ihn eben nicht gar keiner kein Bisschen verstehen konnte. Dass er nicht der Erste in dieser Situation war und leider Gottes auch nicht der Letzte bleiben würde. Dass es einen Ausweg gab, auch wenn er ihn nicht sah. Wenn sie ihn gefunden hatte - müsste er es dann nicht auch schaffen? „Ich habe es auch... tausend Mal versucht... und bin 999 Mal gescheitert... Und ich will dir nicht sagen, du müsstest dich auf irgendwelche positive Scheisse konzentrieren oder das Gute im Leben sehen oder irgendwas anderes tun. Ich möchte dich nur darum bitten... es noch einmal zu versuchen. Einmal, mit allem was du hast... Und mit uns... für dich und für Aryana... Bitte..?“, sie hatte es endlich geschafft, die Augen von ihren Zehen loszureissen und stattdessen wieder auf sein Gesicht, in seine Augen zu richten. Blickte ihn so nicht viel weniger als dezent flehend an. Sie hatte nicht wirklich einen Plan, wie sie mit einem Nein in dieser Situation umgehen sollte. Allerdings stünde ein Nein auch in einem ziemlichen Widerspruch zu seinen Handlungen, weshalb es doch eher unwahrscheinlich war, dass er sie damit abwimmeln würde ...oder?
„Niemand will wirklich der Auslöser für eine Katastrophe seiner Person sein, wenn wir ehrlich sind... das ist einfach nicht gesund“, erwiderte die Brünette kopfschüttelnd auf seine Worte. Mitchs Apokalypsen absichtlich hervorzurufen war mehr oder minder masochistische Selbstzerstörung, die keinem gut tun konnte. Also taten sie alle gut daran, diese in Zukunft nach Möglichkeit zu vermeiden. War ihnen grundsätzlich ja allen bestens bewusst - spätestens nach Heute. Aryana empfand es als weitaus angenehmer, sich Victors Erzählungen aus seinem und Fayes Leben anzuhören, als sich mit ihrem eigenen Schutthaufen zu befassen, weshalb sie auch umso interessierter lauschte, während Victor ihr zu verschiedenen Bereichen kurze Einblicke und Updates bot. Sie hatte eigentlich nicht mit anderen Neuigkeiten gerechnet, trotzdem tat es gut, zu hören, dass es ihrem Gegenüber und ihrer Schwester im Grossen und Ganzen eigentlich ganz gut ging. Das hatten sie sich im Laufe der letzten Jahre auch hart verdient und Aryana würde es ihnen wirklich unendlich gönnen, wenn das auch in Zukunft so bleiben würde. Und sie hasste es, der potenzielle Grund dafür zu sein, weshalb dieses Gleichgewicht nun gestört wurde. Aber daran konnte sie nichts mehr ändern, dieses Risiko war sie willentlich eingegangen mit der Absicht, damit das Elend ihres Freundes zu beenden. Tja, dieser Erfolg blieb bisher eher etwas auf der Strecke. Dass zumindest Faye im Job nicht ganz so viel Mühe hatte, freute die Brünette wenig erstaunlich ganz besonders. Auch wenn sie es ebenfalls toll fand, dass Victor seiner Ausbildung trotz anhaltender Schwierigkeiten zumindest in diesem Moment recht positiv gegenüber stand. Der letzte Teil von seinen Ausführungen liess sie dann wiederum eher nachdenklich werden. „Das klingt... echt schön. Also die Ausflüge... Aber auch das mit dem Reden und Vertrauen“, kommentierte sie seufzend, fast etwas schwermütig. Sie wünschte, sie könnte das Gleiche von Mitch und sich behaupten.Aber das war einfach reines Wunschdenken. Sie waren Welten entfernt von Harmonie und tiefem, gegenseitigen Vertrauen. Nicht, dass sie sich tatsächlich misstrauen würden, aber da war eben eine Menge Verunsicherung und Verwirrung, die das Ganze verkomplizierten. Die zu wenige Zeit, die sie in ihren Leben dafür gehabt hatten, sich ausgiebig und mit allen Ecken und Kanten kennen zu lernen, tat dabei den Rest. Ausserdem drückte Victor sich so aus, dass man meinen könnte der Streit wäre der Einzige seiner Art gewesen. Wenn man von ‚dem Streit‘ reden und sofort genau wissen konnte, welcher damit gemeint war, weil es schlicht nur einen gab, dann war das schon sehr schön. Ob sie und Mitch das jemals schafften? Oder waren sie einfach nicht dafür gemacht? Sie wusste es nicht und nur die Zeit würde es zeigen. Ausserdem wollte sie sich lieber für Victor und Faye freuen, dafür, dass es zumindest ihnen irgendwie gut ging. Bis heute jedenfalls. „Victor wie... wie habt ihr das damals geschafft..? Wie habt ihr es hinbekommen, wieder soweit gesund zu werden, dass ihr die Psychiatrie hinter euch lassen konntet?“, das war wiederum ein leichter Themenwechsel, welchen sie mit dieser Frage ansteuerte. Aber vielleicht konnte er ihr ja irgendwie helfen... Der psychische Knacks, den Victor und Faye erlitten hatten, war zwar nicht ganz der Gleiche wie bei Mitch, aber er hatte ungefähr das gleiche Ausmass, glaubte sie. Vielleicht liess er sich ja auch auf gleiche Art bekämpfen?
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Wieder begann Faye etwas länger vor sich hinzureden. Offenbarte mir, dass sie selbst ebenso mal am Abgrund gestanden hatte, wie ich das gerade tat. Das es auch in ihrem Leben - wo genau war für mich relativ offensichtlich - einen Punkt gegeben hatte, an dem ein weiterer Schritt nach hinten gereicht hätte, um dem Ganzen ein Ende zu setzen. War womöglich auch gar nicht so überraschend. Sie hatte ewig mit Victor in der Klapse fest gesessen und dass das seine heftigen Tiefpunkte mit sich gebracht hatte, war nur logisch. Aber war das denn wirklich das Gleiche? War es nicht schon irgendwie ziemlich ausschlaggebend, dass sie sich im Gegensatz zu mir nicht hatte beseitigen wollen, weil sie glaubte niemals genug gute Dinge tun zu können, um ihre Vergangenheit ruhen zu lassen? Vielleicht hinterfragte ich das Ganze aber auch zu sehr, weil ich nicht hören wollte, dass selbst eine innen wie außen deutlich gebrechlichere Person als ich mit so einer Scheiße fertig werden konnte, wenn sie es nur genug wollte. Ich richtete mich letztlich mehr nur zur Ablenkung wieder auf und drehte mich langsam beim Rauchen um. Musterte Faye dann langsam - vermutlich auch nur, weil das als Einschüchterungstaktik bei sehr vielen Menschen sehr gut funktionierte. Nur sah die Brünette mich zu diesem Zeitpunkt gar nicht an und schwieg, setzte schließlich dann trotzdem noch einmal zum Reden an. Und auch das wollte ich eigentlich hören. Denn noch tausend weitere Versuche dafür zu brauchen, das bisschen, was von mir noch zerschmettert am Boden herumlag, wieder zusammenzukratzen, klang nur nach einem weiteren Kampf. Ich tat doch schon mein ganzes Leben nichts anderes, als zu kämpfen. War es nicht irgendwann einfach mal genug? Ich sehnte wohl nur noch das Ende von Alledem herbei. Die Reserven waren aufgebraucht und ich wusste sie nicht wieder aufzuladen. Wollte nichts anderes, als endlich meine Ruhe vor dem Leben haben, das mir mit in die sehr einsame Wiege gelegt worden war. Aber da war eben trotzdem immer noch Aryana. Jetzt, wo die erste Euphorie nach meiner Freilassung längst schon wieder verflogen war, begann ich mich doch zu fragen, warum sie es wirklich für eine gute Idee gehalten hatte, mich da rauszuholen. Sie hatte gesehen wie kaputt mich die Mauern machten und trotzdem hatte sie noch daran geglaubt, dass es nicht zu spät für mich war noch die Biege zu kriegen. Selbst Faye schien der Ansicht zu sein, dass es noch nicht zu spät für mich war und das im Grunde nur, weil ich eben noch atmete. Es konnte schließlich nicht daher rühren, dass sie mich kannte und noch einen Funken Lebenswillen in mir sah, weil beides ganz einfach nicht der Fall war. Ich hätte ihr gerne gesagt, dass ich einfach zu müde war, um meinen Arsch nochmal hinzukriegen. Aber da war ein zu großer Teil in meinem Kopf, der sich dagegen sträubte, weil die zierliche Brünette zwei ganz entscheidende Worte am Ende eingefügt hatte - für Aryana. Mich selbst hatte ich an diesem Punkt wohl einfach schon ziemlich aufgegeben, aber ich konnte Faye ums Verrecken nicht ins Gesicht sagen, dass ich ihre Schwester einfach übergehen und zurücklassen würde, nur um mich selbst in die Hölle verabschieden zu können. Es ging nicht. Also atmete ich erneut ganz tief durch. Sah ihr für einige Sekunden einfach nur in die Augen, ohne, dass mein Blick dabei nennenswert weicher oder begeisterter wurde. "Ich versuch's.", konnte ich mir letztlich zumindest sehr halbherzige, genervte Zustimmung abringen, auch wenn mir nach wie vor nicht danach zu Mute war, wirklich aktiv was für meine psychische Genesung zu tun. Aber was anderes ließ sich mit der Liebe zu Aryana nicht vereinen. Ich drehte den Kopf wieder zur Seite und nahm die letzten paar Züge von der zweiten Zigarette, ohne noch irgendwas zu sagen. Mehr Motivation zu heucheln wäre einfach eine sehr unglaubwürdige Lüge.
Da traf sie den Nagel auf den Kopf. Man musste vermutlich schon selbst ein Stück weit lebensmüde sein oder mit seinem Leben abgeschlossen haben, um sich freiwillig auf die Version von Mitch einzulassen, die er uns hier gerade so herrlich präsentiert hatte. Denn von dem Soldaten, der mich aus dem Hügel gezerrt hatte, war er gerade wirklich meilenweit entfernt. Vielleicht war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ihn die Vergangenheit doch noch einholte. Denn dass er schon etwas länger kaputt war und nicht erst seit ein paar Monaten, das stand ganz außer Frage. Aber es wäre eben trotzdem schön gewesen, wenn er nicht so tief hätte fallen müssen. Ich nickte mit einem leisen Seufzen und das war auch die einzige Antwort, die ich auf Aryanas Feststellung noch gab. Mit meiner Erzählung hatte ich eigentlich keine Wehmut bei ihr auslösen wollen und das tat mir sofort ein bisschen leid. Sie sagte das so, als läge sowas für sie und ihren Freund in unerreichbarer Ferne. Sicher hatte sie auch gute Gründe zur Annahme, das sowas für sie beide gerade weit weg lag. Unerreichbar war das aber bestimmt auch für sie nicht, wenn ihnen wirklich so viel aneinander lag... es war halt nur ein sehr langer Weg, der oft keinen Spaß machen würde. Und auch, wenn ich mir denken konnte, warum die ältere der beiden Cooper Schwestern mir die folgende Frage stellte, wusste ich im ersten Moment wirklich nicht, was ich darauf antworten sollte. Es war ja nicht so, als hätten Faye und ich dabei jemals wirklich sowas wie einen guten und immer funktionierenden Plan gehabt. Ich hatte irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft wir wieder zurück in den unbarmherzigen Abgrund gekracht waren. "Das... ist eine echt schwierige Frage.", murmelte ich ein paar wenig hilfreiche Worte, die meinen sehr nachdenklich werdenden Gesichtsausdruck unterstrichen. Ich legte die Stirn in leichte Falten, verlor mich mit den Augen erneut auf den Couchtisch. "Ich meine, wir... sind so oft dabei auf die Schnauze gefallen, dass ich gar nicht sagen kann wie oft." Ich fing eher an laut nachzudenken, als wirklich gezielt ihre Frage zu beantworten. "Faye hat mich lange sehr auf Abstand gehalten... und ich hab selber auch ewig dazu gebraucht, mich ihr ansatzweise öffnen zu wollen. Vielleicht hat's uns insgesamt ein kleines bisschen unterstützt, dass ich sowas in der Art schonmal durchgemacht habe... aber am Ende war wohl das einzige, das uns wirklich geholfen hat, gleichzeitig wieder einen großen Schritt aufeinander zuzugehen und uns ab dem Punkt nicht mehr loszulassen. Das war alles andere als leicht und... hat uns beiden auch weh getan..." Ich erinnerte mich noch bestens an den Moment, in dem Faye mir ihren Rücken das erste Mal gezeigt hatte. Es hatte mich unter Tränen beinahe den Verstand gekostet, aber noch weniger erträglich war der Abstand gewesen, den sie wegen meiner Reaktion gleich danach wieder zwischen uns hatte bringen wollen. "...aber es war das einzige, das den Stein ins Rollen gebracht hat. Jeder für sich wären wir früher oder später untergegangen." Ich zuckte schwach mit den Schultern und sah erst danach wieder zu Aryana auf. Ich hatte keine Ahnung, inwiefern ihr das nun half oder eben auch nicht. Ich war halt kein Psychologe und vor allem kannte ich Mitch nicht besonders gut. Sie ja eigentlich auch nicht, wusste ich über sie doch beinahe genauso wenig und auch nur deshalb etwas mehr, weil ich mit ihrer Schwester zusammen war, die mir selten mal was aus der Vergangenheit erzählte. Kam auch nicht oft vor, war die Erinnerung für Faye doch meistens zu schmerzlich. "Ich kenne euch beide und eure Beziehung zueinander vielleicht nicht gut genug, um das richtig beurteilen zu können. Also vielleicht liege ich damit ganz falsch und dann tut's mir leid, aber... ich denke ihr solltet beide damit aufhören, Vieles nur mit euch selbst ausmachen zu wollen.", murmelte ich nur vorsichtig einen etwas leiseren Tipp vor mich hin, weil ich ganz einfach nicht wusste, ob ich Aryana und Mitch nicht vielleicht ganz falsch einschätzte. Sie nicht doch mehr miteinander geteilt hatten, als ich annahm. Aber selbst wenn, dann gab es zumindest auf Seiten des Ex-Häftlings noch eine ganze Menge mehr aufzuarbeiten. Und Aryana kannte ich zumindest inzwischen so gut, dass ich wusste, dass auch sie gerne Vieles, das sie mit sich herumschleppte, nicht preisgab - vielleicht nur Faye und mir gegenüber, weil sie uns nicht belasten wollte. Vielleicht aber auch dem tätowierten Choleriker gegenüber, weil sie glaubte er hätte genug eigene Sorgen. Oder warum auch immer, der genaue Grund dafür war am Ende vollkommen egal. So oder so war eine Beziehung nicht dafür da oder gar dafür ausgelegt, auch nur irgendeine Art von Geheimnissen voreinander zu haben. Man musste sich mit der Zeit gänzlich einander anzuvertrauen schaffen und sich trauen, selbst die allerschmerzlichsten und hässlichsten Punkte im eigenen Leben für den jeweils anderen offen zu legen. Andernfalls machte man sich mehr Probleme, als man einander gut tat.