Ja maaaannn, das hat mich einen Tag und alle Nerven gekostet .-. ___________
Sie hatte nicht erwartet, dass er sie ins Schlafzimmer begleiten würde. Aber als sie dann alleine unter der Decke lag und auf seine leere Betthälfte starrte, wünschte sie doch, er hätte es getan. Sie wollte doch gar nicht alleine sein... Nicht mit diesen Gedanken, die die hässlichsten Bilder malten, als wäre das ihre einzige Aufgabe. Es dauerte ewig, bis sie halbwegs zur Ruhe kam, obwohl sie wirklich müde war. Der erlösende Schlaf liess etwa eineinhalb Stunden auf sich warten, während denen sie sich zwangsläufig mit den Gedanken abgegeben hatten, auf die sie keine Antworten hatte. So viele Fragen, so viele Unsicherheiten, so viele Ängste. Normalerweise konnte sie überall und in jeder Situation schlafen, ihren Kopf zum Schweigen bringen, wenn die Zeit der Erholung gekommen war. Ein Überbleibsel ihrer Armykarriere wahrscheinlich, als das eine sehr wertvolle Eigenschaft gewesen war, die ihr oft genug dabei geholfen hatte, in der Endlosschleife von Tod, Aufregung, Adrenalin und Kampf nicht den Verstand zu verlieren. Aber offenbar war ein gewisser Teil ihres Gehirns gegen diese Stummschaltung immun, liess sich nicht so leicht ignorieren, wie sie sich das wünschte. Als sie schliesslich den Weg ins Land der Träume gefunden hatte, dauerte es wiederum nicht sonderlich lange, da hob sie die Lider ein erstes Mal wieder an, weil Mitch sich zu ihr gesellte. Aber das war gut, führte zu einer kurzzeitigen Verbesserung ihrer Schlafqualität. So lange, bis er zum ersten Mal hochschreckte und auch sie ein weiteres Mal halbwach werden liess. Da ihr Körper aber nach Schlaf verlangte und nicht akzeptieren wollte, sich aufgrund von Mitchs Gesellschaft daran hindern zu lassen, fielen ihr bald darauf die Augen wieder zu. So fest, dass sie nur unterbewusst mitbekam, wie er irgendwann das Bett ganz verliess. Sie schlief noch eine Weile weiter, aber ihr Kopf wollte die Abwesenheit ihres Freundes selbstverständlich nicht unkommentiert lassen, segnete sie mit allen möglichen Alpträumen und Bildern, die zeigten, wie der junge Mann ihr komplett entrissen wurde. So, dass sie irgendwann, etwa zwei Stunden später, selber in einer mittleren Panik hochschreckte, die sich natürlich auch kaum mit dem Anblick der leeren, kalten Betthälfte vertreiben liess, der sich ihr bot. Aryana blieb nicht mehr als fünf Minuten wach liegen, ehe sie ihre Beine unter der Decke hervorstreckte und sich aus dem Bett zwang. Sie hörte absolut gar nichts, Mitch war also nicht einfach nur im Bad oder schaute fern, weil er nicht mehr schlafen konnte. Er war auch nicht in der Küche und auch sonst nirgendwo, wo sie ihn hören könnte. Und das drehte die Panik ihres halmwachen Gehirns ganz selbstständig wieder auf hunderttausend. Aryana stürzte beinahe zur Zimmertür, die sie öffnete, um sich relativ desorientiert in der Wohnung umzusehen. Tatsächlich keine Spur von Mitch. Aber die Balkontür war offen, wie die Temperatur der Räume verdeutlichte. Die Brünette blinzelte ein paar Mal in das sanfte Morgenlicht, welches die Wohnung erfüllte, stolperte dann in Richtung Balkon - und tatsächlich. Da sass er und nach einer Sekunde des Schreckens war sie sich auch sicher, dass er dabei noch atmete, was wiederum auch ihre eigenen Lungen an ihren Dienst zurückerinnerte. Das nächste, was Aryana sah, war die Flasche, die neben ihm auf dem Boden stand. Die sie umgehend aufgehoben und bestürzt an sich genommen hatte, dabei feststellte, dass das Glas überhaupt keinen Inhalt mehr schützte, obwohl sie die Flasche letztes Mal sicher noch zu einem Drittel voll zurückgestellt hatte. Oder sogar mehr? Sie war sich nicht mehr sicher, es war auf jeden Fall viel zu viel gewesen, um von einem von ihnen in einer Sitzung leergetrunken zu werden. Aryana ging erneut nach drinnen, um die Flasche sofort unter dem Spülbecken verschwinden zu lasen, als möchte sie so tun, als hätte sie nie existiert. Dann ging sie zurück auf den Balkon, betrachtete ihren Freund, ihre Welt, die mal wieder vor ihren Augen zu bröseln begann. Er war einfach aufgestanden, hatte sich nichtmal richtig angezogen, war auf dem Balkon verschwunden und hatte sich betrunken. Was passierte das nächste Mal? Sprang er dann über die Brüstung? Spielte er dann mit Messer? Lief er dann weg? Die Brünette wusste, dass sie ihn eigentlich dazu auffordern sollte, nach drinnen zu kommen, weil ihm theoretisch gesehen - ohne den Alkohol - sicherlich kalt sein musste. Aber sie konnte nicht, konnte überhaupt nichts tun, ausser zu ihm hin zu gehen und sich ihm zugewandt auf seinen Schoss zu setzen. Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände ohne ein Wort zu sagen, blickte in seine Augen, auf der Suche nach einer Antwort, nach Hilfe, nach irgendwas. Und alles, was sie fand, war eine einsame Träne. Sie wischte sie mit ihrem Daumen weg, als könnte damit auch ihre Ursachen beseitigen. Dann schlang sie ihre Arme um seinen Nacken, legte ihre Stirn an seine kalte, nackte Schulter und blieb einfach sitzen, während auch ihre Augen sich ganz von selbst mit Tränen füllten. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Wie sie ihm helfen konnte. Aber sie hatte Angst. Mitch war kein Mensch, der einfach die Kontrolle aufgab, um sich stattdessen zu betrinken. Ausser er war ultimativ verzweifelt. So wie jetzt. Und das machte ihr Angst.
Nein, wahrscheinlich spielte das keine Rolle. Denn wie gesagt standen die Chancen, dass Mitch sich durch eine Therapie helfen liess, bei ungefähr Null zu Zehntausend. Wenn es ihm nichtmal gelang, die Hilfe von Aryana und seinen Freunden anzunehmen, wie viel weniger würde er dann jemals selbstständig jemanden dafür bezahlen, ihn irgendwie zurück auf die richtige Bahn zu reissen? Nein, das war utopisch... und mehr als nur unrealistisch. Faye schüttelte ebenfalls nochmal ratlos den Kopf, wusste nicht, was sie sonst dazu sagen sollte. Mit einer Therapie liess sich Mitch also nicht helfen, diese Möglichkeit war mehr oder weniger ausgeschlossen. Aber wie dann? Er war wenig empfänglich für jegliche Art von gutem Rat oder Hilfestellungen, sie wusste schon, dass das heute eine einsame Ausnahme gewesen sein dürfte. Und nichtmal da hatte er wirklich aktiv danach gefragt - sie hatte ihn einfach mehr oder weniger damit zugetextet, weil sie dafür eine einzige Chance gesehen hatte und weil sie immer krampfhaft versuchte, einem Menschen zu helfen, der so tief am Boden lag wie er. Weil es das Einzige war, was sie zu tun können glaubte. Victors Erstaunen kommentierte die Brünette wiederum mit einem schwachen Schulterzucken. "Ist das wirklich... so erstaunlich?", fragte sie leise zurück, hob dabei den Blick ein Bisschen in seine Richtung an. Im ersten Moment sicher, ja. Aber hatte Victor nicht mehr oder weniger das Gleiche getan, als er das Problem mit der Ausbildung gehabt hatte? Er hatte es Aryana zuerst erzählt. Das war vielleicht nicht der optimale Weg gewesen, aber er hatte es getan. Um sie selber vor der Wahrheit zu verschonen, weil er geglaubt hatte, dass es sie mehr kaputtmachen als ihr helfen würde. Was, wenn Mitch sich mehr oder weniger genau dasselbe dachte? Wenn er Aryana vor diesem Ausmass der Dunkelheit schützen wollte, weil es ihm leid tat, sie mit sich runter zu ziehen? Wenn er es ihr nicht sagte, weil er sich wünschte, sie nicht noch trauriger zu machen? Sich selber in ein nicht noch schwierigeres Licht zu rücken? Vielleicht schämte er sich insgeheim auch dafür, sich diese Schwäche - wie sie von anderen Menschen gerne bezeichnet wurde - einzugestehen. "Vielleicht will er sie auch vor der Wahrheit verschonen... Oder es war ihm gar nie so bewusst, bis er es vorhin ausgesprochen hatte... Vielleicht hab ich ihm auch einfach die Würmer aus der Nase gezogen, wovon ich bezweifle, dass meine Schwester es auch getan hätte", gab sie ein paar mögliche Antworten auf das kleine Rätsel, welches sich ihnen hier stellte. Im Grunde war es auch nicht wichtig, da es eine viel grössere Rolle spielte, was sie nun mit dieser Information anfingen, als wie sie sie bekommen hatten. Wieder rollte ein angestrengtes Seufzen über ihre Lippen, während sie auf hire Finger blickte. "Ich weiss nur wirklich nicht, wie ich oder wir ihnen helfen können... Ich habe Angst... Weisst du... er hat schon gesagt, dass es... für ihn eigentlich leichter wäre... wenn es einfach vorbei wäre... Ich glaube, er ist nur wegen Aryana noch hier....", offenbarte sie ein weiteres Stück der Unterhaltung. Und zwar genau das Stück, welches sie am meisten beschäftigte, mit dem sie am wenigsten klar kam. Auch wenn sie wusste, dass es etwas zu schön wäre, wenn Victor eine Lösung zu diesem Problem aus dem Ärmel schütteln könnte. Gab es dafür überhaupt sowas wie eine Lösung?
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
hat sich aber gelohnt, will ich meinen :'D ___________
Die morgendlich Ruhe, die lediglich hier und da von den ersten erwachenden Vögeln begleitet wurde, nahm ziemlich schlagartig ein Ende, als ich durch die offene Balkontür die ersten Schritte im Inneren der Wohnung vernahm. Es kam mir in meinem berauschten Hirn fast so vor als würde Aryana förmlich durchs Zimmer sprinten, bis sie letzten Ende in der Tür auftauchte und mein Blick sich automatisch zu ihr verlor. Ich wollte nicht, dass sie mich so sah. Wollte das Bild, das sie mal von mir hatte, nicht noch weiter zerstören... und trotzdem tat ich genau das, was sehr deutlich erkennbar war, als die Brünette sichtlich entsetzt die leere Flasche vom Boden sammelte. Lange kam ich nicht in den Genuss ihrer Anwesenheit, verschwand sie daraufhin doch schnell wieder durch die Tür. Vielleicht hatte ich ihr nur einen Schrecken eingejagt. Vielleicht wollte oder konnte sie mich so aber auch einfach nicht sehen. Allein dieser Gedanke hätte mich beinahe gleich in das nächste negative Chaos an Gedanken gestürzt, als Aryana doch wieder zurück kam. Vermutlich auch gar nicht lange weg gewesen war, aber die paar Sekunden kamen mir eher wie Minuten paar. Statt mich aber zu fragen, was ich mir hierbei eigentlich dachte oder was der Mist sollte, kam sie zu mir. Setzte sich sogar direkt auf meinen Schoß und sah mich an, obwohl ich mit Sicherheit nach Schnapsladen roch. Ich sah das Gesicht der hübschen jungen Frau zwar nicht wirklich verschwommen, aber auch nicht ganz klar. Wollte ihr eigentlich gerne irgendwas sagen, während sie mich einfach nur ansah und die verräterische Träne wegwischte. Aber mein Kopf war wohl immer noch genauso leer, wie er voll war und so hatte ich ja doch wieder kein einziges Wort von mir gegeben, als Aryana den stummen Blickwechsel unterbrach und mir ihre Arme um den Hals legte. Sich mit ihrem angenehme Wärme auf mich übertragenden Körper anschmiegte und ihren Kopf an meiner Schulter vergrub. Ich war mir nicht sicher, womit ich das jetzt wieder verdient hatte - redete mir aber wohl auch kontinuierlich ein, dass sie mit einem anderen Mann an ihrer Seite ohnehin besser dran war. Wie viel Mann konnte ich schon noch sein, wenn ich mir nicht anders zu helfen wusste als mit Alkohol, der - wie ich ja auch bestens aus früheren Zeiten wusste - noch nie irgendwas besser, sondern eher nur schlimmer gemacht hatte? Ich erkannte mich ja nicht einmal selbst wieder. Wusste nicht, wie ich zum alten Mitch zurückkam. Wusste nicht mal, ob ich das überhaupt wollte, weil der auch nicht gut gewesen war, sondern nur weniger kaputt als der jetzige. Also legte ich einfach nur stumm meine Arme um Aryana. Den linken schlang ich etwa auf Höhe ihrer Taille um ihren schlanken Körper, die rechte Hand schob sich nach oben in ihren Nacken. Und vielleicht war es auch einfach das, was ich dringend nötig hatte: Eine Umarmung. Auch mir selbst stieg unweigerlich mehr von dem Tränenwasser in die Augen, als ich meine Nase in Aryanas gewelltem Haar versenkte, mich ihrem Kopf mit meinem mehr zuwandte. Es krochen all die Gefühle mit geballter Macht zurück an die Oberfläche, obwohl ich sie in den letzten Stunden sowas wie fast erfolgreich betäubt hatte. Breiteten sich aus wie das Meer, wenn es ungehalten über die Ufer trat. Ich hatte nicht mehr die Kraft dazu all das im Zaum zu halten und es bahnten sich schon bald die nächsten stummen Tränen den Weg über meine Wangen. Als ich einen Tropfen auf meine Schulter fallen spürte, der unmöglich von mir sein konnte, schlang ich meine Arme noch enger um sie und drückte sie an mich. Wollte nicht, dass sie glaubte, ich würde sie weiter von mir stoßen oder nicht mehr für sie da sein wollen. Aber bevor ich ihr wieder eine Hilfe und Stütze sein konnte, musste ich wohl erstmal mich selbst wieder hinkriegen. Es dauerte eine kleine Weile, bis ich mich etwas beruhigt hatte. Die Tränen versiegten langsam, während mir das Herz noch immer etwas unruhig gegen die Brust schlug. Ich nahm den Kopf schließlich etwas zurück und löste langsam die Hand aus Aryanas Nacken, um ihr ein paar Strähnen hinters Ohr zu streichen. Zog einmal mehr oder weniger unauffällig die Nase hoch. "Damals... als du erfahren hast, was ich getan habe... da hab ich auch geweint. Weil ich nie versucht hab irgendwas davon zu verhindern... dir das wenigstens selber hätte sagen sollen, nach allem, was wir da schon durch hatten... und weil ich dachte, ich würde dich deswegen verlieren... und jetzt mach ich eigentlich genau das gleiche. Das ist... so unfassbar dumm.", begann ich dank des Alkohols in sich recht wirr vor mich hin zu reden. Sprach undeutlich und gedrückt, wenn auch nicht richtig gelallt. Natürlich war es jetzt nicht die exakt gleiche Situation wie damals. Aber dennoch hatte bis zum Zeitpunkt zu jener Katastrophe mehrfach darüber nachgedacht, ob ich das Ganze nicht doch noch irgendwie hatte grade biegen können. Auch, ob ich es Aryana einfach sagen sollte - getan hatte ich am Ende aber gar nichts, sondern nur dabei zugesehen, wie die Lawine auf uns beide zurollte und uns in vollem Ausmaß begrub. Vielleicht hätte ich so oder so nichts daran ändern können, wie es letztlich gekommen war, aber ich hätte es zumindest versuchen müssen. Genauso wie jetzt auch. Ich hatte gewusst, dass früher oder später etwas Unschönes passieren würde, wenn ich ihr nicht sagte, was eigentlich mit mir los war. Trotzdem hatte ich das wissentlich in Kauf genommen, nur weil ich zu feige für eine bessere Lösung war.
