Scheinbar waren sie sich in dieser Hinsicht auch sehr einig, wie Victor gleich darauf klarstellte. Nicht unbedingt jetzt im Moment war nämlich auch ihr bevorzugter Zeitpunkt, über das ganze Ausmass der Problematik zu sprechen. "ja... damit kann ich mich ganz gut abfinden", erklärte sie sich wörtlich dazu bereit, noch ein paar Tage oder Wochen auf diese Liste zu warten. Bis dahin war sie (leider) sicher auch noch weiter gewachsen, aber sie konnte sich unterdessen zumindest mental schonmal darauf vorbereiten, was sie alles erwarten dürfte. Gegebenenfalls, wenn sie sich ausserordentlich motiviert fühlte, konnte sie ja selbst eine Liste verfassen, welche sie dann mit seiner Version abgleichen konnte. Mal schauen, wer am Ende mehr Fehler in ihrem wackeligen Konstrukt finden würde... Hoffentlich keiner, denn wenn sie ehrlich war, dann hatte sie so gar keine Lust, sich die nächsten vier bis zwölf Jahre damit zu befassen. Ihr Ziel war ja eigentlich weiterhin, einfach endlich glücklich zu sein - mit ihm und für immer, ohne ständig um den nächsten Rückfall fürchten zu müssen. Sie würde liebend gerne schon heute damit beginnen, seine verspannten Muskeln zu lösen und ihm so zumindest schonmal einen kleinen Dank für seinen Besuch und denn damit verbundenen Weckruf zu erweisen. Aber leider lag das wohl noch nicht drin, wie sie ihm gleich darauf auch bedauernd mitteilte. "Ich werde mich gerne so rasch wie möglich darum kümmern... Aber ich denke - so wie ich die Physiotherapeutin verstanden habe - musst du dich wohl noch um die ein bis zwei Wochen gedulden, bis die Finger und Schulter sich ganz regeneriert haben. Bis dahin hab ich vielleicht auch den Psychiater davon überzeugt, dass er mir nicht mehr so übel den Verstand vernebeln muss... Dann laufe ich möglicherweise auch nicht mehr ganz so stark der Gefahr, gleich wieder runter zu kippen, sobald ich auf dir Platz genommen hätte", setzte sie ihn über den ungefähren Zeithorizont bis zu seiner ersten Massage ins Bild. Gerade liess sich das aus genannten Gründen einfach nur schwer bewerkstelligen, weshalb das unangenehme Ziehen ihn wohl noch eine Weile begleiten musste, wenn er sich nicht auch dafür externe Hilfe suchen wollte. Dass Victor weitaus mehr Mühe dabei haben würde, sie um andere Gefallen als nur die Lockerung seiner Muskeln zu bitten, war ihr bestens bewusst, auch wenn er das lediglich andeutete. Sie wusste, dass er auch in gesundem Zustand immer wieder - und sei es nur unbewusst - versuchte, ihr nicht zu viel aufzuladen, sie nicht zu beunruhigen. Bis zu dem Punkt, an dem er dann eben lieber mit Aryana als mit ihr über seine Probleme geredet hatte. Wahrscheinlich war es seit da zwar etwas besser geworden, aber jetzt wo sie wieder gefühlt ganz unten in ihrem dunklen Loch steckte, war es nur allzu gut vorstellbar, dass er automatisch direkt wieder aufs vollumfängliche Schonprogramm umstieg. Möglicherweise berechtigt - aber es half letztendlich nichts, wenn er sich selbst damit kaputt machte, sie nicht zu belasten. Aber das hatten sie bereits mehrfach diskutiert und für den Moment konnte sie sich bestens mit seinem Versprechen abfinden, ohne weitere Anmerkungen auszusprechen. So fielen ihre Augen ein weiteres Mal zu, während sein beruhigender Duft ihr stets in der Nase lag und sie seinem Herzen lauschen konnte, das unter ihrem Ohr seinen ruhigen Takt vorgab. "Du bist... für immer mein Zuhause", hauchte sie liebevoll eine weitere Wahrheit vor sich hin. Eine, die die kommende Zeit sehr viel leichter machen könnte - in Anbetracht eines weiteren, ungewollten Umzuges von dem Ort, den sie eigentlich ebenfalls ihr Zuhause genannt hatte.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Glücklicherweise waren wir beide uns einig damit, dass wir lieber nicht jetzt sofort über all die unschönen Dinge sprachen, die wir bisher falsch gemacht hatten. Auch wenn es teilweise nur Lappalien waren und da sicher keiner gleich angefangen hätte zu heulen, gab es eben auch ein paar Angelegenheiten, die sehr wohl die eine oder andere Träne kullern lassen würden. Allem voran die Tatsache, dass wir beide definitiv erneut lernen müssen würden, im Zweifelsfall auch ohne den jeweils anderen klarzukommen. Es graute mir wirklich davor, aber ich wüsste nicht, wie sich das bewerkstelligen ließ, ohne dass einer von uns beiden mal für eine ganze Weile lang ausflog. Wohin spielte dabei keine Rolle, solange nur genug Distanz vorhanden war, um dem Drang zurück nach Hause - also zum jeweils anderen - zu gehen nicht leicht nachgeben zu können. Allein der Gedanke daran Faye alleine zu lassen drehte mir beinahe gleiche den Magen um. So oder so würde es bis zu jener Umsetzung aber wohl noch eine Weile dauern. Hier wurde Niemand getrennt, solange wir beide nicht körperlich wieder absolut auf der Höhe waren und ein paar andere Angelegenheiten schon bereinigt waren - es musste eine anständige Basis vorhanden sein, damit wir dabei nicht beide zusammenfielen wie schlecht aufgestellte Kartenhäuser. "Sehr schön.", kommentierte ich Fayes Einwilligung nur noch knapp mit einem schiefen Grinsen. Es war nicht wirklich eine Überraschung, dass ich mich bezüglich der Massagen noch eine Weile lang gedulden müssen würde. "Ich hätte dich wohl auch konsequent davon abgehalten, wenn du's jetzt gleich versucht hättest.", meinte ich mit der gewissen Prise Sarkasmus, obwohl das durchaus der Wahrheit entsprach. Mich zu massieren wäre für die zierliche Brünette zum jetzigen Zeitpunkt schlichtweg ein zum Scheitern verurteiltes Vorhaben, auch unabhängig ihrer noch nicht verheilten Finger. "Die Verspannungen werden mich sicher auch in zwei oder mehr Wochen nicht umgebracht haben, also werd' du lieber erstmal selber wieder fit.", hängte ich an und zuckte mit den Schultern. Ich konnte warten und bis dahin sollte ich wahrscheinlich nur nicht zu viel in der gegen herumsitzen oder liegen. Was leichter gesagt als getan war, weil mir für eine halbtägige Wanderung oder anderen, etwas anspruchsvolleren Sport aktuell absolut noch die Kraft fehlte - zumal ich das mit der schweren Gehirnerschütterung auch noch gar nicht machen durfte, so aus rein ärztlicher Sicht. Von länger anhaltendem, erhöhten Blutdruck war mir noch abzuraten. Mir blieb also eher nur sowas wie Dehnübungen - fabelhaft. Meine Mundwinkel hoben sich zu einem ehrlichen Lächeln an, als Faye beteuerte, mit mir ihr Zuhause gefunden zu haben. Vielleicht war das kitschig und überschwänglich romantisch - für Andere - aber es fühlte sich wirklich gut an. Kollidierte zwar vielleicht wieder mit der Tatsache, dass wir beide allein jeweils gefühlt nicht mehr lebensfähig waren, aber sei's drum. Darum kümmerte ich mich nicht jetzt, sondern irgendwann in der Zukunft. "Und du meins.", hauchte ich Faye zur Antwort ins Haar und löste die linke Hand aus der Verschränkung mit der anderen, um ihr sanft über den Hinterkopf zu streicheln, ohne dass das Lächeln ein Ende fand. Eigentlich war es egal, wo wir in leider nicht allzu weit entfernter Zukunft hinzogen, oder? Natürlich war es schade um die eigentlich sehr schöne Wohnung, aber solange wir einander hatten, wurden bestimmt auch andere Wände schnell wieder zu einem Zuhause. Auch wenn das nichts daran änderte, dass Umzüge grundsätzlich mit Stress und einem riesigen Haufen Arbeit verbunden waren. Was diese Geschichte anging sollten wir uns in den nächsten Tagen am besten auch schonmal langsam Gedanken darüber machen, wie es weitergehen sollte... allein schon wegen der Kündigungsfrist für die alte Wohnung sollten wir das nicht lange aufschieben. "Wie... lang geht deine Besuchszeit eigentlich?", hakte ich leise mit unguter Vorahnung nach. Nicht weil ich gehen wollte - ganz bestimmt nicht - aber meine Augen wanderten von Fayes braunen Haaren weiter zu dem kleinen Wecker auf ihrem Nachttisch, während ich ihr weiter den Kopf streichelte. Ich war schon eine ganze Weile hier und es war wohl mindestens bald mal Zeit für das Abendessen. Also das, das Faye normalerweise offensichtlich wenig bis gar nicht aß, bemessen an ihrer aktuellen körperlichen Verfassung.
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"Na dann können wir froh sein, dass ichs gar nicht erst versucht habe - sonst hätte ich dich ans Bett binden müssen, nur damit ich dich massieren kann", meinte Faye ganz genauso sarkastisch, ignorierte dabei gekonnt die Tatsache, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit selbst mit all seinen Verletzungen definitiv stärker wäre als sie und somit auch dieser Kampf ihrerseits verloren wäre, bevor sie ihn überhaupt führte. Ausserdem würde sie ihn sicherlich nirgends festbinden - das übernahmen üblicherweise ihre Widersacher und Faye würde tunlichst zu vermeiden wissen, sich in irgendeiner Art und Weise mit denen gleichzusetzen. Fesseln waren für sie beide in keiner Situation ein Spielzeug, waren es auch nie gewesen... solche Fantasien überliessen sie gerne allen anderen, hatten sie schlicht viel zu viele negative Erfahrungen mit dem damit verbundenen Kontrollverlust und der elenden Wehrlosigkeit gemacht. Dagegen waren Victors Verspannungen wirklich harmlos, weshalb sie seine Aussage wohl vorerst gutheissen musste. "Naja das will ich doch wirklich hoffen...", beteuerte sie hinsichtlich seines durch die Verspannungen eben nicht frühzeitig herbeigeführten Ablebens. Sie brauchte hier ja nicht nochmal zu erwähnen, wie wenig sie damit zwangsläufig klarkommen würde - ihre ganze Erscheinung sprach diesbezüglich längst Bände. Sie lächelte friedlich vor sich hin, als Victor erwiderte, sich bei ihr genauso wohl zu fühlen wie umgekehrt. Ausserdem belohnte er sie mit weiteren Streicheleinheiten - und das kam ebenfalls ganz nach ihrem Geschmack. Seine Worte waren alles, was sie hatte hören wollen. Besonders weil sie längst nicht mehr so selbstverständlich in ihren Ohren klangen, wie sie das mal getan hatten. Schon nur wegen all der fremden Fingerabdrücken, die auf ihrem Körper klebten wie giftige Säure, die sich in die Haut frass, um dort für immer ihre Spuren zu hinterlassen. Er hatte ihr die Sache mit Warren damals nach guter Bedenkzeit tatsächlich verziehen, obwohl er das nicht hätte tun müssen. Und die Dinge, die vor Warren gewesen waren, ebenfalls. Er hatte nicht zugelassen, dass der Syrer sich zwischen sie gedrängt hatte. Aber trotzdem hatte Faye nicht damit gerechnet, dass Victor aus Gils Taten in dieser Hinsicht so wenig Konsequenzen zog. Sich hier mit ihr aufs Bett legte, um zu kuscheln, ohne auch nur ein einziges Mal zurück zu zucken. Im Gegenteil - er bat sie lieber darum, ebenfalls damit aufzuhören, den Schmutz als Makel anzusehen und sich damit selbst abzuwerten. So ganz verstehen tat sie das wirklich nicht... aber sie würde auch nicht gezielt nachfragen, nicht heute. Vielleicht dann, wenn sie sich sowieso darüber unterhalten würden, weil sie ihm das Prunkstück auf ihrer Brust vorstellen musste... Die Frage nach der Besuchszeit liess sie nun für ihren Teil die Schultern anheben. "Um ehrlich zu sein... ich bin mir nicht mal sicher, ob die hier sowas haben... also für mich... Weil ich bisher ja kaum jemanden reingelassen habe und weder Aryana noch Sam oder Chelsea wurden je von... offizieller Seite her rausgeworfen. Ich glaube auch nicht, dass dich jemand vor der Nachtruhe heim schickt, jetzt, wo du endlich da bist...", sie malte nachdenklich ein paar Kreise auf seine Brust, zuckte erneut mit den Schultern. "Aryana hat denen wahrscheinlich tausend Geschichten erzählt und ihnen schwer verboten, dich wie irgendwas Minderes als den König persönlich zu behandeln", merkte sie möglicherweise etwas übertrieben an, wobei ihre Lippen sich wieder zu einem leichten Lächeln verzogen. Tatsächlich hatte Victor für die Frage aber ein ziemlich gutes Timing gehabt, weil es, kaum hatte sie zu Ende gesprochen, an der Tür klopfte. Es war angenehmerweise Aimee, die ihren Kopf ein paar Sekunden später ins Zimmer streckte. Es dauerte einen kurzen Moment, in dem ihr Blick angetan auf ihren Gesichtern lag, bis sie sich dessen besinnte, weshalb sie überhaupt das Zimmer betreten hatte. Nämlich, um sie mit ihrem breiten, heute noch ein grosses Bisschen strahlenderen Lächeln darauf hinzuweisen, dass in einer Viertelstunde Abendessen aufgetischt wurde. Natürlich betonte sie aber in aller Höflichkeit, dass Victor natürlich bleiben durfte, wenn er das möchte. Es nur schön wäre, wenn Faye sich trotzdem beim Essen blicken lassen würde. Aus den allseits bekannten Gründen eben, die Aimee netterweise nicht nochmal zitierte.
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Ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie meine rechte Augenbraue sich nach oben zog. Mich festbinden? Glücklicherweise war ein solches Unterfangen gleichermaßen unwahrscheinlich wie schwer für Faye zu verwirklichen. Dafür hätte sie mich wohl vor ein paar Wochen schon besuchen müssen, rein kräftetechnisch gesehen. So agil und stark wie sonst war ich zwar auch jetzt noch nicht, aber die Brünette war selbst ebenfalls nicht grade in Topform. Also mal so ganz abgesehen davon, dass wohl keiner von uns beiden Spaß an einem solchen Spiel hätte. Ich verurteilte Niemanden für seine Vorlieben, aber da hatte mich - beziehungsweise uns - die Vergangenheit doch eindeutig zu stark geprägt. "Sehr vielversprechender Lösungsansatz.", versuchte ich mich trotz düsterer Erinnerungen ebenfalls am Sarkasmus zu bedienen. Der machte eben Vieles leichter erträglich. Zu meinen aktuell guten Überlebenschancen brauchte ich nichts mehr zu sagen, die erklärten sich von selbst. Schließlich hatte mich sonst auch noch nichts umgebracht, da schafften es sowas wie Verspannungen gar nicht erst auf die Liste für mögliche Todesursachen meinerseits. Faye musste nicht mehr um mich fürchten, mir ging es den Umständen entsprechend gut. Zumindest eben solange sie sich nicht spontan nochmal umentschied und mich doch wieder loswerden wollte, aber davon ging ich jetzt erst einmal nicht aus. Was die Besuchszeiten anging schien es nicht wirklich sowas wie eine feste Uhrzeit für den Rauswurf zu geben, so von den offiziellen Schlafenszeiten mal abgesehen. Das war mir nur recht. Noch lieber würde ich wohl einfach auch über Nacht hierbleiben, um ganz sicher zu gehen, dass Faye auch wirklich erholsam und ausreichend Schlaf bekam, aber das war leider nicht drin. Zumal es ja auch eigentlich gut war, wenn wir nicht ununterbrochen aneinanderklebten. Eigentlich. Noch bevor ich jedoch etwas darauf erwidern konnte, kam dieselbe Pflegerin wie vorhin zu uns, um uns über das anstehende Abendessen zu informieren. Sie schien wirklich angetan von meiner Anwesenheit zu sein, was wohl auch nicht so abwegig war, wenn Aryana wirklich irgendwas gesagt hatte. Oder vielleicht auch Faye mit ihr über mich geredet hatte. Als Aimee wieder das Weite suchte und die Tür ins Schloss fiel, wanderten meine Augen zurück zu Faye. "Hat nur Aryana über mich geredet?", fragte ich sie ein bisschen amüsiert über Aimees Blicke - die ja schon bei meiner Ankunft recht herzlich ausgefallen waren - und wackelte kurz mit den Augenbrauen. "Wenigstens erkennt jetzt endlich mal Jemand meine wahre Bestimmung.", hängte ich noch ein paar sehr ironische Worte an. Der König persönlich, jaja... schön wärs. Würde sicher einiges leichter machen. "Wo ist denn der Speiseraum? Wahrscheinlich sollten wir nicht zu spät los humpeln, ich brauch ja doch ein bisschen.", hakte ich nach und seufzte leise. Es stand natürlich ganz außer Frage, dass ich Faye zum Essen begleiten würde. Erstens hatte ich nichts davon hier alleine rumzusitzen und zweitens wollte ich gerne sichergehen, dass sie auch wirklich etwas zu sich nahm. Wollte mich allgemein nur ungern wieder von ihr trennen, auch wenn ich das später trotzdem tun müssen würde.
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Darin war sie besonders gut, in der erfolgreichen Lösungsfindung. Sollte er ja am besten wissen, nach allem, was beispielsweise vor etwas mehr als einem Monat passiert war... "Stets zu Diensten", gab sie zu diesem Thema noch ihren Einsatzwillen bekannt, auf den er wohl gut und gerne auch mal verzichten würde. Aimees Besuch unterbrach ihr momentan relativ lockeres Gerede und Faye blickte die Schwarzhaarige mit einem, über deren Gesichtsausdruck amüsierten, wenn auch weiterhin etwas schüchternen Lächeln an. Natürlich betonte Aimee, dass Victor gerne bleiben durfte, unterstrich mit ihrem Gesamtauftritt auch nochmal optimal die Wahrheit von Fayes vorangegangenen Worten. Was wiederum deren Laune weiter angenehm erheiterte. Sie bedankte sich bei der Pflegerin für die Memo und wandte sich, als die Tür wieder zu war, erneut Victor zu. Seine Frage liess sie grinsend die Augen rollen. "Hmm... Möglicherweise hab' ich Aimee auch ein, zwei Mal die Ohren vollgeheult von wegen wie unennnnddlichhh fest ich dich vermisse... Und wie ennnnndlos perfekt du bist. Aber nur ihr", gab sie mit dramatischer Betonung zu, kuschelte sich dabei nochmal eng an seine Brust um ihre ganze Liebe auf ihn zu projizieren. Dann aber richtete sie sich wieder etwas auf, um ihn gespielt beleidigt anzuschauen. "Hey! Du redest fast so, als ob ich dich nicht jeden Tag seit wir uns kennen auf Händen getragen und wie einen König behandelt hätte..!", wies sie ihn darauf hin, dass Aimee nicht die erste war, die sich entsprechend zu verhalten wusste. "Ausser halt die letzten Wochen über, aber die zählen nicht", schob sie eine kleine Anmerkung nach, damit er gar nicht erst auf die Idee kam, diese Zeit als Gegenargument zu verwenden. Sie wusste nicht genau, was Aryana den Angestellten über Victor erzählt hatte, aber da grosse Teile von Fayes miserablen Zustand mit den Schuldgefühlen und der Sicherheit, dass Victor sie nie wieder lieben konnte, zusammengehangen hatten, musste ihre Schwester geahnt haben, dass nur der junge Mann alleine es schaffen konnte, das Ruder in diesem aussichtslosen Sturm nochmal herum zu reissen. Und damit sollte sie offensichtlich Recht behalten, wie man gerade bestens erkennen konnte. "Der ist im Erdgeschoss... Aber gibt ja einen Lift nach unten, für die Behinderten und physisch leicht Angeschlagenen unter uns", beantwortete sie ironisch seine Frage nach dem Speisesaal, machte auch noch keine Anstalten, sich tatsächlich erheben zu wollen. Jetzt, wo gerade alles so bequem wäre. Aber es hatte ja seine Gründe, weshalb Aimee eine ganze Viertelstunde vor dem eigentlichen Essen bei ihr vorbeischaute, um sie vorzuwarnen. Eigentlich mehrere, aber abgesehen davon, dass sie sich selbst nicht ans Essen erinnern oder es sogar absichtlich verschlafen würde und sie sich so mental auf Menschen vorbereiten konnte, ging es eben auch darum, dass sie sich mindestens fünf bis zehn Minuten vor dem Spaziergang aufsetzte, um dann auf ihrer kleinen Wanderung nicht zu kippen oder vor Schwindel wieder Galle hochzuwürgen. Sollte sie wohl jetzt auch tun. Also sie beide, denn wie Victor betont hatte, musste ja auch er erstmal auf die Beine kommen und sich dann durch die Gänge schleppen.
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Aha, so war das also. Fayes Bestätigung, dass sie auch hier und da mal meinen Namen fallen gelassen hatte - mild ausgedrückt - ließ mich gleich ein bisschen breiter grinsen. Es war bestimmt nicht das erste Mal, dass sie irgendwem gegenüber ein Wort über mich verloren hatte. So war das schließlich, wenn man verliebt war. Man redete gern über seine bessere Hälfte und hatte da in der Regel auch nur gute Worte übrig. Auch wenn ich in diesem Fall mit dem Wörtchen perfekt wieder ziemlich haderte, weil ich das schlichtweg nicht war. Da war das Beispiel mit meiner Aktion hinterrücks lieber mit Aryana, statt mit Faye zu reden, wieder sehr passend. Hatte ich vielleicht nicht böse gemeint, war aber trotzdem eine beschissene Sache gewesen. "Wusst' ichs doch.", säuselte ich fast schon beschwingt und durchweg erfreut. Da nahm Faye mir aber ziemlich schnell wieder den Wind aus den Segeln, als sie mich mit ihrem beleidigten Gesichtsausdruck konfrontierte, was mich beinahe die Augen nach oben rollen ließ. So hatte ich das gar nicht gemeint und ich war mir sehr sicher, dass die zierliche Brünette das eigentlich auch wusste. Schließlich war ich liebend gerne freiwillig zu ihr zurück gekommen, obwohl sie mich so vehement hatte wegstoßen wollen. Mitunter deswegen, weil sie gerne alle möglichen Dinge tat, um die ich sie bat. Und sei es auch nur beiläufig hinsichtlich irgendwelcher Kleinigkeiten - sofern nichts dagegen sprach, erfüllte Faye mir gerne den einen oder anderen kleinen Wunsch. Auch das beruhte bei uns auf Gegenseitigkeit. Ich streckte also die Hand erneut nach ihrem Gesicht aus und strich ihr sanft den Kiefer entlang bis nach vorne zu ihrem schmalen Kinn, um die Wogen zu glätten. "Und das weiß ich sehr zu schätzen... was ich dir übrigens auch schon oft gesagt habe.", wies ich die junge Frau mir hochgezogener Augenbraue darauf hin, dass das jetzt eine sehr überflüssige Unterstellung gewesen war, wenn auch sicherlich kaum ernst gemeint. "Mir fehlt halt nur irgendwie das Schloss... und der Reichtum.. du weißt schon, so materielle Dinge die man eben mit Königen verbindet und die einem das Leben echt leichter machen.", hängte ich noch ein paar sarkastische Worte an. Nicht als wäre mir sowas wichtig, das war es noch nie gewesen. Aber es war eben schon so, dass im Hintergrund durchaus etwas Druck auf mir lastete, weil meine Ersparnisse halt eigentlich nicht schon wieder dafür draufgehen sollten arbeitslos und psychisch krank in der Ecke zu liegen. Ich musste nicht nur deshalb wieder fit werden, weil Faye und ich uns dieses Mal ein wirklich schönes Leben aufbauen wollten, sondern auch in finanzieller Hinsicht war das jetzt nicht ganz irrelevant. Wäre ich ein König und dementsprechend wohlhabend hätte ich also zumindest diese eine blöde Sorge weniger. "Ja, mit dem Lift hab ich mich vorhin schon angefreundet.", meinte ich nickend. Das Ding machte so einiges leichter, weil vor allem Treppenstufen mit den Krücken und dem noch nicht vollends verheilten Fuß bisher noch problematisch waren. Leider ersparte mir aber auch der Lift nicht die übrigen Schritte, die gemacht werden mussten. Trotzdem hatte ich es bisher noch genauso wenig eilig wie Faye mich aus dem Laken zu schwingen, weshalb ich sie erst nochmal fester an mich drückte und angetan seufzte. Erst gut zwei Minuten später fühlte ich mich ansatzweise dazu bereit aufzustehen. Ich sog ihren Duft zuerst noch einmal tief ein, bevor ich Faye einen weiteren Kuss aufs Haar hauchte und mich dann langsam von ihr zu lösen begann. "Die hätten das Essen eigentlich auch einfach herbringen können.", beschwerte ich mich mit trockenem Sarkasmus, als ich mich schließlich dazu aufraffte nach vorne an die Bettkante zu rutschen. Dort angekommen dehnte ich mir den verspannten Nacken und verzog dabei flüchtig das Gesicht, bevor ich mich nach den Schuhen bückte und sie anzuziehen begann. Beim ersten Fuß versuchte ich es einfach am Boden umzusetzen und bekam es aber nur gerade so hin den Schnürsenkel noch zuzumachen, bevor mir wieder schlecht wurde und der Druck im Kopf sich unangenehm vermehrte. Also nahm ich nur noch den zweiten Schuh vom Boden, bevor ich mich erneut aufrichtete und mit angehobenem Knie auch den noch anzog. Danach angelte ich nach den Krücken und blieb aber noch einen Augenblick lang sitzen, atmete durch und sah zu meiner Freundin - wartete quasi auf das abschließende Go. Wenn ich erstmal auf den Beinen war ging es mir meistens relativ gut damit - von der daraus resultierenden Erschöpfung mal abgesehen - aber Faye brauchte sich ja gefühlt nur etwas zu schnell umzudrehen und kippte dabei fast schon um. Etwas übertrieben dargestellt, aber es ging erst los, wenn sie auch körperlich wie mental dazu bereit war.
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So leicht war es wohl, ihn glücklich zu machen. Wie wenn er nicht längst gewusst hätte, dass sie ständig über ihn redete - am liebsten mit der ganzen Welt. Zumindest dann, wenn sie überhaupt redete und die Erwähnung seines Namens nicht schon an sich stechende Schmerzen im Brustbereich auslöste, wie das leider gerade eine ganze Weile lang der Fall gewesen war. Aber das war ja jetzt grösstenteils vorbei oder sollte sich zumindest auf die Therapiestunden begrenzen. Wollte sie jedenfalls mal hoffen. Fayes Grinsen feierte umgehend ein Comeback, als sie seine Hand an ihrem Kinn spürte und seine Worte vernahm. Jaja, natürlich. Sie hatte sich ja auch kaum ernsthaft beschweren wollen. Aber das wusste er sowieso - genau wie sie eben auch gewusst hatte, dass er ihren meist ganz netten Umgang mit ihm durchaus schätzte. "Dann lass uns eben in ein Schloss ziehen, jetzt wo sowieso ein Umzug bevorsteht", zeigte sie sich erneut ausgesprochen bemüht darum, seine vermeintlichen Probleme mit den einfachsten Lösungen zu beseitigen. Wieso auch nicht? Ein Schloss bot genügend Platz für ihre siebenhundert Kinder, für die sie sich in so Pi mal Daumen zwanzig Jahren vielleicht mal bereit fühlen würden, verfügte ausserdem meistens über einen grossen Garten oder Park, was sie ebenfalls schätzen würde und ausserdem würde das Leben in einem Schloss bestimmt auch irgendwie indirekt ihr Selbstbewusstsein fördern. Einfach, weil nur wenige Menschen ein solches Gebäude stolz ihr Zuhause nennen konnten. Doch, da gabs eigentlich keinen Haken, wenn man sie fragte. Den unendlichen Reichtum musste er sich dann wohl dazu denken, weil sie damit schlecht dienen konnte, aber das Schloss wäre ein vielversprechender Anfang. Als die Zeit gekommen war und Victor sich nach einem letzten Kuss von ihr zu lösen begann, rollte Faye sich erstmal mit einem leisen aber zufriedenen Seufzen zur Seite. Sie brauchte definitiv ein paar Sekunden länger, um sich tatsächlich zum Aufstehen zu motivieren... obwohl sie keineswegs schneller auf den Füssen wäre als er. Nur der Part mit dem Schuhe anziehen blieb ihr erspart, da sie sich hier drin sehr gerne mit Hausschuhen begnügte, in die sie lediglich reinschlüpfen konnte. "Ich darf doch nicht auf meinem Zimmer essen, Victor...", redete sie theatralisch vor sich hin, um seine Idee gleich zunichte zu machen. "Stell dir nur die ganzen Krümel auf dem Boden vor... Und der unendlich wertvolle soziale Aspekt, der dabei verloren gehen würde... All meine super interessanten Tischgespräche, die ich nie geführt hätte... Tragisch", führte Faye mit triefender Ironie aus, woran ein Abendessen im Zimmer grundsätzlich scheiterte. Ihm dürfte wohl bewusst sein, dass sie sich die letzten Wochen über mit so gut wie keinem hier unterhalten hatte, weil sie allgemein nicht geredet hatte. Also nein, leider auch keine gehaltvollen Tischgespräche. "Ausserdem würde dich ja keiner sehen, wenn wir nicht zum offiziellen Abendessen erscheinen", jetzt tauchte wieder das leichte Grinsen auf ihrem Gesicht auf, bei dem sich hauptsächlich ihr rechter Mundwinkel nach oben zog, während sie ihn anschaute, um nun ihrerseits mit den Augenbrauen zu wackeln. Ja, möglicherweise freute sie sich tatsächlich ein Bisschen darauf, mit ihm in den Speisesaal zu stolzieren. Sie wollte, dass jeder ihn sah. Von ihr aus konnte auch jeder sich fragen, wie sie diesen Jackpot gelandet hatte, das wäre ihr sehr egal. Wusste sie ja selbst nicht genau, obwohl sie mit ihrer Geschichte bestens vertraut war. Es gab trotzdem immer wieder Tage - zum Beispiel heute - an denen sie sich wirklich fragte, wie sie ihn so umfassend von sich hatte überzeugen können, dass er noch immer an ihrer Seite klebte. Nur musste sie sich erstmal erheben, wenn sie ihn dem Rest des Irrenhauses vorstellen wollte. So war genau das ihr nächstes Vorhaben, welches sich möglicherweise über fast zwei Minuten hinzog, bis sie endlich auf beiden wackeligen Beinen im Zimmer stand. Sofort fiel ihr Blick wieder auf die Tüte auf dem Tisch und sie streckte erneut die Hand nach dem Papier aus, nachdem sie mit einem Seitenblick sichergestellt hatte, dass Victor ihr dabei zuschaute. Aber natürlich zog sie ihre Finger auch diesmal vorzeitig zurück, ohne die Tüte wirklich berührt zu haben, hielt sich lieber noch einen Moment am Tisch fest, um den Schwindel hoffentlich mehr oder weniger komplett vorbeiziehen zu lassen. Als sie glaubte, die paar Schritte wagen zu können ohne dabei zu kippen, tat sie genau das auch, streckte dort angekommen die Hand nach dem Griff aus, um Victor die Tür aufzuhalten. Erstens, weil er mit den Krücken die Hände voll hatte und zweitens, weil sie dann schon wieder ein paar Sekunden stehen und atmen konnte, was immer ein netter Zufall war.
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In ein Schloss ziehen. Ja genau. Selbst wenn es in Aryanas Umkreis - aus dem wir einer blinden Vermutung meinerseits nach vermutlich weiterhin erstmal nicht rausziehen würden - ein Schloss gäbe, was ich mal für von vornherein eher unwahrscheinlich hielt, dann wäre die Miete wahrscheinlich unbezahlbar. Selbst dann, wenn es nur ein winziges Apartment in einer großen Mansion wäre. Man hatte als normaler Mensch einfach nicht in einem Schloss zu wohnen, da mussten die Großverdiener her. "Dann am besten vielleicht noch eins auf einer kleinen Insel, mitten in einem See?", führte ich die kleine Fantasie sarkastisch weiter aus, bevor ich mich an den Krücken hochzog und aufstand. Erstmal noch eine kleine Weile stehenblieb, um mich der plötzlich wiedererlangte Höhe gemäß zu akklimatisieren. Das milde Schwindelgefühl legte sich jedoch bald und wich einem erneuten Grinsen. Nein, im Zimmer essen ging natürlich auf keinen Fall. War ja völlig utopisch, so mit den ganzen Krümeln und dem mangelnden Vorführeffekt meiner eigenen Person. Wie viele andere Patienten wohl an den Tischen saßen? Hoffentlich nicht zu viele. Auch wenn mich meine Narben äußerlich nicht mehr sonderlich kümmerten und ich es Niemandem übel nehmen würde, wenn er mir förmlich den offenliegenden Hals mit der schmalen Narbe mit Blicken löcherte, war es eben einfach nicht sonderlich angenehm von allen Seiten angestarrt zu werden. Einfach nur, weil man eben neu war und die Leute hier drin wohl nicht besonders viele neue Gesichter trafen, die nicht selbst krank waren oder zum Inventar gehörten. Wobei ich streng genommen eigentlich auch krank war. In jedem Fall hätte ich lieber meine Ruhe mit Faye, aber da hatten wir beide leider kein Mitspracherecht. "Hätte ich gewusst, dass ich mich auf den Präsentierteller setzen muss, hätte ich wenigstens einen neueren Pullover angezogen oder so.", meinte ich, wobei die Ironie wieder nicht fehlen durfte. War halt nicht so als hätte es irgendwas geändert, das im Voraus zu wissen. Hier drin war ich von psychisch erkrankten Menschen umgeben, die hatten andere Probleme als die Beurteilung des Kleidungsstils anderer Leute. Trotzdem war es schön, dass Faye mich weiterhin gerne vorzeigte, obwohl ich nicht viel weniger lädiert aussah als sie selbst. Die zierliche Brünette hatte ebenfalls eine kleine Weile gebraucht, um wieder halbwegs sicher auf den Beinen angekommen zu sein, aber jetzt waren wir wohl soweit startklar. Mehr oder weniger jedenfalls. "Du bist echt ungeduldiger als ein Kind am Weihnachtsbaum. Muss ich mir das jetzt noch zehn Mal anschauen, bis ich gehe?", kommentierte ich Fayes erneuten Pseudo-Versuch, einen Blick in die Tüte zu werfen und streifte sie mit dem nächsten tadelnden Blick. Würde sie noch oft genug nah an der Tüte vorbei schrammen, als wüsste sie nicht sowieso ganz genau, dass ich ihr dabei zusah, würde womöglich selbst meine Wenigkeit die Geduld verlassen. Eigentlich hatte ich gewollt, dass sie sich den Engel in Ruhe ansah, aber ihre ungeduldigen Finger machten mich ein bisschen wahnsinnig. Jedenfalls schloss ich dann erst einmal zu Faye auf, die gerade die Tür öffnete und mir damit das andernfalls umständlich gewordene Öffnen mit den Krücken abnahm. Deshalb ließ ich ihr auch ein dankbares Nicken zukommen und sah mich draußen auf dem Flur angekommen einmal kurz nach links und rechts um. War aber Niemand zu sehen außer einer anderen Patientin, die ihre Augen stur auf den Boden klebte und sehr langsam einen Fuß vor den anderen setzte. Als Faye die Tür geschlossen hatte ging ich neben ihr her zum Aufzug, ließ ihr dabei natürlich den Platz an der Wand. Da war ein dezentes Geländer angebracht, das ihr sicher eine Hilfe war und außerdem war es gleichzeitig eine meine Besorgnis dämpfende Absicherung hinsichtlich unvorhergesehener Stürze. "Ist der Speiseplan eigentlich einigermaßen akzeptabel?", fragte ich Faye, kurz bevor wir beim Lift ankamen. Das Essen in der Psychiatrie, in der wir vor einer Weile zusammen gewesen waren, war nicht übel gewesen. Zwar nicht unbedingt eine fünf Sterne Küche, aber doch deutlich besser als das meiste Krankenhausfutter. Das dürfte wahrscheinlich den simplen Grund haben, dass sich die Psyche nicht selten auf den Körper schlug und zu Abmagerung oder Gewichtszunahme führte - der Essensplan sollte also besser recht gesund und mit ausreichend Nährstoffen versorgt sein.
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"Ja, warum nicht? Damit könnte ich mich denke ich auch arrangieren", nickte sie seinen Vorschlag mit der Insel ab. Sie mochte das Wasser eigentlich ganz gerne, war früher leidenschaftlich ihre Kilometer geschwommen und so oft wie möglich ins Meer gehüpft. Jetzt war das zwar etwas seltener geworden aus... Gründen, aber die Küste hatte trotzdem weiterhin ihren Reiz. Oder eben auch Seen, da klebte am Ende weniger Salz auf der Haut, was doch auch Vorteile barg. Also würde sie sich wohl mal vor einen der Bildschirme im Aufenthaltsraum setzen müssen, um ein paar potenzielle Kandidaten für ihr neues Zuhause herauszusuchen - ein paar der fünf- bis sechshundert Schlösser der Umgebung eben, was ihr dann gerade gefiel. Das würde sicherlich auch keine Fragen bezüglich ihrer Vernunft aufwerfen, wenn jemand ihren Suchverlauf überwachte oder so. Wer googelte nicht mal zwischendurch ein paar neue Wohnmöglichkeiten für die Zukunft? "Stell dich nicht so an Hasii... Als ob du dich nicht sowieso schick angezogen hättest, um meine Wenigkeit ein weiteres Mal in deiner ganzen Pracht zu begeistern", säuselte sie ironisch und warf Victor einen Luftkuss zu, bevor er hier noch ernsthaft an seinem Erscheinungsbild zu zweifeln begann und mit Unsicherheiten zu kämpfen hatte. Reichte ja, wenn einer von ihnen in diesem Bereich gerade nicht so glänzte, oder? Hatten sie ja vorhin schon beredet. "Ausserdem sind Menschen, die in diesem Haus wohnen, bekanntlich dezent durch. Die interessieren sich für vieles - aber bestimmt nicht für den Grad der Verwaschung deines Pullover", und dessen war sie sich doch ziemlich sicher. Solange Victor nicht stank oder tatsächlich von Flecken übersät war, würden ihre Freunde ihn kaum angeekelt betrachten. Und wenn doch... na dann hatte er ja immer noch sie und ihre Meinung sollte hier drin eh die Einzige sein, welche ihn ansatzweise interessierte. Dass die wiederum sehr reizend ausfiel, sollte ihm ja auch bekannt sein. Allein ihre Blicke verrieten ganz selbstständig die ganze Zeit, was sie von ihrem Freund hielt. Auch dann, wenn er sie tadelnd anschaute, weil sie einmal zu oft in ihrer Neugier in Richtung Tüte schielte. "Nein. Elf Mal", konterte sie lediglich bester Laune, bevor sie beschwichtigend seinen Arm tätschelte, als er an ihr vorbei aus dem Zimmer trat. Auch wenn sie doch sehr gerne möglichst bald wissen wollte, was er denn nun mitgebracht hatte, so wussten sie doch beide, dass sie sicherlich nicht in die Tüte schielen würde, bis er gegangen war oder es ihr vorzeitig erlaubte. Immerhin so fair konnte sie auch spielen. Wobei das Thema nun eh vorerst vom Tisch war, da sie sich lieber dem Geländer entlang zum Lift hangelte. Die Brünette bemühte sich zwar darum, möglichst selten nach der Metallstange zu greifen und wie ein selbstständig funktionierendes Wesen aufrecht ihrem Ziel entgegen zu spazieren, aber der Schwindel war leider trotzdem allgegenwärtig und so war sie doch das ein oder andere Mal ganz froh, dass Victor ihr den Platz an der Wand gelassen hatte, damit sie sich kurz abstützen konnte. Seine Frage nach dem Essen beantwortete sie aber tatsächlich erst im Lift, da sie davor zu konzentriert darauf gewesen war, die Taste mit dem Pfeil nach unten zu drücken und schliesslich einzusteigen, ohne dabei nochmal zu stolpern. "Da fragst du... irgendwie die Falsche...", meinte sie wenig aussagekräftig, dafür etwas ausser Atem und tätschelte zur Verständigung kurz ihren Bauch. "Ohne Appetit schmeckt... fast alles irgendwie nach... aufgeweichtem Karton", aber wahrscheinlich war die Küche nicht schlecht. Jedenfalls hatte sie noch nie jemanden gehört, der sich beschwerte und rein optisch sah das Essen doch auch ganz gut aus. Eigentlich. Unten angekommen führten ihre Schritte mehr oder weniger zielstrebig vom Aufzug weg direkt in eine der hinteren Ecken. Da sie an die fünf Minuten zu früh hier waren, hatten sich auch noch nicht sehr viele ihrer Freunde eingefunden und ein Tisch am Fenster war noch frei. Man sah zwar draussen nur noch die Dämmerung und nichts, was die Aussicht irgendwie wertvoll gestaltet hätte, aber trotzdem waren die Randplätze eben immer begehrter als die anderen Tische. Dort durften sich dann jeweils die Nachzügler setzen, die mal wieder aus den Zimmern hierher geschleppt werden mussten. Sie zum Beispiel regelmässig, juhu. Da sie sich allein an einen Tisch mit sechs Stühlen in einer gut besetzten Psychiatrie gesetzt hatten, war es naheliegend, dass sich wenig später noch zwei Gestalten dazugesellten. Faye würde behaupten, dass sie Jeffrey und Ramona hiessen - aber war auch gut möglich, dass es stattdessen Kevin und Anne waren. Wie gesagt, ihre Teilnahme am gesellschaftlichen Leben hielt sich eher etwas in Grenzen, mild ausgedrückt. Jedenfalls setzten sich die zwei immerhin netterweise mit je einem Stuhl Abstand zu ihnen, waren wohl ebenso wenig darauf erpicht, hier Nähe zu suchen. Blieb also nur zu hoffen, dass sich keiner der erwähnten Nachzügler reinquetschen musste. Ihr Blick wanderte wieder zu Victor, weil sie die anderen Elendsträger eigentlich nicht weiter begutachten wollte, und sie rang sich ein schmales Lächeln ab. Ja doch, Essen aufs Zimmer bringen wäre ihr definitiv auch lieber gewesen. Einige (viele) dieser Menschen waren eindeutig auf einem Level nicht ganz gesund, welches ihr nicht so gut gefiel.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Soso, am See war also auch nichts auszusetzen. Na dann war das Bild ja komplett. Fehlte nur noch die Pferdekutsche und Jemand, der sie uns fahren konnte, weil ich für meinen Teil keine Ahnung von diesen Tieren hatte. Geschweige denn wie man sie da hinlenkte, wo sie auch hinlaufen sollten. Zumindest vor den größeren Exemplaren hatte ich auch ziemlich Respekt. Ich mochte zwar recht groß sein und da überlegte es sich ein Pferd mit Glück dann noch zweimal, bevor es mich über den Haufen rannte, aber mit einem Tier mit dem Gewicht einer halben Tonne oder gar mehr konnte selbst ich mich nicht erfolgreich duellieren. Also vielleicht lieber keine Kutsche und stattdessen ein schicker Wagen. Der brachte uns sicherlich schneller von A nach B und der wollte auch nur mit Benzin gefüttert werden. Ich schüttelte auf jene Worte jedenfalls bloß noch belustigt den Kopf. Was meine Klamotten anging... "Eher nicht, nein. Aber ich hätt's vielleicht das nächste Mal gemacht, wenn du mich heute nicht reingelassen hättest.", meinte ich doch ein bisschen nachdenklicher als zuvor. Ich hätte in diesem Fall sicherlich versucht irgendwie das Beste aus mir rauszuholen - als wäre ich das Problem an der Sache gewesen, was eher nicht der Fall war. Aber ein Hemd sah halt schicker aus, als ein schon älteres Shirt oder ein an den Ärmeln langsam lose Fäden ziehender Pullover. Vielleicht hätte dann eine der Schwestern Faye gesagt, was sie verpasste und sie genötigt mir zumindest Hallo zu sagen. Ich war in jedem Fall aber froh, dass es solche Mittel gar nicht gebraucht hatte, um die zierliche Brünette wieder davon zu überzeugen, dass sie mich eigentlich gar nicht loswerden wollte und sie mich sehr wohl immer noch verdiente. War auf jeden Fall gut, dass die Leute hier sich kaum für meinen Stil interessieren würden und ich keine Kritik daran fürchten musste. "Faye, Summer, Cooper... du solltest wirklich daran arbeiten, deine Neugier in den Griff zu kriegen.", betonte ich ihren Namen im Aufzug angekommen absichtlich mit kleinen Pausen. Das Ganze natürlich nicht ohne ein bisschen Ironie, obwohl die Aussage schon einen wahren Kern hatte. Andererseits störte ich mich nun wirklich nicht so sehr daran, dass ich nicht auch weiterhin mit ihrer schier unbändigen Neugier leben konnte. Sie sollte lieber ungeduldig auf ein verhülltes Geschenk gucken, als sich wieder wortlos im Bett zu verkriechen und gar nichts zu tun. Was den Speiseplan anbelangte schien Faye wenig im Bilde zu sein, was nüchtern betrachtet auch gar nicht so überraschend kommen sollte. Wenn man nicht viel aß und vor allem auch nicht gern, dann interessierte einen das wenig bis gar nicht. Es schmeckte einem eben nichts. "Dann muss ich das wohl gleich mal selber beurteilen.", stellte ich beiläufig fest, als wir gerade den Aufzug verließen. Das erste, was ich dann im Speisesaal angekommen feststellte, war dass ich diese Art von Ambiente nicht grade vermisst hatte. Ich folgte Faye zum von ihr auserkorenen Tisch und lehnte die Krücken an die eingemauerte Säule zwischen zwei Fenstern, bevor ich den letzten Schritt zum Stuhl machte und mich hinsetzte. Nachdem ich etwas mühselig an den Tisch gerutscht war wanderte mein Blick erstmal durch den Raum, aber was wirklich Interessantes gab es da nicht zu sehen. Auch die beiden anderen Gäste am Tisch grüßte ich nur mit einem verhaltenen Lächeln und einem Nicken, was ihnen jedoch ganz recht zu sein schien. Zwar konnte ich im Augenwinkel sehen, dass die junge Frau immer mal wieder argwöhnisch zu mir rüberschielte, aber ich ignorierte das konsequent und widmete mich lieber Faye. Streckte nahe der Tischkante am Fenster meinen unverletzten Arm zur Hälfte über den Tisch und bat sie wortlos, aber lächelnd darum, mir ihre Hand zu geben. Noch brauchte sie die schließlich nicht, um zu essen. "Ich... hab's nicht unbedingt vermisst.", stellte ich leise murmelnd fest, als mein Blick ein paar Sekunden später aus dem Fenster in die herannahende Dunkelheit glitt. Nein, ich fühlte mich hier nicht wohl. Das war erwähnenswert, aber durchweg zweitrangig. Solange ich Faye ihren Aufenthalt hier erträglicher machen konnte, indem ich einfach nur anwesend war, tat ich das gerne. Das war vielleicht auch bitterer nötig als bis jetzt gedacht, als gute fünf Minuten später noch ein weiterer Kranker von einem Pfleger an den Tisch gebracht wurde. Der Schwarzhaarige beschwerte sich knurrend darüber essen zu müssen, während der Betreuer ihn mit aufforderndem, mahnenden Blick und einer sehr eindeutigen Handgeste dazu brachte, sich hinzusetzen. Neben mich. Herzlichen Dank auch. Ich räusperte mich nur leise, ohne den Blick von Faye abzuwenden. Allerdings änderte mein Desinteresse nichts daran, dass der Kerl missmutig und sichtbar angepisst zwischen uns beiden hin und her guckte. So als wäre unsere bloße Existenz irgendwie Schuld daran, dass er zu dünn war und dementsprechend zum Essen gezwungen wurde.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
ich wünsch dir einen tollen Abend und ein Happy New Year Moniiii! <3 Auf ganz viele weitere Stunden Drama, das sich im nächsten Jahr aber nur auf diese Geschichte beschränkt und den Rest des Lebens in Frieden lässt... :'D _________
Na dann hatte er ja Glück gehabt, dass es irgendwie nie eine Frage gewesen war, ob sie Victor ins Zimmer lassen würde oder nicht. Das hatte sie weit zuvor längst mit sich selbst ausgemacht - also dass sie ihn nicht abweisen würde, wenn er eines Tages auftauchte. Immerhin wäre das ja nur eine Strafe für ihn gewesen - und darum war es ihr nie gegangen. Ausserdem hatte sie gehofft, dass er kommen würde, auch wenn sie niemals mit dieser Art eines Besuches gerechnet hätte. Eigentlich war sie davon ausgegangen, dass er kommen würde, ihr erklären würde, wie übel sie ihn zerstört hatte, ihr all die Wunden und Narben zeigte, die er ihr zu verschulden hatte und sie sich dann final entschuldigen könnte, bevor er wieder ging und sie daraufhin das Bettlaken zur Mordwaffe umfunktionierte. Wenn sie hätte denken können, dann hätte ihr klar sein sollen, dass es niemals so ablaufen würde. Weil Victor selbst nach all der Scheisse, die sie veranlasst hatte, niemals dazu übergehen würde, sie bewusst in den Tod zu schicken. Und darauf wäre eine weitere Schuldzuweisung ja zwangsläufig hinausgelaufen, da sie schon zuvor hatte sterben wollen und im Kopf offensichtlich nicht mehr funktioniert hatte. Verrückt, wie viel ein einziger Besuch verändern konnte, wenn sie davor gefühlt absolut alles von seinem Urteil, welches sie längst zu kennen geglaubt hatte, abhängig gemacht hatte... Seine weitere Mahnung, die ihr im Aufzug zu Ohren kam, liess die Brünette lediglich ein weiteres Mal unschuldig grinsen. Es kam relativ selten vor, dass er sie beim ganzen Namen - inklusive Zweitnamen - nannte, also sollte sie das möglicherweise ernst nehmen. Aber irgendwie fiel es ihr trotzdem schwer, zu glauben, dass er sich tatsächlich so sehr an ihrer Neugier störte. Immerhin hielt sie sich mehr oder weniger ohne zu quengeln an die von ihm gesetzte Regel, dass sie erst nach seinem Besuch nach dem Inhalt der Tüte fischen durfte. Sie könnte das Ganze auch noch sehr, sehr viel lächerlicher gestalten. Aber jetzt gings erstmal zum Essen und somit gelangte die Überraschung vorübergehend ausser Reichweite. Leider. Sie würde sich wesentlich lieber weiter darum "bemühen", sein Mitbringsel zu begutachten, als sich hier unter die Leute zu mischen, die sie fast alle eher nicht mochte. "Oh, ich auch nicht, Victor... ich auch nicht", stellte sie ebenso leise fest, als er sie wissen liess, diesen Ort nicht weniger einladend zu erleben als sie. Eine Psychiatrie war einfach kein Platz, den man gerne besuchte... Am wenigsten wohl die geschlossenen Abteilungen, zu denen auch die hier gehörte. Faye griff nach seiner Hand, um sie mit ihrer zu umschliessen, streichelte halb für ihn, halb für sich immer wieder beruhigend über seinen Handrücken, während isch der Raum langsam füllte. Leider auch der Platz neben Victor, den sie sehr viel lieber leer gesehen hätte. Aber das lag wohl nicht drin, so wies aussah. Und wenn die damit mehr oder weniger komplett flöten gegangene Privatsphäre nicht schon Übel genug wäre, musste der Typ auch noch damit anfangen, sie ständig anzuschauen. Sie hatte ihn auch schon gesehen, aber auch bei ihm konnte sie nur irgendwelche wilden Vermutungen aufstellen, was den Namen anging. Hatte sie schlicht nie interessiert... Was wohl umgekehrt etwas anders war, denn als ob die Blicke allein nicht gereicht hätten, schien der Schwarzhaarige sich auch noch unterhalten zu wollen. In einem Tonfall, der deutlich darauf hinwies, dass er eigentlich nur Streit suchte... um dann wohl zurück auf sein Zimmer geschickt zu werden. "Ist das dein neuer Aufpasser, Faye?", wollte er mit einer hochgezogenen Augenbraue wissen, als sein Blick weiter zwischen ihnen hin und her ging. "Lass dich nicht von ihrem netten Gesicht täuschen, normalerweise lässt sie sich genauso ungern hierher schleppen wie ich. Nur um dann zwei Krümel zu inhalieren und Bauchschmerzen vorzutäuschen", plauderte er zu Victor, wofür er bereits einen dezent angepissten Blick seitens der Brünetten erntete, zu der seine Augen nun wieder zurück fanden. Auf seinem Gesicht war ein gespieltes Lächeln aufgetaucht: "Ich mag Chelsea lieber. Bleibt er lange?", äusserte er seine nicht-interessierende Meinung. Faye verdrehte genervt die Augen, gab ein unmutiges "Mein Gott, halt einfach die Fresse", von sich. Leider konnte sie ihn nicht so toll mit seinem Namen ansprechen, wie er das mit ihrem und dem ihrer Cousine getan hatte. Aber die Botschaft sollte trotzdem deutlich genug sein - nämlich, dass sie absolut kein Interesse an einem Gespräch mit ihm oder an seiner Störung ihres erst kürzlich wiedererlangten inneren Friedens hatte.
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Dankö Gwenyyyyyy und dir auch ein frohes neues Jahr. :D <3 Meins hat wie immer leider nicht so gut angefangen mit dem dezent panischen, fast-kolikenden Pony, aber ja, hoffen wir mal ab jetzt bleibt's Drama uns beiden fern. x'D ______________
Es schien zu viel verlangt zu sein, dass er einfach schwieg. Uns nur mit Blicken auf die Nerven zu gehen reichte dem Kerl offensichtlich nicht und ich müsste lügen, um zu sagen, dass er meine Nerven nicht gerade völlig unnötig strapazierte. Ich hatte vorhin bei der Wiedervereinigung mit Faye schon mehr als genug Stress gehabt und konnte diese Stichelei nicht auch noch brauchen. Ich schloss für einen kurzen Moment lang die Augen und versuchte möglichst tief durchzuatmen. Dadurch die blanke Provokation nicht an mich rankommen zu lassen, aber das war eben doch leichter gesagt als getan. Mein Nervenkostüm war aktuell reichlich dünn gestrickt, da half ein bisschen atmen allein nur selten richtig effektiv. Ich konnte es mir nur eigentlich nicht leisten hier die Nerven zu verlieren. Nicht vor den Augen der Menschen, die sich täglich um Faye kümmerten. Die irgendwas in meinem Verhalten sehen konnten, dass sie ihre Meinung über mich ändern ließ. Dass sie denken lassen könnte ich wäre doch nicht gut für sie, die sie meine Besuchszeiten doch beschränken lassen könnte. Oder gar schlimmeres. Das war ein Risiko, das ich nicht eingehen durfte. Ich drehte den Kopf langsam zu ihm rüber, musterte ihn eindringlich von der Seite. Nicht weil mich sein klägliches Erscheinungsbild ernsthaft interessierte, sondern nur damit er merkte, dass man das nicht machte und es unangenehm war. "Faye braucht mich nicht zu täuschen. Das hat sie nicht nötig.", stellte ich erst einmal klar, dass das schlicht und ergreifend Schwachsinn war. Ich sah sie normalerweise tagein, tagaus und mir fiel es selbst dann schon auf, wenn sie nur ein einziges Kilo an Gewicht verloren hatte. Dass sie momentan wenig bis gar nicht aß war für mich also offensichtlich, kein Täuschungsmanöver notwendig. Ich hatte mich auch um einen ruhigen, unbeeindruckten Tonfall bemüht, aber in meinem Gesicht ließen sich die Gefühle schwer verbergen. Jeder Mensch, der Faye zu schaden versuchte - und sei es auch nur mit ekelhaften Worten - war bei mir automatisch unten durch. Die einzige Ausnahme bildete da wohl Mitch. Ich erinnerte mich noch bestens an den Streit kurz nach seiner Rückkehr in unserem Wohnzimmer. Der Unterschied war bei ihm nur, dass ich ihn länger kannte und wusste, dass er das eigentlich nicht so meinte. Dass Faye einen Ausraster seinerseits auch ein kleines bisschen provoziert hatte, auch wenn das natürlich nicht ihre Absicht gewesen war. Der junge Mann auf dem Stuhl hier neben mir mochte ebenfalls psychisch krank sein, aber ich kannte ihn nicht und Niemand hier hatte ihm irgendwas getan. Seine Probleme waren nicht unsere. Er gehörte nicht zu unserer Patchwork-Familie. "Ich bleibe so lange, wie ich es möchte. Wenn dir das nicht passt komm früher zum essen. Dann kannst du dir zukünftig nämlich tatsächlich selbst aussuchen nicht neben mir zu sitzen.", verwies ich ihn ironisch darauf, dass er meine Anwesenheit zukünftig ganz leicht umgehen konnte. Dabei schenkte ich ihm ein mindestens genauso plakatives, künstliches Lächeln. Es war schlichtweg sein eigenes Verschulden, dass er seinen Arsch auf dem Stuhl neben mir hatte parken müssen. Da konnte Faye nichts für und ich genauso wenig. "Ist bei euch alles in Ordnung?", klinkte sich eine recht helle Frauenstimme ins Gespräch ein. Die Betreuerin, die mit dem Servierwagen nahe an unserem Tisch hielt, fing nach und nach jeden unserer Blicke ein. "Alles bestens.", gab ich meinerseits Entwarnung und schenkte ihr ein schmales Lächeln. Sie wirkte nicht ganz überzeugt, nickte meine Worte aber ab und begann die Teller zu verteilen. "Möchten Sie mitessen?", fragte sie weiter und ich dachte einen kurzen Moment lang nach. Ich hatte nicht wirklich Hunger, weil auch mein Appetit zuweilen ganz einfach noch zu wünschen übrig ließ. Erst recht in so äußerst netter Gesellschaft. Aber ich wusste, dass mein Körper die Energie noch dringend brauchte und außerdem sollte ich wahrscheinlich mit gutem Beispiel vorangehen, bei all den anwesenden Essenverweigerern. Ich ging mal davon aus, dass sie meine Speise einfach mit auf die monatliche Rechnung für Sonderwünsche schrieben, so wie das in der anderen Klinik auch gelaufen war. Selbst wenn nicht, dann hatte ich zur Not auch den Geldbeutel da. "Ja, wieso nicht...", bejahte ich also. Sie stellte mich noch vor die Auswahl zweierlei Menüs, weil ich logischerweise im Gegensatz zu den Patienten nicht am Ende der letzten Woche schon meine Wahl getroffen hatte. Wo kein Appetit oder Hunger war, da waren aber auch keine Vorlieben. "Geben Sie mir einfach das Menü mit mehr Eiweiß.", gestaltete ich die Wahl also stattdessen pragmatisch. Das Fast-Food vorhin war ja ganz nett gewesen, aber das hatte mit guter Ernährung wenig zu tun gehabt. Wenn ich nicht noch mehr Muskeln abbauen wollte, solange ich nicht trainieren konnte, sollte ich das, was noch vorhanden war, wenigstens adäquat versorgen. In der stillen Hoffnung nicht so schmal und dürr zu enden wie das garstige Häufchen Elend direkt neben mir.
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Dankeeee! :3 ohjeee armes Pöny... .-. Aber sonst gehts ihm (wieder) gut? Und ja, hoff ich auch, 2021 war wirklich genug Drama für mindestens zwei Jahre. x'D _________
Wahrscheinlich war es besser, wenn Victor sich mit dem Störenfried unterhielt und nicht sie. Am liebsten wäre ihr zwar, wenn ihn einfach gar keiner beachten müsste aber so wie sie die Lage beurteilte, würde das wohl auch nicht zur Ruhe führen. Der Schwarzhaarige verdrehte angepisst die unruhigen Augen auf das, was ihr Freund zu ihm sagte, wirkte alles in allem eher nicht beeindruckt und auch nicht so, als würde er sich davon tatsächlich den Mund verbieten und die Sache gut sein lassen. Die Ankunft des Essens war wohl der einzige Grund, weshalb er für einen Moment trotzdem die Klappe hielt. Faye kümmerte sich entsprechend erstmal um ihren eigenen Teller, der sie leider nicht viel ansprechender anstrahlte als sonst auch. Möglicherweise hing ihr nicht vorhandener Appetit auch nicht nur mit ihrer Psyche, sondern eben auch mit den Medikamenten zusammen... Blieb also nur zu hoffen, dass sich das in nächster Zeit wieder bessern würde und die notwendige Nahrung sie endlich wieder etwas mehr begeisterte. Sie hob den Blick von ihrem Menü, als Victor ebenfalls einen Teller aufgetischt bekam, lächelte ihm dann zögerlich zu und strich nochmal zart über seine Haut, bevor sie ihre Finger aus seinen löste, um stattdessen nach der Gabel zu greifen. Als die Betreuerin mit dem Servierwagen zum nächsten Tisch weiterging, stocherte sie bereits in ihren Spaghetti herum, hob dann aber nochmal den Blick an, um zumindest Victor einen guten Appetit zu wünschen. Nur dass sie die zwei Worte kaum aussprechen konnte, bevor der Plagegeist sich erneut bemerkbar machte. "MeHr EiWeiSs", äffte er nach, während er damit begann, die Speckwürfel aus seiner Carbonara zu picken. "Bist du im Aufbau? Keine Angst, hier drin macht dir keiner Konkurrenz... Ich pass schon gut auf dein Täubchen auf", begann er umgehend wieder damit, Scheisse zu labern, was wiederum zu einem durch und durch genervten Augenrollen der Brünetten führte. Hier passte überhaupt keiner auf sie ein, zumal das auch gar nicht nötig war. Sie war besser damit bedient, wenn er einfach wegblieb und sie in Ruhe liess - und zwar besonders dann, wenn Victor daneben sass. "Du bleibst mir am besten einfach sehr weit fern. Und kannst du jetzt bitte einfach still sein und deine Spaghetti einatmen??", zischte sie unmutig in seine Richtung, da sie wirklich weder Lust auf seinen Kommentar, noch auf irgendwelche Fantasien seiner Aufpasserei hatte. Sie hatte wirklich ausgesprochen wenig Lust auf alle Angehörigen des männlichen Geschlechts - ausser Victor natürlich. Schon gar nicht dann, wenn sie so dämliche Sprüche von sich gaben. Das war ihrem selbsternannten Aufpasser nur leider egal, weil er ja darauf abzielte, sie zu nerven, darum bereits Luft holte und zum nächsten Spruch ansetzte. Diesmal war es aber die vermeintliche Ramona auf der anderen Seite neben ihm, die genervt aufstöhnte und unter dem Tisch nach seinem Bein trat. "Meine Fresse Jeffrey, du musst deine Scheisse auch essen, wenn sie dich dafür in dein Zimmer sperren und zuschauen, also tu' uns einen Gefallen und gönn' uns die Ruhe verdammt noch Mal", fiel sie ihm ins Wort, machte Faye damit auch umgehend klar, dass offenbar nicht der andere Typ Jeffrey hiess, sondern die schwarzhaarige Zecke. Naja, close enough...
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Ach doch, ansonsten ist er eigentlich wieder sehr fit unterwegs. Die Hufrehe ist zwar noch nicht ganz rausgewachsen (dauert ca. 1 Jahr bis der Huf komplett runtergewachsen ist) aber er ist auf jeden Fall komplett schmerzfrei was das angeht. Und die gezerrte Sehne am Hinterbein macht auch keine Probleme mehr, aber ich will's nicht verschreien, sonst steht er am Ende morgen wieder "dreibeinig" im Paddock rum. x'D Seeeeeeh ich auf jeden Fall auch so - less Dramalama in 22 please. :'D ______________
Ich erwiderte Fayes Lächeln, zog meine Hand ebenfalls langsam zurück und wollte sie gerade noch daran erinnern, dass nicht nur ich essen sollte und sie durchaus auch gerne Appetit haben durfte, da grätschte die schwarzhaarige Pest in Person auch schon wieder dazwischen. "Ach, was du nicht sagst...", erwiderte ich ebenso spöttisch wie angekotzt. Wie gut, dass ich längst wusste, dass Faye hier drinnen im Grunde jede Person möglichst auf mindestens zehn Meter Entfernung mied und auch ganz gewiss keine Gespräche suchte. Da würde es diesem Vollidioten also schwerfallen, auf mein Täubchen aufzupassen. Und Gnade ihm Gott, wenn er tatsächlich versuchen sollte ihr in irgendeiner Art und Weise nachzustellen. "Dann gib lieber Acht, dass du dir beim Aufpassen nicht deine Spaghetti-Arme brichst, sollte ich dich dabei mal erwischen. Ich kann sie schon brechen hören, wenn ich sie nur anschaue.", bezog ich die heutige Speise mal eben in meine wenig netten Worte ein. Das hatte auch nichts mit Konkurrenz oder Buhlen zu tun, Faye war schließlich längst mein. Er war einfach ein ignorantes Arschloch, das sich offenbar gerne Spaß auf Kosten anderer erlaubte und da war er hier gerade ganz gehörig an der falschen Adresse. Wie Faye schon sagte - er sollte lieber mal anfangen die Spaghetti auch zu essen und sie nicht nur angucken. Dann war er irgendwann vielleicht sogar mal mehr als ein Strich in der Landschaft und wenn er dann noch Manieren an den Tag legte, könnte ihn irgendwann in ferner Zukunft vielleicht auch mal Jemand ernst nehmen. Das Übel bekam dann schließlich einen Namen, als sich eine weitere Person am Tisch zu Wort meldete, die ebenso wenig begeistert von Jeffrey war. Letzterer fluchte darauf zischend vor sich hin und griff mit einer Hand unter den Tisch, wohl um sich kurzzeitig das Schienbein zu reiben. Ihm stieg gut erkennbar noch mehr Wut in den Kopf, als sich seine Haut im Gesicht rötlich färbte und seine Halsschlagader sichtbar zu pulsieren anfing. Ich war bis hierhin noch nicht einmal dazu gekommen nach meinem Besteck zu greifen. Klar, theoretisch könnte ich längst essen und mich nicht weiter mit dem Störenfried befassen. Das fiel nur leider sehr schwer aufgrund der Tatsache, dass er einfach keine Ruhe gab und dabei unendlich penetrant nervtötend war. Jetzt außerdem auch noch richtig wütend. Jeffrey schlug nämlich jetzt mit beiden Fäusten neben seinem Teller auf den Tisch, nur um daraufhin das arme Ding auf der Gegenseite anzuknurren, zu beleidigen und wild mit den Händen herumzufuchteln. Ich atmete tief ein und schloss einen Moment lang die Augen, während auch mein Puls sich beschleunigte. "Tu uns den Gefallen und fang einfach an zu essen, Jeffrey. Bitte.", unterbrach ich ihn. Bat ihn bemüht ruhig darum, sich hier nicht mehr wie die Axt im Wald aufzuführen, sondern wie ein halbwegs zivilisierter Mensch. Einfach nur deshalb, weil wir bestimmt schon die Aufmerksamkeit des Pflegepersonals auf uns hatten. Nicht, dass ich glaubte mein Versuch würde wirklich fruchten - er hatte ja auch vorher auf Niemanden gehört. Ich sah schon zu ihm rüber, als er sich wieder mir zuwendete und mich wütend anfunkelte. "Sonst was?!", fauchte er und benahm sich weiterhin wie ein bockiges Kind. "Sonst landest du gleich mit deinem beschissenen Gesicht im Teller, wenn du nicht die verdammte Schnauze hältst. Es reicht.", wies ich ihn drohend darauf hin, dass die Grenze jetzt erreicht war. Mahlte dabei sehr angespannt mit dem Kiefer, hatte die Augenbrauen tief ins Gesicht gezogen und funkelte ihn eindringlich an, weil so viel Negativität und Wut ganz einfach zu viel für meine Psyche war. Im Gegensatz zu wahrscheinlich sämtlichen anderen Anwesenden war mein Kopf nicht dauerhaft mit irgendwelchen starken Antidepressiva oder Sedativa betäubt. Ich kam grundsätzlich nie gut mit lauten oder aggressiven Menschen zurecht - weswegen ich mich ja auch ganz allgemein nur ungerne stritt - und aktuell ertrug ich das schlichtweg noch sehr viel weniger als sonst. War mental noch meilenweit davon entfernt, in solchen Situationen ruhig und sachlich reagieren zu können. Erst recht dann, wenn Faye schon wieder involviert war. Warum musste ständig jedes gottverlassene Arschloch dieses Planeten auf sie abzielen? Ich reagierte förmlich allergisch darauf - was andererseits aber auch nicht verwunderlich war, wenn man unsere Vergangenheit betrachtete. Ich hatte genug davon, dass gefühlt ständig Jemand der Meinung war ein Recht darauf haben, sich ihre Nähe einfach zu nehmen. Sei es auch nur irgendein durchgeknallter Insasse einer Klapse - das Maß war diesbezüglich längst schon übervoll.
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Oh das klingt doch gut! Hoff ich mal, dass das so bleibt :) _____________
Der Kerl war wirklich anstrengend, besass ausserdem etwas zu viel Talent darin, ihnen hier das Abendessen zu versauen. Mittlerweile war ausnahmslos jeder am Tisch genervt von ihm, während er sie im Gegenzug alle überdeutlich hasste. Spätestens als er mit den lautstarken Beleidigungen in Ramonas Richtung anfing, hätte theoretisch jemand ihn aus seinem Stuhl reissen sollen, damit er sich dann nicht nochmal mit Victor stritt. Faye schloss mit einem tonlosen Stöhnen die Augen und fasste sich an die Stirn, als Jeffrey Victor ein weiteres Mal anfauchte, nachdem dieser als dritte von vier Personen, die sich mit dem Elend den Tisch teilten, darum bat, endlich still zu sein. Die Resonanz seitens Victor fiel im Anschluss ziemlich deutlich aus und die Brünette schlug die Augen wieder auf. Sie streckte ihre Hand erneut nach seinen Fingern aus, um diese in der Hoffnung, damit für Beruhigung zu sorgen, zu umschliessen. Sie konnten ja beide sowieso nicht essen, solange Jeffrey seine Fresse nicht hielt. Wonach es im Übrigen weiterhin nicht aussah, da er schon wieder Luft holte und damit begann, nun Victor mit Beleidigungen zu segnen. Allerdings nicht für lange, da die Vollkatastrophe glücklicherweise endlich ein Ende zu nehmen schien, als der gleiche Pfleger, der den Schwarzhaarigen hier platziert hatte, angeeilt kam. Er begutachtete die Situation nicht besonders lange, sondern bat Jeffrey lieber direkt darum, seinen Platz zu verlassen. Wäre Victor nicht hier, hätte er sich einfach zu ihnen gesetzt und auf total intelligente, psychologisch fundierte Art und Weise versucht, den Streit zu schlichten und ihnen allen eine wertvolle Lektion Sozialkompetenzen beizubringen. Aber da es gewiss nicht die Aufgabe von Besuchenden war, Leute wie Jeffrey zur Vernunft zu erziehen, hatten sie nun das Glück, von diesem Parasiten befreit zu werden. Natürlich warf er ihnen allen einzeln noch ein paar Beleidigungen an den Kopf und versprach zynisch, sich bereits auf ihre Gespräche von Morgen und Übermorgen zu freuen, aber wenigstens wurde er dann weggebracht. Mitsamt seinen Spaghetti. Wahrscheinlich wie von Ramona vorausgesagt auf sein Zimmer, wo er dann in Anwesenheit des Pflegers, der sicherstellte, dass Jeffrey nicht einfach sein Abendessen die Toilette runter spülte, die Spaghetti verschlingen durfte. Grossartig. Faye schaute den beiden noch kurz nach, erntete dabei erneut einen bösen Blick, bevor sie mit einem Seufzen zurück auf ihren Teller schaute. Ja, doch, das hatte ihren Hunger jetzt extrem gesteigert. Und ihren Appetit erst. Und ihre Lust, auch nur einen Tag länger hier zu sein. Sie begann wieder damit, in den Spaghetti zu stochern, schob sich wenig später auch relativ lustlos die erste Ladung zwischen die Zähne, ohne nochmal in Victors Richtung zu blicken. Es war einfach nur peinlich, wo sie mal wieder gelandet war, inmitten Geisteskranker. Zu denen sie ja irgendwie auch gehörte, was die ganze Sache aber echt nicht besser machte. Eher noch beschämender. Victor wusste zwar bestens, wie eine Klapse von innen aussah, aber im Gegensatz zu ihr hatte er es diesmal - jedenfalls bis jetzt - geschafft, nicht wieder eingeliefert zu werden. Während sie es gerade mal drei Tage in "Freiheit" geschafft hatte. Echt keine Glanzleistung, weshalb sie eben auch gewissermassen selber Schuld war, jetzt mit ihm an diesem Tisch statt in einem schönen Restaurant zu dinieren.
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Danke, danke. Ich richt's ihm auch aus, haha. :D ______________
Vor meinem inneren Auge klebte Jeffreys Gesicht gerade schon in den Spaghetti, als sich der für meinen Geschmack viel zu langsame Pfleger endlich dazu anschickte, diese Pestbeule zu beseitigen. Ich hätte den Schwarzhaarigen wirklich gerne im Nacken gepackt und einfach mit ordentlich Schwung in den Teller geknallt. Nur war ich einfach kein Mensch, der zu Gewalt tendierte. War Niemand, der oft und gerne die Faust auspackte. Wahrscheinlich hätte er mich also erst noch fünf Minuten beleidigen müssen, damit ich tatsächlich dazu übergegangen wäre. Manchmal wünschte ich das wäre anders. Meistens dann, wenn ich mich gerade in einer Situation befand, in der es durchaus angebracht wäre. Es gab einfach Menschen, die einen gut gezielten, nicht zimperlichen Hieb mit der Faust verdienten. Vielleicht war Jeffrey nicht unbedingt einer davon, weil er wahrscheinlich nicht immer so war. Weil das vermutlich nur der Ausdruck seines psychischen Leids war... aber vielleicht hätte ihn Soße mit Speck im Gesicht mal aufgeweckt. Der diplomatische Weg funktionierte bisher ja offensichtlich nicht besonders gut. Man sollte nicht wahllos Menschen beleidigen können und dafür kein Echo kassieren müssen. Ich mochte kein Befürworter von Gewalt sein, aber... ich war wütend. Wohl nicht nur auf Jeffrey, sondern auf die ganze Welt. Auf mein ganzes Leben. Vor allem wahrscheinlich auch auf mich selbst. Meine Augen bohrten sich förmlich durch Jeffrey, während er mit seinem Begleiter den Saal verließ. Danach sah ich einen Moment lang auf Fayes Hand hinunter, deren Finger wieder kurzzeitig die meinen umschlangen. Aber auch als ich dann schließlich nach dem Besteck griff und ihre Hand losließ, war ich noch nicht wesentlich entspannter als vorher. Meine Mimik wollte sich nicht recht lockern lassen und statt dem menschlichen Abschaum sah ich dann halt jetzt das Essen auf dem Teller so an, als hätte es den Tod verdient. In den folgenden fünfzehn Minuten aß ich zwar fast alles auf, verlor dabei aber kein einziges Wort. Versuchte dabei nur fortwährend irgendwie dem Gedankenstrudel zu entkommen, der sich so um meinen Brustkorb schnürte, dass ich mir einbildete mein Herz noch immer gegen meine Brust hämmern zu spüren. Außerdem kündigte sich stechender Kopfschmerz an. Deshalb hob ich schließlich mit einem leisen Seufzen die Hände, stützte die Ellenbogen auf dem Tisch ab und rieb mir übers Gesicht. Verharrte einen Moment in der angenehmen Dunkelheit ohne visuelle Reize, massierte mir die pochenden Schläfen. Danach hatte ich zumindest das Gefühl ein winziges bisschen runtergekommen zu sein und so richtete ich mich letztendlich wieder auf. Fuhr mir nur noch einmal mit der Hand nach hinten durchs Haar, um die etwas zu lang gewordenen Strähnen in ihre Position zurückzubringen. Schon währenddessen fiel mein Blick auf Fayes Teller, der natürlich nicht ganz leer war. Als meine Augen danach die ihren suchten wirkte sie aber auch nicht unbedingt so, als hätte sie noch vor der Rest aufzuessen. "Kannst du einfach gehen oder brauchst du ein 'Okay'?", hakte ich murmelnd nach. Konnte sein, dass die hier bei jedem einzelnen Patienten akribisch dokumentierten und abnickten, ob denn auch genug gegessen wurde. Mir war nur leider ganz und gar nicht mehr danach hier sitzen zu bleiben. Jeffrey war langfristig nicht der einzige Stressfaktor in diesem Raum. Da waren auch andere merkwürdige Gestalten im Hintergrund, die zwischendurch mal schräge Laute von sich gaben und schrill lachten. Ich mahlte noch immer unterbewusst mit dem Kiefer, wusste den Stress nicht anders zu kompensieren. Das war zumindest auch ein winziges bisschen unauffälliger als permanent nervös mit dem Bein zu wippen. Wenn man mich nicht kannte jedenfalls.
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Auch als Jeffreys Wunsch, irgendwo alleine essen zu können, zwangsläufig Folge geleistet wurde, fühlte Faye sich nicht wesentlicher entspannter. Das hatte hauptsächlich auch damit zu tun, dass es Victor genauso zu gehen schien. Sie hatte noch einigen Minuten einen kurzen, unauffälligen Blick in seine Richtung riskiert, aber er stocherte derart wütend in seinem Teller herum, dass sie gar nicht fragen musste, ob denn alles okay war. Denn das war es nicht. Und spätestens das war wohl ein leiser Hinweis darauf, dass Victors Psyche zwar nach aussen hin die meiste Zeit relativ ausgeglichen und im Vergleich zu ihr selbst absolut funktionsfähig wirkte, er aber in Wirklichkeit wahrscheinlich die ganze Zeit nur einen Ausraster von einem Zusammenbruch entfernt herumirrte. Sonst würden ihn doch die Sprüche und Beleidigungen eines psychisch Kranken nicht derart mitnehmen, oder? Soweit sie das beurteilen konnte jedenfalls. Sie gehörte ja auch zu denen, die Jeffrey mit seinem Verhalten nur zu leicht fertigmachen konnte. Faye wusste nicht wirklich, was sie mit dieser Erkenntnis anfangen sollte, ausser dass sie ihr innerlich einen schweren Dämpfer versetzte. Eigentlich hätte sie es ja wissen müssten, hatte es auch schwer erwartet nach allem, was passiert war - seinen eigenen Selbstmordversuch inkludiert. Aber offensichtlich hatte sein heutiger Besuch ihr etwas zu viel Mut eingeflösst, ihr vorgetäuscht, dass hauptsächlich sie es war, die dringend mal wieder hochkommen sollte. Die nächsten Wochen würden wohl zeigen, wie wahr das wirklich war... Erstmal galt es, die Spaghetti zu essen, obwohl selbst das kleine Bisschen Appetit, mit dem sie hatte glänzen können, längst spurlos verschwunden war. Sie schaute auch nicht mehr von ihrem Teller auf, ausser dann, als eine Pflegerin mit dem Medikamentenwagen zu ihrem Tisch kam und ihr wie allen anderen die abendlichen Pillen auftischte. Faye spülte sie kommentarlos wenn auch widerwillig mit etwas Wasser hinunter, obwohl sie wusste, dass sie den Schwindel wieder schlimmer machen würden und ihren Kopf weiter betäubten. Wenig später war sie sich auch sicher, keinen weiteren Bissen des Abendessens mehr schlucken zu können, ohne sich zu übergeben, weshalb sie die Gabel beiseite legte und darauf wartete, dass auch Victor seines Essens Herr geworden war. Da sie jeweils dezent langsam ass - so wie all ihre Bewegungen momentan ein Bisschen in Zeitlupe verliefen - musste sie darauf nicht sehr lange warten. Sie biss auf ihrer Unterlippe herum, als ihre Blicke sich begegneten und sie auf seine Frage schwach den Kopf schüttelte. "Lass uns gehen", murmelte sie, musterte ihn noch einen Moment nachdenklich bis bedauernd, bevor sie ihren Stuhl nach hinten schob, um auf die Beine zu kommen. Da diese Klinik nicht in erster Linie auf Essstörungen ausgerichtet war, Faye ausserdem noch nicht direkt Gefahr lief, sich durch Hungern in den Tod zu treiben, begnügte sich das Personal meistens damit, sicherzustellen, dass sie zum Essen erschien und ihren Teller nicht komplett unberührt stehen liess. Und das war gerade nicht der Fall, weshalb sie hier sicher nicht länger festgehalten werden musste und stattdessen, sobald sie sich sicher war, dass Victor seine Krücken unter den Armen hatte und sie nicht sofort kippte, mit gesenktem Kopf zum Aufzug trottete. Dieser war glücklicherweise bereits im Erdgeschoss, weshalb sich die Türen rasch aufschoben und sie eintreten konnten, um den Weg zurück ins Zimmer anzutreten. Ätzend. Das war alles, was es zu diesem Ort zu sagen gab. Absolut nicht das Beste für angeschlagene Persönlichkeiten wie sie. Also sie beide.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Fayes Bestätigung dafür, dass wir jetzt theoretisch einfach gehen konnten, ließ glücklicherweise nicht besonders lange auf sich warten. Ebenso zügig nickte ich jene Antwort wiederum auch ab und zögerte danach nicht, ausreichend weit mit dem Stuhl vom Tisch wegzurutschen. Es war ein gutes Stück leichter sich mithilfe der Tischplatte zurück auf die Beine zu heben, als die Krücken dafür zu benutzen, die ich dabei immer zusätzlich in Balance halten musste. Wieder auf den Beinen angekommen warf ich einen flüchtigen Blick in Fayes Richtung, ehe ich mir die Krücken schnappte. Die zierliche junge Frau schien mehr oder weniger bereit zum Aufbruch, also setzte ich mich langsam in Bewegung. Ließ den anderen beiden Gästen am Tisch im Vorbeigehen noch ein entschuldigendes, wenn auch eher missratenes Lächeln zukommen. Jeffrey hatte schon für genug Stunk gesorgt, da hatte es nicht noch mehr Unruhe durch meine körperliche Anspannung und den abgenervten Gesichtsausdruck gebraucht. Ich war ein sehr empathischer Mensch und gleichzeitig leider verhältnismäßig schlecht darin meine Emotionen langfristig komplett in mir zu vergraben. Irgendwann holte es mich jedes Mal ein und das grundsätzlich früher, als mir lieb war. Früher als gut war. Ich konnte hier nicht jetzt schon die Nerven verlieren, wo der schwerste Teil doch erst noch vor uns beiden lag... auf dem Weg zum Aufzug kam mir der Gedanke, dass ich vielleicht einfach nur so empfindlich reagierte, weil mein ganzes Inneres noch von dem aufwühlenden Gespräch mit Faye wahnsinnig durch den Wind sein musste. Ich wollte es gerne nur darauf schieben. Und auf Jeffrey, der einfach ein paar sehr dumme Dinge gesagt hatte, von denen er nicht wissen konnte, wie sehr sie mich triggern würden. Auch wenn wohl genau das sein Ziel gewesen war und es blendend funktioniert hatte. Großartig. Erst als der Lift uns beide schon innehatte und gemächlich nach oben fuhr, gab ich ein leises Seufzen von mir und suchte mit meinen Augen zögerlich nach Fayes Gesicht. Die Bewegung hatte die Anspannung etwas gelindert, aber von richtiger Entspannung war bei mir weiterhin kaum zu sprechen. "Schätze es war gar nicht mal so schlau einfach alles in mich reinzufressen die letzten Tage...", murmelte ich, wobei der sarkastische Unterton nicht fehlen durfte. Diese Art der Bewältigung, die einzig und allein nur Verdrängung bedeutete, war leider nie anzuraten und in diesem Fall auch noch ein sehr zweischneidiges Schwert. Es war definitiv nicht gesund für meine Psyche gewesen, aber es war auch fragwürdig, inwiefern es mir in einer Psychiatrie jetzt besser gehen würde. Wahrscheinlich gar nicht. Erst recht dann nicht, wenn sie mich in eine andere verwiesen hätten als diese hier. Ich wäre endgültig wahnsinnig geworden, wenn mir die Chance verwehrt geblieben wäre, mich mit der zierlichen Brünetten auszusprechen, nur weil sie mich irgendwo anders zwangseingewiesen hätten. Von den ganzen Wahnsinnigen in solchen Häusern mal zu schweigen, da hatten wir hier ja schon ein fabelhaftes Beispiel bekommen. "Ich kann Mitch mittlerweile ein bisschen besser verstehen, glaube ich.", stellte ich nach kurzer Pause noch leise fest, als ich den Blick schon zurück zur stählernen Tür des Aufzugs schwenkte. Im Gegensatz zu unserem Vollzeit-Draufgänger hatte ich zwar keine traumatische Kindheit in einem Heim gehabt, aber das musste ich auch nicht, um zu wissen wie es sich anfühlte, wenn einem gefühlt ständig nur Unrecht getan wurde. Es machte mich wütend und Wut war wirklich kein Gefühl, das ich oft empfand oder gar in anhaltendem Ausmaß. Normalerweise blieb sie brav mit allen anderen zu negativen, hinderlichen Gefühlen in einem imaginären Schrank verwahrt. Aber es war halt auch einfach nicht fair. Niemand konnte von mir erwarten, dass mich all die schlimmen Dinge nicht prägten. Ich wollte das nicht und doch war es unvermeidbar. Man konnte nach zweifacher Folter nicht mehr derselbe Mensch wie vorher sein. Auch wenn ich wohl niemals so blind vor Wut werden könnte wie Mitchell es manchmal war, so wusste ich dennoch wie es sich anfühlte, wenn man nicht wusste wo man mit diesem Gefühl hinsollte. Nicht wusste, wie man es loswerden sollte. Es sich einfach anstaute, weil man es nicht zuzulassen versuchte... und es dann offensichtlich aber unweigerlich irgendwann zum Vorschein kam, weil der Damm in seinem Dienst versagte. Als der Fahrstuhl anhielt und sich die Tür öffnete ließ ich Faye den Vortritt mit dem Aussteigen, bevor ich hinter ihr mit den Krücken den Metallkasten verließ.
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Es schien fast so, als wäre Victor mit seinen Gedanken zu ähnlichen Ergebnissen gekommen wie sie. Vielleicht enthielten seine Worte nicht ganz den gleichen Inhalt wie ihre Bedenken, aber im Grunde empfanden sie beide seinen psychischen Zustand als nicht so gut wie erhofft. Sie wusste trotzdem nicht, was sie darauf sagen sollte, weshalb sie erstmal nur leicht die Schultern anhob und erneut vorsichtig sein Gesicht musterte. Versuchte, aus seinen Augen seine Gedanken abzulesen. "Das funktioniert halt meistens nicht auf Dauer...", gab sie lediglich leise von sich, was sie sowieso schon wussten. Die Vergangenheit hatte längst gezeigt, dass sie beide nicht dafür gemacht waren, Dinge, die sie belasteten, für sich zu behalten. Sie waren keine Menschen, die ihre Probleme allein am besten lösen konnten. Vielleicht brauchten sie nicht zwingend die Hilfe anderer Leute - aber sie brauchten dringend jemanden, mit dem sie das Elend teilen und mit dem sie wenigstens darüber reden konnten. Auch wenn die andere Person dann gar nicht wusste, was sie dazu sagen sollte. Darum ging es meistens auch nicht. So dürfte es nun auch Victor ergehen, der vermutlich - falls er das Verhalten, von dem Aryana ihr vage erzählt hatte, aufrechterhalten hatte - den Schmerz und das Trauma bisher nur mit sich selbst geteilt hatte. Die Bemerkung zu Mitch liess sie umkommentiert, da sie auch hier nicht wusste, was sie erwidern sollte und ausserdem der Aufzug soeben sein Ziel erreichte. Mitch zu verstehen war leider nicht unbedingt positiv konnotiert, da der junge Mann eine ganze Menge Wut, Frustration und Aggression in sich trug. Sie wünschte sich für Victor wirklich nicht, diese Emotionen zu teilen. Hatte unbewusst sicher auch Angst davor, dass ihn das Erlebte irgendwann derart negativ beeinflusste, dass er diesen Gefühlen mehr Raum gewähren musste, dass sich so zwangsläufig sein Charakter negativ veränderte. Und das wiederum fand sie unendlich traurig, weil sie sich immer gewünscht hatte, sie beide würden sich auf wundersame Weise von den - geteilten und ungeteilten - Traumata nicht ihr Glück und ihre Freuden, die Empathie und das Vertrauen in das Gute der Menschheit zerstören lassen. Aber irgendwann konnte man eben nicht mehr weitermachen, als wäre nie etwas geschehen. Irgendwann ging ein Mensch kaputt. Vielleicht so, dass er noch repariert werden konnte - vielleicht aber auch irreversibel. Sie hatte es in dieser verdammten Nacht schon gesehen, Sie hatte gewusst, dass Victor neben ihr kaputt ging. Vielleicht sogar mehr noch als sie selbst - das war schwer zu sagen unter dem Mantel an Psychopharmaka, die sie bisher nie das volle Ausmass ihres psychischen Schadens hatten begreifen lassen. Aber sie hatte es deutlich genug gesehen. Und es war unendlich schwer, mit diesem Wissen zu leben und noch viel schwerer, damit klarzukommen, dass sie ihn in dieses Elend hineingezogen hatte. Dass es mitunter ihre Schuld war, dass er kaputt gegangen war. Dass er nun mit solchen Emotionen kämpfte. Faye wusste, dass er nicht wollte, dass sie so dachte... Aber es war unglaublich schwer, wenn sie sich so deutlich mit diesen Tatsachen konfrontiert sah. Wer konnte behaupten, dass sie nicht zumindest teilweise Schuld daran war, wenn sie es doch gewesen war, die sich gegen das Gesetz gesträubt und Ryatt in ihr Leben gezogen hatte. Sogar mehr oder weniger gegen dessen eigenen Willen. Sie bohrte ihre Fingernägel in die Handflächen, als sie ein weiteres mal das altbekannte, dringende Bedürfnis empfand, ihren Kopf gegen eine Wand zu krachen. Hangelte sich mit einer Hand dem Geländer entlang zurück zu ihrem Zimmer, wo sie stehen blieb, um Victor die Tür zu öffnen. Ohne ihn anzuschauen natürlich. Als er eingetreten war, schob sie die Tür wieder zu, blieb einen Moment stehen und starrte verloren ihre Zehenspitzen an. Da war sie wieder, die tiefe Hoffnungslosigkeit, der sie für einige wundervolle Stunden entflohen war. Klopfte an und lachte höhnisch, fragte sie, ob sie ernsthaft geglaubt hatte, so leicht zu entkommen. Hatte sie nicht... hatte sie nicht... würde sie nicht... Faye schleppte sich zum Bett, obwohl sie sich eigentlich lieber ans Fenster gestellt hatte. Sie wusste, dass sie nicht so lange stehen konnte, nicht mit dem Schwindel, der sie gleich darauf umgehend auf die Matratze zwang. Sie bettete ihr Gesicht in ihre Hände und rieb sich die Schläfen, als würde das etwas gegen das Chaos und die Schmerzen und den Schwindel bewirken können. Gleichzeitig suchte sie Worte, weil sie irgendwas sagen musste. Sie wollte nicht, dass Victor gleich wieder nur auf sie schauen musste, weil sie den nächsten, sich überdeutlich ankündigenden Nervenzusammenbruch verbuchen konnte. Am liebsten hätte sie Aimee gerufen, damit sie ihr sofort ein Schlafmittel brachte und sie sich in die Dunkelheit ballern konnte, um nicht mehr denken zu müssen. Aber das durfte sie nicht. Sie konnte nicht schon wieder in ihrem egoistischen Nichts versinken. Darum riss sie die Augen mühselig wieder auf, auch wenn sich ihr Blickfeld ein Bisschen kariert präsentierte. Sie suchte nach Victor und schaute ihn an, ein paar lange, stumme Sekunden. "Sorry... das ist echt... kein... kein guter Ort für uns...", bemühte sie sich um ein paar Worte, die wie ihr Kopf dezent verschwommen daherkamen. "Ich frage Morgen... ob wir... vielleicht im Zimmer essen können... falls du nochmal kommst...", schob die Brünette einen - vorübergehenden - Lösungsansatz nach. Klar war auch das nur eine Ausweichstrategie, aber vielleicht konnte sie es ja irgendwie intelligent fundieren mit der Tatsache, dass sie beide ein Trauma der gefühlten Endstufe hinter sich hatten und momentan einfach nicht auch noch mit Menschen wie Jeffrey klarkamen. "Ich hätte das... vielleicht wissen sollen...", Jeffrey hatte sich ja nicht das erste Mal auffällig verhalten und auch sonst hatte es eine gute Anzahl Gestörter unter den Kranken. Dass das nicht gerade beruhigend auf Victors Psyche wirkte, hätte ihr echt von selbst einfallen können.
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Ursprünglich hatte es ja auch nicht auf Dauer funktionieren sollen. Zumindest mehr oder weniger nicht. Ich hatte mir gesagt damit durchhalten zu müssen bis ich bei Faye angekommen war und zumindest dieses eine, wichtigste Ruder erfolgreich rumgerissen hatte. Dass ich danach dann am besten gleich damit anfangen sollte meinen eigenen Schutt aufzuarbeiten, aber so einfach war die Angelegenheit nicht. All das plötzlich zuzulassen, was ich in den letzten Wochen zurückgehalten hatte, bedeutete zwangsweise, dass ich vermutlich nicht viel weniger kaputt herumsitzen würde, als Faye das bis jetzt getan hatte. Das wiederum konnten wir beide uns aber meiner Einschätzung nach definitiv noch nicht leisten. Es setzte ihr offensichtlich ja schon ungut zu, wenn sie mich so aufgewühlt und gereizt sah. Wie sehr würde es sie dann erst runterziehen, wenn ich deutlich kaputter bei meinen Besuchen aussah? Oder wenn ich mal gar nicht kam, weil ich einfach das Gefühl hatte, dass ich das nicht schaffte? Ich wusste nicht, was jetzt der richtige Weg war. Wusste nur, dass es nicht mehr länger gutgehen konnte, einfach alles in mir drin zu behalten. Mindestens solange Aryana noch nicht wieder hier bei Faye vorbeischauen konnte, musste ich aber herkommen. Vielleicht konnten wir uns danach abwechseln... auch wenn mir dabei ebenfalls nicht wirklich wohl war. Ich wusste, dass ich auch mal an mich denken musste und nicht immer nur darüber philosophieren sollte, wie sich mein Verhalten auf Faye auswirken könnte. Aber das war schwer, wenn sich die zierliche Brünette schon wieder so mühselig und sichtbar von der Wirkung der Medikamente getroffen zu ihrem Bett schleppte, um dort die sichere Matratze aufzusuchen. Vielleicht mochte es nicht grundsätzlich falsch sein ihre Gefühle ein bisschen zu dämpfen, aber das war so eindeutig zu viel... Ich stand noch immer etwas verloren im Raum und schluckte leise, als die Brünette wieder zu reden begann. Allein schon wegen dem Klang ihrer Stimme und der Art, wie sie sprach. Sie gab mir damit nur noch einen guten Grund mehr, warum ich grundsätzlich keine Psychopharmaka mehr schlucken würde, solange sie mir nicht zwangseingeflößt wurden. Am Ende des Tages brachte es einem auch einfach nichts zu glauben die Welt sei mit dem benebelten Hirn wieder mehr oder weniger okay, wenn es gleich wieder ganz anders aussah, kaum wurde die Dosis etwas minimiert. Deshalb graute es mir auch jetzt schon davor, wie Faye sich fühlen würde, wenn sie erstmal weniger davon nahm. Es ging ihr ja jetzt schon nicht gut, um es mal mit Aryanas sehr mild formulierten Worten auszudrücken. "Ich komme weiterhin jeden Tag, Faye. Mindestens so lange, bis deine Schwester wieder hier ist.", stellte ich allem voran klar, dass sie mich wegen Jeffrey jetzt nicht loswerden würde. Natürlich kam ich noch her, das stand ganz außer Frage. Schon während ich sprach ging ich langsam zum Bett, um mich erneut auf die Kante sinken zu lassen. Ich drehte mich Faye etwas mehr zu, hielt die Krücken in einer Hand fest und streckte mit einem unweigerlich wieder von Sorge getränkten Blick meinen anderen, unverletzten Arm nach ihr aus. "Und wenn sie das nicht wollen, dann... skip' ich das Abendessen eben erstmal eine Weile... daran soll's nicht scheitern.", erwiderte ich auf ihren Vorschlag, streichelte dabei einmal über ihre Wange und ließ die Hand danach nahe ihrem Oberarm auf die Matratze sinken. Strich dort über den Stoff ihres Pullis, während ich ihr Gesicht musterte. "Dass ich mich von... 'Jeffreys' aus der Ruhe bringen lasse, ist nicht unbedingt normal, also...", seufzte ich und zuckte mit den schweren Schultern. Sah danach auf meine Hand hinab, ließ sie schließlich reglos auf dem Bett liegen. Vielleicht hätte Faye schon ahnen können, dass ein so stark mit Reizen gefülltes Umfeld für mich nicht gut war, aber es war halt eigentlich auch nicht die Regel, dass ich mich von dieser Sorte Mensch aus der Reserve locken ließ. Als wir das letzte Mal in der Klapse gesessen hatten, hatte ich mich auch gegen Medikation entschieden und da hatte ich eher versucht dem Ganzen mit einem Augenrollen genau gar keine Beachtung zu schenken, weil mir schlichtweg die Energie für solche Diskussionen gefehlt hatte. Aktuell war das anders. Noch fühlte ich mich nicht so ausgelaugt wie damals, der Antrieb war noch da. Würde sich in den nächsten Tagen vielleicht noch ändern, ich wusste es nicht. Hing wohl sehr stark davon ab, wie steil meine Psyche einen Abgang machen würde. "Willst du dich ausruhen? Schlafen?", fragte ich leise. Faye wirkte nicht so als hätte ihr Kopf gerade wirklich Kapazität für ein richtig aktives Gespräch und ihr Blick wirkte auch etwas verschleiert. Sie brauchte sich nicht wegen mir wachzuhalten. Ich konnte auch noch eine ganze Weile lang einfach stumm neben ihr sitzen oder liegen und ihren Kopf streicheln, solange sie sich ausruhte. Oder auch gehen, falls ihr das lieber war. Womöglich war meine Anwesenheit für sie gerade anstrengender, als es meine Abwesenheit wäre...
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