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Sie glaubte zu wissen, was er dachte, während er sie musterte, ohne dass sie den Blick erwiderte. Dass es nicht das Gleiche war. Dass sie ihn eben doch nicht wirklich verstand. Und vielleicht auch ein Bisschen Trotz, Missmut darüber, dass sie das schon hingekriegt haben sollte, woran er sich momentan die Zähne ausbiss. Dass das überhaupt möglich war. Aber sie hatte es geschafft, wie man bestens sehen konnte. Nicht alleine sondern nur mit der Hilfe von Victor und einer Menge paychologischer Betreuung. Aber sie lebte. Sie behauptete gar nicht, sich in der genau gleichen Situation befunden zu haben, wie die, in der er momentan feststeckte. Nur, dass sie mit dem gleichen Gedanken gespielt hatte, mehrmals und sehr ernsthaft. Sie hatte es noch nie jemandem erzählt, weil das nur unnötig ihre Zurechnungsfähigkeit untergraben und die anderen besorgt hätte. Und weil sie sich vielleicht auch für den egoistischen Gehalt dieser Gedanken schämte. Doch in diesem Moment spielte das keine Rolle, wenn alles, was für sie gerade zählte, war, dass Mitch nicht aufgab. Nicht jetzt und nicht jemals. Sie betrachtete offen seine Augen, als sein Blick auf ihren traf, tauchte tief in das Blau, das in diesem Moment einem wütenden Sturm in der Nacht, mitten auf dem Ozean gleichkam. Einsam, ohne Recht zu wissen, wohin mit all der Energie und Kraft, mit all dem Wasser, das so viel Gutes und so viel Böses anstellen konnte. Und dann folgte seine Antwort, scheinbar simpel in Form zweier einfacher Worte. Aber diese zwei Worte bedeuteten in dem Moment alles. Faye nickte, sagte selber nichts mehr dazu, bis auf ein aufrichtiges „Danke“. Als würde er es für sie tun. Sie wusste, dass das nicht der Fall war, aber das brauchte er auch nicht. Wieder schwieg die Brünette eine Weile, blickte nun ihrerseits in seine Richtung, während er sich leicht abgewandt hatte. „Du... du bedeutest ihr alles, Mitch, weisst du“, murmelte sie nach einigen Minuten in die Stille hinaus. „Sie war so lange so verloren... Aryana würde es niemals zugeben, aber sie... ich glaube, sie hatte ein Stück weit aufgegeben... Darum wollte sie nicht nach Hause. Sie blieb im Krieg, um so viele wie möglich vor dem Schicksal unseres Bruders zu schützen... Aber gleichzeitig blieb sie auch da, weil sie... weil sie... ich glaube, sie hat auf den Tod gewartet“, es fiel ihr sichtlich und hörbar schwer, das auch nur auszusprechen. Wieder etwas, was sie nie zuvor über die Lippen gebracht hatte. Und wieder etwas, das sie Mitch anvertraute, weil sie irgendwie versuchte, ihm seine Rolle, seinen Stellenwert auf dieser Welt aufzuzeigen, die Notwendigkeit seiner Existenz. „Weil sie glaubte... es verdient zu haben... weil sie glaubte, dass es hier nichts mehr gab für sie... Natürlich, da war ich, aber ich kam ja irgendwie auch ohne sie zurecht. Hat sie jedenfalls geglaubt... Aber keiner hätte sie verstanden... keiner - bis du plötzlich da warst“, sie fügte erneut eine Pause ein, um die Ruhe zu nutzen und durchzuatmen, bevor sie fortfuhr. „Du hast ihr einen Sinn gegeben, der sich auf einmal als die ewig gesuchte Alternative zum Tod entpuppt hat. Der dem Leben wieder einen Sinn gegeben hat, etwas Freude, etwas Schönheit... Du warst der Einzige, der sie wirklich dazu hatte begeistern können, Syrien hinter sich zu lassen. Du bist alles, worauf sie ihr Leben ausrichten will... und wenn sie von dir redet, ist es, als hätte nie jemand anderes für sie existiert. Als hätte ihr Herz von Anfang an auf dich gewartet.“ Sie hatte ihn ein bisschen zugeschüttet mit Worten die letzten Minuten über, wie ihr spätestens jetzt nochmal schwer bewusst wurde. Aber das war ihre Art zu versuchen, jemandem zu helfen. Sie wollte diesem Menschen dann immer alles aufzeigen, was uhn kostbar und wertvoll und unersetzlich machte, wollte ihm mit aller Kraft beweisen, dass er gebraucht und geliebt wurde. Das war schon immer so gewesen, immer, wenn es jemandem aus ihrem Umfeld schlecht gegangen war. So eben auch heute bei Mitch, auch wenn ihr im Grunde klar sein könnte, dass diese Technik bei ihm nur teilweise Wirkung zeigte. Zu den Teilen, die eben bei allen Menschen ein Stück weit einschlugen. Kaum eine Person war komplett immun gegen ernst gemeinte Komplimente oder Wertschätzung. Zumindest kein Mensch, der noch irgendwas zu verlieren hatte, der noch irgendein Stück Menschlichkeit, Gefühle, Sympathien besass. Und das tat Mitch zweifellos, auch wenn er es von sich selbst kaum glauben wollte. Faye lauschte dem Zwitschern der Vögel, die sich in der Krone des Baumes auf dem Nachbarsgrundstück zankten. Spürte die warmen aber noch nicht heissen Sonnenstrahlen des Frühsommers ihr Gesicht streicheln. Fragte sich unweigerlich, was dieser Sommer noch bringen würde, was bis Ende Jahr alles anders wäre. Besonders bezüglich ihres Gegenübers. Ihrem unmittelbaren Umfeld, das sie beide unweigerlich miteinander verband. Sie blickte wieder direkt zu Mitch, ehe sie ihm nach einer Weile eine leise Frage stellte. „Willst du einen Rat von mir?“, er brauchte darauf kaum mit Ja zu antworten. Gut möglich, dass sie längst genug geredet hatte. Es war auch in Ordnung, wenn er nicht glaubte, dass sie ihm mit irgendeinem Rat überhaupt irgendwie dienen konnte. Darum hatte sie ja gefragt und nicht einfach dazu angesetzt, schon wieder weiter zu reden.
Sie hatte nicht wirklich erwartet, dass Victor sich die Lösung ihrer Situation aus dem Ärmel schütteln konnte. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn das irgendjemandem möglich wäre. Also fand sie es auch naheliegend, dass er ziemlich nachdenklich und langsam zu reden begann. Dass Victor und Faye selber oft genug hingefallen waren auf ihrem Weg zur Besserung, wusste Aryana nur zu gut. Sie hatte es nicht selten gesehen. Es war immer ein Bisschen ein Würfelspiel gewesen, wenn sie auf Besuch gegangen war - entweder die beiden hatten versucht, sich möglichst normal mit ihr zu unterhalten oder sie hatten nicht mal die Kraft gehabt, so zu tun, als würden sie Fortschritte machen. Aber sie konnte das nicht nochmal mit anschauen. Nicht nochmal mitmachen. Sie wusste wirklich nicht, ob sie die Kraft und den Atem hatte, Mitch durch diese Scheisse zu ziehen. Mit ihm hinzufallen und aufzustehen, und sei es auch nur halb so oft, wie Victor und Faye das gemacht hatten. Das war echt... ätzend und wenig motivierend. Doch auch seine weiteren Ausführungen regten sie eindeutig zum Nachdenken an. Denn Victor hatte Recht, auch wenn sie sich das lieber nicht eingestehen würde. Sie und Mitch waren zwei komplizierte Gestalten, die sich über Jahre bestens daran gewöhnt hatten, ihre Probleme alleine zu lösen und ganz sicher niemanden damit zu belasten, der nicht unbedingt in die Lösungsfindung einbezogen werden musste. Und auch heute würde sie lieber alleine kämpfen als Mitch noch weiter zu belasten mit Sachen, die er nicht mittragen musste, solange sie sich selbstständig darum kümmerte. Es wäre höchst erstaunlich, wenn Mitch nicht genau die gleiche Strategie verfolgte, sich bewusst oder unbewusst dazu entschied, ihr nicht noch weitere Bürden aufzuladen, von denen er glaubte, es wäre genug, wenn er sich selber damit abmühte. „Du... du hast wahrscheinlich Recht... Es ist nur ziemlich schwierig... wenn man sich so lange etwas anderes angewöhnt hat, weisst du? Ausserdem glauben wir wohl beide, dass die jeweils andere Person schon ohne solche zusätzliche Laster genug zu tragen hat... Aber ja. Es stimmt schon... So kann das wohl nicht funktionieren...“, gab sie leise zu, das Problem gewissermassen erkannt zu haben. Blieb nur die Frage, wo genau sie hier ansetzen sollte. Ihr Blick fand wieder zu Victor, nachdem er etwas verloren durch den Raum gestreift war. Der Anflug eines versuchten Lächelns wanderte über ihr Gesicht. ____ Ary is Bisschen kurz, aufm Handy ist das so mühsam.. x‘D
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
wundert mich, dass du am Handy überhaupt Motivation für zwei Charas auf einmal hast... x'D Muss ja auch nicht immer ewig lang sein, bin auch so voll zufrieden. ^^ ____
Vielleicht hatte ich ein bisschen darauf gehofft, dass das Gespräch jetzt erstmal erledigt war. Ich hatte gesagt, dass ich es irgendwie versuchen würde - das müsste doch eigentlich reichen. Nur nicht Faye. Obwohl sie sich mittlerweile schon ziemlich den Mund fusselig geredet hatte mit dem sturen Willen, mich etwas von dem Suizidgedanken wegzukriegen, schien sie noch immer nicht genug Worte geäußert zu haben. Da reichte auch der abgewandte Blick meinerseits scheinbar nicht. Sie behielt ihre ältere Schwester als Thema bei, was mich ihr trotz mangels Interesse an weiteren Gesprächen automatisch weiter zuhören ließ. Mich interessierte wohl grundsätzlich alles, was mit Aryana zu tun hatte - auch, wenn es keine schönen Dinge waren, die ich über sie erfuhr. Zwar konnte ich mir doch ein paar Dinge, die Faye mir sagte, selbst zusammenreimen - wie beispielsweise die Tatsache, dass die ältere Cooper sich an irgendeinem Punkt ziemlich verloren hatte -, aber es war irgendwie nochmal etwas ganz anderes, das nun auch von ihrer Schwester zu hören. Mir auch ihre Ansicht anzuhören, die nicht viel düsterer hätte sein können. Außerdem war es ein wenig erschreckend, wie sehr wir auch das gemeinsam hatten. Dass wir beide eigentlich nur im andauernden Kampf verweilt waren, weil wir nicht wussten, was wir sonst tun sollten. Weil es das einzige war, das wir irgendwie halbwegs gut auf die Reihe bekamen - und, weil der Tod da an jeder Ecke saß, um seine Finger nach Jemandem auszustrecken. Wir schienen nur auch beide zu schlau oder zu talentiert dafür zu sein, um wie unterbewusst gewünscht einfach durch Pech im Krieg zu fallen. Dabei hatte ich es eigentlich sogar nur noch mehr provoziert, indem ich den Syrern geholfen hatte. Nicht mal das hatte gereicht, um uns von der Bildfläche zu pusten. Es war merkwürdig. Schien so, als hätten wir beide schon da mit unseren Leben abgeschlossen... und doch irgendwie auch nicht. Waren in der Schwebe gehangen. Irgendwo zwischen noch zu lebendig, um zu sterben und eigentlich aber schon zu tot, um noch wirklich zu leben. Ein Zustand ohne Perspektiven. Und es klang wirklich extrem kitschig, wie Faye es formulierte - aber ich wusste wohl am allerbesten, dass Aryana ihr Herz nicht leichtfertig verschenkte, sondern sich das extrem lange und gut überlegte. Es fiel mir also nicht schwer zu glauben, dass sie wirklich Irgendwas in mir sehen musste, das sie in keinem anderen Menschen sehen konnte... aber ich wusste nicht, was genau das eigentlich war. Dinge wie mein selbstbewusstes Auftreten, das Machogehabe und all die Draufgänger-Tattoos zogen bei anderen Frauen fast immer sofort, aber nicht bei ihr. Was war es also eigentlich, das sie in dem festen Glauben ließ, dass ich der Richtige war? Gerade jetzt, wo ich mich nicht wirklich wie der Mann benahm, den sie damals ins Gefängnis hatte ziehen lassen müssen... lag es wirklich nur daran, dass wir uns einfach in so mancher Hinsicht sehr ähnlich waren? Ich wüsste es gern. Würde gern von ihr hören, was es war. Ich merkte gar nicht, wie mein Blick bei all den Gedanken an Aryana irgendwann auf den Blumenkübel am Geländer unweit neben mir abrutschte. Fayes Worte änderten nichts an der bestehenden Problematik in meinem Kopf, aber sie brachten mich dazu, doch auch etwas intensiver in eine andere Richtung zu denken. Ich merkte, wie der immense Druck aus Frust, Wut und Verzweiflung auf meiner Brust für den Moment durch all die Denkerei doch langsam ein klein wenig abzuflachen begann. Sich das Gefühl, meine Faust jeden Moment an die nächstbeste Wand schlagen zu müssen, um den Schmerz in mir zu verlagern, ein klein wenig zu schmälern begann. Einen Moment lang hatte Faye nun schon geschwiegen, als sie mit einer Frage erneut nach meiner Aufmerksamkeit verlangte. Ich löste mich von dem vorherigen Gedanken und mein Blick klarte auf, bevor ich den Kopf wieder in ihre Richtung drehte. "Ich garantiere nicht dafür, dass ich ihn dann auch umsetze, aber...", bedeutete ich ihr mit ein paar geseufzten Worten und einer eindeutigen Handgeste fortzufahren. Klang dabei wieder weniger geladen als vorher, dafür umso angestrengter und müder. Zog dann noch ein letztes Mal an der Zigarette, bevor ich sie am Metallträger des Geländers ausdrückte. Es kam wohl ziemlich darauf an, was die zierliche Brünette nun noch zu sagen hatte, ob ich noch einen dritten Glimmstängel brauchen würde, oder nicht.
