Mal wieder entlockten ihr seine Worte ein leises Lachen, das sie aber - wie alles an diesem Abend - möglichst leise verklingen liess. Sie wollte ihr Glück nicht herausfordern, auch wenn die Nachtwache der Polizei in den letzten Wochen erst ein einziges Mal ins Zimmer geschaut hatte. Normalerweise hielten die sich vor der Tür still und das sollte hoffentlich auch heute so bleiben. Also wurde eben nur leise gelacht und geredet und geküsst. Aber dass er sie als Engel bezeichnete, war trotzdem absurd genug für ein Lachen. "Wie ein Engel. Ich weiss nicht, wie du dir Engel vorstellst, Mitch... Aber es klingt auf jeden Fall interessant, darfst du mir gerne mal erläutern", grinste sie zurück, wobei das 'mal erläutern' wohl eher nicht auf heute fallen würde. Dazu gingen die folgenden Küsse eindeutig in die falsche Richtung. Der atemlose Tanz, den ihre Zungen vorführten war dabei nur der Anfang und Aryana fiel es zunehmend schwerer, überhaupt noch an den Cop draussen zu denken. Es war ganz einfach schon eine ganze Weile her, seit dem letzten Sex mit Mitch. Man könnte natürlich meinen, das sollte kein Problem für sie sein, nachdem sie jahrelang ganz gut ohne gelebt hatte. Aber das Ding war eben, dass sie nun eigentlich nicht weiter verzichten möchte. Dass sie Mitch immer und immer wieder haben und ihm alles geben wollte. Und nun wurde ihnen von aussen ein Riegel vorgeschoben, was absolut nicht okay war, wenn man sie fragte. Die Brünette schmiegte sich dichter an seinen Körper, während die Küsse kein Ende fanden. Auch dann nicht, als sie sich nochmal ein Bisschen von ihm löste, um ihr und bei dieser Gelegenheit natürlich auch sein Eigenes Shirt nach oben zu schieben. Nur um die beiden unnötigen Stoffstücke über ihre Köpfe zu ziehen, brauchten sie dann zwangsläufig eine Kusspause. Aber das war in Ordnung, immerhin war das mit dem Sauerstoff beim Küssen auch immer so ne Sache. Kaum waren die Shirts aber zur Seite gewandert, klebte die Brünette wieder förmlich an dem jungen Mann. Wohlverstanden bis auf die Hose und Unterhose vollkommen nackt - sie wäre ja theoretisch am Schlafen und zum Schlafen trug sie bestimmt keinen BH. Wahrscheinlich lebten sie mal wieder ein Bisschen riskant mit dem Wissen, dass da vor der Tür ihr Aufpasser stand. Aber das mussten sie wohl oder übel in Kauf nehmen. Ausserdem würde der nicht mehr als ihren nackten Rücken sehen, wenn er jetzt rein kam. Was er bitte tunlichst vermeiden sollte, denn Aryana hatte sehr andere Pläne, als wieder auf ihr eigenes Bett verwiesen zu werden. Das machten auch ihre Hände klar, die, nachdem sie einige Runden über seinen so wunderbar kräftigen Rücken gezogen hatten, schon bald am Bund seiner Hose anstiessen. Halbnackt war zweifellos gut... ganz nackt aber eben noch viel besser. Auch wenn ein Krankenhausbett nicht das Optimum war. Und ihre Verletzungen ganz sicher auch nicht.
Es war wohl klar gewesen, dass Victor ihr auch in diesem Punkt zustimmen würde. Immerhin hatten sie beide gleichermassen mit der ewigen Kontrolle zu kämpfen, die ihnen hier tagtäglich zuteil wurde. Hatten eben alle ganz viel Angst um sie, weil sie wohl aussahen, als möchten sie von der nächsten Brücke springen... Aber das würden sie nicht machen. Fayes Gedanken hatten sie zwar schon öfter mal zurück zu dem Messer getragen, welches sie damals, als sie sich genauso gehasst hatte wie jetzt, durch die dünne Haut an ihrem Arm gezogen hatte. Aber sie hatte Victor versprochen, das nie wieder zu tun und sie wollte ihn nicht enttäuschen. Nicht darin auch noch. Ausserdem wusste sie ganz genau, dass das Folgen haben würde, dass sie dadurch nur noch länger hier eingesperrt blieb. Dass sie mehr Pillen zugeschoben bekommen würde und sie damit schlicht alles nur noch schlimmer machte. Und das waren die kurzen Momente der Erlösung, wenn sie das Blut aus ihrem Körper fliessen sah und der Schmerz ihre Seele betäubte, nicht wert. Ganz davon abgesehen, dass sie das ja sowieso nicht tun konnte, weil sie nicht in die Nähe von Messern gelassen wurde. Da müsste sie sich schon sehr geschickt anstellen und um sich einen Plan dafür auszuhecken, war ihr das Ganze echt zu doof. Genau wie Suizid im Allgemeinen das auch war. Es kam ganz einfach nicht in Frage, weil sie das weder Victor noch Aryana antun konnte. Victor würde komplett den Boden unter den Füssen verlieren und Aryana würde sich selbst dafür verantwortlich machen. Und sie würde ganz sicher daran zerbrechen, mit all den anderen Umständen, die ihr Leben gerade mal wieder ein paar Stufen schwieriger gestalteten, als das jemals nötig gewesen wäre. Nein, Faye würde von keiner Brücke springen und sich nicht mit dem Bettlacken erhängen. Und Victor, so hoffte sie mit allem, was sie ausmachte, auch nicht. Die Rückkehr ihres Freundes ins Zimmer, riss die junge Frau aus ihren Gedanken. Und gleich darauf klopfte es auch schon an der Zimmertür, womit Faye sich schliesslich endgültig vom dunklen Fenster löste. Sie trat zum Bett heran und schlüpfte zu Victor unter die Decke, noch bevor ihr Babysitter den Raum verlassen hatte. Das Angebot mit dem Essen lehnte sie ebenfalls mit einem Kopfschütteln ab, auch wenn sie wusste, dass es keine schlechte Idee war. Sie würde Morgen mit dem regelmässigen Essen anfangen... Vielleicht. Jetzt wollte sie lieber schlafen, der Tag war eindeutig anstrengend genug gewesen. Und mit einem 'Gute Nacht', war der Betreuer schliesslich verschwunden, hatte auf Nachfrage hin auch gleich das grosse Licht ausgemacht, womit nun lediglich noch die Nachttischlampe das Zimmer in schwaches Licht hüllte. Faye blickte zu Victor, sobald sie alleine waren, rutschte etwas unsicher zu ihm hin. Als müsste sie neu lernen, wie sie damals so sorglos und ohne Bedenken im gleichen Bett geschlafen hatten, als noch alles in Ordnung gewesen war. Oder es sich zumindest rückblickend so anfühlte, als wäre damals alles in Ordnung gewesen. "Du musst sagen, wenn dir zu warm wird...", murmelte sie vor sich hin, weil sie sich doch bestens daran erinnerte, wie der Dunkelhaarige früher immer eine kleine Heizung an ihrer Seite gewesen war. Und da hatte er weniger Kleidung getragen als jetzt.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Bei der Sache mit dem Engel würden sich wohl die Geister scheiden, da gab ich ihr Recht. Für gewöhnlich liefen die blonden Flattermänner nämlich eher nicht mit Maschinengewehr und Armyklamotten herum, während sie sich durch die syrische Wüste schossen und Granaten warfen, um irgendwie mit dem Leben davon zu kommen, während im gleichen Atemzug einige andere dafür ausgelöscht wurden. Wie genau der christliche Glaube Engel nun definierte wusste ich nicht, aber so ganz bestimmt nicht. Der Mord an Warren passte dazu auch ziemlich schlecht ins Bild und Sex hatten die ebenfalls nur unwahrscheinlich. Trotzdem verhielt die hübsche Brünette sich im Vergleich zu früher - als lägen unsere Streits schon Jahrzehnte zurück - ziemlich lammfromm, wobei das ohnehin für beide Seiten galt. Ich selbst hatte sicher sogar noch die größere Kehrtwende gemacht, wobei auch meine Wenigkeit von einem Engel sehr weit entfernt blieb. Maximal konnte man mich vielleicht noch mit dem abtrünnigen Flattermann vergleichen, der sich zwangsweise nach unten in die Hölle verabschieden müssen. Namentlich dann Satan, Teufel, oder wie auch immer man ihn jetzt schimpfen wollte. Sollte es sowas wie Himmel und Hölle geben, dann lernte ich den Kerl bestimmt noch kennen. Allerdings lieber später als früher, wo ich doch jetzt Aryana für mich gewonnen und sie zu lieben gelernt hatte. Sich ihre nackte Brust an meine schmiegte, während wir weiteren innigen Küssen verfielen, als hätten wir nie etwas anderes getan. Wenigstens lagen wir hier nicht ganz so verkrüppelt herum wie bei unserer ersten intimen Annäherung, hatten immerhin etwas mehr Spielraum und ich musste mich auch nicht über zu viel Stoff beschweren. Eher im Gegenteil. Nachdem wir die Shirts losgeworden waren, hatten auch meine Hände bald wieder an ihrer Haut gelegen. Die eine strich ihr hauchzart über die Seite - für das Kribbeln musste sich schließlich gebührend revanchiert werden -, während die andere sich wie so oft bei den stürmischen Küssen in ihren Nacken gelegt hatte und ihr mit dem Daumen seitlich leicht über den Hals strich. So lange, bis ihre Finger bei meiner Hose ankamen und im Grunde hätte ich wirklich nichts gegen ein ausgedehntes Vorspiel. Würde mir liebend gern so viel Zeit für die attraktive, junge Frau nehmen wie möglich war, aber es wäre wohl schlauer darauf jetzt zu verzichten - was selbstverständlich aber wiederum nicht hieß, dass sie mir hier ohne erlösenden Höhepunkt davonkam. Erstmal musste für das Ganze aber noch die Hosen und die Unterwäsche weg, was zwangsweise wieder Distanz zwischen uns beiden forderte. Also kamen wir beide erneut zu etwas mehr Sauerstoff, während der Rest der Klamotten noch dran glauben musste. So mehr oder weniger halfen wir uns beide gegenseitig damit, aber angesichts des mangelnden Spielraums des eher schmalen Betts blieb wohl auch jeweils ein großer Teil an einem selbst kleben. War vielleicht auch nicht verkehrt, weil wir selbst beide am besten wussten, wo genau die Verletzungen an den Beinen lagen und sie zügig umgehen konnten, ohne dem Kerl vor der Tür mehr Zeit für Störungen einzuräumen. Aryana hatte für das Unterfangen von mir abrücken müssen und so lag sie wieder neben mir im Bett, wo sie im Grunde gleich bleiben konnte. Ich hielt sie dazu an sich mir lediglich auf Hüftebene etwas mehr mit dem Rücken zuzudrehen und hob ihr Bein vorsichtig über meinen Oberschenkel, was für meine eigene Wunde dort eher nicht so blendend war, aber irgendwo mussten wir hier so oder so Abstriche machen und außerdem war die Wunde längst wieder mit Haut überzogen. In Ekstase verschwanden Schmerzen für gewöhnlich recht zügig und so blieben zumindest die restlichen Wunden auf den ersten Blick halbwegs verschont. Ihre Lippen benetzte ich weiterhin mit Küssen, als ich ihr mit der freien Hand - den anderen Arm brauchte ich um mich etwas abzustützen - zuerst ein wenig die Brust massierte und im Anschluss daran die Finger zärtlich über ihren Bauch hinweg abwärts glitten. Ein allzu langes Vorspiel strebte ich wie gesagt nicht an, wollte sie aber doch zumindest ein klein wenig mit den Fingern auf den eigentlichen Akt vorbereitet haben. Sie sanft noch etwas stimulieren, wobei ich mit den Fingern auch eine kleine Weile später, als ich langsam in sie eindrang, nicht von der empfindlichsten Stelle ihres Körpers abließ. Meine Lippen blieben dabei in einem weiteren atemlosen Kuss an ihren kleben, um das aufkommende Stöhnen meinerseits lieber im Keim zu ersticken. Ob sie die Beine im Verlauf lieber zusammen nahm oder nicht, war ganz ihr überlassen.
Ich war froh darum, dass der Kerl unser Zimmer nach beidseitiger Ablehnung von Nahrung schon bald wieder verließ. Dabei war es gar nicht mal so, dass das Personal hier unfreundlich war. Die meisten von ihnen gaben sich durchaus Mühe damit uns den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen, selbstverständlich aber unter Einhaltung aller Auflagen. Hier und da versuchten sie auch uns aufzuheitern und kleine Witze zu machen, aber viel mehr als ein ziemlich müdes, halbherziges Lächeln bekamen sie wohl nur selten zurück. Ich für meinen Teil stellte mir die Arbeit hier ziemlich frustrierend vor. Faye und ich waren sicher noch zwei der weniger gestörten Patienten, wenn ich mal kurz an die geschlossene Abteilung nachdachte, in der wir uns zu Beginn befunden hatten. Da war es echt öfter mal drunter und drüber gegangen, wenn im Gemeinschaftsraum mehrere Patienten aufeinander getroffen waren, die teils wohl psychisch bedingt ganz einfach streitlustig waren. Da war auch ein noch ziemlich junges Mädchen gewesen, das immer wirr vor sich hin geflüstert und Abstand zu absolut Jedem gehalten hatte. Schwer zu erraten, ob sie mit sich selbst oder irgendeiner fiktiven, nicht existenten Persönlichkeit geredet hatte. Faye und ich mochten ebenso einen ordentlichen Knacks in der Birne haben, seit wir in den Fängen der Syrer gewesen waren, aber so im Verhältnis waren wir doch noch mit am normalsten und auch mit am ruhigsten. Lag wohl auch sehr stark daran, dass wir einfach so weit es ging unsere Ruhe haben wollten. Ich sah dem Pfleger noch nach, während er den Raum verließ und dann wanderten meine Augen umgehend zu Faye, die langsam zu mir hinzurutschen begann. Alles in allem noch sehr zurückhaltend, aber ich hatte auch nicht wirklich etwas anderes erwartet. All die Bedenken, die sie nun schon seit unendlich vielen Wochen plagten, ließen sich schlichtweg nicht von jetzt auf gleich ausradieren. So wie in alter Gewohnheit hob ich meinen Arm für sie an, damit er zwischen unseren Oberkörpern nicht im Weg war. Ihre leisen Worte ließen mich schwach lächeln, während ich den Arm bewusst nur eher locker um ihren zierlichen Körper legte und meinen Kopf etwas mehr in ihre Richtung neigte. "Momentan frier' ich meistens eher ein bisschen, als dass mir zu warm wird..", murmelte ich leise vor mich hin. War gut möglich, dass es der Brünetten ohnehin schon aufgefallen war, dass ich schon all die löästigen letzten Wochen über meist mehr Klamotten am Körper trug, als das früher immer der Fall gewesen war. Falls nicht, dann hatte ich ihr zumindest auch gleich eine Erklärung für den ungewohnten Umstand mitgeliefert. "...es wär mir also absolut recht, wenn du das mindestens ausgleichst.", fügte ich wenige schweigsame Sekunden später noch ein paar mehr Worte an. Macht der Gewohnheit fing ich unterbewusst damit an ihr ein klein wenig über die Seite zu streichen. Dass mir schnell zu warm werden würde glaubte ich jetzt mal nicht und wenn doch, dann war das maximal dann schlimm für mich, wenn es so weit ging, dass ich davon zu schwitzen anfing. Dann hätte es sich mit dem Schlafen nämlich vermutlich erledigt, was blöd wäre. Sollte es so weit tatsächlich kommen, dann konnte ich aber immer noch das Shirt loswerden, das sicher eine größere Milderung als die Shorts versprach. "Aber ja... falls doch, dann sag ich Bescheid.", ließ ich Faye noch wissen, dass ich ihrer Bitte nachkommen würde. "Gilt natürlich auch für dich, wenn's dir doch zu unangenehm wird.", meinte ich leiser, weil ich ganz einfach wollte, dass der Brünetten weiterhin bewusst war, dass ich es durchaus verstehen würde, wenn ihr dieser Schritt nun doch zu viel wurde und sie deshalb gar nicht schlafen konnte. Das war schließlich auch nicht das, was ich - oder viel mehr wir beide - hiermit erreichen wollte. Wenn ihrem Körper neben der mangelnden Nahrungsaufnahme auch noch das Auftanken der Energie durch Schlaf verwehrt blieb, dann würde sich ihr Zustand sicher nicht bessern. Blieb also zu hoffen, dass wir nicht in den nächsten unangenehmen Moment hineinschlitterten, weil wir uns hiermit einen Schritt zu weit gewagt hatten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie wusste, dass das das letzte Mal für eine Ewigkeit sein würde. Aber Aryana setzte alles daran, diese Gedanken nicht zuzulassen und sich in diesem Moment auf Mitch und nur auf ihn zu konzentrieren. Diese Gefühle für immer zu speichern und sich an jedem Tag für den Rest ihres Lebens daran zu erinnern, wie es sein konnte, wenn sie beide nicht darauf hörten, was die Welt ihnen vorschrieb. Wenn sie frei waren. Es war wohl nicht ganz korrekt, das hier als Freiheit zu bezeichnen, wenn sie damit rechnen mussten, jeden Moment auf sehr unschöne Art unterbrochen und auseinandergerissen zu werden, als wären sie zwei Tiere, die aus ihren Einzelkäfigen ausgebrochen waren. Aber trotzdem fühlte Aryana sich frei - so frei, wie sie sich nur mit diesem einen Mann fühlen konnte. Dann, wenn sie ihre Karten in Form ihrer Gefühle und ihrer Intuitionen offen auf den Tisch legten und genau das taten, wonach ihre Körper und Seelen schrien. Sich einander bedingungslos hingaben und sich nur auf das konzentrierten, was sie waren und was sie ausmachte. Das war es, was sie spüren und sehen wollte in diesem Moment. Nicht die traurige Gewissheit, dass all das in ein paar Tagen in unendliche Ferne gerückt sein würde. Nein, denn jetzt war alles sehr real und die junge Frau wurde mal wieder zu Wachs in seinen Händen. Spätestens dann, als sie nackt vor ihm lag und sich an ihn schmiegte, während seine Hand zuerst über ihre nackte Seite strich und überall eine vorfreudige Gänsehaut hinterliess, dann an ihrer Brust verharrte, bevor sie schliesslich nach unten wanderte. Und es war wirklich schwer von Vorteil, dass seine Lippen noch immer auf ihren lagen, weil sie sonst zweifellos den Wächter nach drinnen gelockt hätte. So aber verklangen alle Geräusche, die ihr beinahe über die Lippen gekrochen wären, in den heissen Küssen. Sie passte sich seinen Bewegungen an und hatte die Augen geschlossen, den Kopf leicht in den Nacken gelegt, während sie sich bemühte, möglichst komplett leise zu bleiben und stattdessen nur ihren Körper und ihre Lippen die Empfindungen aussprechen zu lassen, die die Atmosphäre dieses Raumes erfüllten. Ihre Hände blieben dabei aber keine Sekunde still, strichen weiter über jeden Zentimeter seiner Haut, mit dem einzigen Ziel, ihn überall zu spüren und überall zu berühren. Mit der Zeit gruben sich die Finger ihrer linken Hand in sein Haar, während die Rechte über seinen oberen Rücken und seine Schulter kratzte. Nicht fest, aber doch so, dass sie wohl kurzzeitig Spuren hinterlassen würde. Aber irgendwo musste die Luft eben raus, wenn sie so still sein sollte, während sie so viel empfand. Und das, obwohl Still Sein bis heute eigentlich nie ihre Stärke gewesen war... Doch je intensiver seine Stösse wurden, umso schwieriger wurde es für Aryana auch, sich mit ein paar atemlosen, eher unkoordinierten Küssen ruhig zu halten. So löste sie dann ihre Finger (und -Nägel) von seiner Schulter, um die Hand stattdessen vor ihren eigenen Mund zu pressen, während sie sich förmlich im Bettlacken wand, um Mitch so tief in sich aufnehmen zu können wie möglich. Weil sie alles von ihm wollte wie sie ihm auch alles gab. Damit sie diese Gefühle niemals vergessen könnten und immer wissen würden, wofür sie kämpften.