Doch, für mich schon. Verglichen mit mir war Mitch eben einfach nicht der Typ Mensch dafür, sich auch nur irgendwem anzuvertrauen. Ich hingegen musste früher oder später einfach mit Irgendjemandem reden, weil ich es anders nicht ewig lange ertragen konnte. Ich hatte quasi grundsätzlich gar nicht damit gerechnet, dass er sich Irgendwem anvertraute, weil er ganz einfach nie auch nur Irgendwas über sich erzählte. Bis auf die Dinge, die ich mit ihm erlebt hatte, war er im Grunde ein unbeschriebenes Blatt für mich. Aber womöglich hatte Faye auch da mal wieder Recht - vielleicht war es gar nicht so erstaunlich, dass auch bei ihm das Fass einfach irgendwann überlief und er dann nicht mehr anders konnte, als es zumindest an Irgendjemanden heranzutragen, der ihm just in dem Moment der oder die Richtige dafür zu sein schien. Ich hatte schließlich auch nicht geplant mein Problem Aryana statt ihrer Schwester zu stecken. Es war einfach so im Gespräch passiert, weil schon länger der Drang vorhanden gewesen war, es endlich mal loszuwerden. Mit verheerenden Folgen, aber ich wollte da nur ungern wieder dran denken. Hatte mir lange genug Vorwürfe deshalb gemacht und dadurch noch mehr unter der eigentlichen Problematik gelitten, als ohnehin schon. "Ja, schon alles möglich...", äußerte ich was das anging nur noch wenige Worte und ein schwaches Schulterzucken. Wir würden was das anging ohnehin zu keiner Antwort kommen, ohne Mitch selbst danach zu fragen. Was Faye dann im Anschluss noch vorsichtig an mich herantrug, war wirklich harter Tobak. Ich hatte kaum Einfluss darauf, dass mir die Gesichtszüge entglitten. Sich meine Augenbrauen gleichermaßen nachdenklich wie besorgt zusammenzogen und meine Stirn in Falten zurückließen, während ich angespannt einen Moment lang die Lippen aneinander presste. Denn ja, Fayes Angst war was das anbelangte leider berechtigt - wenn man sich gedanklich schon rege mit Suizid befasste, dann war's kurz vor knapp. Dass Mitch sich dabei auch nicht in fachmännischen Händen befand, machte es eben auch nicht grade besser. Zwar musste man die entscheidenden Schritte immer selbst und aus freien Stücken gehen, aber eine Therapie konnte dabei zumindest unterstützen. Ansatzweise den Weg in die richtige Richtung zeigen, es einem zumindest ein bisschen erleichtern und der ehemalige Häftling schien jede erdenkliche Hilfe bitter nötig zu haben. "Verdammte Scheiße.", war das erste, was ich diesbezüglich los wurde. Das war nicht hilfreich, aber es beschrieb die Situation doch sehr treffend, während ich noch damit beschäftigt war unruhig die Augen über Fayes Oberschenkel wandern zu lassen, als könnte er was dafür. Ich würde es Aryana gerne sagen. Wusste auch, dass das nicht ging, weil das nur ein weiteres Problem provozierte oder ihm gar den Rest geben würde. Wenn das einzige, das ihn noch in dieser Welt festhielt, wirklich Aryana war, dann blieb zu hoffen, dass er ihr das auch sagen würde. Oder dass sie ihre eigenen Schlüsse zu ziehen schaffte, wenn er ihr nur hier und da mal einen Fetzen an Einblicken in seinen Kopf zuwarf, weil er es nicht fertig brachte es noch einmal wortwörtlich rauszubringen. Ich hatte unbewusst kurzzeitig die Luft angehalten und stieß sie schließlich angestrengt aus, als mein Blick zurück in Fayes fand. "Ich schätze, dann... sollten wir wohl alles daran setzen, ihm irgendwie zu zeigen, dass er auch bei uns erwünscht ist... ich wüsste nicht, was wir sonst noch machen könnten. Außer ihm zuzuhören und möglichst geistreich zu antworten, falls er nochmal so einen Anflug von... Redebedarf hat.", meinte ich ratlos, weil mir sonst ganz einfach nichts einfiel. Es war eben auch keine Sache zwischen Mitch und uns. Es war eine Sache zwischen Mitch und sich selbst, eine Sache zwischen Mitch und Aryana. Wir konnten schon versuchen, den beiden zu helfen und sie wenn irgendwie möglich zu entlasten, aber wir konnten Mitch nicht die Schuld vom Herzen nehmen. Dafür musste er leider Gottes selbst einen Weg finden... und das bitte bevor es zu spät dafür war. Ich konnte es nicht leiden, wenn ich nicht viel mehr als zugucken und abwarten konnte, wo ich doch ohnehin so eine hilfsbereite Ader hatte. "Was hast du dazu gesagt?", hakte ich nach, weil mich das doch auch ein bisschen interessierte.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Ja danke, ich habs endlich wieder ein Bisschen besser hingekriegt... x'D Jetzt können wir zusammen hoffen, dass uns die aktuellen Bildchen nicht zu bald wieder zum Hals raus hängen. XD ________
Sie war unfassbar froh, als sie spürte, dass er seine Arme um sie legte, sie nicht von sich schob oder gar wütend wurde. In diesem Moment war es ihr auch vollkommen egal, ob das nun am Alkohol lag oder daran, dass er sie wirklich hier haben wollte. Hauptsache sie durfte bleiben, konnte ihr Gesicht an seiner Schulter vergraben und einfach nur hoffen, dass es irgendwann vorbei gehen würde. Sie spürte, dass er ebenfalls weinte und es zerriss ihr noch mehr das Herz, weil sie wusste, wie kaputt er sein musste, um in ihrer Anwesenheit überhaupt sowas wie eine einzige Träne zu zeigen. Natürlich roch sie den Scotch, wusste, dass er betrunken war und ihm das die Steuerung seiner Emotionen nicht gerade vereinfachte. Aber er würde auch betrunken nicht weinen, wenn er nicht absolut verzweifelt wäre. Wenn er nicht genau wie sie so viel Mühe damit hätte, noch irgendein Licht zu sehen in der Dunkelheit, die ihr Leben darstellte. Sie lagen sich stumm in den Armen und weinten, was wohl die absolut untypischste Version ihres Zusammenseins darstellte, die sich erfinden liess. Da sie sich aber sowieso so unendlich weit von ihrem früheren Selbst entfernt hatten, spielte auch das überhaupt keine Rolle mehr. Im Gegenteil. Vielleicht tat es sogar gut, wenn sie einmal weinten - auch wenn Mitch dazu viel Alkohol gebraucht hatte. Wenn sie spürten, dass sie den Boden ihres Loches erreicht hatten - denn wenn der Boden erreicht war, konnte man nicht mehr tiefer fallen. Dann war jeder Weg, der von hier weg führte, zwangsläufig ein Weg nach oben, ans Licht. Das war es jedenfalls, was sie sich einredete - einreden musste, weil alles andere Aufgeben bedeuten würde. Und Aufgeben kam nicht in Frage, da allen bewusst war, was das bedeuten würde. Sie wusste nicht, wie viele Minuten vergangen waren, seit sie sich auf seinen Schoss gesetzt hatte, war das auch vollkommen irrelevant. Irgendwann begann Mitch sich wieder zu regen und sie spürte seine Finger an ihrer Wange, in ihren Haaren. Sie drehte den Kopf etwas in seine Richtung, ohne sich dabei aber wirklich aufzurichten, blieb ziemlich kraftlos an ihm hängen, während er sprach. Seine Worte führten dazu, dass sie ihrerseits die Umarmung verstärkte und ihn ein Bisschen enger in die Arme schloss, das Gesicht noch einmal an seiner Schulter vergrub, ehe sie ihn wieder leicht seitwärts anschaute. "Nein, das ist nicht dumm... das würde jeder tun an deiner Stelle... Aber... aber wir müssen damit aufhören...", nuschelte sie ihm ebenfalls eher undeutlich aber nahe seinem Ohr zu, streichelte mit ihren Händen immer wieder über seine kalte Haut. "Wir müssen aufhören, nicht miteinander zu reden... Weil wir Angst haben, den anderen zu verscheuchen... Ich will nicht, dass du wegen mir weinst... Und ich geh niemals weg, Mitch, du wirst mich niemals verlieren, nicht, weil du irgendwas Falsches oder etwas Hässliches sagst... Ich... ich habe dich doch ausgesucht... für immer...", ihre Worte waren wohl kaum weniger wirr als seine Eigenen, was nichts mit einem beschwipsten Kopf, dafür aber alles mit einem komplett überforderten Gehirn zutun hatte. Sie wusste nicht, wie viel Alkohol er letztendlich wirklich intus hatte, wann er ihn genau getrunken hatte und wie klar er noch denken konnte. Wahrscheinlich lohnte sich ein solches Gespräch, solche Worte in diesem Moment überhaupt nicht. Aber sie hatte trotzdem das Bedürfnis, ihm das alles zu sagen, egal, ob sie es ihm dann in nüchternem Zustand nochmal von vorne erzählen konnte.
Ja, so wie Victor auf ihre Worte reagierte, hatte sie sich auch in etwa gefühlt. Sie hatte Mitch zwar nicht so angeschaut - glaubte sie jedenfalls - aber ihr Herz hatte genau das Gleiche gedacht, war zweimal zersplittert und hatte im Anschluss laut vor sich hin geschrien, ihn angefleht, sowas nie wieder zu sagen und noch viel weniger zu denken. Aber so einfach war das Ganze eben nicht, solche Gedanken waren hartnäckig, wollten nicht weichen, bloss weil man nett darum bat. "Ja... das kannst du laut sagen", murmelte sie bestätigend auf seinen Fluch, weil es einfach am besten beschrieb, wie ihre Lage in dem Moment aussah. Eben verdammt beschissen. Auch seinen weiteren Worten pflichtete sie mit einem langsamen Nicken bei, war das doch genau das, was sie vorhin schon zu tun versucht hatte, als sie sich mit Mitch unterhalten hatte. "Ja... ich habe auch noch keinen hilfreicheren Plan... ich hoffe nur, dass das reicht. Dass er die Kurve kriegt... Dass Aryana ihn überzeugen kann... Dass Easterlin und seine Armee nicht alles kaputt machen...", murmelte sie ein paar Punkte vor sich hin, die weitaus wichtiger und ausschlaggebender waren als ihr eigener Beitrag zu Mitchells Geisteszustand. Sie konnten schlicht nicht viel mehr tun als da zu sein, wenn jemand sie brauchte. Sie konnten seine Gedanken nicht mehr beeinflussen, als dass er sie ihnen offenbarte, konnten nicht mehr helfen, als ihnen Raum zum Helfen gegeben wurde. Victors folgende Frage kam ziemlich überraschend - so, dass sie auf jeden Fall noch keine Antwort darauf bereitgelegt hatte. Tja. Was hatte sie darauf gesagt? Dass sie einmal am gleichen Punkt gestanden hatte. Die Worte, die sie Victor lieber nicht direkt unter die Nase reiben wollte, weil sie stark befürchtete, dass er sich sonst rückwirkend um sie sorgte... oder so ähnlich. "Ich... ich habe ihm gesagt, dass ich ihn verstehe...", begann sie nach einer unsicheren Denkpause also eher zögerlich damit, seine Frage zu beantworten. "Und dass er es bitte noch einmal versuchen sollte... Mit unserer Hilfe, so viel er sie will... Und für Aryana... Ich habe versucht, ihm aufzuzeigen, dass er der Welt nicht egal ist und dass es eine Rolle spielt, ob er lebt oder nicht... Und ich habe ihm von unserer Liste erzählt, versucht, ihn dazu zu motivieren, sich Ziele zu stecken, die er erreichen kann... Um wieder Freude zu finden...", versuchte sie das zu wiedergeben, was sie Mitch auf dem Balkon zugesprochen hatte. Das klang alles irgendwie so doof, wenn sie darüber nachdachte... So stumpf und irgendwie wenig hilfreich - wie damals, als irgendwelche Therapeuten ihr ähnlich tolle Tipps gesteckt hatten. Versuch abends vor dem Schlafengehen fünf Dinge aufzuschreiben, die an diesem Tag gut waren und so ein Mist, den sie Mitch niemals aufgetischt hätte, weil er dann mit Sicherheit trocken lachend die Augen verdreht und sich verpisst hätte. Sie wusste nicht, wie viel praktischer ihre eigenen Weisheiten für ihn geklungen hatten. Hoffte einfach nur, ihm damit wenigstens ein kleines Bisschen geholfen zu haben, weil seine Gesundheit in diesem Moment das Wichtigste war, worum sie sich kümmern konnten. Denn wenn Mitch sich verlor, dann war auch Aryana am Boden und wenn Aryana am Boden war, zog sie Faye und Victor mit sich. Das war das Problem mit ihren viel zu engen Bindungen, mit der Familie, zu der sie Mitch eingeladen hatte. Sie zog immer Kettenreaktionen nach sich. Und so sehr sie sich das auch wünschte, es war nicht immer positiv.
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bin mir nich sicher, wie realistisch diese Hoffnung ist... XD _____
Es tat unweigerlich gleich noch ein bisschen mehr weh, als ich Aryanas Stimme hörte und meine Hand sich aus ihrem Haar löste, um sich stattdessen ebenfalls um ihren Rücken zu legen. Der unschöne Nebeneffekt vom Weinen war so unangenehm hörbar und versetzte mir nur den nächsten Stich in die ohnehin schon durchlöcherte Brust. Zeigte mir nur noch deutlicher, in was für einer schlechten Situation wir uns hier befanden. Dass die Brünette wohl automatisch mit mir litt, nur weil ich es nicht hinbekam eine adäquate Lösung für das Problem in meinem Schädel zu finden. Sie verneinte zwar, dass ich mich dumm verhielt, aber wirklich ändern konnte sie meine Meinung dazu gerade wohl nicht. Meine noch glasigen Augen suchten nach ihren, kaum hatte sie ihre ersten Worte ausgesprochen. Einzig ihre Nähe vermochte den traurigen, ernsten Moment etwas zu lindern. Denn ja, wir mussten zweifelsohne damit aufhören. So, wie es jetzt war, konnte es nämlich sehr offensichtlich nicht mehr lange weitergehen. Vor allem für mich nicht, wobei ich doch auch daran zweifelte, dass Aryana sehr viel weiter weg vom Totalausfall war, als ich selbst. Das Geheule war schließlich nicht nur für mich wahnsinnig untypisch. Und als sie schließlich sagte, dass wir damit aufhören mussten einander anzuschweigen, drehte ich den Kopf ja doch noch einmal etwas weg und kniff die Augen zusammen, weil die Tränen unverzüglich wieder fließen wollten. Es war eigentlich überflüssig, sie jetzt noch zurückhalten zu wollen, nachdem ich gerade ohnehin schon geweint hatte, aber vermutlich war auch das einer der ungesunden Automatismen in meinem Schädel. Es war irgendwie einfach schwer zu glauben. Dass ich sie niemals verlieren würde, sie mich noch immer für die richtige Wahl hielt, obwohl ich ihr in den letzten Tagen fortwährend Gründe dafür gab ihre Meinung dazu zu ändern. Ich hatte sie wirklich nicht verdient. "Aber es ist... so viel... und ich will nicht... ich kann dein Leben nicht auch noch zerstören.", hauchte ich gegen Ende nur noch vor mich hin, ohne ihr den Blick wieder zuzuwenden. Ich hatte wohl vor nichts größere Angst, als davor, Aryana auch noch in den Wahnsinn zu treiben. Sie langsam genauso zerfallen zu sehen, wie ich es selbst gerade tat. Ich hielt mich ausschließlich nur noch für eine Last, die besser Niemand tragen müssen sollte und schon gar nicht die Frau, der ich ohnehin schon so unendlich viel verdankte. Was das anging schien mir unsere Beziehung längst aus dem Gleichgewicht geraten zu sein und wie konnte ich ihr dann guten Gewissens immer und immer mehr aufladen? "Du... du verdienst die ganze Welt und ich... mach sie dir nur kaputt." Meine Stimme klang brüchig und meine Augen verloren sich auf den Fußboden neben der Bank, als sich meine Arme um ihren Körper langsam lockerten. Wahrscheinlich war ich zu betrunken für dieses Gespräch. Dadurch viel zu weit von realistischem, klaren Denken entfernt, als dass ich gerade auch nur irgendwas hätte weniger schwarz sehen können, als ich es in Worte fasste. Pessimismus in Kombination mit Depression war an sich schon absolut kontraproduktiv und wenn dann auch noch zu viel Scotch dazukam, dann brauchte man wohl gar nicht erst versuchen, auf einen anderen Zweig zu kommen. Von einem durchweg grünen Zweig mal ganz zu schweigen. Für immer klang wahnsinnig schön - aber im Augenblick trotzdem nicht so, als könnte das für Aryana gut sein. Weil ich mindestens im Rausch und eigentlich auch nüchtern nicht wirklich daran glaubte, dass ich mich jemals von allem lossagen konnte, das so schwer auf meinen Schultern lag. Weder allein, noch mit der sonst immer so starken Brünetten an meiner Seite.