Aryana schien sich meine Worte doch sichtbar zu Herzen zu nehmen, begann darüber nachzudenken. Allein deswegen schon vermutete ich noch vor ihrer folgenden Antwort, dass ich mich eher nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte, sondern mit meiner Vermutung doch in der richtigen Richtung lag. Die Brünette schien das langsam ebenfalls zu erkennen - wenn auch mit wenig Begeisterung. Ich konnte das ja verstehen. Es war selbst für mich nicht leicht, mich Faye gegenüber immer zu einhundert Prozent zu öffnen und ich war eigentlich kein Mensch, der die Meinung vertrat, das er gut alleine klar kam. Das war spätestens seit dem Eintritt meines ersten Traumas schon nicht mehr so, sonst hätte ich mich kaum in meiner Verzweiflung nochmal selbst an die Front geschleppt. Ich versuchte ein wirklich aufbauendes Lächeln in ihre Richtung zu werfen, als Aryana mir offenbart hatte, dass diese Angelegenheit leider nicht ganz einfach werden würde. Wahrscheinlich von keiner Seite aus. "Ja, ich verstehe was du meinst... ist ja nicht mal für uns so leicht, wie's im ersten Moment klingt.", ließ ich sie mit einem schiefen Lächeln wissen, dass ich das bestens nachvollziehen konnte. Es war eben nicht einfach einem anderen Menschen alles offen darzulegen und sich damit verletzlich zu machen. Sich vielleicht auch eigene Fehler einzugestehen. Aufzuzeigen, dass man nicht perfekt war und nicht immer gut zurecht kam. Das war es ja nicht einmal für Faye und mich, sonst hätten wir nicht in jüngster Zeit erst ein Problem damit gehabt. Dabei hatten wir uns schon in der Anfangszeit unserer Bekanntschaft immer wieder gegenseitig etwas Schmerz abnehmen wollen, indem wir einander ein offenes Ohr schenkten. Den anderen nicht belasten zu wollen war im ersten Moment vielleicht der einfachere, aber nicht zwangsläufig auch der richtige Weg. "Aber ich denke ihr beide habt wirklich schon viel zusammen durchgemacht... und auch geschafft. So viel zusammen erlebt... da wäre es schade, wenn's am Ende wegen... unausgesprochener Worte scheitert, hm?", versuchte ich Aryana aufzuzeigen, wie viel sie bereits zusammen erfolgreich hinter sich gebracht hatten. Natürlich hatte ich von der Befreiung in den Hügeln an sich nicht viel mitgekriegt, war ich doch überwiegend in halber bis ganzer Bewusstlosigkeit gesegelt. Auch von dem letzten Überfall auf das Camp hatte ich nur gehört, war - Himmel sei Dank - nicht selbst mit von der Partie gewesen. Aber da waren auch sonst noch viele gemeinsame Einsätze gewesen. Auch ein gemeinsamer Urlaub. Vielleicht war das bei den beiden nicht so hoffnungslos romantische Liebe auf den ersten Blick, wie das bei Faye und mir gewesen war. Aryana und Mitch hatten eher irgendwann aus der Not heraus angefangen einen gemeinsamen Weg zu gehen und irgendwo auf dieser Strecke gemerkt, dass der jeweils andere eigentlich gar nicht so verkehrt war. Waren danach freiwillig zusammen weiter gegangen, obwohl es nicht nötig gewesen wäre. Waren irgendwann Freunde geworden, hatten sich schließlich ineinander verliebt. Sie hatten so einen endlos harten und langen Weg schon hinter sich und ich bewunderte beide für all die Stärke und Ausdauer, die sie weit mehr als oft genug unter Beweis gestellt hatten - aber jetzt war es wohl Zeit, auch mal einzugestehen, dass man nur mit Mut und Stärke allein nicht ewig weiterkam. Mal durchzuatmen und an einem anderen Punkt anzusetzen, weil der sonst beibehaltene Weg leider in einer Sackgasse mündete.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Ja, das wundert mich auch... x'D Ist nicht so geil, aber war ein Bisschen eine blöde Situation, um die einen aussetzen zu lassen, dann hätte sich alles verschoben. Und jetzt bin ich auch wieder bei meinem lieben Laptop. xD. UUNDD CHILLIIII HAT NEUE BILDCHEN *-* ________
Es gab nicht mehr viel zu sagen, jetzt, nachdem sie sich minutenlang den Mund wund geredet hatte im Versuch, Mitch fürs Leben zu begeistern und ihm klar zu machen, dass er hier zu ihnen gehörte - und nicht irgendwo leblos in die Erde gescharrt oder darauf verstreut, um vergessen zu werden. Auch wenn das wohl nicht genau der Ablauf der Dinge gewesen war, den er sich vom Ausflug auf den Balkon erhofft hatte - falls er überhaupt irgendwelche Vorstellungen dieses Gesprächs gehabt hatte, denn sie wusste nicht wirklich, was genau ihn mit dem Glauben gesegnet hatte, besser doch noch Mal mit ihr zu sprechen statt direkt einen Abgang hinzulegen - so war sie doch der Meinung, dass es einigermassen gut gelaufen war bis hierhin. Er wirkte tatsächlich so, als hätte er sich ein Stück weit entspannt. Nicht, dass er besonders freundlich guckte oder glücklich schien, aber sein Blick war nicht mehr so strafend, so verbittert wie zuvor. Hatte sich ein Bisschen aufgeklart. Möglicherweise lag das auch an den Zigaretten und der frischen Luft, das spielte eigentlich keine Rolle. Tatsache war, dass er ihr - jedenfalls soweit das erkennbar war - zugehört hatte und sie jetzt nur hoffen konnte, dass ein Teil ihrer Worte ihn wirklich erreicht hatten und im Laufe der Zeit ihre Wirkung entfalteten. Seine eigenen Aussagen würden auf jeden Fall noch lange durch ihre Gedanken geistern, auch wenn sie sich in diesem Moment selber ebenfalls relativ entspannt fühlte. Und ein Bisschen zuversichtlich, dass das alles doch noch irgendwie gut werden konnte. Es war die nötige Zuversicht, der nötige Glauben, um ein weiteres Mal nicht aufzugeben und nicht die nächsten Tage und Wochen in Angst zu leben. Denn das wollte und konnte sie nicht. Seine müde Tonlage, als er sich wieder ihr zugewandt hatte, konnte sie voll und ganz nachvollziehen. Ging ihr ja nicht anders, auch wenn sie es gewesen war, die ihn zugetextet hatte und nicht umgekehrt. Trotzdem waren all die Aufregung und die Neuigkeiten, seine Worte und auch das, was vorhin drinnen passiert war, Einiges an Ballast, den sie erstmal verarbeiten musste. Also nein, sie hatte nicht vor, gleich weiter zu machen und ihm die Leviten auch noch rückwärts zu lesen. Fayes Blick lag wieder auf seine Gesicht, wobei seine Worte ein winziges Lächeln ihrerseits hervorgerufen hatten - kaum mehr als ein Zucken ihrer Mundwinkel und ein kurzer Funke in ihren Augen. "Das ist auch kaum nötig...", murmelte sie, blickte kurz auf ihre Finger hinab, als würden sie ihr dabei helfen, die richtigen Worte zu formen, ehe ihre Augen wieder in seine fanden. "Mir - oder uns - hat es sehr viel geholfen, alles aufzuschreiben, was uns im Leben je glücklich gemacht hat... Und in einem zweiten Schritt alles, wovon wir glaubten, dass es uns einmal wieder glücklich machen könnte... Und dann haben wir versucht, diese Dinge zu tun und sie uns vorzustellen. Es war ziemlich absurd, aber irgendwie auch schön... und beruhigend. Ich habe auch versucht, daraus Ziele zu formen, hauptsächlich kleine Ziele... Oder kleine Ziele zum Erreichen grosser Ziele. Dinge, in denen sich etwas Gutes, etwas Freude findet... die Motivation zum weitermachen bieten. Wenn dein grosses Ziel nun ist, eines Tages fähig zu sein, dir selbst zu vergeben, dann forme kleine Ziele um irgendwann dorthin zu kommen. Überlege dir, ob es etwas gibt, was dir helfen könnte, zu heilen. Es hat Leben gekostet, damals, hat Trauer und Verzweiflung gebracht... Aber du bist in der Position, Leben zu retten, Freude und Hoffnung zu schaffen - gerade auch weil ihr wieder in solchen Wasser schwimmen werdet. Du kannst Leben retten, die ohne dich verloren wären. Vielleicht hilft dir das... weil das... ist mein Rat, denke ich. Das - und bitte nicht aufgeben", schloss Faye ihre vorerst letzte Rede ihm gegenüber. Vielleicht hatte sie es jetzt wieder schlimmer gemacht, weil sie wieder davon geredet hatte. Aber es war unwahrscheinlich, dass Mitch - auch wenn sie es ihm angeboten hatte - je selber bei ihr danach gefragt hätte, was sie an seiner Stelle tun würde. Vielleicht war der Rat wertlos, weil er anders tickte und ihn so nicht umsetzen oder brauchen konnte. Aber das lag nicht in ihrem Ermessen und Mitch konnte gut auch einfach vergessen, was sie gesagt hatte, sobald er diese Wohnung verlassen hatte. Oder auch schon jetzt.
Ja, das hatte sie schon angenommen. Sie war immerhin dabei gewesen, als es auch bei Victor und Faye einmal nicht wirklich geklappt hatte mit der Kommunikation und ihre Schwester im Anschluss eher nicht so glücklich gewirkt hatte. Daran war auch ziemlich gut ersichtlich, dass das bei den beiden eben nicht der Normalfall war. Weil sie sich für gewöhnlich alles erzählten, fiel es dann eben auch relativ schwer ins Gewicht, wenn jemand ein solches Geheimnis mit sich rumschleppte und für so lange Zeit beschloss, es nicht mit der anderen Person zu teilen. Mitch und sie hingegen hatten wohl so einige Dinge, die sie lieber für sich behielten, ob aus Gewohnheit oder weil sie absichtlich davon absahen, die andere Person zu belasten, sei dahingestellt. Es musste ja nicht einmal bewusst geschehen. Hatte eben einfach mit ihrem Charakter und ihrer Art, das Leben ein Bisschen anders anzugehen, zu tun. Nur war in diesem Fall das ein Bisschen anders möglicherweise nicht unbedingt besser sondern eher hinderlich in der Pflege einer stabilen Beziehung, die eben auf Vertrauen basieren sollte. Vertrauen, das wiederum auf gegenseitigem Erzählen von allen möglichen Informationen basierte. "Ja, ich... ich wills sicher versuchen. Natürlich ist es nicht meine Absicht, unsere Beziehung mit diesem Fehler oder auch irgendwie sonst gegen die Wand zu fahren... Vorausgesetzt mein Freund zieht mit...", das war eben in vielen Bereichen eine Voraussetzung, die momentan etwas schwer zu erfüllen war. Der verdammte Knast hatte ihn ihr leider ziemlich hässlich entrissen und als wäre die Trennung nicht schon schlimm genug gewesen, hatte auch noch der ganze Rest dazukommen müssen. Das neue Trauma, mit dem er fertig werden musste, die Gewissensbisse, die Einsamkeit, die Schwierigkeit, sich in einem solchen Leben nach so langer Zeit wieder zurechtzufinden, ihre Beziehung, die sie nie zuvor so gelebt hatten, der Job, der auf sie wartete und die ungewisse Zukunft... Es war eben ziemlich viel, für ihn wie für sie. Nur dass sie sich schon etwas länger daran hatte gewöhnen können und allgemein ein etwas pragmatischeres, weniger hitziges Gemüt besass als er. Nicht unbedingt weniger Temperament, aber es fiel ihr eben leichter, sich zu überlegen, ob es sich lohnte, aufzubrausen oder nicht, ob sie damit mehr Schaden anrichtete oder Profit ziehen konnte. Also mal sehen, was er von dieser Idee hielt. Falls er heute überhaupt noch wieder auf einen angemessenen Gemütszustand runterkam, dass sie ein solches Gespräch wirklich führen wollte. Sonst musste es eben noch einen oder mehrere Tage warten - denn auch jetzt traute Aryana dem scheinbaren Frieden auf dem Balkon noch kaum über den Weg. Faye und Mitch waren nicht unbedingt dazu gemacht, aneinander zu geraten - sie konnten Freunde sein, wenn sie beide guter Laune waren, ja. Aber so wie gerade eben? Nein, fand sie keine gute Idee. Entsprechend überraschend kam es für sie auch, dass noch keiner von ihnen wieder nach drinnen gestürmt war, man sie nicht einmal schreien hörte oder ähnliches. Es war einfach still und sie sah nichts, als sie den Blick für einen kurzen Moment auch nochmal zur Balkontür wandern liess. "Meinst du, die werden heute noch Freunde?", fragte sie mit einem Hauch Sarkasmus nun wieder Victor zugewandt, zog dabei sachte eine Augenbraue gegen den Haaransatz. Sie bezweifelte, dass Victor überhaupt viel davon hielt, dass Faye sich zu Mitch auf den Balkon begeben hatte. Und doch war es gut möglich, dass er ihre Schwester mittlerweile besser kannte als sie. Aryana war mit Faye aufgewachsen, aber die letzten Jahre hatten sie beide stark verändert und die neue Faye hatte sehr viel mehr Zeit mit Victor verbracht als mit ihr.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
ja, doofe Situation dafür, da hast du Recht. :'D Wär bisschen merkwürdig gewesen. ^^" Jahaaa... du weißt ja, wie das ist - wenn mir ein Bild nicht mehr passt, müssen immer gleich mehrere oder alle weichen. x'D und mir hat auch mal eins gefallen, wo er lächelt... davon gibt's so extrem wenige und noch viel weniger in guter Qualität. ____________
Ich wusste nicht, womit genau ich mir jetzt diesen Ansatz eines Lächelns verdient hatte, der über Fayes Gesicht huschte. Ich hörte jedoch auch schnell auf mich das zu fragen, als sie zu dem schon angekündigten Rat ansetzte, den sie mir geben wollte. Und er war... irgendwie schwierig. Ganz einfach deswegen, weil ich das blöde Gefühl hatte, das es wirklich nicht viele Dinge gab, die mich ernsthaft glücklich stimmten. Selbst wenn ich Gitarre spielte, dann machte mich das nicht zwangsweise glücklich. Ließ mich manchmal noch tiefer in einem Gefühl versinken, das ich nur beim Singen auszudrücken wusste, weil ich ganz einfach scheiße darin war mit auch nur Irgendjemandem über meine Gefühle zu reden. Sie hatten früher halt auch nie Jemanden interessiert. Fast alle Dinge, die mich glücklich zu machen vermochten, waren irgendwie an Aryana festgetackert. Zumindest jetzt im ersten Moment, wo ich mehr nur flüchtig darüber nachdachte, kam mir das so vor. Vielleicht lag das auch daran, das ich unabhängig von ihr irgendwann damit aufgehört hatte glücklich werden zu wollen. Das war ein Ziel, das für mich jahrelang in unerreichbarer Ferne gelegen hatte. Die manchmal sehr sture Brünette hatte unwissend ihre Finger nach dieser längst begrabenen Emotion in meiner Brust ausgestreckt und sie da wieder rausgeholt. Es war eben wirklich so, dass Aryana die einzige Motivation zum Weitermachen war, die ich bisher hatte finden können. Aber vielleicht musste ich auch einfach noch tiefer graben. Bisher hatte ich zum Beispiel nicht im entferntesten daran gedacht, dass der Einzug in Easterlins Armee nicht zwangsweise ausschließlich Schlechtes mit sich bringen musste. Natürlich würden die Umstände - und der Kopf an der Spitze des Heers - scheiße bleiben, das stand ganz außer Frage. Schadensbegrenzung betreiben konnte ich auch nicht damit, dass ich mich nun wieder in Gefechte warf. Vielleicht konnte ich aber zumindest ein paar der Männer und Frauen davor bewahren, dass sie das gleiche Schicksal ereilte wie all die anderen gefallenen Soldaten, die auf meine Kappe gingen. Wobei ich bis jetzt nicht wissen konnte, ob überhaupt Irgendjemand dort sowas wie beschützt werden wollte. Vielleicht waren das ganz genau solche Kaliber wie meine Freundin und ich vor Jahren - sahen in ihrem Leben gar keine andere Perspektive als diese Armee. Wollten vielleicht auch gar keine, sondern nur irgendwann dabei draufgehen, weil sie keinen Sinn in alledem sahen. Ich schüttelte diesen Gedanken innerlich ab, weil ich damit ganz einfach zu keinem Ergebnis kommen würde. So oder so ließ sich Fayes Rat in meinem aufgewühlten Zustand nicht ernsthaft in Angriff nehmen. Ich würde nicht innerhalb von wenigen Minuten jetzt hier auf ihrem Balkon alle Antworten finden, die ich brauchte, um noch irgendwie ansatzweise motiviert weiterleben zu können. Trotzdem wanderte meine Hand nicht noch ein drittes Mal zu der leicht zerdellten Schachtel in meiner Hosentasche und meine Augen waren irgendwo im Laufe von Fayes Worten nachdenklich zu Boden gewandert, war ich für jene nun doch zumindest deutlich aufnahmefähiger, als zu Beginn unserer kleinen Intervention. Ich hob den Blick erst langsam wieder, als noch ein paar schweigsame Sekunden ins Land gezogen waren. "Ist vielleicht einen Versuch wert.", äußerte ich mich nach wie vor eher verhalten dazu. Wollte der zierlichen Brünetten dennoch sagen, dass ich zumindest mal darüber nachdenken würde. Aber es gab noch einen meinerseits schweigsamen Moment später ohnehin etwas Wichtigeres zu sagen. "Danke... ich weiß, dass ich's... eigentlich nicht verdient habe, nachdem ich vorhin so... naja...", redete ich vor mich hin, schloss meine Worte mit einem Seufzen ab und zuckte leicht mit den Schultern. Hob im Anschluss die rechte Hand, um mir damit über das noch immer sehr angespannte Gesicht zu reiben und kurzzeitig die Augen zu schließen. Es war wohl sowas wie eine nur indirekte, schwer über die Lippen gebrachte Entschuldigung, die ich zu formen versuchte. Viel mehr ließ mein momentan wieder sehr engstirniger Kopf nicht zu, aber es war wohl das Mindeste. Ich gestand mir auch nach Jahren immer noch nicht gerne selbst ein, dass ich nicht selten verhältnismäßig grundlos austickte, wenn ich es eben tat. Es reichte quasi schon ein falsches Wort zur falschen Zeit und die Bombe ging hoch. Vielleicht hatte ich es wenigstens ein kleines bisschen besser unter Kontrolle, wenn mich Easterlins Programm täglich platt walzte und weniger körperliche Energie in mir vorhanden war.