Es war seltsam, wieder so dicht neben ihm zu liegen. Dabei ihren Kopf vorsichtig an seine Brust zu betten, ohne dabei wirklich darüber nachdenken zu müssen, weil ihr Herz niemals vergessen hatte, wo sie hingehörte. Seltsam - aber es war gut. Sie spürte förmlich, wie der Scherbenhaufen in ihrer Brust sich neu zu ordnen begann. Wie ein paar der tausend Bruchstücke sich zusammenfügten und langsam wieder verwachsen wollten. Und das alleine schon nur, weil sie wieder in Victors Armen lag, wieder da schlief, wo sie immer hätte schlafen sollen. Seine Stimme erklang dicht an ihrem Ohr, als Victor zur Antwort ansetzte und Fayes Hand, die sie um den jungen Mann gelegt hatte, strich sanft über seinen Rücken. "Das ist nicht gut... frieren ist ein Zeichen von Krankheit... oder Erschöpfung", murmelte sie in sich hinein, auch wenn er das wohl selbst schon wusste. Erschöpfung war für ihren Allgemeinzustand ja eh schon gar keine Bezeichnung mehr, so wenig, wie sie beide die letzten Wochen geschlafen hatten. War ja kein Geheimnis, dass sie nachts abwechslungsweise aus Alpträumen hochschreckten. Da sie beide - spätestens durch den Krieg - einen so leichten Schlaf hatten, war es auch nicht möglich, dass einer von ihnen dabei weiterschlief und nichts mitbekam. Nein, sie waren immer beide wach. Jede Nacht. Meistens mehrmals. Faye nickte schwach, als er sie dazu aufforderte, ebenfalls Bescheid zu geben, falls sie so doch nicht schlafen konnte. Aber sie wollte es wirklich versuchen, egal wie angespannt sie in diesem Moment noch war. Mindestens diese eine Nacht. Und bestimmt würde es dann sehr bald schon besser werden. Wenn ihr dummes Gehirn endlich begriffen hatte, dass sie sich von der ganzen Welt schämen und verstecken konnte, Victor sich aber doch nie vor ihr ekeln, sie niemals verabscheuen würde. Faye atmete tief durch, schloss die Augen zur Hälfte und konzentrierte sich auf eine ruhige Atmung und seinen Herzschlag. Einen Moment blieb sie so still liegen, liess zu, dass ihr Kopf sich ein Bisschen selbstständig machte und sie sich nie ganz entspannen konnte. Dann kam wieder ein kleines Bisschen Leben in die junge Brünette, wenn auch vorerst nur in Form ein paar leise gehauchter Worte. "Wir könnten ein kleines Spiel spielen... immer vor dem Einschlafen. Ich habe mal gehört, Menschen schlafen besser, wenn sie sich davor ihr Leben so ausmalen, wie sie es gerne hätten... Vielleicht gehen die Alpträume dann ja auch ein Bisschen weg...", meinte sie, gefolgt von einer kurzen Denkpause. "Was ist dein grösster Traum, Victor? Wenn du dir dein Leben so schaffen könntest, wie du es gerne hättest, was wäre ab Morgen anders?", fragte sie. Und wenn sie sich wirklich auf das konzentrieren konnten, was sein könnte, das, was sie sich wünschten, vielleicht konnte sie dann auch endlich aufhören, über die unzähligen Narben nachzudenken. Über all die Probleme. Über Mitch und Aryana. über Victor und sie an diesem schrecklichen Ort. Vielleicht war das ein erster Schritt in Richtung Hoffnung und Optimismus. Eine Perspektive auf das, was sein konnte, wenn sie sich wieder zurück ins Leben kämpften.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Es wäre wirklich schön gewesen, hätten wir all die lustvollen Laute nicht so unterdrücken müssen. Ich liebte es, wenn Aryana sich mit einem Stöhnen unter all den intensiven Gefühlen wand, aber da waren wir wohl leider wieder bei den Abstrichen, die wir jetzt zwangsweise machen mussten. Selbst mit den erstickten Geräuschen und dem hier und da unter Berührungen zwickenden Oberschenkel blieb die Zweisamkeit mit ihr dennoch unvergleichlich. Ließ mich wie schon die Male zuvor ganz tief in eine förmlich Sinne betäubende Welt aus Glücksgefühlen und purer Lust eintauchen, während ich mich in ihr bewegte und ihr dabei so nah wie nur irgendwie möglich war. Versuchte jedes noch so kleine Detail aufzuschnappen, als die Luft immer dünner wurde und Aryanas Finger weiter ihre Linien über meine nackte Haut zogen. Ich liebte es auch, wie mir die Hand in meinen Haaren - die streng genommen schon den nächsten Schnitt vertragen könnten, aber das würde im Knast wohl kaum Jemanden interessieren - und den leicht kratzenden Fingern der anderen Hand symbolisierte, dass ich jetzt bloß nicht weggehen sollte und sie sich genauso wie ich selbst gänzlich im Hier und Jetzt verlor. Wir schaukelten uns gegenseitig immer weiter hoch, was mich doch fortwährend dazu anstachelte das hier trotz der notwendigen Abzüge perfekt machen zu wollen. Dabei war das Tempo, das ich anschlug, gar nicht wirklich hoch, aber das war auch nicht im geringsten notwendig. Dass die Brünette sich dem Rhythmus ideal anpasste und mir mit perfekter Hüft-, sowie Beinposition ermöglichte ziemlich tief in sie einzudringen, reichte gänzlich aus um mir bald zunehmend den Verstand zu rauben. Umso schwieriger war es auch weiterhin tunlichst die Klappe zu halten, als Aryanas Lippen nicht mehr als Schalldämpfer herhalten konnten, weil wir beide dabei auch nur noch mehr schlecht als recht Luft bekamen. Die Küsse versiegten zwangsweise und während die Brünette ihre Hand nutzte, um ungebetene Gäste weiterhin fernzuhalten, biss ich mir selbst recht fest auf die Unterlippe. Geschwollen war die sowieso schon, da machte das kaum einen Unterschied, aber der sachte Schmerz erinnerte mich daran, was ich riskieren würde, wenn ich mich nicht weiter im Zaum hielt. Es fiel mir parallel dazu auch immer schwerer mich noch darauf zu konzentrieren, sie nebenher weiter ein klein wenig zusätzlich mit den Fingern zu stimulieren, aber auch davon wollte ich nicht absehen, bis der Höhepunkt schließlich auf der Matte stand. Mich während ein paar letzten, intensiven Stößen das berauschende Gefühl überrollte und ich mich in ihr ergoss. Dabei musste ich den Kopf unweigerlich zur Schulter der Brünetten hindrehen, um meine Lippen dort mit ihrer Haut zu versiegeln, weil das auf die Unterlippe beißen schlicht nicht mehr ausreichte, um all die aufkommenden Gefühle und daraus entstehendes Stöhnen zu unterdrücken. Als das belebende Gefühl abebbte und schließlich ganz ausblieb, hielt ich mit noch stark beschleunigtem Puls inne. Lehnte meinen Kopf mit geschlossenen Augen ein wenig an Aryanas, während ich durchatmete und meine Finger von ihrem Intimbereich löste, um stattdessen abwesend mit noch vollkommen leer gefegtem Kopf sanft über ihren Oberschenkel zu streicheln. So machte ich weiter, bis sich meine Atmung langsam wieder halbwegs reguliert hatte, ich mich aus ihr zurückzog und den Arm dann stattdessen um ihren schlanken Oberkörper schlang, während mir ein leises, zufriedenes Seufzen über die sicher noch geröteten Lippen kam. "Du bist absolut perfekt.", hauchte ich ein paar wenige, kaum hörbare Worte vor mich hin, ohne die Lider dabei wieder anzuheben. Vielleicht hatte Aryana in den Augen vieler anderer Menschen mehr Ecken und Kanten als gut war, aber ich liebte inzwischen selbst jede einzelne davon an ihr, weil sie die junge, hübsche Frau ganz einfach zu dem machten, was sie war. Mochte schon sein, dass Niemand makellos war - für mich war sie das trotzdem.
Ich genoss die kleine Streicheleinheit am Rücken in vollen Zügen, während ich Fayes Worten lauschte. Dass mit der Erschöpfung war mir leider keine große Neuigkeit, weshalb ich lediglich kaum merklich daraufhin nickte. Krank war ich auf den ersten Blick vielleicht eher nicht, wenn man mich unter rein körperlichem Aspekt betrachtete. Allerdings glaubte ich auch nicht, dass mein Immunsystem momentan besonders stark sein konnte, weshalb ich es nicht für unwahrscheinlich hielt, dass ich krank werden würde, wenn irgendein anderer Patient - beziehungsweise dessen Besuch - irgendwelche Krankheitserreger hier reinschleppen würde. Bisher war es aber wohl rein meiner dauerhaften Ermüdung zuzuschreiben, dass ich des öfteren mal fröstelte und lieber eine Schicht Klamotten zu viel zum Schlafen anzog. Der kalte Schweiß, der mir nach Alpträumen gerne mal am Körper klebte, wenn ich des nachts mal wieder aufrecht im Bett saß, ließ sich nämlich auch mit weniger Klamotten nicht davon abhalten, mich heimzusuchen. Ich war ganz froh darüber, dass Faye einen Themawechsel bevorzugte. Zwar wusste ich nicht, inwiefern es einem wirklich beim Einschlafen helfen konnte, wenn man zuvor darüber nachdachte - oder redete -, was man in seinem Leben alles haben und erreichen wollte, aber ich war gewillt es zu versuchen. Etwas zu verlieren hatte ich dabei nicht und außerdem malte ich mir meine Zukunft mit Faye immer gerne aus, auch wenn ich das nun schon eine Weile lang nicht mehr getan hatte. Die zierliche Brünette war schon lang fester Bestandteil in meiner imaginären Zukunftsplanung, auch wenn wir uns beide was all das anging bisher noch nie wirklich festgelegt hatten. Wir hatten mal eine kleine Liste mit Dingen angefangen, die wir irgendwann mal zusammen machen wollten, wenn wir aus der Army raus waren, aber das war's. Ob sich an jenen Vorhaben etwas geändert hatte war wohl auch schwer zu sagen, war doch ursprünglich keineswegs geplant gewesen, dass wir auf diese Weise aus der Armee austraten. Mein Blick wanderte also nachdenklich ins Leere und ich dachte erst eine kleine Weile über Fayes Frage nach, weil eine Antwort darauf gar nicht so leicht war. Zumal es sicher auch eine ganze Menge gab, die ich mir vor dem Aufenthalt in der Klinik hier noch gewünscht hatte. Der erste Punkt, den ich ansprach, war jedoch mit Sicherheit der vorhersehbarste von allen. "Also erstmal würd' ich echt gern mit dir hier raus.", setzte ich also mit einem Hauch von sarkastischem Unterton zu einer Antwort auf die ziemlich viel umfassende Frage an, sah nach diesen Worten dann auch wieder zu der jungen Frau direkt neben mir, ohne das leichte Streicheln an ihrer Seite eingestellt zu haben. "Und danach würd' ich glaube ich trotzdem noch gern ein bisschen reisen... einfach genießen und den Kopf mal richtig frei kriegen, mir um nichts Sorgen machen.", fuhr ich fort. Natürlich war es so oder so wieder eine Umstellung zurück ins normale Leben zu kommen. Dass es dabei so gar nicht half, sich einfach in Arbeit zu stürzen und verkrampft in eine neue Form von Alltagstrott zu finden, hatte ich schon das letzte Mal gemerkt. Hatte mehrfach irgendwo kleinere Stellen angenommen, bei denen ich jeweils ein paar Tage später wieder raus gewesen war. Also lieber versuchen mit ein bisschen Urlaub in verschiedenen Ecken der Welt wieder Frieden mit mir selbst und auch mit dem ganzen Mist in meinem Kopf zu schließen. "Und wenn wir davon genug haben könnten wir uns irgendwo niederlassen, wo's schön ist. An der Westküste vielleicht.", malte ich mir gedanklich weiter aus, wohin es uns beide womöglich in meinen Augen verschlagen könnte. Ich mochte Kalifornien und je nachdem wo wir dort verblieben wären es auch nur ein paar Autostunden bis zu meinen Eltern. Denn obwohl ich sie liebte, wollte ich nur ungern wieder in ihrer direkten Nähe wohnen. Ich wusste, dass meine Mutter das immer nur gut meinte, aber ihr permanenter Beschützerinstinkt war langsam einfach unangebracht und seit sie bei ihrem einzigen Besuch hier in der Psychiatrie doch tatsächlich dazu angesetzt hatte, mich zu fragen ob ich sicher war, dass es eine gute Idee war bei Faye zu bleiben, war mir der Gedanke ein Stück weit von meinem Elternhaus entfernt zu sein sympathischer geworden. Meine Familie war deswegen ja trotzdem nicht aus der Welt und nicht weit entfernt von der Küste zu wohnen klang super. "Dann würd' ich mir nach meinen Vorstellungen was im Security-Bereich aufbauen... und wenn wir beide irgendwann wieder richtig fest auf den Beinen stehen, werd' ich dich zum Altar entführen. Von da aus dann weiter in unser zukünftiges Haus... bevorzugt mit Pool im Garten und einem dezenten Sportwagen in der Auffahrt. Und dann darfst du mir gerne eine kleine Faye oder einen kleinen Victor schenken... oder beides.", kam ich mit einem angetanen Lächeln auf den Lippen und mit dem Finger unbewusst leichte Kreise auf ihrem Shirt ziehend erst einmal zum Ende mit den Dingen, die ich mir bisher öfter mal im Stillen ausgemalt hatte. Eine zweite Laufbahn bei der Polizei kam für mich aus mehreren Gründen inzwischen nicht mehr in Frage und nur als Security irgendwo angestellt zu sein wäre finanziell eine Katastrophe, also musste und wollte ich mehr daraus machen, um meiner besseren Hälfte ein gutes Leben bieten zu können. Dass ich sie gerne irgendwann heiraten wollte, war für die Brünette kein Geheimnis mehr und ich wäre froh darüber, wenn wir irgendwann unsere eigene, kleine Familie hätten. Ich war der festen Überzeugung, dass Faye nichts anderes als eine gute Mutter sein konnte und war selbst eben ein ziemlicher Familienmensch. Es war also definitiv eine Sache, auf die ich mich freuen konnte, sofern die junge Frau hier neben mir denn dann überhaupt Kinder wollte. Wenn nicht, käme ich damit sicher auch klar und das war ohnehin eine Sache, die noch in ziemlich weiter Ferne lag. Ich hatte schon ein paar Sekunden geschwiegen und mein Blick war während des Redens wohl auf die Bettdecke abgerutscht, weshalb ich jetzt wieder in Fayes Augen sah. "Einwände?", fragte ich dann und legte den Kopf ein bisschen schief.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie hatte ihn schon jetzt vermisst, obwohl das letzte Mal Sex erst etwa drei Wochen zurück lag. Aber Aryana wollte nicht daran denken, dass es bald noch sehr viel länger dauern würde, bis sie sich wieder lieben durften und all die Emotionen, die sie in diesem Moment so intensiv spürten, ausleben konnten. Allerdings fiel es ihr während dieser Minuten auch nicht schwer, diese Tatsache zu ignorieren und stattdessen überhaupt nicht nachzudenken. Sich einfach nur auf den Mann einzulassen, der es nach all den Jahren als Einziger geschafft hatte, überhaupt wieder solche Gefühle in ihr zu wecken. Obwohl sie lange geglaubt hatte, diese Empfindungen für immer abgetötet und verloren zu haben, gar nicht mehr dazu im Stande zu sein, sich so auf jemanden einzulassen. Doch entgegen aller Erwartungen lag sie nun trotzdem hier. So eng wie möglich verbunden mit dem Menschen, den sie für immer lieben wollte, dem sie für immer nahe sein wollte. Und er machte sich hier ja auch alle Mühe, ihr gänzlich zu beweisen wie gut er für sie war. Während sie mehr oder weniger nur damit beschäftigt war, ihre Lust möglichst geräuschlos auszuleben, brachten seine Finger sie noch zusätzlich um den Verstand. Immer mehr und immer intensiver, bis sie beide ganz in den Wellen des Höhepunktes versanken. Sie hätte sich lieber an ihn geklammert als in ihre Hand zu beissen, aber in diesem Moment waren ihre Finger wohl das Einzige, was die ergebenen Laute immerhin mehr oder weniger erfolgreich dämpfen konnte. Und alles, was ihr durch den Kopf ging, war die Tatsache, wie unendlich fest sie Mitch liebte. Ihre Finger hinterliessen einen kurzlebigen Abdruck über ihrem Mund, als sie die noch leicht zittrige Hand schliesslich sinken liess und ihre Stirn an seine lehnte. Aryana hatte die Augen geschlossen aber ein glückliches Lächeln auf dem Gesicht, während sie wieder zu Atem fand, eine Weile so mit ihm verharrte, bis wieder Bewegung in den jungen Mann kam. Seine so nicht ganz erwarteten Worte entlockten ihr ein leises Lachen, wobei ihre Finger zart über seine Brust strichen und irgendwelche undefinierbaren Muster malten. «Nur mit dir zusammen…», hauchte sie zurück an seine Lippen, von denen sie sich im Anschluss einen sanften Kuss stahl. Das meinte sie auch wirklich so. Vielleicht glaubte Mitch, dass sie perfekt war. Aber das war sie nun mal genauso wenig wie irgendwer sonst. Perfekte Menschen gab es nicht und sie war in Wahrheit sogar weiter davon entfernt als die meisten anderen. Hatte viel zu viele Fehler gemacht in den letzten Jahren, Menschen umgebracht, die genauso wenig hätten sterben sollen, wie ihre eigenen Landsleute. Sie war kompliziert und anstrengend, stur und eigensinnig. Aber wahrscheinlich wollte Mitch das alles einfach nicht sehen. Oder er sah es und erkannte in ihrer kleinen Blase, die sie zu zweit bewohnten, nicht, wie negativ solche Eigenschaften sein konnten. Es spielte auch gar keine Rolle, von ihr aus durfte er gerne glauben, sie wäre perfekt. Dann würde er wenigstens nie auf die absurde Idee kommen, sie wieder zu verlassen. Die junge Frau richtete sich kurz etwas auf, um nach der Bettdecke zu angeln, welche sie im Anschluss über ihre nackten Körper zog. Nicht unbedingt, weil ihr bereits kalt geworden wäre, sondern einfach für den Fall der Fälle, dass eben doch noch wer ins Zimmer stürzte. Sie würde sich wohl sowieso zeitnah wieder anziehen müssen aus genau diesem Grund, aber wenigstens einen kleinen Moment lang, wollte sie noch hier bei ihm liegen bleiben als wäre alles in Ordnung. So kuschelte sie sich auch direkt wieder an seine Brust, direkt an sein Herz, während ihre Finger unaufhörlich über seine Haut strichen.
Es gelang ihr zunehmend besser, sich zu entspannen, während seine Hand über ihre Seite strich und er von all den schönen Dingen, die noch sein könnten, zu sprechen begann. Der erste Punkt klang ja schon mal ziemlich gut in ihren Ohren und liess ihre Mundwinkel in einem kleinen Lächeln für ein paar Sekunden leicht nach oben zucken. «Wunderbar… Ich denke, damit kann ich mich arrangieren», antwortete sie ebenfalls mit etwas sarkastischem Unterton. Die Reisepläne, mit denen er fortfuhr, waren ein etwas anderes Thema und liessen sie eher etwas nachdenklich werden. Sie hatte noch nie mit solchen Gedanken gespielt, war eher davon ausgegangen, dass sie hier raus direkt in ihr neues Zuhause – wo auch immer das sein mochte – ziehen würden. Fremde Länder lösten bei ihr momentan auch kein Interesse oder irgendeine Sehnsucht nach was auch immer aus, sondern viel mehr einfach Angst. Angst vor der Ferne, vor dem Unbekannten, Angst davor, sich dann doch nicht zurechtzufinden und sich auf fremde Menschen verlassen zu müssen, Angst, dass wieder irgendwas passierte und sie, kaum waren sie aus dieser Hölle hier raus, im nächsten Loch versanken. Aber davon erzählte sie Victor erstmal nichts. diese Träume lagen noch etwas in der Zukunft und sie mussten jetzt erstmal das hier überleben. Vielleicht klang das alles ja gar nicht mehr so verkehrt, wenn sie erst einmal mit der Dunkelheit und dem Chaos in ihrem Kopf klar kam? Wenn sie wieder ein Bisschen zu sich gefunden hatte und nicht mehr hinter jeder Ecke den Teufel erwartete? Sie würde erstmal noch eine Weile abwarten müssen und sich dabei mit all den Therapien, so ermüdend und nervenaufreibend sie auch ständig waren, anstrengen, so gut sie eben konnte. Wer wusste schon, was dann passierte. Faye lauschte seinen restlichen Plänen, die sich im Gegensatz zu dem Reisen doch wieder ganz schön anhörten und ziemlich gut zu dem passten, was sie sich selber wünschte. "Die Westküste klingt nach einer guten Heimat...", war das Erste, was sie also leise erwiderte, als er geendet hatte und zu ihr runter blickte. "Und ein Job, bei dem du nach deinen Wünschen und Vorstellungen arbeiten kannst, ist sicherlich auch eine gute Idee. An der Westküste gibts ausserdem viele reiche Leute, die sowas bestimmt brauchen könnten", sinnierte Faye weiter, gefolgt von einer kurzen Pause, bei der sich langsam ein hauchzartes Lächeln auf ihrem Gesicht bildete. "Und heiraten, irgendwann wenn wir wieder glücklich sind... Ja, das ist ein schöner Plan. Genau wie das Haus mit Pool und Garten auch...", ihre Finger strichen weiter über seinen Rücken, während die Seinen auf ihrem Shirt das Gleiche taten und ein angenehmes, beruhigendes Kribbeln hinterliessen. "Über die Kinder werden wir später irgendwann reden, das hat ja noch ein wenig Zeit", beendete sie ihre Rezension weiterhin mit einem leichten Lächeln. Sie hatte schon mal Kinder gewollt - mit Victor und nur mit ihm, versteht sich. Aber gerade fühlte sie sich absolut nicht im Stande, Mutter zu sein und selbst die Vorstellung, dies eines Tages zu werden, war absurd. Der Gedanke daran, ein Kind zu haben, war nur ein weiterer Punkt in der Zukunft, der ihr wie alles andere Angst machte. Weil jeder wusste, was diesem kleinen Menschen alles passieren könnte und Faye kam ja nichtmal mit sich selbst und Victor klar - wie sollte sie dann bitte noch ein kleines Baby beschützen können? Aber ihrem Freund dürfte sehr klar sein, dass ihr Familienglück noch Jahre weg war. Hatte er ja auch mehr oder weniger so gesagt. Und bis dahin konnte alles und nichts passieren. Sie konnten sich also noch eine ganze Weile an den Gedanken gewöhnen, vielleicht einmal Kinder zu haben, bevor es dann wirklich soweit war.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Das reichte mir auch vollkommen. Im Grunde war mir ziemlich egal was andere Leute womöglich von Aryana halten könnten, wenn sie mal ein paar weniger angenehme fünf Minuten von sich nach außen trug. Eben gerade deshalb war sie zumindest für mich selbst in meinen Augen perfekt - sie war sie selbst und sie war echt. Ich brauchte keine aufgetakelte Barbie an meiner Seite, die gefühlt die Hälfte ihres Lebens nur damit beschäftigt war möglichst nah an irgendein Schönheitsideal heranzukommen, das vollkommen utopisch und noch dazu Geschmackssache war. Ich für meinen Teil bevorzugte eindeutig Frauen, die echt waren. Kein Botox und keine zwei Tonnen Makeup. Natürlich sollten sie sich aber auch einfach innerlich selbst treu bleiben und obwohl man meinen sollte, dass das gar nicht so schwer war, scheiterten heutzutage sehr viele Leute daran. Nicht aber Aryana. Vielleicht war sie hier und da ein bisschen verkorkst, aber was das anging stand ich ihr zweifelsfrei in nichts nach, das hielt sich also sicher die Waage. Vielleicht hatten wir beide uns nicht gezielt gesucht, aber gefunden hatten wir uns trotzdem und ich konnte gar nicht in Worte fassen, wie froh ich darüber eigentlich war. Wenn man den anstehenden Knastbesuch und Temiz' Selbstmordkommando mal außen vorließ, dann war seitdem alles nur besser geworden. Ich war besser geworden, weil ich in Aryana einen Menschen gefunden hatte, der über meine eigenen Macken ebenso hinwegsehen konnte, wie das umgekehrt der Fall war. Ich erwiderte den flüchtigen Kuss und begutachtete im Anschluss daran auch noch, wie die Brünette die Decke über unsere nackten Körper zog, was sicher nicht verkehrt sein konnte. Vermutlich war es auch nur eine Frage der Zeit, bis wir jäh in unserer Zweisamkeit unterbrochen wurden, aber ich verdrängte das sehr gerne auch weiterhin. Zu viel darüber nachzudenken würde mir nur die wahrscheinlich letzten, in jedem Fall zu wenigen Minuten mit der jungen Frau hier neben mir kaputt machen. "Das ist auch gut so... deine Chancen dich neu umzusehen sind schließlich eindeutig besser als meine.", gab ich leicht grinsend eine recht ironische Bemerkung dazu ab, dass es auch vollkommen ausreichte, wenn Aryana nur mit mir zusammen ein unschlagbar perfektes Bild ergab. Ich lockerte den Arm um ihren Körper auch nur deswegen wieder ein kleines bisschen, damit ich meine Hand nahe ihren Rippen ablegen und sie dort mit dem Daumen noch ein bisschen streicheln konnte. Ich glaubte eigentlich nicht wirklich, dass die Brünette sich tatsächlich nach einem anderen Mann umsehen würde, solange ich weg war. Sie hatte vor mir ewig lange Jahre ganz allein verbracht, da würde sie mich nur unwahrscheinlich gleich wieder ersetzen wollen oder können... oder? Verdenken könnte man es ihr eigentlich aber nicht, wenn sie nicht ein paar ewig lange Jahre auf den Schwerverbrecher hinter Gittern warten wollte, der danach sicher noch einen Knacks mehr in der Birne hatte. Dennoch wusste ich nicht, ob ich ihr das nicht trotzdem richtig übel nehmen würde. Wohl noch mehr dem Kerl, der dann an ihrer Seite war, weil ich Aryana wahrscheinlich um nichts in der Welt mehr hassen könnte, aber dieser Stich säße doch mehr als tief und ich würde sehr sicher prompt wieder sämtliche Schotten nach außen hin dicht machen. Diesmal vielleicht für die Ewigkeit. Meine Mundwinkel sanken bei diesem Gedankengang von ganz allein wieder ab, also zwang ich mich doch lieber dazu ihn zu unterbinden.
Die Westküste schien auch bei Fayes Ohren Anklang finden zu können. Das war gut, weil ich bisher ehrlich gesagt auch was die Ortswahl anging noch gar keinen Plan B hatte. Das hieß zwar wiederum nicht, dass ich nicht auch für andere Vorschläge offen gewesen wäre, aber zu hoch in den Norden hätte ich wohl nicht gewollt. Rein optisch hatte der natürlich auch seinen ganz eigenen Reiz und war schön anzusehen, aber Sonne war mir langfristig gedacht dann doch ein bisschen lieber. Ich mochte es einfach, wie sie einem die Haut wärmte und die Landschaft gleich wesentlich freundlicher wirkte, sobald sie von Sonnenstrahlen gekitzelt wurde. Kalifornien hatte schlichtweg seinen ganz eigenen Charme und das sahen auch viele wohlhabendere Leute so, wie Faye noch einmal unterstrich. Ich nickte ein klein wenig. "Ja, damit könntest du Recht haben.", bestätigte ich auch noch einmal wörtlich und dann erreichte mich auch schon das dezente Lächeln in ihren Gesichtszügen, als sie zum nächsten Punkt auf der Liste umschwenkte - dem Heiraten. Wir hatten schon einmal ganz flüchtig darüber geredet und seitdem war sehr viel passiert. Vor allem ganz viele Dinge, von denen ich mir noch immer wünschte, dass sie keiner von uns beiden je hätte miterleben müssen, damit wir statt hier in der Klapse zu liegen einfach nur noch stumpf ein paar wenige, untraumatische Monate in der Army hätten abarbeiten können, bevor es gesund nach Hause zurück ging. Ohne zahlreiche neue Narben auf der Haut oder all die fortwährenden, dunklen Gedanken in unseren Köpfen. Aber es war schön zu merken, dass Faye die Gedanken an eine gemeinsame Zukunft bisher ebenso wenig verworfen hatte, wie ich selbst auch. Denn das nahm mir wieder ein kleines bisschen mehr von dem Ballast ab, der momentan so schwer auf meinen Schultern lag und mir zwar ganz allgemein das Leben, aber eben ganz besonders das Schlafen ziemlich schwer machte. "Du wirst wunderschön aussehen... das weiß ich.", murmelte ich leise vor mich hin und hatte bei der Vorstellung daran unweigerlich einen Moment lang lächelnd die Augen geschlossen. Bis zur Eheschließung würde noch eine ganze Weile vergehen und ich war mir absolut sicher damit, dass Faye bis dahin zweifelsfrei wieder bei Kräften sein würde. Dass sie in einem schönen, weißen Kleid, das nur für diesen einen Zweck konzipiert worden war, ganz bestimmt alle Anwesenden in Atem halten würde - allen voran aber natürlich mich, versteht sich. Ihre Schwester beispielsweise würde sie bei der Trauung vermutlich schon mal in dem Kleid gesehen haben, aber ich stellte es mir als einen ziemlich besonderen Augenblick vor, wenn Faye das erste Mal in Weiß gehüllt in mein Sichtfeld trat. Was die Kinder anging wäre eine jetzige Planung auch vollkommen utopisch. "Nein, jetzt in Stein meißeln will ich's auch gar nicht... wir haben mit uns sicher erstmal noch genug zu tun.", stimmte ich der zierlichen Brünetten auch damit eher gemurmelt zu, wäre eine felsenfeste Planung so weit im Voraus doch wirklich naiv. Schließlich konnte bis dahin noch viel passieren, das jene Pläne ohnehin über den Haufen werfen würde. Mal ganz davon abgesehen, dass wir beide jetzt gerade auch absolut nicht imstande dazu wären, uns um eins oder gar mehrere Kinder zu kümmern. Wir sollten wirklich erst wieder mit beiden Beinen fest im Leben stehen, bevor es zu Nachwuchs kam, aber der Gedanke an eine fast sorglose, kleine Familie war einfach schön. "Hast du dir denn auch schon irgendwelche Gedanken gemacht?", stellte ich schließlich noch eine leise Gegenfrage an die junge Frau, sah sie dann auch wieder direkt an. Wir hatten schließlich schon lange nicht mehr darüber geredet, weil der eigentlich angedachte Zeitpunkt des Army-Ausstiegs noch in weiter Ferne gelegen hatte. Natürlich lag ihre Berufswahl recht nahe, aber vielleicht gab es davon ab auch noch andere Dinge, die sie sich wünschte, auf die sie ungerne verzichten wollte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aryana lachte leise auf bei seiner Bemerkung, weil allein die Vorstellung, dass sie sich ernsthaft nach einem neuen Freund umsehen würde, sollte sie Mitch verlieren oder aufgeben, ziemlich absurd war. "Also erstens... werde ich dich wie gesagt nicht verlassen", stellte sie ein weiteres Mal klar, nur für den Fall, dass er das in der Zwischenzeit schon wieder vergessen hatte. "Und zweitens würde ich mich, selbst wenn ich alleine wäre, niemals nach einem Mann umsehen. Das macht eine Frau wie ich nicht", folgte gleich darauf das zweite Statement. Auch wenn sie wohl selber nicht erklären könnte, was eine Frau wie sie denn definierte. Auf jeden Fall kein übergrosses Interesse am männlichen Teil der Gesellschaft, wies schien. Bis auf Mitch eben, der die Regel mit seiner Ausnahme aber nur bestätigte. Aryana genoss weiter seine Nähe und seine Streicheleinheiten, während sie dicht an seiner Brust lag, erst nach einem Moment Stille wieder zu dem jungen Mann hoch schielte. Allerdings fiel ihr dabei sofort der etwas weniger amüsierte Gesichtsausdruck ihres Freundes auf, der sie den Kopf kurz anheben liess. "Was ist los..?", wollte die Brünette wissen, streckte dabei schon die Finger nach seiner Wange aus, die sie im Anschluss sanft streichelte. Er sollte nicht so betrübt gucken, als hätte er einen Grund dafür. Es war doch alles gut. Sie lagen wie ein ganz normales Päärchen nackt im Bett, kuschelten unter einer warmen Decke und konnten sich dabei vollkommen sorglos ganz nahe sein. War nicht so als wäre ein Cop vor ihrer Zimmertür stationiert. Oder als wäre diese Tür von aussen abgeschlossen. Oder als käme Mitch übermorgen vor Gericht. Und sie im Übrigen auch. Es war auch nicht grundsätzlich verboten, dass sie überhaupt hier bei ihm lag. Dass sie sich mit Sex beschäftigten, statt mit stundenlangem Schweigen. Sie sahen ja nicht einer ewig langen Durststrecke entgegen oder Jahren, in denen sie sich je nach Gefängnisreglement nur etwa einmal im Monat sehen durften. Und dann auch nur flüchtig und unter Aufsicht. Also nein - Aryana sah überhaupt kein Problem und absolut keinen Grund dafür, dass Mitch nicht vor sich hin strahlte als wäre er gerade zum zweiten Mal Vater geworden. Aryana streckte sich erneut nach seinen Lippen aus, um sich einen weiteren zärtlichen Kuss davon zu stehlen. Oder zwei, oder drei. So viele, wie sie noch bekommen konnte eben. Sie würde zweifellos alles an ihm vermissen, aber die Lippen des jungen Mannes gehörten zu den schlimmsten Einbussungen, die sie dabei machen musste. Sie würde die Scherze vermissen, die Ironie und den Sarkasmus, den er damit zum Ausdruck brachte, all seine Lieder, die sie nicht mehr hören durfte. Die Küsse, die sie zum Schmelzen brachten. Und überhaupt die ganze Art, mit der er seine Lippen einsetzte, um ihr zu zeigen, dass er der perfekte Mann für sie war.
Es war irgendwie beruhigend zu merken, dass Heiraten einer der wenigen Meilensteine der Zukunft war, die in ihr absolut keine Panikausbrüche und Angstzustände auslösten. Dass sie sich trotz allem, was gewesen war, noch immer so sicher war, in Victor den Mann gefunden zu haben, mit dem sie ihr Leben für die Ewigkeit teilen wollte. Das hatte sie ja auch nie hinterfragt, sie hatte stets gewusst, dass sie ihn für immer lieben würde. Da war nur die Angst gewesen, ihn mit ihrer Liebe kaputt zu machen. Oder mit seiner Liebe zu ihr. Sie war sich nur nicht mehr sicher gewesen, dass sie wirklich die richtige Frau an seiner Seite war. Aber er hatte ihr heute mal wieder so klar gesagt, dass er sie niemals verlassen könnte und er ohne sie nicht besser dastehen würde als mit ihr. Vielleicht konnte sie noch nicht alles davon glauben, geschweige denn begreifen. Aber das würde mit der Zeit wieder kommen. Und irgendwann wären sie zurück an dem Punkt, von dem aus sie das erste Mal über Heiraten und ihre Ewigkeit gesprochen hatten. An dem Punkt, an dem sie seine in diesem Moment überhaupt nicht erwarteten Worte, die er ihr im Anschluss entgegen murmelte, mit nichts als einem unbekümmerten Lächeln beantworten würde. Wenn es Faye nicht mehr so überraschen würde, dass er sich sie in wunderschön überhaupt noch vorstellen konnte. Einen Moment blickte sie ihn deshalb wohl auch etwas aus dem Konzept geworfen an, weil sie eine solche Aussage ganz und gar nicht erwartet hatte. Konnte er aber zum Glück nicht sehen, da er die Augen geschlossen hatte und... lächelte... Faye hob vorsichtig eine Hand, um sie an seine Wange zu legen und die Konturen dieses perfekten Lächelns unter ihren Fingerkuppen zu spüren. Als könnte sie es sonst nicht ganz begreifen. Sie wusste nichts darauf zu sagen. Aber ihre Augen, beziehungsweise ihr Gesichtsausdruck, der für einen kurzen Moment nur in Liebe und Glück gehüllt war, sprachen deutlich genug aus, wie sehr es sie freute, dass er trotz allem noch immer so dachte. Dass er hinter den Narben, hinter ihrer leeren Hülle und den Spuren, welche die Strapazen ihrer Seele auf ihrem Körper hinterlassen hatten, noch immer das sah, was er damals zu lieben gelernt hatte. Dass er die Sache mit den Kindern auch nicht so eng sah, fand sie ebenfalls ganz gut. Sie würden das wohl einfach auf sich zukommen lassen. Vielleicht würden sie sich eines Tages, wenn ihre Köpfe sie nicht mehr tagtäglich umbringen wollten, ja plötzlich bereit fühlen für Nachwuchs. Aber bis dahin würden sie erstmal selber heilen müssen, so viel stand fest. War ihnen aber beiden absolut bewusst, wies schien. "Naja... ich weiss nicht", Faye dachte kurz nach, deutete mit der linken Schulter ein Zucken an, als er ihr die Gegenfrage zum Thema Zukunft stellte. "Ich habe mir ehrlich gesagt schon eine Weile keine Gedanken mehr darüber gemacht... Sie haben in der Therapie mehrmals versucht, mich dazu zu animieren... Aber ich fand schon den Gedanken an ein Morgen oder Übermorgen anstrengend... Darum nein, eigentlich hab' ich noch nicht viele Pläne. Ich möchte hier raus - ebenfalls mit dir", sie lächelte ihn nochmal zart an und es fiel ihr zunehmend leichter, diese Regung ihrer Mundwinkel wieder durchzuführen, ohne viel darüber nachdenken zu müssen. "Irgendwo wohnen, wo uns keiner stört und keiner reinredet--- Und wenn mein Kopf es mitmacht, möchte ich wieder auf meinem alten Job arbeiten... Und heiraten stand auch irgendwo auf der Liste, falls mein Lieblingsmann mich bis dahin noch will... Aber ich glaube, das hat er soeben bestätigt", redete sie vor sich hin. Wirklich überraschend kam wohl nichts davon. Aber es war eben wirklich so, dass ihr Gedanken an die Zukunft in letzter Zeit ziemlich schwer gefallen waren. Also warne die Pläne in ihrem Kopf noch immer die Gleichen wie die vor einem halben Jahr. Und die hatte sie mit Victor zusammen aufgestellt. Alles ziemlich provisorisch und theoretisch, aber er wusste genauso Bescheid darüber wie sie.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ich tat mir nicht schwer damit es ihr zu glauben. Es gab schlichtweg keinen Grund dafür, warum sie lügen sollte. Natürlich konnte sie damit theoretisch eine unschöne Reaktion meinerseits verhindern, indem sie mir - solange ich noch auf freiem Fuß war - erst einmal noch vorspielte, dass sie trotz all den unschönen Umständen bei mir blieb, nur um sich dann umzuentscheiden, sobald ich hinter Gittern saß. Aber das wäre nicht Aryana. Sie war nicht der Typ Mensch dafür mir jetzt anlügen zu können, ohne ein hochgradig schlechtes Gewissen deshalb zu entwickeln, das ich ihr ansehen können würde. Also nein - sie würde mich nicht verlassen, was auch immer sie genau als ihren Typ Frau definieren wollte. Bei den Worten bezüglich letzterem wanderte auch meine rechte Augenbraue kurzzeitig leicht nach oben. "Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, was du damit meinst... aber es gefällt mir trotzdem.", äußerte ich für die Brünette hörbar meine Gedanken, kurz bevor ich mich zu ihr hinbeugte und einen flüchtigen Kuss von ihren Lippen erhaschte. Womöglich wäre es für uns beide gerade besser gewesen sie hätte die absinkenden Mundwinkel einfach ignoriert. Zwar konnte Aryana kein bisschen was dafür, dass ich in meiner aktuellen Situation einfach noch mehr zum Nachdenken tendierte, als das sonst schon immer der Fall war, aber ich hatte einfach keine Lust diesbezüglich jetzt etwas unter den Tisch zu kehren oder ihr gar mit einer Lüge zu antworten. Wozu auch? Die junge Frau hier bei mir kannte mich besser als jeder andere Mensch auf diesem Planeten und auch, wenn ich ein wirklich sehr guter Lügner sein konnte, wenn es darauf ankam, glaubte ich zu wissen, dass sie eine Lüge meinerseits ohnehin sofort erkennen würde. Sie war nicht auf den Kopf gefallen und wusste wahrscheinlich jede noch so winzige Regung in meinen Gesichtszügen sofort zu deuten. So mied ich ihren Blick wohl unterbewusst, als ich ihre Finger an meiner Wange und ihren Blick auf meinem Gesicht spürte, sah stattdessen auf die einfarbig weiße Bettdecke hinab. "Naja, ich meine...", setzte ich mit einem leisen Seufzen zu einer Erklärung meiner mehr oder minder leicht entglittenen Gesichtszüge an, versuchte dann in drei schweigsamen Sekunden noch ein paar passende Worte zu finden. "Ich bin dir wirklich unheimlich dankbar dafür, dass du weiter zu mir hältst... und auch danach noch für mich da sein willst. Ich werde nur nach dieser ganzen... Scheiße", ein viel passenderes Wort fiel mir dazu gerade nicht ein, "mit großer Wahrscheinlichkeit noch einen Knacks mehr in der Birne haben.", seufzte ich. Das war wohl unumgänglich, ganz gleich wie lang ich letztendlich einsitzen musste. So oder so würde das Gefängnis Spuren bei mir hinterlassen und wie schwerwiegend die waren, war bisher nur schwer einschätzbar. Deshalb hängte ich auch noch ein paar Worte mehr hinten an, nachdem ich erneut ein paar Sekunden geschwiegen hatte. Ich hielt zwar viel aus, aber eingesperrt zu sein war wohl eines meiner persönlichen Horrorszenarien. Was das anging war der Mensch vermutlich auch nicht viel mehr als ein wildes Tier. "Bitte sei dir einfach darüber bewusst, dass das Alles ziemlich anstrengend und schwer wir... und dass dich Niemand daran hindert zu gehen, falls es dir doch zu viel wird.", murmelte ich etwas leiser werdend vor mich hin, ohne aber den Blick dabei anzuheben. Ich wusste, dass Aryana mich nur unwahrscheinlich im Stich lassen würde, ganz gleich wie sehr ihr das Alles zusetzte. Dennoch wollte ich gesagt haben, dass sie was das anging eben durchaus eine Wahl hatte - ich war zwar nach wie vor in weiten Teilen etwas egoistisch, aber den Menschen, den ich mehr als alles Andere liebte, mit in den Abgrund zu ziehen lag mir fern.
Ihr Gesichtsausdruck und das sanfte Streicheln an meiner Wange reichten vollkommen aus, um mir zu verdeutlichen, dass ich nichts Falsches gesagt hatte. Dass Faye meine Worte zu schätzen wusste und womöglich auch ein wenig überrascht davon war, aber ich selbst hatte keinerlei Zweifel an meiner Aussage - wollte auch gar keine haben. Denn es gab nur noch wenige Dinge in meinem Kopf, die über die letzten Wochen hinweg nicht an Glanz verloren hatten. Keine Einbußen erlitten hatten, weil ich momentan einfach dazu neigte systematisch an absolut allen Dingen irgendetwas Schlechtes zu finden. Das war nun mal leider das, was Depressionen mit einem machten. Sie hüllten so gut wie alle Gedanken in eine zähflüssige, dunkle Flüssigkeit, die sich nur schwer wieder loswerden ließ. Man musste schon selbst ganz bewusst die eigenen Gedanken in eine bessere Richtung umleiten, um irgendwann wieder Licht am Ende des Tunnels zu finden und saß man aber erst einmal ganz im Dunkeln, dann war das unheimlich schwer. Die Hochzeit mit Faye, die zum jetzigen Zeitpunkt noch in recht weiter Ferne lag, war eines der wenigen Dinge, die ich mir nicht davon kaputtmachen lassen würde. Der Gedanke daran gab mir noch immer Hoffnung, dass wir beide wirklich zusammen gehörten und wir noch eine schöne, wenn vielleicht auch nicht immer leichte Zukunft miteinander haben konnten, wenn wir es nur erst einmal hier raus geschafft hatten. Also hieß es ganz einfach weiterhin die Zähne zusammenzubeißen und sich am besten vielleicht lieber auf das zu fokussieren, was noch kam und weniger auf all die Dinge, die jetzt gerade alles andere als perfekt waren. Uns Probleme machten und uns hier festhielten. Was Fayes eigene bisherige Gedanken bezüglich unserer Zukunft anbelangte schien sie sich eher schwer damit zu tun, aber das war verständlich und eigentlich wenig überraschend. Sie kam momentan schlichtweg nicht gut mit ihrem Leben zurecht und gerade in solchen Moment fiel es einem selbst eben doch recht schwer, sich zu positiveren Überlegungen zu überreden, die eine bessere Zukunft beinhalteten. Ob ihr alter Job ihr vielleicht auch eher zum Hindernis werden würde war schwer vorherzusehen. Dort würde sie wohl auch ab und an mit unschönen Verletzungen konfrontiert werden und ich wusste nicht, ob sie das in Erlebnisse bei der Army zurückwarf - welche spezifisch mal außen vor gelassen. Ob und wie sie damit umgehen konnte. Es lag also ganz allein an der jungen Frau selbst, ob daraus wieder etwas wurde oder nicht. Immerhin ließen ihre letzten Worte auch mein Lächeln wieder kurzzeitig aufflackern und ich beugte mich näher zu ihr hin, um ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn zu drücken. "Wir haben auch ziemlich sicher noch etwas Zeit, bis wir uns was unsere Zukunft angeht auf Irgendwas festlegen müssen... aber vielleicht können wir irgendwann an einem... etwas besseren Tag", damit meinte ich wohl sehr viel weniger gutes Wetter, als einen größeren Fortschritt in Hinsicht auf unsere einzelne und auch gemeinsame Therapie, "ja einfach mal noch ein bisschen Brainstorming betreiben.", schlug ich mit einem kaum merklichen Schulterzucken vor. Wenn uns spontan mal etwas mehr danach sein sollte, dann konnten wir die Sache mal etwas bewusster angehen, oder aber wir kamen bis dahin doch in unseren Einzeltherapien auch schon weit genug voran, um uns klarer darüber zu werden, wo wir mit unseren Leben eigentlich genau hinwollten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Tja, dann waren sie schon zu zweit. "Das weiss ich selber nicht. Aber spielt auch keine Rolle", eröffnete sie dem jungen Mann den nicht vorhandenen Sinn hinter ihren Worten, zuckte leicht mit den Schultern und lächelte ihm unschuldig entgegen, bevor sie sich den nächsten Kuss von seinen Lippen stahl. Wie soeben schon festgestellt, hatte sie eine Frau wie sie noch nicht mal für sich selbst definiert, also konnten sie das Thema auch so ruhen lassen. Aryana schaute Mitch weiterhin an, auch als er den Blick auf die Bettdecke senkte. Er wirkte nicht so, als möchte er ihr die folgende Erklärung wirklich geben. Dabei sagte er überhaupt nichts, was sie nicht schon längst wusste… Ihr war klar, dass es sehr schwierig wurde, dass er sich im Gefängnis fast zwangsläufig in eine negative Richtung entwickelte. Weil er die positive Veränderung bereits durchgemacht hatte und jetzt eigentlich da war, wo eine Haftstrafe ihn – zumindest in der Theorie – hinbringen sollte. «Das weiss ich, Mitch… Aber ich habe trotzdem nicht vor, dich jetzt im Stich zu lassen. Ich wusste von all dem, bevor ich dich überhaupt zum ersten Mal geküsst habe. Ich wusste, dass das kommen könnte», murmelte sie, bettete ihren Kopf dabei wieder an seine Brust und liess ihre Augen halb zufallen. «Ich schätze, wir müssen jetzt erstmal abwarten und schauen was passiert… Das auf uns zukommen lassen, was wir sowieso nicht mehr ändern können. Und dann wird sich mit der Zeit schon zeigen, ob wir das zusammen durchstehen können oder nicht», das war wohl ein etwas realistischerer Ansatz als ihr Versprechen, niemals zu gehen und ihm die ganzen Jahre über zur Seite zu stehen. Auch wenn sie selber den Klang dieser Worte in ihren Ohren nicht mochte. Sie wollte daran glauben, dass sie es gemeinsam schaffen konnten und dass sie ihn niemals wieder verlassen würde. Aber das war nun mal relativ utopisch und das wusste sie – auch wenn sie es nur ungern zugab. Auch wenn sie lieber glaubte, dass ihre Beziehung der Ewigkeit gehörte und sie sich wieder genauso an seine Brust kuscheln würde, wenn er nur erstmal wieder auf freiem Fuss war und sie zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich frei bestimmen konnten, wie sie ihren Alltag gestalteten. Aryanas Finger strichen vor ihrem Gesicht über seine warme Haut, malten Muster auf die Tattoos, die sie mittlerweile wohl aus der Erinnerung zeichnen könnte. Also vorausgesetzt, sie könnte zeichnen, was sie nicht konnte. «Ich werde aber alles geben, um bei dir bleiben zu können, alles, damit das irgendwie funktioniert. Mehr können wir nicht tun und den Rest müssen wir nehmen wies kommt», unterstrich sie leise ihre Absichten, die sie ihm gefühlt schon tausend Mal nahegelegt hatte. Sie konnte es nur nicht oft genug betonen, damit er auf keinen Fall vergas, dass er nicht der Einzige war, der kämpfen würde. Egal wie weit man sie auseinanderriss, ihre Seelen blieben verstrickt und all die Mauern und Kilometer, Richter und Gesetzeshüter konnten daran nichts mehr rütteln.
Ja, er hatte schon Recht. Sie hatten noch viel Zeit dafür, sich Gedanken zu dem zu machen, was ihre Zukunft für sie bereithielt. Noch waren sie an keinem Punkt angelangt, an dem irgendeine Entscheidung diesbezüglich fällig wurde. Solange sie hier lebten, stand einzig und allein ihr mentales Wohlbefinden im Zentrum und wenn man bedachte, wie es ihnen momentan ging, würde das noch einen Moment so bleiben. Das Erste, was dann kommen würde, wäre das Festlegen eines Ortes, den sie ihr Zuhause nennen konnten. Oder eben das Kaufen von Flugtickets, falls sie sich doch noch für eine längere Reise entschieden, bevor sie sich irgendwo niederlassen wollten. Aber zu dieser Stunde, hier in Victors Armen, gelang es Faye tatsächlich, sich auch von dieser Entscheidung nicht weiter unter Druck setzen zu lassen. Da dachte sie lieber noch etwas über die Dinge in ferner Zukunft nach, die zwar noch keineswegs geplant oder ernsthaft in Angriff genommen werden konnten, die aber ganz einfach pures Glück versprachen und nur schön werden konnten. Insbesondere eben die Heirat. Während sie an allen anderen Punkten einer möglichen Zukunft irgendwas finden konnte, das möglicherweise schief gehen könnte, so klang eine Hochzeit doch nach nichts als Freude. Jedenfalls dann, wenn es die Hochzeit von Victor und ihr sein würde, die sie eines Tages, wenn ihnen das Lachen nicht mehr schwerfiel und ihre Herzen nicht mehr weinten, feiern konnten. «Eine Zukunft mit dir… Ich glaube… darauf freue ich mich wirklich», flüsterte sie vor sich hin, wobei schon wieder das gleiche, zarte, so selten gewordene Lächeln auf ihrem Gesicht lag. Faye atmete tief durch, bevor sie nach einem letzten, doch erstaunlich entspannten, Blick in seine Richtung die müden Augen zufallen liess und sich endgültig in die Decke und an seine Brust kuschelte. "Schlaf gut, Victor... Hoffentlich heute wirklich", murmelte sie ihm noch den Wunsch in die Nacht zu. Vielleicht würden sie ja wirklich gut schlafen. Ausnahmsweise, nach Wochen der andauernd schrecklichen Nächte mit ständigem Aufwachen und hässlichen Alpträumen.
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**Le Zeitsprüüüng von... ja, sagen wir einfach drei Monaten. x'D**
Ich erinnerte mich auch jetzt noch gerne an die letzte gemeinsame Nacht mit Aryana zurück. Wir hatten uns nach einiger Zeit auch wieder angezogen und uns noch einmal voneinander getrennt, als das Personal des Krankenhauses seinen nächtlichen Rundgang machte. Danach war die Brünette noch ein weiteres Mal zu mir ins Bett unter die Decke gekrochen. Ich hatte all die unschönen Gedanken an die Zukunft bestmöglich bei Seite geschoben und mich in ihrer Nähe, ihrem Geruch und unseren leisen Wortwechseln verloren. War für den Rest dieser einen Nacht in eine Scheinwelt untergetaucht, in der uns beiden Niemand etwas anhaben konnte, nur um eineinhalb Tage später im Gerichtssaal in die kalte Realität geschmettert zu werden. Ich hatte längst die Informationsabgabe an den IS einem Polizisten gegenüber gestanden, doch der Richter verlangte natürlich noch einmal eine möglichst detaillierte Ausführung meinerseits. Das allein führte mir schon deutlich genug vor Augen, dass ich mich zu jener Zeit quasi wie menschlicher Abfall verhalten hatte und kein verdammter Hahn danach gekräht hätte, wenn ich irgendwo auf dem Schlachtfeld das Zeitliche gesegnet hätte. Das war aber gar nicht alles. Danach kam der noch viel schwierigere, wohl deutlich emotionalere Teil war, als ich beteuerte wie sehr ich das Alles bereute. Bei vielen Verbrechern würde ich solche Aussagen wohl als blanke Heuchelei bezeichnen, aber mir sah man deutlich an, dass ich es ernst meinte. Zum Heulen brachten mich diese Aussagen nicht, aber ich rang doch sichtlich mit der Fassung. Schluckte ein oder zwei Mal den immer dicker werdenden Kloß in meinem Hals runter, während ich das Gefühl hatte, das fast ausnahmslos jeder in diesem Raum mich mit nicht mehr als purer Verachtung und Abscheu ansah. Ich bat darum, dass das bereits von der Polizei konfiszierte, nicht wenige Geld, das ich von den Syrern erhalten hatte, wenigstens einen Nutzen bekommen sollte, indem der Staat es nicht selbst in den Arsch schob - ich nutzte natürlich weniger vulgäre Worte -, sondern es an eine Organisation für Kriegsveterane übergab. Natürlich bekam ich weder eine Zu-, noch eine Absage, aber ich wollte es wenigstens versucht haben. Langer Rede, kurzer Sinn - nachdem die paar schrecklich längsten Minuten meines Lebens vorüber waren, in denen sich die Geschworenen und der Richter für ein Urteil zurückzogen, wanderte ich ziemlich schnell in den Knast. Während der Anwalt neben mir breit zu grinsen anfing, wurde mein Blick bei Verkündung des Urteils absolut leer. 50, 70 Jahre oder gar eine lebenslange Freiheitsstrafe waren in Anbetracht der Schwere des Verbrechens nicht wirklich unwahrscheinlich gewesen, ich kam mit 25 Jahren also eigentlich unrealistisch gut weg. Vermutlich hatte ich es ein paar barmherzigen Geschworenen, meiner kaputten Kindheit und dem verdammt teuren, gut argumentierenden Anwalt neben mir - vielleicht schmierte der auch Irgendwen, was er mir noch in Rechnung stellte, aber im Grunde war mir der finanzielle Aspekt vollkommen egal - zu verdanken, dass ich nicht noch länger hinter Gittern sitzen musste. Dafür war ich dankbar, aber 25 ewig lange Jahre reichten locker aus, um einen Menschen vollkommen kaputt zu machen. Frühzeitige Entlassung und Bewährung ausgeschlossen. Ich sah mein Leben im Grunde schon vor meinem inneren Auge im Knast enden, als ich abgeführt wurde. Meine Augen streiften ausdruckslos ein letztes Mal Aryanas Blick und ich nahm nur flüchtig wahr, wie sich die Zuschauer der öffentlichen Anhörung in den Rängen über das Urteil echauffierten. Mir war egal, was sie mir Alles an den Kopf schmissen, während ich sie im Gang mit dem Polizisten an meiner Seite passierte. Nur meine Freundin zählte und für sie war die Zukunft jetzt mehr als düster. Die ersten vier Wochen verbrachte ich noch vollkommen in Isolationshaft. Das hatte zwar viel Ruhe und erfolgreiches Auskurieren meiner Verletzungen zur Folge, aber ich dachte aufgrund dessen auch schrecklich viel nach. Zu viel. Was das anging war ich also froh darüber, dass sie mich nach der Beurteilung meiner Person vorerst in einen als relativ ungefährlich eingestuften Trakt verlegen wollten, statt mir sofort Einzelhaft zu geben, weil ich mich als durchweg kooperativ zeigte, obwohl mir beim herabwürdigenden Verhalten der Wärter oft nicht danach war. Ich teilte mir von da an also eine Zelle mit einem mageren 37-jährigen Mörder, der zwei junge Männer kaltblütig auf der Straße erstochen hatte, weil sie zu laut geworden waren, als er sich die Birne mit Heroin weggedröhnt hatte. Er fragte mich am ersten Tag aus, schien ganz genau wissen zu wollen mit was für einer Sorte Mensch er es hier zu tun hatte. Stufte mich im Anschluss scheinbar auch als okay ein, weil ich in der Nacht nicht erstochen oder erwürgt wurde. Trotzdem blieb er distanziert und die Ursache dessen wurde mir schon drei Tage später bewusst. Es gab in meinem Trakt noch andere Veterane, die im Grunde sowas wie eine eigene Gruppe oder Gang bildeten. Dass die es kein bisschen okay fanden, dass ich zahlreiche andere Soldaten ans Messer geliefert hatte, machten sie mir zuerst nur mittels Drohungen bewusst, als ich mich während des dreistündigen Freigangs an den Sportgeräten am Nachmittag im Außenbereich bediente. Eine Woche später wurden aus den Drohungen dann Taten und ich konnte mich vor einer ausgiebigen Prügeleinheit allein nicht retten. Die Wärter? Standen am Zaun und sahen zu. Interessierten sich kein bisschen dafür, weil sie - wie mir mein Zellengenosse später nach meinem Besuch auf der Krankenstation sagte - sehr sicher geschmiert worden waren. Noch ungefähr einen Monat lang nahm ich das hin, obwohl es mehrfach passierte und ich mich vor Blutergüssen schon gar nicht mehr retten konnte. Das Gesicht verschonten sie zur Tarnung überwiegend, aber der Rest meines Körpers ächzte bei jedem Schritt. Ich hatte Aryana versprochen, dass ich mich benehmen und nicht in alte Muster fallen würde, aber ich hatte gar keine Wahl. Irgendwann verschonten sie meinen Kopf dann nicht mehr und tot nutzte ich der Brünetten auch nichts. Also klinkte ich mich auf Biegen und Brechen in eine andere Gruppierung meines Traktes ein, um nicht mehr allein dazustehen. Bestehend aus Drogendealern eines ausgehobenen, außerhalb dieses Gefängnisses inzwischen gänzlich zerbrochenen Clans, die hier im Knast mit ihrem Job einfach weitermachten und sich so ihr Geld verdienten - die Oberhand im Trakt hatten. Aber für nichts gab es keinen Schutz, also beteiligte ich mich zwangsweise an den riskanten Drogendeals innerhalb der Gefängnismauern. Ich müsste lügen, um zu sagen, dass ich nicht wirklich oft in Versuchung gewesen wäre, mir von dem erarbeiteten Geld nicht einfach selbst etwas zu kaufen, das mir die Psyche für ein paar Stunden betäubte. Mich zur Abwechslung einfach mal Nichts oder pure Endorphine spüren ließ, statt permanentes Adrenalin und blank liegende Nerven. Es wäre genauso gelogen zu sagen, dass ich seit meinem Eintritt in die Gang nicht selbst auch mal zugeschlagen hätte. Es war nur nicht so, als hätte ich eine Wahl - ich beteiligte mich an allen ihren Machenschaften oder ich konnte mich wieder von den Veteranen verprügeln lassen. Alle für einen, einer für alle. Ich gehörte zu den Fittesten und Stärksten im Bunde, das nutzten die Arschlöcher gerne zu ihrem Vorteil in Auseinandersetzungen mit anderen Insassen aus und ich hasste sie dafür. Ich hasste es, jeden Tag mit diesem menschlichen Abschaum zusammenarbeiten und unschöne Dinge tun musste, nur um meinen Kopf von der Schlinge fernzuhalten. Ich hasste auch die stumpfsinnigen Arbeiten, zu denen ich am Vormimttag immer eingeteilt wurde, auch wenn sie zumindest ein bisschen ablenkte. Hasste die Therapiesitzungen einmal pro Woche, die ein schlechter Scherz waren und kein bisschen halfen. Hasste Alles. Heute sollte es jedoch einen Lichtblick geben - die Besuchssperre fand nach drei Monaten ihr Ende und Aryana kam mich besuchen. Es war kurz vor 15 Uhr, als einer der Wärter mich aus der Zelle holte und in einen der größeren Besuchsräume brachte, in dem bereits ein paar andere Häftlinge mit ihren Besuchern redete. Er setzte mich dort an einen freien Tisch mit vier Stühlen und sagte mir noch einmal, dass ich keine Dummheiten machen sollte, weil ich sonst das nächste Mal eine Scheibe vorm Gesicht, statt direkten Besuch haben würde. Dass mehr als eine kurzweilige Umarmung und allerhöchstens ein flüchtiger Kuss zur Begrüßung nicht erlaubt waren, am Tisch Händchenhalten - mit nur einer Hand - das Maximum. Ich nickte deutlich, er nahm mir die Handschellen ab und ich fing mit auf der Tischplatte ineinander gefalteten Händen an sehr nervös mit dem rechten Bein zu wippen, mein Blick wanderte ruhelos durch den Raum. Die knappen fünf Minuten, die ich noch auf den Anblick der jungen Frau warten musste, waren eine andere Version von Folter. Ich wollte ihr nicht einmal den auffällig abgeklebten Cut in der rechten Augenbraue erklären müssen, der von einem Schlag der letzten Prügelei rührte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Die Brünette blickte auf das mächtige Gebäude, welches sich einsam und alleine vor ihr gegen den Himmel erhob. So einsam war es eigentlich gar nicht – da waren ziemlich viele andere Betonklötze, die das Haupthaus umgaben. Trotzdem schloss sich alles hinter der hohen, mit Stacheldraht und Kameras gesäumten Mauer zu einem einzigen grauenvollen Haufen Elend zusammen. Sie hatte nie zuvor jemanden beim Absitzen seiner Haftstrafe besucht. Hatte noch nie ein Gefängnis von Nahem, geschweige denn von Innen gesehen. Und eigentlich hatte sie damit auch sehr gut leben können, nie vorgehabt, das zu ändern. Bis jetzt. Sie konnte seit Monaten kaum erwarten, endlich hier eintreten zu dürfen. Auch wenn sie sich jetzt, wo sie hier stand, absolut schrecklich fühlte. Ihre Hände waren zittrig und feucht, ihr war kalt und heiss zugleich und ihre Knie waren mehr Pudding als stabil. Sie wollte nicht in diese Anstalt eintreten, weil es so viel schöner wäre, Mitch würde einfach zu ihr nach draussen spazieren können. Aber das war keine Option, wie sie leider alle sehr genau wussten. Die Hoffnung auf ein solches – freies – Wiedersehen war vor drei Monaten im Gerichtssaal grauenvoll zerschmettert worden, als man ihnen die fünfundzwanzig Jahre entgegengeschmettert hatte. Fünfundzwanzig. Verdammte. Jahre. Und sie sollten dankbar sein, dass es nicht doppelt so viele geworden waren. Wie zur Hölle sollte sie dankbar dafür sein, eine solche Ewigkeit von dem Menschen getrennt bleiben zu müssen, den sie gerade am allermeisten brauchte?? Sie hatte es nicht mal ansatzweise geschafft, im Gerichtssaal irgendwie die Fassung zu wahren, hatte geflennt wie ein Schlosshund, als sie das Urteil vernommen hatte. Und damit auch den Aufstand bei so gut wie allen anderen Anwesenden, die fünfundzwanzig Jahre als unendlich weit von Angemessen entfernt einstuften. Als wäre Mitchells Leben nach dieser Zeit nicht sowieso ruiniert - und ihres gleich mit. Sie hatten ihn abgeführt wie den Schwerverbrecher, für den sie ihn hielten – den er vielleicht auch mal gewesen war, wenn man seine Entwicklung komplett ignorierte. Sie war dortgeblieben, bis sie vollkommen betäubt ebenfalls wieder weggeführt worden war. Obwohl sie überhaupt nicht gewusst hatte, wo sie überhaupt hinsollte. Ein paar endlos lange Tage und schlaflose Nächte später wurde ihr dann auch ihre eigene Strafe mitgeteilt, die im Vergleich zu 25 Jahren Haft aber absolut lächerlich ausfiel. Sie hatte nicht mal richtig zugehört, als man ihr gegenüber eine Geldstrafe von ziemlich übertriebener Höhe sowie natürlich eine Bewährungsfrist von sie wusste nicht wie vielen Jahren ausgesprochen hatte. Das Geld war ihr egal und die Bewährung sowieso, sie war ja nicht grundsätzlich jemand, der gegen das Gesetz lebte. Solange sie nicht selbst hinter Gitter wanderte, war also alles gut. Und das würde sie nicht, da der Fakt, dass sie ebenfalls erst von den Taten des jungen Mannes erfahren hatte, als diese längst in der Vergangenheit gelegen hatten, eindeutig straflindernd wirkte. Das einzige Mal, als sie wirklich unruhig geworden war bei ihrem eigenen Gerichtstermin, war der Moment gewesen, als ein Kontaktverbot zu Mitch angesprochen wurde. Der Vorschlag war sogar auf ziemlich viel Zustimmung gestossen. Und auf aufkeimende Panik ihrerseits, natürlich. Aber ihr Anwalt hatte es auf Biegen und Brechen noch geschafft, dieses Unheil abzuwenden, da ihr positiver Einfluss auf den jungen Mann schlecht zu leugnen war. Und sie hatte sich bisher im Gegenzug mit ihm auch noch auf keine – bekannten – gröberen Verbrechen eingelassen. Mit diesem Argument konnte sie sich letztendlich noch retten und den Kopf aus der Schlinge ziehen, die ihr endgültig das Genick gebrochen hätte. Die nächsten Wochen waren trotzdem kein Stück einfach gewesen. Sie hatte das Geld gezahlt, ihr Körper spielte mit der Zeit auch langsam wieder mit und die Voraussetzungen für einen einigermassen guten Neustart im Leben wären im Grunde gar nicht mal so schlecht gestanden. Nur fehlte Aryana jeglicher Antrieb, sie wusste nichts mit sich anzufangen und alles, was sie wollte, war sich tagelang im Bett unter einer Decke zu verkriechen und langsam zu sterben. Sie wusste, dass das nicht sie war, dass sie nie so mit Problemen umgegangen war. Aber ganz ehrlich – sie war auch noch nie in einer solchen Situation gewesen. Hatte noch nie ein neues Leben aufbauen sollen, während sie innerlich vollkommen taub gewesen war. Nach vier Wochen hatte Aryana angefangen, sich nach einer Wohnung umzusehen. Irgendwas Kleines, Praktisches – ansonsten hatte sie so gut wie gar keine Ansprüche. Hauptsache irgendwo nicht zu weit vom Gefängnis entfernt. Aber auch das spielte streng genommen überhaupt keine Rolle, da die Besuche ja doch nur selten und niemals spontan ausfallen würden. Es dauerte weitere vier Wochen, bis sie dann auch wirklich etwas fand, das an sich auch gar nicht so hässlich war. Eine kleine Zweizimmer-Wohnung am Rande einer kleinen Stadt, unweit des nächsten Waldes und nur dreissig Minuten vom Strand entfernt. Falls sie je das Bedürfnis verspüren sollte, Baden zu gehen… Auch die Klinik, in der Faye und Victor momentan noch lebten, war nur eine dreissigminütige Autofahrt weg. Und ein Auto hatte sie zeitgleich zur Wohnung beschafft. Irgendeinen Gebrauchtwagen mit einer Kilometerzahl, die sich für sie in Ordnung angehört hatte. Auch da war ihr relativ alles egal gewesen und der fünfjährige Ford Focus hatte sich bisher nicht als Fehlkauf erwiesen – also alles in Ordnung. Die Sache mit dem Job hingegen war ein anderes, weitaus komplexeres Thema. Und Aryana hatte überhaupt keine Energie dafür, sich damit auseinander zu setzen. Eigentlich hatte sie auch erst nach eineinhalb Monaten überhaupt angefangen, sich ein Bisschen umzuschauen. Und erst nach über zwei Monaten, war bei den motivationslosen Bewerbungen auch sowas wie ein Vorstellungsgespräch für sie rausgesprungen. Sie hatte sich auf Jobs beworben, die normalerweise wohl Studenten und Immigranten, Leute ohne Ausbildung besetzten. Aber genau das war sie ja irgendwie auch, weshalb das schon passte. Für den Anfang ging es auch nur darum, sich irgendwie zu beschäftigen und ein Bisschen Geld reinzubringen. Wie viel war hier eher sekundär, aber sie wollte zumindest nicht vollkommen von ihren, nach Abzahlen der Gelstrafe schon ordentlich geschrumpften, Reserven leben. Vor drei Wochen hatte sie also die Zusage eines Logistikunternehmens bekommen, für das sie nun tagtäglich Ware durchs Land führte. Nicht wirklich glücklich, aber wen interessierte das schon? Sie war mehrheitlich alleine in ihrem Kleinlaster unterwegs, musste sich mit niemandem über ihre Lebenssituation unterhalten, nicht lächeln, nicht glücklich sein. Und sie wollte wenigstens versuchen, irgendwelche Fortschritte zu machen, so tun, als könnte sie hier leben wie ein Durchschnittsbürger. Sie wollte Mitch nicht in ein paar Monaten oder spätestens Jahren erzählen müssen, dass sie unter einer Brücke wohnte. Und dafür war dieser Job so ziemlich perfekt, da keiner mehr von ihr erwartete als die pünktliche Lieferung von Ware, was sie ganz gut hinbekam. Ihr Chef war sogar ziemlich zufrieden mit ihr, weil sie selbstverständlich kein Problem damit hatte, auch mal Überstunden zu arbeiten – sie hatte ja eh kein Privatleben. Alles in allem war ihr Leben mittlerweile zwar sowas wie geregelt, aber Aryana war weiter davon entfernt, glücklich zu sein, als gefühlt jemals zuvor. Hatte aber auch keinen Nerv dafür übrig, sich Gedanken zu machen, wie sie das ändern könnte. Alles was sie wollte, war Mitch zurück und eine gesunde Schwester. Also genau die zwei Dinge, die sie praktisch gar nicht beeinflussen konnte. So stand sie nun heute vor den Mauern, die ihren Freund so unüberwindbar von ihr trennten. Sie hasste diesen Ort so sehr, obwohl sie nie zuvor hier gewesen war, nur von Weitem verlorene Blicke drauf geworfen hatte. Entsprechend zaghaft ging sie nun auch auf den streng bewachten Eingang zu. Dahinter erwarteten sie erstmal diverse Sicherheitschecks, obwohl sie überhaupt gar nichts bei sich hatte bis auf einen Briefumschlag und ihren Autoschlüssel. Sie trug eine lange, helle Jeans und ein dunkelgraues Shirt, alles genau so, wie es die Regeln für Besucher verlangten. Und obwohl sie bestens vorbereitet war, zitterte sie noch immer und ihre Augen huschten unruhig umher. Sie war in einer Stunde schon wieder draussen und hatte doch schon jetzt Paranoia, wie musste es Mitch denn bitte ergehen, Tag für Tag hier drin?? Es dauerte eine ganze Weile, bis man sie als ungefährlich einstufte und sie zu den Türen des Besucherraumes führte. Aber als diese schliesslich vor ihr aufflogen, war die Brünette nicht mehr als ein nervöses, verlorenes Häufchen Mensch mit viel zu schnellem Herzschlag. Ihre Augen brauchten den Raum nicht einmal zur Hälfte zu durchforsten, da fiel er ihr schon auf. Und mit ihm sofort auch die offensichtlichen Blessuren in seinem Gesicht. Und wenn sein Gesicht schon so aussah, wie musste es um den Rest seines Körpers stehen?? Aryana schnappte kurz nach Luft als ihr Herz zwei Schläge aussetzte, blickte auf den Mann neben ihr, der sie bis hierher begleitet hatte, ehe sie raschen Schrittes, so schnell wie es ohne zu rennen eben ging, auf Mitch zuging. Ihr Blick nichts als pure Sehnsucht und Sorge. Und doch durfte sie ihm noch nicht mal in die Arme fallen.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ich wusste nicht, was ich von Aryanas Auftauchen und ihrem Anblick erwartet hatte. Ob ich gedacht hatte, dass sie mir mit einem Lächeln entgegen kam. Oder ob ich geglaubt hatte, dass sie bei meinem wohl von vornherein etwas atypischen Verhalten abgeschreckt war und gleich wieder Kehrt machte. Jedoch hatte ich in jedem Fall gehofft, dass sie weniger kaputt aussah. Dass sie hier drin offensichtlich nervös war, war hingegen kein Wunder. Nur sekundär wegen dem Treffen mit mir und hauptsächlich eher wegen der Umgebung selbst. Auch wenn man nicht direkt an Zellen vorbeiging hörte man hier und da immer mal einen Häftling brüllen und es war nur selten mal wirklich still. Selbst nachts gab es fast immer Irgendjemanden, der die Meinung vertrat, gefühlt eine Party in seiner Zelle veranstalten zu müssen. Dabei war mein Trakt schon der angeblich weniger gefährliche, wie sah es da wohl in den anderen erst aus? Ich stand für den Geschmack des Wärters, der sich etwas 5 Meter vom Tisch entfernt an der Wand postiert hatte, wohl etwas zu hektisch auf, als Aryana in meine Richtung eilte. Mein Blick streifte seinen und es fiel mir schwer der Brünetten nicht auf den letzten Metern entgegen zu kommen, stattdessen am Tisch stehen zu bleiben bis sie endlich da war. Das Herz hämmerte mir gegen den Brustkorb, als ich noch ein weiteres Mal zu dem Angestellten des Gefängnisses sah. Er gab mir ein endgültiges 'Ok' mit einem schwachen Nicken und mehr brauchte ich nicht, um den letzten Schritt zu überbrücken und sie an mich zu ziehen. Sie zumindest für ein paar wenige Sekunden an mir zu spüren, ihren Normalität weckenden Geruch förmlich aufzusaugen, während ich parallel dazu ein leises "Hey." an ihr Ohr murmelte. Für vielleicht vier, höchstens fünf Sekunden schloss ich die Augen und drückte sie verzweifelt an mich. Dann räusperte sich der Kerl an der Wand überdeutlich und keine einzige Faser meines Körpers war dazu bereit die Brünette schon loszulassen. Es war einzig allein die im Raum schwebende Drohung mir Besuche mit Körperkontakt gänzlich zu verwehren, die mich dazu bewegte meine Arme zu lockern und von ihr zu lösen. Noch dabei hauchte ich Aryana einen flüchtigen Kuss auf die Wange, bevor ich zwangsweise einen Schritt zurückmachte. Ich warf ihr noch einen kurzen, ziemlich wehmütigen Blick zu, bevor ich mich zurück an den Tisch setzte. Rumstehen war hier ebenfalls nicht besonders gern gesehen. Die anhaltende innere Unruhe führte dennoch dazu, dass ich erneut mit dem Bein zu wippen begann. Ich streckte die Hand über der Tischplatte schon aus, bevor Aryana überhaupt ganz auf ihrem Stuhl Platz genommen hatte. Drei Monate nicht ihr Gesicht zu sehen und nicht einmal ihre Hand halten zu können hatte vollkommen ausgereicht, um mich jetzt nach jeder noch so kleinen Berührung lechzen zu lassen, die ich bekommen konnte. Ich würde auch nur eine einzige ihrer Fingerspitzen mit meiner berühren, wenn mehr nicht gestattet wäre. Selbst das wäre besser als gar nichts. Denn dieses Nichts machte es schrecklich leicht von Zeit zu Zeit zu vergessen, wo eigentlich mein Platz war. Ich dachte jeden Tag an die hübsche Brünette, aber der mehr als ein bisschen stressige Alltag im Knast ließ es weniger werden. Jetzt schon. "Wie geht's dir?", fragte ich sie unruhig klingend nach ihrem Wohlergehen. Während ich hier drin mindestens innerlich zu verrotten begann - ich war heilfroh darum, dass sie mir zumindest den Haarschnitt einmal im Monat gewährten und ich dementsprechend nicht vollkommen verwahrlost hier sitzen musste - hatte ich keinen Schimmer davon, wie es Aryana außerhalb der Mauern erging. Außerdem fiel es mir sehr sicher leichter über sie zu reden, statt meine eigene Wenigkeit ins Rampenlicht zu stellen, obwohl ich selbst sicher mehr Fragen aufwarf. "Ich... ich vermisse dich so.", hängte ich noch ein paar schmerzlich leise Worte hinten an, senkte dann den Kopf ein wenig und sah auf die Tischplatte. Es fiel mir normalerweise nicht schwer die junge Frau direkt anzusehen, den Blick in ihre Augen minutenlang zu halten. Aber jetzt gerade wollte ich wohl einfach nicht, dass sie all die schrecklichen Dinge, die hier drin passierten, schon aus meinen Augen las, bevor ich irgendwas gesagt hatte.
Die letzten Monate verliefen... gewohnt holprig. Die Fortschritte, die Faye und ich machten, hielten sich in nach wie vor eher ziemlich überschaubarem Ausmaß. Manchmal versuchte ich die Brünette vorsichtig in die richtige Richtung zu schubsen, ihr nonverbale kleine Anreize zu geben einen Schritt mehr nach vorne zu machen. Das funktionierte aber deutlich seltener, als ich es versuchte. Obwohl Faye stellenweise also noch ziemlich verklemmt blieb, hatte der Körperkontakt im Allgemeinen deutlich zugenommen. Neben grundlegend häufigeren Küssen und Gekuschel, teilten wir uns auch fast jede Nacht ein Bett - ich zog das Shirt dabei inzwischen wieder aus - und das allein führte auch dazu, dass ich inzwischen etwas ausgeruhter war. Ich wachte zwar nach wie vor hin und wieder auf, weil mich die Bilder eines Alptraums plagten, aber es hatte abgenommen. Ich schlief mehr und auch besser, döste dementsprechend auch tagsüber seltener ein. Die dunklen Ringe unter meinen Augen waren zwar noch immer da, waren jedoch schon ein wenig zurückgegangen. Wirklich richtig fit auszusehen, davon war ich trotzdem nach wie vor weit entfernt. Auch die Einzeltherapie machte ein paar kleine Fortschritte. Fayes Nähe gab mir zumindest ein bisschen mehr Kraft dafür zu versuchen, mich etwas zu öffnen. Nicht mehr alle Vorschläge des Psychologen abzublocken, sondern hier und da etwas kooperativer zu werden. Vor vier Tagen hatte ich mich deshalb auch das erste Mal wieder zu Sport motivieren können. Die Psychiatrie war was Sportgeräte anbelangte tatsächlich auch besser ausgestattet, als ich es für möglich gehalten hatte. Zu Beginn war es dennoch eine Qual und es dauerte einige Minuten, bis ich über den anfänglichen Schmerz der körperlichen Anstrengung hinweg war. Die Zähne zusammenbiss und weiter machte, obwohl ich eigentlich da schon kaputt war und beinahe das Handtuch warf. Wäre der Sporttherapeut nicht mit von der Partie gewesen, dann hätte ich vermutlich schon nach fünf Minuten den Cut gesetzt. Aber ich blieb am Ball und konnte mich dafür am nächsten Tag gefühlt gar nicht mehr bewegen, weil der Muskelkater tief in sämtlichen Bereichen meines Körpers verankert war. Ich hatte mich gestern auch wirklich noch nicht bereit für eine neue Einheit gefühlt, aber ich wurde von einem Pfleger aus dem Zimmer gefischt, weil ich zu spät dazu kam. Es ließ sich also nicht umgehen und so hatte ich mich mit einem schweren Seufzen und anhaltendem Muskelkater einer diesmal minimal milderen Sporteinheit gewidmet. Zwar fühlte ich mich bisher eher nur noch erledigter als sonst - was kein Wunder war, wenn man monatelang den Sport aussetzte -, aber die Erschöpfung fegte zumindest einen kleinen Anteil der anhaltenden, fiesen Gedanken bei Seite. Meistens nur für ein oder zwei Stunden direkt nach dem Sport, aber allein das war schon eine Erleichterung. Weniger an die Vergangenheit und dafür etwas mehr an meine Zukunft mit Faye zu denken war gut, auch wenn es nur für einige Minuten war. Jede Sekunde, in der sich in meinem Kopf irgendwas erdenklich Positives abspielte, half. Parallel zu Alledem hatten wir vor etwa zwei Wochen eine neue Pflegerin bekommen, die meistens die Spätschicht am Nachmittag übernahm. Im Vergleich zum Rest der Belegschaft war sie noch recht jung - geschätzt vielleicht so 22 - und irgendwie eine kleine Frohnatur. Brachte immer gute Laune mit, war wirklich nett und zuvorkommend, tat ihr Bestes. Ich war in den letzten beiden Monaten dank der Nähe zu Faye allgemein dem Pflegepersonal gegenüber auch etwas offener geworden. Scheuchte sie nicht mehr jedes Mal mit vielsagenden Blicken aus dem Raum, sondern ließ mich ab und an sogar in kurze Unterhaltungen verwickeln, wenn ich verhältnismäßig gut gelaunt war. So auch jetzt gerade, als Cece - eigentlich Cecilia, aber ihr war bei direkter Ansprache auch ihr Spitzname recht - am Nachmittag in unser Zimmer kam und unsere gewaschenen Klamotten, sowie auch neue Bettwäsche für den kommenden Montag in unseren Kleiderschränken verstaute. Schon dabei fing sie an mit mir zu reden und irgendwelche beiläufigen Dinge zu erzählen, die sich so auf den Fluren bei den Pflegern abspielten, wenn keine Patienten in der Nähe waren. Bei so vielen psychisch kranken Menschen fiel es mir zwar irgendwie schwer zu glauben, dass es tatsächlich möglich war hier auch tagsüber mal keine um sich herum zu haben, weil bei jedem Patienten die Tagesplanung aus organisatorischen Gründen individuell war, aber es war eine nette kleine Ablenkung meiner eigenen Misere. Abschließend brachte sie sowohl Faye, als auch mir schon den Nachschub für die Medikation am morgigen Tag - mehr als eine Tagesration an Pillen lag hier im Grunde nie herum, weil die Gefahr einer bewussten Überdosierung grundsätzlich umgangen wurde. Bei mir fiel die Ration sowieso immer mau aus, weil ich lediglich die schlaffördernde Pille am Ende des Tages nahm, um etwas besser durchschlafen zu können. Als sie die kleine Pillendose im Nachttisch neben meinem Bett verstaut hatte, bekam ich auch noch ein paar positive, mich bestärkende Worte von ihr, die sich auf meine ziemlich mühselige Wiederaufnahme des Trainings bezogen. Legte mir dabei auch für einen kurzen Moment flüchtig die Hand auf die müde Schulter. An sich war die Aussage nicht verwunderlich, weil die Pfleger und Ärzte sich hier logischerweise gegenseitig auf dem aktuellen Stand hielten, um sich optimal gegenseitig unterstützen zu können. Außerdem war ja für jegliches Personal einsehbar, was Patienten am Tag so trieben, wenn sie nicht gerade im Zimmer waren. Ich ließ ihr ein dankbares Lächeln und ein schwaches Nicken zukommen. Wusste nicht recht, was ich sonst darauf erwidern sollte. Dann warf sie noch einen kurzes Lächeln in Fayes Richtung und machte sich - bis zu ihrer Runde am späteren Abend - wieder aus dem Staub um ihrer Arbeit nachzugehen. Die anderen Patienten versorgten sich schließlich auch nicht von selbst. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen wanderte mein Blick zu Faye. "Kommst du her?... oder ich rüber?", erkundigte ich mich ruhig danach, ob sie für ein oder zwei kleine Streicheleinheiten zwischendurch gerade zu haben war. Es stand heute - wenn ich nicht spontan auch noch an Demenz erkrankt war - nicht mehr wirklich was auf der Agenda und es war kein großes Geheimnis, dass ich meine Zeit am liebsten mir ihr verbrachte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie gab sich alle Mühe, nicht zu rennen, wusste, dass das nicht erlaubt war. Aber der Weg kam ihr endlos vor, auch wenn es wohl nur Sekunden waren – nichts im Vergleich mit den Wochen und Monaten, die hinter ihnen lagen. Sie sah seine prüfenden Blicke zu dem Aufpasser an der Wand und begann innerlich sofort damit, den fremden Mann dafür zu verfluchen, dass er ihre Freiheit noch mehr einschränkte, als sie es hier sowieso schon war. Doch dann hatte sie Mitch endlich erreicht, schlang ihre Arme wie Schraubstöcke um seinen Körper und vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter. Allein die Tatsache, ihn für diesen winzigen Augenblick festhalten zu dürfen, presste ihr alle Luft aus den Lungen und trieb ihr unweigerlich die Tränen in die Augen. „Mitch!“, keuchte sie atemlos, versuchte irgendwie die Fassung zu halten, was in diesem Moment aber relativ unmöglich war. Und dann war die kurze Freude auch schon wieder vorbei. Sie wusste, was das Räuspern hinter ihnen bedeutete, noch bevor Mitch die Umarmung wieder löste, ihr noch einen flüchtigen Kuss auf die Wange hauchte und dann umgehend einen Schritt zurücktrat. Allein diese unumgehbare Amtshandlung, die ihr wie ein Schlag ins Gesicht ein weiteres Mal klar machte, in welcher Scheisse sie hier steckten, liess ihr Herz erneut in tausend Stücke zerschmettern, machte es schwierig für sie, überhaupt den taumeligen Weg zu dem Stuhl zu finden, den sie wohl besetzen sollte. Als sie das dann endlich geschafft hatte, hob sie schwerfällig die noch immer zitternde Hand, streckte sie nach seinen Fingern aus, die sie gleich darauf umklammerte – so fest, dass jeder sehen konnte, wie sehr sie wünschte, ihn nie wieder loslassen zu müssen. Die Brünette schaute ihn an, musterte voller Sorge sein Gesicht und seinen Körper, alles, was sie von ihm sehen konnte. Seine Frage schien so falsch, wenn er es doch war, der diesen grauenvollen Alptraum hier durchstehen musste und nicht sie. So schüttelte sie auch nur ziemlich überfordert den Kopf, öffnete den Mund, nur um ihn erneut zu schliessen und erst bei einem zweiten Anlauf sowas wie eine Antwort über die Lippen zu bringen. „Mir… mir geht’s gut, Mitch, aber…“, stammelte sie vor sich hin, noch immer sichtlich darum bemüht, nicht einfach loszuheulen oder noch viel lieber einfach über den Tisch in seine Arme zu springen. Denn die paar unendlich leidvollen Worte, die er gleich darauf noch in Richtung Tischplatte hauchte, sagten genau das aus, was ihr Herz ebenso schmerzhaft schrie. Sie unterdrückte ein Schluchzen, was dazu führte, dass ihre ganze Kehle brannte und sie das Gefühl hatte, nächstens in einem Meer von Tränen unterzugehen. „Ich dich auch, so… unendlich fest!“, flüsterte sie atemlos, strich mit ihrem Daumen immer wieder über seine Hand. Es war schwierig, all die geschluckten Emotionen der letzten Wochen hier und jetzt nicht überschwappen zu lassen, sich die Tränen und die endlose Trauer wenn möglich irgendwie für später aufzuheben. Sie wollte nicht die so viel zu kurze Zeit, die sie hier mit Mitch verbringen durfte, in diese Dunkelheit hüllen. Jedes Mal nur Traurigkeit und Schwere mit sich bringen, wenn sie einmal herkam. Es sah nicht aus, als würde es ihm hier an Negativität, Schwierigkeit und Ärger fehlen und sie wünschte, ihm wenigstens ab und zu ein Bisschen Frieden und Erleichterung zu schenken. Nur war es dazu gerade noch zu früh, weil sie in diesem Moment noch viel zu viele Fragen hatte, die definitiv keine Freude versprachen. Die Grundlegendste davon, die sie eigentlich schon ganz am Anfang hatte stellen wollen, rutschte ihr gleich darauf über die Lippen. „Und wie… wie geht’s dir?“, es war eigentlich eine dumme Frage, denn offensichtlich ging es ihm beschissen. Aber sie stellte sie trotzdem und streckte dabei auch die zweite Hand nach ihm aus. Es gab doch nichts, was dagegen sprach, dass sie sich mit beiden Händen festhalten durften, oder? Sie hoffte es. Aber das Hoffen war bekanntlich eine mehr als tückische Angelegenheit… „Wer hat dir das gemacht?“, fragte sie zögerlich weiter, deutete dabei auf den Cut in seiner Augenbraue, ehe sie die Hand aber definitiv ihm entgegen reichte. Offensichtlich hatte er Ärger hier drin und die ganzen schrecklichen Geschichten über Schlägereien im Gefängnis bewahrheiteten sich. Sie hatte sich gewünscht, sich an den Gedanken geklammert, dass es wenigstens irgendwie erträglich wäre hier drin. Aber nicht mal das schien sich zu erfüllen, nicht mal diese winzige Linderung blieb ihnen vergönnt. Vierundzwanzig Jahre und Neun Monate. Wie zur Hölle sollte sie das Überleben???
Egal wie sehr sie sich bemühte - dieser Ort war und blieb unendlich anstrengend und nervenaufreibend. Sie kämpfte sich durch Therapiestunde um Therapiestunde, versuchte, dort das Richtige zu sagen und dann im Alltag das Richtige zu tun. Aber es war so unendlich schwierig. Sie kam noch immer nicht klar mit dem, was ihr Kopf ihr immer wieder vorspielte, mit den Erinnerungen und Bilder, den Gedanken und der Unsicherheit gegenüber allem, was die Zukunft bot. Das Einzige, was fix blieb und dem sie mittlerweile wieder hundert Prozent Vertrauen schenkte, war die Beziehung zu Victor. Sie hatte endlich aufgehört, ihren Einfluss auf ihn in Frage zu stellen und damit alles nur noch schwieriger zu machen. War sich nun sicher, das Richtige zu tun, indem sie bei ihm blieb und ihm - zwar langsam und zögerlich, aber immerhin mit gebührend Zeit und Geduld - wieder genauso viel von sich gab wie zuvor. Was ihre eigene Beziehung zu sich selbst anbelangte sah das Ganze noch etwas holpriger aus. Sie versuchte wirklich, ihr Spiegelbild nicht zu hassen und sich nicht für das zu bestrafen, was sie nicht selbst zu verschulden hatte. Aber es war schwierig. Hatte noch Wochen gedauert, bis sie schliesslich endlich einen Blick auf die Narben geworfen hatte. Und das eigentlich auch nur, weil sie Victor gebeichtet hatte, dass sie bisher lieber alles ignoriert hatte, was sie nicht wahrhaben wollte. Er hatte sie nicht gedrängt, sich aber mehrfach dazu bereit erklärt, sie bei diesem Schritt zu begleiten. Natürlich hatte er das... das tat er immer. Sie unterstützen und ihr helfen, wenn sie selber zu schwach war für so ziemlich alles. Er hatte sie bis vor den Spiegel begleitet und sie festgehalten, bis die Tränen ein weiteres Mal versiegt waren. Faye fand ihr Spiegelbild seit da nicht ansprechender. Aber es war leichter geworden, die Tatsachen zu akzeptieren und sich nicht länger nur von den zahllosen, zarten oder auch nicht so zarten Linien auf ihrem Rücken lenken zu lassen. Mit den anderen kleinen Fortschritten, die sie die letzten Wochen gemacht hatte, hatte sie auch versucht, ihren Körper wieder etwas besser zu ernähren. Sie war nicht unbedingt hungriger als zuvor, da ihre Laune noch immer sehr oft ziemlich dicht am Nullpunkt schleifte. Aber sie wollte - und sollte - nicht noch mehr Gewicht verlieren, weshalb sie sich darum bemühte, ihre drei Mahlzeiten täglich wieder zuverlässiger einzunehmen. Zugenommen hatte sie zwar noch nicht viel seit da, aber immerhin sah sie wieder etwas gesünder aus, was die Farbe ihrer Haut und die zwischenzeitlich dezent eingefallenen Wangen betraf. Sie war ausserdem relativ gewissenhaft täglich auf einen kleinen Spaziergang nach draussen - meistens mit Victor zusammen - gegangen, um sowohl frische Luft als auch eine etwas andere Umgebung und ein Bisschen Sonnenlicht einzuatmen. Die Psychologen schwörten teilweise auf diesen Trick und auch die Brünette selber war der Meinung, dass Natur und Sauerstoff ja kaum schaden konnten. Von genau einem dieser kurzen Spaziergänge war sie auch heute zurückgekommen, als sie in ihrem Zimmer auf Cecilia und Victor getroffen war. Letzterer hatte sie aufgrund einer Therapiesitzung heute nicht nach draussen begleitet - was aufgrund seiner Wiederaufnahme eines ziemlich dichten Sportprogramms und damit verbundenem Muskelkater vielleicht auch nicht die dümmste Idee gewesen war. Aber Faye fand trotzdem keinen Gefallen daran, dass er sich alleine mit der jungen Pflegerin in diesem - oder irgendeinem - Zimmer aufhielt. Was für einem Zufall ihr Besuch genau jetzt, während Fayes Abwesenheit, auch entsprungen sein mochte... Ja, die Brünette tat sich wirklich schwer damit, Cecilia gegenüber freundlich und unbefangen gestimmt zu bleiben. Eigentlich war das im Allgemeinen kein Problem für sie. Aber diese Frau bildete eben die Ausnahme. Und warum das so war, unterstrich sie im Anschluss auch gleich ein Bisschen zu deutlich. Faye stufte es überhaupt schon als Frechheit ein, wie die andere mit ihrem Freund sprach - beziehungsweise flirtete - besonders während sie auch noch dabei war. Dass sie dann wirklich noch den Grossmut besass, Victor anzufassen, und seis auch nur an der Schulter, um Faye dann im Anschluss ihr behindertes, überlegenes Gewinner-Lächeln zuzuwerfen, war definitiv zu viel. Faye blickte Cecilia dezent perplex nach, als diese endlich ihren etwas zu perfekten Arsch mit etwas zu viel Hüftschwung zurück in den Flur schob, blinzelte ein paar Mal ins Leere, bevor Victors Frage sie zurück in die Gegenwart holte. Direkt darauf antworten tat sie dann trotzdem nicht, weil sie erst von ihren Gedanken in dieses Zimmer zurück finden musste. Er wollte Nähe..? Jetzt? Von ihr? Oder doch lieber von der Frau mit dem, unter der Arbeitskleidung zweifellos makellosen Körper? Hatte Cecilia in ihm irgendwelche Bedürfnisse geweckt, die sie schon lange nicht mehr heraufbeschwören konnte? Oder was genau hatte sich hier abgespielt, bevor sie zurückgekommen war und die Pflegerin bei der Arbeit gestört hatte? Faye blieb etwas zu lange still, liess ihren Blick von Victor zurück auf ihre eigenen Füsse, ihren eigenen Körper hinab wandern. Es war ja nicht das erste Mal. Cece unterhielt sich seit immer lieber mit ihrem Freund als mit Faye. Lachte. Machte Witze. Strich sich dabei beiläufig eine der perfekten, wahrscheinlich unendlich weichen Strähnen hinters Ohr. Machte ihm nette Komplimente. Zeigte mit ihren Verrenkungen beim Kleidung einräumen immer wieder ihre Schönheit und Eleganz, die nichtmal die Arbeitskleidung so recht zu verbieten vermochte. Und je mehr sie sich Tag für Tag gedanklich in die Angelegenheit hineinsteigerte, umso schrecklicher fühlte sich Faye in all den Punkten, in denen sie Welten hinter der unbefangenen Frohnatur lag, die hier ihren Dienst tat. "Ich... weiss nicht. Ich muss noch duschen. Vielleicht später", wies Faye Victors Frage also ziemlich verspätet mit einer Ausrede zurück. Normalerweise duschte sie überhaupt nicht am Nachmittag. Aber gerade klang eine zeitlich unpassende Dusche gerade wie eine sehr viel bessere Idee als seine Hände an ihrem knochigen Körper, mit denen er sofort alles spüren würde, was sie nicht hatte aber Cece schon. So war sie dann auch sehr schnell hinter der Tür des Bades verschwunden. Liess sich auch mit der angekündeten Dusche viel Zeit, sodass sie erst fast eine halbe Stunde später schweigend zurück ins Zimmer trat.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Aryanas Anblick führte unweigerlich dazu, dass sich ein Kloß in meiner Kehle zu bilden begann. Einer von der Sorte, die sich absolut nicht davon beeindrucken ließen, wenn man sie runterzuschlucken versuchte. Sie hatte gerade einfach absolut nichts von der starken, selbstsicheren, jungen Frau, in die ich mich irgendwann im Laufe der Zeit bei der Army verliebt hatte. Stattdessen saß sie mir mit sichtbar glasigen Augen gegenüber und auch das Zittern ihrer Hand versiegte ziemlich sicher nur deshalb, weil wir uns dafür zu sehr aneinander festhielten. Mit jeder Sekunde, in der ich sie so niedergeschlagen, so am Ende sehen musste, bohrte sich ein weiteres Messer in meine Brust. Es spielte dabei keine Rolle, wie oft sie mir vor meinem Einzug ins Gefängnis versichert hatte, dass all das hier ihre Entscheidung war und sie vorher gewusst hatte, dass eine Strafe für mich bereits unheilvoll in der Luft liegen konnte. Trotzdem war es meine Schuld, dass sie sich diese ganze verdammte Scheiße hier antun musste. Sie diesen unschönen Ort heimsuchen musste, nur um mich... so vorzufinden und es tat weh. Ihr Anblick und der Klang ihrer Stimme schmerzten mich mehr als jeder Schlag, den ich hier drin abbekam. Die Stiche in meiner Brust, die den starken Gefühlen zu Aryana zugrunde lagen, waren mit absoluter Sicherheit die schmerzhafteste Waffe, die man mir gegenüber in der Hand halten konnte. Dass es ihr gut ging stufte ich auch eher nur als Halbwahrheit ein. Ihrem Körper mochte es vermutlich an nicht viel mangeln, aber mit dem Kopf sah es sicher anders aus. Das machte sie mir hier und jetzt nur allzu deutlich und ich warf tief durchatmend - um aufkommendes Tränenwasser meinerseits zu umgehen - einen knappen Blick in Richtung des Wärters, als Aryana auch ihre zweite Hand nach mir auszustrecken begann. Durfte ich ihre zweite Hand nehmen? Definitiv nein, das hatte man mir schon vorher deutlich klar gemacht. Aber er sah nicht her, sondern hielt gerade andere Insassen mit ihrem Besuch im Auge. Der Regelbrecher, der ich nun mal war, holte also nur allzu gern mit einer möglichst unauffälligen Bewegung die zweite Hand unterm Tisch hervor, um die Finger nach denen der Brünetten auszustrecken. Mitunter sicher auch deswegen, weil ich mir mit der Beantwortung ihrer Fragen schwer tat. Ich wusste nur allzu gut, wie es mir ging und woher ich die Verletzung hatte, aber sie war doch jetzt schon ein nervliches Wrack. Wie sollte ich ihr da guten Gewissens die Wahrheit sagen? "Ich... komm schon irgendwie klar.", murmelte ich, wobei das Halten ihrer Hände mich nur minder beruhigen konnte. Ich nicht nur für sie, sondern auch zu meiner eigenen Ablenkung über ihre Handrücken strich. Das war vielleicht keine richtige Lüge, aber der Wahrheit entsprach es auch nicht direkt. Ich hatte zwar einen Weg gefunden hier nicht abzukratzen, aber die ergriffenen Mittel waren auch nur wenig besser. Ihre zweite Frage war nicht einfacher und einen Namen zu nennen schien mir sinnlos. "Hier prügelt sich ständig Irgendjemand. Ist keine schlimme Verletzung.", seufzte ich, als ich den Blick langsam wieder zu ihr anhob. Der Cut an sich war wohl mein kleinstes Problem. Zwar selbst beim Blinzeln schmerzhaft, aber das war besser als zu sterben. Einer war vor zwei Wochen einfach auf dem Gang vor den Zellen erstochen worden, damit verglichen war ich wortwörtlich das blühende Leben. "Warwick..!", hörte ich die eindringliche Mahnung seitens des Wärters und zog die Augenbrauen tief ins Gesicht, als ich die linke Hand nach kurzem, widerwilligem Zögern von Aryanas löste. Nicht aber ohne meinen Kopf danach für ein paar Sekunden lang in seine Richtung zu drehen, um ihn mit meinem funkelnden Blick zu durchbohren, während ich sichtbar mit dem Kiefer mahlte und erstmalig das Wippen mit dem Knie einstellte. Ich unterdrückte es die frei gewordene Hand zur Faust zu ballen und mein Mundwinkel zuckte kurz, bevor ich tief durchatmend zurück zu der Brünetten auf der anderen Seite des Tisches sah. Ich verstand wirklich nicht, was so schlimm daran war ihre zweite Hand auch noch zu halten. Ich wollte mir ja Nichts von ihr in die Hand schmuggeln lassen, sondern sie lediglich beruhigen. Sie filzten mich nach dem Treffen doch sicher sowieso, wo lag also das beschissene Problem? "Die sind das Problem, Aryana...", ließ ich sie mit leicht gesenkter Stimme und einem flüchtigen Seitenblick in Richtung des Ordners wissen, dass das eigentliche Problem wohl weniger in den Insassen und mehr in den Wärtern lag. Würden die sich nicht von jedem x-beliebigen Arschloch Geld in die Hand drücken lassen, sondern ihre Arbeit machen, würde hier deutlich weniger Scheiße passieren. "Korruption ist dafür kein Wort mehr.", gab ich ihr etwas leiser noch einen weiteren Hint, bevor ich lieber wieder auf unsere verschränkten Finger runtersah.
Allein die Tatsache, dass Faye erst darüber nachdenken musste, war ein wenig merkwürdig. Eine Antwort auf Fragen in diese Richtung erfolgte normalerweise immer sehr zeitnah, weil die zierliche Brünette schließlich am besten wusste, wie es um ihren Gemütszustand gerade beschaffen war. Ich fragte noch oft nach, ob ein bisschen Nähe für sie okay war, wenn es mitten am Tag war und nicht einer von uns am Abend routinemäßig unter die Bettdecke des jeweils anderen kroch. Das hatte wohl ganz einfach den Grund, dass ich unschöne Auseinandersetzungen durch eine plötzliche Abweisung ihrerseits vermeiden wollte, um uns nicht wieder in unserem Fortschritt zurückzuwerfen. Schließlich war das ungefähr das letzte, wonach mir der Sinn stand, also schob ich hier und da lieber eine Frage zur Sicherheit ein. Jeder Mensch hatte Momente, in dem ihm nicht nach Nähe war und das respektierte ich gerne weiterhin zu jeder Zeit. Aber das war eben nichts, worüber man nachdenken musste - wenn sie mal keine Lust hatte, dann folgten für gewöhnlich einfach ein paar knappe, abweisende Worte und ich blieb, wo ich war. Fayes jetzige Reaktion hingegen ließ mich ziemlich verwirrt im Raum zurück, als sie sich ins Badezimmer nebenan verzog. Sie duschte normalerweise nie um diese Uhrzeit. Ich warf sogar einen Blick auf die Uhr an der Wand, um mich zu vergewissern, dass ich nicht jegliches Zeitgefühl verloren hatte. Sie verkroch sich augenscheinlich sehr gezielt vor mir und das war eigentlich seit etlichen Wochen nicht mehr vorgekommen. Schließlich gab es dafür nicht mehr wirklich Gründe, seit wir beide aktiv versuchten uns miteinander auseinanderzusetzen. Seit Faye sich auch dazu hatte bewegen können sich endlich selbst mal die Narben anzusehen, vor denen sie sich so sehr gefürchtet hatte. Mir selbst fiel der Anblick jener auch nach wie vor nicht leicht und es würde sicher noch eine halbe Ewigkeit dauern, bis ich bei diesem Anblick nicht zwangsweise auch gleich den Syrer mit vor Augen hatte. Trotzdem wurde es besser mit jedem Mal, wenn ich sie sah und auch meine bessere Hälfte hatte war das anging kleine Fortschritte gemacht. Weil ich das aktuell scheinbar vorhandene Problem der Brünetten nicht auf Anhieb finden konnte, fing ich unweigerlich an den Fehler bei mir selbst zu suchen. Wir hatten uns im Verlauf des Tages wegen der Sitzungen und Co. nicht besonders viel gesehen, also konnte ich mir nicht wirklich vorstellen, dass ich irgendwas Falsches gesagt oder getan haben könnte. Vielleicht gestern schon? Dann hätte sie vermutlich aber doch früher darauf reagiert... oder? Ich machte nachdenklich ein paar wenige, unruhige Schritte durch den Raum und kam letztlich wieder am Fenster zum stehen. Öffnete es, während ich die Stirn in leichte Falten legte und die Augenbrauen ein wenig tiefer ins Gesicht zog. Auch die frische Luft half mir nur sehr bedingt beim Denken und ich kam auf keinen grünen Zweig. Fand die Ursache nicht, weil ich nicht im Entferntesten daran dachte, dass sowas wie Eifersucht dabei im Spiel sein konnte. Zum einen deshalb, weil ich Cecilia nun wirklich nicht auf dieser Ebene betrachtete und zum anderen ganz einfach, weil wir wirklich genug andere Probleme hatten. Da war ein Gedanke in diese Richtung schlicht absolut absurd in meinen Augen und dementsprechend aufgeschmissen schloss ich das Fenster wieder, um es stattdessen nur zu kippen, als ich die Tür des Badezimmers ein zweites Mal hörte. Ein erneuter Blick auf die Wanduhr als ich mich umgedrehte hatte verriet mir, dass Faye nicht gerade nur fünf Minuten eine schnelle Dusche vollzogen hatte. Auch sehr ungewöhnlich, bevorzugte sie es meines Wissens nach doch weiterhin eher ihren Körper nicht länger nackt zu sehen, als eben sein musste. Ich machte ein paar wenige Schritte auf die schmal Brünette zu, ließ am Ende aber doch lieber ein klein wenig mehr Abstand zwischen uns, als ich zum Stehen kam. Mir war unwohl dabei jetzt nachzufragen, aber ihre Abweisung schweigend hinzunehmen war auch nicht besser für meinen Kopf. "Hab ich... was falsch gemacht?", schob ich ihr eine gemurmelte Frage zu, sah sie mit etwas unruhigem Blick an.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Er war sich nicht sicher, ob er ihre Hand nehmen wollte und seinem Blick nach zu urteilen, war das wahrscheinlich wie alles andere Schöne einfach verboten. Vielleicht würde sie sich sogar an die entsprechende Klausel im Besucherreglement erinnern, wenn sie es versuchen würde. So oft wie sie das alles durchgelesen hatte. Aber sie wollte nicht. Wollte einfach nur seine Hände halten und versuchen, damit sowohl sich selbst als auch ihm ein Bisschen Hoffnung zu vermitteln. Schliesslich umschlossen seine Finger endlich die ihren und sie klammerte sich sofort auch an seine zweite Hand, als wäre das alles, was sie am Leben hielt. Es dauerte eine ganze Weile, bis Mitch zu einer Antwort auf ihre Fragen ansetzte. Seine Tonlage dabei blieb leise, ungewohnt gedrungen. Sie hatte den dominant Klang seiner rauchigen, tiefen Stimme immer gemocht. Und irgendwann geliebt. Natürlich fand sie auch das Flüstern wunderschön, mit dem er ihr so oft seine Liebe gestanden hatte. Komplimente gemacht hatte. Irgendwelche ironiegetränkten Sätze zugeschoben hatte, die sie im Anschluss stets zum Lachen gebracht hatten. Aber sie mochte das Flüstern nicht, wenn es so schwer, so bedrückt und unglücklich klang. Wenn es die Emotionen auf seinem Gesicht noch so viel klarer machte und ihr so deutlich bewies, dass es Mitch ganz und gar nicht gut ging, dass er unendlich unter dieser Situation litt, die er so niemals verdient hatte - ganz egal, was irgendein Richter dieses Landes auch sagen mochte. Das Streicheln auf ihrer Hand vermochte nichtmal ansatzweise die Sorgen zu bändigen, die in ihr aufflammten, als er ihr erklärte, dass Prügeleien an diesem Ort offenbar an der Tagesordnung standen. Sie wollte gerade etwas sagen, ihm gerade sinnloserweise mitteilen, dass sowas überhaupt nicht in Ordnung war, da zuckte sie auch schon in sich zusammen, als der scharfe Klang seines Nachnamens die illusionäre Stille des Raumes durchschnitt. Ihr verstörter Blick sprang auf den Wärter und dann sofort zurück auf Mitch, der schon dabei war, seine linke Hand aus ihrem Griff zu lösen. Und ihre Augen wanderten erneut zum Aufpasser, der sie noch immer etwas zu genau beobachtete, als hätten sie gerade ein Verbrechen begangen. Ganz ehrlich - was zur Hölle?? Sie zog den Arm zurück, krallte ihre Fingernägel stattdessen in die unnachgiebige Tischplatte vor ihr im Versuch, jetzt nicht direkt deswegen die Fassung zu verlieren. Wie gesagt - heulen konnte sie heute Abend. Nicht. Jetzt. Seine Worte liessen sie ihren kurzzeitig abgesenkten Blick wieder heben und Aryana schaute zu ihrem Freund, der ihr gleich darauf die eigentliche Problematik dieses grauenvollen Ortes offenlegte. Korruption. Wärter ohne Menschlichkeit, ohne Sinn für Gesetze, ohne Seelen, ohne Verständnis, ohne den Willen, hier drin wirklich jemanden von seinen Geistesstörungen zu heilen. Und obwohl sie es nicht für möglich gehalten hatte, wurde ihr Herz sofort noch zehn Tonnen schwerer. "Sag mir, was ich tun kann, Mitch, bitte... Wie kann ich dir helfen? Soll ich irgendwem davon erzählen? Dafür sorgen, dass jemand davon erfährt?", sie bezweifelte schwer, dass sich irgendwer dafür interessierte. Soweit sie das bisher mitbekommen hatte, hatte dieses Land weit grössere Probleme als die Zustände in ihren Strafanstalten. Jedenfalls stufte sie diese Problematik nicht als eine ein, die irgendwen da draussen kümmerte. Immerhin hatten Häftlinge ihre Strafen und die damit verbundenen Umstände verdient. Niemand wollte, dass sich der der Abschaum der Bevölkerung hier drin auf Kosten der Steuerzahler ein schönes Leben machen konnte. Ausser sie, halt. Aber was hatte sie schon zu sagen. Wenn sie irgendwas aus diesem Besuch mitnahm, dann die dringende Erinnerung daran, dass sie sich besser beeilte mit ihrem noch nicht vorhandenen Plan, Mitch so schnell wie möglich wieder hier raus zu holen. Er hatte schon eine neue Narbe im Gesicht. Wenn jemand ihm das hatte antun können, wie hoch waren dann bitte die Chancen, dass ein anderer ihm auch etwas noch viel Schlimmeres antun könnte? Sie war sich sicher, dass einige dieser Häftlinge überhaupt nichts mehr zu verlieren hatten. Und das war genau das, was einen Menschen letztendlich zum unberechenbaren Monster machte. Weiter wollte sie gar nicht denken müssen, auch wenn das Wissen um die Gefahr sich in ihr Unterbewusstsein bohrte. "Brauchst du irgendwas? Kann ich dir etwas bringen? Ich... ich hab so viel Zeit da draussen, ich kann... ich kann alles für dich tun, was uns nicht verboten wird, wirklich", nur waren es halt genau diese Regeln, die alles so schwierig machten und ihnen alles Schöne nehmen wollten, was sie mal gehabt hatten.
Es gelang ihr auch unter dem Strahl des heissen Wassers nicht, die Gedanken wieder zu ersticken. Auch nicht, als sie sich wieder anzog und schon gar nicht, als sie sich zurück ins Zimmer schlich. Faye brachte ihre schmutzigen Klamotten zu dem noch ziemlich kleinen Haufen Dreckwäsche, vermied es dabei ziemlich erfolgreich, ihren Freund anzuschauen. Auch wenn sie seine Blicke auf sich spürte und wusste, dass er bereits Verdacht geschöpft hatte, schon wusste, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie wünschte nur, er würde nicht fragen, sie müsste es nicht erklären. Denn was sollte sie bitte sagen? Cecilia ist ein Bisschen zu nett zu dir, findest du nicht auch? Wie stehst du zu der etwas zu hübschen Pflegerin, die dich vorhin so beiläufig berührt hat? In meiner Anwesenheit? Obwohl sie weiss, dass ich deine Freundin bin? Dass du das Einzige bist, was noch irgendwie mir gehört, mir nicht entrissen wurde in diesem verdammten Krieg, der mich zu diesem körperlichen und psychischen Wrack gemacht hat, das du nun vor allem anderen lieben sollst? Dass du ihr vorziehen solltest, obwohl du ungefähr null Gründe dafür hast? Sie wollte es ihm nicht erklären. Sich nicht zu allem anderen hinzu auch noch eifersüchtig oder noch unsicherer geben. Aber Victor kannte sie zu gut um nicht zu merken, dass etwas nicht stimmte. Und er kannte sie zu gut, um daran zu glauben, dass sie selber das Problem ansprechen würde, wenn ihr danach war. Und darum fragte er nach wenigen Sekunden auch schon danach, blieb mit etwas Sicherheitsabstand in ihre Richtung gewandt stehen. Faye trat von einem Bein aufs andere, biss auf ihrer Unterlippe herum, während sie bereits entschieden verneinend den Kopf schüttelte. "Nein, du hast nichts falsch gemacht...", nahm sie ihm dann auch noch wörtlich die nicht vorhandene Schuld ab, bevor sie sofort weiter auf ihrer Lippe zu kauen begann, weil sie absolut keine Ahnung hatte, wie bitte sie ihm denn mitteilen sollte, wo der Schuh drückte. Faye machte einen Schritt auf ihn zu, zögerte erneut und blickte auf ihre, in ein frisches, schwarzes Paar Socken verpackten Füsse hinab. Zog ihre Finger in die Ärmel des dicken Pullis zurück, der so perfekt die ganze kümmerliche Silhouette ihres Körpers verbarg. Es war ihr Problem, ihre eigene tiefgreifende Unsicherheit, die sie ein weiteres Mal von Victor wegtrieben und sie wünschte, es wäre nicht so. Und weil sie versprochen hatte, sich zu bessern, trat sie die letzten beiden Schritte auf ihn zu, legte ihre Arme um ihn und zog sich dicht an seinen Körper heran. Einen ganzen Moment blieb sie stumm so stehen. Schloss die Augen und vergrub sich an seiner Brust. Auch wenn sie Angst hatte, dass er es spürte - dass er merkte, was er mit ihr hatte, wo er eigentlich so viel mehr bekommen könnte. Er müsste theoretisch nur einmal ein kleines Ja von sich geben, sich auf das einlassen, was Cece ihm sicherlich so bereitwillig entgegenbringen würde. "Ich liebe dich... Victor... Ich hab nur... nur Angst, dich zu verlieren...", flüsterte Faye, spürte den Kloss im Hals, das altbekannte Brennen in ihren Augenwinkeln, von dem sie wünschte, es einfach nur abschalten und verbannen zu können. Sie hatte immer Angst, ihn zu verlieren. Nur war in den letzten Tagen mit Cecilia ein weiterer Faktor, eine weitere Bedrohung dazugekommen, mit der die junge Brünette kein Bisschen klar kam. Offensichtlich. Cece konnte mit jedem nett sein. Auf jeden stehen. Aber sie sollte bitte bitte niemals versuchen, ihr Victor zu entreissen. Einen der beiden Menschen, die sie um nichts in der Welt verlieren konnte. Weil sie sonst endgültig nicht mehr atmen würde.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ich kam um ein leises, kurzes Schnauben - das auch wieder so einen Hauch von Verzweiflung mit sich brachte - nicht herum, als Aryana fragte, was sie tun konnte um mir zu helfen. Vermutlich gab es da sehr überraschend genau gar nichts. Zumindest nichts, das sie absolut legal und ohne jegliche Risiken oder Konsequenzen erledigen könnte. Demnach wanderten meine Augen auch wieder zurück auf die Tischplatte, weil ich ihr darauf keine schöne Antwort geben konnte. Sie sollte sich einfach bestens um sich selbst kümmern, damit es ihr an nichts mangelte... nichts außer mir, versteht sich. Jetzt, wo ich wusste, was in einem Knast wirklich so alles abging, hätte ich meinen vorherigen Rat mich vielleicht doch lieber im Stich zu lassen glatt wiederholen können. Denn jeder Tag mehr hier drin würde mir mehr von dem jungen Mann nehmen, zu dem mich die Gefühle zu Aryana wieder gemacht hatten. Hier drin konnte man nicht anders als mindestens bis zu einem gewissen Grad egoistisch zu sein und auf die anderen Insassen zu pfeifen, weil man sonst schlichtweg selbst der Verlierer war. Von meiner wieder ansteigenden inneren Wut mal ganz zu schweigen, die sich von all der Gewalt um mich herum provoziert fühlte. Selbst der Krieg bereitete einen mit all seinen unschönen Bildern und Toten nicht auf das vor, was hier drin vor sich ging. Im Krieg tötete man in den meisten Fällen auf Distanz und es war nichts Persönliches. Wer sein Leben lassen musste stand einfach nur auf der feindlichen, falschen Seite und man hatte sich vorher nie gesehen. Hier drin war das anders. Man sah hier sowohl seine Peiniger ständig wieder, als auch die Leute, denen man selbst Unrecht getan hatte, während wirklich hinter jeder Ecke ein wieder anderer lauern konnte, weil man ihm Geld dafür gegeben hatte, um einem das Licht auszuknipsen. Es blieb also bei Weitem nicht bei der psychischen Folter des eingesperrt seins an sich, obwohl das für Jemanden wie mich schon Strafe genug gewesen wäre. Ich brauchte Bewegung und Etwas zu tun, um nicht irgendwann auszuticken. Die paar Stunden auf dem Hof draußen und die kleinen Arbeiten am Vormittag reichten kein bisschen aus, um mein gewöhnliches Pensum bei der Army zu tilgen. Vermutlich war es langfristig gesehen nur eine Frage der Zeit, bis ich doch mal der falschen Person gegenüber die Nerven verlor. Dass die Wärter einen hier wie minderwertiges Vieh behandelten machte es nicht besser. "Keine Ahnung, Aryana... gar nichts wahrscheinlich. Es interessiert die Leute sicher 'nen Scheiß, was hier drin passiert.", seufzte ich schließlich und hob meinen Blick über unsere Hände hinweg erneut zu ihren Augen an. Schließlich hätte sich sonst irgendwann schon mal was an den teils wirklich miserablen Zuständen amerikanischer Gefängnisse getan. Dann kamen mir doch noch zwei Kleinigkeiten in den Sinn. "Aber ich darf ab jetzt telefonieren, also drück' eine unbekannte Nummer bitte nicht weg. Ich werd' auch versuchen es auf einen Tag in der Woche festzulegen, damit du nicht ständig drauf warten musst...", kam ich mit einer nur sehr kleinen Bitte um die Ecke. Ihre Stimme öfter zu hören als nur einmal im Monat, wenn sie mich besuchen kam, würde sicher ein bisschen helfen nicht den Kopf zu verlieren. Natürlich wurden solche Gespräche aufgezeichnet und waren daher nur mehr oder weniger privat, aber ich hatte ja auch nicht vor meinen scheiternden Ausbruch mit ihr zu planen. Zu hören, dass sie da war und nicht einfach zum nächsten Besuchstermin nicht mehr erschien, würde reichen. Mir einen Hauch Außenwelt mehr nach hier drinnen bringen. Apropos... "Und kannst du vielleicht... Faye und Victor fragen, ob sie mir hin und wieder mal einen Brief schreiben? Ich weiß, dass die zwei nicht begeistert waren... und sie wahrscheinlich immer noch genug eigene Probleme haben, also würd' ichs verstehen wenn nicht, aber... ich nehm' jeden Kontakt nach draußen, den ich kriegen kann.", schob ich murmelnd noch eine weitere Kleinigkeit nach, die mir zumindest ein bisschen helfen könnte. Es war mir auch vollkommen egal, was in den Zeilen geschrieben stand. Ob das ihr kompletter Therapieablauf oder irgendwelche anderen, unwichtigen Dinge waren - Hauptsache ich hatte was zu lesen und antworten durfte ich theoretisch auch mit einem Brief pro Woche. Außerdem könnte ich das Papier anderweitig hier drin gebrauchen. Ob ich Briefe langfristig bei mir in der Zelle behalten durfte wusste ich gar nicht, aber falls nicht, dann gab es sicher auch dafür einen Weg. Ich schaffte es Koks vor Spürhunden zu verstecken, da war Papier eher kein Problem.
Die Brünette schüttelte glücklicherweise schon bald mit dem Kopf und es dauerte nicht lange, bis auch ein paar Worte dazu folgten, die mir eindeutige Schuldfreiheit zusprachen. Aber was war es dann? Es war schon mal nicht Nichts, so wie sie sich schon wieder die Lippe malträtierte und alles in allem totale Unruhe widerspiegelte. Aber ansonsten folgten erst einmal keine Worte mehr, die mir anderweitig erklärt hätten warum sie hier wie ein Häufchen zerstreutes Elend herumstand. Ich hatte deshalb gerade schon erneut nachfragen wollen, was denn dann das Problem war, als Faye wider Erwarten auf mich zukam und sich instinktiv bei mir zu verkriechen begann. Das ließ mich einen Augenblick lang verwirrt zu ihr runter sehen. Sie hatte doch eben noch keine Nähe gewollt und jetzt kam sie doch her? Auch noch so, dass kein Blatt mehr zwischen uns passte? Mir stand wohl ziemlich offensichtlich ins Gesicht geschrieben, dass mich die ganze Situation total irritierte, als ich nach dem ersten Moment der Verwirrung meine Arme schließlich anhob. Einen etwa auf Taillenhöhe um ihren schmalen Körper legte und die andere Hand an ihren Hinterkpof hob, um ihr vorsichtig über die braunen Haarsträhnen zu streichen. Die Ratlosigkeit in meinem Blick legte sich langsam und wandelte sich zu dem sorgenvollen Ausdruck, den ich hier in der Psychiatrie wohl wirklich perfektioniert hatte. Ansonsten nahm ich das kurze Schweigen aber einfach so hin, weil mir die erneute Nachfrage absolut unpassend erschien. Also wartete ich darauf, dass Faye noch von allein etwas mehr Licht ins Dunkel brachte und schließlich erhob sie ihre dünne Stimme erneut. Flüsterte ein paar leise Worte an mein Shirt, die mich zwar nicht minder zerstreuten als die vorherigen, aber zumindest ganz grob erklärten, wo ihr Problem lag. Es war auch nicht so, als würde ich es nicht verstehen - zwar war ich mir sicherer damit geworden, dass die junge Frau mich nicht verlassen wollte, seit wir diesen einen, sich stark einprägenden Tag hinter uns hatten, aber ganz weichen würde die Angst davor wohl nie, solange wir nicht halbwegs wieder einen Normalzustand in unserem gemeinsamen Leben erreicht hatten. Sie war lange nicht mehr so penetrant wie noch vor einigen Wochen in meinem Kopf verankert, aber da war sie trotzdem noch. Ich atmete ein wenig tiefer durch und seufzte im selben Atemzug leise. "Aber Faye... ich bin doch hier. Jetzt gerade. Bei dir.", murmelte ich ihr ein paar leise Worte an den Kopf und verharrte noch ein paar Sekunden in der Umarmung, bevor ich meine Hände von ihr löste, um stattdessen vorsichtig ihr Gesicht in meine Hände zu nehmen, damit sie mich ansah. Dass ihre Augen wie so oft verräterisch glitzerten entging mir dabei keineswegs. "Ich liebe dich mehr als alles Andere und du bist das Wichtigste für mich... das weißt du doch. Wieso..?", unterbrach ich mich schon beim Ansatz des letzten Satzes selbst, weil ich eigentlich nicht noch einmal hatte nachfragen wollen. Andererseits lastete die Frage danach, warum sie jetzt gerade plötzlich so massive Zweifel an uns beiden zu entwickeln begann, eben doch ziemlich schwer auf mir. Sie sollte nicht glauben, dass sie mir nicht reichte oder eine zu schwere Last für mich war, denn so war es nicht. Natürlich blieb unsere Beziehung noch schwierig, aber das würde besser werden und ich hatte ihr nicht umsonst gesagt, dass ich sie noch immer heiraten wollte. Daran hatte sich bis jetzt nichts geändert und ich redete mir selbst jeden Tag gekonnt ein, dass es das auch nicht mehr tun würde. Dass es quasi sowas wie geschriebenes Gesetz war, dass wir beide aneinander festhielten und irgendwann unseren alleinigen, gemeinsamen Tag für die Ewigkeit feierten. Die Einzige, die mich von diesem Gedanken abbringen könnte, war Faye selbst und so strich ich ihr abwartend mit dem Daumen über die linke Wange.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Gut, das war wohl mehr oder weniger ein Nein. Nicht überraschend, aber halt eben trotzdem doof. Sie wünschte, irgendwas tun zu können, ihm diese Hölle ein kleines Bisschen leichter zu machen. Aber offenbar war sie mehr oder weniger dazu verdammt, von Aussen zuzuschauen und zu hoffen, dass er nicht irgendwann zerbrach. Ihr durch die Finger rann, wie feiner Sand auf einem langen Strand im Nirgendwo. Nur war hoffen und warten ganz und gar nicht ihre Stärke. Sie würde sehr wahrscheinlich die ganze Nacht damit verbringen, nach einer Lösung, einem Ausweg zu suchen. Und den morgigen Tag. Und jeden weiteren, der noch kam und sie trennte. Und es sollten doch noch so viele sein... Seine Worte, die er eigentlich mit seiner Mimik und dem Schweigen längst ausgesprochen hatte, unterstrichen auch nur noch eindeutiger das, was sie selbst schon gedacht hatte. Die Leute in diesem Land hatten andere Probleme als die Zustände ihrer Haftanstalten. Keiner würde sich dafür interessieren, der nicht selber jemanden liebte, der hier drin sitzen musste. Und das waren viel zu wenige, um etwas zu bewirken. Ihr Blick musste dezent entmutigt aussehen, obwohl sie nichts anderes hatte kommen sehen. Sie wollte es bloss nicht wahrhaben. Nichts hiervon. Auch nicht die lächerliche Tatsache, dass sie unter ständiger Beobachtung standen und jemand sofort ungemütlich werden konnte, sollten sie sich erneut wagen, auch die Fingerspitzen ihrer anderen Hände miteinander zu verbinden. Erbärmlich. Es schien ja fast so, als wollten sie den Prozess beschleunigen, in dem ihre Häftlinge sich immer weiter von ihrer Menschlichkeit und jeglichen positiven Emotionen entfernten. Dass Mitch nach einer kleinen Pause dann doch noch eine beinahe etwas frohe Neuigkeit verkündete, vermochte die mittlerweile denkbar zerstörte Laune der Brünetten wieder minimal zu heben. Telefonieren klang schön, auch wenn sicher selbst das zeitbegrenzt sein würde und natürlich abgehört wurde. Sie hatte ihm wenig zu sagen, was ihm oder ihr Probleme einbrocken könnte, also war das nicht so ein Problem. Ausser natürlich eintausend Flüche über diesen Ort. Aber die hörte er, ohne dass sie sie ihm ins Ohr zu raunen brauchte... "Das ist gut... Immerhin das", meinte sie also, versuchte, seine Hand dabei etwas weniger mit ihrer zu zerquetschen und dafür sanft mit ihrem Daumen über seine Haut zu streicheln. Sie vermied es in diesem Moment auch, danach zu fragen, ob er ernsthaft nur einmal die Woche telefonieren durfte, wie er es gerade angetönt hatte. Das klang schon wieder so lächerlich... War ja nicht so, als würde man für Anrufe aus dem Gefängnis nicht sowieso dämlich viel Geld zahlen. Da sollte etwas mehr als ein Anruf die Woche echt drin liegen. Aber ihrer Meinung nach sollte ja sowieso eine Menge mehr möglich sein, als das, was hier für die Insassen gemacht wurde. Auch seine zweite Bitte nickte sie umgehend und ohne wirklich darüber nachzudenken ab. "Ich werds ihnen ausrichten. Sie werden sicherlich hin und wieder Zeit finden, dir etwas zu schicken", das meinte sie wirklich so und Aryana war sich sicher, dass die beiden ihnen diesen Gefallen gerne tun würden. So wie sie ihnen auch einen anderen Gefallen getan hatten, nach dem gar niemand je gefragt hatte. Und bei diesem Gedanken schob die Brünette den Umschlag, den sie mitgebracht hatte, über den Tisch zu Mitch, blickte ihn abwartend an, wobei ihre Mundwinkel tatsächlich minimal nach oben zogen. Natürlich war der Umschlag schon geöffnet worden, nur für den Fall, dass sie darin Drogen oder eine voll funktionsfähige, 2D-gedruckte Schusswaffe hier rein hätte schmuggeln wollen. Aber niemand hatte ihr das weggenommen, was sich darin befand. Weder den handgeschriebenen, etwas zu lang geratenen Brief auf schlichtem, weissen Notizpapier, noch das Foto, welches dem Geschriebenen beilag. Es war eines der Fotos, die Faye geschossen hatte - und zwar eines von deinen, die entstanden waren, bevor sie Mitch und Aryana überhaupt auf die Kamera aufmerksam gemacht hatte. Sie küssten sich. So, wie sie es damals noch hatten tun dürfen. Oder eben einfach getan hatten, weil sie gerne auf Regeln schissen. Es war das erste Foto und sie hatte selbstverständlich vor, ihm auch all die anderen noch zu bringen. Aber sie hatten Zeit... So endlos viel Zeit... Leider...
Sie wünschte wirklich, Victor hätte einfach nichts gemerkt. Sie wäre etwas besser darin, ihre Gefühle zu verstecken und ihre Augen nicht immer ein so bis zum Anschlag weit aufgerissenes Fenster zu ihrer Seele sein zu lassen. Aber sie war nunmal denkbar schlecht darin, ihre Gefühle zu verbergen und daran hatte sich hier drin wirklich gar nichts verbessert. Es war eher noch viel schlimmer geworden und Victor erkannte fast schon blind, wenn sie mal wieder von einer ihrer unzähligen Verstimmungen geplagt wurde. Hätte sie das vorhin doch einfach gar nicht gesehen... Wenn sie einfach eine Viertelstunde später ins Zimmer getreten wäre, wäre nun alles gut... Es sei denn, Cece hätte die Chance ergriffen und wäre ebenfalls länger geblieben, hätte ihren Freund noch ein Bisschen länger eingelullt, berührt. Wenn sie es schon tat, während Faye im gleichen Raum mit ihnen war, was wagte sie dann wohl erst, wenn sie alleine mit Victor war? Der Gedanke war hässlich und Faye drückte ihr Gesicht an die Brust des jungen Mannes, im verzweifelten Versuch, den Film wieder abzuschalten, den sie unfreiwillig mit zu viel Nachdenken geweckt hatte. Victor legte seine Arme um sie und sie wünschte, die Streicheleinheiten würden ihr helfen, dieses unnötige Drama sofort wieder abzuschalten. Aber das wäre zu einfach. Natürlich. Einfach war eben nie der Weg, den sie bevorzugte. Das zeigten ihr auch seine folgenden Worte. Die, die er ihr zuraunte, als sie sich noch an seiner Brust versteckte und auch die, die er ihr ins Gesicht sagte, nachdem er sie gewohnt vorsichtig dazu animiert hatte, in seine Augen zu blicken. Seinen sorgenvollen Ausdruck zu sehen, der ihr direkt auch schon wieder wundervoll aufzeigte, was für eine endlos anstrengende Freundin sie eben war. Es war nicht das, was er ihr sagen wollte, aber das, was sie wusste. Sie war das Wichtigste für ihn. Er hatte es schon eine Million Mal sagen müssen und er sagte es wieder. Sie wusste es, glaubte es eigentlich auch. Und doch machte sie hier wieder Theater, liess ihre Bedenken ungestoppt wachsen, obwohl er ihr keinen einzigen Grund dafür gab. Im Übrigen auch noch nie einen gegeben hatte. Faye seufzte. Sie schluckte, zuckte mit den Schultern. Strich mit den Händen über seinen Rücken. Und sagte nichts. Eine ganze zähe Minute lang sagte sie nichts, weil sie nicht wusste, was sie für Worte formulieren sollte. Weil sie wünschte, für einmal nicht dieses psychopathische, unsichere, sorgenvolle, hinterfragende Etwas zu sein, das sie hier drin irgendwie fast immer verkörperte. "Ich weiss, Victor... Ich weiss es eigentlich. Aber mein Kopf will trotzdem nicht aufhören... sich Sorgen zu machen...", flüsterte sie erstmal noch keine wirkliche Erklärung vor sich hin, blickte ihn fast entschuldigend an, weil sie befürchtete, ihn mit diesem ständigen Drama nur zu nerven. "Es ist nur... wegen... Cecilia... w-weisst du...", sie wollte es gar nicht aussprechen, weil sie vor ihrem inneren Auge schon sehen konnte, wie er darauf reagierte. Weil es lächerlich war. Sie hatte den Kopf mittlerweile wieder sinken lassen, blickte zur Seite weg, ohne sich aber weiter von ihm zu lösen. "Sie blickt dich immer so an... So, wie dich jeder anschauen sollte. Mit... Bewunderung... Aber auch etwas... mehr... Und sie ist jung... schön... unbeschwert, voller Leben...", sie brauchte viele Pausen, um absolut stockend das auszudrücken, wonach er gefragt hatte, obwohl er es wohl doch nicht wirklich hören wollte. "Ich kann einfach nicht... anders, als zu sehen... was du alles haben könntest... das besser wäre als ich. Und dann hab ich Angst. Weil du nur einmal den leichteren Weg wählen müsstest... Ich dir noch nicht mal böse sein könnte, wenn du das tun würdest... Aber sie blickt dich an, als wäre sie traurig über meine Existenz. Und als wüsste sie ganz genau, was sie dir geben könnte, wenn du... es nur sehen würdest", sie hatte nie geplant, so viel zu sagen. Und bereute die Hälfte der Worte schon wieder, kaum waren sie ihr über die Lippen gerutscht.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Aryana wollte beiden Bitten scheinbar gerne nachkommen und dafür allein war ich schon dankbar. Ich hoffte stillschweigend darauf, dass wir uns beim Telefonieren vielleicht auch ein bisschen besser, weniger niedergeschlagen und traurig miteinander unterhalten konnten. Natürlich war ich unsagbar dankbar dafür das Gesicht der hübschen Brünetten endlich wieder sehen zu dürfen, aber dass sie gerade nicht weniger fertig mit den Nerven war als ich selbst ließ mein Herz unweigerlich noch etwas schwerer wiegen. Ich wollte sie nicht mit mir noch tiefer in die Scheiße ziehen, als sie ohnehin schon drin saß. Situationen wie diese hier waren genau solche, mit deren Beispielen ich mir früher konsequent eingeredet hatte, dass ich Gefühle oder gar Liebe nicht brauchte. Dass einen das nur schwach und verletzlich machte. Zwar war es im jetzigen Moment eher so, dass Aryana mir das letzte bisschen Halt gab, das ich noch finden konnte, aber das Stechen in der Brust war eben trotzdem da. Sehr fragwürdig, wer von uns beiden nun am Ende mehr Schaden von dieser Beziehung erlitt, aber ich für meinen Teil würde auf die junge Frau gegenüber setzen. Dass Faye und Victor ebenfalls von ihr informiert werden würden nickte ich mit einem dankbaren, aber verkrampft wirkenden, kaum sichtbaren Lächeln ab. War wohl auch wieder mehr nur ein schwaches Zucken meiner Mundwinkel, ehe der Blick wieder auf den Tisch zwischen uns abrutschte. Gerade pünktlich dafür, dass sich ein Umschlag über die Platte hinweg in mein Sichtfeld schob. Es dauerte tatsächlich einen kurzen Moment lang, bis ich darauf kam, was sich darin befinden könnte, weil ich die Sache mit den Fotos schon wieder vergessen hatte. Sie so unendlich weit in den Hintergrund gerückt war, dass ich mich umso mehr darüber zu freuen begann. Mir war zwar nicht ganz wohl dabei Aryanas Hand für einen Moment lang loszulassen, aber ich wollte es sehen und den Brief, sowie das Bild mit nur einer Hand aus dem Umschlag zu fischen wäre langwierig und nichts als umständlich. Also löste ich meine Finger für kurze Zeit aus ihren, nur um den Brief aus seiner Verpackung zu ziehen und ihn aufzufalten. Eigentlich hätte ich auch später noch mehr als genug Zeit dazu die Zeilen zu lesen oder mir das Bild von uns beiden anzusehen, aber ich war neugierig und außerdem täte es der Brünetten gegenüber sicher gut zu sehen, dass sie mir zumindest damit wirklich eine Freude machen konnte. Trotzdem schob ich meine Finger bereits wieder zwischen ihre, als ich den Brief in der anderen Hand haltend zu lesen begann. Vermutlich würde ich mir die Zeilen auch später noch einmal durchlesen. Oder zwei, vielleicht drei Mal. Vielleicht auch so oft, bis ich sie auswendig konnte. Als ich jetzt damit fertig war besah ich mir auch das Foto für einige Sekunden etwas genauer. Ich hatte bis jetzt kein einziges von uns beiden gesehen und es tat wirklich gut. Obwohl schon zu diesem Zeitpunkt festgestanden hatte, dass ich hinter Gitter wandern würde, wirkten wir glücklich. Vielleicht nur für den Moment, aber das Bild brachte gut zum Ausdruck, wie sehr wir aneinander hingen. Was wir einander bedeuteten. Vielleicht hätten wir in anderen Klamotten besser ausgesehen, aber das tat der Bedeutung dahinter für mich keinen Abbruch. Also ließ ich auch das Foto schließlich wieder sinken, als ich die Augen zu meiner Freundin anhob und sie mit einem sehr dezenten, aber ehrlichen Lächeln ansah. "Danke, Aryana... für... einfach Alles.", murmelte ich ein paar Worte zu ihr rüber und dabei fiel mir auf, dass ich ihr wirklich zu selten dankte. Dafür, dass sie ihr Leben mit mir teilte, obwohl theoretisch gesehen von Anfang an klar gewesen war, dass sie sich damit eine riesige Bürde auflud. Meine nächste Bitte, die mir in den Sinn kam als mein Blick in ein paar schweigsamen Sekunden von Aryana abwich und stattdessen einem Insassen quer durch den Raum folgte, wirkte womöglich vollkommen aus der Luft gegriffen. Aber meine Augen streiften den Automaten an der Wand in ein paar Metern Entfernung, bevor sie zurück zu der jungen Frau am Tisch glitten. "Du hast nicht zufällig ein bisschen Geld dabei, oder? Ich hätt' wahnsinnig gern mal was anderes als die Pampe, die sie hier Mittagessen betiteln.", hakte ich nach. Ich war mir fast sicher, dass der Süß- und Knabberkram in den Automaten unmenschlich teuer war, aber sowas wie ein einziger, kleiner Schokoriegel schien mir gerade wirklich der Himmel auf Erden zu sein. Selbst das Essen bei der Army schmeckte wesentlich besser als das Hundefutter, das man hier aufgetischt bekam.
Faye schien doch tatsächlich langsam sowas wie eine Antwort auf meine Frage zu formulieren, auch wenn ihre ersten Worte nicht wirklich aufschlussreich waren. Trotzdem kannte ich diese unterschwellige Sorge darum meine bessere Hälfte zu verlieren leider zu gut, um sie deswegen nicht verstehen zu können. Allerdings stand meine Sorge wohl in einem vollkommen anderen Kontext, denn als die schmale Brünette ihren Blick wieder abwendete und weiterredete, offenbarte sie mir noch den eigentlich Grund hinter jenen Zweifeln. Das war nicht einfach nur der Umstand, dass wir uns nicht immer leicht miteinander taten, nein. Das war sowas wie Eifersucht. Angst davor, dass ich sie wie eine heiße Kartoffel einfach fallen ließ, weil ich genauso gut eine in angenehmer Temperatur haben konnte. Weil ich es ausgerechnet mit Cecilia leichter haben könnte. Sie mich scheinbar irgendwie auf eine Art und Weise ansah, die in Faye nichts als Zweifel und Angst davor weckten, dass ich auf die Idee kommen könnte sie auszutauschen. Ich merkte davon nicht einmal etwas, war mir dementsprechend gerade auch wirklich nicht sicher damit, ob sie die Sache nur überdramatisierte oder ob ich es nur nicht merkte, dass die Pflegerin ein Auge auf mich geworfen hatte. Letzteres würde allerdings wiederum für mich nicht viel Sinn machen, weil ich nicht recht wusste, was Jemand psychisch vollkommen Gesundes mit einem kaputten Menschen wie mir anfangen sollte. Den Job dann auch Zuhause weitermachen oder was? Das allein klang für mich schon absolut nicht erstrebenswert und es war mir wohl anzusehen, dass ich nicht recht wusste, was ich sagen oder tun sollte. Deshalb löste ich auch meine rechte Hand von ihrem Gesicht, um mir damit stattdessen einmal flüchtig von oben nach unten übers Gesicht zu streichen. In der leisen Hoffnung, dass das irgendwie die Gedanken in meinem Kopf sortierte. Denn irgendwie tat es auch ein bisschen weh, dass Faye es tatsächlich für möglich hielt, dass ich mich nach all den Dingen, die wir nun schon zusammen durchgestanden hatten, tatsächlich noch von ihr abwenden würde. Das war schlicht absurd - solange sie nicht nochmal mit irgendeinem Lieutenant schlief oder so. Im Gegensatz zu ihr hatte ich ihr doch noch kein einziges Mal irgendwie einen Grund dafür gegeben, dass sie eifersüchtig sein musste, oder? Ich unterhielt mich nur mir Cece, wenn sie eben ihrer Arbeit nachging. Suchte sie auch nicht bewusst auf, sie war eben einfach da wie jeder andere Baustein des Pflegepersonals auch. Aber wenn sie wirklich versuchte mir schöne Augen zu machen, ohne, dass ich es mitschnitt? Wahrscheinlich würden bei mir auch Alarmglocken schrillen, wenn einer der männlichen Pflege den Anschein erweckte sich zu oft und zu nett mit Faye zu unterhalten. Trotzdem war die Situation irgendwie total grotesk. "Ich... weiß wirklich nicht, was ich sagen soll.", stellte ich erst einmal gemurmelt fest, dass mich diese Sache jetzt im ersten Moment heillos überforderte und deshalb war ich es letztlich, der ein wenig Distanz suchte. Ich löste auch noch meine zweite Hand gänzlich von ihr und drehte mich mit einem Schritt weg, weshalb die Brünette nicht wirklich eine andere Wahl hatte, als mich loszulassen. Dann machte ich ein paar wenige, sehr langsame Schritte quer durch den Raum. Hob die Hände noch ein weiteres Mal, um dieses Mal mit beiden gleichzeitig über die angespannte Haut in meinem Gesicht zu reiben. Brachte leider auch mit doppelter Kraft genauso wenig wie vorher. "Mal ganz unabhängig davon, ob sie mich wirklich irgendwie... falsch ansieht", ich war mir da wie gesagt nicht sicher und hielt es durchaus für möglich, dass Faye sich das nur einbildete, "sehe ich Cece wirklich nicht... so.", versuchte ich erst einmal mit ein paar bemüht ruhigen Worten klarzustellen, dass sie nicht zu befürchten hatte, dass ich tatsächlich irgendeine Form von romantischem Gefühl mit der Pflegerin verband. Aber die innere Unruhe meinerseits ließ sich auch aus der Tonlage nicht raushalten. Andererseits wollte ich nicht, dass Faye wegen meiner vorherigen Wortwahl dachte ich würde ihre Bedenken nicht ernst nehmen, also wurde ich nach einigen schweigsamen Sekunden noch ein paar mehr Worte los. "Aber wenn es dich irgendwie beruhigt, dann... kann ich die Gespräche mit ihr ja auf ein Minimum beschränken.", bot ich ihr mit einem Schulterzucken und einem leisen Seufzen als ich stehen blieb an, dass ich sie so weit wie nur möglich auf Distanz halten würde. Ich konnte ihr schlecht verwehren ins Zimmer zu kommen, wenn sie hier etwas zu tun hatte. Ich glaubte auch nicht, dass man hier irgendwo sowas wie eine Änderung des Schicht- und Arbeitsplans beantragen konnte, nur um einen ungeliebten Pfleger wegzukriegen. Sollte Faye keine Ruhe geben was diese Geschichte anbelangte würde ich es aber ziemlich sicher trotzdem versuchen. Einfach nur um unsere Beziehung von so viel unliebsamer Spannung wie möglich fernzuhalten, wo doch allein dieses Gespräch gerade schon mehr als genug davon auslöste.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie fand es gut, dass er den Brief direkt öffnen wollte. Weil sie ihm gerne dabei zuschaute, die Hoffnung hatte, dann zumindest für einen kurzen Moment sowas wie Freude auf seinem Gesicht erkennen zu können. Auch wenn er erst für die Dauer ein paar Sekunden seine Finger aus den ihren lösen musste, um den Umschlag überhaupt geöffnet zu kriegen. Dies dauerte aber nicht lange und sie bekam seine Finger schon wieder zwischen den ihren zu spüren, konnte seine Hand halten und immer wieder über seine Haut streichen, während sie ihn beim Lesen betrachtete. Allein das half ihr, sich ein Bisschen zu entspannen und zumindest einen kleinen Teil der Beklommenheit und Wut abzulegen, wenigstens für ein paar Minuten. Ihre Gesichtszüge verloren etwas von der Anspannung, die ein oder andere Sorgenfalte verschwand. Und erst, als Mitch sie ebenfalls wieder anschaute, mit einem kleinen, wundervollen Lächeln, das ihrem Herzen endlich wieder etwas Wärme zu spenden vermochte, liess sie den Blick nach einigen Sekunden sinken. Weil sie nicht wusste, was sie auf sein Danke erwidern sollte. Letztendlich zuckte sie also nur sachte mit den Schultern, strich weiter über seinen Handrücken, während ihr Blick auf dem Bild vor ihm lag. Das Bild, welches sie selbst schon stundenlang angestarrt hatte. Es war das Bild auf ihrem Nachttisch, das Bild in ihrem Geldbeutel, das Bild an ihrem Badezimmerspiegel, das Bild in ihrem Auto. Wahrscheinlich fragte sich jeder, der das Bild sah und sich dabei auch was überlegte, warum genau sie bitte ein Bild, welches offensichtlich im Krankenhaus aufgenommen worden war, während sie beide nicht gerade in Topform gestrahlt hatten, diesen Platz in ihrem Leben einnehmen durfte. Aber ihr bedeuteten die paar Fotos trotzdem die Welt. Ihre Welt. "Es ist halt nicht viel.... aber ich wusste nicht, ob mehr überhaupt möglich ist hier...", murmelte sie noch in sich hinein, löste ihre Augen wieder vom Tisch, um stattdessen wieder das Blau seiner Eisaugen zu betrachten, welches sie so unendlich vermisst hatte. Als Mitch wieder das Wort ergriff, brauchte Aryana einen Moment, um seinem Gedankengang folgen zu können. Sie blickte sich kurz im Raum um, entdeckte so ebenfalls die Snackautomaten, auf die er wohl anspielte. Ihre freie Hand wanderte zu ihrer Hosentasche und sie fischte einen Fünf Dollar Schein heraus, den sie kurz zwischen den Fingern drehte. "Hab ich eingesteckt fürs Parking, damit ich nicht zuerst zum Auto und nochmal zurück gehen muss... Dank meiner Faulheit dafür. Aber ich glaube, du kannst ihn trotzdem besser gebrauchen", lächelte sie sachte, erhob sich nach kurzem Zögern von ihrem Stuhl, ohne dabei seine Hand loszulassen. Sie würde nämlich selbstverständlich mit ihm zu dem Automaten gehen. Und die ganze Zeit seine Finger umklammern. Und dafür sorgen, dass er auch ja die ganzen fünf Dollar loswurde, damit sie nächstes Mal etwas mehr als nur fünf Doller mitbringen konnte.
Ihr Blick blieb fortan wie zähes Gummi an ihren Socken kleben. Auch, während er sich immer mehr von ihr zu lösen begann und schliesslich einen Schritt zurück trat. Sie hatte ihn nicht verletzen wollen, wirklich nicht. Sie wusste, wie ihre Worte klingen mussten. Nämlich so, als würde sie ihm nicht vertrauen. Als hegte sie Zweifel daran, dass er stark genug wäre, einer möglichen Versuchung zu widerstehen und stattdessen - mal wieder - bei ihr zu bleiben. Aber das wollte sie alles gar nicht haben und sie hatte keinen Grund, ihm nicht zu vertrauen. Es war nur ihr Kopf, ihr verdammter, viel zu selbstständiger Kopf, der sich da was ausmalte und ihr einen Streich spielte. Und es war ihr Herz, dass Victor in der Angst, ihn zu verlieren, immer wieder so kraftvoll von sich weg stiess. Faye hatte die Hände zu angespannten Fäusten geballt, öffnete und schloss diese abwechselnd, während sie zeitgleich wieder damit begonnen hatte, ihre Unterlippe zu malträtieren. Auch die Brünette schlich einige Schritte rückwärts, bis sie eine Wand erreichte. Nicht, weil sie Distanz wollte, sondern weil sie das Gesagte, das sie nie wirklich hatte sagen wollen, gerne ungeschehen machen würde. "Victor, ich... es tut mir leid... ich will das alles nicht denken... Ich vertraue dir, wirklich.. Es gibt nur... Dinge in meinem Kopf... Ängste in meinem Herzen, die ich nicht... beeinflussen kann... Die ich noch nicht... im Griff habe... ich will dich nicht verletzen, das... das ist nicht wegen dir... du... du bist halt nur wirklich... sehr... perfekt... Und ich bin sicher nicht die Einzige, die das sieht...", versuchte sie ihm zu erklären, dass ihn zu verletzen das Letzte war, was sie wollte. Ihm einen Vorwurf machen, wo er doch überhaupt nichts getan hatte. Aber es waren nunmal diejenigen, die selbst schon einmal hart auf die Fresse gefallen waren mit einem solchen Fehltritt in der Beziehung, die sich dann am allermeisten davor fürchteten, ihr Partner könnte ebenfalls in dieses Loch kriechen wollen. Nicht, weil für sie irgendein Teil des damaligen Fremdgehens schön oder auch nur geniessbar gewesen wäre. Aber weil ein untreuer Partner ein Grund weniger war, es selbst nicht auch zu tun. Wäre ja nur fair. "Du musst nicht... irgendwas anders machen... oder nicht mehr mit ihr reden... ich will nicht diese Psycho Freundin sein, die ab solchen Sachen die Wahnsinn verfällt.... Das ist mein Problem, Victor, nicht deines... oder ihres... Und wie du gesagt hast - ich weiss ja nicht mal, ob das wirklich stimmt, was mein Paranoia mir sagt... Wahrscheinlich sollte ich einfach... aufhören... mir Gedanken zu machen... Aber du weisst, wie schlecht ich darin bin", Faye hatte keine Ahnung, was sie überhaupt noch sagen sollte, um diese Situation nicht ganz so schlecht enden zu lassen, wie sie das gerade eingeleitet hatte. Sie wollte wirklich nicht, dass er glaubte, dass das irgendwas mit ihm zu tun hatte. Am liebsten hätte sie es ja gar nicht erst angesprochen. Aber es würde ja doch immer wieder kommen, in ihrem Kopf. Und es war nur eine Sache mehr, mit der sie nicht klar kam, die ihre Schultern schwer nach unten drückte, während sie versuchte, unter der Last weg nach vorne zu kriechen. Es war echt frustrierend, zu sehen, wie weit - oder eben nicht weit - sie bisher gerade mal gekommen war in den langen Wochen, die sie sich nun schon in psychologischer Betreuung befand. Die ihr immer wieder gefühlt nichts brachte, weil sie noch immer nicht klar kam, nicht selber bestimmen konnte, was sie denken wollte und was nicht.
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Womöglich hätte ich noch etwas genauer erklären sollen, worauf ich mit der Frage eigentlich hinauswollte. Aryana verschaffte sich stattdessen zeitnah selbst ein Bild von dem, was mir gerade am Herzen lag. Früher hatte ich solche Automaten des öfteren Mal geknackt, als ich noch im Heim gewohnt und mich mit ein oder zwei meiner wenigen Freunde in der freien Zeit auf den nahen Straßen im Viertel herumgetrieben hatte. Die Automaten in der kleinen Mall, die inzwischen sehr wahrscheinlich wegen der hiesigen Konkurrenz pleite gegangen war, waren vermutlich aber auch nicht wirklich vergleichbar mit den heutigen. Da war sicher deutlich weniger Technik im Spiel gewesen, wobei das Teil hier an der Wand zu überlisten wohl ohnehin nicht zur Debatte stand. Was schade war, weil man den Schein, den die Brünette kurzerhand aus ihrer Hosentasche zauberte, sicher sinnvoller hätte investieren können. Sowohl außerhalb, als auch innerhalb dieser Gefängnismauern. Dennoch versprachen die kleinen Snacks in den Automaten hier eine winzig kleine Linderung der Umstände, wenn vielleicht auch nur für ein paar Sekunden oder Minuten. Das war zwar genauso zu kurz wie dieser Besuch an sich, aber es war deutlich besser als gar nichts. "Du und faul? Du entwickelst ja ganz neue Züge.", ließ ich ein paar eher leise, aber recht sarkastische Worte verlauten. Das Foto und die Aussicht auf ein paar kleine Annehmlichkeiten schienen mich so weit von den Umständen hier drin abgelenkt zu haben, dass ein kleiner Witz tatsächlich drin war, während ich es Aryana gleich tat und aufstand. Ich warf noch einen knappen Seitenblick in Richtung des Wärters, aber der schien nichts dagegen zu haben. Beobachtete lediglich schweigend, wie wir uns vom Tisch weg und in Richtung des Automaten bewegten. Dass er uns nicht aus dem Blick ließ, solange wir nicht auf unseren Ärschen saßen, war kaum verwunderlich. Ich könnte ja Mist bauen, so ganz rein theoretisch. Jetzt in Aryanas Anwesenheit irgendwelche schlechten Knast-Manieren an den Tag zu legen wollte ich aber in absolut jeder Hinsicht vermeiden, er konnte also beruhigt sein. Am Automaten angekommen musterte ich erst einmal ein paar Sekunden lang das Angebot. Er war mit ziemlich vielen, typisch amerikanischen Snacks bestückt und es dauerte eine kleine Weile, bis mein Blick letztlich auf die Peanut Butter Cups fiel. Erdnussbutter auf Brot oder Ähnlichem war nicht so mein Fall, aber in Verbindung mit Schokolade war sie perfekt. Die Brünette neben mir hatte den Schein längst an den Automaten verfüttert und so warf ich ihr nur noch einen flüchtigen Seitenblick zu, bevor ich den entsprechenden Knopf betätigte und die Süßigkeit ihren Weg nach unten antrat. Ein bisschen was war von den fünf Dollarn aber noch übrig, also war ich so frei mir auch noch die etwas weniger teure Packung eher simpler, salziger Cracker zu genehmigen. Ich nahm die beiden handlichen Packungen mit den Fingern der freien Hand aus der Öffnung, wollte Aryana dann empfehlen, dass sie mindestens den Süßkram probieren musste, falls sie nicht wusste, wie das Zeug schmeckte, da wurde ich jäh von einer mir inzwischen nur allzu bekannter Stimme gebremst, kaum hatte ich mich wieder gänzlich aufgerichtet. "Oh, unser Verräter kriegt endlich Besuch... pass nur auf, dass sie dir keiner wegnimmt, Loverboy.", provozierte mich einer der Veteranen mit einem breiten Grinsen im Gesicht vollkommen unnötig, während er sich aus einem Getränkeautomaten zwei Meter rechts von uns eine Cola holte. Einfach nur weil er wusste, dass ich ihm hier gar nichts konnte. Einen kurzen Moment lang hielt ich inne und sah ihn an. Drückte Aryanas Hand dabei unweigerlich ziemlich fest, weil sich mein gesamter Oberkörper verspannte. Er hätte mir weiß Gott was Alles an den Kopf knallen können und es wäre mir egal gewesen, aber die junge Frau an meiner Hand war schlicht ein Tabuthema, für das ich ihm hier und jetzt gerne eigenhändig den Hals umgedreht hätte. Nach drei oder vier Sekunden, in denen ich ihn zumindest mit Blicken getötet hatte, lockerte sich aber mein Griff wieder und ich wendete mich wortlos von ihm ab. Setzte mich stattdessen Richtung Tisch in Bewegung und murmelte meiner besseren Hälfte auf dem Weg dorthin ein leises "Sorry." zu, weil ich ihr die Hand förmlich zerquetscht haben musste und indirekt auch deshalb, weil es mir leid tat, dass sie all das hier überhaupt sehen musste. Dass ich wieder deutlich leichter reizbar und launischer war - meine Mundwinkel klebten nach diesem winzigen Zwischenfall prompt wieder gefühlt an dem hässlichen PVC-Boden zu unseren Füßen - ließ sich einfach schwer verbergen. Gefühlskontrolle war ja leider noch nie meine Stärke gewesen.
Es klang aber nun mal irgendwie genau danach. So, als würde Faye mir plötzlich nicht mehr gänzlich vertrauen, weil da jetzt in ihren Augen eben eine Art von Bedrohung war, mit der sie nicht umzugehen wusste. Von der sie glaubte zu wissen, dass sie womöglich irgendwie verlockend für mich sein könnte. Warum auch immer. Ich selbst war noch nie der chronisch eifersüchtige Typ Mensch gewesen und vielleicht fiel es mir auch deswegen ein bisschen schwer all das nachzuvollziehen. Natürlich konnte selbst ich giftig werden, wenn ein Mann meiner Frau in meinen Augen zu sehr auf die Pelle rückte - beispielsweise mit einer zu innigen, offensichtlichen Umarmung oder ähnlichem -, aber ab davon vertraute ich wohl einfach leicht und gern, war treudoof. Es war angenehmer sich in der vermeintlichen Gewissheit zu wiegen, dass der Partner zu einem hielt und sich nur von einem abwenden würde, wenn es mit der Beziehung einfach nicht mehr funktionieren konnte, als sich ständig bei potenzieller Konkurrenz zu fragen, ob sie eine Bedrohung darstellte. Natürlich konnte ich damit auch auf die Schnauze fliegen, aber es ersparte mir bis jetzt zumindest immer psychischen Stress neben all den anderen Dingen, die ohnehin schon auf meinem kaputten Schädel lastete. Als Faye mich als perfekt betitelte kam ich nicht umher ein ungläubiges, leises Schnauben von mir zu geben. "Perfekt...", wiederholte ich murmelnd mit einem Kopfschütteln und richtete den Blick im Anschluss aus dem Fenster. Wahrscheinlich war ich noch nie weiter davon entfernt gewesen perfekt zu sein als jetzt. Außer vielleicht zu dem Zeitpunkt, als ich noch mit Morphium zugedröhnt im Bett gelegen hatte, weil sich der Schmerz und das erlittene Trauma direkt nach der Folter nicht anders aushalten ließ. Denn wenn ich eins wusste, dann, dass man mit starkem Schmerzmittel oder Antidepressiva einfach absolut nicht man selbst war. Trotzdem sagte ich sonst nichts dazu, bis sie nicht auch die nächsten zerstückelten Sätze noch losgeworden war. "Ja, na klar... also machen wir einfach alle so weiter wie jetzt, damit du wieder noch tiefer ins Loch fällst? Ganz sicher nicht.", verneinte ich mit ironischen Worten eindringlich, dass einfach gar nichts an der Situation zu ändern für mich nicht wirklich in Frage kam. Drehte dabei auch den Kopf wieder in Richtung der zierlichen jungen Frau. Ich wollte meine bessere Hälfte nicht den nächsten psychischen Absturz machen sehen, nur weil ich ihre Bedenken nicht ernst genug genommen hatte. Und ja, ich wusste nur zu gut, wie miserabel sie darin war einfach mal den Kopf auszumachen. Mir fiel das ja schon schwer genug, aber Faye war was das anging tatsächlich noch schlimmer dran. "Ich weiß wie schwer es ist, Faye, aber du musst wirklich... du musst wenigstens versuchen, mal ein bisschen besser vorwärts zu kommen. Mit der Therapie und allem, meine ich... ich weiß, dass sich das von mir jetzt leicht sagen lässt, weil ich diese ganze Scheiße schonmal durchgemacht habe und deswegen einfach ein bisschen besser weiß wo ich ansetzen muss. Aber es kann dir Niemand helfen den Arsch hochzukriegen... nicht mal ich. Du musst den ersten großen Schritt selber machen.", redete ich etwas planlos vor mich hin und unterstrich das Alles hier und da noch mit der einen oder anderen Handbewegung. Es wurde mit dem zu viel denken eben einfach nicht besser, wenn sie nicht anfing bewusst daran zu arbeiten ihr Hirn wieder in eine positivere Richtung umzupolen. Damit wollte ich gar nicht sagen, dass sie gar keine erkennbaren Schritte vorwärts machte, denn so war es ja gar nicht. Wir hatten jetzt schon ein paar maßgebliche Fortschritte gemacht, aber das eine, wohl größte Problem in ihrem Kopf war immer noch da. "Ich will dir keinen Druck machen. Ehrlich nicht. Aber du schaffst dir selber gerade nur noch mehr Probleme, die eigentlich nicht mal da sind.", seufzte ich und hob die rechte Hand als mir ein paar der etwas zu lang gewordenen Haarsträhnen auf die Stirn fielen, weil das Haarspray von heute morgen wohl langsam den Geist aufgab. Also fuhr ich mir durch die Haare und brachte sie an ihren eigentlichen Platz zurück.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +