Ja... Verständlich. x'D Aber ich habs mir ja selber ausgesucht, also sollte ich mich nicht zu sehr beschweren. xD _____________
Irgendwie hatte ihr komplett in Alarmbereitschaft versetztes Gehirn die Möglichkeit unbewusst ausgeschlossen, dass nicht sie sondern Mitch die Person aus den Fluten fischte. Entsprechend überraschend kam es auch, als er sich, kaum war der Schrei von den Wogen zum Verstummen gebracht worden, neben ihr ins Meer stürzte. Aber sie war definitiv schlau genug, jetzt keine Diskussion zum Thema aufzureissen, zumal sie zugeben musste, dass es wahrscheinlich auch einfach klüger war, wenn er und nicht sie diesen Part der Rettungsaktion übernahm. Er war definitiv stärker und ihre Probleme mit Wasser wären hier sicherlich auch kein Pluspunkt. Kaum war er im Wasser und hatte ihr noch die Anweisung mit dem Notruf zukommen lassen, drehte sie sich allerdings ab, um genau diesem Problem nachzukommen. Sie sprintete zurück zu ihren Sachen, suchte hektisch ihr Mobiltelefon raus, während sie immer wieder zum Meer blickte um die raschen Bewegungen ihres Freundes zu verfolgen. Die ertrinkende Person war nicht mehr sichtbar, Aryana und ihr rasendes Herz konnten also nur hoffen, dass Mitch sein Ziel überhaupt noch fand bevor es zu spät war. Mittlerweile hielt sie das Handy zwischen den Fingern, tippte ohne zu zögern die Notrufnummer ein und drückte die grüne Taste. Während das Telefon wählte, schnappte sie sich eines der grossen Handtücher und die Wasserflasche und rannte zurück zum Wasser, konnte gerade noch sehen, wie Mitch auf Tauchstation ging. Es dauerte zu lange, bis sich am anderen Ende der Leitung eine Stimme meldete - aber als es dann soweit war, begann Aryana sofort zu reden und eine Situation zu schildern, von der sie bisher eigentlich noch viel zu wenig wusste. Ihre Augen lagen währenddessen die ganze Zeit auf dem Wasser und innerlich zählte sie die bangen, ewigen Sekunden, bis Mitch wieder aus dem Wasser stiess. Dem Mann der Notrufzentrale konnte sie indes mehr schlecht als Recht Auskunft darüber erteilen, wo genau sie sich befanden (offenbar war eine kleine Bucht am Meer irgendwo etwa dreissig Minuten zu Fuss vom Parkplatz dieses einen, bekannten Strandes keine besonders spezifische Information) und wer denn nun das Opfer war. Wenigstens schafften sie es gemeinsam, den anderen Strand zu definieren und dann war das mit dem dreissig Minuten nach rechts der Küste folgen schon hilfreicher, um einen Hubschrauber zu entsenden. Aryana schaltete das Telefon auf Lautsprecher, breitete das Handtuch möglichst nahe am Wasser aus und wartete nervös darauf, dass Mitch mit seinem Anhängsel es bis zu ihr schaffte. Und als es soweit war, das Kind - wie sich herausstellte - auf dem Boden lag, ging sie sofort neben ihm auf die Knie und überprüfte ihrerseits seine Atmung, die aber in der Tat nicht mehr vorhanden war. Sie legte ihre Hände in den Nacken des Jungen, zog seinen Kopf zurück, um gleich darauf seinen Mund leicht zu öffnen und zu den ersten beiden Beatmungsstössen überzugehen. Erst nur mit mässigem Erfolg, denn noch passierte überhaupt nichts, weshalb sie sich wieder etwas aufrichtete, ihre Hände übereinander auf dem Brustkorb des Jungen platzierte, um mit ungefähr fünfzehn Thoraxkompressionen sein kleines Herz wieder zum Schlagen zu bringen. So ganz mitzählen konnte sie nicht, da sie gleichzeitig noch mit dem Handy, welches sie neben dem Kopf des Jungen deponiert hatte, sprach, um dem Mann, der noch immer mit ihr in der Leitung hing, so gut als möglich mitzuteilen, um wen es sich bei dem Opfer handelte. Und dass er nicht mehr atmete und sie bitte mal schnell Hilfe brauchten. Sie hatte kaum Zeit, um Mitch einen kurzen Blick zuzuwerfen oder zu überprüfen, ob er irgendwie okay war, weil das Kind auch nach der Herzmassage noch nicht wieder selbstständig atmen wollte. Es dauerte insgesamt vier Durchgänge von abwechselnder Beatmung und Kompressionen - also wahrscheinlich nicht viel mehr als eine Minute, die sich aber anfühlte wie eine Ewigkeit - bis ihre Wiederbelebung Wirkung zeigte. Sie hatte sich gerade erneut über das Gesicht des Kindes beugen wollen, als ihr die Bewegung seines Brustkorbes auffiel und sie sich sofort wieder aufrichtete. "Ich glaube, er atmet wieder!", rief sie Mitch zu, ohne den Blick zu heben, wobei ihre Stimme pure Erleichterung in sich trug. Sie wartete nur einen kurzen Moment, bis sie sich ihrer Vermutung ganz sicher war, bevor sie sich wieder bewegte, um den Jungen in Seitenlage zu drehen. Sie ging schwer davon aus, dass er ziemlich viel Wasser geschluckt hatte, was es wiederum relativ wahrscheinlich machte, dass er ihr hier gleich halbwegs bewusstlos in den Sand kotzte - und daran sollte er jetzt besser nicht ersticken.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Bisschen jammern hier und da ist schon erlaubt, denk ich. x'D Aaaanyways auf jeden Fall auch schon mal viel Glück. :'D ________________
Als der Hustenreiz in meinem Rachen langsam versiegt war, atmete ich ein paar Mal tief durch. Sowohl mein Herzschlag, als auch mein Atem beruhigten sich schrittweise und ich begann Aryana doch mit deutlich besorgtem Blick dabei zu beobachten, wie sie den kleinen Jungen zu reanimieren versuchte. Für meinen Geschmack dauerte es einige quälende Sekunden zu lange, bis es schien, als würde er endlich wieder zu atmen beginnen. Meine Augen lagen auf dem Gesicht des Kindes und ich verfolgte das Gerede zwischen Aryana und dem Mann am anderen Ende der Telefonleitung nur beiläufig. Erwartete sehnsüchtig den Moment, in dem die Brünette schließlich wörtlich mitteilte, dass er wieder zu atmen begonnen hatte und ich kam nicht drum herum, ein leises "Himmel sei Dank." auszustoßen. Ich glaubte zwar weder an den Himmel, noch an die Hölle, aber im Augenblick war es nicht weniger als der Ausdruck eines riesigen Steines, der mir vom Herzen fiel. Zwar war ich nicht unbedingt dafür bekannt, mich sonderlich um Mitmenschen zu sorgen, die ich nicht kannte, aber er war noch so jung. Wahrscheinlich nicht älter als Zehn. Kinder waren unschuldig, hatten noch ihr ganzes Leben vor sich - das hoffentlich wesentlich besser als meines lief - , weshalb mir hier und jetzt nicht wirklich einleuchten konnte, warum der Junge drauf und dran gewesen war zu ertrinken. Er war nicht bei uns am Strand gewesen, das hätten wir zweifelsohne gemerkt. Vielleicht hatte er uns von weiter oben gesehen und sich dann dazu entschieden, eine der felsigen, steileren Böschungen direkt zum Wasser hinab zu klettern. So oder so war er zweifelsfrei nicht Baden gegangen, weil ihm einfach ein bisschen nach plantschen zu Mute gewesen war - er trug Kleidung. Nur ein Shirt und eine kurze Hose, aber selbst als bedenkenloses Kind sprang man für gewöhnlich nicht bekleidet ins Wasser. Die Umstände konnten also nicht wirklich gute sein. Meine Augen ruhten noch auf dem Gesicht des Jungen, als Aryana ihn schließlich von mir abwendete, weil sie ihn auf die Seite drehte. Es dauerte daraufhin auch nur einige stille Sekunden, bis er zu husten, zu würgen und schließlich auch zu spucken begann. Sein Körper trennte sich instinktiv von dem geschluckten Salzwasser, was absolut kein Wunder war, so viel wie er davon hochwürgte. Als die Gefahr des angespuckt werdens gebannt schien, weil er zu würgen aufhörte, kam ich ihm etwas näher und beugte mich über ihn, um sein Gesicht wieder sehen zu können. Seine Augenlider begannen zu zucken und auf seinen nackten Armen bildete sich eine Gänsehaut, kurz bevor er zu zittern anfing. Bis der Hubschrauber kam würde es sicher noch ein paar Minuten dauern, also erhob ich mich wieder und ging zu unseren Sachen, um die Decke vom Sand zu nehmen und sie auszuschütteln. Natürlich war sie stellenweise feucht, weil wir mit den Badeklamotten draufgesessen hatten. Also sammelte ich auch mein Tanktop noch ein, bevor ich zügigen Schrittes zurück zu den beiden ging. Schon bevor ich ankam begann sich der Junge zu regen und hustete ein weiteres Mal kurz vor sich hin. Öffnete schließlich flackernd die Augen, als ich mich unweit von ihm wieder in den Sand kniete. Als er sich fast in Zeitlupe zurück auf den Rücken gerollt hatte, blickte er mit geröteten Augen noch sichtlch benebelt zwischen Aryana und mir hin und her. "Wie heißt du, Kleiner?", fragte ich ihn, als seine Augen an mir hängenblieben. Als er die Lippen nach ein paar Sekunden das erste Mal öffnete, kam kein Ton raus. Er räusperte sich und hauchte danach ein leises "Joshua." zu uns hoch. "Also gut, Josh... hilf mir ein bisschen, hm? Du musst aus den nassen Klamotten raus.", versuchte ich den Jungen mental dafür zu wappnen, dass ich gleich versuchen würde, ihn in eine sitzende Position anzuheben. Nach einem kaum sichtbaren Nicken seinerseits griff ich also erneut unter seinen Oberkörper, um ihn langsam aufzurichten. Als er vermeintlich sicher saß, zog ich ihm vorsichtig das Shirt über den Kopf. Er hob dabei bebend die schwachen, schmalen Arme an. "Warum bist du allein hier draußen? Wo sind deine Eltern?", versuchte ich ihn weiter etwas abzulenken, als ich nach meinem Top griff, um es ihm kurz darauf über den Kopf zu ziehen. Dass Josh in meinem Oberteil absolut verloren aussah, rückte aber gleich in den Hintergrund, weil er den Kopf senkte und schweigend auf die nassen Shorts an seinen Beinen runtersah, statt zu antworten. Fettnäpfchen erwischen konnte ich heute wohl ganz besonders gut.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Der Junge blieb noch einen Moment still liegen, aber besonders lange sollte es nicht dauern, bis dann doch etwas Bewegung in seinen kleinen Körper kehrte. Zuerst hustete er nur, aber wie erwartet blieb es nicht lange dabei, da er doch eine beträchtliche Menge Salzwasser eingeatmet und geschluckt hatte, das nun einen Weg nach draussen suchte. Aryana wich ein kleines Bisschen zurück, griff dabei noch nach ihrem Handy, um einen letzten Wortwechsel mit dem Kerl der Notrufzentrale zu führen, der ihr ein weiteres Mal versicherte, dass Hilfe unterwegs war. Er sprach noch ein paar letzte Tipps aus, bevor sie das Telefonat beendete, weil sie doch glaubte, die paar - hoffentlich wenigen - Minuten, bis die Rettung schliesslich da war, auch ohne seinen mentalen Beistand zu schaffen. Mittlerweile hatte der Körper des Kindes sich auch von jeglichem wässrigen Mageninhalt getrennt und Mitch war wieder bei ihnen angekommen, nachdem er sich kurzzeitig entfernt hatte, um die Decke und sein Top zu holen. Der Junge öffnete langsam und noch sichtlich verwirrt die Augen, schaute sowohl sie als auch Mitch dezent durch den Wind an, ohne wohl wirklich zu verstehen, was gerade passiert war. Aber wer könnte ihm das auch verdenken, er hatte immerhin vor wenigen Minuten noch näher an der Ewigkeit als am Leben gestanden, war beinahe schon über die Regenbogenbrücke getanzt. Sie versuchte, ihm sowas wie ein aufmunterndes Lächeln zukommen zu lassen, aber das war gar nicht so leicht in diesem Moment. Passte also ganz gut, dass stattdessen Mitch zu einer Frage ansetzte, welche nach ein paar Startschwierigkeiten seitens des Jungen dann auch heiser beantwortet wurde, indem er ihnen seinen Namen verriet. Sie hielt sich weiter im Hintergrund, als ihr Freund sich darum bemühte, dem Jungen aus seinen tropfnassen Kleidern zu helfen. Es gab ja auch wenig zu tun als das, denn was die weitere Hilfe anging, fehlte ihnen schlicht Ausbildung und Kenntnisse. Wobei Mitch noch eine weitere, durchaus relevante Frage stellte. Josh's Reaktion sprach allerdings für sich und machte deutlich, dass er für seinen Teil sich nicht daran gestört hätte, wenn diese Frage nicht gekommen wäre. Aryana betrachtete den kleinen Jungen, der genauso verloren aussah, wie sie sich fühlte, streckte dann die Hände aus, um sein neues Shirt etwas zurecht zu zupfen und ihm dann die nassen Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. "Möchtest du denn, dass wir jemandem Bescheid geben, dass du bei uns bist, oder lieber noch nicht?", formulierte sie die Frage ein Bisschen um, blickte ihn mit leicht schiefgelegtem Kopf und einem sanften Lächeln an. Aber auch dieser Versuch scheiterte und als Josh mit einem dünnen "lieber nicht", antwortete, beschloss die Brünette, die weitere Fragerei dem Krankenhauspersonal zu überlassen um die momentane Gemütslage des Jungen nicht noch weiter zu strapazieren. Stattdessen nickte sie nur, begleitet von einem leisen "Okay, in Ordnung", drehte sich dann etwas nach links, um nach der Wasserflasche zu greifen, die dort im Sand lag. Sie wusste nicht wirklich, wie es sich anfühlte, wenn man gerade fast ertrunken wäre und so viel Salzwasser geschluckt hatte. Aber die Vermutung, dass sich der Geschmack im Mund ziemlich eklig anfühlen musste, klang in ihren Gedanken naheliegend. "Falls du Durst hast oder den Mund spülen möchtest...", meinte sie beiläufig und stellte die Flasche neben Josh ab. Sie wollte ihn nicht mit Fragen überhäufen, während er noch kaum klar kam mit dem Verständnis dessen, was gerade passiert war. Also überliess sie es lieber seinem eigenen Empfinden, nach der Flasche zu greifen oder auch nicht. Vielleicht war das richtig oder auch nicht, sie hatte keine Ahnung von Kindern...