Das galt gerade wohl für viele Bereiche ihres gemeinsamen Lebens. Denn Mitch war schon früher grundsätzlich nur teilweise kompromissbereit gewesen. Eben immer dann, wenn es ihm irgendwie in den Kram passte. Er mehr davon hatte, als irgendwas auf eigene Faust zu tun. Seine Gütigkeit und auch die Offenheit für neue Vorschläge hatten schon immer irgendwo ihre Grenzen gehabt und in seiner aktuellen Verfassung war so ein ernstes Thema sicher mit Vorsicht an den jungen Mann heranzutragen. Es war also vielleicht auch besser erstmal einen geeigneten Moment dafür abzuwarten, in dem er für seine Verhältnisse ruhig war und nicht gerade erst meine Freundin mehr oder weniger grundlos angeschnauzt hatte. Vielleicht auch eine möglichst neutrale Umgebung dafür zu finden, wo er sich weniger unter Druck gesetzt fühlte. Er schien einfach gerade sehr viele Emotionen mit sich herumzuschleppen, von denen er nicht wusste, wie oder wo er sie loswerden sollte. Ehrlich gesagt hatte ich meine Therapeuten früher so angesehen, als wären sie die Verrückten und nicht ich, als sie mir vorgeschlagen hatten einfach mal allein tiefer in den Wald zu marschieren und da alles rauszulassen. Einfach mal zu schreien, den angestauten Gefühlen Raum zu geben und loszulassen. Ich glaubte zu wissen, dass Mitch mich bei so einem Vorschlag wahrscheinlich ganz genauso skeptisch und spöttisch ansehen würde. Trotzdem würde das sicher auch ihm helfen. "Du findest bestimmt einen guten Moment dafür.", versuchte ich Aryana mit einem Lächeln ein klein wenig mehr Optimismus einzutrichtern. Sie würde das schon hinkriegen. Der Tätowierte hatte zwar eine recht komplizierte Persönlichkeit, aber selbst er konnte gegen Vernunft und offene Worte nicht komplett immun sein. Das war Niemand. Als der Blick der Brünetten zum Balkon wanderte, folgte der meine ihrem automatisch dorthin. Denn ja, es war da draußen noch immer verdächtig ruhig, wenn man mich fragte. Als die ältere Cooper ihr Wort an mich richtete schüttelte ich fast sofort ein wenig den Kopf, weil ich es mir nun wirklich so gar nicht vorstellen konnte, dass Faye und Mitch nun innerhalb von wenigen Minuten plötzlich eine andere Ebene von Bekanntschaft erreichen würde. Das machte wohl auch der Sarkasmus in Aryanas Stimme auf ihrer Seite recht deutlich und ich drehte meinen Kopf wieder ihr zu, um sie anzusehen. "Ich glaub zwar ein bisschen an kleine Wunder, seit ihr uns aus den Hügeln geholt habt... aber das..?", schloss ich mich ihrer Skepsis ironisch an. Es war halt einfach ziemlich unwahrscheinlich, da brauchten wir uns wohl nichts vorzumachen. "Vielleicht läuft's trotzdem gar nicht so schief, wie ich angenommen hab. Faye kann ziemlich beruhigend wirken, wenn sie's drauf anlegt. Sie hat irgendwie... sowas wie ein Händchen dafür.", dachte ich dann laut weiter nach und zuckte leicht mit den Schultern. Gestorben war da draußen bisher ja offensichtlich keiner. Zwar rastete ich nie so aus wie Mitch das nun wieder gerne tat, aber auch wenn ich in mir sehr aufgewühlt und aufgelöst war, einfach nicht wusste wohin mit mir, hatte die zierliche Brünette etwas an sich, das mich zurück auf den Boden holte. Natürlich war unsere Beziehung zueinander eine ganz andere. Vielleicht war es aber auch einfach ihr Auftreten an sich, das diese Wirkung mit sich brachte. Ihre Körperhaltung. Die Art, wie sie die richtigen Worte an richtiger Stelle sagte. Ihre zarte Stimme, die nur dann laut wurde, wenn ich selten mal Mist gebaut hatte oder wir zusammen lachten. Sie war einfach eine gute Seele und wusste das an andere Menschen heranzutragen.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Ja ich kenn das Problem, geht mir momentan leider schon wieder so bei Aryana... Aber ich bin so schlecht mit sowas und die Seite, auf der ich das mache, ist so langsaaaam und dauernd am rumspacken.... Und ich müsste auch erstmal neue Fotos suchen... Darum muss die wohl noch ne Weile so aussehen.. x'D Und ja, dass er lächelt hab ich gestern auch schon sehr begeistert festgestellt! :') ____________
Natürlich war der Weg, den sie mit Victor gegangen war, nicht zwingend eine Lösung für alle. Sie wusste nicht, ob Mitch etwas mit diesen Tipps anfangen konnte. Oder Aryana. Trotzdem war sie froh, es ihm gesagt haben zu können, in der Hoffnung, dass er die Idee mit der Liste oder auch nur irgendeinen Teil davon umsetzen konnte. Oder, dass sie ihm damit einen Denkanstoss in die richtige Richtung bot, anhand dessen er wieder zu grüneren Pfaden zurückfand. Letztendlich war es ihr viel weniger wichtig, tatsächlich eine Rolle auf seinem Weg aus diesem Loch heraus gespielt zu haben, als dass er überhaupt wieder da raus krabbelte. Darum reichte ihr seine Antwort auch völlig aus und sie nickte nur noch einmal dazu. Seine folgenden Worte kamen dann weitaus überraschender und die Brünette hob den etwas irritierten Blick wieder in sein Gesicht, schüttelte dabei erstmal nur schwach den Kopf. "Klar, das... das ist schon okay... Ich hab ja auch was Dummes gesagt...", winkte sie erstmal etwas unbeholfen ab. War nicht so, dass sie überhaupt keine Ahnung hatte, mit Entschuldigungen umzugehen. Nur waren das normalerweise keine Entschuldigungen von Mitch, der noch vor wenigen Minuten so gewirkt hatte, als würde er sie sehr viel lieber einfach über die Brüstung kippen. Normalerweise waren es nur Victor oder ab und zu Mal Aryana, die sich für meistens sehr kleine Dinge entschuldigten. Menschen, die sie also auch sonst deutlich besser kannte als Mitchell. Sie blickte ihn trotzdem noch einen Moment an, ehe sie beschloss, noch ein paar Worte anzufügen. "Ausserdem kannst du mich auch noch tausend Mal anschreien, wenn du am Ende nur wieder... ganz gesund wirst, okay? Du kannst dich jederzeit bei mir oder bei Victor melden, wenn du etwas brauchst oder reden willst... Und ich bin froh, wenn ich helfen kann, irgendwie, wenns auch nur ein kleines Bisschen ist", erklärte sie zum Abschluss, wobei erneut das kleine Lächeln ihre Gesichtszüge weicher werden liess, deutlich zeigte, dass Faye das alles sehr ernst meinte. Da er für den Moment nicht das Bedürfnis nach einer weiteren Zigarette zu verspüren schien, sie sich ausserdem doch sehr sicher war, dass er für den Moment genug Worte ihrerseits zu verdauen hatte, schob sie sich nach einem letzten Blick über den ganzen Balkon wieder auf die Füsse, blieb einen Moment vor der Bank stehen. "Möchtest du noch bleiben oder doch lieber gehen? Ich kann auch was kochen, wenn ihr noch nichts gegessen habt... Oder wir setzen uns nochmal zu den anderen. Wie du willst", bot sie ihm eine Reihe von Optionen an, während sie sich schon der Balkontür zugewandt hatte, sich dabei aber nochmal in seine Richtung drehte, um ihn fragend anzublicken. Sie würde absolut verstehen, wenn er nun lieber erstmal ging und diesen Abend sinken liess, sich von dem vielen Reden und Zuhören und Aufregen erholen wollte. Diesmal würde sie sich ihm auch sicherlich nicht in den Weg stellen. Andererseits war sie auch gerne bereit, noch was Kleines zu kochen oder sich auch einfach noch ein Bisschen hinzusetzen. Jetzt, wo die Bombe geplatzt war, brauchte dabei auch keiner mehr hochgradig angespannt zu sein oder sich irgendwelche schwer zu beantwortenden Fragen zu stellen. Gut, Victor und Aryana würden wohl erstmal nicht verstehen, warum sie sich wieder so normal unterhielten, aber die würden ihre Updates schon noch früh genug bekommen. Faye spielte es also wirklich kaum eine Rolle, wofür er sich entschied.
Das war wirklich zu hoffen. Denn wenn sie diesen guten Moment nicht fand, würde das Gespräch ähnlich schön enden, wie das, welches hier vor etwa zwanzig Minuten stattgefunden hatte. Also nicht besonders wertvoll. Oder sie würde es gar nie führen, was ebenfalls schlecht wäre, da diese Information doch eine relativ grundlegende Änderung ihres Beziehungsverhaltens verlangte, die sie idealerweise vorgängig absprechen sollten. Aryana nickte also nur darauf, erwiderte das Lächeln relativ verhalten aber ehrlich. Sie war ja nicht ganz so pessimistisch veranlagt wie Mitch, also wollte sie doch wenigstens für ihren Teil darauf hoffen, dass sie einen Weg finden würden, der letztendlich für sie beide stimmen würde. Auch seine Antwort auf ihre eher rhetorische Frage bezüglich ihrer beiden Sorgenkinder auf dem Balkon entlockte ihr ein kleines Lächeln. Er klang ja diesbezüglich ähnlich überzeugt wie sie. Da sich Mitch und Faye aber offensichtlich nicht mehr anschrien - würden sie hier nämlich hören, und selbst wenn nicht, würde Faye ganz bestimmt genügend Rationalität besitzen, nicht auf einem Balkon in einem Wohnquartier rumzuschreien - war sowas vielleicht doch nicht ganz so unrealistisch. Wer weiss... Victor äusserte gleich darauf ähnliche Gedanken, wobei er auch noch erwähnte, dass ihre Schwester offenbar nicht verlernt hatte, auch in schwierigen Situationen innere Ruhe zu bewahren. Das war eigentlich naheliegend, weil es erstens schon immer so gewesen war und zweitens für ihren Beruf ganz einfach ziemlich unabdingbar war. Faye war gut darin, aufgebrachte Menschen zu beruhigen, sie dazu zu bringen, wieder ein Bisschen normaler zu denken. Aber diese Menschen waren im Normalfall eben nicht wütend auf sie, hatten sie nicht kurz davor angeschrien, weil ihnen eine ihrer Aussage quer im Hals stecken geblieben war. "Ja... das stimmt. Hatte sie schon immer. Ich wünschte, ich hätte mal was davon kopiert", murmelte Aryana, zuckte dabei etwas mit den Schultern. Sie war zwar auch nicht besonders leicht aus der Ruhe zu bringen, so war das nicht. Aber erstens war sie auch gerne stur, wenn sie eine Meinung zu vertreten hatte, hätte sich also vorhin ganz bestimmt nicht zweimal bei Mitch entschuldigt, obwohl er derjenige gewesen war, der unnötig aus der Haut gefahren war, und zweitens hatte sie eben kein Händchen für aufgebrachte Menschen. Hatte nicht die Geduld, sich mit ihnen zu befassen - oder den Nerv. Natürlich war Mitch da ein Sonderfall, weil sie sich kaum einfach von ihm abwenden würde, bloss weil er pissige Laune hatte. Aber es fiel ihr nicht immer so leicht, dabei selber drei Schritte zurück zu gehen, um ihm seinen Platz zu lassen. Vielleicht jetzt, in den ersten Tagen noch. Aber ihr war sehr bewusst, dass das nicht lange so gehen würde, weil sie einfach nicht der Mensch dafür war, über längere Zeit ihre eigenen Meinungen und Gedanken zurückzunehmen und sich alles gefallen zu lassen, nur um ihrem Freund genügend Platz zu lassen, sich wieder irgendwie zu akklimatisieren. Das konnte ja auch nicht der einzige Weg zurück zu einem einigermassen funktionierenden Normal sein, oder?