Viel mehr als zu hoffen und unsere Hilfe anzubieten blieb uns beiden hier bisher auch leider nicht übrig. Solange Mitch uns nicht explizit sagte, wie man ihm wirklich effektiv helfen konnte, war selbst das schwierig und es war auch gut möglich, dass er selbst gar nicht wusste, ob und wie ihm zu helfen war. Ich konnte mich selbst noch bestens daran erinnern, wie oft mir damals Hilfe angeboten worden war und dass ich nie gewusst hatte, was ich dazu sagen sollte. Ich hätte mir bestimmt helfen lassen, wenn ich gewusst hätte wie, aber das war eben nicht leicht herauszufinden. Bei unserem ehemaligen Häftling kam dann noch dazu, dass er eigentlich ohnehin nicht so der Typ dafür war, sich oft und gerne helfen zu lassen. Es blieb verzwickt. Auch, wie er auf die Wiederaufnahme von Training und Arbeit reagieren würde, war schwer vorherzusagen. "Vielleicht hilft ihm der Einzug... ein zwangsweise vorgetakteter Alltag bringt zumindest ein bisschen Struktur... und weniger Zeit zum Nachdenken. Oder es rafft ihn dann komplett hin, weil er sowieso schon... naja." Ich seufzte schwer, nachdem ich meine Gedanken dazu geäußert hatte und hob dann meine freie Hand, um für ein paar Sekunden meine angespannten Schläfen zu massieren. Es war eben wirklich wie pokern. Entweder es half Mitch, dass er in Bewegung war und etwas zu tun hatte, oder es machte ihm das Leben nur noch schwerer, weil er eigentlich sowieso schon an seinen Kraftreserven nagte. So oder so sollte man ihn in nächster Zeit sicher lieber etwas genauer im Auge behalten. Lieber zweimal hinsehen, wenn man mit ihm redete. Nach versteckten Anzeichen in Gestik und Mimik suchen, dass er etwas anderes nach außen hin spiegelte, als sich eigentlich in seinem Inneren befand. Was meine Frage anbelangte brauchte Faye etwas mehr Zeit für eine passende Antwort und ich begann in der Zwischenzeit über ihren Oberarm zu streicheln. Folgte ihren Worten schließlich aufmerksam, als sie wieder zum Reden ansetzte. Gerade ihre ersten Worte ließen etwas Spielraum zur Interpretation, aber ich würde was das anging nicht weiter nachbohren. Nicht, weil es mich nicht interessierte, wie gut sie ihn letztendlich verstand, sondern weil die zierliche Brünette gerade schon genug andere Sorgen hatte. Nicht auch noch einen Freund brauchen konnte, der sie danach fragte, ob sie ihm nicht vielleicht während der Therapie ein bisschen was anzuvertrauen vermieden hatte. War auch nicht so, als hätte ich damals nie darüber nachgedacht, wie nah am Abgrund sie genau gestanden hatte. Nur gefragt hatte ich nie. Wohl auch aus Angst, sie mit der zu direkten Frage endgültig ins Loch zu schubsen. "Langsam klingen wir echt wie unsere Therapeuten.", stellte ich ironisch fest. Es war eben schon ein bisschen schräg - wir hatten die Seelenklempner nicht selten verteufelt, hielten es jetzt aber doch für gar nicht so verkehrt, mehr oder weniger ihre Ratschläge noch an Dritte weiterzugeben. "Ich hoffe wirklich, dass er sich das zu Herzen nimmt...", murmelte ich weiter noch vor mich hin, zuckte dann erneut leicht mit den Schultern. Er brauchte wirklich dringend neue Ziele. Brauchte auch mindestens genauso dringend wieder ein paar positive Gefühle, die sich zwischen das enge Geflecht aus Schuld und Frust schoben. Die Licht in die Schatten brachten, die seine Gedanken fest im Griff hatten.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Naja... Wahrscheinlich nicht sehr... x'D Und ich denke, Faye und Vicky gehen mal wieder schlafen, oder? Ich weiss nicht mehr was schreiben.. Darum ist sie Biiiiiisschen kurz geworden... x'D __________
Aryanas Stirn legte sich in tiefe Falten, als sie seine Worte vernahm. Er konnte ihr Leben nicht zerstören..? "Mitch, welches Leben..?", fragte sie noch immer genauso leise wie zuvor zurück. "Mein Leben ist nichts - es war das ganze letzte Jahr über nichts... Ich habe existiert, geatmet, gearbeitet, gegessen, geschlafen... Aber wenn das das Leben ist, von dem du Angst hast, es zu zerstören, dann wäre ich sogar froh drum, du würdest es tun", flüsterte die Brünette vor sich hin. Sie wusste, dass das zu hoffnungslos, zu verloren klang. Aber es war doch so... Das letzte Jahr war eines zum Vergessen. Sie wollte so nicht mehr leben, sonst hätte sie kaum alles aufgegeben, um Mitch wieder zurück zu holen. War das nicht offensichtlich? Würde er es jemals sehen? Seinen folgenden Worten nach zu urteilen wohl eher nicht. Es waren Dinge, die er normalerweise nicht aussprach. Aber Betrunkene und Kinder sagten eben immer die Wahrheit - oder das, was sie wirklich dachten. Sie schlang ihre Arme enger um ihn, während auch ihr wieder Tränen in die Augen schossen, kaum waren sie einmal versiegt. Er durfte das nicht sagen und noch viel weniger durfte er es denken. Das machte ihn kaputt, noch mehr, als er es eh schon war. Darum brauchte sie auch nicht lange, um wieder zum Sprechen anzusetzen, im verzweifelten Versuch, ihm diese Gedanken auszureden. "Nein, das... das bist nicht du... Für mich wirst du nie deine Fehler sein... Nicht deine Vergangenheit... Nicht die Momente, in denen dir alles über den Kopf wächst und du wütend wirst... Für mich bist du der Mann, der todesmutig ins Lager des Feindes gerannt ist, um meine Schwester und ihren Freund zu retten... Für mich bist du der Mann, der mir in einem Krankenhausbett seine Liebe gestanden hat... Der Mann, der mit mir durch Australien spaziert ist... Der Mann, der mich inmitten von Kanonenfeuer und Pistolenschüssen zum Lachen gebracht und glücklich gemacht hat... Das bist du. Und ich wünsche mir so sehr, dass du das auch sehen könntest... Es wird immer Menschen geben, die dich nicht mögen, die dir nicht verzeihen werden für alles, was du je getan hast... Wichtig ist nur, dass du selbst nicht zu ihnen gehörst... Ich habe auch falsche Entscheidungen getroffen, in Syrien falsche Anweisungen gegeben... Auch die haben Menschenleben gefordert... Vielleicht war das nicht mutwillig, aber denkst du, die Familien der Verstorbenen würden es mir jemals verzeihen, wenn sie wüssten, dass es meine Schuld war? Nein. Alles, was ich tun kann, ist es heute und in Zukunft besser zu machen, damit sowas nicht mehr passiert... Und das kannst du auch. Wir müssen das vergessen, was bis heute passiert ist... All die Scheisse, die uns kaputt macht. Wir müssen sie hinter uns lassen, weil wir sonst darin untergehen... Und das dürfen wir nicht. Du verdienst es auch, endlich einmal im Leben glücklich zu sein. Auch wenn du das nicht glaubst, ich weiss es...", das war wohl eine der wenigen Gemeinsamkeiten, die sie mit ihrer Schwester zumindest an diesem Tag teilte. Dass sie sich um Kopf und Kragen redete, um Mitch davon zu überzeugen, dass er nicht nur Ballast, nur Schmerz für sie bedeutete. Sie zog einmal die Nase hoch, ohne ihre Umarmung zu lockern, aus der sie ihn am liebsten nie wieder hätte gehen lassen. "Du bist die Welt, die ich mir wünsche, Mitch... Nur du...", und sie wünschte sich so sehr, dass er das begreifen konnte, bevor es zu spät war. Sie hatte keinen Mann in ihrem Leben je so geliebt wie ihn. Und es lag auf der Hand, dass es auch keinen Mann mehr geben würde, der ihn je ersetzen könnte. Nein. Es waren Mitch und sie - oder keiner von ihnen.
Ja, darauf konnten sie wohl alle hoffen. Aber die Chancen standen wohl gar nicht so unendlich schlecht darauf, dass der neue Job Mitch tatsächlich helfen könnte. Natürlich, wie Victor schon gesagt hatte, konnte auch dieses Glücksspiel in beide Richtungen schwingen. Entweder Mitch schaffte es, das Gute darin zu sehen - namentlich die Tatsachen, dass er wieder gebraucht wurde, dass er einer Tätigkeit nachgehen konnte, die er auch wirklich beherrschte und dass er eben vielleicht sogar die Möglichkeit bekam, Menschen zu helfen und Leben zu retten - oder all das würde ihn noch tiefer in den Sog der Erinnerungen reissen, ihn ein weiteres Mal mit dem konfrontieren, was er das letzte Mal falsch gemacht hatte. Das würde ihnen nur die Zeit zeigen. "Ich habe ihm gesagt, dass er vielleicht versuchen kann, das Ganze als Chance zu sehen... um der Welt etwas zurückzugeben, um Leben zu retten... weil er so mit seiner Schuld kämpft... Vielleicht hilft ihm das ja dabei, der Zukunft etwas positiver entgegen zu blicken...", gab sie einen weiteren Einblick in ihre Bemühungen, Mitch irgendwie über Wasser zu halten. Victors Feststellung konnte sie im Anschluss selbst nur zustimmen. Denn ja, sie hörten sie wirklich an wie direkt aus der Klapse, wie zwei Menschen, die sich all die Floskeln verinnerlicht hatten, weil sie sie ganz einfach viel zu lange viel zu oft gehört hatten. "Dann hoffen wir mal, dass Mitch ein Bisschen begeisterter auf solche Ratschläge reagiert als wir...", murmelte sie zurück, auch wenn die Chancen darauf wohl eher schlecht standen. Diese Ratschläge waren eben nur so gut, wie die Motivation des Betroffenen, sie auch wirklich umzusetzen. sie hatte sich in der Klapse zwar immer angestrengt, vorwärts zu kommen und alles zu versuchen, um wieder zu sowas wie Normalität zurück zu finden, aber einige Tipps der Psychologen waren selbst bei ihr auf pures Unverständnis gestossen, hatten sie eher die Augen verdrehen als aktiv darauf zurückgreifen lassen. Konnten sie also wie gesagt nur hoffen, dass das bei ihrem Patienten einen besseren Verlauf nahm.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Das letzte Mal, dass mir ein derartiger Redeschwall entgegenkam, war erst ein paar Stunden her. Es kam mir so vor als würde alle Welt krampfhaft versuchen, mir den Schädel umkrempeln zu wollen. Mir Gedanken einzutrichtern, die von mir selbst nicht kommen würden, weil ich momentan wohl einfach zu festgefahren in meinem negativen Denken war. Dabei war es ja gar nicht so, als wäre ich nicht gern einfach mal restlos glücklich. Als hätte ich nicht gerne ein paar gute Gründe, mich zu freuen - aber die, die schon da waren, wurden ganz einfach von all den negativen Gedanken überschattet, die ich aus dem Knast mit genommen hatte. Ich hatte mich darüber gefreut, Aryana zurückzuhaben. Sie wieder in den Armen zu halten, sie endlich wieder zu küssen. Hatte mich darüber gefreut, endlich wieder frei zu sein, nachdem schon das eine Jahr mich sämtliche Nerven gekostet hatte. Die Freude hatte nur nicht lange angehalten, weil frei zu sein nicht ausreichte, um mein bisheriges Leben komplett hinter mir zu lassen. Ich konnte mir noch so oft einreden, es wäre das perfekte Symbol für einen kompletten Neuanfang und doch würde mich der Rest ein paar Minuten später wieder einholen. Es war schön, dass die Brünette auf meinem Schoß noch immer gerne all das in den Fokus stellte, was gut an mir war. Was wir Schönes zusammen erlebt hatten und für den Bruchteil einer Sekunde zuckten meine Mundwinkel nach oben, weil ich daran zurückdachte, wie wir lachend auf einem der Wachtürme gesessen hatten. Allerdings schien mir jegliches Lachen gerade sehr fern und ich wusste einfach nicht, wie das mit dem hinter sich lassen funktionieren sollte. Wie ich mit dem fertig werden und abschließen sollte, was doch schon längst hinter mir lag und mich aber einfach nicht loslassen wollte. Wie ich wieder die Welt sein konnte, die Aryana sich wünschte und die sie verdiente. Wie ich wieder eine Bereicherung für sie sein sollte, wenn meine Schultern und der erdrückenden Schuld doch gefühlt täglich noch schmaler wurden. Ich hatte noch nie das Bedürfnis dazu gehabt von allen Menschen gemocht zu werden, aber ich konnte mich ja nicht mal mehr selbst ausstehen. Ich drehte meinen Kopf zu Aryana zurück, um nun meinerseits das Gesicht an ihrer Schulter zu vergraben. Würde mich wohl ziemlich gerne vor der ganzen Welt - inklusive mir selbst - bei ihr verstecken, wenn es nur so einfach wäre. Während ich meine Stirn an sie lehnte, schloss ich die Augen und zwei weitere Tränen bahnten sich ihren Weg in die Außenwelt. "Aber ich weiß nicht, wie ich... wieder ich sein kann. Wie ich... das vergessen soll.", murmelte ich nur leise mit dünner Stimme an ihre Schulter und zog noch einmal leicht die Nase hoch. "Es ist immer da... wenn ich aufstehe... wenn ich schlafen gehe... es bringt mich um.", hauchte ich und dabei rutschten meine Hände links und rechts an ihre Taille. Griffen sie dort etwas fester, während ich meinen Kopf vermehrt gegen ihre Schulter drückte und mit dem Kiefer mahlte. Was auch nur ein Ausdruck von all der auf mir lastenden Schuld und dem Schmerz war, der mich von innen heraus quälend langsam weiter zu Grunde richtete. Schmerzhafter, als es jedes Projektil überhaupt könnte. Und ich wusste einfach nicht, wie ich mich davon lösen sollte. Wusste nicht, wo und wie ich den Ausgang in meinem eigenen Kopf finden sollte. Ich wollte weiß Gott nichts mehr, als Aryanas Welt zu sein, aber jene zerfiel gerade leider Stück für Stück in tausend Einzelteile.
Das wäre wohl das beste, das uns allen und vor allem Mitch jetzt passieren konnte. Wenn er es schaffte, sich in ein paar Tagen - oder Wochen - schon so weit damit abzufinden wie sein neues Leben jetzt aussah, dass er dem sogar etwas Positives abgewinnen konnte. Er war nicht selten mal taub für Worte, dessen Meinung er ganz einfach nicht teilte. Aber vielleicht würde es trotzdem reichen, sie gehört zu haben. Zu hören, dass es nicht nur schlecht war, dass er wieder auf die Menschheit losgelassen worden war, sondern dass er sogar etwas Gutes in der Zukunft bewirken konnte, wenn er es nur wollte. Dass er die Möglichkeit dazu hatte und sie nur suchen, ergreifen musste. Leider wusste ich aber auch aus eigener Erfahrung, dass Worte des öfteren nicht genug waren. Dass es noch irgendeinen zusätzlichen Anreiz brauchte, damit man den Arsch wirklich wieder hoch bekam und sich mal in anderer Richtung in Bewegung setzte, statt sich in die immer gleiche Gedankenspirale zu setzen und mutwillig weiter abwärts im Kreis zu fahren. Wobei Mitch so, wie Faye es formuliert hatte, eigentlich ohnehin nicht mehr wirklich tiefer sinken konnte, schon am Boden angekommen zu sein schien. "Vielleicht denkt er ja mal drüber nach, wenn er wieder ein bisschen klarer im Kopf ist.", war vorerst alles, was ich diesbezüglich noch vor mich hin murmelte. Es war eben leider unwahrscheinlich, dass es schon sehr zeitnah einfach Klick in seinem Hirn machen würde und er dann plötzlich wieder ganz der alte war. Aber es wäre ein guter Anfang, wenn sein Kopf zumindest stundenweise mal wieder durchatmen und Luft holen könnte. "Gehen wir lieber schlafen, hm? Bevor wir uns hier noch für einen neuen Berufszweig entscheiden...", schloss ich die ganze Sache für heute leicht sarkastisch ab, weil ich selbst wohl einfach erstmal genug davon hatte. Ich wusste jetzt, was auf dem Balkon vor sich gegangen war und zu mehr Ergebnissen würden wir hier heute nicht kommen. Vielleicht fielen uns morgen oder in ein paar Tagen noch ein paar Ideen dazu ein, wie wir Mitch und auch Aryana behilflich sein konnten. Ich für meinen Teil musste diese Angelegenheit jetzt wohl erstmal sacken lassen und so lehnte ich mich zu Faye rüber, um ihr einen Kuss aufs Haar zu drücken. Danach zog ich meinen Arm zu mir zurück und stand mit einem leisen Seufzen auf, war das ganze Gespräch doch etwas anstrengend gewesen. Mit einem letzten Seitenblick auf die zierliche Brünette machte ich mich dann auf den Weg ins Bad, um der gewohnten abendlichen Hygieneroutine Abhilfe zu leisten. Mir auch nochmal etwas kaltes Wasser ins Gesicht zu kippen, um damit symbolisch für heute mit dem Thema abzuschließen, so weit wie das möglich war. Danach trugen meine Füße mich weiter ins Schlafzimmer, wo ich mich nach und nach aus den überflüssigen Klamotten schälte.