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Auch als Aryana eine andere Formulierung zur Findung einer Kontaktperson von Joshua verwendete, wirkte er davon weniger als gar nicht begeistert. Es schien als wäre es ihm lieber, dass er gerade bei zwei vollkommenden fremden Leuten am Strand herumsaß, statt von Irgendjemandem Gesellschaft zu kriegen, den er kannte. Der Umstand, dass er weder über seine Eltern, noch über eine andere ihm nahestehende Person sprechen wollte, regte mich womöglich mehr zum denken an, als es das müsste. Immerhin gab es nicht wenige Kinder, die nicht gut auf ihre Eltern zu sprechen waren. Selbst, wenn sie welche hatten, dann musste das Verhältnis zueinander kein gutes sein. Falls Josh hingegen nicht darüber reden wollte, weil er gar keine hatte, dann konnte ich das erst recht nachvollziehen. Vielleicht hatte es ihn sogar noch schlimmer getroffen, wenn er seine Eltern gekannt und dann verloren hatte. Ich war mir sehr sicher damit, dass es leichter war, nie welche gehabt zu haben und sich deshalb auch nicht an sie erinnern zu können. Zwar fiel es mir auch nicht leichter über meine Vergangenheit zu reden, als das bei Aryana der Fall war, aber ich hatte zumindest nie Jemanden verlieren müssen, der mich vom ersten Schritt an begleitet hatte. Wenigstens dieser eine Schmerz war mir erspart geblieben. Mein Blick war nachdenklich in den Sand vor meinen Knien abgerutscht, während die Brünette dem Jungen etwas zu trinken anbot. Ich versuchte die Gedanken daran abzuschütteln, weil ich schon mehr als genug eigene Sorgen hatte, aber es fiel mir nicht leicht im Zusammenhang damit, dass er gerade fast ertrunken war. Josh blickte schweigend auf die Flasche, zögerte noch nach ihr zu greifen. So streckte ich meine eigene Hand nach der mitgebrachten Decke aus und legte sie ihm um die schmalen Schultern. Die Sonne sollte zwar eigentlich warm genug sein, um ihn wieder aufzuwärmen, war das Wasser so weit draußen doch deutlich kälter als nah am Ufer, aber wie so oft an Meeresküsten wehte ab und an eine ganz schwache, milde Brise. Es konnte in jedem Fall nicht schaden und schließlich angelte das Kind auch nach der Flasche, um ein paar kleine Schlucke zu trinken. Es war letztendlich meine Neugier, die mich zu weiteren Fragen drängte. "Willst du uns ein bisschen über dich erzählen? Wie läuft's denn... in der Schule?" Mir fiel auf, dass ich keine Ahnung davon hatte, wie man sich mit Kindern eigentlich unterhielt. Josh schraubte den Deckel zurück auf die Flasche und legte sie bei Seite, bevor er mit den Schultern zuckte. "Geht so.", war seine einzige, wenig informative Aussage dazu. "Nicht gut?", bohrte ich weiter nach und machte es mir dabei etwas bequemer, indem ich mich auf den Hintern setzte, die Knie anwinkelte und sie mit den Ellbogen locker umschloss, indem ich die Hände ineinander legte. "Ich mag den Unterricht, aber... den Rest nicht.", murmelte Joshua nach einer kleinen schweigsamen Ewigkeit vor sich hin und griff mit beiden Händen nach dem Saum der Decke, um sich etwas mehr darin einzuwickeln. "Sind die Anderen gemein zu dir?", versuchte ich die Konversation am Laufen zu halten. Auch meiner eigenen Neugier wegen. "Manchmal.", ließ der Junge sich weiterhin nur schwer etwas aus der Nase ziehen und erinnerte mich damit mehr und mehr an mich selbst. "Du darfst sie nicht auf dir rumhacken lassen, Josh." Er hob den Blick wieder an, musterte mich einen Moment lang und sah mich danach an, als würde ich ihn verarschen wollen. Klar - ich sah halt grade nicht unbedingt wie Jemand aus, der damit irgendwie Erfahrung hatte. Deshalb musste ich doch kurz schmunzeln und nickte etwas, als ich den Blick aufs Meer richtete. "Ich bin auch nicht grade beliebt, weißt du.", formulierte ich meine eigenen Umstände, gelinde gesagt, sehr mild. "Du bist aber wenigstens nicht allein.", grummelte der Junge in sich hinein, warf dann einen kurzen Blick zu Aryana. Bestätigte damit meine Theorie, dass er uns beide vorher schon am Strand gesehen hatte, auch wenn er mit Liebe sicher noch nichts anfangen konnte. "Früher schon. Man kann sich auch allein wehren.", sagte ich und zuckte mit den Schultern. Joshua seufzte und lockerte die Decke noch einmal, um sie sich oben auf den Kopf zu ziehen, sich ein bisschen darunter zu verstecken. "Ich hab ihn schon gehauen, das hat nichts gebracht.". gestand er und schien doch langsam ein bisschen redseliger zu werden. "Dann hast du die falsche Stelle erwischt.", war nicht das, was man in diesem Augenblick mit einem Grinsen auf den Lippen und wie aus der Pistole geschossen zu einem Kind sagen sollte. Weil mir das doch ziemlich bald klar wurde, revidierte ich die Aussage... mehr oder weniger. "Du solltest Andere aber nicht schlagen, Josh. Das macht's nur schlimmer und sollte der letzte Ausweg sein." Sehr ironisch, sowas aus meinem Mund zu hören. Die Liste meiner Prügeleien war ungefähr endlos. "Aber...", setzte der brünette Junge an und redete aber nicht weiter, weil er den Kopf in Richtung Festland drehte und dann nach oben in den Himmel sah. Der Hubschrauber war in der Ferne zu hören und deshalb stand ich auf. Als das kompakte Flugzeug schließlich in Sichtweite war, begann ich zu winken. Offenbar reichte das dem kleinen Jungen, um eins und eins zusammenzuzählen, sich in Windeseile aus der Decke zu schälen und aufzuspringen, um einen Fluchtversuch auf sehr wackeligen Beinen zu starten.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Es dauerte tatsächlich eine ganze Weile, bis Josh sich dazu entschied, dass Trinken vielleicht eine gute Idee sein könnte. Bis dahin wurde er von Mitch auch schonmal unter die Decke gesteckt, um der potenziellen Unterkühlung des Meerwassers entgegenzuwirken. Es war zwar naheliegend, dass der Kleine wahrscheinlich gar nicht so lange gegen die Wogen gestrampelt hatte, da er offensichtlich nicht wirklich schwimmen konnte und entsprechend vollkommen hilflos untergegangen wäre, bevor sie ihn überhaupt gesichtet hätten, aber da er zitterte und seine Arme von einer Gänsehaut überzogen waren, war ihm wohl trotzdem kalt. Er selbst äusserte sich nicht dazu, hielt die Decke aber wacker an Ort und Stelle, was eindeutig für Mitch's Gedanken sprach. Wirkliche Worte brachte er dagegen eher weniger über die Lippen. Seine Antwort auf die erst ziemlich allgemeine Frage zu seinem Leben, fiel jedenfalls dezent nichtssagenden aus und auch als Mitch nachfragte, wollte noch nicht wirklich mehr folgen. Wobei auch hier seine Körperhaltung und Mimik ihren Teil erzählten. Josh wirkte leider je länger je mehr nicht so, als würde er ein besonders unbeschwertes, sorgloses Leben führen, in dem seine grössten Probleme kleine Zickereien mit seinen Mitschüler waren und das liess nicht nur ihren Freund, sondern auch die Brünette selbst nachdenklich werden. Auch wenn sie sich bewusst dafür entschied, lieber nichts dazu zu sagen. Das war auch nicht nötig, denn in diesem Moment war Mitch der eindeutig bessere Babysitter als sie, die den Jungen zwar süss fand und er tat ihr auch wirklich leid - aber mit Kindern war sie einfach trotzdem ein wahrer Krüppel und sie fände gefühlt nichtmal jetzt irgendwas, das sie mit ihm besprechen könnte, um ihn von der Tatsache abzulenken, dass er soeben fast ertrunken war. Aryana lächelte leicht bei der möglicherweise eher unangebrachten Antwort, die Mitch auf Josh's Einwand, dass sich Prügeln offenbar auch nicht als passende Lösung erwiesen hatte, von sich gab. Allerdings währte das Lächeln nur kurz, da auch ihr das Geräusch des sich nähernden Helikopters nicht entging. Sofort wanderten ihre Augen suchend zum Himmel und hatten das Flugobjekt innert Kürze ausgemacht, weshalb auch sie sich zurück auf die Füsse hievte. Ihr Blick klebte am Hubschrauber, bis etwas anderes ihn eher unerwartet auf sich zog. Nämlich der kleine Josh, der absolut nicht einverstanden schien mit dem zweiten Teil seiner Rettung, sich auf die Füsse kämpfte, um stolpernd Reissaus zu nehmen. Weit kam der Junge aber nicht, da sein Kreislauf und sein erschöpfter Körper dabei eher wenig mitspielten, seine Beine schon nach zwei-drei wackeligen Schritten wieder einknickten. Aryana schaffte es gerade so, ihn aufzufangen, bevor er sich in den Sand gesetzt und paniert hätte wie ein nasses Schnitzel. "Hey, wo willst du denn hin..? Das ist nichts Schlimmes, Josh, die wollen nur überprüfen, das du bald wieder in alter Form bist, okay..? Das tut bestimmt nicht weh", versuchte sie ihn zu beruhigen, zog ihn dabei zurück auf die Decke, wo er sich äusserst unzufrieden und widerstrebend wieder setzte, weil seine Beine ihm momentan wohl nicht wirklich andere Optionen boten. "Ich will nicht ins Krankenhaus", begann er sich zu beschweren und die aufsteigende Panik in seinem Blick machte die Dringlichkeit seines Anliegens unübersehbar. Aryana wusste nicht wirklich, was sie dazu sagen sollte oder was der Grund für diese entschiedene Ansage sein könnte. Aber da der Hubschrauber mittlerweile oben auf dem Plateau - die Bucht war zu klein dafür - gelandet war, hatten sie auch keine Zeit, sich noch ewig mit ihm über das Thema zu unterhalten und ihm die offensichtliche Angst auszureden. "Du musst dir wirklich keine Sorgen machen...", versuchte sie es erneut, warf Mitch dabei einen kurzen Seitenblick zu, bei der ihr prompt eine möglicherweise tröstende Option einfiel. "Soll Mitch fragen, ob er mitfliegen kann, damit du nicht alleine bist? Und ich hol' euch später wieder im Krankenhaus ab?", machte sie einen Vorschlag, ohne ihren Freund davor überhaupt um sein Einverständnis gefragt zu haben. Es wäre sicherlich beruhigend für das Kind, wenn er nicht alleine abgeführt wurde, oder? Da er sich ja weiterhin nicht zu Eltern oder Vertrauenspersonen geäussert hatte, spielte es wohl auch nicht so eine grosse Rolle, wer letztendlich seine Hand hielt. Hauptsache es war jemand, der dann nicht weg ging und ihm ein gewisses Gefühl von Sicherheit vermitteln konnte, was sie Mitch wiederum doch sehr wohl zutraute, nach dem, was sie bis jetzt zwischen den beiden beobachtet hatte.
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Während meine Augenbrauen noch überrascht nach oben zuckten war Aryana schon dabei Joshua vor einem unangenehmen Abgang in den Sand zu bewahren, als seine Beine nachgaben. Er war sichtbar unglücklich damit zeitnah von den Sanitätern eingesammelt zu werden und das machte er auch mit ein paar wenigen Worten sehr deutlich. Dabei war es aber nicht nur sturer Unwille, der sich in seinen Augen widerspiegelte. Ich wusste natürlich nicht, was genau alles bei dem Jungen im Argen lag. Vielleicht hatte er einfach nur eine schreckliche Spritzenphobie und deshalb Angst davor, im Hospital mit einer Nadel gepiekt zu werden. Allerdings war ich früher in meinen jungen Jahren durchaus auch zwei, drei Mal im Krankenhaus gewesen und erinnerte mich noch bestens daran. Es war nie der abartige Geruch innerhalb jener weißer Wände gewesen, der dazu geführt hatte, dass ich lieber mit endlos weiter blutender Nase oder gebrochenem Arm auf die Behandlung verzichten wollte. Nein, es war immer der Ärger gewesen, der danach auf mich gewartet hatte, den ich gerne vermieden hätte. Natürlich war das dämlich - auch, wenn man nicht im Krankenhaus versorgt wurde, wurde man später irgendwann zur Rede gestellt. In meinem Fall war das immer das häufig gestresste Personal des Kinderheims gewesen, dass mir eher Vorwürfe gemacht hatte, als Verständnis zu zeigen. Joshua war zwar nur weggelaufen, aber die für ihn verantwortlichen Personen würden deshalb vielleicht trotzdem streng mit ihm ins Gericht gehen. Aryana riss mich mit ihrer Stimme aus diesem Flashback an meine eigene Kindheit, als ich meinen Namen hörte. Sie hatte doch eben noch zu dem Jungen gesagt, dass er sich keine Sorgen machen musste... warum sollte ich da jetzt mit? Wenn ich mit ihm allein war, dann hatte ich ja Niemanden in Reichweite, an den ich ihn im Notfall abschieben konnte, wenn mir seine Art zu viel wurde. Kinder waren nämlich allem anderen voran wahnsinnig anstrengende Kletten. Ein paar miteinander gewechselte Worte waren in meinen Augen bei Weitem keine Garantie dafür, dass er mir nicht nach fünf weiteren gemeinsamen Minuten schon schrecklich auf die Nerven gehen würde. Also nein, ich wollte eigentlich nicht mit in den Helikopter steigen, um den Seelsorger zu spielen. Dementsprechend sah ich die Brünette für diesen Vorschlag auch einen Moment lang mit hochgezogener Augenbraue an, als würde ich darauf warten, dass sie gleich sagte, dass das ein Witz war und natürlich nicht ging. Bevor jedoch überhaupt irgendwas in dieser Richtung hätte passieren können, begann Joshua etwas zu gut sichtbar zu nicken, als das ich vorgeben konnte es nicht gesehen zu haben. Außerdem sah er mit diesen für Kinder so typischen Kulleraugen von unten zu mir rauf, als ich meinen Blick in seinen richtete und das wiederum löste schließlich ein wenig begeistertes Seufzen in mir aus, bevor ich die Hand vors Gesicht hob und mir einen Moment lang die Schläfen massierte. Ich würde lieber Nein sagen, aber selbst mein relativ verkrüppeltes Herz brachte es nicht fertig, das Kind nach diesem Hoffnungsschimmer allein in den Hubschrauber abzuschieben. "Na schön, ich komm mit...", zeigte ich mich nach wie vor nur minder begeistert, als ich die Hand wieder hatte sinken lassen und die beiden Sanitäter gerade die letzten Meter zu uns zurücklegten. Joshua lächelte für einen kurzen Moment zu mir hoch, aber seine Mundwinkel sanken schnell wieder ab, als sich die Sanitäterin zu ihm runterkniete. Während sie ein paar Worte mit dem Kind wechselte und ihn ein einem ersten flüchtigen Check unterzog, befragte uns ihr etwas älterer, männlicher Kollege nochmal dazu, was genau passiert war und ob wir schon Irgendwas aus dem Jungen heraus gekriegt hatten, was Erziehungsberechtigte anging. Wir konnten was das anging nur verneinen und bis der Kerl mit seiner Fragerei am Ende war, half die etwas fülligere Blondine Josh schon auf die Beine. Mit ihr loslaufen wollte er ab nicht, sah stattdessen erneut zu mir. Also rang ich mich zu der Frage durch, ob ich ihn ins Krankenhaus begleiten konnte. Erst war der mit strengen Gesichtszügen gesegnete Sanitäter wenig einverstanden, weil ich nun mal kein Verwandter oder anderweitig eine Bezugsperson war. Es war seine jüngere Kollegin, die ihn darum bat ein Auge zuzudrücken, weil sie wohl mehr Empathie für das leicht ängstliche Kind übrig zu haben schien. Ich bekam letztendlich also doch die Zustimmung, woraufhin ich erneut zu dem kleinen Jungen sah. "Ich komm gleich nach. Ich muss mir zumindest Schuhe anziehen, wenn du schon meine Klamotten an hast, hm?", ließ ich ihn wissen, dass er ruhig mit den beiden zum Helikopter gehen konnte, während ich mich hier abflugbereit machte. Widerwillig, wohlgemerkt. Als die drei nach erneutem Zögern des Jungen schließlich aus unserer unmittelbaren Nähe waren, sah ich für einen Moment mit leicht zusammen gekniffenen Augen zu Aryana, ehe ich mich selbst in Bewegung setzte, weil das Rettungsteam kaum unnötig lange auf mich warten wollen würde. "Also jetzt spinnst du echt komplett. Ich als Kinder-Begleitung.. der schneidet sich nur die schlechten Scheiben von mir ab, das kann ich dir jetzt schon prophezeien.", redete ich kopfschüttelnd vor mich hin, wobei eine gute Portion Ironie mitschwang. An Rucksack und Co. angekommen wischte ich mir den Sand möglichst gründlich von den Füßen, bevor ich Socken und Schuhe anzog. Auch mein Handy und meinen Geldbeutel fischte ich aus dem Rucksack, bevor ich mich zur Verabschiedung noch einmal zu Aryana umdrehte. "Ob du nach der Aktion die Kopfmassage noch kriegst entscheide ich, wenn ich weiß, wie sehr mich die Vorbildfunktion gestresst hat.", streute ich auch in die vorübergehende, indirekte Verabschiedung Sarkasmus ein, bevor ich mich für einen kurzen Kuss zu ihr hinbeugte.
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Ja das war wohl ein etwas voreiliger Vorschlag gewesen, aber sie hatte das Drama schon vor sich gesehen, wenn Josh absolut gegen seinen Willen von den Sanitätern abtransportiert worden wäre. Da sah sie lieber über Mitchs Seitenblick hinweg, als sich das herzzerreissende Geschrei des kleinen Jungen anzuhören. Dieser für seinen Teil zeigte sich auch ziemlich bald schon einverstanden, was Aryana nur weiter in ihren Gedankengängen unterstützte, auch wenn diese bei ihrem Freund wenig Begeisterung auslösten. Trotzdem willigte auch Mitch eine Sekunden später ein, weil er wohl selber nicht mehr viele andere Optionen sah und er auch nicht so kaltblütig war, um dem soeben dem Tod entwischten Kind seinen Wunsch auszuschlagen. Aryana machte einen kleinen Schritt zurück, als die Sanitäterin bei ihnen angekommen war und sich Joshua's Zustand annahm, um ihr dafür auch genügend Platz zu bieten. Das Reden mit dem anderen Sanitäter überliess sie währenddessen ebenfalls Mitch, hielt sich also weiterhin eher im Hintergrund bei der ganzen Geschichte, die sie wahrscheinlich etwas mehr überforderte als das der Fall sein sollte - so nach all den Jahren und Geschichten, die sie in der Army miterlebt hatte. Aber ihr Freund regelte das ja auch ganz gekonnt ohne sie, fragte sogar brav, ob das mit der Kinderbegleitung ihren Wünschen und Vorstellungen entsprechend funktionierte. Dank der Sanitäterin liess sich das tatsächlich einrichten und Josh sah definitiv erleichtert aus, als Mitch ihm erklärte, sich gleich zu ihm zu gesellen. Als die drei sich etwas vor ihnen schon auf den Weg zum Helikopter machten, bekam sie letztendlich doch noch einen Teil des Unmutes zu hören, den ihre Aktion bei einer gewissen Person ausgelöst hatte. Trotzdem lösten seine Worte nur ein kleines Lächeln aus, das leicht amüsiert ihre Lippen umspielte, während sie ihn mässig entschuldigend anblinzelte. "Ach komm schon... Jeden Tag eine gute Tat...", meinte sie, liess dabei komplett aussen vor, dass die Rettung an sich schon längst als gute Tat gezählt werden könnte. "Ausserdem kannst du das bestimmt trotzdem noch besser als ich", sie nickte, um ihre Hypothese direkt noch einmal zu unterstreichen, machte damit deutlich, wie wenig Potenzial sie in sich als Kinderbetreuung sah. Der Junge hatte sich vorhin ja doch einigermassen gerne mit Mitch unterhalten - etwas, das sie schonmal eher nicht erreicht hatte, oder? Zudem war ihr Vorschlag mehr Intuition als Verstand entsprungen, ein Teil von ihr hielt es tatsächlich für gar nicht so verkehrt, ihren Freund ein Bisschen alleine - oder halbwegs alleine - zu lassen mit Josh. Wer weiss, vielleicht tat die etwas andere Aufgabe ihm ja ganz gut? Etwas Abwechslung zu den Gedanken, die ihn normalerweise plagten... Aryana ging mit Mitch zu ihrem kleinen Lager zurück, wo er seine Sachen einsammelte, bevor er sich wieder ihr zuwandte, um sich schliesslich zu verabschieden. Bisschen schade war es ja schon, dass ihr gemütlicher Nachmittag jetzt etwas im Eimer war. Aber daran liess sich wohl nichts mehr machen und sie sollte vielleicht auch nicht so egoistisch denken, war ja nicht sie gerade aus den Wellen gefischt worden. Aryana schüttelte protestierend den Kopf bei den Abschiedsworten ihres Freundes. "Ganz bestimmt nicht - die Kopfmassage hat nichts mit einem Jungen, den du persönlich an den Strand gezogen hast, zu tun. Da kommst du nicht drum herum", erklärte sie, erwiderte den Abschiedskuss im Anschluss dann aber doch mit einem leicht sehnsüchtigen Beigeschmack. "Jetzt geh' mal die Welt retten, damit ich dich bald wieder zurückholen kann. Und vergiss nicht, mir zu schreiben, in welches Krankenhaus sie euch bringen", erinnerte sie ihn an die Tatsache, dass es doch so einige mögliche Krankenhäuser in der Gegend gab und sie schon wissen sollte, in welche Richtung sie kurven sollte, sobald sie ihren ganzen Kram hier zusammengepackt hatte. Würde dann ja doch noch ne Weile dauern, bis sie bei ihnen war - immerhin hatte sie noch dreissig Minuten Fussmarsch mit allem Gepäck vor sich und dann die Autofahrt. Wenn sie Glück hatten, war die Behandlung des Kindes abgeschlossen, sobald Aryana zu ihnen stiess.
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Die ach so bekannte Leier, dass man doch am besten jeden Tag etwas Gutes tun sollte, konnte die junge Frau getrost an jemand anderen adressieren. Im Grunde tunnelte ich jeden Tag nur auf mich selbst und wenn sie so wie am heutigen Tag Glück hatte, dann auch mal auf Aryana. Deshalb bekam sie dafür auch ein nicht zu übersehendes Augenrollen von mir. Ich war mir nicht so sicher damit, dass ich die mir spontan aufgetragene Aufgabe besser hinbekommen würde als sie, aber das war ohnehin reine Spekulation. "Vielleicht hat Josh selber nichts damit zu tun, aber du hast mich zu seinem Babysitter gemacht, also... irgendwie doch.", stellte ich doch leicht amüsiert fest, kurz bevor mir noch gesagt wurde, dass ich die Welt retten gehen sollte. "Heute die Welt, morgen das ganze Universum. Man hat ja sonst nichts zu tun.", redete ich ironisch weiter vor mich hin und wendete mich dann final mit den Sachen in der rechten Hand von der Brünetten ab. "Ich frag sie gleich.", ließ ich Aryana während meines Abgangs noch wissen, dass sie die Info bezüglich meines Aufenthaltsortes schon sehr bald kriegen würde und damit war mein Weg zum Helikopter besiegelt. Der Rotor auf dem Dach bewegte sich bereits, als ich dort ankam und zustieg. Wie gewohnt galt es sich dann gemäß aller Sicherheitsvorschriften anzuschnallen und eines der Headsets aufzusetzen. Erst als dann alles zum Abflug bereits war, traf mein Blick wieder auf Joshuas und er schien mir jetzt schon nicht viel mehr als ein nervliches Wrack zu sein. Womöglich kam da jetzt auch noch Flugangst hinzu, aber wie unwohl und verunsichert er sich fühlte, das war nicht zu übersehen. Konnte für meine Begriffe auch nicht nur daher rühren, weshalb ich mich an einem wahrscheinlich eher etwas missglückten Lächeln versuchte. Während die Sanitäterin Josh noch mit ein paar Fragen unter die Lupe nahm, hakte ich beim zweiten Helfer nach, wohin es nun eigentlich ging. Das Krankenhaus lag nur etwa zehn Minuten Luftlinie entfernt, also würde Aryana glücklicherweise - nach ihrer kleinen Wanderung - nicht allzu lange im Auto sitzen müssen, um zu uns aufzuschließen. Ich tippte ihr die Info kurz in einer Textnachricht ab und danach galt meine Aufmerksamkeit wieder ganz Josh. Er war der Blondine gegenüber nicht weniger verschlossen, als das vorhin frisch aus dem Wasser gefischt auch am Strand der Fall gewesen war. Vielleicht stand er auch zusätzlich nicht gerne im Mittelpunkt. Im Flugzeug war es relativ laut und Unterhaltung allgemein umständlich. Deshalb wurde es auch erst wieder wirklich interessant, als wir gelandet und ausgestiegen waren. Kaum stand der Junge auf dem Dach des Krankenhauses wieder auf seinen eigenen Beinen, schloss er zu mir auf und klammerte sich mit beiden Händen an meine Hand. Mein sichtbar überraschter, irritierter Gesichtsausdruck ließ sich nur schwer unterdrücken, aber meine Mimik fiel Josh auch gar nicht auf, weil er viel zu sehr damit beschäftigt war sich umzusehen. Ich gewöhnte mich erst im Aufzug nach unten langsam daran, dass da ein Kind an meiner Hand hing und scheinbar auch nicht vor hatte, sie loszulassen. Ich wusste auch nicht, was ich dazu sagen sollte. Es wird alles gut? Er brauchte keine Angst zu haben? Erstens wusste ich nicht, wovor er Angst hatte und zweitens wusste ich selbst am besten, dass nur selten wirklich alles gut wurde. Eher nie. "Wovor hast du solche Angst, Kleiner? Dir passiert hier nichts.", setzte ich mit ruhiger Stimme stattdessen also zu einer essentiellen Frage an. Ich hatte mich längst neben ihm auf die Kante der Liege gesetzt, auf der er zeitnah nochmal untersucht werden würde. Er sah auf seine nackten Knie hinab, seine Hose verschwand fast gänzlich unter meinem Top. "Ich will nicht zurück.", wisperte er und zog seine Hand zu sich zurück, um am unteren Saum des Oberteils herumzunesteln. "Wohin zurück?", versuchte ich ihm weiter die Information aus der Nase zu ziehen, die er bisher Niemandem hatte verraten wollen. "Wenn ich's dir sage, dann sagst du's den Anderen und dann holen sie mich.", weigerte er sich weiter mit einer zugegeben richtigen Feststellung. Ich konnte ihn ja schlecht mit nach Hause nehmen, also musste er dorthin zurück, wo er hergekommen war. "Sie finden es sowieso raus, Josh. Dafür brauchen sie meine Hilfe nicht." War nun mal so. Ein vermisstes Kind blieb nicht lange vermisst, wenn es in einem Krankenhaus behandelt wurde. Es dauerte eine ewig lange, schweigsame Minute, bis er den Mund wieder aufmachte. "Warum warst du allein?", setzte er dann an einer ganz anderen Stelle unseres Gesprächs vorhin am Strand ein, weshalb ich einen Moment brauchte, um umzuschalten und mir eine Antwort zurechtzulegen. "Ich hab meine Eltern nie kennengelernt... und ich bin nicht gut darin, mir Freunde zu machen.", erklärte ich so simpel wie möglich. Dann kam erst einmal der betagte Arzt ins Zimmer und bat mich auf dem Stuhl unweit der Liege Platz zu nehmen, während er den Jungen noch einmal durchcheckte. Er tat eigentlich nicht viel, außer seine Vitalfunktionen zu überprüfen und sicherzugehen, dass seine Lunge keinen größeren Schaden abbekommen hatte. Sie klang wohl unauffällig und es wäre auch normal, wenn heute und im Verlauf des morgigen Tages noch Beschwerden wie erneutes Erbrechen oder Husten aufkamen. Nur wenn das noch deutlich länger anhielt, sollte er hierher zurückkommen. Der Kittelträger erzählte mir das so, als wäre ich Joshs Vater oder zumindest sein sehr viel älterer Bruder. Deshalb erklärte ich ihm, dass das nicht der Fall war und daraufhin bat er mich darum, zur Rezeption zu gehen und den Papierkram zu erledigen, der aus meiner Begleitung hierher resultierte. Weil Joshua sich förmlich mit Händen und Füßen dagegen wehrte, allein mit dem Arzt hierzubleiben - obwohl der meiner Einschätzung nach wirklich kinderfreundlich und nett war -, schleppte ich ihn unweigerlich wieder an meiner Hand mit mir herum, als die Untersuchung soweit abgeschlossen war. Die Krankenschwester hinter dem Tresen am vorderen Ende des breiten Flurs ließ mich erst einmal ein Blatt zu mir selbst ausfüllen und daraufhin ging es dann darum, wo der Junge eigentlich herkam. Viel mehr als den Hinweis, dass er vielleicht ein Waise oder von einem Schulausflug geflohen war, konnte ich ihr nicht geben. Allerdings könnte das allein wohl schon ausreichen, um zu einem Ergebnis zu kommen und bis dahin sollten wir einfach warten. Also zog ich mich mit dem Jungen in den Wartebereich zurück. Er fing schon bald an unruhig auf dem Stuhl neben mir hin und her zu rutschen, während er sich die Unterlippe förmlich mit den Zähnen zermalmte. Ich seufzte leise. "Du musst mit mir reden. Wenn du nicht redest, kann ich dir auch nicht helfen.", startete ich einen erneuten Versuch. Zwar wüsste ich nicht, wie ich ihm überhaupt helfen könnte, aber das war vorerst zweitrangig. "Die anderen klauen mir ständig mein Spielzeug... und die Süßigkeiten auch. Aber ich kann kein eigenes Zimmer haben... und mir hört nie Jemand zu." Er begann zu schluchzen. Vielleicht hätte ich lieber doch nicht fragen sollen. "Du musst mich mit Nachhause nehmen." Er sah mich zum ersten Mal seit einer halben Ewigkeit wieder an. Mit glasigen Augen, in denen die Traurigkeit kaum noch tiefer hätte sitzen können. "So einfach geht das nicht, Josh." Ich fühlte mich schlecht damit, ihm diesen Wunsch ausreden zu müssen, obwohl ich dafür nun wirklich nichts konnte und weiß Gott auch kein Kind in der Wohnung haben wollte. "Seit sie weg ist, ist alles schlecht..." Wer? Seine Mutter? Seine Schwester? Seine Tante? "Bitte, Mitch. Du... bist doch mein Freund." War ich das? Mir stand die blanke Überforderung quer übers Gesicht geschrieben, als ihm die ersten Tränen über die Wangen rollten. Mit seinem Geschluchze die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf uns lenkte und ich aussah wie der letzte Vollidiot. In meiner Verzweiflung streckte ich zögerlich die Hand nach ihm aus, um sie ihm oben auf den zusammen gekauerten Rücken zu legen. Dieses winzige bisschen an Zuneigung schien ihm vollkommen auszureichen, sich dazu berechtigt zu fühlen auf meinen Schoß zu krabbeln und sich mit seinen Armen förmlich an meinen Hals zu hängen. Es dauerte ein paar sehr lange Sekunden, bis ich mich dazu durchringen konnte, meine Arme um seinen winzigen Körper zu legen. Er schien die Umarmung mehr als dringend zu brauchen, weil er dann erst so richtig losheulte. Es war sicher überflüssig zu erwähnen, wie unangenehm und unendlich peinlich mir das war. Ich nutzte die Gelegenheit des Schweigens dazu mein Handy rauszuholen und Aryana zu schreiben, dass sie uns im dritten Stock einsammeln kommen sollte. Die Schwester von der Rezeption kam zu mir, als Josh sich nach ein paar endlosen Minuten schließlich beruhigt hatte und nur noch leise vor sich hin wimmerte. Sie sagte mir, dass er aus einem Heim am anderen Ende der Stadt kam und ich versicherte ihr, dass sie denen da Bescheid geben konnte, dass ich ihn hinbringen würde, sobald meine Mitfahrgelegenheit da war. Sie kam mir natürlich wieder damit, dass das eigentlich nicht ganz rechtens war, eben das übliche Gefasel, aber wenn ich das wollte, dann war ich einfach wahnsinnig überzeugend. Gut, okay, vielleicht lag es auch ein bisschen daran, dass ich hier mit nacktem Oberkörper volltätowiert herumsaß und so gut aussah wie schon länger nicht mehr, aber wen kümmerte das schon. Solange er mit mir dorthin fuhr, statt mit irgendeiner unterbezahlten Heimarbeiterin, war ich beruhigt. "Bitte bring mich nicht da hin...", nuschelte Joshua an meine Brust als wir wieder allein waren, was mich zunehmend besorgter zu ihm runterblicken ließ. "Du musst leider zurück, Josh. Aber ich..." Ich zögerte. "Wie wär's, wenn ich... dich mal besuche?" Wenn mir anzuhören war, wie unsicher ich mir mit diesem Vorschlag war, dann ignorierte der Junge das ganz gekonnt. "Versprochen?", hakte er nach und hob erst danach den Kopf wieder an, um mich aus seinen verheulten Augen anzusehen. "Versprochen.", willigte ich in ein Versprechen ein, das ich später vielleicht bereuen würde. Ich konnte kaum in Worte fassen, wie erleichtert ich war, als ich schließlich Aryana auftauchen sah.
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Nein, Begeisterung sah wohl etwas anders aus als das Gesicht des jungen Mannes, bevor er sich nach ein paar Worten zum Gehen wandte. Aryana lächelte stumm in sich hinein, schüttelte nur noch etwas den Kopf um zu signalisieren, dass sie weiterhin nicht einsah, aufgrund dieses Zwischenfalles nun ihre Haare heute selbst waschen zu müssen. Dann war Mitch aber auch verschwunden, kletterte den Felsen rauf zum Hubschrauber, welcher kaum eine Minute später abhob, um den schnellsten Weg zum Krankenhaus einzuschlagen. Wieder gab die Brünette ein eindeutig bedauerndes Seufzen von sich, liess ihre Augen einmal über den ganzen nun menschenleeren Strand wandern, ihr Fuss stocherte im Sand herum. Ihre Gedanken switchten ständig zwischen dem armen Jungen und der eigentlich so schönen aber nun leider ruinierten Gelegenheit, einen Nachmittag ganz alleine mit ihrem Freund, fernab ihrer Sorgen und Probleme zu verbringen. Naja.. Immerhin wars schön gewesen, bis Josh ins Wasser gefallen war und sicherlich würde sich eines anderen Tages wieder die Gelegenheit bieten, hierher zu kommen. Ihre Wochenende waren ja meistens nicht allzu ausgebucht... Zumindest jetzt, wo sie noch keine Einsätze arbeiten mussten, nicht. Die Brünette seufzte ein weiteres Mal, wenn auch leiser als gerade eben. Sie trat zurück zum Wasser, wo sie die Decke vom Boden aufhob und ausschüttelte, um so viel Sand wie möglich in seinem natürlichen Habitat zu lassen und nicht unnötigen Dreck in ihre Wohnung zu holen. Aryana faltete die Decke, packte auch die durchnässten Klamotten des Jungen ein, die sie auswrang und mit dem Rest zu ihrem Rucksack trug. Es dauerte einen Moment, bis sie alles zusammengepackt und ihrerseits noch ein paar Schlucke Wasser getrunken hatte, sich schliesslich zumindest die Hose wieder überzog und sich auf den Rückweg machte. Inzwischen hatte sie auch die Adresse von Mitch bekommen, konnte also, sobald sie nach dem Fussmarsch das Auto erreicht hatte, auf direktem Weg in diese Richtung fahren. Schon während dem Gehen waren ihre Gedanken unaufhaltsam um den kleinen Josh gekreist und auch jetzt, bei der doch recht stillen Autofahrt, hielt keiner sie von den tausend Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen, ab. Josh hatte mit seinem Auftritt auch zugegeben sehr viel Raum für wilde Spekulationen zu den unzähligen Gründen, die es haben konnte, wenn ein Junge wie er einfach so alleine am Wasser war, stürzte und es keinen gekümmert hätte, wenn sie nicht vor Ort gewesen wären, offen gelassen. Was, wenn er weggelaufen war? Wenn er keine Eltern hatte? Wenn diese einen Unfall gehabt hatten? Wenn er Angst vor ihnen hatte? Wenn er misshandelt wurde? Wo war seine Familie? Sein Zuhause? Warum wollte er nicht zurück? Die Fragen schienen tatsächlich endlos und es galt wohl abzuwarten, was ihr im Krankenhaus gleich alles erzählt wurde. Sie erreichte ihr Ziel nach einer kurzen Autofahrt, parkte den Kleinwagen im angrenzenden, riesigen aber verhältnismässig leeren Parkhaus, zog sich nun auch noch ihr Shirt über das mittlerweile gut getrocknete Bikinitop und betrat schliesslich das Krankenhaus durch den Haupteingang. Drinnen herrschte doch emsiges Treiben und die Brünette kam sich sofort etwas verloren vor, während das ungerufene aber gewissermassen erwartbare Unwohlsein in ihr aufkam, das von all den unguten, zeitweise durchaus traumatischen Erfahrungen, die sie mit Orten wie diesem verband, rührte. Sie versuchte das so gut wie möglich zu ignorieren, während sie die Treppen bis in den dritten Stock nach oben stieg. Dort dauerte es dann nochmal einen Moment, bis ihre Suche das ersehnte Ende fand und sie Mitch und Josh auf ein paar hässlichen, blauen Plastikstühlen am Ende eines Flures entdeckte. Sofort tauchte ihr Gesicht in ein erleichtertes Lächeln, während sie auf die beiden zuging, schliesslich vor ihnen stehen blieb und nach Mitch dann vor allem Josh ins Auge fasste. "Na..? Bist du wieder ganz fit, kleiner Delfin?", fragte sie ihn, woraufhin er etwas zögerlich einen Mundwinkel nach oben zog und leicht nickte, dann aber doch stutzte und seine geröteten Augen zusammenkniff. "Delfine können schwimmen...", merkte er an, was bei Aryana ein Schulterzucken auslöste. "Naja die haben auch Flossen, das macht es natürlich einfacher... Aber, du wirst es spätestens jetzt bestimmt auch bald lernen", erwiderte sie, liess dann ihren Blick kurz schweifen. Aber da war keiner, der Mitch und Josh inzwischen Gesellschaft leistete. Was wiederum die Frage in ihr auslöste, woher der Junge denn jetzt kam und ob ihn da wirklich keiner vermisste?? Oder waren die einfach von weiter weg und noch nicht hier? So hatte sie sich das alles nämlich ehrlicherweise doch nicht ganz vorgestellt. Sie hatte nichtmal wirklich damit gerechnet, dass Josh noch bei Mitch sein würde, wenn sie hier ankam. Was, wenn sein Zustand jetzt nicht so gut wäre - hätte seine Betreuungsperson ihn dann einfach alleine hier im Krankenhaus in seinem Elend baden lassen?
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Es war eigentlich gar nicht so, als würde ich Josh möglichst schnell loswerden wollen. Andernfalls hätte ich ihn ja auch einfach vom Heimpersonal abholen lassen und schon mal runtergehen können. Allerdings wollte ich schon sehr gern endlich aus den Augen der anderen Patienten und wartenden Besucher heraus, weil es mir ganz einfach unangenehm war so auszusehen, als wäre ich sein zu junger Vater, der nicht wirklich wusste, was er mit dem Kind nach all den Jahren eigentlich anfangen sollte. Mir war ja wirklich selten etwas peinlich, aber mit einem heulenden Kind im Mittelpunkt zu stehen, dass nicht mal meins war und das von außen aber vielleicht trotzdem so aussah, kam definitiv nicht auf die Liste meiner Lieblings-Showmomente. Ich hatte normalerweise gerne die Aufmerksamkeit aller Anwesenden, aber so ganz bestimmt nicht. Deshalb war ich sichtlich erleichtert darüber, dass Aryana endlich hier auftauchte und sie auch Josh prompt ein bisschen von seiner Heulmisere ablenkte. Zwar hatte er nun schon eine Weile zu weinen aufgehört, aber ich würde nicht in Stein meißeln, dass er nicht nochmal damit anfing. Dumm war der Kleine ja nicht, das musste man ihm schon lassen. Er hinterfragte selbst die an sich simple Frage der Brünetten, obwohl sie ihn damit ganz bestimmt nicht hatte ärgern wollen. Er schien die Flossengeschichte dann aber so hinzunehmen und sah die junge Frau nur noch einen Augenblick an. Ich nutzte den Moment der Ruhe dazu dem Kind unter die Arme zu greifen und ihn auf die eigenen Füße zurückzusetzen, während ich selbst aufstand. Er wog nicht besonders viel, da war das nicht schwer. Meine Augen suchten nach Aryanas. "Ich hab gesagt, dass ich ihn ins Heim zurück bringe... also wir.", gestand ich meiner Freundin mit einem schiefen Grinsen. So abgesprochen gewesen war das nämlich nicht und vielleicht hätte ich sie was das anging besser fragen sollen, statt einfach irgendwas zu beschließen. "Es ist nicht so weit, nur am anderen Ende der Stadt.", ließ ich die junge Frau um dieses Detail wissen und unterstrich das Ganze mit einem Schulterzucken. Es war ja nicht mal eine wirklich große Stadt, es dürfte also kaum länger als ein paar Minuten dauern sie zu durchqueren und den Jungen dort im Heim abzugeben. Auch, wenn mich der Gedanke zugegeben jetzt schon schmerzte und ich eigentlich nicht unbedingt noch einen weiteren Schritt in meine eigene Vergangenheit wagen wollte. Es reichte mir schon Josh so unglücklich mit seiner Situation zu sehen, wo er mich damit doch stark an mein früheres Selbst erinnerte. Ich glaubte nicht daran, dass sich die Zustände in amerikanischen Kinderheimen bis heute verbessert hatten, zumal seine durchweg negative Haltung dazu an und für sich schon Bände sprach. Es bräuchte kaum einen Blick ins Innere jener Wände, um zu wissen, dass auch in seiner Unterkunft einiges nicht so lief, wie es das eigentlich müsste, um einem Kind vernünftiges Aufwachsen zu garantieren. Ich hatte kaum drei Schritte gemacht, da hing der Kleine schon wieder an meiner Hand. Noch immer war ich kein besonders großer Fan von dieser Händchenhalterei, aber ich brachte es auch nicht übers Herz ihm diese eine helfende Hand auch noch zu entreißen. Wir kamen an der Rezeption vorbei und ich teilte der Schwester dahinter noch mit einem Blick mit, dass wir jetzt Leine ziehen würden. Sie nickte nur und hielt mich noch einen Moment lang im Auge, ehe sie nach einem Stift und einem Zettel griff. Vielleicht um sich die Uhrzeit zu notieren und später noch einen Kontrollanruf im Heim zu machen, ob der Junge wirklich wieder Zuhause war. "Kommst du mich auch mal besuchen?", fragte Josh nun an Aryana gewandt und im gleichen Moment spürte ich einen kurzen Ruck an meiner Hand, weil er sich streckte, um mit seinen anderen Fingern nach Aryanas zu greifen. Mein Blick wanderte nochmal zu Josh runter, dann in die braunen Augen meiner Freundin. Ja, würde sie mitkommen? Eigentlich war es mir egal. Ich würde sie absolut nicht dazu zwingen und kam bestimmt auch allein ein, zwei Stunden mit dem Bengel zurecht. Es war zwar nicht durchweg angenehm gewesen, aber funktioniert hatte es heute ja auch. Trotzdem hätte ich das nie gedacht, weil ich Kinder eigentlich schrecklich nervtötend fand. Wobei er im Grunde ja auch ein bisschen nervig war, nur halt auf... Mitleid erregende Art und Weise.
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Sah doch so aus, als wäre sie sehnlichst erwartet worden. Zumindest von ihrem Freund, der ihr leicht verloren entgegenblickte und eindeutig nichts gegen die kleine Unterstützung bei seiner Babysitter-Aufgabe einzuwenden hatte. Josh wirkte indes eher so, als hätte er gerade andere Probleme als ihre Anwesenheit, was sie noch nicht so ganz zuordnen konnte. Klar, die ganze Situation war stressig, aber dass er gerade geweint hatte, weil er nicht nach Hause wollte, ahnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ganz einfach, weil das so absurd klang - und eben auch sehr traurig. Wie gesagt hatte sie eigentlich gehofft, dass sich dieses Problem in der Zwischenzeit gelöst hatte, seine Wohnsituation doch nicht ganz so schrecklich für den Jungen war. Sie hatte natürlich schon stark vermutet, dass er in einem Heim wohnte, aber dieser Verdacht bestätigte sich erst jetzt, wo Mitch ihr offenbarte, dass sie ihn gemeinsam dorthin zurück fahren würden. Sie hob den rechten Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln an, als ihre Blicke sich begegneten. "Dann sind wir jetzt wohl quitt mit den nicht abgesprochenen Aufgaben, die wir einander auftragen... Ich weiss, wer heute Abend meine Haare wäscht", erwiderte sie leise nach seinen Ausführungen, machte dann aber mit den beiden Kehrt, um sich auf den Weg zum Ausgang dieses unheilvollen Ortes zu machen. Je weniger Zeit sie im Inneren des Krankenhauses verbringen musste, umso besser. Gleichzeitig fragte sie sich natürlich schon, wie zur Hölle Josh vom Kinderheim am anderen Ende der Stadt zu den Klippen am Strand gekommen war. War er gewandert? Auf einem Ausflug abgehauen? Autostopp? Irgendwie alles etwas unwahrscheinlich - beziehungsweise wollte sie nicht wirklich glauben, dass ein Kind auf einem Ausflug einfach davonspazieren konnte, ohne dass es irgendwem auffiel. Das wäre doch sehr tragisch... Sie hatte ja selber eine Zeit lang in einem Heim gewohnt, auch wenn die Situation schwer vergleichbar war. Sie war erstens schon etwas älter gewesen und hatte zweitens immerhin noch ihre Geschwister gehabt. Und ihr Onkel mit seiner Familie hatte sie doch oft genug besucht und darauf geschaut, dass sie gut versorgt waren und es ihnen an nichts fehlte. Ausser an Eltern natürlich, aber das war eine andere Geschichte. Es entging der Brünetten selbstverständlich nicht, dass der Junge sofort nach Mitchs Hand angelte, kaum stand er auf eigenen Füssen. Es war wirklich erstaunlich, wie schnell er sich auf sie eingelassen hatte, als wäre ihm alles lieber als der Ort an dem er schlief und die Menschen, die ihm eigentlich nahestehen sollten... Das machte es doch zunehmend schwer für sie, sich ihm gegenüber irgendwie unbeschwert und fröhlich zu verhalten, so zu tun, als wäre es das einzig Richtige, ihn jetzt nach Hause zu bringen. An der Rezeption wurden sie nach wenigen Sekunden schon entlassen und noch auf dem Weg von dort zu der grossen automatischen Schiebetür, die sie vom klimatisierten Krankenhaus in die schwüle Sommerluft entliess, spürte sie plötzlich eine kleine, fordernde Hand an ihren Fingern, die sie sofort etwas perplex in die Richtung ihres Anhängsels blinzeln liess. Sie brauchte nicht besonders lange, um sich zu fangen und stattdessen zu lächeln, ganz einfach, weil die ganze Situation - ungeachtet ihres unschönen Kontextes - doch reichlich komisch war. Ausgerechnet Mitch und sie, die mit Kindern weniger als gar nichts anfangen konnten, rannten hier mit einem Jungen herum, der sie behandelten, als wären sie entweder seine Eltern oder mindestens sehr sehr gute Freunde. Das war zugegeben schon ein spannendes Mass an Ironie. "Aber klar, ich kann immerhin schlecht riskieren, dass dir ohne uns zu langweilig wird und du auf die Idee eines weiteren einsamen Spazierganges zum Meer kommst, hm?", antwortete sie mit einem Lächeln, welches sofort klar machen sollte, dass ihre Worte keinen Vorwurf enthielten. Dann hob sie aber etwas den Blick, um kurz ihren Freund zu betrachten, da das auch in Josh's Frage relativ deutlich implizierte, dass er dieses Gespräch zuvor auch schon mit Mitch geführt hatte und dieser offenbar eingewilligt hatte. Offensichtlich waren sie an diesem Nachmittag mal wieder in eine ganz spannende Sache reingerutscht... Man könnte meinen wie eigentlich immer, wenn sie zu zweit waren. Der Weg zum Auto war nicht weit und noch schien die Laune des jungen Kerlchens zwischen ihr und ihrem Freund ganz gut zu sein - jetzt, wo er immerhin wusste, dass das später nicht ein Abschied für immer wäre, er also immerhin ein Lichtlein in der scheinbaren Dunkelheit seiner Zukunft ausmachen konnte. Sie warf ein paar leicht angerostete Münzen für das dezent überteuerte Parking in den Automaten und wenig später war Josh auf dem Rücksitz verstaut und sie auf dem Weg zu seinem Zuhause. Schon nach wenigen Minuten der Stille kehrte die bedrückte Stimmung aber zurück und Aryana konnte durch den Rückspiegel bestens beochachten, wie er immer weiter im Polster zusammensank. „Josh, was wollen wir denn machen, wenn wir dich besuchen kommen? Hast du Hobbies?“, fragte sie im Versuch, den nächsten Nervenzusammenbruch noch etwas hinauszuzögern.
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Ja ja, das würde ich schon machen. Ich hatte auch nie wirklich vorgehabt, die Haarwäsche noch abzusagen und Aryana damit im Regen stehen zu lassen. Sie hätte die Kopfmassage so oder so gekriegt, weshalb ich ihre Worte nur mit einem flüchtigen Augenrollen quittierte. Aber ja, wir waren jetzt wieder quitt. Es war schon amüsant, dass selbst heute noch fast alles zwischen uns in kleinen Wettstreits oder Argumentationen endete. Als hätten wir das immer noch nötig, als wären die Fronten noch immer so ungeklärt und offen wie früher, als wir uns nicht selten im Camp gestritten hatten, noch vor dem Anschlag auf Warren. Wenn ich so darüber nachdachte, dann kreuzten sich unser beider Wege doch schon ziemlich lange und trotzdem kam es mir nicht so vor, weil die Brünette so lange so unerreichbar für mich gewesen war. Auch schien die junge Frau tatsächlich gewillt zu sein mich auf meinem zukünftigen Ausflug mit Josh zu begleiten, obwohl sie normalerweise genauso wenig von quengelnden Kindern hielt wie ich selbst. Aber wahrscheinlich sollte mich diese Einwilligung nicht wirklich wundern angesichts der Tatsache, dass ich im Gegenzug die Idee überhaupt erst vorgebracht hatte. Es war heute zweifelsfrei alles ein wenig merkwürdig. Obwohl es draußen nach wie vor ziemlich heiß war, war ich doch froh wieder aus dem Krankenhaus rauszukommen. Zwar sollte ich inzwischen schon diversen Ärzten dankbar dafür sein, dass sie mich wieder zusammengeflickt hatten, aber ich konnte die klinische Atmosphäre nicht leiden. Mein über die Gesamtsituation belustigtes Lächeln hielt noch bis zum Parkhaus an, dort angekommen sackten meine Mundwinkel dann aber doch langsam ab. Denn das vorübergehende Schweigen, das uns bis ins Auto folgte, ließ mich auf dem Beifahrersitz prompt wieder nachdenklich werden. Ich zerbrach mir den Kopf darüber, wer denn nun die von Josh genannte, weibliche Person war, die ihn schlussendlich auch noch im Stich gelassen hatte - ob freiwillig oder nicht mal dahingestellt, obwohl auch der Hintergrund natürlich gut zu wissen wäre. Ich würde den Kleinen einfach gerne noch besser verstehen, als ich das bis hierhin ohnehin schon tat. Ich kannte ihn nicht gut genug, um ihn wirklich weitreichend mit mir selbst zu vergleichen, aber eigentlich sah ich auch so schon genug Parallelen zwischen uns. Dass der Junge dieselbe Einsamkeit spürte wie ich damals war nicht zu übersehen. Anders war schlichtweg nicht zu erklären, dass er sich an zwei wildfremde Personen klammerte, nur weil sie ein bisschen nett zu ihm waren. Deshalb war ich ganz froh, dass Aryana die Stille mit einer Frage brach und es dauerte einen kleinen Moment, bis Joshua zu einer Antwort ansetzte. "Können wir Fußball spielen?" Natürlich, was auch sonst. Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie hatte fast jeder Junge in diesem Alter eine Vorliebe für Fußbälle. War bei mir damals ja nicht anders gewesen, nur hatte kaum Jemand mit mir spielen wollen. Allerdings konnte ich damit inzwischen nicht mehr wirklich was anfangen - ich war ja zu mit Waffen spielen übergegangen, da war wohl ein gewisser Teil meines inneren Kindes auf der Strecke geblieben. Ich drehte den Kopf in Aryanas Richtung, sah erst zu ihr und dann nach hinten zu Josh. "Gibt's noch mehr, was du gern machen würdest..?", hakte ich nach in der Hoffnung vielleicht noch andere Vorschläge zu hören zu kriegen. Erneut senkte er den Blick auf seine schmalen Knie, dann kam er mit der nächsten Idee um die Ecke. "Ich will in den Tierpark. Das letzte Mal ist lang her... Anny sagt immer dafür haben wir kein Geld und wir müssen zuerst sparen, aber ich glaube das ist nicht wahr.", sagte er und wurde zum Ende hin immer leiser, murmelte nur noch. Ich hatte keinen Schimmer von der aktuellen finanziellen Förderung von Waisenhäusern, also konnte ich den Jungen nicht in seiner Vermutung bestätigen. Ich hielt es aber dennoch für möglich, dass er Recht hatte und das Geld einfach in irgendwas Anderes gesteckt wurde. "Wer ist Anny?", versuchte ich Joshua am Reden zu halten. "Sie hilft beim Frühstück und beim Mittagessen. Wenn sie Zeit hat, dann redet sie mit mir." Eine... keine Ahnung, Küchenhilfe? Vielleicht war sie auch eine gewöhnliche Erzieherin und er bekam sie aber nur immer dann zu Gesicht, weil sie sonst in anderen Gruppen tätig war. "Sie ist die einzige, die ich mag.", hängte Joshua leise an und sah aus dem Fenster. Wäre ich nicht sowieso schon teilzeit-depressiv, würde ich es vermutlich spätestens beim Zuhören werden. "Wir kriegen das schon irgendwie hin mit dem Tierpark, Josh.", versicherte ich ihm mit einem schwachen Lächeln, dass er nicht ewig ohne seine Tierchen weiterleben müssen würde, ehe ich den Kopf wieder nach vorne drehte. Konnte allerdings gut sein, dass ich mich gar nicht mit ihm vom Gelände bewegen dürfte. Zumindest nicht beim ersten Mal, ich könnte ja ein Kindesentführer oder Schlimmeres sein. Spätestens dann, wenn mich irgendwer einem Background-Check unterzog, standen die Chancen wahrscheinlich mies. Vielleicht ließ sich das mit dem Tierpark trotzdem hinkriegen - wenn nicht beim ersten Besuch, dann halt ein paar Besuche später. Wobei ich mich langsam selbst zu fragen begann, wohin mich das Ganze in meinem Kopf noch führen sollte. Ich hatte eigentlich nicht wirklich Zeit dafür, mich um ein verwaistes Kind zu kümmern und ich musste es nicht erst erleben, um zu wissen, dass ich Joshua wahrscheinlich nicht den Wunsch abschlagen konnte nochmal wieder zu kommen, nachdem wir ihn einmal besucht hatten. Ein bisschen Fußball zu spielen war wohl mein geringstes Problem in dieser Sache. "Und bis dahin scheuchen wir Aryana ein bisschen über den Rasen.", lenkte ich ihn also doch lieber zurück auf die Ballsportart, als die Brünette den Wagen auf den Parkplatz vor dem Kinderheim lenkte. Ich hatte nicht erwartet, dass die Fahrt lange dauern würde und doch war sie irgendwie zu kurz gewesen.
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Besonders lange schien Josh nicht über seine Antwort nachdenken zu müssen, bevor er direkt mit dem sehr bekannten Sportvorschlag kam. War zwar lange her, seit sie zuletzt einem Ball nachgerannt war, aber hey - er hätte auch mit weitaus dümmeren Ideen kommen können. Fussball spielen klang wenigstens einigermassen realistisch, damit würden sie höchstwahrscheinlich sogar dienen könnten. Was beispielsweise bei einer grössenwahnsinnigen Idee wie einem Roadtrip durch die Staaten oder einem Flug nach Europa definitiv nicht möglich gewesen wäre. Naja - war auch naheliegend, dass der Junge erst mit Ideen kam, die er selber ebenfalls kannte und für realistisch hielt. Nichtsdestotrotz hakte Mitch wenig später noch nach, um weitere Optionen geboten zu bekommen und auch die zweite Idee wirkte nicht komplett aus der Luft gegriffen. Tierparks waren ein beliebtes Ausflugsziel für Kinder, wieso also nicht für ihn? Der Rest seiner Worte liess die Brünette definitiv mehr aufhorchen als der Wunsch an sich, hatte sie daraufhin doch schon den Mund aufgemacht, um die gleiche Frage zu stellen, die ihr Freund unmittelbar später von sich gab. Nämlich die Frage nach Anny, die scheinbar eine nicht zu verachtende Rolle im Leben des Kindes auf ihrer Rückbank spielte, wenn sie tatsächlich die Einzige war, die er mochte. Sie würde Anny schon sehr gerne kennenlernen, um sich auch aus ihrer Sicht ein Bild von Joshs Zuhause und Lebensumstände zu machen. Vielleicht eines Tages… Sie lächelte leicht, als Mitch schliesslich auch zum Fussballspiel einwilligte, rollte zugleich etwas mit den Augen. „Jaja, wird sich schon bald genug zeigen, wer genau hier wen über den Rasen jagt", antwortete sie wenig beeindruckt wenn auch noch immer mit genug Ironie im Unterton, während sie das Auto in ein Parkfeld lenkte. Ihr Blick wanderte für einen Moment zum Hauseingang und sie hätte fast geseufzt. So ganz wohl war ihr dabei wirklich nicht, Josh jetzt da rein zu bringen und quasi abzuliefern wie ein entlaufenes Kaninchen, dessen Zaun mal etwas höher gebaut werden sollte, damit es nicht ständig auf die Idee kam, einfach drüber hinweg in die Freiheit zu hüpfen. Aber sie wusste sich eben auch nicht anders zu helfen, denn selbst wenn sie möchten, konnten sie ein Kind aus einem Kinderheim nicht einfach nach Hause nehmen. Selbst wenn sie das tatsächlich in Erwägung ziehen würden, würden sie beide niemals als Adoptiv- oder auch nur Pflegeeltern in Frage kommen, dazu waren ihre Akten einfach zu voll, ihre Vergangenheit zu schwer. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass sie auch echt nicht für eine solche Aufgabe gemacht waren. Sie konnten ja kaum auf sich und einander aufpassen, wie immer wieder bestens ersichtlich wurde. Folglich musste das hier nunmal sein, so toll oder schlimm sie es auch fanden, es lag nicht in ihrer Macht, hier und jetzt sein Leben zu verbessern. Mehr als einen nächsten Besuch konnten sie Josh nicht versprechen, ohne dabei schwer der Gefahr zu laufen, zu lügen. Aryana strich sich übers Gesicht, als der Motor verstummt war, schob sich dann nach einem kurzen, unergründlichen Blick zu Mitch aus dem Auto, wo sie kurz ihre Kleidung zurecht zupfte. Dann wartete sie darauf, dass auch die beiden anderen ausgestiegen waren, schnappte sich dabei das noch immer nicht ganz trockene Shirt des Jungen aus dem Gepäck im Kofferraum. Josh sah schon wieder komplett bedrückt aus, als möchte er nichts lieber als rechtsum Kehrt machen und die Beine in die Hand nehmen. Sie versuchte sich an einem schwachen, missglückten Lächeln, schnappte sich dann aber kurzerhand wieder seine freien Fingern, mit denen er sich nicht schon bereits wieder an Mitch festhielt. "Na komm. Wir sagen ihnen auch, dass sie dir ja keinen Ärger machen sollen. Und dann schauen wir, was sie zu einem Besuch von uns meinen und machen einen Termin aus für nächste oder spätestens übernächste Woche, okay?", versuchte sie ihn etwas aufzumuntern und nach ein paar mühsam zögerlichen Schritten, während denen er skeptisch ihr Gesicht gemustert hatte, um die Lüge darin zu suchen, nickte er dann auch langsam. Ein etwas mutloses "Okay...", war dann trotzdem das höchste Mass an Einwilligung, das sie bekommen konnte. Aber das musste reichen, da sie viel zu bald auch schon direkt vor dem Eingang standen und wohl oder übel die Klingel betätigen mussten. Drinnen waren sofort Schritte zu hören, wenngleich es trotzdem einen Moment dauerte, bis diese auch wirklich in ihre Richtung kamen und eine Frau Mitte Vierzig die Tür nach innen aufzog. "Na da ist ja der kleine Ausreisser!", rief sie sofort in einer etwas zu schrillen Stimme aus, musste wohl aufpassen, dabei nicht auch noch in die Hände zu klatschen. Aryana nahm mit einem sehr distanzierten und wie üblich nicht so perfekt gespielten Lächeln gleich wieder einen kleinen Schritt zurück, während sie die anscheinende Betreuerin musterte, bevor ihr Blick auf Josh fiel, der den Kopf hatte fallen lassen und seine Zehen anstarrte. Er machte überhaupt nicht die geringste Anstalt, ihre Hand loszulassen oder nach drinnen zu gehen oder etwas auf die Worte der Frau zu sagen. Wunderbar...
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Sorry, dass ich jetzt so ewig gebraucht habe... ich bin einfach nicht mehr richtig reingekommen und dann klang immer alles so beschämend scheiße, dass ichs nicht abschicken wollte. :'( ___________
Es war wohl kein Wunder, dass Aryana gleich mit einer indirekten Kampfansage um die Ecke kam. Das wiederum ließ mich kurz grinsen, weil die Vorstellung, dass wir beide wie eher einfältig denkende Kinder einem Ball hinterher rannten, nur um Josh glücklich zu machen, doch ein wenig dämlich war. Es gab sicher Schlimmeres und am Ende machte es uns beiden sogar noch Spaß. Auch ein simples Ballspiel wie Fußball weckte einen gewissen Ehrgeiz, wobei ich es damit wohl nicht zu genau nehmen sollte - immerhin war Josh durch seine Körpergröße und seine eher wenig vorhandene Fitness deutlich benachteiligt. Es gab sicher einige in diesem Alter noch sehr drahtig gebaute Kinder, aber für meine Begriffe war er doch etwas zu dünn. Übergewicht wäre zwar auch nicht gut, aber dauerhaft mangelhafte Ernährung war eben auch alles andere als gesund. Wobei es natürlich auch möglich war, dass er durch den Stress an Gewicht verloren hatte. War mir im Knast im Grunde nicht anders gegangen und auch früher war ich eher schmal gebaut gewesen. Quasi nur ein Strich in der Landschaft. Noch viel unangenehmer war allerdings der Gedanke daran, den Kleinen jetzt wieder hier im Horrorhaus abzugeben. Zwar war es schon möglich, dass er mit der einen oder anderen Sache ein bisschen übertrieben hatte, aber ich wusste aus erster Hand eben auch, dass durchaus alles ganz genau so scheiße sein könnte, wie Joshua es uns geschildert hatte. Außerdem war sein Ausreißen auch ein ziemlich deutliches Warnsignal was das anging. Ein Kind musste schon sehr verzweifelt sein, um sich den schützenden Händen von Erwachsenen freiwillig zu entziehen. Der Gesichtsausdruck, den er draußen prompt wieder auflegte, als er nach meiner Hand griff, sprach eben leider auch Bände. Auch Aryanas Worte und ihre Hand an seiner anderen konnten nur bedingt dafür sorgen, dass er sich mit dem Gedanken an seine Bleibe anfreunden konnte. Er schien nur wenig begeistert davon, dass er auf unseren nächsten Besuch den einen oder anderen Tag warten müssen würde, aber das ging schlichtweg nicht anders. Während der Arbeitswoche hätte ich gar nicht den Kopf und die Nerven dafür, mich im Anschluss noch einem Kind anzunehmen. Da war ich froh, wenn ich nach dem langen Arbeitstag einfach nur meine Ruhe bekam und Josh hätte so gar nichts von meiner durchweg genervten Anwesenheit. Die Wochenenden blieben leider die einzige Option. Es breitete sich das ungute Gefühl einer bösen Vorahnung in meinem Magen aus, als an der Tür und der Klingel angekommen die Schritte im Inneren des Hauses zu hören waren. Jene Vorahnung bestätigte sich auch prompt, als uns eine Frau die Tür aufmachte, die mir schon von vornherein mit ihrer offensichtlich überdrehten Art total unsympathisch war. Ich musste mir den Kommentar 'Und jetzt wissen wir auch, warum er ausgerissen ist' wirklich stark verkneifen, aber zu einem Fake-Lächeln konnte ich mich wie so oft nicht durchringen. Was das anging war die Brünette zu Joshs anderer Seite mir weit voraus, hingen meine Mundwinkel doch vermehrt nach unten als ich unser Gegenüber akribisch musterte. Im Augenwinkel sah ich, dass Joshua schon wieder zu mir hochsah. Wahrscheinlich in der Hoffnung, dass wir es und anders überlegten und ihn doch noch einpackten. "Geh rein, hm? Wir kommen bald wieder und dann kannst du uns beide beim Fußball austricksen. Wie versprochen." Ich sah inzwischen wieder zu dem kleinen Jungen runter, der sich noch immer etwas zu fest an unsere Hände klammerte. Auch die in die Jahre gekommene Lady im Türrahmen klinkte sich ungefragt mit den Worten "Wenn du dich beeilst, bekommst du noch etwas vom Mittagessen ab, Joshua." ein. Es war vermutlich weniger das Essen und mehr Anny, die ihn köderte. Er löste seine Hände dennoch nur langsam von unseren und ging zuerst ein paar Schritte an der Frau vorbei in den Flur, bevor er sich noch einmal zu uns umdrehte und uns etwas übertrieben zum Abschied winkte. Ich hob mit einem ehrlichen Lächeln die Hand, bevor er sich wenig später schon wieder auf den Weg machte und mit meinem viel zu großen Shirt den Gang entlang zu laufen begann. Danach galten meine Augen wieder der älteren Frau. "Vielen Dank, dass sie ihn zurückgebracht haben. Ich weiß wirklich nicht, wie das passieren konnte... Joshua hat das noch nie gemacht, er mag die Ausflüge eigentlich sehr gerne.", zeigte sie sich mit weiterhin recht übertriebener Stimmlage viel zu erschüttert über den Alleingang des Jungen, als dass ich ihr das wirklich hätte abkaufen können. Aber ich hielt mich mit Kommentaren diesbezüglich vorerst zurück, weil ich mir die Chance den Kleinen zu besuchen nicht von vornherein vermasseln wollte. Ihm zuliebe. "Können wir ihn besuchen?", stellte ich die wohl wichtigste Frage also gerade heraus, was die ältere Dame sichtbar irritierte. "Wieso?", war alles, was die Ziege im Türrahmen im ersten Moment wissen wollte. Ich seufzte etwas schwerer, bevor ich zu einer Antwort ansetzte. "Erstens, weil ich ihn aus dem Meer gefischt habe und gerne sicher gehen würde, dass es ihm weiterhin gut geht und zweitens, weil ich den Eindruck habe, dass er zwei Freunde mehr gut gebrauchen kann. Josh kann uns gut leiden und er kann ein bisschen Abwechslung glaube ich sehr gut gebrauchen.", schilderte ich ihr ganz grob mein Anliegen, das eigentlich nur in ihrem Interesse sein konnte. Es sei denn natürlich, es gab hier etwas zu verstecken, das kein Außenstehender mitkriegen sollte. "Das ist schon sehr unüblich. Sie sind ja keine Verwandten.", zeigte sich die Vierzigerin im ersten Moment nur wenig begeistert von meinem - beziehungsweise unserem - Engagement für das mehr oder weniger fremde Kind. "Das beantwortet meine Frage nicht. Geht's oder geht's nicht?", schob ich ihr die selbe Frage in noch direkterer Form ein weiteres Mal zu. War kein Wunder, dass Joshua sich hier verarscht vorkam, wenn alle der Mitarbeiter so dämlich waren.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Kein Probleeem... :) Die Szene ist eh bald fertig und ausnahmsweise habe ich diesmal sowas wie eine Idee für später, die - unglaublich aber wahr - sogar V&F betrifft... x'D ________________
Es war wirklich beinahe traurig, wie Mitch Josh nochmal dazu auffordern, fast überreden musste, sein eigenes Zuhause zu betreten und nicht hier mit zwei Quasi-Fremden stehen zu bleiben, als wäre das schlicht die bessere Option. Da lief doch eine Menge falsch und die gute Frau im Türrahmen sollte sich besser mal eine plausible Erklärung für solches Verhalten überlegen, als sich in das Gespräch einzumischen. Erst noch mit einer derart unangebrachten Aussage - wie wenn das Kind sich ein Mittagessen nicht schon allein deshalb verdient hatte, weil es an diesem Tag fast gestorben war und erstmal wieder vernünftig zu Kräften kommen sollte. Unnötig zu erwähnen, dass auch Aryana sich keineswegs an ihrer Erscheinung erfreuen konnte, eher kritisch eine Augenbraue hob und sie eine Sekunde von der Seite her musterte, als die Frau sich an Josh wandte. Ihr eigener Blick verriet in diesem Moment wohl deutlich genug, dass sie absolut der Meinung war, besser mit Kindern umgehen zu können als die. Obwohl sie Kinder nicht mal mochte. Aber das war wohl auch die einzige Gemeinsamkeit zwischen der Brünetten und der Frau des Heimes, die glücklicherweise erst dann wieder aufschaute, als Aryanas Augen schon wieder zu Josh gefunden hatten und ihr Gesichtsausdruck sich mehr oder weniger neutralisierte um ihre Gedanken nicht mit dem Kind zu teilen. Auch auf ihrem Gesicht zeigte sich ein seichtes Lächeln, als Josh sich schliesslich nach drinnen begab und ihnen zum Abschied winkte. "Machs gut und bis bald", meinte sie, hob ebenfalls die Hand um zu winken, bevor er schliesslich im Inneren des Heimes verschwand um hoffentlich noch eine Portion des Essens zu ergattern. Anstatt eines "Wir haben uns Sorgen gemacht und sind froh, dass er noch lebt" oder etwas in dieser Richtung, begann die Frau sich gleich darauf umgehend aus der Sache rauszureden und ihre komplette Unschuld zu beteuern. Jaja, Aryana hatte auch keiiiine Ahnung, wie das passieren konnte. Immer wieder schockierend, die überraschenden Ideen solcher Kinder... Doch auch sie beschloss, erstmal den Mund zu halten und gar nichts dazu zu sagen, beobachtete lieber mit wachsender, irritierter Fältchenbildung auf ihrer Stirn das Gespräch zwischen Mitch und der Angestellten, die irgendwie nicht mit besonders viel Euphorie auf den Besuchswunsch reagierte. Tja, warum wohl. Aryana hätte gerne noch ungefähr zweihundert weitere Argumente, die definitiv für mehr Besuch für Josh sprachen, ausgesprochen, doch hielt es weiterhin für angebrachter, erstmal das vorübergehende Urteil der Dame abzuwarten. Dies folgte nach einer irgendwie überfordert wirkenden Sprechpause auch eine Weile später, begleitet von einem fast schon hilflosen Schulterzucken, das wohl eher gleichgültig hätte rüberkommen sollen. "Ich denke schon ja, sofern wir nicht unterwegs sind natürlich... Und leider dürfen Sie sich halt auch nur im Garten oder im Wohnbereich aufhalten - um die Privatsphäre der anderen Kinder zu schützen, verstehen Sie? Und keine Ausflüge - zu seinem eigenen Schutz, das können wir nicht verantworten... Rufen Sie am besten einfach vorher an, okay? Dann kann er sich schonmal drauf einstellen und sagen, ob er das auch möchte - und Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude, hm?", sie verhaspelte sich fast bei all den Worten, die ihr plötzlich über die Lippen kamen. "Geht in Ordnung, wir werden uns selbstverständlich melden. Wenn Sie mir ihre Telefonnummer hätten..?", erwiderte Aryana, zog ihr Handy hervor, um die Nummer, die ihr gleich darauf diktiert wurde, abzuspeichern. Die Brünette wirkte dabei je länger je irritierter, hatte zunehmend Mühe, sich nicht zu sehr anmerken zu lassen, dass sie der Dame ihre zuvorkommende Art kein Stück weit abkaufte. Aber das musste sie auch nicht. Denn kaum hatte sie die letzte Zahl ausgesprochen, war sie auch schon im Begriff, sich abzuwenden und nach drinnen zu watscheln. "Ich muss jetzt leider wirklich gehen, die anderen brauchen meine Hilfe, wie gesagt, Mittagszeit...", sie lächelte ungeschickt, nickte ihnen nochmal zu. "Hat mich gefreut und nochmal vielen Dank, haben Sie ein schönes Wochenende", und schon war sie weg. Also fast, denn Aryana konnte gerade noch ihre Hand gegen die schwere Tür drücken, bevor diese ihnen vor der Nase zugefallen wäre. "Entschuldigung, aber Sie haben was vergessen...", murmelte sie, gab sich mittlerweile keine Mühe mehr mit unnötiger Höflichkeit, sondern knallte der Dame das mehr oder weniger trockene Shirt, das ihnen von Josh geblieben war, ziemlich direkt in die Arme, ehe sie die Hand hob und sich abwandte, um so rasch wie möglich zurück zum Auto zu kommen und zu verschwinden. Die war doch komplett im Film hier.
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Oh, das ist... ungewöhnlich. Erzähl mir mehr! x'DD ____________
Ich hatte schon befürchtet, dass das mit dem Tierpark nichts werden würde. Zumindest niemals ohne eine zusätzliche Aufsichtsperson und dass das in niemandes Interesse war, war wohl überflüssig zu erwähnen. Das wäre für die Einrichtung ein finanzielles Desaster - schließlich würde das begleitende Personal ja irgendwo ausfallen - und außerdem wollten wir Joshua ja nicht besuchen oder irgendwohin mitnehmen, nur damit ihm da dann auch eine der Erzieherinnen im Nacken saß. Das wäre ganz klar eine Verfehlung des eigentlichen Ziels. Es blieb also erst einmal bei dem Fußballspiel, aber das ging für den Kleinen sicher auch in Ordnung. War schließlich sein Vorschlag gewesen und mit ein bisschen Glück nervten uns da dann auch keine anderen Kinder... zugegeben gruselte mich der Gedanke daran, dass sich andere Heimkinder mit ins Spiel einklinken wollen könnten. Ich kam mit einem Kind scheinbar besser klar, als ich das vorher für möglich gehalten hatte, aber das hieß nicht, dass ich gerne noch mehr davon mit am Start hätte. Immerhin konnte ich mich mit nur zur Hälfte schlechtem Gewissen schließlich von der Tante abwenden, als Aryana sich die Telefonnummer geangelt und das Kleidungsstück zurückgegeben hatte. Die energische Bewegung, die sie dabei ausführte, war nur allzu gut nachvollziehbar. Ich für meinen Teil sparte mir die Verabschiedung, sondern machte einfach mit der Brünetten Kehrt. Einerseits war ich wirklich froh mich mit der Frau nicht mehr unterhalten zu müssen, aber andererseits war mir doch auch nicht wirklich wohl dabei sie auf Josh - und die anderen Kinder, aber die kannte ich halt nicht - loszulassen. Es war nur nicht so als hätte ich was das anging eine Wahl, also trugen meine Füße mich schließlich zurück zum Wagen. Schon währenddessen zog ich die Brauen noch deutlich tiefer ins Gesicht, als das vorher schon der Fall gewesen war und meine Stirn legte sich unter der Anspannung unweigerlich in Falten. Ich würde mich ja einfach damit trösten, dass der arme Junge jetzt wenigstens etwas zu essen bekam, aber ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass die Mahlzeiten wirklich gut waren. Ich wünschte es mir, hielt es aber doch für unwahrscheinlich. Es war schlichtweg am günstigsten für solche Einrichtungen sich Essen von einer Großküche liefern zu lassen, statt selbst jeden Tag frisches Essen zuzubereiten. Aber gut - mir den Kopf darüber zu zerbrechen war auch nicht hilfreich. Freiwillig pflanzte ich mich wie schon auf der Hinfahrt zum Heim wieder auf den Beifahrersitz, hätte ich meine Wut auf das amerikanische Waisen-System doch sonst womöglich einfach am Gaspedal oder den anderen Verkehrsteilnehmern ausgelassen. Wobei es nicht nur Wut war, die mich so frustriert dreinblicken ließ, als ich den Sicherheitsgurt angelegt hatte und nur darauf wartete, dass Aryana losfuhr. Es machte mich einfach auch ein Stück weit traurig. Ich war ein perfektes Beispiel dafür, was passieren konnte, wenn ein Mensch eine durchweg miserable Kindheit durchlebte und sich davon nie wieder wirklich erholte. Es würde immer ein Teil von mir bleiben. Von mir und auch von unzähligen anderen vom Schicksal gestraften Kindern. "Ich weiß gar nicht, wo ich damit anfangen soll, mich darüber aufzuregen.", grummelte ich kritisch vor mich hin, während ich aus dem Fenster sah. Hatte in der Zwischenzeit den Arm auf dem Fensterrahmen platziert und tippte mit den Fingern auf der Verkleidung herum. Ich schwieg erst einige Sekunden, bevor ich den Kopf schließlich zu der Brünetten drehte. "Er hat sicher an die zehn Minuten straight durchgeheult, weil er nicht zurückwollte. Auf meinem Schoß. Mir war echt selten irgendwas so peinlich.", setzte ich meine Freundin erst einmal über meine wunderbar unangenehme Situation im Krankenhaus in Kenntnis. "Wenn ich's nicht besser wüsste, würde ich behaupten, dass er vielleicht gar nicht unbeabsichtigt ins Wasser gesprungen ist.", seufzte ich, richtete den Blick daraufhin wieder aus dem Fenster. Das war auch nur reine Spekulation, aber wenn ich mir seinen mentalen Zustand so ansah, war es nicht unbedingt abwegig. Dass er dann doch nicht hatte untergehen wollen, als er schließlich tatsächlich auf offenem Wasser in die Bredouille geschlittert war, wäre in diesem Fall einfach nur der einsetzende Überlebensinstinkt gewesen. Es wäre eben einfach untertrieben zu sagen, dass Joshua nur verzweifelt wäre. Er wirkte einsam, für sein Alter zu misstrauisch und kritisch, war offensichtlich auch wahnsinnig traurig und noch dazu scheinbar nicht selten das Opfer von Mobbingattacken anderer Kinder. Er war quasi auf dem besten Weg dazu in etwa die gleichen Verhaltensstörungen wie ich zu entwickeln. Perfekt.
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Aryana setzte sich wieder hinters Steuer, da das gerade die unausgesprochen bevorzugte Sitzordnung im Auto zu sein schien. Mittlerweile wechselten sie sich eigentlich immer ein Bisschen ab mit dem Fahren, aber gerade schien ihrem Freund herzlich wenig daran zu liegen, Position hinter dem Lenkrad einzunehmen. Wahrscheinlich hatte er einfach anderes im Kopf und keinen Nerv für den Verkehr, in den sie sich einfädelte, als sie den Wagen zurück auf die Strasse lenkte. Sie wusste nichtmal wirklich, wohin sie überhaupt fahren sollte. Wahrscheinlich nach Hause, da sie bezweifelte, einer von ihnen hatte jetzt noch gross Lust, zurück zum Strand zu fahren. In ihrer Wohnung wartete zwar nicht wirklich mehr Ablenkung auf sie, aber was solls... Es dauerte nicht lange, bis sie den allgemeinen Unmut ihres Beifahrers zu Ohren bekam und Aryana warf einen kurzen Blick in seine Richtung. Ja, das traf es ganz gut. Sie hatten heute fast schon wieder zu viel Übel im Leben eines einzigen Kindes gesehen, um das in Worte zu fassen. Das bestätigten auch seine folgenden Worte, mit denen er ihr kurz zumindest einen Teil der Zeit schilderte, die er mit dem weinenden Josh alleine im Krankenhaus verbracht hatte. Tatsächlich konnte die Brünette nur knapp verhindern, dass die offensichtliche Verzweiflung des Jungen sie ein Bisschen an der Richtigkeit ihrer Entscheidung, ihn umgehend zurück ins Heim zu bringen, zweifeln liess. Aber was hätten sie auch sonst tun sollen..? Ins Krankenhaus hatte er ja scheinbar nicht länger gehört und nach Hause nehmen konnten sie ihn schlecht. Nicht nur, weil das nahezu unmöglich mit ihrer Arbeit zu vereinbaren war, sondern auch, weil das unter Kindesentführung gegangen wäre und sie beide ohne Zweifel jeden für sich für die nächsten zweihundert Jahre hinter Gitter befördert hätte. Und das brachte Josh dann bei aller Liebe einfach absolut gar nichts mehr. "Das ist echt beschissen", murmelte sie zwischen niedergeschlagen und wütend vor sich hin. "Aber ich habe keine Ahnung, wie wir ihn da rauskriegen sollen... Können ihn ja schlecht bei uns aufnehmen. Mal ganz davon abgesehen, dass uns keine Regierung der Welt je erlauben würde, ihre Kinder zu betreuen", schob sie mit einem Hauch Sarkasmus nach, weil das schlicht ein aussichtsloses Unterfangen war. Selbst wenn sie beide niemals direkt einem Kind geschadet hatten, waren Kriegsveteranen wohl nicht gerade gern gesehene Adoptiv- oder Pflegeeltern. Auch ohne zusätzlichen kriminellen Hintergrund nicht. Menschen wie sie hatten einfach fast zwangsläufig einen psychischen Knacks, den sie schlimmstenfalls noch an die Kinder weitergeben könnten. Dann waren Menschen wie die dämliche Erzieherin von gerade eben schon weitaus besser geeignet. "Die Ziege hat sich nichtmal darüber gefreut, dass er wieder da ist. Nichtmal so getan, als hätte sie sich ernsthaft Sorgen gemacht... Wahrscheinlich wäre sie noch fast glücklich gewesen, ihn los zu sein", grummelte Aryana weiter vor sich hin. Brachte wohl nichts, auf Mitch's Seite noch mehr Öl ins Feuer zu giessen, aber es war nunmal leider wahr. Glück oder Erleichterung sahen anders aus als das Gesicht der Dame von gerade eben. "Vielleicht können wir ihn ja früher besuchen als gedacht... Oder ihm etwas schicken, damit er sich wenigstens darüber freuen kann...", das war ein ziemlich schwacher Trost, aber was besseres fiel ihr in dem Moment wirklich nicht ein.
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Ziemlich sicher gab es auch gar keine Möglichkeit dazu Joshua aus seiner Misere zu befreien. Wie Aryana schon so schön in Worte fasste, waren unsere Möglichkeiten was das anging sehr begrenzt. Mal ganz davon abgesehen, dass ich mich auch gar nicht fähig dazu sah, mich quasi 24/7 um ein adoptiertes Kind zu kümmern. Ich war ja schon froh drum mich selbst nicht mehr über die Klippe stürzen zu wollen, wobei ich meinen eigenen psychischen Zustand wohl insgesamt nach wie vor als durchweg labil betiteln würde. Mir selbst täte ich also mit der Last eines Kindes absolut keinen Gefallen und dem betroffenen Bengel noch weniger. Also eben mal so ganz unabhängig davon, dass sowas ohnehin nicht zur Debatte stand, weil es schlichtweg nicht möglich war... und wir nicht einfach anfangen konnten Kinder zu adoptieren, nur weil sie es in einem Heim schlecht hatten. Das nähme ja nie ein Ende. "Wir kriegen ihn da auch nicht raus. Ich wüsste nicht wie.", bestätigte ich die Brünette in der Tatsache, dass es wenige bis eher gar keine Möglichkeiten dazu gab Josh das Leben im Heim zu ersparen. Bekanntlich war ich mir für das eine oder andere Verbrechen zwar nicht zu schade - Mord, Mord und irgendwie noch mehr Mord -, aber Kindesentführung wäre nicht weniger als mein endgültiger Freifahrtschein ins Jenseits. Müsste ich je wieder hinter Gittern sitzen, dann war es das gewesen. Dass die Erzieherin sich sichtbar wenig über die Wiederkehr des Jungen gefreut hatte, machte es eben auch nicht gerade besser. Es bestätigte nur meine böse Vorahnung bezüglich lieblosen Personals, das mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein in Joshs Misere war. Sicher gab es viele ungünstige Faktoren mehr in seinem noch jungen Leben, aber wenn man sich nicht einmal bei den Erziehungsberechtigten - den eigentlichen Vertrauenspersonen - sicher damit sein konnte, dass sie sich für einen einsetzten, ja, dann sah die Welt wirklich ziemlich schwarz aus. "Das erklärt jedenfalls, warum sie kein Problem damit hatten, dass ich ihn selbst zurückbringen will...", meinte ich trocken, schüttelte danach für mich selbst absolut verständnislos den Kopf. Am Ende wäre es denen noch recht gewesen, wenn auf dem Weg zum Heim irgendwas passiert wäre und ihnen das eine Maul mehr zu Stopfen erspart blieb. Natürlich war das ein sehr zynischer Gedanke, aber halt leider auch nicht so sehr weit hergeholt. Joshua für die Zeit bis zu unserem Besuch Kleinigkeiten zu schicken, die ihm das Leben minimal erheitern könnten, war womöglich nur ein kurzer Trost. Sollten ihn die anderen Kinder wirklich so drangsalieren und ihm alles wegnehmen, wie er mir im Krankenhaus noch erzählt hatte, würden wir womöglich nicht ihm den Gefallen tun, sondern Jemand anderem. "Ich weiß nicht. Die anderen Kinder haben's wohl auch auf ihn abgesehen und nehmen ihm öfter mal was ab...", teilte ich meine Gedanken an das vorherige Gespräch mit dem Jungen mit Aryana. Vielleicht würden die Mitarbeiter des Heims ein Geschenk auch einfach verteilen, an wen sie wollten. Oder für allgemein zugänglich in eine Art Spielzimmer oder Gemeinschaftsraum verlegen. Ich traute denen wirklich so einiges zu. "Andererseits ist es vielleicht trotzdem besser als gar nichts... keine Ahnung.", hängte ich ein paar schweigsame Sekunden später mit einem ratlosen Seufzen noch ein paar Worte mehr an. Drehte erst danach den Kopf vom Fenster weg und in Richtung der Brünetten. Als würde es mir Antworten geben in ihren Gesichtszügen zu lesen, was natürlich nicht der Fall war. Vielleicht versuchte ich auch einfach nur zu sehen, was sie dachte. Ob ich der Einzige hier im Wagen war, der sich durch das heutige Erlebnis getriggert fühlte, oder ob die junge Frau auch zwangsweise an ihre Vergangenheit zurückdachte. Für sie musste es leichter gewesen sein als für mich, weil sie schlichtweg nicht allein gewesen war. Einen großen Bruder - und Faye - zu haben war sicher Gold wert gewesen. Es war merkwürdig, weil ich meine eigenen Erlebnisse von damals normalerweise am liebsten totschwieg, aber dass gerade alles mehr oder weniger von Neuem zu brodeln begann, löste doch das leise Bedürfnis dazu aus, mal darüber zu reden. Vielleicht lieber nicht jetzt sofort, aber mir fiel schon wieder auf, wie wenig Aryana und ich eigentlich voneinander wussten. Wir lebten wohl beide am liebsten im Hier und Jetzt, weil wir jeweils einiges an Schutt aus der Vergangenheit mit uns herumtrugen. Einfach niemals darüber zu reden war aber sicher nicht der ideale Weg für unser ohnehin schon angeknackstes Vertrauensverhältnis zueinander. Zumindest würde Faye mir das bestimmt so sagen. Oder Victor. Oder eben beide unserer Pseudo-Teilzeit-Therapeuten.
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Es waren ein paar Wochen vergangen seit dem unheilvollen Besuch von Mitch und Aryana. Und das war auch gut so, denn die Zeit hatte sie definitiv gebraucht, um sich auch nur annähernd an den Gedanken zu gewöhnen, ihre Schwester wieder im Krieg oder in kriegsähnlichen Zuständen zu wissen. Nicht, dass sie sich irgendwie wohl dabei fühlte, aber immerhin schlief sie wieder einigermassen gut durch, konnte wieder an andere Dinge denken und war etwas zuversichtlicher bezüglich Mitchs Allgemeinzustand. Er war seit da auch nie mehr so ausgetickt in ihrer Gegenwart. Natürlich war es gut möglich, dass er sich bei den Besuchen einfach angestrengt zusammenriss, aber sie hegte doch ein Bisschen Hoffnung, dass es vielleicht wirklich etwas Bergauf ging. Und wenn es nur an der Tatsache liegen sollte, dass er Dank dem Ende seines Gefängnisaufenthaltes immerhin wieder mehr Zeit mit Aryana verbringen konnte - es war trotzdem ein Fortschritt, zog ihn wieder ein Stück zurück vom Rand der Klippe, über die er um ein Haar vollkommen mutwillig gehüpft wäre. Das glaubte - hoffte - sie zumindest, über sein wahres Gefühlsleben konnte sie nämlich nur spekulieren. Bei Victor und ihr war währenddessen nicht viel passiert, sie schickten sich in ihren mal mehr, mal weniger ereignisreichen Alltag, gingen ihrer Arbeit nach und genossen die gewohnten, nicht zu wenigen Stunden zu zweit. Ab und zu unternahmen sie einen Ausflug, ganz wie es eben ins Programm und zu ihrer Laune passte. Heute war wieder einer dieser relativ normalen Tage - ein Samstag in diesem Fall - den Faye mit Arbeiten in der Spätschicht verbrachte. Ihr waren Wochentage eigentlich lieber, weil die doch meistens etwas ruhiger über die Bühne gingen und sie trotz all der Zeit, die mittlerweile vergangen war, noch immer zu sensibel auf bestimmte Themen reagierte und es weiterhin nicht mochte, wenn die Arbeit oder das Leben zu hektisch wurden. Aber das brauchte sie hier wohl keinem sagen, die meisten aus ihrem Team genossen die freien Wochenenden nicht weniger als sie selbst, wenn auch vielleicht aus überwiegend anderen Gründen. Naja. Jedenfalls sass sie auf der Notaufnahme mit Jackson und Gab. Gab war ein Jahr jünger als sie und noch in der Ausbildung, ein ziemlich unterhaltsamer Geselle, wie er gerade jetzt auch wieder bewies, indem er ihr irgendwelche Geschichten erzählte, von denen man sich nie ganz sicher sein konnte, wie viel Wahrheit denn nun wirklich drin steckte. Spielte aber auch gar keine Rolle, da er ihr so oder so immer wieder leise Lacher entlockte, während sie gerade dabei waren, einen Materialschrank des Krankenwagens wieder auf Vordermann auszurüsten. Das lockere Gespräch wurde - mal wieder, wie üblich - vom Funkgerät unterbrochen, welches Jackson umgehend beantwortete, während sie schon dabei waren den Schrank zu schliessen, sich ihre Jacken zu packen und sich schliesslich in den Innenraum des Krankenwagens zu begeben. Jackson - der letzte Woche gerade seinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert hatte und ihnen dafür noch immer Kuchen schuldig war - hüpfte hinters Steuer wie ein junges Reh und startete den Motor, der keuchend ansprang. Eine Messerstecherei im mehr oder weniger für seine Kriminalität berüchtigten Teil der Stadt, lautete der Funkspruch. Mindestens ein Verletzter um die Dreissig wurde verlesen, die Polizei sollte aber vor ihnen da sein um die Umgebung zu sichern und klarzustellen, dass es auch wirklich bei dem einen blieb. Das war dann jedoch mehr oder weniger alles, was bisher bekannt war - wie das halt so üblich war, hatte der Verletzte nicht gerade seine ganze Sippschaft mit zum Tatort geschleppt. Zum Glück nicht... Die Fahrt dauerte fast eine Viertelstunde, da ihr Weg sie mitten durch die Stadt führte, wo Jackson selbst bei wenig Verkehr nicht wirklich auf eine sinnvolle Geschwindigkeit beschleunigen konnte. Als sie ihr Ziel schliesslich erreicht hatten, war immerhin die Polizei auch wirklich schon vor Ort und einer der Cops machte sich direkt daran, den Krankenwagen einzuweisen. Kaum standen die Räder still, hüpften Faye und Gab von ihren Sitzen und nach draussen in die nicht wirklich kühle Luft der zwielichtigen Abenddämmerung. Das Opfer, um das sich ein zweiter Polizist kümmerte, war schnell ausgemacht und nur Sekunden später fanden sie sich mit der Tragbahre ebenfalls direkt neben ihm ein. Faye kniete sich gut sichtbar neben den Kopf des jungen Mannes, der offenbar bei vollem Bewusstsein war, legte eine Hand an seine Schulter, damit er sie überhaupt beachtete. "Guten Abend, ich bin Faye und das ist Gabriel, vom Rettungsdienst", stellte sie sich und den bereits anwesenden ihrer Begleiter vor, scannte den Mann dabei von oben bis unten nach Verletzungen. Dabei stachen ihr unverkennbar auch die weissen Druckverbände, die der Polizist bereits angelegt hatte, in die Augen. "Haben Sie Schmerzen im Rücken oder in den Beinen?", wollte sie, den Blick wieder in seine Augen gerichtet, wissen, während sie ihm die Manschette zur Blutdruckkontrolle um den Oberarm wickelte und Gab den Fingerhut zur Messung des Sauerstoffs über den Finger des Mannes stülpte. Die Frage mochte bescheuert klingen und sie konnte gar nicht so hoch zählen, wie sie schon ebenso bescheuerte Antworten darauf bekommen hatte. Aber lieber eine bescheuerte Frage als eine Lähmung.
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Hab jetz ewig gebraucht mir irgendwas an Charakter im Anmeldethread zusammen zu spinnen, ohne dass es zu irgendwem komplett geklont wirkt. x'D __________
Der heutige Abend war nicht unbedingt nach Plan verlaufen. Ursprünglich hatte ich mich nur deswegen mit Sean treffen wollen, weil er irgendein neues, krummes Ding planen wollte, bei dem ich wieder mit von der Partie sein konnte. Zugegeben war mir mit den kriminellen Aktionen - namentlich dann mal hier ein bisschen Gras verkaufen und da ein bisschen was Wertvolles stehlen - nach wie vor auch noch nicht ganz wohl, aber es war auch nicht so als hätte ich wirklich eine Wahl. Mit den manchmal noch schubartig wiederkehrenden Psychosen war es schwer einen Job zu kriegen und es wurde unweigerlich noch schwieriger, wenn man nicht geduscht zum Vorstellungsgespräch kam. Ich hatte schon ein oder zwei dank meiner guten Karriere bei der Army ergattert, aber daraus geworden war dann ja doch nichts. Es stellte eben Niemand gern einen obdachlosen Kriegsveteran ein, der auch noch vor sich hin hinkte, meistens tiefe Schatten unter den Augen trug und noch dazu hin und wieder geistige Aussetzer hatte. Zugegeben war ich an meiner Wohnsituation - die man nicht wirklich als solche bezeichnen konnte - selbst Schuld und theoretisch würden meine Eltern mich sicherlich wieder bei sich wohnen lassen, aber das wollte ich ganz einfach nicht. Erstens machte ich nur Probleme und zweitens kratzte das einfach unsagbar an meinem ohnehin schon gebrochenen Stolz. Im Grunde war mein ganzer Lebensumstand nichts als beschissen, aber wenigstens war ich in meinem Truck nachts vor Stechmücken und der Witterung geschützt. Zwar war gerade Sommer, aber spätestens im Winter hatte ich damit einen unsagbaren Vorteil vielen anderen gegenüber. Nur von A nach B kam ich mit dem fahrbaren Untersatz halt kaum noch, weil Benzin meistens unerschwinglich für mich war. Ich weigerte mich dennoch den Wagen zu verkaufen, weil er zumindest das bisschen Hab und Gut, das ich noch hatte, gut schützte. Wie dem auch sei. Jedenfalls gerieten Sean und ich nach schon gefühlt ewig langer Diskussion über die Vorgehensweise beim nächsten, deutlichen größeren Coup schließlich in einen eskalierenden Streit. Er mochte der Kriminelle mit Erfahrung von uns beiden sein, aber ich hatte jahrelang Einsätze der Army ausgeführt und auch mit geplant. Wenn hier Jemand was von Strategien wusste, dann war dass doch zweifelsfrei ich, oder? Sean sah das anders und beharrte auf seiner mehr als heiklen Variante. So vehement, dass er schließlich auf mich losging, als ich ihm sagte, dass ich so nicht mitmachen würde und er die Scheiße dann alleine durchziehen konnte. Ich konnte kaum so schnell reagieren, da hatte ich auch schon einen Schnitt im linken Oberarm. Es war den jahrelang trainierten Reflexen zu verdanken, dass ich überhaupt noch auszuweichen schaffte. Der mir leider sehr bekannt vorkommende Schmerz raubte mir allerdings ausreichend den Verstand, um nur wenig effektiv nach meinem eigenen Taschenmesser zu greifen. Man lief auf der Straße besser nie unbewaffnet herum, aber meine Blütezeit als Soldat war nun schon über ein Jahr vorbei und ich auch dementsprechend aus der Übung. Mein Bein schränkte mich in Bewegungen grundsätzlich zusätzlich ein, also ging ich am Ende zweifelsfrei als Verlierer aus der Sache raus. Sean machte sich den anhaltenden Schmerz der früheren Verletzung an meinem Bein zunutze, trat mir an den Unterschenkel und ließ mich in Verbindung mit einem nicht zu tiefen Stich etwas oberhalb der Hüfte recht leicht auf den Boden wandern. Spuckte mir von oben herab dann noch ins Gesicht, dass ich in einem Monat trotzdem bei dem blöden Überfall dabei sein würde - ob ich wollte oder nicht. Ich sah ihn nur verschwommen, doppelte sich meine Sicht doch durch den harten Aufprall für eine Weile. Mit einem triumphierenden, selbstgefälligen Lächeln und einem weiteren Tritt gegen die Rippen ließ er mich dann auf dem Asphalt liegen. Ich hustete, keuchte und tastete mit der linken Hand automatisch nach der Stichverletzung, die bereits fröhlich vor sich hin blutete und mein Shirt in Nullkommanichts einnässte. Instinktiv übte ich Druck auf die Wunde aus, während sich ein dumpfer Druck in meinen Ohren ausbreitete und meine Sicht sich vermeintlich etwas aufklarte. Ich tastete mit der anderen Hand nach meinen Rippen, die glücklicherweise unter der Brandnarbe außer dem sicherlich einkehrenden Bluterguss jedoch nichts abbekommen zu haben schienen. Dass eine aufgebrachte, ältere Frau in einem anliegenden Gebäude, zu ihrem Telefon griff und die Angelegenheit den Bullen meldete, bekam ich nicht einmal mit. Ich verfiel beinahe in sowas wie eine Schockstarre, als vor meinem Auge eine Abwandlung von Erinnerungen auftauchte. Starrte einfach nur unter den Schmerzen schwer atmend in den langsam dunkler werdenden Himmel und bemerkte nicht einmal, dass ein anderer Anwohner mir zu helfen versuchte, bis ich letztendlich Polizeisirenen hörte. Es war der schrille Ton, der mich mehrfach blinzeln, aber doch nicht vollständig aus dem üblen Film erwachen ließ. Der noch eher junge, blonde Polizist passte irgendwie so gar nicht zwischen all die markanten Leute in Armeeklamotten, die ich gleichzeitig vor meinem inneren Auge sah und in die Realität projizierte. Die mir sagten, ich müsse endlich aufstehen und Befehle erteilen, weil sonst alle sterben würden. Ich sagte nichts, versuchte aber doch mehrfach aufzustehen. Der Cop hatte allerdings keine Mühe damit, mich am Boden zu halten, war doch gleichzeitig unter den Schmerzen gefühlt jede Kraft aus meinen Gliedern gewichen. Irgendwann drängelten sich auch ein paar deutlich längere, dunkle Haarsträhnen ohne Polizeimütze in mein Sichtfeld. Ich sah anfangs noch nach links zum Haus, das in meinem Kopf gerade einstürzte, bis die junge Frau mich an der Schulter berührte und mit Worten nach meiner Aufmerksamkeit rang. Nicht alles davon drang wirklich zu mir durch, während ich sie aus leeren Augen ansah... und doch irgendwie auch nicht ansah. Erst die Frage klang etwas deutlicher in meinen aktuell noch wie in Watte gepackten Ohren. Ich schüttelte schwach den Kopf, was mir erstmals die kleine Platzwunde am Hinterkopf deutlich machte. Würde man unter den inzwischen deutlich zu langen Haaren aber wohl sowieso nicht oder fast nicht sehen. Ein Friseurbesuch war mehr als dringend nötig und doch meine kleinste Sorge. "N... Nein." Zumindest tat mein Bein halt nicht viel mehr weh als sonst, wenn ich irgendwo sehr unsanft dagegen stieß - oder eben Jemand dagegen trat. "Ich muss aufstehen. Befehle... Corporal... Sergeant Hayes... sie brauchen mich.", begann ich mit trockener Kehle über meinen eigenen letzten Dienstgrad verwirrt vor mich hin zu stammeln und streckte die rechte, blutige Hand leicht zitternd nach dem Oberarm der jungen Frau aus, um in meinem schrägen Film zu versuchen mich an ihr hochzuziehen. Es kam wohl uns beiden zu Gute, dass ich wegen dem penetranten Schmerz an der Hüfte sehr schnell von allein wieder auf den Rücken sackte.
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