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
ich fürchte das geht iiiimmer schneller, als einem lieb ist. x'D und die Fotosuche ist auch immer ein einziger Spießrutenlauf... selbst, wenn man genug gefunden hat, die einem gefallen, müssen die ja nicht automatisch zwangsweise auch gut zusammen aussehen im Banner. :'D Wenn dann auch noch die Technik nicht mitmachen mag, ist's ja noch furchtbarer... ^^" Passt halt grade eigentlich gar nicht zu seinem Gemüt, aber er kann bestimmt irgendwann wieder mehr lachen. :'D ____________
Faye war auch einfach irgendwie zu gut für die Welt, oder? Zwar war viel mehr ihre ältere Schwester mein Schutzengel, aber der Heiligenschein stand ihr wohl wesentlich besser. Ich kannte keinen anderen Menschen, der mir jemals gesagt hätte, dass es schon irgendwie okay wäre, wenn ich ihn noch tausend Mal anschreien würde - ganz egal vor welchem Hintergrund letzten Endes. Selbst in meinen Augen war das nicht wirklich in Ordnung, auch wenn ich nicht dafür garantieren konnte, dass es nicht noch einmal dazu kommen würde, wenn die zierliche Brünette mich erneut auf dem falschen Fuß erwischen sollte. Aber zu hoffen war das nicht. Ich ließ die Hand wieder sinken und sah sie doch kurzzeitig mit hochgezogener Augenbraue an, während sie noch weiterredete. Mir sagte, ich könne mich jederzeit melden, wenn ich Jemanden zum Reden brauchte oder sonst Irgendwas. Leider war ich weniger der Typ Mensch dafür, der nach helfenden Händen griff, wenn sie nach mir ausgestreckt wurden. Wahrscheinlich würde ich komplett aus freien Stücken nicht einmal dann von mir aus nach Hilfe suchen, wenn ich mir schon eine Pistole an die Schläfe hielt und kurz vorm Abdrücken war. Vielleicht keine schlaue Eigenschaft, aber ich hatte sie mir über mehr als ein ganzes Jahrzehnt hinweg angewöhnt und das würde sich kaum innerhalb von wenigen Tagen ändern. "Glaube da ist Aryana anderer Meinung...", stellte ich ironisch fest. "Aber ja... vielleicht komm ich mal auf euch zurück." Ich hatte wahrscheinlich schon lange nicht mehr so viele Vielleichts hintereinander in wenigen Sätzen verbaut. Aber es war eben das Maximum ohne zu lügen. Womöglich würde ich mal um Hilfe bitten, falls ich mir ausnahmsweise wirklich Erfolg davon versprach, aber für sehr wahrscheinlich hielt ich das eben nicht. Auf ihre Frage nach meinem weiteren Vorhaben hin atmete ich erstmal ein wenig tiefer durch, musste aber doch nicht wirklich lang darüber nachdenken. Ich versprach mir nicht wirklich etwas davon noch länger hierzubleiben, auch wenn unser beider Differenzen niedergelegt zu sein schienen. Ich war müde und fühlte mich ausgelaugt. Würde vermutlich auch nur mit entsprechendem Gesichtsausdruck schief auf dem Sofa hängen und mir dabei wünschen, doch gegangen zu sein. Es war sehr sicher für alle das beste, wenn ich mich erst einmal zurückzog und meine Mitmenschen - eben abgesehen von Aryana - nicht noch weiter mit einem kaputten Gesichtsausdruck nervte. Deshalb schüttelte ich leicht den Kopf, als ich mich mit nur wenig Schwung vom Geländer abstieß. "Ist denke ich besser, wenn ich gehe. War ein sehr langer Tag.", was meine müde Stimmlage weiterhin gekonnt untermauerte. Zwar wusste ich das Angebot mit der extra gekochten Mahlzeit schon zu schätzen, aber mir war gerade einfach nicht nach mehr Gesellschaft als nötig. Beinahe hätte ich wegen Fayes Mühen noch gesagt, dass wir uns eventuell vor unserem ersten Tag in der neuen Hölle noch einmal sehen mit dem befreundeten Paar treffen könnten, aber wahrscheinlich würde das nicht passieren. Wäre mir am Ende noch zu viel und falsche Hoffnungen wecken wollte ich doch lieber keine. Also ging ich letztlich hinter Faye zurück nach drinnen und schloss die Balkontür hinter mir. War dann auch ganz froh, dass das Sofa mit der Rückseite mehr oder weniger in meine Richtung zeigte, um nicht sofort Aryanas direktem Blick ausgesetzt zu sein. Victors Augen hingegen ruhten sofort sehr direkt auf mir, nachdem er zuerst seiner Freundin einen Blick zugeworfen hatte. Für den Moment mied ich seinen Blick allerdings recht konsequent, trat stattdessen an die Rückenlehne des Sofas heran und streckte noch etwas zögerlich meine Hand nach Aryanas Halsbeuge aus. "Geh'n wir heim..?", stellte ich ihr die leicht gemurmelte, aber doch in sich etwas unruhig wirkende Frage und strich mit dem Daumen einmal sachte über ihren Hals. Wenn sie unbedingt noch mit Faye reden wollte oder sonst irgendwas, dann konnte sie auch noch hierbleiben. Ich würde mich allerdings so oder so verziehen, hatte mehr als genug von zwischenmenschlicher Interaktion für heute.
Es war nichts Ungewöhnliches sich ab und zu mal zu wünschen, sich vom Charakter oder Verhalten eines anderen Menschens ein kleines Scheibchen abschneiden zu können. Es würde das Leben hier und da sicher einfacher machen, aber das wollte es bekanntlich einfach nicht sein. Also hatte eben jeder so seine Ecken und Kanten, mit denen er umzugehen lernen musste. Die man sich teilweise sicher auch abtrainieren konnte, wenn man es genug wollte. Allerdings war das in so mancher Hinsicht sehr schwierig und es gab auch Grundzüge, die sich ganz einfach nicht verändern ließen. Die einem so gegeben waren und einen sehr wesentlichen Teil des Wesens ausmachten. Entweder, weil sie einem in die Wiege gelegt wurden, oder weil das Leben es einem so über Jahre hinweg beigebracht hatte - und das war auch in Ordnung so. "Ich glaube sowas wünscht sich jeder ab und zu mal...", meinte ich nur noch etwas sarkastisch und zuckte mit den Schultern. Kurze Zeit lang sah ich noch zu Aryana, ehe sich die Balkontür öffnete und sich meine Augen ganz automatisch auf jene Richtung fixierten. Faye trat zuerst ins Wohnzimmer ein und ich unterzog sie wohl einfach zur Sicherheit einer kurzen Musterung. Zu sagen, dass sie wieder so gute Laune hatte wie vorhin, als wir noch alle zusammen gelacht hatten, wäre zwar stark übertrieben und ein bisschen mitgenommen sah sie noch immer aus, aber das Gespräch der beiden schien sich wie auch immer in eine halbwegs gute Richtung entwickelt zu haben. Die zierliche Brünette war ohne weitere laute Schimpftiraden seitens Mitch zu uns zurückgekommen und letzterer selbst musste sich ebenfalls kurz einem Kontrollblick von mir unterziehen lassen. Von einem glücklichen oder freundlichen Gesichtsausdruck war er nach wie vor weit entfernt, aber seine Schultern hingen wieder etwas lockerer und auch das wütende Funkeln seiner Augen schien einen gut sichtbaren Dämpfer kassiert zu haben. Er wirkte doch deutlich entspannter, dafür allerdings auch ziemlich... antriebslos. Müde. Kaputt. Es war an und für sich schon ungewöhnlich, dass er einem Blick gänzlich auswich, also wollte ich ihn damit nicht weiter behelligen und sah stattdessen zu Aryana, als er mit ihr redete. Es war nicht so als hätte ich die beiden nun rausschmeißen wollen, wenn Mitch noch hierbleiben wollte, aber ehrlich gesagt war es mir doch auch lieber, wenn zumindest er vorerst ging. Auch, wenn er sich offenbar beruhigt hatte, glaubte ich nicht wirklich daran, dass bei weiterem Zusammensein wirklich was Gutes rumkommen würde und es war wahrscheinlich einfach besser, wenn wir jeder für sich die ganze Sache mal sacken lassen und verinnerlichen konnten. Das musste selbst ich und ich war noch nicht mal direkt in den Streit an sich involviert gewesen - die geladene Anspannung im Raum von vorhin reichte mir persönlich vollkommen aus, um eine kleine Pause zu brauchen. Auch, wenn ich das Gespräch mit Aryana gerade doch als recht angenehm empfunden hatte. Das allein reichte zum psychischen Ausgleich leider nicht ganz, hatte sich doch auch das überwiegend mit dem selben Thema befasst. Außerdem war ich wohl einfach bedacht darauf, dass auch Faye nach alledem etwas Ruhe bekam.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Leider jaaa... x'D Du musst das Bild jetzt einfach so lange lassen, bis es zu seinem Gemütszustand passt... xD _____________
War gut möglich, dass sowohl Aryana als auch Victor mit ihren Worten nicht einverstanden wären. Aber sie hatten eben beide nur begrenzt was mitzureden in dieser Sache, weshalb Fayes Schulterzucken als eher gleichgültige Reaktion auf seine Feststellung auch alles war, was sie dazu noch zu sagen hatte. Es war ja nicht so, dass sie Mitch direkt dazu aufgefordert hätte, sie bitte noch sehr viel häufiger daran zu erinnern, dass sie nicht die Einzige war, die mit der Scheisse umgehen musste und nicht im Selbstmitleid zu versinken hatte. Aber wenn es entweder das oder sein Leben war, dann kam sie wahrscheinlich doch ganz gut darauf klar. Sie wollte einfach, dass sie einmal alle gesund und glücklich waren. Und zwar gleichzeitig, zusammen. Und das würden sie niemals erreichen, wenn sie es nicht schafften, Mitch wieder hochzukriegen. Keiner brauchte ihre Art, mit ihm umzugehen, wirklich zu verstehen, das war ihr egal. Denn Fakt war, dass sie ziemlich sicher schon alle mindestens einmal am Rande des Suizids gestanden hatten. Mit Aryana hatte sie nie darüber geredet, genau wie sie bis heute nie jemandem von ihrer eigenen, dunkelsten Stunde erzählt hatte. Aber dass Victor nach seinem ersten Trauma mit den gleichen Gedanken gekämpft hatten, wusste sie. Sie hatten es alle überlebt. Nun sollten sie auch alles daran setzen, dass Mitch das Gleiche schaffte. Seine Antwort auf ihre Frage zum weiteren Verlauf des Abends entsprach ungefähr ihren Erwartungen, weshalb sie darauf einsichtig nickte. "Ja, kann ich verstehen", meinte sie nur noch, ehe sie die Balkontür aufstiess und nach drinnen trat. Wenig überraschend begegneten ihr dabei sofort die Augen ihres Freundes, dem sie mit dem gleichen, winzigen Lächeln klarmachte, dass alles soweit in Ordnung war, er sich keine weiteren Sorgen zu machen brauchte. Dabei ging sie auch direkt auf ihn zu, blieb neben dem Sessel stehen und wandte sich noch einmal in Richtung ihres Besuches, während ihre Finger nebenbei über Victors Hand streichelten. Es dauerte nicht besonders lange, bis Aryana Mitchs Frage beantwortet hatte und sich erhob, beide in Richtung Flur verschwanden. Faye wartete, bis Victor sich erhoben hatte, um sich dann noch für einen flüchtigen Kuss nach ihm auszustrecken. Dann nahm sie seine Hand und folgte den anderen beiden zu den Schuhen, in die mittlerweile auch Aryana geschlüpft war. Erst dort liess sie Victors Finger wieder los, um stattdessen ihre Schwester eng in die Arme zu schliessen. Sie flüsterte ein "bis bald, ich liebe dich", in Aryanas Ohr, liess sie dann wieder los, um auch Mitch in eine deutlich kürzere Umarmung zu schliessen. Sie blickte beide mit einem zarten Lächeln an, als sie sich letztendlich zum Gehen wandten, schickte ihnen ein "Passt auf euch auf", nach, noch bevor sie zur Tür raus waren. Sie wollte nicht wirklich, dass ihre Augen so viel Besorgnis in sich trugen, wie sie es in dem Moment taten, als sie nochmals auf Mitch zu liegen kamen. Aber ihre Gedanken wanderten manchmal eben schneller, als sie sich das wünschte. Was, wenn er nie wieder durch diese Tür tritt?
Das war tatsächlich sehr gut möglich. Es gab immer irgendwelche Superkräfte, die man sich wünschen konnte, weil sie einfach praktisch waren. Vielleicht waren Fayes Einfühlungsvermögen und ihre Geduld nicht unbedingt Superkräfte, aber es ging in die gleiche Richtung, war unendlich nützliche Charaktereigenschaften, die Aryana nur sehr begrenzt besass. Das Geräusch der Balkontür holte sie aus ihren Gedankengängen und die Brünette drehte sich ebenfalls erneut in diese Richtung. Und da waren die beiden, wirkten in der Tat überhaupt nicht so, als hätten sie sich soeben gestritten. Natürlich war nicht alle Anspannung von ihnen abgefallen, Mitch wirkte erledigt und noch immer dezent unruhig. Aber keineswegs mehr so, als möchte er ihrer Schwester, die ihrerseits auf direktem Weg zu Victor huschte, den Kopf abreissen. Erstaunlich. Alleine das war ein kleines Wunder... Aber gut, scheinbar passierten diese Wunder tatsächlich noch in ihrer gottlosen Welt. Ihre Augen waren Faye gefolgt, als diese sich in das Blickfeld bewegt hatte, welches Aryana genoss, ohne sich komplett zu verdrehen. Darum hatte sie auch nicht gemerkt, dass Mitch anstatt vor das Sofa lieber dahinter getreten war, zuckte für den Bruchteil einer Sekunde minimal zusammen, als seine Hand ihre Haut berührte. Dann aber streckte sie ganz automatisch die Finger aus, um sie auf seine zu legen, noch bevor seine Frage ihr Ohr erreichte. Dass dieser Abend sich hier nicht mehr ewig ziehen würde, kam nicht besonders erstaunlich, weshalb sie nach einem kurzen Blick zu Victor ein leises "Okay", erwiderte. Sie hatten jetzt auch nicht mitten in einem Gespräch gesteckt, weshalb sich das ganz gut einrichten liess. Wahrscheinlich wäre sie sowieso vor Mitch ein weiteres Mal hier, konnte sich auch dann wieder mit dem Freund ihrer Schwester unterhalten, falls es was Neues zu besprechen gab. Somit erhob die Brünette sich zurück auf die Beine, schaute, nachdem sie ihn nun wieder richtig anschauen konnte, zu Mitch, um ihm noch einmal einen etwas prüfenden Blick zuzuwerfen. Schon dabei setzte sie sich aber in Bewegung, um in den Flur zurück zu finden und dort in ihre Sneaker zu schlüpfen. Im Anschluss verabschiedete sie sich von Victor und Faye, erwiderte das obligatorische, geflüsterte "Ich dich auch", auf die leisen Worte, die ihre Schwester ihr zugeraunt hatte. Auch dass sie auf sich aufpassen sollten, kommentierte sie mit dem üblichen "ihr auch", bevor ihre Füsse sie aus der Wohnung ins Treppenhaus und von dort in Richtung Ausgang trugen. Sie unterliess den Versuch, dabei nach Mitch's Finger zu fischen, weil sie keine Ahnung hatte, ob er das wollte oder nicht und sie mit einer Abweisung eher weniger klar gekommen wäre. So ging sie etwa zwei Schritte vor ihm bis zum Auto öffnete dieses per Knopfdruck und stieg ohne weitere Umschweife hinterm Steuer ein. Sie wartete, bis ihr Freund den Weg auf den Beifahrersitz gefunden hatte, ehe sie den Motor startete. Und erst dann, als sie sich eigentlich umdrehen wollte, um rückwärts aus dem Parkfeld zu fahren, blieb ihr Blick für längere Zeit an seinem Gesicht haften. Sie wusste nicht, was sie suchte. Aber ihre Augen wollten ihr erst nach ein paar langen Sekunden wieder gehorchen und zum Heckfenster wandern. Sie sagte nichts, weil sie keine Ahnung hatte, was sie denn überhaupt loswerden wollte von all den Gedanken, die ihr durch den Kopf fegten.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
ich hoffe ich halt's so lange durch. x'DD Diesmal hat's Victor mir der Länge getroffen. ^^ ____________
Irgendwie reichte schon das leichte Zucken seitens Aryana aus, um mich darin zu verunsichern, ob es nach meinem Verhalten vorhin überhaupt okay für sie war, dass ich sie anfasste. Schließlich war ich nicht nur Faye gegenüber aus dem Rahmen getreten. Jedoch widerlegte meine Freundin diese Befürchtung schnell wieder, indem sie ihrerseits nach meinen Fingern griff und auch einwilligte, sich mir auf dem Heimweg gleich anzuschließen. Auch das war ein klein wenig beruhigend. Um ehrlich zu sein wusste ich nicht, ob es gerade wirklich förderlich gewesen wäre, wenn ich allein in unseren vier Wänden gesessen hätte, obwohl ich jetzt wiederum eigentlich auch gern allein wäre. Erstens, um mich nicht mit der dank mir angeknacksten Stimmung herumschlagen zu müssen und zweitens, weil es das war, was ich sonst immer tat, wenn ich ausgetickt war - irgendwo einsam meine Ruhe suchen. Aber man konnte frühere Situationen eben einfach nicht mit dieser vergleichen. Es war was anderes, wenn es Niemanden interessierte, ob ich mich in Einsamkeit verschanzte. Meine Hand rutschte automatisch von Aryanas Schulter, als sie sich erhob, um den Heimweg anzutreten. Ich sah nur flüchtig zu Victor und Faye, ehe ich mich der älteren Cooper anschloss, um in den Flur zu gehen. Meine Hände flüchteten sich bis dahin schon von ganz allein in die Hosentaschen und ich war froh darüber, dass für die Verabschiedung nicht allzu viel Zeit ins Land ziehen musste. Auch, wenn Faye noch nach einer Umarmung verlangte, die ich gerade lieber ausgelassen hätte. So wie sämtliche andere Interaktion auch. So zog ich nur die linke Hand noch einmal aus der Hosentasche, um jene kurze Umarmung notdürftig zu erwidern. Victor war daraufhin so freundlich, mich von weiterem Geknuddel zu verschonen, warf mir stattdessen jedoch noch ein Lächeln zu, das vermutlich sowas wie die gehisste, weiße Flagge war, nachdem auch er vorhin sichtlich genervt von mir gewesen war. Mein linker Mundwinkel zuckte etwas nach oben, aber viel mehr war aus mir gerade schlichtweg nicht rauszuholen. Auch auf seine noch folgende, wörtliche Verabschiedung hin nickte ich nur schwach und war kurz darauf schon dabei die Wohnung hinter Aryana zu verlassen. Die Hände beide wieder in den Hosentaschen, was wohl auch eine meiner Abwehr-Angewohnheiten war. Der weitere Weg vom Haus bis zum Auto verlief schweigend und ich ließ mich dort angekommen stumm zurück auf den Beifahrersitz sinken. Ich hatte den Kopf schon leicht in Richtung des Fensters rechts neben mir gedreht, als ich den Blick der Brünetten auf meinem Gesicht spürte. Und vielleicht hätte ich hinsehen sollen. Irgendwie signalisieren sollen, dass ich mich nicht wirklich ernsthaft von ihr abwenden wollte. Nur wollte das in sich gerade so verunsicherte, schmerzende Herz das lieber nicht. Wollte nicht irgendwas in ihren Augen erkennen müssen, dem es im Moment nicht gewachsen war. Schutzpanzer wieder anlegen schön und gut, die erlittenen Stiche würden trotzdem eine kleine Weile zum Heilen brauchen. Also sah ich noch immer nicht zu Aryana und schwieg auch die ersten paar Minuten noch, als sie losgefahren war. Leider entpuppte sich das Schweigen als sehr unangenehm. Denn ich begann mich unweigerlich zu fragen, warum ich Faye das alles gesagt hatte. Warum ich das für eine gute Idee gehalten hatte. Wenn sie es wusste, dann sicher auch bald Victor. Und ich wollte absolut nicht, dass sie es ihrer älteren Schwester steckte, ohne, dass sie sowas von mir selbst jemals gehört hatte. Es war mein altbekanntes Vertrauensproblem, das sich in diesem Moment quengelnd zu Wort meldete und mir das Leben nur noch weiter unnötig schwer machen wollte, weshalb ich schließlich den rechten Arm anhob, an der Beifahrertür abstützte und einige Sekunden lang die Stirn in die Hand legte. Als würde mir das irgendwie helfen, den Kopf wieder frei zu kriegen, in dem noch immer ein Sturm alles durcheinander wirbelte. Als ich den Kopf letztlich erneut anhob und ihn nach hinten an die Kopfstütze kippen ließ, wandte ich ihn dabei aber auch Aryana zu. "Ich..." Irgendwie fiel es mir dann doch schwer, irgendwelche halbwegs angebrachten Worte zu finden. "Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe... aber wir habens geklärt", zumindest mehr oder weniger, "und ich... können wir erst morgen drüber reden?", redete ich nicht wirklich mit erkennbarem Ziel vor mich. Wollte wohl einfach nur irgendwas dazu loswerden, weil ich das Schweigen zwischen uns auf so engem Raum gerade nicht ertrug. "Ich will dir nicht noch mehr weh tun.", hängte ich noch ein paar leisere, gemurmelte Worte an, als ich den Kopf wieder mehr zum Fenster drehte. Ich war jetzt ruhiger, als ich es vorhin war, aber ich war noch immer weit davon entfernt meine Emotionen auch nur ansatzweise unter Kontrolle zu haben. Wollte Aryana nicht nochmal von mir stoßen, nur, weil ich mir schwer damit tat, sie stattdessen näher an mich ranzulassen. Dass es nicht spurenlos an der jungen Frau vorbeigegangen war, dass ich vorhin so unschön mit ihr umgegangen war, war leider ziemlich offensichtlich.
Die ganze Situation war gewissermaßen noch immer ein bisschen schräg, als die anderen beiden sich zum Gehen wandten und ich Fayes Hand an meiner spürte. Mich dann auch von ihr zum Aufstehen motivieren ließ, um die anderen beiden noch bis in den Flur zu geleiten. Vielleicht einfach deswegen, weil ich nach wie vor nicht so ganz verstehen konnte, was da draußen auf dem Balkon passiert war. Ich ließ mich also zu Beginn noch wortlos mit in den Flur nehmen. Sah lieber auch von Umarmungen ab und beließ es bei einem ehrlichen Lächeln, weil die Situation angespannt blieb und ich besonders Mitch gerade nicht weiter auf die Pelle rücken wollte. Bis auf die Worte "Macht's gut, wir sehen uns." kam vorerst also nichts weiter von mir. Ich sah den beiden nach, als sie nach draußen verschwanden und schüttelte dann leicht den Kopf, als die Wohnungstür schließlich hinter ihnen ins Schloss gefallen war. Atmete doch etwas angestrengt durch und raufte mir dann kurz die dunklen Haare, als ich mich wieder von der Tür abwandte. "Ich versteh nicht, was hier grade passiert ist.", stellte ich sarkastisch angehaucht fest, weil sich mir so einiges eben noch immer nicht ganz erschloss. Ich wusste zwar von Fayes kleiner Gabe, aber es wunderte mich doch irgendwie ziemlich, dass das selbst bei Mitch funktioniert zu haben schien, wenn er ein paar Sekunden vorher noch wie ein wütender Tornado quer durchs Wohnzimmer gefegt war. "Er hat dir aber nicht noch mehr Mist an den Kopf geworfen, oder?" Das war letzten Endes doch die eine Frage, die mich am meisten interessierte. Ich hielt es nach wie vor für möglich, dass er das sehr wohl nochmal getan hatte, nur eben ein paar Dezibel leiser, damit wir drinnen davon nichts mitbekamen und ich ihn nicht aus der Wohnung zog, wo er doch so gnädig gewesen war nicht sofort abzuzischen. Außerdem stand Faye nun mal bekanntlich immer an allererster Stelle bei mir. Sogar noch vor mir selbst, wenn ich nicht gerade ausnahmsweise beabsichtigte sie mit einem großen Geheimnis zu strafen. Allerdings glaubte ich nicht wirklich Mitch noch irgendwann dafür rügen zu müssen, dass er hier so unschön aufgetreten war, weil die ältere der beiden Schwestern was das anbelangte sehr sicher auch noch ein Wörtchen mit ihm zu reden hatte. Es war eben einfach gleich noch viel weniger in Ordnung Jemanden so forsch anzufahren, wenn jene Person doch offensichtlich gerade selbst auch nicht gut zurecht kam. Die ältere der beiden würde ihm das wohl nur unwahrscheinlich so durchgehen lassen, ohne noch etwas dazu gesagt zu haben. War vorerst zumindest meine Einschätzung der Dinge. Blieb wohl abzuwarten, was sie das nächste Mal so zu berichten und erzählen hatte - wenn sie das denn wollte -, wenn sie herkam. Wohl auch abhängig davon, ob sie den impulsiven Hitzkopf wieder mitnehmen würde oder nicht.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Er blickte einfach zum Fenster raus und schwieg. Auch wenn sie sich sehr sicher war, dass er gemerkt hatte, dass sie ihn anschaute. Besonders, weil sie ja sonst nichts tat, obwohl es an der Zeit wäre, den Wagen rückwärts rollen zu lassen. Und was will man machen..? Es war nur wieder der nächste Stich in ihrer Brust, liess sie nur einmal mehr ungewollt hinterfragen, ob das alles jemals wieder sinnvoll funktionieren würde. Ob sie sich im letzten Jahr nicht einfach doch zu weit voneinander entfernt hatten, um jetzt wieder nebeneinander zu spazieren, als wäre nie was gewesen. Sie wusste es nicht und sie wollte sich diese Frage auch nicht stellen, es war nur bedeutend schwieriger, die Gedanken abzuwehren, als sie einfach zuzulassen. Leider... Sie lenkte das Auto ohne ein Wort aus dem Parkfeld und zurück auf die Strasse, nahm damit zwangsläufig in Kauf, dass die Stimmung noch gedrückter wurde, als sie das eh schon gewesen war. Aber was sollte sie tun, Mitch wollte ja offensichtlich nicht mit ihr reden. Um ihm Vorwürfe für sein Verhalten entgegen zu schleudern, war sie zu kaputt und ausserdem sah sie keinen Sinn dahinter. Sie hatte nicht die Energie, sich dann ihrerseits einen Ausraster anzuhören oder sich wirklich mit ihm zu streiten, weshalb sie auch das einfach bleiben liess. Wenn Faye mit ihm Frieden geschlossen hatte, dann war es im Grunde auch nicht an Aryana, die Sache nochmal auszugraben und ihn dafür zurecht zu weisen. Er wusste bestimmt eh schon längst, dass das übertrieben gewesen war. War ja nicht so, als wäre Mitch absolut uneinsichtig, meistens wurde ihm ziemlich bald klar, dass dieses Verhalten ausserhalb der Knastmauern einfach nicht funktionierte, weil seine Mitmenschen hier draussen anders tickten, anders miteinander umgingen. Genau das bestätigte er ihr auch wörtlich, nachdem sie schon ein ordentliches Stück Weg hinter sich gebracht hatten. Zerschnitt so zum ersten Mal die kotzige Stille, um sie gleichzeitig sogar mit seinem Blick zu segnen. Sie riskierte selber nur einen kurzen Seitenblick in seine Richtung, erstens, weil sie nicht vorhatte, sie hier gegen die nächsten Strassenlaterne zu setzen, aber auch, weil sie das wohl einfach gerade nicht länger konnte. Aryana biss auf ihrer Unterlippe rum, sah wohl einen Moment zu lange davon ab, zu antworten, sodass Mitch noch ein paar weitere Worte dazwischen schob. Diese wiederum liessen sie in einem ziemlich verzweifelt klingend Laut Luft ausstossen. Wäre irgendwas an dieser Situation lustig gewesen, wäre das wohl ein kleines Lachen gewesen - nur gab es momentan irgendwie überhaupt nichts, was ein solches Lachen begründet hätte. Er wollte ihr nicht noch mehr wehtun. Sie wollten nicht, dass er das als Grund sah, ihr etwas nicht zu sagen. War das nicht genau das, was sie vorhin mit Victor besprochen hatte? Es war ihrer beiden grosse Stärke, Dinge nicht anzusprechen, um die andere Person vor diesen Worten zu verschonen. Und es war eine schlechte Idee. Und trotzdem nahm sie seinen Vorschlag an, weil er eben Recht hatte. Sie käme nicht damit klar, jetzt nochmal aufs Dach zu kriegen. "Mhm...", murmelte sie also mehr in sich hinein als wirklich zu ihm. "Aber Morgen reden wir wirklich... Über alles. Okay?", es klang irgendwie mehr wie eine Drohung als wie eine Frage, was so gar nicht beabsichtigt gewesen war. Auch wenn sie mit einem Nein nun sicherlich nicht einverstanden wäre. Mitch war sicherlich genauso klar, dass sie ein Gespräch dringend nötig hatten, wenn ihm also irgendwas an ihnen lag, rechnete sie fest damit, dass er sich auch dazu durchringen würde. Sie beide waren nicht für solche Gespräche gemacht und führten sie kein Bisschen gerne. Aber es gab eben Situationen, die sowas erforderten und sie steckten eindeutig mitten in einer solchen Lage.