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Sie hätte erwarten können, dass ihre Worte ihn nicht auf magische Weise retteten. Dass er nicht allein aufgrund ihrer Versicherungen und Zusprüche begreifen würde, was er ihr bedeutete, das er die Schuld, die ihn erdrückte, nicht so einfach abwerfen konnte. Trotzdem hatte sie es versucht, hatte innerlich wohl sogar gehofft, dass er verstand, was sie meinte und es auch umsetzen konnte. Sie wusste nicht, was Faye ihm gestern alles ans Herz gelegt hatte, aber es war naheliegend, dass auch ihre Schwester versucht hatte, Mitch ans Herz zu legen, dass er gewisse Dinge in seinem Leben dringend angehen und ändern musste, wenn sie nicht alle zusammen untergehen wollten. Und trotzdem sass er hier auf der Bank, hatte viel zu viel Alkohol intus und war komplett am Boden. Sie liess ihn machen, als er sein Gesicht an ihrer Schulter versteckte, lauschte seinen Worten, die ihr Stück für Stück ein weiteres Mal das Herz brachen. Dabei war das doch eh schon komplett zerbröselt, so oft wie es gebrochen war... Allein das Zuhören war ganz einfach schon mit unendlich viel Schmerz verbunden, weil sie nicht sehen, nicht hören und nicht spüren wollte, wie kaputt ihr Freund offensichtlich wirklich war. Sie hatte gehofft, dass sie ihn früh genug aus seiner Zelle holen konnte, damit das nicht passierte. Aber sie war zu spät gewesen. Vielleicht nicht so viel zu spät, dass er schon eines Morgens an einem Bettlacken von der Decke gehangen hatte, aber so spät, dass er die Zerstörung nicht hatte hinter sich lassen können, als die Gefängnismauern gewichen waren. Sie war zu spät und es tat so weh. Und seine letzten vier Worte schoben sie endgültig von der Kante, liessen sie alles, was an Fassung übrig geblieben war, umgehend verlieren und ein verlorenes Schluchzen über ihre Lippen gleiten. "Nein, nein, bitte..!", es war keine besonders koordinierte Antwort, mehr nur Ausdruck ihrer innigen Verzweiflung, während sie sich erneut mit aller Kraft an ihn klammerte. Als möchte sie so verhindern, dass er ging, dass er ihr entglitt - falls das nicht schon längst passiert war. Sie schlitterten gemeinsam einen steilen Abhang hinunter, der absolut keinen Halt bot, der sie in die Tiefe sandte, direkt auf seine abrupte Kante zu. Und dann würden sie über die Klippe fliegen und fallen und es wäre vorbei. Aber das durfte es nicht sein, nicht jetzt! Nicht jetzt, wo die Zeiger ausnahmsweise auf ein gar nicht mal so beschissenes Leben hingedeutet hatten! "Ich kann dich nicht auch noch verlieren, Mitch! Bitte! Bitte... Bitte bleib bei mir! Wir finden einen Weg, irgendwie - das haben wir immer getan, oder? Es wird nicht anders sein diesmal. Irgendwie kommen wir wieder hoch, okay? Irgendwie schaffen wir das", sie versuchte gar nicht, das, was unter ihren Tränen steckte, irgendwie verbergen zu wollen. Viel mehr lag in ihren leicht hysterischen Worten die tiefe Panik, dass das Monster, die Schuld, von der er redete, ihn wirklich umbringen würde, er ihr in nicht allzu ferner Zukunft entrissen wurde und sie wieder für immer alleine wäre. Dabei hatten sie beide doch endlich nicht mehr allein sein wollen. Und es eigentlich ganz schön gefunden. Bis hierher. "Was... was, wenn du gar nichts tun musst... ausser bei mir zu bleiben... Niemand erwartet mehr von dir...", ausser vielleicht Easterlin, aber auf den sei erstmal geschissen. Ihre Stimme war wieder ganz leise geworden, mehr ein Flüstern unter all den neu hervorgebrochenen Tränen. Natürlich würde sie sich irgendwann mehr wünschen, als seine blosse Anwesenheit. Eben sowas wie Zuneigung, Liebe, Verständnis, ein offenes Ohr, Freundlichkeit und so weiter. Aber auch das war in diesem Moment komplett irrelevant. Alles, was für sie noch zählte, war, dass er ihr nicht ganz aus den Händen glitt. Denn etwas war anders bei Mitch, als es bei all den früheren Verlusten gewesen war, die sie schon erlebt hatte. Damals hatte sie nie wirklich einen Einfluss darauf gehabt, ob etwas passierte oder nicht. Ob die Person starb. Natürlich, im Nachhinein waren da immer Dinge, die sie hätte tun können, um das Unheil zu verhindern. Zum Beispiel ihren Vater dazu überreden, dass er nicht mit dem Auto wegfuhr, welches ihn Stunden später getötet hatte. Oder ihren Bruder von Anfang an von der Idee abbringen, dass die Army ein guter Plan war. Vielleicht hätte sie ihn am entscheidenden Tag sogar irgendwie aus dem Schneider ziehen können. Aber das war nicht das Gleiche wie hier mit Mitch, der ihr direkt sagte, dass sein Kopf, sein Leben ihn tötete. Wenn sie hier versagte, dann war sie mitschuldig daran, wenn er starb. Und das würde sie nicht auch noch überleben. Sie würde hinter ihm her in den Tod springen. Damit diese hässliche Achterbahn endlich ein Ende fand.
Es war ein durch und durch beschissenes Gefühl, von einer solchen Sache Kenntnis zu haben und gleichzeitig doch so fast gar nichts unternehmen zu können, um den hässlichsten möglichen Ausgang abzuwenden. Natürlich wollte sie hier nicht den Teufel an die Wand malen und lieber wirklich - wie schon gefühlt fünfzig Mal betont - darauf hoffen, dass Mitch und Aryana ihre Leben wieder so geradebiegen konnten, dass es eine Zukunft für sie gab. Eine Zukunft, die ihnen Freude bereitete, die Gutes herbeiführte und Glück. Aber Faye für ihren Teil hatte eben herzlich wenig Einfluss darauf, ob es ihnen letztendlich gelingen würde oder nicht. Sie konnte nur hoffen und warten und beten und ihre Hilfe anbieten, falls irgendwer je darauf zurückgreifen wollte. Victor hatte Recht. Sie sollten lieber einfach schlafen gehen, wo es für sie doch nichts mehr zu tun gab. Natürlich war es noch nicht unbedingt spät, aber das war nicht schlimm. Sie gingen gerne mal früh ins Bett, was sicherlich auch mit der Schichtarbeit zusammenhing, die ihren Alltag beeinflusste. Doch auch sonst war ihr Schlafen - oder liegen - meistens lieber, als Abende vor dem Fernseher, dem sie bis heute relativ wenig abgewinnen konnte. Klar, zwischendurch ein Film fand sie auch ganz gemütlich. Aber nicht unbedingt in einem Moment wie diesem, in dem sie sich sicherlich kein Bisschen auf den Film konzentrieren würde und somit getrost von dieser Pseudo-Ablenkung absehen konnte. Stattdessen schloss sie für einen Moment die Augen, als Victor ihr noch einen Kuss schenkte, bevor er sich schliesslich erhob um in Richtung Bad zu verschwinden. Faye bleib noch etwas sitzen, starrte vor sich hin und versuchte, die Gedanken, die sie sicherlich noch eine lange Zeit nicht schlafen lassen würden, wenigstens ein Bisschen zu ordnen. Was irgendwie ebenso aussichtslos war, aber gut. Als sie hörte, dass Victor das Badezimmer wieder verlassen hatte, gab sie ein leises Seufzen von sich, um sich ebenfalls in diese Richtung zu bewegen. Sie brachte die Abendroutine ebenfalls relativ rasch hinter sich und trat zurück auf den Flur, wo ihre Schritte sie aber wie jeden Abend zuerst noch zur Wohnungstür führten. Ihre unterschwellige Paranoia brauchte die Sicherheit, dass diese Tür wenigstens über Nacht wirklich abgeschlossen war, einfach - egal, wie sicher sie sich theoretisch sein könnte, dass Victor oder sie selbst schon abgeschlossen hatten. Weil grundsätzlich sowieso immer abgeschlossen war. Nach dem kleinen Umweg trugen ihre Füsse sie ins Schlafzimmer zu ihrem Freund, wo sie sich ebenfalls aus den Kleidern schälte und sich sehr bald bei ihm unter der Decke wiederfand. Wie üblich kuschelte sie sich umgehend sehr dicht an seine Brust, drückte ihm aber vorher noch einen liebevollen Kuss auf die Lippen, gefolgt von einem leisen "Gute Nacht". Es spielte auch überhaupt keine Rolle, wie bald sie letztendlich wirklich schlafen würden. Hauptsache das Bisschen Normalität, das seine Nähe und ihre abendliche Routine mit sich brachten, blieb bestehen, um ihrer Seele die nötige Grundlage zu schenken, überhaupt auch nur irgendwann zur Ruhe zu finden.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ich hasste es der Grund dafür zu sein, dass Aryana nicht aufhören konnte zu weinen. Dass sie selbst mindestens für den Moment nicht weniger als ich die Kontrolle abgab und sich einfach nur in einem Gefühl verlor, das sie gar nicht haben wollte. Ich hatte sie schon einmal sehr verzweifelt gesehen - damals, als Faye und Victor in den Hügeln festgesteckt hatten und ihr jegliche Hilf verwehrt blieb. Weil man ja nicht einfach so spontan einen Trupp entsenden konnte, um sie zu retten. Aber das hier war anders, weil ich selbst der Grund dafür war. Ihr zumindest hier und jetzt nicht maßgeblich dabei helfen konnte, wieder bessere Laune zu kriegen. Ich könnte sie nicht guten Gewissens anlügen und ihr sagen, dass ich wusste, dass ich das bald wieder in den Griff bekam. Lügen waren früher keine Seltenheit für mich gewesen, aber ihr gegenüber brachte ich das längst nicht mehr fertig. Und ich war es einfach müde eine Fassade aus dem Boden zu stampfen, die mein Inneres verbarg. Ob wir wirklich auch dieses Mal einen Weg finden würden? Ob ich mich selbst noch ein weiteres Mal aus dem Treibsand ziehen konnte, der mich schon mindestens bis zum Kinn verschlungen hatte? Ich würde es zumindest versuchen müssen. Aryana zu Liebe. Damit auch Faye und Victor zu Liebe, die unweigerlich mit an dieser dämlichen, verdammt rostigen Kette hingen. Genauso wenig, wie ich wollte, dass die Brünette auf meinem Schoß unter mir litt, wie sie es jetzt gerade tat, wollte ich, dass sie hinter mir her von der Klippe sprang. Es war ja auch nicht so, als würde ich wollen, dass ich so endete - aber ich wusste mir im Moment ganz einfach nicht mehr zu helfen. Fühlte mich endlos schuldig, spürte ständig diesen unbarmherzigen Druck in meiner Brust, wollte am liebsten nur noch schreien. Hatte mir mein eigenes Gefängnis aus fiesen Gedanken und den Stimmen gebaut, die mir ständig einreden wollten, dass ich es eigentlich auch gar nicht verdiente, jemals glücklich zu werden. Es schien so schrecklich aussichtslos. Ich schwieg ein paar Sekunden, versuchte dabei möglichst tief durchzuatmen, all die negativen Gedanken etwas zurückzudrängen. Mich nur auf das weinende Häufchen Elend in meinen Armen zu konzentrieren, das mich sehr viel dringender brauchte, als ich mich selbst. Ich hob den Kopf langsam wieder an, löste dabei aber auch meine linke Hand von ihrer Taille und streckte sie nach ihrem schmalen Hals aus. Schob dann meinen Daumen unter ihr Kinn und zwang sie behutsam dazu mich anzusehen. Ich war ja noch nicht weg. Ich war noch hier, saß direkt vor ihr. Mein Blick war immer noch von Tränen verschleiert und sichtbar niedergeschlagen, als ich Aryana in die Augen sah, aber er war zumindest nicht leer und tot. "Deswegen bin ich ja noch hier...", hauchte ich, streichelte mit dem Gesicht dicht vor ihrem mit dem Daumen über ihre Wange. Was das anging machte ich mir nichts vor - ich atmete nur deswegen noch, weil ich sie nicht im Stich lassen wollte. Nicht nach allem, was sie für mich getan hatte. "Wir... müssen wir ja. Ich will wieder hoch... mit dir... ich bin nur so... müde.", murmelte ich noch ein paar Worte hinterher, die sich auf die Lösungsfindung bezogen. Ja, vermutlich gab es auch aus diesem Loch irgendeinen Weg hinaus ins Freie, wenn selbst Faye einen für sich gefunden hatte. Aber wo der sein sollte und wie der funktionierte, da stand ich bisher komplett auf dem Schlauch. War eigentlich auch zu kaputt, um aktiv nach einer Lösung zu suchen und würde wohl mindestens was das anging die Hilfe meiner Freundin benötigen. Brauchte sicher mehr als nur einen Arschtritt, um mich aus meinem jetzigen Zustand zu lösen. Einfach aufzugeben schien mir wirklich wesentlich leichter, aber es war wohl einfach nicht mein Stil. Noch untypischer für mich, als das Weinen. Wenn mir Jemand sagte, dass ich kämpfen musste, dann tat ich das - selbst dann, wenn meine Beine quasi schon gebrochen waren. Dann kroch ich halt. Das war so eines der Dinge, die mir die Army erfolgreich eingetrichtert hatte. Aber ohne vorgegebene Richtung fühlte sich das Ziel im Moment fast unerreichbar an. "Ich brauch... deine Hilfe diesmal. Ich... schaff's nichts allein.", hauchte ich kaum hörbar noch vor mich hin. Und das waren Worte, die ich ohne das Nervengift in meinen Adern sicher niemals ausgesprochen hätte. Dass sie nicht erwartete, dass ich mehr tat als neben ihr zu existieren, hätte mich beinahe mit dem Kopf schütteln lassen. Etwas nüchternen betrachtet hingegen war ich zu mehr aktuell ohnehin nicht fähig. Vielleicht stellte ich was das anging gerade zu hohe Anforderungen an mich selbst, weil ich es erstmal schaffen musste wieder zu Atem zu kommen, bevor ich ihr ein guter Freund sein konnte. Aber da konnte ich schlichtweg nicht anders. Wollte auch dann noch funktionieren, wenn das Brennmittel der Antriebsflamme längst zur Neige gegangen war. Nur so hatte ich schließlich bis hierhin überlebt.
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Sie war sich ziemlich sicher, sich nicht mehr auf diesem Level elend gefühlt zu haben, seit dem Moment, in dem sie feststellen musste, dass Faye und Victor verschleppt worden waren. Als sie geglaubt hatte, ihre Schwester würde wegen ihr sterben. Und noch davor war es wohl zuletzt Julians Tod gewesen, der sie ähnliche Emotionen hatte spüren lassen, ein ähnliches Ausmass an Verzweiflung. Sie heulte hier immerhin nicht, weil sie betrunken war. Mitch hatte erfolgreich allen übriggebliebenen Alkohol seine Kehle runter geschüttet, um nichts mehr zu spüren - ihr somit auch die unliebsame Option zunichte gemacht, sich einfach ebenfalls zu betrinken. Nicht, dass sie das vorgehabt hätte, wenn die Flasche nicht leer gewesen wäre - aber trotzdem. Es würde ihre Laune auch kaum heben. Aber vielleicht ein Bisschen den Schmerz betäuben... Das war es doch, was man sich vom Alkohol erhoffen konnte, oder? Ach, sie wusste es nicht. Wie so vieles... oder fast alles. Sie hatte keine Ahnung und ihr Leben bestand aus Fragezeichen und Verzweiflung - mal wieder. Schade, dass das mit der Zeit nie einfacher wurde sondern eher nur immer schwieriger. Weil jedes Mal ein weiterer Versuch, endlich hochzukommen und diesmal den richtigen Pfad zu wählen, hinter ihr lag. Aber so einfach war es eben nicht, wenn man Aryana Cooper oder Mitchell Warwick hiess. Sie schienen einfach dafür geboren zu sein, von einer Scheisse in die nächste zu stolpern. Jemand musste sie bei der Geburt verflucht haben - oder Gott hasste sie einfach. Die Brünette hob den Kopf nur an, weil Mitch sie mit seinem Daumen dazu aufforderte, lockerte nur darum die Umarmung ein winziges Bisschen, weil das mit dem Anschauen sonst schwierig geworden wäre. War es ja sowieso, dank der Tränen, die sie mühselig wegzublinzeln versuchte, weil sie sie nicht wegwischen konnte, da sie die Hände auf keinen Fall von ihm lösen wollte. Seine Worte waren genauso traurig wie alle davor auch schon. Weil er ihr damit deutlich klar machte, dass er selber längst den Willen zu Leben verloren hätte - wenn sie eben nicht wäre, um ihm den Tod zu verbieten. Sie wünschte, er würde mehr darin sehen, als nur die Notwendigkeit, sie nicht mit sich runter zu reissen. Aber für den Moment musste das wohl reichen. Und sie musste alles geben, dass es auch in Zukunft noch reichte. Dass er nicht der Versuchung erlag, sich der Müdigkeit und Erschöpfung hinzugeben und einfach einzuschlafen. Die letzten beiden Sätze waren erneut unendlich schmerzhaft und Aryana lehnte schwer atmend die Stirn an seine, schloss dabei die Augen und versuchte Luft zu bekommen, um nicht im Sturm zu versinken. Ihr war schon klar, dass er das niemals zugegeben hätte, wenn er nicht eine halbe Flasche Schnaps intus hätte. Aber Tatsache war, dass er es soeben gesagt hatte. Er würde es auch betrunken niemals sagen, wenn er nicht absolut verzweifelt und am Boden wäre, wenn es nicht einfach die Wahrheit und nichts als die Wahrheit wäre. "Ich will dir helfen, Mitch. Mit allem was ich habe, mit allem, was ich kann und mit allem, was ich bin... Wir überleben das und dann werden wir stärker als je zuvor, ich... ich versprechs dir, okay?", ihre Stimme blieb ein brüchiges Flüstern, aber sie meinte jedes Wort genau so, wie sie es sagte. Und Aryana hielt sich immer an ihre Versprechungen. Immer - ausser wenn der Tod ihr mal wieder dazwischen griff. Aber das würde diesmal nicht passieren. "Ruh' dich einfach erstmal aus... Ich halte dich die ganze Zeit fest und niemand wird dich stören dabei...", natürlich war die Erschöpfung, die er angesprochen hatte, nicht unbedingt körperlicher Natur. Aber Mitch hatte die ganze Nacht fast nichts geschlafen. Und die Nächte davor war er auch unruhig gewesen. Vielleicht konnte man dem Alkohol ja noch was gutes abgewinnen und er würde wenigstens seinem Körper für einmal ein paar Stunden Erholung am Stück abgewinnen können... "Wollen wir ins Bett?", fragte sie leise, strich mit ihren Händen weiter immer wieder über seinen Rücken, als liesse sich dadurch die innere Unruhe von ihnen beiden lindern. Ihre Stirn lag noch immer an seiner und seine Lippen waren so nah, dass sie ihm nach diesen Worten einen zärtlichen, kurzen Kuss entgegenhauchte. Ein winziger Versuch, ihn - und sich selbst - zumindest vorübergehend aus dem Loch zu hieven.
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Nicht, das ich wirklich daran gezweifelt hätte, aber es tat dennoch gut zu hören, dass ich diesen schon jetzt schrecklich anstrengenden Weg nicht allein gehen müssen würde. Dass Aryana da war und auch da bleiben würde, selbst wenn ich hier gerade wie ein Schluck Wasser - oder eher Scotch - in der Kurve hing. Meine Augen fielen von ganz allein zu, als die Brünette ihre Stirn an meine lehnte und ich biss die Zähne fester zusammen. Wusste nicht wohin sonst mit all der von negativen Gefühlen verursachten, inneren Anspannung, die mich fest im Griff hatte. Also lauschte ich dem Versprechen, versuchte noch einmal tief Luft zu holen, weil meine Lunge sich eingeengt fühlte. Als würden mir die leidende Seele und das blutende Herz im Brustkorb den Platz zum Atmen nehmen. Stärker als jemals zuvor klang aber schön. Ich hatte mich schon eine endlos lange Zeit nicht mehr so kaputt, unbrauchbar und schwach gefühlt, wie ich das jetzt gerade tat. Das letzte Mal musste sicher noch in meiner Jugend- und Schulzeit zurückliegen... wobei, nein - an Selbstmord hatte ich vorher noch nie gedacht, daran würde ich mich ziemlich sicher erinnern. Ich war damals nicht selten frustriert und verzweifelt, auch wahnsinnig einsam gewesen, aber mit meinem jetzigen Gemütszustand zu vergleichen war das nicht. Es hatte ein Vierteljahrhundert gedauert, aber jetzt hatte das Leben wohl selbst mich gebrochen. Wie lange es wohl dauern würde, die Scherben meiner selbst wieder zusammen zu kleben, falls das überhaupt noch möglich war? Es klang nach einer anstrengenden Ewigkeit. Aber das war es schon irgendwie wert, wenn ich danach noch stärker war, oder? "Okay... ich... danke.", war alles, was ich wirren Worten noch fertig brachte. Ich wollte gerne daran glauben, dass ich auch das hier irgendwie wieder gerade gebogen bekam und nur stärker aus Alledem rausging. Es schien nur im Moment so weit weg zu sein, dass ich es mir schwer vorstellen konnte. Aber ich war wohl selbst für diese Art von Gedanken gerade wirklich zu müde. Wollte am liebsten gar nichts mehr denken. Mich erstmal ein bisschen auszuruhen war wohl das einzige, das gerade wie Musik in meinen Ohren klingen und mich in Bewegung bringen konnte. Denn auf der Bank hier schlief es sich schlecht und ich würde vermutlich nur kaputter aufwachen, als ich schlafen gegangen war. Ich konnte mir auch nicht wirklich vorstellen, dass es bei meiner Fahne angenehm war mich zu küssen, aber ich nahm dankend jeden Hauch von Zuneigung an, den ich bekommen konnte. Streckte meine Lippen zögerlich noch ein weiteres Mal nach Aryanas aus, um mir einen zweiten, ebenso kurzen Kuss zu erhaschen. Der salzige Geschmack war dabei vollkommen egal, störte mich nicht. "Ja... ausruhen klingt gut.", murmelte ich noch ein paar leise Worte an ihre Lippen, strich ihr dabei ein letztes Mal über die Wange. Danach hob ich den Kopf wieder an und nutzte die selbe Hand kurzum dazu mir die nervigen Tränen von den Augen zu wischen, weil ich beim Gehen gerne was sehen können wollte. Denn der Gedanke daran, dass ich nicht so sonderlich gut zu Fuß sein dürfte, nachdem ich mir innerhalb von nur zwei Stunden eindeutig zu viel hochprozentigen Alkohol in den Rachen gekippt hatte, stellte sich als sehr berechtigt heraus. Es dauerte noch einen kleinen Moment, bis die Brünette sich von mir löste und aufstand, bis ich selbst ebenfalls versuchte, mich auf die Beine zu hieven. So weit, so gut - stehen tat ich, aber mir wurde so schwindelig, dass ich mich erstmal ein paar Sekunden am gegenüberliegenden Geländer abstützen und warten musste. Darauf, dass ich nicht in den Abgrund dahinter kotzte und darauf, die schwarz flimmernde Wand wegzublinzeln und mir dabei mit der anderen Hand an die Stirn zu fassen, die unangenehm pochte. Mein Kreislauf war nach der sitzenden Trinkerei in der Kälte sichtlich wenig begeistert von der plötzlichen Aktivität und ich kam nicht umher leise vor mich hinzufluchen, bis der Spuk vermeintlich sein Ende gefunden hatte. Dann ließ ich die Hand wieder sinken, ließ vom Geländer ab und setzte mich in Bewegung. Es schien als würde der Körper mit zunehmendem Alter nicht gerade besser mit Alkohol klar kommen, denn von einer geraden Linie konnte man ganz sicher nicht mehr reden, während ich das Wohnzimmer durchquerte. Ich hätte nicht sagen können, wann sich die Welt vor meinen Augen das letzte Mal so abartig gedreht hatte, wo mir doch selbst das geradeaus schauen schon schwer fiel. Umkippen tat ich zwar nicht, aber spätestens nach dem Schlafen würde ich mich für einen derartigen Kontrollverlust vermutlich in Grund und Boden schämen. Ich machte den Umweg ins Badezimmer dementsprechend nur ungern, aber ich hatte mich in den letzten Stunden kein einziges Mal vom Balkon bewegt. Zumindest die Blase wollte leer gemacht werden und ich hatte immerhin noch so viele aktive Gehirnzellen, dass mir eine knappe Mundspülung doch essentiell vorkam. Vermutlich, weil ich den Alkoholgeschmack, der mir zwangsweise auch bis in die Nase hochzog, selbst gern loswerden wollte. Auch der Weg ins Schlafzimmer danach gestaltete sich noch einmal mit reichlich vielen Umdrehungen und ich war am Ende heilfroh, dass ich ohne irgendwo hängen zu bleiben oder gegen zu donnern mit einem leisen Seufzen auf die Bettkante sinken konnte. Für die nächsten paar Stunden hoffentlich keinen Schritt mehr vorwärts machen müssen würde, weil ich schlafen würde. Zumindest hoffte ich das, als ich meine Beine aufs Bett hob und mich gefühlt in Zeitlupe unter die Bettdecke schob. Sehr darauf bedacht, keine hektischen Bewegungen zu machen, weil hier nirgends ein Kotzeimer stand und ich mir diese Blöße außerdem nicht auch noch geben wollte.
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Der Geruch des Alkohols vermochte die Tragödie dieses Momentes wirklich noch einmal in all ihrem Ausmass zu unterstreichen. Nicht, dass sie es besonders genoss, ihn zu küssen, wenn er nach purem Hochprozentigem schmeckte. Aber das war wahrscheinlich einfach ein weiterer Versuch, ein Stück Normalität zurück zu gewinnen, sich ein Bisschen Gewissheit zu verschaffen, dass es irgendwie doch noch gut werden konnte. Egal wie unrealistisch diese Hoffnung im Moment wirklich schien, sie durften trotzdem nicht den Glauben daran aufgeben, weil sie sonst beide verloren waren. Und das konnten sie sich nicht leisten, das durfte einfach nicht passieren. So erwiderte sie auch den zweiten Kuss, der ebenso kurz ausfiel wie der Erste, hauchte Mitch ein weiteres Stück ihrer Liebe entgegen, bevor er ihren Vorschlag schliesslich als guten Plan akzeptierte. Es dauerte noch einen Augenblick, bis sie sich dann wirklich von ihm zu lösen begann. Weil es ihr - egal wie irrational das klingen mochte - im Moment wohl einfach Angst machte, ihn loszulassen. Weil irgendein panischer Teil ihres Gehirns eine Million Gründe sah, warum das gerade ihre letzte Umarmung gewesen sein konnte. Aber sie wollte gar nicht so weit denken, wollte nicht in dieses Loch schlüpfen, aus dem sie noch viel weniger je wieder raus finden würde, als das bei all den anderen der Fall war. Aryana erhob sich vorsichtig von seinem Schoss, strich sich dabei ebenfalls die Tränen von den Wangen, die jetzt immerhin langsam versiegt waren. Sie beobachtete Mitch dabei, wie er sich auf die Beine hievte und nach einer nicht zu kurzen Pause am Geländer schliesslich ziemlich unsicher nach drinnen wankte, unterdrückte dabei den Drang, ihn zu stützen oder gar bis ins Bad zu begleiten, weil ihn das mit Sicherheit nicht glücklich gemacht hätte. Sie musste seinen Zustand ja nicht auch noch mit unnötigen Gesten unterstreichen, wenn es auch anders ging, so gefährlich war sein Spaziergang dann auch wieder nicht. Als er schliesslich drinnen verschwunden war, blieb sie noch einen Moment draussen stehen, wandte sich dem Geländer zu, hinter dem die Welt langsam aufwachte. Wie an jedem anderen Tag. Sie war schon oft hier gestanden, hatte den Sonnenaufgang betrachtet und die Ruhe vor einem weiteren Tag voll Nichts genossen. Nicht zu selten waren ihre Gedanken dabei auch um ihren Freund im Gefängnis gekreist. Sie hatte sich gefragt, was er machte. Wie es ihm ging. Wann sie ihn das nächste Mal sehen konnte und ob er manchmal auch an sie dachte. Jetzt musste sie das eigentlich nicht mehr, denn Mitch war direkt hier, in ihrer Wohnung, physisch so nah. Aber eben leider nur physisch... Die Brünette kappte ihre ungesunden Gedankengänge, als sie die Badezimmertür ein zweites Mal hörte. Sie wandte sich mit einem weiteren Seufzen und einem Kopfschütteln von der Aussenwelt ab, ging zurück nach drinnen und schloss die Tür hinter sich. Ehe sie sich aber ebenfalls nochmal zurück ins Bett legte, trank sie ein Glas Wasser in der Küche und wusch sich im Anschluss im Bad das Gesicht mit kaltem Wasser, um die Spuren der Tränen den Abfluss runter zu schwemmen. Erst dann ging sie zurück ins Schlafzimmer, liess dort nun auch erstmal die Rollos runter, um das Licht soweit möglich nach draussen zu verbannen. Sie schlüpfte zu Mitch unter die Decke, war sich zwar nicht sicher, ob er ihre Anwesenheit wirklich brauchte, aber letztendlich wollte sie lieber hier sein, als dass er sich in den folgenden Stunden alleine unruhig von einer Seite auf die andere wälzte. Auch wenn der Alkohol hier vielleicht wenigstens eine positive Seite offenbaren würde und Mitch einen traumlosen Komaschlaf vergönnte... Aryana streckte die Hand nach ihm aus, strich immer wieder über seine Haare und seine Wange. Fast, als müsste sie sich selbst versichern, dass er wirklich hier war und jetzt einfach nur ausruhen musste, dabei nichts schlimmes passieren würde. "Schlaf gut", hauchte sie ihm zu, obwohl sie sich nicht sicher war, ob er das überhaupt noch hörte oder längst weggedöst war.
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Selbst, als ich die Augen zumachte, drehte sich für ein paar Sekunden noch alles im Kreis und ich fragte mich unweigerlich, warum man das als Jugendlicher so toll fand. Es kam mir so vor als wäre ich schon mein halbes Leben nicht mehr so betrunken gewesen und ich konnte beim besten Willen nur den Kopf über mein früheres Ich schütteln. War auch postwendend noch einmal froh darüber, dass ich mich im Knast nicht an irgendeinem synthetischen Stoff minderer Qualität bedient hatte, hätte ich mir damit doch wahrscheinlich erst recht den Magen ausgekotzt. Irgendwann legte sich der Schwindel dank der liegenden Position und ich konnte endlich etwas durchatmen. Mich langsam beruhigen, wobei sicher auch dabei der Alkohol seine Mitschuld hatte. Er konnte einen halt genauso gefühlsduselig, wie müde werden lassen. Eben ganz den Umständen entsprechend. Ich war fast schon eingeschlafen, als Aryana letztendlich zu mir ins Bett kam. Schlug die Lider auch besser nicht noch einmal auf, weil ich keine Lust darauf hatte den Schwindel erneut begrüßen zu müssen. Hätte mich ihr eigentlich gerne etwas zugedreht, aber auch das barg ein sehr heikles Risiko für erneute Übelkeit. Also blieb ich einfach auf dem Rücken liegen und genoss die kleinen Streicheleinheiten ihrer zierlichen Finger. Ließ mich sanft von ihnen in den nicht mehr fernen Schlaf begleiten, murmelte dabei nur noch ein kaum hörbares, abwesendes "Hmm, du auch." vor mich hin. Ich wusste gar nicht, ob die Brünette nun ebenfalls nochmal ein paar Stunden schlafen würde, oder ob sie sich einfach nur so zu mir legte. War wohl einfach eine ziemlich automatische Antwort, nachdem ich schon die vorherigen Nächte neben ihr geschlafen hatte. Das war so eines der wenigen Dinge, die noch immer ungewohnt, aber trotzdem gut waren. Auch, wenn ich weiterhin mehr schlecht als recht schlief. Sicher immer noch besser als ohne sie. Es zogen an die sieben Stunden ins Land, bis ich mich wieder regte. Meine Augenlider zuckten und das erste, was ich bewusst wahrnahm, waren höllische Kopfschmerzen. Ich verzog das Gesicht und kniff die Augen noch einmal etwas fester zu, hätte gerne noch ein paar Stunden länger vor mich hin gedöst. Aber der stechende Schmerz an den Schläfen war so penetrant, dass ich doch nach kurzer Zeit die Augen aufschlug. Es empfing mich eine angenehme Dunkelheit, in der an sich nicht viel zu sehen war. Das war im ersten Moment auch gut so, wären meine Augen von gleisendem Sonnenlicht gerade doch sicher nur wenig begeistert. So drehte ich mich grummelnd auf die Seite, landete mit der Nase an Aryanas Schulter und streckte daraufhin die Hand aus, um nach ihrer zu tasten. Strich ein paar Mal über ihren Handrücken, bevor ich mich wegen dem trockenen, rauen Hals räusperte. "Hast du 'ne Pille für mich?", hakte ich noch recht leise mit anschließendem Seufzen nach, ohne weiter ins Detail zu gehen, aber ich war mir auch sehr sicher, dass ich das überhaupt nicht musste. Ich wünschte es mir zwar augenblicklich, aber auch, wenn die Erinnerungen an meine betrunkene Fahrt ein wenig schwammig waren, hatte ich sie ja doch nicht ganz vergessen. Wusste noch, dass wir zusammen geweint hatten. Wusste noch, dass ich mich mit der jungen Frau unterhalten hatte. Wusste auch noch in etwa, was ich gesagt hatte... und hätte mir gerne einfach die Decke über den Kopf gezogen, um heute nichts mehr von der Welt sehen oder hören zu müssen. Ich war wirklich nicht der Typ Mensch, der Konfrontationen scheute oder gar Angst vor Konflikten hatte. Wenn es dabei aber um mich selbst, meine Gefühle und meinen offensichtlich schwer hängenden Kopf ging, sah die Sache etwas anders aus. Mir blieb ziemlich sicher nur leider nichts anderes übrig, als den Alkohol für das Senken meiner Hemmschwellen zu verfluchen und die Kopfschmerzen jetzt im Nachhinein zu betäuben, um mir die anstehenden Gespräche nicht noch schwerer zu machen, als sie das ohnehin werden würden. Sofern Aryana denn überhaupt Schmerzmittel parat hatte.
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Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie einfach neben ihm lag, während sie seinen Kopf und sein Gesicht streichelte. Zeit war in diesem Moment einfach vollkommen irrelevant. Da waren tausend Gedanken, die dabei ihre Runden durch ihr Gehirn zogen. Tausend Gedanken, tausend Ängste, tausend Fragen und keine Antwort. Aber die Ruhe half trotzdem, führte wenigstens dazu, dass ihre Nerven wieder in ihren Normalzustand zurückfanden und sich ihr Herz und ihre Seele zumindest minimal entspannten. Dass sie wieder ein Stück weit rationaler darüber sinnieren konnte, was sie tun mussten, um wieder - oder endlich - zu dem grünen Ufer des reissenden Stroms zu finden. Damit sie endlich nicht mehr wie zwei Ertrinkende in den Wogen hingen und hilflos gegen die Kraft des Wassers kämpften. Das Sinnbild des Flusses liess in ihrem Kopf für ein paar Sekunden die Erinnerung an einen andere Fluss aufflammen, ein schmutziger, hässlicher Fluss in einer besetzten syrischen Stadt. Da war Mitch ebenfalls mit ihr festgehangen. Da waren ihre Leben auch von rationalen Entscheiden, von Mut und Scharfsinn abhängig gewesen. Und wenn jemand versagt hätte, wären sie ebenfalls gestorben. Es hatte also gewissermassen Ähnlichkeit mit der Situation, mit der sie sich momentan konfrontiert sahen. Damals hatten sie auch den Plan erarbeiten müssen, der auf Biegen und Brechen funktionierte. Der vermutlich einzige Weg nach draussen. Und dann hatten sie sich an genau diesen Plan halten müssen, um letztendlich mit Erfolg auf die Sache zurückblicken zu können. Sie hatten es geschafft, hatten überlebt. Weil sie ebendies getan hatten. Und weil sie einen Plan gehabt hatten, den einen Ausweg, die eine unbewachte Stelle, die Lücke, die in die Freiheit führte, gefunden hatten. Das war es, was sie nun ein weiteres Mal schaffen mussten. Irgendwann war ihre Hand schwer geworden und Aryana hatte sie an seinem Arm abgelegt, ohne dabei ihren Blick von seinem Gesicht zu nehmen. Er sah selbst im Schlaf nicht so sorglos und friedlich aus, wie sie sich das so sehr für ihn wünschte. Das war ihr schon früher aufgefallen. Aber jetzt, mit dem Hintergrund und dem Wissen der letzten 24 Stunden, war es kaum mehr zu übersehen. Sie hoffte so sehr, dass sie das eines Tages zusammen erleben durften. Frieden, Sorglosigkeit, Glück, Freude. Emotionen, die momentan in so weiter Ferne lagen, obwohl sie in einer Beziehung doch nie weiter als bis auf Sichtweite verschwinden sollten. Tja, war dann wohl nur ein weiterer Punkt, in dem sie sich traurigerweise meilenweit von Normal entfernt hatten... Wahrscheinlich hatte sie ihm stundenlang beim Schlafen zugeschaut. Nach einer langen Zeit fielen aber auch ihre Augen unbemerkt wieder zu und sie begann, eher nur im Halbschlaf, vor sich hin zu dösen. Wahrscheinlich verhinderte ihr Unterbewusstsein automatisch, dass es zu mehr als diesem Dämmerzustand kam, um einerseits zu verhindern, dass sie von Alpträumen heimgesucht werden konnte und um andererseits ganz sicher zu merken, wenn ihr Freund sich wieder zu regen begann. Was dann auch nach einer gefühlten Ewigkeit tatsächlich der Fall war. Aryana hatte sofort die Augenlider hochgeschlagen, noch bevor sein Gesicht Bekanntschaft mit ihrer Schulter schloss. Von da an dauerte es dann nicht mehr lange, bis seine Stimme zu vernehmen war, die einen ziemlich gut nachvollziehbaren Wunsch äusserte. Die Brünette strich ebenfalls zweimal über seine Finger, ehe sie sich zuerst zum Sitzen aufrichtete und ihm ein "Klar... ich hol' dir rasch was", zukommen liess, nach dem sie sich auf die Füsse bewegte und in den Flur schlurfte. Aus einem der drei Einbauschränke gegenüber dem Badezimmer holte sie eine Box mit Alltagsmedikamenten, Pflastern und ähnlichem heraus, fischte sich eine Schmerztablette und versorgte den Rest wieder gründlich im Schrank. Mit der Pille ging sie in die Küche, um dort ein Glas Wasser abzufüllen, ehe sie mit ebendiesem Ballast zurück ins Schlafzimmer ging. Sie setzte sich auf die Bettkante und streckte Mitch beides entgegen, sobald er bereit dazu war, es auch erfolgreich zu empfangen.
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Lange dauerte es nicht, bis die Brünette sich in Bewegung setzte und mit ein paar entsprechenden Worten dazu ansetzte, mich mit Schmerzmittel zu versorgen. Der Schmerz war zwar im Grunde nur meine gerechte Strafe und ich hatte natürlich schon wesentlich Schlimmeres ausgehalten, aber schön war er eben trotzdem nicht. Außerdem war ich mit weniger oder noch besser keinen Kopfschmerzen sicherlich auch weniger gereizt und genervt. Während Aryana noch unterwegs war, blieb ich für den Moment reglos liegen. Nahm das erste Mal auch das flaue Gefühl im Magen wahr, das mir ziemlich eindeutig zeigte, dass ich mit dem Essen besser noch ein bisschen warten sollte. Glücklicherweise ließ sowas wie Appetit oder gar Hunger aber ohnehin auf sich warten und ich konnte gut noch eine Weile auf mein Frühstück... Mittagessen, oder was auch immer verzichten. Ich drehte mich schwer durchatmend zurück auf den Rücken und als meine Freundin schließlich zurückkam, stützte ich die Hände auf die Matratze und hob mich in eine sitzende Position. Der unangenehme Druck im Kopf verstärkte sich für ein paar Sekunden und ich verzog erneut das Gesicht, als ich mich mit dem Rücken ans Kopfende schob, um ohne großen eigenen Aufwand aufrecht sitzen zu können. Kurzzeitig schloss ich die Augen, aber das machte es nicht wirklich besser, also sah ich letztlich zu Aryana. Ich nahm ihr das Glas und die Tablette mit einem gemurmelten "Danke" ab. Trank wegen der trockenen Kehle zuerst einen kleinen Schluck Wasser vorweg, bevor ich die Pille runterschluckte und dann mit ein paar Schlücken verhältnismäßig zügig das Glas leer machte. So dehydriert wie damals in der australischen Wüste fühlte ich mich zwar nicht, aber mein Körper gab mir doch sehr deutlich zu verstehen, dass Flüssigkeit fehlte. Vielleicht half das Trinken mit Glück auch etwas gegen den Druck im Kopf. Als das Glas leer war stellte ich es erstmal auf dem Nachttisch ab. Brauchte dann noch einen kurzen Moment zum Durchatmen, weil mein ganzer Körper sich einfach schrecklich träge und gerädert anfühlte. Ich mich heute eben wirklich am liebsten nicht mehr aus den Laken gerollt hätte, aber das stand eigentlich nicht zur Debatte. Erstens brauchte ich dringend sowas wie eine kalte Dusche und zweitens würde ich mich nicht weiter vor dem jetzt noch notwendigeren Gespräch drücken. Auch, wenn ich das inzwischen doch gerne tun wollte, weil es durch meine wortwörtliche Schnapsidee kaum einfacher geworden sein dürfte. Ich konnte jetzt schlecht noch so tun, als wäre es nicht ganz so schlimm, wie es sich wirklich anfühlte, hatte viel zu viel davon nach außen getragen. Ich dachte einen Moment lang darüber nach, wie man das ganze Unterfangen vielleicht etwas weniger schlimm gestalten und abmildern könnte, als ich mit meinen Fingern erneut zögerlich nach Aryanas angelte. Mein Kopf kippte leicht in den Nacken, als ich ihn an die Wand hinter mir lehnte und dann mit meinen Augen den Blick der Brünetten auffing. "Ich wollte nicht...", ja, was? "...ich hab keine Ahnung, was ich vorhatte.", änderte ich den Satz mit einem schweren Seufzen um und machte die Augen nochmal zu. Ich hatte mich eigentlich nicht mit dem Ziel mich gefühlt umzubringen dem Alkohol hingegeben, hatte aber irgendwie nicht aufhören können, weil er für den Moment so herrlich betäubt hatte. Der jungen Frau solche Sorgen zuzumuten war auch nicht in meinem Sinn gewesen, aber provoziert hatte ich es mit der Trinkerei trotzdem. War wohl nur eine weitere egoistische, undurchdachte Tat, die ich meinerseits verbuchen konnte. "Können wir... das Gespräch irgendwo draußen abhaken? Irgendwo, wo wir allein sind..?", machte ich einen Vorschlag zu irgendwie weniger vorbelastetem Terrain, hob dabei auch die Lider wieder an. Meine Augen wanderten zum Wecker auf dem Nachttisch, danach wieder zurück zu Aryana. "Und vielleicht einen Umweg über den Gitarrenladen machen? Ich wollte das eigentlich heute machen und der hat nicht so lange auf... nachdem ich geduscht hab natürlich.", hängte ich leicht gemurmelt noch einen weiteren, kleinen Vorschlag an. War nie gut, wenn man sich quasi schon selbst riechen konnte und der Alkohol wollte weggewaschen werden. Ursprünglich war eben auch nicht geplant gewesen, dass ich mich komplett abschießen ging, um dann den nächsten halben Tag zu verpennen. Aber gut, dass das Leben selten so spielte, wie ich das gerne wollte, war ja nichts Neues - dass ich mir das gerade selbst zuzuschreiben hatte mal dahingestellt. Wenn sie der Umweg aber auf heißen Kohlen sitzen Kohlen sitzen lassen würde, konnte ich das auch morgen noch machen. Ich hatte wohl dennoch das leise Bedürfnis dazu irgendwas Positives zu spüren, bevor ich mich unter Umständen in das nächste Loch stürzte, weil Aryana kaum gefallen dürfte, was mir aktuell so alles durch den Kopf geisterte und da sein Unwesen trieb. Für gute Laune sorgte das noch anstehende Gespräch ganz sicher nicht.
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Es war wohl ziemlich offensichtlich, dass es Mitch gelinde gesagt noch immer scheisse ging. Auch wenn momentan eher sein körperlicher Zustand daran Schuld war, dass er das Gesicht verzog, so war doch klar, dass auch der Rest von ein paar Stunden Schlaf nicht auf magische Art geheilt worden war. Leider. Das wäre eine wirklich einfache, wirklich praktische Lösung ihrer Probleme... Die Brünette schaute ihm mehr oder weniger besorgt dabei zu, wie er sich in Sitzposition quälte und reichte ihm im Anschluss die hoffentlich wirkungsstarke Pille, ehe ihre Augen zurück auf die Bettdecke fanden. Sie wollte ihn ja auch nicht die ganze Zeit beobachten wie eine etwas zu fürsorgliche Mutter. Das war sie ja nicht - sie war nur seine Freundin und würde alles dafür geben, endlich sowas wie ein normales Leben mit ihm führen zu dürfen. Betrinken könnten sie sich dann auch, wenn sie so unbedingt das Bedürfnis verspüren würden. Aber eben viel lieber unter etwas anderen Umständen und mit anderen Gründen... Aryana hob den Blick erst wieder an, als sie seine Finger an ihrer Hand spürte, automatisch sofort nach seinen griff und sie locker miteinander verschränkte. Die etwas unbeholfenen Worte, die er ihr gleich darauf zuschob, liessen sie nur wieder leicht den Kopf schütteln. "Ich weiss, Mitch.. ich mach' dir auch keine Vorwürfe. Auch wenn wir wohl vorerst besser auf Alkoholkauf verzichten werden, hm?", war alles, was sie gegen Ende mit leicht sarkastischem Unterton darauf sagte. Es wäre wohl sicherer für sie beide, da bekanntlich auch sie selbst dazu neigte, in Stresssituationen dem Drang zu trinken nachzugeben. Spätestens in Anbetracht der Tatsache, dass Mitch die Flasche direkt ausgetrunken hatte, war es wirklich von Vorteil, sie stockten den Vorrat in nächster Zeit nicht wieder auf. Wenn ihn nämlich eine ganze Flasche anlachte und er nicht wusste, wann genug von dem Gift seine Kehle runter geflossen wäre, wurde das nunmal mehr als ein Bisschen gefährlich. Also besser nicht riskieren... Sie hatte in der Tat nicht damit gerechnet, dass er direkt wieder auf das Gespräch, welches ihnen noch bevorstand, zu sprechen kommen würde. Hätte es für ihren Teil sogar vollkommen verstanden - wenn auch nicht zwangsläufig gutgeheissen - wenn er es lieber nochmal um einen Tag verschoben hätte, nach allem, was letzte Nacht passiert war. Aber das stand ihm offenbar selbst nicht im Sinn und Aryana konnte seinen Vorschlag nur gutheissen. Es war immer von Vorteil, wenn solche Sachen nicht im eigenen Wohnzimmer beredet werden mussten, da diese Gespräche immer Erinnerungen zurückliessen und diese nicht zwingend positiv ausfallen mussten. Sicherlich hatte sie nichts dagegen, nicht noch mehr Ballast auf diesen Ort zu laden, den sie eigentlich ihr Zuhause, einen Zufluchtsort, eine sichere Heimat nennen können sollten. Die junge Frau nickte alle seine Vorschläge der Reihe nach ab, hatte bei keinem davon wirklich was einzuwenden. Besonders nicht die Sache mit dem Gitarrenladen. Es war ihr nicht direkt anzusehen und sie wollte den Funken Hoffnung, den diese Worte in ihrem Herzen auslösten, auch gar nicht unbedingt zeigen, weil sie den Gedanken dazu nicht mit Mitch teilen wollte. Aber wenn er noch immer an dem Plan, eine Gitarre zu kaufen, festhielt, das auch heute direkt erledigen wollte, dann... dann bestand doch wirklich noch Hoffnung, oder? Niemand, der sich heute oder morgen die Pulsader aufreissen wollte, würde direkt davor eine Gitarre kaufen, oder? Die kaufte man ja immerhin, um sie zu benutzen. Um darauf Lieder zu spielen, ganz egal was für Lieder das letztendlich waren. Mitch würde heute kein Instrument zulegen wollen, wenn er nicht planen würde, in Zukunft an deren Saiten zu zupfen. Wenn er nicht vorhaben würde, es wirklich noch einmal zu versuchen. "Ja, klingt gut. Dann fahren wir zuerst zum Laden und dann wohin... Ich hab' vielleicht sogar eine Idee, die etwas Ruhe versprechen könnte...", stimmte sie nach einer etwas längeren Pause zu. Sie wohnte seit fast einem ganzen Jahr hier, hatte also definitiv genug Zeit mit sich selbst damit verbracht, sich die Gegend ein Bisschen anzuschauen. Es gab ein paar Hügel etwas ausserhalb des Ortes aber nicht zu weit entfernt. Die Hügel waren nicht unbedingt als besonders beliebte Ausflugsziele bekannt, weshalb sie dort sicherlich ihre Ruhe finden würden - wie sie es so oft zuvor auch schon getan hatte. Man konnte von oben über eine weite Ebene an Felder und Dörfer blicken, hatte dabei aber wie gewünscht seine ganz eigene Einsamkeit. Ihrer Meinung nach also ganz gut geeignet für sie beide, die an diesem Tag lieber weniger als gar keinen Menschen begegnen würden.
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Man sollte zwar meinen, dass mir die Eskapade der letzten Nacht definitiv eine Lehre wäre, aber ich würde wohl dennoch nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass ich keinen Alkohol anrühren würde, wenn es mir wieder ähnlich beschissen ging wie vor ein paar Stunden. Es war also ziemlich sicher besser für beide Parteien, wenn wir uns vorerst nicht mutwillig Alkohol ins Haus schleppten. Ich wollte Ausfälle wie den gestrigen zukünftig lieber vermeiden und da war es das schlaueste die Hauptquelle im Keim zu ersticken. "Ja, ist sicher besser so.", stimmte ich Aryana mit einem schwachen Nicken zu. Ich wollte sie nicht noch einmal weinend auf meinem Schoß empfangen müssen und dabei der Grund für ihre Tränen sein. Vielleicht würde das trotzdem nochmal in irgendwie anderer Form passieren, aber dann zumindest nicht aufgrund eines sinnlosen Besäufnisses, das definitiv vermeidbar war. Ich streichelte beiläufig über ihre Finger, während sie mir zusätzlich zu dem leichte Nicken auch noch mit Worten symbolisierte, dass sie gegen meine Planung nichts einzuwenden hatte. Weder gegen den Gitarrenladen als erstes, noch gegen die Verlagerung des Gesprächs in ein offeneres Gebiet. Es schien also zumindest schon mal nicht unnötig anstrengender werden zu müssen, als es das zwangsläufig sowieso schon wurde und bis dahin waren die Kopfschmerzen dann hoffentlich auch weg. Leider wirkten auch Schmerztabletten nicht auf Knopfdruck. "Okay... schön." Mir war wohl anzuhören, dass ich noch immer kein Stück wacher war als vor wenigen Minuten und ich hoffte wirklich, dass eine eher kalte Dusche dabei Abhilfe schaffen konnte. "Dann... geh ich jetzt lieber mal duschen. Sonst wird's noch später.", murmelte ich vor mich her, kurz bevor ich Aryanas Hand etwas anhob und mich nach vorne beugte, um sie auf die Fingerknöchel zu küssen. Es tat mir einfach wirklich leid, wie ich mich verhalten hatte und ich fühlte mich schlecht deswegen. Sowohl der Auftritt bei Faye und Victor, als auch die Balkonszene waren absolut unschön gewesen. Vielleicht suchte ich parallel dazu auch einfach ihre Nähe, weil ich sie brauchte, aber das musste für die Dusche erstmal hintenan stehen. Ich ließ ihre Hand also los und rutschte ein Stück auf dem Bett nach vorne, um neben ihr die Beine unter der Decke hervorzuschieben und die nackten Füße auf den Boden zu stellen. Ich wartete mit dem Aufstehen nicht allzu lange und weder mein Magen, noch mein Kopf waren glücklich darüber. Deshalb ging ich auch leise grummelnd zum Kleiderschrank, um mir ein paar taugliche Klamotten rauszusuchen. Meine Füße trugen mich weiter in den Flur und ich grummelte die Worte "Ich bin echt schon zu alt für 'nen Kater." vor mich her. Im Badezimmer angekommen - nein, ich schloss die Tür nach wie vor nicht gerne ab, wenn ich mich länger als 5 Minuten darin aufhielt - fackelte ich nicht lange damit mich aus den Shorts und der Unterwäsche zu schälen, bevor ich unter die Dusche stieg. Den Wasserhahn drehte ich anfangs gar nicht erst auf Warm, ließ mich sicher an die zwei Minuten von ziemlich kaltem Wasser berieseln. Das belebte mich zumindest ein bisschen und wusch den Kopf mal für eine kurze Zeit leer, weil ich mehr mit der Kälte und meinem wach werdenden Kreislauf beschäftigt war. Dann drehte ich das Wasser aber doch zumindest lauwarm, während ich der Körperhygiene nachging. Mein Körper hatte letzte Nacht bestimmt schon genug gefroren. Im ersten Moment war ich danach versucht noch längere Zeit einfach unter dem Wasserstrahl stehenzubleiben. Tat das auch etwa eine Minute lang, bis ich merkte, dass die lästige Denkerei in Einsamkeit auch unter der Dusche keine Ausnahme machen wollte. Also drehte ich mit einem Kopfschütteln das Wasser ab und hüllte mich kurz darauf in ein Handtuch, um an den Spiegel am Waschbecken zu treten. Rasierte mir sorgfältig die schon wieder aufkommenden Stoppeln im Gesicht, bevor ich mir die nach wie vor zu langen Haare föhnte. Die Strähnen wurden immer schwerer und fielen mit demnach auch immer häufiger nach vorne ins Gesicht, sobald das Haarwachs nach ein paar Stunden nachzulassen begann. Aber gut, ich machte auch daraus das Beste und sah mich nach dem Zähneputzen noch einen Moment lang im Spiegel an. Bemerkte die noch dunkler gewordenen Schatten unter meinen Augen und wandte mich dann doch lieber meinen Klamotten zu, um diesem menschgewordenen Elend nicht länger ins Gesicht sehen zu müssen. Inzwischen dürfte es draußen doch deutlich wärmer sein als in der Nacht, also reichten die schwarzen Jeansshorts und das künstlich verwaschene, dunkelgraue Shirt ziemlich sicher aus. Ich schlurfte zumindest ein bisschen wacher als vorher zurück in den Flur, um dort schon mal beiläufig meinen Geldbeutel einzusammeln, während ich mich auf den Weg zum Kühlschrank machte. Es schien mir nur richtig eine Flasche Wasser mitzunehmen, weil ich nach wie vor Durst hatte. Also nahm ich in aller Ruhe an die Theke gelehnt erst noch ein paar Schlucke, bevor ich die Flasche wieder zumachte und noch einen Abstecher ins Schlafzimmer machte. Dort sammelte ich die fast leere Kippenschachtel aus der gestrigen Hose und ging damit zurück in den Flur. Aryana war schon im Flur und ich musste mir nur noch die schwarzen Sneaker - was war eigentlich Farbe? - anziehen, damit es losgehen konnte. Ich hoffte wirklich im Laden fündig zu werden und damit zumindest mal sowas wie einen Funken Freude zu spüren.
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Da waren sie sich also in einer weiteren Sache einig. Wenig überraschend, aber das war gut so. Genau betrachtet waren sie sich sogar in den meisten Dingen einig, wenn sie sich Mal Gedanken darüber machte. Jedenfalls, wenn sie sich in nüchternem, ruhigem Zustand unterhielten. Das und das kurze Streicheln über ihre Finger, stimmte sie zusammen mit den vorangehenden Informationen schon fast wieder etwas positiv für den Ausgang dieses Tages. Sie wusste durchaus, wie tief sie in der Scheisse steckten. Aber Aryana versuchte eben trotzdem immer, irgendeinen Ausweg zu sehen, um nicht die Nerven zu verlieren. Dem Gesamtbild irgendwas Positives abzugewinnen. Irgendein Zeichen dafür, dass es noch Licht in der Dunkelheit gab. Sie war vielleicht keine Hardline-Optimistin, aber das hiess nicht, dass sie nicht doch ein Bisschen in diese Richtung zu denken versuchte. Weil sie, allgemein bekannt, so unglaublich schlecht im Aufgeben war. Die junge Frau nickte seine Worte erneut ab, als er meinte, jetzt wohl erstmal in Richtung Dusche zu gehen. Und wieder überraschte er sie mit einem beiläufigen Akt der Zärtlichkeit, küsste ihre Finger, noch bevor er sich vom Bett schob. Das löste sofort ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht aus, eines, wie es Angesichts der ganzen Situation wohl kaum angebracht war. Aber sie konnte nicht leugnen, dass ihr das gefiel. Dass sie es liebte, wenn er mit solchen spontanen Gesten zeigte, dass er sie nicht wirklich von sich stossen wollte. Und gerade jetzt bedeutete es wohl darüber hinaus auch einfach, dass er die Worte der letzten Nacht ernst gemeint hatte - ganz egal wie viel Alkohol dabei mitgeredet hatte. Dass sie das gemeinsam machen - und schaffen - würden. Aryana blieb noch einen Moment auf dem Bett sitzen und starrte vor sich hin, streichelte sich mit den Fingern der anderen Hand über die Knöchel, welche er kurz davor an seine Lippen geführt hatte. Dann begab auch sie sich eher träge auf die Beine, machte erstmal die Rollos hoch, um das definitiv fortgeschrittene Tageslicht endlich ins Zimmer zu lassen. Sie öffnete das Fenster noch für ein paar Minuten, machte das Bett und schälte sich aus ihrem Pyjama, um sich im Anschluss mit frischer Unterwäsche, einer dünnen, olivgrünen Stoffhose und einem schlichten schwarzen Top mit Spaghettiträger wieder einzukleiden. Als Mitch sich im Bad fertig vergnügt hatte, fanden auch ihre Füsse noch einmal den Weg in diesen Raum, sie putzte sich die Zähne und kämmte die Haare zu einem Pferdeschwanz. Wieder im Flur packte Aryana ihr Handy, den Geldbeutel, die Sonnenbrille und rein vorsorglich etwas Sonnencreme in eine kleine Umhängetasche, entschied sich dann aber doch nochmal um und schob die Sachen stattdessen in einen leichten Rucksack. Dazu gesellten sich nun auch noch ein Notizblock mit Stift - einfach, falls sie das Bedürfnis haben sollten, etwas aufzuschreiben - und wenig später die Getränkeflasche, welche Mitch in der Zwischenzeit schon bereitgestellt hatte. Aryana schlüpfte in ihre Sneaker und als sie beide bereit waren, lag die Wohnung auch bald hinter ihnen. Beim Auto angekommen setzte selbstverständlich mal wieder sie sich hinters Steuer, was angesichts der letzten Nacht vielleicht auch einfach gerade die bessere Idee war. Sie lenkte den Wagen nach seinen Anweisungen zu dem Geschäft, welches Mitch anpeilte, stellte das Auto nach wenigen Minuten Fahrt direkt vor ihrem Zielobjekt auf einem der drei Parkfelder ab und löste die Schnalle des Sicherheitsgurtes. Etwas zögernd huschte ihr Blick zu Mitch, als ihr ein Gedanke kam, den sie auch zugleich aussprach. "...Oder soll ich lieber hier warten..?", fragte sie, weil sie doch auf keinen Fall riskieren wollte, ihm wie eine Klette am Hals zu hängen, wenn er sich die Gitarre lieber selbst aussuchen wollte. Sie würde ja ohnehin nichts dazu beitragen - wusste zwar auch nicht genau, in welcher Hinsicht sie bei dem Besuch des Instrumentenladens mit ihrer Anwesenheit stören konnte, aber eben, lieber auf Nummer Sicher gehen. War ja nicht so, als würden sie ein paar Minuten allein im Auto gleich umbringen oder in ihrem Stolz verletzen oder was auch immer.
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Ich weiß nicht wieso, aber mir war wohl nach... viel schreiben. XD ____
Die Flasche wanderte noch in Aryanas Rucksack und dann ging es auch schon runter zum Auto. Ich hatte wohl gerade heute noch weniger Problem damit auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen, als das sonst schon der Fall war. Die Schmerztablette ließ noch auf sich warte, als ich gegen das Sonnenlicht blinzelte, das durch die Frontscheibe fiel. Mein Blick wanderte allerdings schon recht bald zurück nach vorne, als das Auto in Gang war und ich ein bisschen Navigationsgerät spielen musste. Ich hatte mir den Weg schon ein paar Mal auf dem Handy angesehen und hatte mir an Kreuzungen einfach essentielle Dinge gemerkt, wie beispielsweise welches Geschäft sich dort befand. Das war sicher auch gut so, denn ich hatte mein Telefon ganz bewusst gar nicht erst gesucht. Hatte keine Lust darauf, mich von Faye oder Victor in ihrer Überfürsorglichkeit anrufen zu lassen. Wenn sie es wusste, dann wusste er es auch. Eigentlich hielt ich sie schon für schlau genug, um zu wissen, dass ich keine Lust auf auch nur irgendeine Art von Konversation hatte, die sich an mein Wohlbefinden richtete, aber ich erstickte diese Möglichkeit gerne im Keim. Am Laden angekommen zögerte ich nicht damit mich abzuschnallen und hatte die Hand schon am Griff der Beifahrertür liegen, als Aryana mich danach fragte, ob sie überhaupt mit reinkommen durfte. Ich schüttelte schon ziemlich bald ein wenig mit dem Kopf. "Kannst ruhig mit rein.", ließ ich sie auch wörtlich noch wissen, dass sie von mir aus gerne ebenfalls einen Fuß in das kleine Geschäft setzen konnte. Zwar war es durchaus möglich, dass ihr das ein bisschen langweilig wurde, weil sie dabei eben einfach nichts zu tun hatte, aber ich würde sie nicht daran hindern. Also stieg ich aus und ging die paar wenigen Meter zum Eingang rüber. Eine kleine Glasfront ließ schon ein paar Instrumente sehen, ehe ich den Laden mit einer ganz klassischen Klingel über der Tür betrat. Noch war der nach hinten langgezogene Raum leer und Niemand da, also ging ich zur rechten Wand, an der ein paar Exemplare hingen. Es fiel ins Auge, dass jedes Stück hier ein Unikat war, weil sich an jedem kleine Details versteckten. Beispielsweise ein schmaler Ring in auffälliger Farbe rund um das Schallloch oder Stimmwirbel in einzigartiger Form. Allerdings zog doch eine Gitarre vermehrt meine Augen auf sich. Vielleicht lag es einfach an der herausstechenden, mattschwarzen Lackierung des Korpus, die ganz einfach zu meiner aktuellen Stimmungslage passte. Nur ein paar weiße Zierleisten am Rand und um das Schallloch herum, sowie der holzfarbene Gitarrenhals hoben sich davon sehr deutlich ab. Ich nahm das Instrument vorsichtig von der Halterung an der Wand und im selben Moment sah ich im Augenwinkel einen älteren Mann aus der Tür am hinteren Ende des Raums kommen. Ich musste ihn nicht einmal direkt ansehen, um zu sehen, dass er dabei einseitig hinkte. Er ging in etwa so wie Jemand, dem bei der Army mal das Knie zerschossen und eine künstliches eingesetzt worden war. Als ich die Gitarre wie beim Spielen in meinen Fingern positionierte, um zu sehen, ob sie gut in der Hand lag, setzte er zu einer sehr freundlichen, in sich aber ruhigen Begrüßung an und ich hob den Blick, um ihn ebenfalls zu begrüßen. "Ich sehe, Sie suchen eine Gitarre... sind sie etwa schon fündig geworden?", hakte er nach. Ich antwortete nicht sofort darauf, sondern sah wieder auf das Instrument in meinen Händen hinunter und musterte es erneut. Die Optik gefiel mir in ihrer schlichten Eleganz, aber das Aussehen allein war eben nicht alles. "Vielleicht.", war als erste Antwort alles, was er bekam. Es war irgendwie ein bisschen gewöhnungsbedürftig, nach einer so langen Zeit jetzt wieder eine Gitarre in den Händen zu halten und ich brauchte noch einen kurzen Moment, um mich dazu zu überwinden, ein paar leise Klänge zu spielen. Jede Gitarre klang ein bisschen anders, was ganz einfach dem Material zu verschulden war, das nie absolut identisch war. Aber die hier klang gut, auch wenn sie etwas nachgestimmt werden musste. War aber auch normal, wenn sie da vielleicht schon eine Weile untätig an der Wand gehangen hatte und mit ein paar Handgriffen ließ sich das schnell erledigen. Das ging allerdings leichter mit Stimmgerät, auch wenn ich es für gewöhnlich nur nach Gehör machte. Der gute Mann hatte ziemlich sicher eins hier. "Könnten Sie sie nochmal stimmen..?", bat ich ihn darum bei den minimal verstimmten Saiten Abhilfe zu schaffen. Er nickte lächelnd mit einem "Natürlich, mach ich gerne." und nahm mir das Instrument vorsichtig ab. Ich folgte ihm an den Tresen weiter hinten, als ich die anderen Gitarren an der Wand noch mit einem flüchtigen Blick versehen hatte. Es dauerte nicht lange, bis die Saiten wieder richtig gespannt waren und er mir die Gitarre zurückgab, damit ich erneut daran zupfen konnte. Die zweite Klangprobe war astrein und das erste, schwache Lächeln des heutigen Tages bahnte sich den Weg auf meine Lippen. "Jemand hat mir gesagt, dass sie die Instrumente alle selber machen..?" Er nickte. "Können Sie was eingravieren?", hakte ich weiter nach. Er lächelte noch breiter. "Ja, die Werkstatt ist gleich hinten. Kommen Sie.", bat er mich mit einer eindeutigen Handbewegung, ihm zu folgen. Ich warf nur noch einen kurzen Blick zu Aryana, dann setzte ich zur Verfolgung mitsamt Gitarre in der Hand an. Ließ sie für den Moment allein im Ausstellungsbereich zurück, um dem hinkenden Gitarrenbauer in seine kleine Werkstatt zu folgen. Der holzige Geruch erinnerte mich an irgendwas, aber ich kam gar nicht dazu mich wirklich damit zu befassen, weil der ältere Mann mir noch während er sich eine Arbeitsschürze anzog danach fragte, was ich für eine Gravur wollte. Ich nannte ihm unsere Vornahmen und sagte, dass ich unsere Initialen wollte, aber genauere Vorstellungen dazu hatte ich nicht, war es doch ein sehr spontaner Impuls gewesen. "Sie beide sind ein Paar, nehme ich an..?" Ich nickte, während er mir die Gitarre abnahm. "Und warum wollen Sie das auf ihrer Gitarre verewigen?", stellte er mir eine weitere Frage. War das nicht offensichtlich? Ich meine, wir wären kein Paar, wenn wir uns nicht lieben und einander viel bedeuten würden. Mir schien als würde er eine tiefere Bedeutung haben wollen. "Weil ich... sie bedeutet mir einfach viel... sie ist der einzige Mensch, dem ich überall hin folgen würde.", murmelte ich nachdenklich vor mich hin, weil ich mir selbst nicht so ganz sicher damit war, was mich zu dieser spontanen Aktion bewegt hatte. Hatte ich einfach nur ein schlechtes Gewissen und wollte ihr damit was Gutes tun, sie teilhaben lassen? Nein, eher nicht. Aber dem Gitarrenbauer schien das schon zu reichen und er fragte mich nur noch, wo ich die Gravur hinhaben wollte, bevor er loslegte. Während er sorgfältig seine Arbeit machte zogen ein paar Minuten ins Land und ich begann mich doch noch mehr in der Werkstatt umzusehen, ein kleines bisschen herumzuwandern, ohne dabei irgendwas anzufassen. Als der Mann mit grau meliertem Haar dann kundtat, dass er fertig war, ging ich jedoch zügig zu ihm zurück und sah mir an, was er nun eigentlich gemacht hatte. Er hatte die Buchstaben nah aneinander gesetzt und sie mit einer gebogenen Linie auf halber Höhe etwas abgesetzt. Bei genauerer Betrachtung kam es mir vor wie ein Horizont und ich begann zu verstehen, warum er gefragt hatte. Es war wohl nicht sein Stil, einfach nur stumpf irgendwelche Initialen auf Instrumenten zu verewigen, wenn es nicht ausdrücklich gewünscht war. "Sie sind ein kleines Genie, wissen Sie das?", fragte ich ihn durchweg ironisch, was ihn leise lachen ließ. "Das muss man nicht sein, wenn Sie beide sich im selben Raum aufhalten. Es ist als... würden sie immer übereinander wachen, selbst, wenn sie sich nicht ansehen." Meine Augenbrauen zuckten in die Höhe, während er vor sich hinredend dabei war, sich die Schürze wieder auszuziehen. Philosoph war er jetzt auch noch? Ich beschloss nichts weiter dazu zu sagen. Ja, ich würde Aryana wohl bis zum Horizont und noch weit darüber hinaus folgen. Würde auch mit ihr von der Kante springen, wenn die Erde eine Scheibe wäre. Aber der werte Herr war mir ein bisschen zu gescheit. Also fragte ich ihn lieber nach dem Preis, als weiter beim vorherigen Thema zu bleiben. Ich wusste, dass Einzelstücke grundsätzlich wesentlich teurer waren als Massenabfertigung, aber insgeheim hatte ich vielleicht doch auf ein kleines bisschen weniger gehofft. Sie war mir die paar hundert Dollar trotzdem wert, keine Frage. Wir gingen also zurück nach vorne und er legte dort die Gitarre, sowie ein paar im Preis inbegriffene Ersatz-Saiten auf den Tresen. Sagte mir noch, dass ich jederzeit vorbei kommen konnte, wenn irgendwas mit der Gitarre nicht stimmen sollte und schob mir dann das etwas ältere Gerät zur Kartenzahlung zu. "Danke, Mr. ..?", erkundigte ich mich nach der Zahlung nach seinem Namen. "Benjamin.", stieg er auf die persönlichere Anrede um. Ich nickte ihm nur noch einmal mit einem "Dann auf Wiedersehen, Benjamin." zu und nahm dabei die beiden Sachen vom Tresen, bevor ich mich zum Gehen wendete. Was war ich neidisch auf sein unkaputtes, unbelastetes Gemüt.
(Logo sieht in etwa so aus, halt nicht zweifarbig logischerweise x'D Nur damit du's dir besser vorstellen kannst: M/A )
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Sie hatte nicht wirklich mit einer anderen Antwort gerechnet, aber es war trotzdem gut, seine Bestätigung zu hören, bevor sie ihre Beine aus dem Wagen schwang. Sie gingen auf den Eingang zu und ein paar Schritte später durch die Tür nach drinnen, wo auch Aryana sich umgehend von der Schönheit der handgefertigten Instrumente verzaubern liess. Sie konnte zwar vielleicht wenig mit dem selber Musizieren anfangen, das sollte aber kaum heissen, dass sie diese Kunst nicht trotzdem durchaus faszinierte. Und dieser Ort hier hatte etwas ganz Besonderes an sich, weil in jedem Exemplar so unglaublich viel Liebe zum Detail steckte, dass sofort klar war, wie viel dem Eigentümer an seinen Schmuckstücken lag. Sie hielt sich etwas im Hintergrund, während Mitch auf die Gitarren zu trat, musterte die verschiedenen Versionen des Instruments und noch bevor er die Schwarze in ihrer ganzen Eleganz aus der Halterung zog, hatte sie gewusst, dass er sich zumindest rein von der Optik her für diese entscheiden würde. Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht, ehe sie den Blick abwandte und dem Mann entgegensah, der mittlerweile in ihre Richtung gehinkt kam. Auch sie grüsste ihn kurz, bevor ihre Augen aber schon wieder zu Mitch zurückfanden, der dem schwarzen Prachtstück die ersten, noch etwas zögerlichen Klänge entlockte, bevor noch einmal nachgestimmt wurde. Sie beobachtete das alles eher im Hintergrund, was aber nicht hiess, dass irgendwas von der ganzen Magie an ihr vorbeigegangen wäre. Oder sie das kleine Lächeln auf dem Gesicht ihres Freundes verpasst hätte, als dieser erneut an den Saiten zupfte. Nein, ganz und gar nicht... Seine Frage überraschte sie dann eher, da sie im ersten Moment absolut keine Ahnung hatte, was wichtig und bedeutungsschwer genug sein könnte, dass Mitch es gerne auf seine Gitarre graviert haben wollte. Aber es würde wohl nicht lange ein Geheimnis bleiben und so viel Geduld konnte sie durchaus aufbringen, weshalb sie den beiden nur einen kurzen, von einem kleinen Lächeln begleiteten, Blick zuwarf, als sie nach hinten verschwanden. In der Zwischenzeit wanderte sie ein Bisschen durch den Laden, betrachtete all die Unikate und Kunstwerke die eine Geschichte unglaublicher Präzision und Geschicklichkeit erzählten. Der alte Mann schien durchaus sein Talent gefunden und perfektioniert zu haben. Es war unschwer zu erkennen, dass in diesem Laden und der Werkstadt sein ganzes Herzblut steckte. Vielleicht würden sie das eines Tages auch schaffen... Ihre eigene Leidenschaft finden und so daran arbeiten können, dass ihr Werk ihnen am Ende so viel Freude bereiten und Leben schenken würde wie ihm? Vielleicht. Eines Tages, wenn sie endlich nicht mehr kämpfen mussten... Aryana hob den Blick wieder an, als sie Schritte vernahm, die die Rückkehr der beiden Männer ankündigten. Ihre Füsse trugen sie langsam wieder in den vorderen Teil des Ladens, während Mitch noch mit dem Bezahlen beschäftigt war. Das dauerte an sich aber nicht wirklich lange und als er sich zum Gehen wendete, warf auch Aryana dem Mann - Benjamin - ein letztes Lächeln zu, verabschiedete sich von ihm und verliess nach ihrem Freund den Laden, um zurück zum Auto zu gehen. Sie hatte nicht nahe genug am Tresen gestanden, um bereits erkannt zu haben, was Mitch nun genau hatte eingravieren lassen. Aber sie war sich relativ sicher, dass das nicht besonders lange ein Geheimnis bleiben würde, immerhin würde er das Instrument kaum die ganze Zeit vor ihr verstecken. Wenn er nicht gewollt hätte, dass sie es irgendwann zu Gesicht bekam, hätte er die Gravur wohl bleiben lassen. Aryana öffnete per Knopfdruck die Zentralverriegelung, warf noch einen letzten Blick zurück, ehe sie einstieg. Als Mitch es ihr gleich getan hatte, wartete sie noch einen Moment damit, den Motor zu starten, liess ihre Augen stattdessen nochmal den Weg in sein Gesicht finden. "Und..? Zufrieden?", fragte sie mit einem zarten Lächeln, auch wenn die Frage wohl etwas überflüssig war. Andernfalls hätte er die Gitarre kaum gekauft, so verzweifelt waren sie ja noch nicht. "Sie ist echt schön...", schob sie nach ein paar Sekunden beinahe andächtig nach. Auch das waren Worte, die sie sich theoretisch hätte sparen können, da er das auch selbst wusste. Aber sie gab doch gerne bekannt, dass sein neues Schmuckstück ihr nicht weniger gefiel.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ich warf nochmal einen Blick über meine Schulter zurück durch die Fensterfront, als ich den Laden hinter Aryana verlassen hatte. Dachte dann für einen Moment lang über den Verkäufer nach, als ich die Gitarre mitsamt Saiten auf den Rücksitz packte - ich glaubte mal nicht, dass ich sie irgendwie befestigen musste, war von einer Vollbremsung doch eher nicht auszugehen. Ob Benjamin Familie hatte? Oder ob er dieser sehr zeitintensiven Arbeit vielleicht nachging, weil es das einzige war, was ihm blieb? Vielleicht würde ich ihn danach fragen, wenn ich irgendwann noch einmal herkommen sollte. Ob er mir die Gitarre auch so gut gelaunt verkauft hätte, wenn er wüsste, wer ich war? Ich schüttelte diesen Gedanken ab, als ich die hintere Tür schloss und ließ mich bald darauf wieder in den Beifahrersitz sinken. Mein Blick war erstmal nur durch die Frontscheibe gerichtet, bis ich Aryanas Stimme neben mir vernahm und den Kopf in ihre Richtung drehte. "Ja... sehr sogar.", stellte ich fest und nickte dabei schwach, wobei sich unweigerlich auch meine Mundwinkel noch einmal kurz anhoben. Es hatte nicht lange gedauert, bis meine Wahl indirekt schon festgestanden hatte und ich hatte auch keine Gründe dazu gehabt meine Meinung noch einmal zu ändern. Ich hatte ein wirklich gutes Stück Handwerkskunst erworben und das einzige, was mich daran noch störte, war der kleine weiße Aufkleber auf der Vorderseite, auf dem stand, welches Holz verarbeitet worden war. Die Brünette selbst schien sich auch über den Kauf zu freuen, was an sich eher kein Wunder war. Zum einen hieß das, dass ich vielleicht zumindest ein kleines Ventil für die negativen Emotionen hatte und zum anderen wusste ich ja, dass sie meine Stimme beim Singen gern hörte. Nüchtern betrachtet brachte das neue Instrument ausschließlich Vorteile - außer vielleicht für unsere Nachbarn, die ab und zu Musik hören müssen würden, die sie womöglich nicht hören wollten. Die Kopfschmerzen waren inzwischen auch besser geworden und für den Moment war die Welt zumindest mal kurz ein kleines bisschen weniger beschissen. "Aber wird wohl ein bisschen dauern, bis keine schiefen Töne mehr dazwischen sind... fühlt sich fast so an, als wären meine Finger irgendwie steif geworden.", schob ich ein paar sarkastisch angehauchte Worte nach und zuckte leicht mit den Schultern. Ich hatte jetzt über ein Jahr nicht mehr einer Gitarre gespielt und es würde wohl eine Weile dauern, bis ich wieder richtig drin war, mir das Spielen leicht von der Hand ging. Bis dahin brauchte es vermutlich eine gute Portion extra Konzentration, um möglichst wenige Fehler zu machen. Es machte mich immer halb wahnsinnig, wenn irgendwo auch nur ein einziger, leicht misslungener Ton im Lied war. Mein innerer Perfektionist war von sowas grundsätzlich wenig begeistert. Ich griff nach dem Anschnallgurt. "Und irgendwie werd' ich das Gefühl nicht los, dass selbst der alte Knacker gemerkt hat, dass wir nicht ganz normal sind.", machte ich eine weitere sarkastische Anmerkung, als ich den Gurt gerade einhakte. Vielleicht kam mir das auch nur so vor, aber wenn wir ehrlich waren, dann klang es doch ein bisschen ungesund, permanent übereinander zu wachen. Nicht, als wäre das bei uns beiden nicht angebracht - wir hatten schließlich schon des Öfteren mal um den jeweils anderen bangen mussten und es war mehrfach nur knapp zu unseren Gunsten ausgegangen. Ich merkte das Zwicken in der Schulter manchmal noch immer und es war von dem ständigen Sitzen und Liegen im Knast eben auch nicht unbedingt besser geworden. Permanent in Bewegung zu bleiben war für die ehemalige Verletzung definitiv gesünder, hatte ich doch hin und wieder das Gefühl sie wurde beinahe ebenso ungelenk wie meine Finger es jetzt am Gitarrenhals waren. Ich lehnte mich jedenfalls erstmal noch etwas nach hinten zum Fußraum hinter dem Fahrersitz, um nach dem kleinen Rucksack und der Flasche darin zu angeln. Der Durst kam nach der durchzechten Nacht eindeutig schneller wieder zurück, als mir lieb war.
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