Beinahe hätte sie erleichtert ausgeatmet, als die beiden schliesslich verschwunden waren. Nicht, weil sie sich freute, sie los zu sein, sondern weil sie eine ganze Menge zu verarbeiten hatte und schlicht nicht mit noch mehr Ballast klargekommen wäre. Sie wandte sich ihrerseits von der Tür ab, wobei ihr Blick von selbst direkt zu Victor fand. Er wirkte ein Bisschen verwirrt, irritiert vom Lauf der Dinge, den er so offenbar nicht vorausgesehen hatte. Und sie konnte es ihm kaum verübeln, hatte immerhin selber nicht damit gerechnet, sich noch heute so weit mit Mitch zu versöhnen. Nicht nach der unschönen Situation im Wohnzimmer. Eigentlich hatte sie gedacht, sie würde sich einfach entschuldigen, damit er wusste, dass es ihr leid tat, sie es nicht so gemeint hatte. Dass er dann aber trotzdem gehen würde, weil er ihr nicht länger zuhören wollte. Tja... so war das alles jetzt nicht ganz passiert und daraus liessen sich zwei Schlüsse ziehen. Entweder Mitch versuchte wirklich, sich zu bessern und war darum nicht einfach davongelaufen. Hatte versucht, einen anderen Weg zu wählen als den, den er üblicherweise gehen würde. Oder Mitch war so verzweifelt, wie seine Worte in ihrem Gespräch es vermuten liessen. Vielleicht würde er niemals bewusst nach Hilfe suchen, schon gar nicht bei ihr. Aber das hiess nicht, dass sein Unterbewusstsein die Chance nicht doch gesehen und ergriffen hatte, verzweifelt nach Hilfe gerufen und ihre Entschuldigung als Grund für ein Gespräch hergezogen hatte. Vielleicht war es auch beides oder eine Mischung daraus. In jedem Fall war sie sich sicher, dass es gut gewesen war, dass sie sich ihm nochmal in den Weg gestellt hatte. "Tja... Ich habe auch nicht ganz mit diesem Resultat gerechnet...", antwortete sie mit einem sachten Schulterzucken auf Victors Feststellung, schüttelte auf seine anschliessende Frage nur den Kopf. Soweit sie sich erinnerte, hatte Mitch das nicht getan. Und selbst wenn, war es neben all den anderen Dingen irgendwie auch irrelevant. Er hatte sich am Ende ja sogar sowas wie entschuldigt... Faye trat langsam und in Gedanken versunken zurück ins Wohnzimmer, liess sich aufs Sofa sinken und wartete, bis Victor ebenfalls den Weg bis hier gefunden hatte. Sie wusste nicht, ob es richtig war, ihm wirklich alles zu erzählen von dem, was sie soeben mit Mitch besprochen hatte. Alles würde sie sowieso nicht sagen - aber auch ein Teil davon... Das Problem war nur, dass sie immer mit Victor über die Dinge redete, die sie beschäftigten. Sie brauchte diesen Austausch, um sich nicht selbst darin zu verlieren. Ausserdem hatte Mitch wohl gewusst, dass sie mit Victor reden würde. Und ihr Freund war eindeutig schlau genug, dann nicht mit allen neugewonnenen Informationen zu Mitch und Aryana zu rennen und sie damit zu konfrontieren. Also gab sie erstmal nur ein schweres Seufzen von sich, das ziemlich gut kundtat, wie sie sich gerade fühlte. Erschöpft, dezent hilflos, nachdenklich, besorgt. "Ich hoffe wirklich, die zwei finden einen Weg... Und das möglichst bald...", murmelte sie einen Satz vor sich hin, der an sich noch nicht besonders viel Information beinhaltete. Diese musste sie wohl erst in ihrem Kopf büscheln, bevor sie irgendwas davon sinnvoll erzählen konnte.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Eine andere Reaktion seitens Aryana wäre in jedem Fall zu viel erwartet gewesen. Aufgeschoben war eben nicht gleich aufgehoben und es ließ sich wohl leider wirklich nicht umgehen, dass wir mal länger als fünf absolut notwendige Minuten miteinander redeten. Nicht nur irgendwo an der Oberfläche mit unseren Worten herumkratzten und das Allernötigste abdeckten, sondern zumindest mal eine kleine Schicht weit tiefer gingen. Allein der Gedanke daran war mir unangenehm und das würde sich auch bis morgen nicht ändern. Morgen war die Welt schließlich nicht plötzlich besser und mein Trauma würde sich nicht innerhalb weniger Stunden in Luft auflösen. Es gab dann noch immer genauso viel zu sagen wie schon jetzt in diesem Moment. Aber vielleicht konnte ich morgen zumindest wieder klarer denken. Würde mich weniger angegriffen von ihr fühlen, wenn Worte fielen, die mir eben einfach nicht passten - und das würden sie mit Sicherheit, denn im Grunde war eigentlich fast ausschließlich ich das Problem. Selbst, wenn ich es nicht wirklich mit Absicht tat, mein Umfeld schon beim kleinsten Auslöser unter all den Emotionen zu begraben, mit denen sie überhaupt gar nichts zu tun hatten, dann ging das Ganze immer noch von mir aus... und ich hasste es. Hasste mich. Kam aber einfach nicht dagegen an. Dabei schien es auch absolut keine Rolle zu spielen, wer die Personen waren, die dann darunter zu leiden hatten - ich machte offensichtlich weder vor Freunden, noch vor Geliebten Halt. War wie ein Vulkan, den es ganz einfach nicht interessierte, ob er tausende Menschen in umliegenden Dörfern in den Tot riss, wenn er ausbrach. Ich versuchte den Gedanken zu kappen, weil er doch schon wieder in eine durchweg schlechte Richtung verlief. Versuchte mich stattdessen auf die mahnenden Worte der Brünetten neben mir zu konzentrieren, auch wenn die ungefähr genauso wenig Spaß machten. Ich war es ja ohnehin schon gewohnt, dass sich die Glücksgefühle tagtäglich stark in Grenzen hielten bis eher gar nicht vorhanden waren. Es folgte nun also meinerseits ein ziemlich schweres Seufzen, weil das wohl das Einzige war, dass meine Gefühlslage gerade ansatzweise deutlich genug ausdrücken konnte. Wüsste ich nicht ganz genau, dass Alkohol meine Gefühlsschwankungen - nett ausgedrückt - ab einem gewissen Pegel noch schlimmer werden ließ, hätte ich mir wirklich wahnsinnig gerne auf der Stelle mindestens eine halbe Flasche Hochprozentigen in den Rachen gekippt. Wissentlich darüber hinweg, dass ich momentan nicht viel von dem Nervengift vertrug. "Ich will mich nicht davor drücken... ich will's nur nicht unnötig noch schlimmer machen, als es sowieso schon ist.", murmelte ich etwas undeutlich vor mich hin, den Blick mit angespannter Stirn wieder aus dem Beifahrerfenster gerichtet. Als würde mir das, was auf der anderen Seite der Scheibe zu sehen war, irgendeine Art von Antwort geben. Vielleicht war es auch gar nicht notwendig meine Absichten hinsichtlich des Vertagens des ernsten Gesprächs zu verdeutlichen. Dass ich nicht drum herum kam, wenn ich Aryana nicht mit sehr viel Schwung von mir stoßen wollte, war ja klar und ich konnte das nicht einfach ignorieren. Dazu hing mein Herz viel zu sehr an ihr. Aber ich wollte ihr dabei nicht Dinge an den Kopf werfen, die ich danach schlimm bereuen würde, nur weil ich durch den Wind war und die sich vielleicht einfach dadurch vermeiden ließen, mein noch aufgeheiztes Gemüt erstmal abkühlen zu lassen. Erstmal zur Ruhe zu kommen war einfach die bessere Ausgangslage dafür.
Dann waren wir da immerhin mindestens zwei. Eher schon drei, weil Aryana nicht minder überrascht davon ausgesehen hatte, dass der Tätowierte wieder sowas wie weniger gereizt durch die Balkontür reingekommen war. "Deine Schwester sicher auch nicht.", meinte ich leise seufzend. Wohl auch sonst hätte Niemand, der Mitch von früher kannte, irgendwie auf einen halbwegs milden Ausgang der Dinge gehofft. Tatsächlich schien er der zierlichen Brünetten gegenüber auch nicht mehr ausfällig geworden zu sein, was mich zum einen natürlich noch weiter verwunderte, zum anderen aber auch beruhigte. Dann gab es zumindest eine einzige Sache weniger, über die Faye sich heute und vermutlich auch die nächsten Tage noch den Kopf zerbrechen musste. Sie tendierte nicht selten sogar noch mehr dazu zu viel nachzudenken, als das schon bei mir der Fall war. Ich folgte der jungen Frau ganz automatisch langsamen Schrittes zurück ins Wohnzimmer, als sie sich dorthin in Bewegung setzte. Tat ich wohl allein schon instinktiv deshalb, weil ich das Gefühl hatte, jetzt für sie da sein zu müssen. Also ließ ich mich schon bald neben ihr aufs Sitzpolster der Couch fallen, wo bis vor kurzem noch Aryana gesessen hatte. Es dauerte nicht lange, bis Faye noch ein angestrengtes Seufzen loswurde und daraufhin ein paar Worte sagte, die genauso gut auch von mir hätten kommen können. Es war doch sehr offensichtlich aus dem ganzen Hergang der Dinge ersichtlich, wie angespannt die Situation zwischen dem jungen Paar auch außerhalb unserer vier Wände zu sein schien. Vielleicht war das auch gar kein Wunder, weil die Umstände insgesamt einfach alles andere als ideal waren. Erstens waren die beiden noch nie wirklich außerhalb der Army zusammen gewesen. Zweitens war da einfach die unschöne Tatsache, dass Mitch im Knast die Decke tagtäglich auf den Kopf gefallen war. Drittens die blöde Geschichte mit dem Einzug in die Privatarmee, was die positiven Aspekte seiner Freilassung doch merklich überschattete. Und das waren noch nicht mal alle Aspekte, die die Umstände nicht gerade begünstigten. "Ja... ich glaube lange kann das nicht gut gehen, so wie es jetzt ist...", stimmte ich von einem kaum sichtbaren Nicken begleitet zu. Streckte noch dabei den Arm nach ihren schmalen Schultern aus, ohne sie dabei vermehrt in meine Richtung zu ziehen. Wollte ihr wie so oft einfach nur meine Nähe ermöglichen, falls sie die wollte. "Aryana leidet jetzt schon ziemlich drunter. Ich hab ihr angeboten, dass ich die Gesellschaft für Mitch auch gerne mal übernehmen kann, wenn's ihr zu viel wird... wirkt so als könnte sie die Pause eigentlich jetzt schon brauchen." Ich redete recht langsam und eher leise, klang nachdenklich und verlor mich mit dem Blick auf Fayes Oberschenkel. Ich sah es ganz allgemein einfach nicht gern, wenn Jemand mehr oder weniger stumm vor sich hin litt. Zwar hatte die ältere der beiden Schwestern sich heute mir gegenüber wohl mehr geöffnet als jemals zuvor, aber ich war eben nicht der, mit dem ein aufklärendes Gespräch am wichtigsten war. Mit mir war sowas wesentlich einfacher, als mit Mitchell - ohne ihm da gerade wirklich große Vorwürfe machen zu wollen, weil ich nun mal mit am besten wusste, wie erdrückend das Leben zeitweise sein konnte. Wie sehr es einen verändern und auch zerstören konnte, wenn man es auch nur in einem einzigen Moment zuließ und den Weg dafür ebnete. Er war schlichtweg nicht gerade weniger kaputt als der Rest von uns, es äußerte sich nur auf sehr andere Art als bei Faye oder mir.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Er nahm ihre Worte mit Begeisterung auf, wies schien. Und es tat ihr ja wirklich leid, dass sie ein Gespräch führen mussten, für das er so wenig Motivation aufbringen konnte. Sie würde es ja selber auch lieber nicht führen. Aber ihnen war beiden bestens bewusst, dass es ohne nicht mehr ging, dass ihre Beziehung und ihre Zukunft nicht funktionieren konnten, wenn sie nicht ein solides Fundament schufen, wenn sie nicht aufräumten mit dem ganzen Mist und den Altlasten, die ihnen mitten im Weg lagen oder sie erdrückten. Mitch legte ihr gleich darauf auch noch nahe, dass er tatsächlich bereit war, das alles zu klären und er nur darum davon absah, es heute schon zu tun, weil er gerade einfach wirklich nicht den Kopf dafür hatte. Und er hatte ja Recht. Es wäre vermutlich für sie beide besser, noch eine Nacht darüber zu schlafen, bevor sie sich im Eifer des Gefechts Dinge an den Kopf warfen, die sie im Nachhinein nur bereuen konnten. "Ja, ist gut. Wir reden Morgen...", zeigte sie sich ohne weitere Widerreden einverstanden mit dem Verschieben ihres Gesprächstermins, sagte dann auch nichts weiter dazu - oder zu irgendwas anderem - sondern liess das Radio für die restliche Fahrt die einzige Lärmquelle bleiben. Nicht, dass die Stille daraufhin viel angenehmer wurde. Aber es gab eben auch wenig zu sagen, das nicht unmittelbar mit diesem Abend zu tun hatte. Beziehungsweise würde alles andere einfach auch komisch klingen und hier sicherlich nicht zu einer entspannten Unterhaltung führen. Also schwieg sie und hing all den dunklen Gedankengängen nach, die sie wünschen liessen, das Auto in eine Senke zu steuern und einfach davonzurennen. Glücklicherweise dauerte der Heimweg kaum mehr als eine halbe Stunde und sie konnte den Wagen bald schon auf seinem Parkplatz abstellen und sich im Anschluss nach drinnen flüchten. Die Sonne war gerade erst untergegangen und ein Blick auf die Uhr verriet, dass es eigentlich auch erst 20:15 Uhr war. Trotzdem fühlte Aryana sich, als wäre ihr Bett in diesem Moment der verlockendste Ort der Welt. Abgesehen von allen möglichst versteckten Orten, die mehr als fünftausend Kilometer von Easterlin entfernt waren natürlich. "Ich bin duschen...", meldete sie sich nur wenige Sekunden nachdem sie die Wohnung betreten hatten, bei Mitch ab, verschwand auch unmittelbar danach zuerst im Schlafzimmer und dann im Bad. Die Dusche gestaltete sie ziemlich ausgiebig, wobei sie die meiste Zeit einfach damit verschwendete, starr unter dem Wasserstrahl zu stehen und so zu tun, als wäre das warme Wasser alles, was ihren Kopf beschäftigte. Als würde sie nicht gerade hier stehen, weil sie nicht wusste, wohin mit sich selbst. Als würde sie nicht auf die beruhigende Wirkung einer Dusche hoffen, um ihre blanken Nerven zu entspannen. Als ob das helfen könnte... Alles, was hier gerade passierte, war, dass sich ihre Haut in ein schrumpeliges Etwas verwandelte und sie die Temperatur zunehmend heisser einstellen musste, um nicht doch noch zu frösteln. Wie die Frösche, die man im warmen Wasser auf den Herd stellte um zuzuschauen, wie sie nicht begriffen, dass die steigende Temperatur sie langsam lebendig kochte - bis sie am Ende tot im Topf lagen. Ja, sehr treffender Vergleich. Irgendwann würde sie die zunehmende Hitze in ihrem Leben auch nicht mehr aushalten und tot im Wasser schwimmen, ohne, dass es irgendwer hatte kommen sehen... Aryana drehte den Hahn energisch zu, wickelte sich in ein grosses Handtuch und ging dazu über, die nächsten zehn Minuten stumm ihr Spiegelbild anzustarren. Als könnte es irgendeine Antwort bieten auf die endlosen Fragen, die ihre Zukunft und Mitch mit sich gebracht hatten. Es war schon vorher alles andere als einfach gewesen, keine Frage. Aber mittlerweile hatte sie überhaupt keine Ahnung mehr, wo sie ansetzen sollte. Vorher hatte sie ein Ziel gehabt, hatte Mitch da rausholen müssen und fest daran geglaubt, dass dann alles besser werden würde. Vielleicht war es besser geworden, ein Bisschen weniger einsam. Aber keinen Millimeter einfacher... Das sagten auch die dunklen, ratlosen Augen, die ihr entgegen starrten. Das sagte alles an ihr, alles, was sie sah und fühlte. Sie hörte auf, sich mit dem traurigen Anblick zu befassen, putzte sich stattdessen die Zähne und kämmte sich die Haare, rieb ihre abgebrühte Haut mit einer Feuchtigkeitscreme ein und hüllte ihren Körper in ein kurzes Satin-Pyjama. Damit verliess sie nach einer gefühlten Ewigkeit das Bad auch wieder, um noch ein letztes Mal nach Mitch zu sehen. Eigentlich nur, um ihm mitzuteilen, dass sie ins Bett gehen würde - scheiss auf es ist noch nicht mal halb Zehn oder so, sie würden in ihren Leben noch genügend Tage erleben, an denen ihnen das Schlafen nicht vergönnt war.
Wenn er das sagte, musste es fast so sein, ja. Sie war sich zwar sehr sicher, dass Aryana Mitch von ihnen allen am besten kannte, aber da Victor sich vorhin mit ihrer Schwester unterhalten hatte, nahm Faye mal an, dass diese entsprechende Bedenken zum Ergebnis ihrer kleinen Aussprache auf dem Balkon geäussert hatte. Sie war schon wieder komplett in Gedanken versunken, als Victor ihr zustimmte und wenig später seinen Arm um ihre Schultern legte, was sie sofort etwas näher an ihn heranrücken liess, ehe sie ihren Kopf an seine Seite betete. Der kurze Einblick in das Gespräch, welches Victor mit Aryana geführt hatte, während sie sich mit Mitch unterhalten hatte, war ebenso wenig vielversprechend wie das, was sie an Neuigkeiten zu bieten hatte. Offenbar kam ihre Schwester wenig überraschend auch nicht sonderlich gut alleine mit einem psychisch derart mitgenommenen Ex-Häftling klar. Wer konnte es ihr verdenken? Bloss weil sie ihn liebte, bedeutet ja noch lange nicht, dass der Umgang mit ihm wirklich leichter wurde. Es wurde dadurch einfach noch viel persönlicher, anstrengender. "Es... es geht ihm echt nicht gut, Victor...", war das Erste, was sie ihn wissen liess - auch wenn er das sicherlich selber schon festgestellt hatte. Sie nestelte wieder an ihren Fingern rum, während sie nach den richtigen Worten suchte, das zu erklären, was der Freund ihrer Schwester ihr mehr oder weniger anvertraut hatte. "Wenn es nicht Mitch gewesen wäre, mit dem ich mich unterhalten hätte, und wenn ich selber etwas... positivere Erfahrungen damit gemacht hätte, hätte ich ihm geraten, sich einweisen zu lassen... Oder zumindest nach einem anständigen Therapeuten zu suchen... Aber vielleicht schliesst ihre Zukunft das sowieso schon aus, ich weiss nicht...", murmelte sie weiter vor sich hin, war damit aber noch nicht fertig. "Er schleppt die unverzeihliche Schuld mit sich rum, die ihn zerfrisst... Und er kann sie nicht loslassen, kann sich nicht vergeben, was er getan hat, als der Krieg ihn ein Bisschen wahnsinnig gemacht hat...", und dass eine solche Schuld, eine solche Wut einem Menschen nicht gut tat, brauchte sie kaum zu erwähnen, genau wie alles andere, das sich aus ihren bisherigen Worten sehr gut ableiten liess. Sie hatte nicht vor, Wort für Wort alles wiederzugeben, was Mitch gesagt hatte. Aber das, was sie bisher von sich gegeben hatte, bildete doch schon ein ziemlich klares Bild davon, wie es dem jungen Mann wirklich ging. Und das war nur der Teil, den er ihr auch erzählt hatte. Wie viel mehr dahintersteckte, liess sich zwar auch sehr gut erahnen - musste es doch nur noch so viel mehr Schmerz und Leid und Hass sein, die Mitchell innerlich zerfrassen. Es tat ihr wirklich unendlich leid. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass der Tätowierte ihr Leben gerettet hatte, möglicherweise aber auch einfach damit, dass sie seine Reue sehr gut erkennen konnte, dass sie es hasste, einen Menschen so leiden zu sehen, wie er es tat - jedenfalls fiel es ihr erstaunlich leicht, mal wieder all das zu ignorieren, was Mitch im Krieg, vor Jahren, falsch gemacht hatte. Er hatte seine Strafe dafür gehabt. Er war ein Jahr im Gefängnis gesessen. Und er bereute alles davon und hasste sich dafür. Natürlich brachte das keinen der gefallenen Soldaten zurück. Natürlich liess das die Familien nicht weniger trauern. Füllte das keine Lücken. Aber da an den Folgen seiner Taten nichts mehr geändert werden konnte - was brachte es dann, ihn ewig leiden zu lassen?
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Aryanas nächste Worte klangen zumindest schon weniger bissig, wenn auch nicht wirklich angenehm. Es sollten vorerst die letzten sein, die hier im Wagen fielen. Es gab eben auch nicht wirklich was zu sagen. Das auf Morgen vertagte Gespräch hing trotzdem wie eine dunkle Wolke als böses Omen über uns und ich hatte auch eigentlich gar keine Motivation dafür, auch nur irgendeine Art von Unterhaltung zu führen. Es war mir einfach zu anstrengend und deshalb begrüßte ich das eintretende Schweigen mehr oder weniger mit offenen Armen. Auch, wenn das nicht hieß, dass es dadurch angenehmer wurde. Zuhause angekommen löste sich das bestehende Problem natürlich genauso wenig in Luft auf. Aryana versuchte schon sehr bald meiner Anwesenheit zu entgehen und ich nahm das mit einem knappen "Okay." einfach nur so hin. Während sie sich für längere Zeit ins Badezimmer verzog, schlurfte ich rüber ins Wohnzimmer und machte es mir da auf dem Sofa bequem. Warf doch immer wieder einen Blick in Richtung des Whiskeys, der von hier aus gar nicht mal so weit weg war, während ich unweigerlich in den nächsten Gedankenstrudel abrutschte. Ich hätte es Faye einfach nicht sagen sollen. Zwar sagte ich in meinem Wahn nicht selten Dinge, die ich im Ruhezustand so nie losgeworden wäre, aber normalerweise waren das keine Herzschmerz-Angelegenheiten. Waren keine Dinge, die mich als ganz genau so kaputt hinstellten, wie ich es im Augenblick war. Ich verstand auch nicht, wieso ich das getan hatte. Was erhoffte ich mir denn davon? Dass sie als ebenfalls psychischer Krüppel mir ein paar Zauberworte aussprechen und alles erträglicher machen würde? Ich fürchtete unweigerlich mir damit mehr noch folgende unangenehme Situationen geschaffen zu haben, als sowieso noch auf mich warteten. Ich hörte sie schon in meinem Kopf. Mitch, du musst mehr darüber reden. Mitch, du solltest damit zu einem Therapeuten. Mitch, lass uns dir helfen. Ich hatte meinen Hinterkopf in der Zelle öfter mal gegen die kalte Wand gedonnert, wenn ich auf dem Bett gesessen und mein eigener Schädel mir zu viel geworden war. Hatte auch unweigerlich jetzt wieder das dringende Bedürfnis dazu, weshalb es wohl ganz gut so war, dass hinter mir nur die Rückenlehne war. Die Brünette kam irgendwann aus dem Bad und holte mich damit kurzzeitig aus der sich ewig abwärts drehenden Spirale in meinem Kopf. Sagte mir, dass sie jetzt schlafen ging und mein Blick wanderte unweigerlich zu der kleinen Küchenuhr an der Wand. Es war noch nicht spät, auch wenn ich wahrscheinlich schon in etwa genauso müde war wie Aryana. Dennoch entließ ich sie vorerst mit einem "Schlaf gut." allein ins Schlafzimmer, weil ich ganz einfach wusste, dass ich gerade kein Auge zukriegen würde. Nachdem ich noch ein paar wenige Minuten ruhelos auf dem Sofa gesessen hatte, erhob ich mich schließlich doch, um mir zumindest ein paar wenige Schlucke Alkohol zu genehmigen. Ich nahm die Flasche bewusst gar nicht mit zum Sofa, sondern nur das nicht mal halbvolle Glas. Leerte es schluckweise, fühlte mich aber auch danach nicht besser. Schleppte mich letztendlich trotzdem irgendwann gegen Mitternacht ins Bad, um mich da der Routine hinzugeben und meine Klamotten bis auf die Boxershorts auszuziehen. Ging danach möglichst leise ins Schlafzimmer, um die junge Frau nach Möglichkeit davon zu verschonen aus dem Schlaf gerissen zu werden, wo sie ihn doch sicher ebenso nötig hatte, wie ich selbst. Aber wie sehr könnte man meinen kaputten Schädel noch ernst nehmen, wenn er mir auch nur ein paar ruhige Stunden Schlaf genehmigen würde? Ich schlief zwar relativ schnell ein, wachte aber nach knapp einer Stunde schon schweißgebadet wieder auf, weil mich ein Alptraum der übelsten Sorte geweckt hatte. Ich schlief noch zwei Mal ein, wachte auch noch weitere zwei Male auf und stand ca. gegen 3.30 Uhr dann einfach wieder auf, nachdem ich eine kleine Weile in die dunkle Leere über mir gesehen hatte. Ich angelte mir nur die Stoffshorts von der Kommode, als ich das Zimmer noch geräderter als vorher verließ. Fühlte mich, als ich die Tür hinter mir schloss, auch unweigerlich schon wieder noch schlechter, weil mindestens Aryanas Unterbewusstsein das wahrgenommen haben musste und sie dadurch später sicher weniger ausgeruht war. Aber liegen bleiben konnte ich auch nicht. Tat ihr genauso wenig einen Gefallen damit, wenn ich mich neben ihr auf der Matratze herumwälzte. Also sammelte ich mir stattdessen in der Küche doch noch die Flasche voll Hochprozentigem ein und trat damit in die kalte Nachtluft. Nur die schien meinen turbulenten Schädel gerade minimal abkühlen zu können und es war doch auch ziemlich frisch am nackten Oberkörper. Aber das war okay so. Zu frieren gab mir wenigstens irgendeine Form von anderem Gefühl, wobei der Alkohol gut zwei Stunden später jegliches Kältegefühl ausgelöscht hatte. Also saß ich einfach nur da und fühlte ungefähr gar nichts mehr, als die ersten Sonnenstrahlen sich den Weg über den Horizont bahnten. Als die Sonne hoch genug stand, um letztlich auf meiner Haut spürbar ihre Fühler auszustrecken, stellte ich fest, dass das eines der Dinge war, die ich vermisste - den Sonnenaufgang sehen. Obwohl ich meine Zeit bei der Army nur noch fortwährend verteufelte, vermisste ich es die Sonne aufgehen zu sehen, während ich schon den ersten morgendlichen Lauf auf dem staubigen Platz im Camp absolvierte. Die noch sehr milden Sonnenstrahlen vermochten eine einzige Träne aus meinen übermüdeten, vom Alkohol ohnehin schon glasigen Augen zu kitzeln und ich wünschte mir wirklich, dass das warme Gefühl auf meiner in den letzten Stunden abgekühlten Haut auch etwas von der inneren Leere und Kälte auslöschen könnte, der ich einfach nicht zu entkommen wusste.
Ich hatte von vornherein nicht erwartet, dass das Gespräch draußen auf dem Balkon wesentlich weniger deprimierend gewesen war als das, das ich selbst hier innerhalb der Wohnzimmerwände geführt hatte. Trotzdem beunruhigte mich das, was Faye dazu berichtete, als sie sich vermehrt an mich gelehnt hatte, doch unweigerlich zusätzlich. Ich meine, machen wir uns nichts vor - dass es Mitch nicht gut ging, war wohl auch für einen Blinden allein schon anhand seiner Tonlage sehr gut kenntlich gemacht worden. Aber eine Therapie? Überflüssig zu erwähnen, dass Faye gut daran getan hatte ihm das nicht wirklich vorzuschlagen, denn die Antwort darauf konnten wir uns wohl alle schon in etwa zusammenreimen. Wenn sie es also wirklich in Erwägung zog, dass ihm eine Therapie am besten helfen konnte, obwohl jene bei uns selbst auch nur teilweise und verhältnismäßig wenig was gebracht hatten, dann musste sein Zug schon ziemlich ordentlich entgleist sein. Das machten auch die Worte, die sie kurz darauf noch aussprach, nur umso deutlicher - und ich konnte es verstehen. Mehr als ein bisschen sogar. Nach meinem ersten Trauma war es mir ja ähnlich ergangen. Zwar hatte ich es nicht darauf angelegt den Rest meines Trupps in die Luft jagen zu lassen, aber mich hatte die Frage danach, ob ich etwas daran hätte ändern können, monatelang Tag für Tag immer wieder umgebracht. Ich hatte es gehasst, als einziger noch übrig zu sein. Hatte mir weit mehr als ein einziges Mal gewünscht, dass einer der Splitter in meinem Rücken tiefer gestochen und auch mich umgebracht hätte. Und wenn es bei mir nur diese Pseudo-Schuld war, die mir das Leben so aus den Händen hatte gleiten lassen, wie musste es Mitch dann erst gehen? Es war schon irgendwie komisch, das so von Faye zu hören... ich hatte den jungen Mann immer als nicht weniger als unkaputtbar angesehen, weil es genau das war, was er verkörpert und nach außen getragen hatte. Es war schon so, dass sehr viele Menschen, die nach außen hin immer besonders stark zu sein versuchten, innerlich eigentlich ganz anders aussahen. Kaputt waren, nur etwas damit verstecken wollten. Das war nicht grade selten und trotzdem fiel das Kartenhaus von Mitchs Persönlichkeit gerade quasi vor meinem inneren Auge in sich zusammen. Ich atmete hörbar tief ein, nur um die Luft wenig später in etwa genauso dumpf wieder auszuatmen. Ein weiteres Mal die freie Hand zu heben und mir nachdenklich die Haare zu raufen, weil es doch so ein bisschen schwer zu begreifen war, wie sehr am Ende der ehemalige Häftling offenbar war. "Ich fürchte, dass das sowieso keinen Unterschied macht... ob er theoretisch eine machen könnte, meine ich.", murmelte ich, hörbar ein wenig überfordert mit der neu gewonnenen Information. Ich glaubte ganz einfach nicht wirklich daran, dass der junge Mann einer Therapie auch nur ansatzweise einwilligen würde. Man müsste ihn vermutlich eher zwangseinweisen, um ihn in eine solche Einrichtung oder zum ambulanten Therapeuten zu kriegen. Es würde ihn vermutlich nur wieder wütend machen, wenn man es als Vorschlag an ihn herantrug. "Es wundert mich wirklich, dass er dir das gesagt hat... es hat nicht so geklungen, als würde er mit Aryana über... auch nur irgendwas davon reden. Hat sie zwar nicht wortwörtlich so gesagt, aber..." Ich zuckte vollkommen ratlos mit den Schultern. Einfach, weil sich mir nicht erschloss, warum er es für besser hielt ein solch riesiges, untragbares Problem an eine mehr nur flüchtige Freundin, als an die Frau an seiner Seite heranzutragen. Ich konnte hier nur mutmaßen und es wollte sich mir nicht wirklich erklären. Womöglich waren wir einfach zu unterschiedlich gestrickt, als dass ich sowas hätte nachvollziehen können. Vielleicht hatte er dafür wirklich irgendeinen schrägen Grund, aber gesund wäre auch das nicht. Weder für ihn selbst, noch für die Brünette, die sich noch immer freiwillig an seine Seite heftete. So, wie sich das Bild von den beiden gerade aufbaute, war es wohl wirklich dringend nötig ihnen wo es ging unter die Arme zu greifen - und wenn es auch nur ein paar Worte waren, die gewechselt wurden. Jeder Funke Unterstützung schien bitter nötig zu sein.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +