Gut. Sie hatten sich also darauf geeinigt, dass sie beide nicht sterben würden. Klang ausgezeichnet in ihren Ohren und sie ging jetzt einfach mal davon aus, dass sie das auch so schaffen würden. Weil beidseitiges Überleben für sie beide eben die einzige Option war. Aber Überleben war eben nicht ganz das Einzige, was sie sich wünschten… Es wäre wirklich von ganz grossem Vorteil, wenn sie darüber hinaus auch noch straffrei oder zumindest ohne Abstecher ins Gefängnis aus dieser Scheisse hier raus kamen. Geldstrafen wären noch so eine Sache, damit konnte sie leben, sie nagten nicht am Hungertuch. Auch wenn es ärgerlich wäre, dem System, welches sie hier jahrelang mehr oder weniger im Stich gelassen hatte, irgendwas davon zurückgeben zu müssen. Trotzdem – lieber das als alles andere. Vor allem lieber das als eine Trennung auf ungewisse Zeit von dem Mann, der ihr in den letzten Monaten so viel ihrer verlorenen Menschlichkeit zurückgegeben hatte. Der ihr gezeigt hatte, wie sie wieder leben und wieder fühlen konnte, mit einer Perspektive für die Zukunft. Es wäre das absolut Unfairste, wenn ihnen diese Zukunft jetzt ein weiteres Mal gestohlen würde. «Das war meine Entscheidung, Mitch… Alles davon… Ich habe das gewusst… bevor ich mich… für dich entschieden habe… Und ich wäre sowieso… in die Hügel gefahren… um meine Schwester zu retten… Nur, dass wir ohne dich… alle gestorben wären», murmelte sie leise an ihn gewandt. Sie wollte nicht, dass er sich für all das verantwortlich machte. Vielleicht hatte er in der Vergangenheit einen grossen Fehler gemacht. Das wusste er aber und es war vorbei. Seit da war so vieles passiert und der Mitch, den sie kannte und liebte, würde nie seine Brüder und Schwestern verraten, weil er wütend auf den Staat war. Da war sie sich vollkommen sicher. Denn wütend auf den Staat waren sie beide immer noch, während alles andere weit zurück lag und längst bereut wurde. Sie blickte tief in seine hellen Augen, als er diese wieder ihr zu wandte. Wieder zuckte ihre Hand kurz, weil sie sie gerne an seine Wange gelegt hätte. Aber das war nach wie vor keine gute Idee, weshalb sie es dabei belassen musste, nur sachte über seine Finger zu streichen. «Irgendwie überstehen wir das… alles… zusammen… Und wenn es vorbei ist… wird das Leben besser», flüsterte sie weiter, ehe sie sich mühevoll nochmal etwas näher zu ihm hin beugte, ihm den nächsten, sanften Kuss auf die Stirn hauchte. «Ich… liebe… dich», und wenn sie das jetzt tat, würde sie es immer tun. Sie war kein Mensch, der gerne von ‘auf ewig’ und ‘für immer’ sprach, weil niemand wirklich sagen konnte, was das Leben letztendlich für sie bereithielt. Aber in diesem Fall hatte sie einen seltsamen Frieden über dieser Ewigkeit, war sich sicher, dass es so sein würde. Denn wie gross war ihre Chance gewesen, einen Menschen zu finden, der ihren eigenen Knacks so gut verstand und teilte? Relativ gering beziehungsweise Richtung Null. Aber sie hatte ihn trotzdem gefunden und jetzt gehörte Mitch unwiderruflich zu den Menschen, die Aryana nie wieder hergeben wollte. Er – und ihre Schwester, die hoffentlich nichts von all dem hier mitbekommen hatte.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Da hatte Aryana wohl Recht. Sie hatte von meinem Vergehen gewusst und sich trotzdem dazu entschieden auch nach der Rettungsaktion nicht damit zu Ragan oder einem anderen hohen Tier der Army zu gehen. Hatte mein Geständnis ihr gegenüber nicht weiter nach außen getragen, obwohl das eben eigentlich ihre Pflicht gewesen wäre, sondern sich stattdessen in mein damaliges Bett im Krankenhaus und in meine Arme verloren. Ob das nun eine kluge Entscheidung gewesen war sei mal dahingestellt, aber sie schien genauso wie ich nichts davon zu bereuen und es tat einfach gut das von ihr zu hören. Zu wissen, dass sie mir nicht die Schuld an der Misere zuschrieb, war in jedem Fall eine Erleichterung und sie nahm damit zumindest ein kleines bisschen von den Unmengen an Schutt bei Seite, der auf meine verhältnismäßig kaputte Seele drückte. Außerdem lockte Aryana mit ihren Worten wieder ein schwaches, kaum sichtbares Lächeln auf meine recht trockenen Lippen. "Ich war damals unheimlich erleichtert, dass du mir überhaupt noch zugehört hast, bevor wir aufgebrochen sind...", stellte ich der Wahrheit entsprechend leicht gemurmelt fest. "...ich hätt's mir wohl nie verziehen, wenn der Streit unser letzter Wortwechsel gewesen wäre.", hängte ich noch ein paar mehr Worte hinten ran. Die Brünette hatte mir, wie ich jetzt erst im Nachhinein so richtig merkte, unheimlich dabei geholfen zumindest damit anzufangen, all die Schuld auf meinen Schultern langsam zu verarbeiten. Ich war noch unheimlich weit davon sowas wie 'Schwamm drüber' sagen zu können, weil man schlicht nicht einfach mal eben so vergessen konnte, dass man unzählige Leute auf dem Gewissen hatte, die man eigentlich gar nicht wirklich hatte dem Tod weihen wollen. Aber dass die junge Frau ganz aus freien Stücken entschied trotz Allem bei mir bleiben zu wollen, machte es mir viel leichter weiter daran festzuhalten, dass es mit mir und meinem verkorksten Schädel womöglich doch noch nicht ganz zu spät war - sofern eben keiner von uns beiden in den Knast wanderte und wir nicht erneut voneinander getrennt wurden. Ich wagte nämlich stark zu bezweifeln, dass Gitterstäbe tagein, tagaus meinem Kopf besonders gut tun würden, wenn ich parallel dazu auch noch Aryana vermissen müsste. Ich wollte nicht mal daran denken und fixierte mich lieber gänzlich auf den nächsten, sachten Kuss auf meiner Stirn, der dicht auf ihre Worte folgte. Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, da hängte die junge Frau aber noch ein paar mehr Worte an, mit denen ich hier und jetzt nicht wirklich gerechnet hatte. Mein Blick war wieder nach unten auf ihre Halsbeuge abgerutscht und als ich die Augen jetzt erneut in ihre anhob, musste ich einen Moment lang wohl auch noch ziemlich überrumpelt aussehen. Nicht negativ behaftet, aber das hatte schlichtweg noch nie Jemand zu mir gesagt. Nicht in dieser Hinsicht zumindest. Hier und da hatten mir ehemalige enge Freunde oder auch Jetman mal gesagt, dass sie mich wie einen Bruder liebten, aber das war ja nicht ansatzweise hiermit zu vergleichen - zumal ich mir rückblickend betrachtet auch sicher war, dass zumindest meine Freunde in der Jugend das auch nicht wirklich ernst gemeint haben konnten. Jetman kaufte ich das ab, weil ich ihn als Freund schließlich genauso wenig missen wollen würde, auch nach der Army nicht mehr. Diese wenigen, dafür umso bedeutsameren Worte jedoch von der jungen Frau neben mir zu hören, radierte wohl all die negativen Gefühle zuvor restlos aus. Schob die fiesen Gedanken in die hinterste Ecke meines Kopfes zurück und ließ mich stattdessen mit einem aufrichtigen, glücklichen Lächeln zurück, nachdem ich die zwei Sekunden zum verarbeiten hinter mich gebracht hatte. Dann kam ein bisschen mehr Bewegung in mich, weil ich den verletzten Arm über ihren Körper hinweg nach ihrer Wange ausstreckte. Das unangenehme Ziehen an der Naht des Streifschusses am Unterarm ignorierte ich für den Moment weitgehend, als ich ihr sachte über die eine Wange strich und mich im gleichen Atemzug mit dem Kopf nach der anderen ausstreckte, um sie dort zärtlich zu küssen. Mir war viel mehr nach einem richtigen Kuss, hätte der doch wesentlich besser all die Gefühle ausgedrückt, welche die Situation in mir auslöste. Dann hätte ich im besten Fall aber die Brünette unter meinem Gewicht begraben und uns beiden nur noch mehr Schmerzen zugefügt, also fiel das vorerst flach. "Ich liebe dich auch.", hauchte ich im direkten Anschluss an den Kuss an ihre Haut, wobei das Lächeln gar nicht verklang. Das schien sich vorerst ziemlich vehement in meine Gesichtszüge einmeißeln zu wollen. Meine Hand musste dann langsam wieder den Rückzug antreten, weil sie erneut zu zittern begann, aber meinen Kopf lehnte ich noch ein bisschen länger an ihren.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wahrscheinlich hätte sie damals lieber nicht mir ihm geredet. Zumindest, wenns nach ihrem Kopf gegangen wäre. Sie hatte ihn für einen kurzen Moment gehasst, für alles, was er getan hatte, all die Menschen, die er in den Tod gestürzt hatte, offensichtlich ohne einen Augenblick darüber nachzudenken, was er damit anrichtete. Aber ihr Herz hatte das nicht geschafft. Nichtmal achtundvierzig Stunden lang. Sie hatte ihn kein zweites Mal abweisen und ihn auch nicht bei Ragan verpfeifen können, weil ihr Herz schon damals ohne ihr Wissen beschlossen hatte, ihn ein Bisschen mehr zu mögen, als all die anderen Soldaten, denen sie vor ihm begegnet war. Die sie nach einer solchen Aktion zweifellos nicht vor einer theoretisch gerechten Strafe bewahrt hätte. Nur dass Mitch seine Strafe bereits hatte, wie man gerade bestens hatte erkennen können. Es brachte nichts, ihn jahrelang hinter Gitter zu stecken, ihm alle Freude aus dem Leben zu saugen und ihn zu nichts als einer emotionslosen Hülle werden zu lassen. Dann wäre er wieder an dem Punkt, von dem aus er zum Verrat an seinem eigenen Volk gestartet war. Und sie wollte auf keinen Fall, dass er wieder dorthin zurück ging, dass er wieder so verbittert und voller Hass wurde, wie er es vor einiger Zeit gewesen war. Es würde keinen der toten Soldaten zurückbringen und es würde keine Schuld begleichen. Auch wenn das Justizsystem das so wollte. All die Gedanken über die möglichen Folgen der Vergangenheit wurden beiseite gewischt und durch ganz andere Emotionen als Angst und Unsicherheit ersetzt, als sie das Lächeln auf dem Gesicht ihres Freundes sah. Er wirkte etwas überrascht von ihren Worten, weil er wohl nicht erwartet hatte, dass sie beschloss, diese hier und jetzt tatsächlich in den Mund zu nehmen. Aber es gab keinen Grund, länger zu warten. Aryana war sich sicher, dass sie ihn liebte, dass alles davon echt und fest in ihrem Herzen verankert war. Und sie wollte es ihm sagen, weil ihr einmal mehr klar geworden war, wie schnell das Leben vorbei sein konnte und damit auch jede Chance, Mitch über das Ausmass ihrer Gefühle in Stand zu setzen. Sie wollte, dass er es wusste, weil sie glaubte, dass es ihm genauso ging. Trotzdem war es in Ordnung, dass er erstmal nichts darauf sagte, dass er möglicherweise noch nicht bereit war, ebenfalls von Liebe zu sprechen. Sie brauchte es nicht zu hören, denn seine Taten sprachen Bände. Und das Strahlen auf seinem Gesicht, in seinen Augen, welches sie genauso erwiderte. Er legte seine Finger an ihre Wangen, obwohl diese Bewegung eigentlich schon zu anstrengend gewesen sein musste. Und dann spürte sie seine weichen Lippen auf der anderen Seite, schloss für einen Augenblick rundum glücklich die Augen. Nur um diese ein paar Sekunden später sofort wieder aufzuschlagen, als der Klang seiner Stimme so nahe an ihrem Ohr eine Gänsehaut auf ihrem ganzen, schwachen Körper auslöste. Und nun war sie es, der das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht weichen wollte. Er hatte es tatsächlich gesagt. Sie hatten es beide gesagt und das, obwohl sie beide seit ewig nicht mehr – oder noch nie – so gefühlt hatten. Ihre Hand zuckte auf dem weissen Laken, sie schob die Finger so weit wie möglich in seine Richtung, um wieder nach seinen Eigenen zu greifen und über jeden geliebten Millimeter seiner Haut zu streichen, den sie erreichen konnte. «An dieser Stelle… wäre mindestens ein Kuss… oder etwas mehr… eigentlich schon angebracht…», hauchte sie versonnen vor sich hin und drehte vorsichtig den Kopf zu ihm hin. Ihre Seele, ihr Geist, ihr Kopf und ihr Herz wären ja alle sehr bereit dazu – nur dumm, dass ihr Körper das gerade absolut nicht mitmachen wollte. Spielverderber. Obwohl sie es eigentlich besser wissen sollte, rutschte sie mit sehr langsamen, schwerfälligen Bewegungen etwas im Bett nach unten, sodass sie nach einigen mühevollen Versuchen mehr oder weniger auf Augenhöhe mit Mitch war. Dann musste sie erstmal für eine Sekunde die Augen schliessen, weil irgendwer ihr in den Kopf hämmern wollte, dass das Bisschen Rutschen schon zu viel gewesen war. Aber auch davon liess die Brünette sich nicht für mehr als einen kleinen Moment beirren, ehe sie die Lider wieder aufschlug und das Blau von Mitchs Augen suchte. Sich noch ein Bisschen vorbeugte, um endlich seine Lippen zu erreichen, nach denen sie sich so sehnte.
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Auf gewisse Art und Weise war es irgendwie auch ein bisschen befreiend, dass ich Aryana nun gesagt hatte, wie ich für sie empfand. Es war nicht so, als hätte ich mir dahingehend irgendwelchen Druck gemacht, weil der Brünetten ja sicher bewusst war, dass ich derartige Worte kaum mal einfach so in den Raum warf, aber trotzdem fühlte sich diese angenehme Form von Geständnis wirklich gut an. Die Gewissheit, dass die junge Frau genauso für mich empfand, wie ich für sie hatte ich vorher auch schon gehabt, weil sie mir all die schönen gemeinsamen Momente nicht dermaßen glaubwürdig hätte vorspielen können. Dafür lag sie viel zu oft mit einem aufrichtigen, herzlichen Lachen in meinen Armen, nachdem ich einen meiner zahlreichen, trockenen Witze hatte verlauten lassen. Ich erkannte ehrliche Freude und echte Gefühle, wenn ich sie sah und in diesem Fall beruhte das ohne jeden Zweifel auf Gegenseitigkeit. Umso mehr vertrat ich auch Aryanas Ansichten bezüglich der eigentlich notwendigen, besseren Art von körperlicher Nähe, um den vorangegangenen Worten noch einen Stempel aufzudrücken. Das war nicht zwingend notwendig, aber hätte uns den Moment einfach noch mehr versüßt. Blöd nur, dass uns dabei unsere Verletzungen weiterhin ganz gekonnt im Weg standen - mehr oder weniger zumindest, denn meine bessere Hälfte war kurz nach ihren Worten drauf und dran, dem Ganzen nachzugehen. Dabei war ich mir nicht ganz sicher, was ich eigentlich mehr wollte: Dass sie stillhielt und ihren Körper schonte, oder doch lieber der schon bald folgende, zärtliche Kuss? Vermutlich letzteres, aber ich hätte es dennoch willkommen geheißen, wenn irgendwie beides möglich gewesen wäre. Denn es war ihr doch recht deutlich anzusehen, dass sie allein dieses bisschen Umpositionieren und Drehen schon ziemlich belastete. Ich kam ihr also immerhin ein bisschen zur Hilfe, indem ich mich ihr auf den letzten paar Zentimetern so gut es ging entgegen streckte, bevor ich mich dem sanften, liebevollen Kuss hingab. Sex wäre an dieser Stelle sicher auch schön gewesen, aber ich nahm alles, was ich zum jetzigen Augenblick überhaupt bekommen konnte, gerne entgegen. Gestaltete den Kuss jedoch nicht zu lange oder zu atemlos, weil uns das beide sicher nur noch mehr zu einem im Anschluss hektischen Atmen gebracht hätte. Legte dafür alles an Gefühlen hinein, die in jenem Moment meine Brust für sich einnahmen. Sah die Brünette nach dem zärtlichen Kuss glücklich vor mich hin lächelnd an, bevor ich noch einen lediglich auf ihre Lippen gehauchten, zweiten Kuss anfügte. "Na ja, was solls... blödes Timing ist wohl irgendwie unser Ding, also kommt das etwas mehr einfach wieder irgendwann später...", murmelte ich im Anschluss ein paar leise, aber hörbar belustigte Worte an ihre Lippen und sah ihr erneut in die braunen, immer so schön vor sich hin schimmernden Augen. Nun wieder über ihre Wange zu streichen war jetzt auch einfacher, weil ich die Hand dabei ein wenig ablegen konnte. Dass wir es mit dem zeitlich geschickten Abpassen inniger Momente wohl einfach nicht so hatten, war nichts Neues. Immerhin hatten wir auch unseren ersten Kuss schon im Zimmer eines Krankenhauses hinter uns gebracht, wie sollte es da mit den Worten Ich liebe dich anders sein... womöglich lag es auch einfach daran, dass uns gerade mit schmerzlichen Wunden an diese Betten gefesselt immer schrecklich bewusst wurde, wie vergänglich das Leben eigentlich war. Dass wir bestenfalls jeden uns verfügbaren, gemeinsamen Moment damit verbringen sollten, uns nur immer noch näher zu kommen, sofern das überhaupt noch möglich war. Schließlich hatte ich mich in meinem ganzen Leben noch nie einem Menschen so verbunden gefühlt wie Aryana und die richtig innige Wiedervereinigung würde hoffentlich nicht ewig auf sich warten lassen. Von wirklich regelmäßigem Sex waren wir sowieso ein Stück weit entfernt, weil es nicht besonders einfach war, unauffällig mit einem der führenden Köpfe im Camp ins Bett zu steigen. So einfach wie Victor und Faye hatten wir es dabei nicht, wo das Zelt des Sergeants doch nicht weit von Ragans entfernt lag und das allein dadurch schon gänzlich wegfiel. Wir fanden immer wieder günstige Mittel und Wege, aber von richtiger Regelmäßigkeit würde ich da nicht sprechen. Weiterhin besser als gar kein Sex, aber ich hätte absolut nichts gegen mehr davon einzuwenden gehabt. Blieb zu hoffen, dass der Lieutenant seine Hand für uns beide ins Feuer legen und dadurch alles leichter werden würde, nachdem wir jegliche Verhandlungen diesbezüglich erst einmal hinter uns hatten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Möglicherweise war ihr noch immer etwas schwindlig, als sie sich zu ihm vorbeugte. Aber dank den ganzen Substanzen, die von dem Beutel mit der klaren Flüssigkeit in ihre Blutbahnen flossen, konnte sie das ziemlich gut ignorieren. Und darüber war sie auch froh, da sie sich viel lieber auf etwas ganz anderes konzentrieren wollte. Seine Lippen, seine Nähe, sein Geschmack und diese Gefühle. Ausgelöst durch diese drei so berühmten Worte, die sie bisher nie in den Mund genommen hatten, obwohl es eigentlich so offensichtlich gewesen war. Denn eigentlich liebten sie sich nicht erst seit gestern. Es hatte nur mal wieder einen Fast-Tod gebraucht, um ihnen das klar zu machen. Um ihnen die Zeit und die Gründe zu geben, über ihre Gefühle nachzudenken und sich mal wieder aus dem Herzen zu sprechen. Aryana genoss den Kuss, lächelte innerlich weiter vor sich hin. Auch wenn sich Mitchs Lippen ihrer Meinung nach viel zu bald wieder von den ihren lösten... wahrscheinlich war es besser so, weil der Monitor im Hintergrund schon jetzt ihre beschleunigte Herzfrequenz anzeigte und sie ja keinen Arzt damit anlocken wollten. Aber schade war es eben trotzdem, denn sie sehnte sich noch immer nach mehr, nach Küssen und Zärtlichkeit und Nähe. "Allerdings...", murmelte sie zurück, schlug dabei langsam die Augen wieder auf, um direkt in die Seinen zu blinzeln. Dieser Anblick wiederum liess sie sofort wieder versonnen vor sich hin lächeln. Denn egal wie dumm ihre Situation mal wieder war - zu wissen, dass sie gemeinsam hier lagen und sich nicht verloren hatten, sich viel eher näher als je zuvor gekommen waren, war das alles wert. "Kanns kaum erwarten...", schob Aryana sarkastisch nach, noch immer auf seine vorhergehenden Worte bezogen. Wenn sie dann mal wieder fit waren... und vorzugsweise nicht mehr unter der Beobachtung eines ganzen Armycamps... wenn sie nicht mehr verboten waren... und sie endlich alles tun konnten, was sie wollten. Dann würde etwas mehr endlich auch kein Problem mehr sein. "Können wir uns darauf einigen... dass wir uns von jetzt an auch küssen und... nette Dinge sagen können... ohne dafür fast gestorben zu sein... oder in einem Krankenhausbett zu liegen..? Das fände ich irgendwie ziemlich reizend", hauchte sie, beugte sich nochmal die paar Millimeter vor, die sie brauchte, um ihm einen weiteren kleinen Kuss auf die Lippen zu setzen. Der erste Kuss war so... Das erste 'ich liebe dich' war so... "Meinst du, das nächste Mal, wenn wir im Krankenhaus liegen... machst du mir den lang erwarteten Heiratsantrag?", säuselte sie grinsend ihre Gedanken vor sich hin, wobei ihre müden aber schon wieder amüsiert funkelnden Augen ihn unverblümt anblicken. Als wäre Heiraten bei ihnen irgendwie ein Plan der nahen Zukunft, als hätten sie darüber schon tausend Mal gesprochen.
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Ich fing bei ihren Worten unweigerlich wieder ein bisschen zu grinsen an. Ließ die Mundwinkel auch beim nächsten Kuss noch angehoben, den ich liebevoll erwiderte. Es unterstrich mir nur noch einmal mehr, wie sehr wir beide eben einfach nicht normal waren. Natürlich wollte ich aber genauso wenig wie Aryana, dass es jetzt immer einen Fast-Tod erforderte, nur damit wir irgendwie noch näher zusammenrückten und neue Stufen erklommen, die wir bis dahin noch gemieden hatten. Das war nichts als besonders schmerzhaft und im Anschluss war es dann noch dazu jedes Mal ein unheimlich nerviger, langwieriger Heilungsprozess, auf den ich gerne verzichten konnte. Nicht nur wegen der jedes Mal antretenden Zwangspause des Sports, der mit einer der Hauptgründe dafür war, dass ich halbwegs ausgelastet war, sondern auch weil ich die Ansicht vertrat, dass die letzten paar Wochen und die noch folgenden zusammen insgesamt eigentlich schon genug für ein ganzes Leben waren. Ich hasste die eintönigen Zimmer, das Personal war auf penetrante Art und Weise viel zu fürsorglich - war zwar nur deren Job, aber ich war nun mal kein Opa, den man verhätscheln musste, weil er selbst nichts mehr konnte - und die mich immer wieder zur Vorsicht mahnenden Ärzte, die mehrfach betonten, dass ich meine Verletzungen möglichst wenig Belastung aussetzen sollte, wenn ich hier erstmal wieder raus war. Von mir aus konnten Aryana und ich also zukünftig liebend gern auf Aufenthalte hier drin verzichten und einfach wie eine Spur gewöhnlichere Leute dazu übergehen, uns im normalen Alltag hier und da mal ein paar nette Dinge zu sagen. "Mir reicht's jetzt wirklich mit den Krankenhäusern... also ja, wir sollten uns langsam mal Mühe damit geben, das nicht die Regel werden zu lassen... Kitsch und Klischees sind zwar nicht so mein Ding, aber ich geb' mein Bestes.", antwortete ich wieder mit der gewissen Ironie in der Stimme und grinste noch immer vor mich hin, als ich der Brünetten ein weiteres Mal zärtlich über die Wange strich und dann noch einen Kuss auf ihre vollen Lippen hauchte. Inzwischen fiel es mir leichter, Aryana hier und da immer mal zu sagen, dass ich die Zweisamkeit mit ihr sehr genoss und sie nicht mehr missen wollte. Das hieß wiederum aber nicht, dass ich wirklich jede erdenkliche Möglichkeit dazu nutzte, ihr irgendwelche überschwänglichen Komplimente zu machen. Schöne und liebevolle Worte ja, übertriebener Kitsch nein - allerdings glaubte ich auch zu wissen, dass die junge Frau auf massig viel Kitsch so wie ich ganz gut verzichten konnte. Sollte sich das im Laufe der Zeit noch ändern... tja, dann müsste ich vermutlich Irgendjemanden um Rat fragen. Victor wäre dabei vermutlich meine erste Anlaufstelle, wo er und Faye doch irgendwie so das einzige Paar waren, mit dem ich was zu tun hatte. Zwar hatte deren Beziehung sicher ein wenig unter den Erlebnissen in den Hügeln gelitten, aber trotzdem waren sie dabei ziemliche Vorreiter. Ich hoffte einfach mal, dass es zu so einem komischen Gespräch zwischen Victor und mir nicht kommen musste. Bei Aryanas Bemerkung bezüglich des Heiratsantrags konnte ich nicht anders, als leise in mich hinein zu lachen. Ich dachte ja oft und gerne daran zurück, wie oft wir zum Spaß von der Heirat und damit der finalen Beendigung ihrer nicht existenten Jungfräulichkeit geredet hatte. "Ich bin untröstlich, aber ich fürchte auf den wirst du noch eine ganze Weile warten müssen.", erwiderte ich erst einmal theatralisch, wobei mein schauspielerisches Talent dabei wohl nicht ganz so gut zum Vorschein kam wie sonst immer. Mir fehlte eben leider die Energie für untermalende, dramatische Gesten. "Außerdem ist dir so ein hässlich weißes Zimmer wohl kaum würdig... und ich mach ungern halbe Sachen... also sollte es dazu tatsächlich irgendwann kommen, dann definitiv unter schöneren Umständen als uns zwei Krüppeln in einem Krankenhausbett.", redete ich amüsiert weiter vor mich hin ohne den Blick von ihr abzuwenden, hatte bis jetzt natürlich noch nicht einen einzigen ernsten Gedanken daran verschwendet, Aryana irgendwann vielleicht mal vor den Altar zu führen. Ich würde da jetzt auch noch unter keinen Umständen irgendwas in Stein meißeln, hatte ich doch definitiv nicht vor, das irgendwann zeitnah in die Tat umzusetzen. Ich liebte Aryana mit jeder Faser meines Körpers, aber für ernsthafte Gedanken in diese Richtung war es echt noch sehr viel zu früh.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Gut, dass sie das geklärt hatten – sie für ihren Teil fand nämlich auch nicht viel Gefallen am Gedanken an weitere Krankenhausbesuche in der Zukunft. «Hm… Versteh ich zwar nicht… aber okay…», meinte sie trotzdem ironisch, genoss auch den nächsten Kuss und verlor sich ein weiteres Mal in seinen Augen und den Gefühlen, die seine Nähe und seine Berührungen in ihr auslösten. Es war wirklich verrückt, wie sehr sie ihn liebte, welche Ausmasse diese Liebe in so wenigen Monaten schon angenommen hatte. Natürlich kannte sie ihn schon ein paar Jahre, aber vor nicht allzu langer Zeit war an sowas wie dieser Zweisamkeit hier ja gar nicht zu denken gewesen. Sie hätte jedem den Vogel gezeigt und beim blossen Gedanken daran die Augen verdreht. Und ihm wäre es ziemlich genau gleich gegangen, da war sie sich relativ sicher. Und doch lagen sie jetzt hier wie Romeo und Julia, als wären sie füreinander bestimmt. Oder lieber nicht Romeo und Julia, sie hatte nicht vor, so bald schon mit ihm zu sterben. Bonnie und Clyde vielleicht? Das klang eher nach ihnen. Stichwort Lieutenant Warren… Wobei sie ja nicht unbedingt darauf abzielten, rechtschaffene Leute zu töten. Nur Verbrecher und solche, die ihnen gleichfalls nach dem Leben trachteten. Aber das war eine andere Geschichte. Vielleicht würden sie eines Tages auch ein Buch schreiben… Und nach ihrem Tod hatte irgendein Auserwählter die Ehre, dieses Buch veröffentlichen zu dürfen. Und jeder wäre unendlich geschockt, dass ausgerechnet zwei so unglaublich liebreizende Menschen tatsächlich einem derart bewundernswerten, gewissenhaften Lieutenant der Army so grauenvoll das Leben aus den Adern gesaugt hatten. Schrecklich. Und sie würden vom Himmel runter lachen. Oder von der Hölle rauf. Oder sich einfach wohlig zufrieden zweimal im Grab drehen, weil sowas wie ein Leben nach dem Tod gar nicht existierte. Und das war gut so. Darum lebten sie ja hier und jetzt zum Vollsten. Seine Antwort auf ihren Vorschlag mit dem Heiratsantrag, liess auch die Brünette leise lachen, während das Grinsen auf ihrem Gesicht nur umso breiter wurde. «Nein wie schade… Ich wäre absolut bereit dazu gewesen… dir hier und jetzt die Ewigkeit zu versprechen…», seufzte sie traurig, wobei ihr die Enttäuschung wohl keiner recht abnahm, wenn sie dabei so amüsiert vor sich hin grinste und ihn so dämlich verliebt anblinzelte. «Ich weiss nicht, was du gegen dieses Krankenhauszimmer hast… Ist doch voll schön… und romantisch… alles in Weiss, passend zur Hochzeit…», sinnierte sie verständnislos vor sich hin, strich mit ihren Fingern kurz über das weisse Bettlacken. Ja, doch, hier liesse es sich doch ganz wunderbar heiraten. Gerade dann, wenn man so wenig Sinn für Romantik und Kitsch hatte wie sie beide. «Und Krüppel sind wir noch lange nicht… Wenn du mir fünf Minuten gibst… kann ich sicher schon fast… die ganze rechte Hand heben», erklärte sie voller Stolz, ehe sie sich eben dazu anschickte. Weil sie ihn eigentlich gerne berührt hätte. Aber irgendwie war der Arm so schwer mit den ganzen Verbänden und unter der Betäubung, die sie noch immer halb lähmte, dass sie letztendlich nur bis zu seiner Hüfte kam, wo sie die Finger unter den Stoff seines Shirts schob. So immerhin noch ein Bisschen was von ihm zu spüren bekam, während sie sich stattdessen dazu anschickte, ihn ein weiteres Mal sanft zu küssen. "Mein lieber Josef... Wer hätte gedacht, dass wir ein weiteres Mal so enden...", hauchte sie an seine weichen Lippen, während ihre Augen langsam wieder zufielen. Immerhin waren sie zusammen hier. Immerhin lebten sie beide noch...
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War das so, ja? Vor meinem inneren Auge flackerte kurzzeitig ein Bild von uns beiden auf. Wie ich mich neben das Bett kniete, dabei Höllenqualen erlitt und irgendwann einfach umkippte, bevor es überhaupt erst dazu hatte kommen können, dass ich ihr den Ring an den Finger schob. Stattdessen würde mich Jemand vom Boden kratzen und zurück in mein eigenes Bett schleifen müssen, weil mein Körper den Geist aufgeben würde. Zumindest in der Theorie gab das ein relativ witziges Bild ab, wirklich ausprobieren wollte ich es aber weiß Gott nicht. Auch unabhängig davon, dass ich hier und heute ganz sicher nicht heiraten wollte, würde ich mir die Schmerzen gerne ersparen. Zwar würde das Morphium sicherlich den Großteil davon verschleiern, aber ein unsanftes zu Boden gehen würde ich sehr sicher trotzdem zu spüren kriegen, von meinem vor sich hin jammernden Oberschenkel in dieser belastenden Position mal ganz abgesehen. War also gut, dass wir beide uns einig damit waren nicht hier und jetzt das Tanzbein auf dem Hochzeitsparkett in Form des hässlichen PVC-Bodens schwingen zu wollen. "Klar... so blass wie wir beide im Moment sind fallen wir vor dem Hintergrund bestimmt auch absolut nicht auf... macht sich auf den Hochzeitsfotos dann sicher sehr gut, mit unseren wahnsinnig schicken Outfits... ich humpel' wohl lieber schon mal los, um die Ringe zu besorgen... vielleicht bin ich dann sogar noch zurück, bevor wir entlassen werden.", blieb ich bei dem durchweg ironischen Gerede, konnte aber nicht recht aufhören zu grinsen. Zwei blasse Menschen in Krankhausfummeln, die sich vor einem durchweg weißen Hintergrund das Ja-Wort gaben - kein Bild für die Götter, aber einfach amüsant, solange es nicht zur Realität wurde. Aryana war der Meinung auch die Aussage zu unserem aktuell ziemlich verkrüppelten Zustand revidieren zu müssen und ließ mich ein klein wenig mit den Augen rollen. Aber klar doch. Vermutlich konnte ich gar nicht so schnell gucken, wie sie nach dem Heben ihrer Hand dann ganz aufstand und sich daran machte schon einmal für den Hochzeitstanz zu proben. Noch Blumen zur Deko zu besorgen oder weiß Gott was alles für eine normale Hochzeit notwendig wäre. Ich war mir sehr sicher damit, dass ich weder jetzt, noch irgendwann in Zukunft besonders viel Lust auf monatelange Planung hatte. Hoffte unterbewusst vielleicht ein bisschen, dass jene Zeremonie ohnehin nur im kleinen Kreis stattfinden würde. Glücklicherweise brauchte ich mir dazu jetzt keine Gedanken zu machen. "Ach, wenn's nur fünf Minuten sind...", erwiderte ich gespielt erleichtert und durfte schon bald Aryanas Finger an meinem Oberkörper spüren, was das Grinsen dann doch recht bald zu einem Lächeln schmälerte. Es war in diesem Augenblick noch sehr viel mehr Balsam für meine Seele, als für meinen Körper. Ich würde wohl selbst von den nur kurzen Küssen nie genug kriegen, erwiderte auch den folgenden wie die vorherigen zärtlich, liebevoll. Der daraufhin gesprochene Satz seitens Aryana ließ mich dann noch einmal breiter lächeln. Hatte wahrscheinlich Niemand gedacht, dass wir auch dieses Mal wieder lebend aus der Hölle schlüpften. Realistisch betrachtet war das auch einfach ziemlich unwahrscheinlich gewesen, aber wir hatten die Sache ja doch ein weiteres Mal zu unseren Gunsten abwenden können. Nicht ohne gewisse Einbußen, aber immerhin. Josef wurde zwar bestimmt nicht mein liebster Spitzname, aber Maria war auch nicht viel besser. "Braucht wohl mehr als eine halbe Armee, um uns platt zu machen...", murmelte ich vor mich hin, lehnte dann meine Stirn vorsichtig an ihre. "...und solange wir zusammenbleiben wird sich daran auch nichts ändern.", hängte ich noch ein paar mehr eher leise Worte an, bevor ich meine Stirn wieder von der ihren löste und mich stattdessen ein wenig mühselig nach oben streckte, um dort stattdessen einen sanften Kuss zu platzieren.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Gut, die Vorstellung war damit wohl vollständig. Sie würden definitiv in einem Krankenhaus heiraten und es würde wundervoll werden, von diesem Plan brachte sie jetzt keiner mehr ab. "Ja, los, geh nur... Ich werd derweil die Lichterketten aufhängen... Und die passende AC/DC Platte auflegen", willigte sie frohen Mutes ein. Als möchte sie wirklich, dass er wieder aus ihrem Bett verschwand, sie noch dazu alleine im Zimmer zurückliess. Nein besser nicht. Sie hatte sich gerade wieder an seine Nähe gewohnt und war alles andere als gewillt, ihn schon wieder herzugeben. Mussten die Ringe also leider noch etwas warten. Aryana wurde wieder etwas ruhiger, weil sie dank den vielen Drogen, die sich in ihr Blut gemischt hatten, doch noch immer dezent müde war. Aber das glückliche Lächeln zierte trotzdem weiterhin ihr ganzes Gesicht und entspannte ihre sonst oft so entschlossenen oder besorgten, wenn nicht sogar verbissenen Züge. "Uns kriegen sie doch... niemals... kaputt... Du weisst doch... Unkraut vergeht nicht", murmelte sie vor sich hin, genoss den Kuss, welchen er ihr im Anschluss auf die Stirn hauchte. Sie hielt die Augen vorerst geschlossen, lehnte ihren Kopf aber dicht an ihn heran und ihre Finger strichen noch immer hin und wieder über seine warme Haut. Sie hatten wirklich unnormal viel Glück. Und das hatte sie schon ihr ganzes Leben gehabt. Warum sonst sollte ausgerechnet sie mit dem risikofreudigsten Lebensstil in der ganzen Familie im Gegensatz zu all den anderen noch am Leben sein? Und dazu wohl psychisch sogar noch im besseren Zustand als ihre Schwester? Gut, vielleicht lagen ihre Verletzungen und ihr Knacks auch etwas tiefer verborgen, waren besser geschützt hinter ihrem Schild von Abweisung und Kälte, während Faye gar nicht anders konnte, als jeden so offensichtlich wissen zu lassen, wenn es ihr eben nicht so gut ging. Das war schon immer so gewesen. Aryana kam nicht weiter mit ihren sinnlosen, schwerfälligen Gedanken, weil nach einem knappen Klopfen die Zimmertür aufgezogen wurde, um einer kleinen Gruppe von Leuten Einlass zu gewähren. Die junge Brünette hätte sie gerade sehr viel lieber weiter nach draussen gesperrt, aber sie wurde natürlich nicht um ihre Meinung gefragt. Keiner von ihnen. Alles was sie ernteten, waren Blicke, die deutlich ausdrückten, dass keiner der frisch Anwesenden wirklich einverstanden war mit ihrem Verhalten. Darum schoben sich Aryanas Finger noch weiter über Mitchs Körper unter sein Shirt. Damit er bloss nicht auf den Gedanken kam, wegzugehen. Egal, was diese Ärzte, Armyleute und wer auch sonst noch gerade ins Zimmer gelatscht war, wollten.
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An diesem Musikwunsch hatte ich ehrlich gesagt kein bisschen was auszusetzen. Ich mochte viele verschiedene Musikrichtungen und gegen klassischen Rock hatte ich absolut nichts einzuwenden. Manch einer mochte vielleicht jetzt behaupten, dass das nicht unbedingt die passende Musik für eine Hochzeit war, aber wann gab ich schon mal wirklich viel Wert auf die Meinungen anderer? Aryana ausgenommen, aber das verstand sich inzwischen von selbst. Sie würde sicher auch für sehr lange Zeit die einzige Person bleiben, von der ich mich beeinflussen ließ. Aber ich war ihr wirklich dankbar dafür, denn es war ziemlich sicher notwendig, dass mir hier und da mal Jemand auch zukünftig die Grenzen aufzeigte. "Klingt vorzüglich.", äußerte ich mich dazu also nur noch knapp mit ein paar sarkastischen Worten. Reichte jetzt dann vermutlich auch langsam wieder damit unsere imaginäre Hochzeit zu planen, falls man das überhaupt so nennen konnte. Ich gab mich eindeutig noch gleich viel lieber weiter dem Gedanken hin, dass wir wie lästiges Unkraut waren, dass sich der eine oder andere vielleicht anders oder gar ganz weg wünschte. Interessierte uns eben nur reichlich wenig, solange wir diese unkaputtbare Rüstung beide anbehielten und uns nicht aus dem Boden reißen ließen, die Wurzeln fest verankert blieben. Ineinander verhakt noch dazu. Einzeln ausreißen war quasi gar nicht möglich. Redete ich mir zumindest weiterhin liebend gerne ein. Aryanas Worte hatten mich nur noch breiter lächeln lassen und ich legte möglichst vorsichtig meinen verletzten Arm um ihren Körper, um ihr damit ohne Worte eine passende Antwort zu liefern. Wieder zog die Wunde unangenehm wegen der Naht, aber soweit ich das spüren konnte hatte sie zumindest nicht wieder zu bluten angefangen. Noch nicht jedenfalls, der Verband blieb trocken. Trotzdem legte sich mein Arm nur verhältnismäßig locker um die die schlanke Brünette, weil ich ihr wirklich nur ungern weh tun wollte. Meine Hand kam gerade hinter ihr auf der Matratze zum Liegen, damit ich die Spannung im Arm nicht halten musste, als es an der Tür klopfte. Das hatte unweigerlich zur Folge, dass sich das fast schon selige Lächeln postwendend aus meinem Gesicht wischte und ich die Augen erneut öffnete, um in Richtung der Eindringlinge zu sehen. Dabei wanderten meine Augenbrauen angespannt auch etwas tiefer, wo doch auf Anhieb zu erkennen war, wie wenig die Allgemeinheit von der aktuellen Situation begeistert war. Aryana und ich wünschten uns sehr sicher beide nur unsere gemeinsame Ruhe zurück, was mir ihre Hand an meinem Oberkörper doch sehr deutlich machte, während der Rest der Anwesenden kein Stück begeistert davon zu sein schien, dass ich mich zu meiner besseren Hälfte ins Bett gesellt hatte. Wenn es nach mir ging könnten wir diese im ersten Moment lediglich mit Blicken ausgeteilte Unzufriedenheit gerne damit bei Seite schaffen, dass die anderen wieder außerhalb dieses Zimmers ihrer Wege gingen - pures Wunschdenken. "Sie hätten wirklich Bescheid geben sollen, als sie wach geworden sind, Miss Cooper.", tadelte der Arzt zuerst Aryana, wobei diese Worte mit einem Seitenblick auf mich wohl auch ein Vorwurf an mich waren. Ich hätte in den Augen des Quacksalbers wohl ebenso Bescheid geben können, dass die Brünette das Bewusstsein wiedererlangt hatte. Von mir bekam er aber nicht mehr als ein genervtes Augenrollen, während ich keinerlei Anstalten dazu machte mich wieder von der jungen Frau zu lösen. Ich wollte einfach nicht, sah keinen plausiblen Grund dafür, warum ich das hätte tun müssen. Offenbar war das auch den umstehenden Leuten klar, wobei sich als nächstes ein mir unbekannter Kerl in einheitlicher Army-Kleidung zu Wort meldete. Vermutlich nur ein Gesandter der Chefetage. "Ich werde ihnen jetzt auf ihr eigenes Bett zurückhelfen, Mitchell.", kündigte er seine nächste Handlung an, während er auf uns zukam und damit einen funkelnden Blick von mir erntete. Der Mann um die Dreißig griff eher vorsichtig und behutsam nach meinem Oberarm, den ich ihm prompt mit einer ruckartigen Bewegung wieder entriss. Das kam mir schmerztechnisch allerdings recht teuer zu stehen und ich verzog kurzzeitig das Gesicht, weil sich ein brennender Schmerz durch die Schnittwunde knapp unterhalb meiner Brust zog. "Wozu verdammt?", knurrte ich deutlich weniger laut, als mir eigentlich lieb war, zu ihm hoch als der ein Teil der Schmerzen bereits abgeebbt war. Er seufzte genervt und atmete dabei etwas tiefer durch, bevor er mir den für andere vielleicht sehr offensichtlichen Grund dafür nannte, warum Widerstand hier gerade keine so besonders gute Idee war. "Damit sie ihre Lage nicht noch weiter verschlimmern. Soweit ich weiß stehen sie mit einem Bein bereits im Knast und wenn sie nicht ganz eifrig auf die Todesstrafe hinarbeiten wollen, sollten sie sich langsam am Riemen reißen, Warwick.", entgegnete er mir einige sehr trockene, aber verhältnismäßig geduldige Worte, die mich meine vorherige Handlung dann doch überdenken ließen. Nicht, weil ich plötzlich liebend gerne von Aryana weg wollte, sondern weil es keinem von uns beiden etwas brachte, wenn ich in den Knast wanderte. Hier ging es nicht nur um mich, sondern um uns beide und deshalb blieb mir wohl nicht viel mehr als einzulenken. Trotzdem drückte ich ihr noch einen letzten, hauchzarten Kuss auf die Stirn, bevor ich mich wohl oder übel behutsam von ihr lösen und aufstehen musste. Dabei stetig begleitet von dem Kerl, der mir erfolgreich unter die Nase gerieben hatte, dass es bis jetzt nicht unbedingt gut um mich und meine Freiheit stand. Aber er sollte dem ganzen dann tatsächlich noch die Krone aufsetzen, als ich wieder in meinem Bett lag und er nach meinem unversehrten Unterarm griff, um dicht an meinem Handgelenk die eine Hälfte eines Paares Handschellen anzubringen und im direkten Anschluss die andere Seite am Bett zu befestigen. Einen Moment lang starrte ich wohl nur ziemlich perplex auf das schimmernde Metall, während mich die Realität langsam wieder einholte. Aryana und ich konnten uns noch so oft gegenseitig sagen, dass wir auch aus dieser Sache irgendwie wieder zusammen rauskamen - bisher war absolut gar nichts in trockenen Tüchern und das Ketten ans Bett war eine dahingehend sehr unmissverständliche Botschaft. Zwar bedeutenden die Handschellen bis hierhin sicher noch nicht viel mehr, als dass sie um jeden Preis vermeiden wollten, dass ich sobald ich fit genug war einfach die Biege machte, aber mich trafen sie trotzdem wie ein Schlag ins Gesicht.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das durfte echt nicht wahr sein. Warum waren die jetzt alle hergekommen? Wer hatte denn Bescheid gesagt, dass sie aufgewacht war, wo sie es doch selbst offensichtlich fälschlicherweise nicht getan hatte?? Gerade jetzt, wo sie sich beide wieder beruhigt und entspannt hatten, wo sich alles wieder einen Moment lang perfekt angefühlt hatte. Als müssten sie sich nicht bald genug mit sehr vielen Dingen auseinandersetzen, über die sie eigentlich gar nicht nachdenken wollten… Sie spürte die Anspannung sehr deutlich, die sofort wieder Mitchs ganzen Körper erfüllte. Und ihren Eigenen, weil sie wusste, was unmittelbar bevorstand. «Hat keiner gesagt… Und ich bin gerade erst aufgewacht… und jetzt sind Sie ja hier», war ihre leise und dezent widerwillige Antwort auf den Tadel des Arztes. Was hätte es denn geändert, wenn sie schon vor zehn Minuten reinspaziert wären? Überhaupt gar nichts, als dass sie von Anfang an noch gestresster gewesen wäre, weil Mitch nicht bei ihr gewesen wäre. Genau das schien nun auch der ihr unbekannte Mann bewirken zu wollen, der für ihren Geschmack viel zu bald schon neben dem Bett stand. Nein, er sollte Mitch nicht helfen. Weil Mitch nicht in das Bett so weit von ihr entfernt zurückkehren sollte. Genau diese Meinung schien auch ihr Freund ziemlich stark zu vertreten, wobei seine ruckartige Bewegung Aryana erschrocken nach Luft schnappen liess. Das sollte er doch nicht tun..! Ihr Blick lag sofort besorgt auf seinem Gesicht und ihre Finger strichen zart über seine Seite, wie sie versuchte, ihn wieder zu beruhigen. Aber ihre Augen blieben nicht lange dort ruhen, denn die Worte des Soldaten zogen unweigerlich und viel zu schnell ihre ganze Aufmerksamkeit in seine Richtung. Bitte was?! Sie spürte, wie ihr Puls sich beschleunigte, ihr Herz etwas zu schnell zu hämmern begann, wenn man bedachte, dass sie vor wenigen Stunden noch fast gestorben wäre. «Wie… wie können Sie es wagen… dieses Wort überhaupt… auszusprechen?? Hier..?», keuchte sie erschrocken, blickte ihn entsprechend fassungslos an. Er sagte es, als wäre ihnen allen längst klar, dass es das war, worum es letztendlich ging! Und Mitch war plötzlich schon dabei, sich von ihr zu lösen. Ihre Finger wollten ihn aber jetzt noch viel weniger gehen lassen als davor, weil sie plötzlich von einer steigenden Panik ergriffen wurde, dass er nie wieder zu ihr zurückkehren könnte. Nur fehlte ihr noch immer jegliche Kraft, um ihn zurückzuhalten, weshalb ihre Finger letztendlich ziemlich hilflos in der Luft hängen blieben und nur ihr Blick auf ihm kleben blieb, als könnte sie nie wieder wegschauen. Da lag er dann nämlich, auf seinem Bett, so nah aber trotzdem komplett unerreichbar für sie. Und als wäre das nicht genug, zauberte der fremde Mann etwas Silbernes aus seiner Tasche, das Aryana erneut nach Luft schnappen liess. Was zur Hölle?!? Langsam fühlte sie sich wirklich wie im falschen Film, während sie mühsam versuchte, sich auf ihrer Matratze aufzurichten, obwohl plötzlich einsetzender Schwindel und Kopfschmerzen ihr Sichtfeld flimmern liessen. Sie wusste gar nicht, was sie wirklich wollte, ausser sofort und unmittelbar zurück in Mitchs Arme. Jedenfalls war das auch egal, weil sie sowieso nicht weit kommen sollte, bevor die starken Hände des Arztes sie bestimmt zurück ins Kissen drückten. Das wirkte alles andere als beruhigend, egal, mit welchen netten Worten der dunkelhaarige Mediziner seine Taten begleitete. Ihr Kopf hing noch immer bei der Todesstrafe fest und ihr Blick bei den Handschellen und ihr Herz bei der Panik, auf diese grausame Art und Weise die nächste Person zu verlieren, die sie über alles liebte. Wie in all den schrecklichen Alpträumen… Aryana spürte den Blick des Army-Mannes auf sich, konnte sich aber trotzdem nicht dazu bewegen, ihre brennenden Augen von Mitch zu lösen. Mittlerweile hatten auch ihre Finger angefangen zu zittern und irgendein Monitor piepste im Hintergrund nervös vor sich hin. Es interessierte sie nur nicht. Weil da Handschellen waren. Und Angst. Und eine unheilvolle Drohung die dem Raum allen Sauerstoff entzog. So entging ihr auch der Blickwechsel zwischen dem Soldaten und dem Arzt, der mit einer eindeutig energischen Kopfbewegung offenbar gerade die Gedanken des anderen zunichtemachten, der sich wohl gerade hatte überlegen müssen, ob Aryana davonrannte, wenn er sie nicht ebenfalls ans Bett fesselte. Spätestens mit dem nächsten Beruhigungsmittel, das ihr ohne irgendwelche Rücksprache in die Vene gepumpt wurde, hatte sich die Frage aber sicherlich erledigt.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ich ballte meine Hand zur Faust, als die Emotionen langsam zu mir zurück krochen. Testete verzweifelt, aber ziemlich kraftlos von der Rückreise auf meine Matratze aus, ob es nicht doch irgendwie möglich war mit der Hand wieder aus der Fessel zu entrinnen. Der Soldat hatte die Handschellen nicht ganz so eng angebracht, wie er das gekonnt hätte, aber das Metall war dennoch eindeutig viel zu unnachgiebig, als dass ich ihm hätte entrinnen können. Vielleicht würde ich raus kommen, wenn ich mir den Daumen auskugeln würde... aber erstens hatte ich keinen blassen Schimmer davon, wie man das anstellte und zweitens war das ganz bestimmt genau der Weg, den ich jetzt nicht einschlagen sollte. Auch dann nicht, wenn gar keine Flucht dabei das Ziel war, sondern lediglich das Wiedererlangen der Möglichkeit zu Aryana rüberzugehen. Mich wieder zu ihr legen zu können, weil ich - wie der nette Herr so treffend fies formuliert hatte - womöglich in den Knast wandern würde und dann vorher noch jede erdenkliche Minute alleiniger Zweisamkeit mitnehmen wollte, die ich kriegen konnte. Noch vor einem Jahr hätte ich vermutlich absolut Alles daran gesetzt, mich aus dieser misslichen Lage zu befreien und wirklich einfach Irgendwo ins Nirgendwo zu verschwinden. Hätte mich vielleicht sogar bei den Syrern verkrochen, nur um damit meinen Hals aus der Schlinge zu ziehen und Rückhalt zu haben, was mir zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht absurder hätte vorkommen können. Jetzt war das in unfassbar weite Ferne gerückt und alles, was ich wollte, war noch irgendwie auf legalem Wege dem Knast zu entgehen, damit dieser kalte, innerliche Dauerschmerz des Nichts-Außer-Wut-Fühlens nicht zurückkehrte und ich vor allem nicht die hübsche Brünette allein zurücklassen musste. Wir beide uns nicht mit dieser schmerzlichen Trennung auseinandersetzen mussten, wo sie doch offenbar genauso wenig begeistert wie ich von der jetzigen Trennung auf nur geringe - aber dennoch viel zu große - Distanz war. Ich wünschte mir nichts mehr, als sie in diesem Moment in einer innigen Umarmung an meine Brust ziehen zu können, ihr sachte über den Hinterkopf zu streichen und beruhigend an ihr Ohr zu flüstern, dass schon irgendwie alles wieder gut werden würde und sie sich nicht aufregen sollte, weil ihr das in ihrem aktuellen Zustand einfach ganz und gar nicht gut tat. Wollte sie festhalten und mit meinen Armen einfach vom Rest der Welt abschirmen, so gut ich konnte. Nur hatte mich dieses Arschloch dieser Möglichkeit gerade erfolgreich beraubt und so atmete ich einmal ganz tief durch, weil ich andernfalls in der anschwellenden Wut nach ihm gegriffen hätte. Weit wäre ich zwar ohnehin nicht damit gekommen, aber selbst jede milde Form von Handgreiflichkeit würde mir sicher teuer zu stehen kommen. Mein Blick lag stattdessen also weiterhin auf Aryana und ich suchte verzweifelt mit meinen Augen nach ihren. Versuchte sie mir einem bemüht ruhigen Blick, aus dem sich die leise Angst aber dennoch nicht ganz vertreiben lassen wollte, ein bisschen zur Vernunft zu bewegen. Scheiterte aber vermutlich auch damit ziemlich kläglich, weil ich selbst viel zu aufgewühlt - besorgt, wütend, war, um richtige Ruhe ausstrahlen zu können. Ich konnte meine Halsschlagader förmlich vor sich hin rauschen hören, als ich meinen giftigen Blick letztlich zu dem Soldaten anhob. "Gibt es schon... irgendwelche Termine?", wollte ich knurrend wissen, wie viel Zeit mir blieb, bis ich mich wohl wörtlich für die ganze Sache verantworten müssen würde. Er sah von der Brünetten weg und stattdessen wieder zu mir, obwohl ich immer noch nicht anders konnte, als ihn gedanklich mit bloßen Händen zu erwürgen und ihn das mit meinen funkelnden Augen so gut ich konnte spüren ließ. "Sie haben zwei Wochen, dann kommen sie vor's Militärgericht in den Staaten. Bis dahin sollte Lieutenant Ragan fit genug für den Überflug sein und selbst wenn nicht, dann fliegen sie beide ohne ihn rüber.", informierte er mich darüber, dass ich sehr viel weniger Zeit für das Ausdenken etwaiger Strategien hatte, als ich mir gewünscht hatte. Zwei Wochen... nur vierzehn Tage, die ich nicht einmal damit verbringen konnte, die unter Umständen letzten paar freien Stunden mit Aryana voll auszuschöpfen. War aber naheliegend, dass sie es mit meiner Verurteilung eilig hatten. Zwar stand mir vielleicht mehr als ein einziger Prozess bevor, wenn sich nicht sofort alle einig über mein - beziehungsweise unser - Urteil waren oder es noch offene Fragen durch Außenstehende zu beantworten gab, aber trotzdem graute mir schon jetzt vor Alledem. "Kann ich vorher nochmal mit ihm reden?", stellte ich ihm eine weitere Frage, die mir auf der Zunge brannte und er zuckte lediglich mit den Schultern. "Weiß ich nicht, das ist nicht meine Entscheidung.", war alles, was ich von dem Soldaten zu hören bekam und damit sank mein Kopf dann endgültig ziemlich schwer zurück ins Kissen. Ich musste wenigstes einmal mit Ragan reden können, bevor ich im Gericht saß. Musste wissen, wie er zu Alledem stand. Sollten sie mir keine offizielle Möglichkeit dazu einräumen war meine letzte Chance dazu sicher der Flug in die USA - sofern er da denn überhaupt mitkam, aber mir blieb wohl nichts anderes als darauf zu hoffen. Vielleicht zeigte der Typ in Tarnkleidung hier auch einfach ein wenig Mitgefühl und leitete meine sehr indirekte Bitte weiter, ohne, dass ich ihn direkt danach fragte. Ich befand mich ziemlich sicher nämlich nicht in der Position hier irgendwelche Ansprüche zu stellen, das machten die Handschellen doch sehr unmissverständlich klar. Ich sollte mich also besser zeitnah dazu bewegen einen wirklich guten Verteidiger zu organisieren. Das war wohl das einzige, was mir hier gerade zustand.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ihre Augen fühlten sich an als würden sie in Flammen stehen, während sich noch immer alles, was sie sah, hinter einem schrecklich irritierenden Flimmerfilm abspielte. Atmen, sie sollte Atmen. Und zwar ruhig. Das sagte der Arzt ihr auch immer wieder. Aber er verstand ja auch nicht, was hier gerade passierte. Dass ihnen mit einem Schlag ins Gesicht so deutlich aufgezeigt wurde, warum man in der Army keine allzu innigen Beziehungen pflegen sollte. Besonders dann nicht, wenn man von Anfang an wusste, dass es genau so kommen konnte, wie es jetzt gekommen war. Sie hatte seinen Verrat gekannt. Zumindest einen Teil davon. Nicht wirklich viel, weil sie nie nachgefragt hatte, weil sie es selbst nicht hatte wissen wollen und hauptsächlich auch einfach, weil es für sie abgeschlossen in der Vergangenheit lag. Weil sie daran glaubte und festhielt, dass es nie wieder so weit kommen würde und Mitch heute ein anderer Mensch war. Und doch holte es sie nun beide ein. Ausgerechnet jetzt, so kurz vor der Vollendung ihres Dienstes bei der Army. Das war einfach nicht fair. Sie hörte die Stimmen von so weit weg, obwohl sich die Männer im gleichen Raum befanden wie sie. Das Beruhigungsmittel breitete sich viel zu schnell in ihrem Körper aus, sorgte dafür, dass sie wieder in eine Wolke aus Watte gehüllt wurde. Was leider nicht bedeutete, dass es die Panik aus ihrem Kopf wirklich erfolgreich vertrieb. Zwei Wochen. Zwei Wochen sollten sie in diesem Zimmer bleiben, ohne Besuch, ohne Abwechslung. Und vor allem so getrennt? Während sie sich dauerhaft darüber die Köpfe zerbrachen, was um alles in der Welt sie tun mussten, damit es nicht für immer so blieb?? Das klang nach einfach nur der nächsten grauenvollen Hölle, die sie niemals hatten durchlaufen wollen… „Bleibt… das jetzt… die ganze Zeit… so?“, Aryanas Stimme war noch brüchiger als zuvor, während sie ziemlich offensichtlich die Problematik mit der Fessel ansprach, sich leise und mit glasigem Blick an den Soldaten wandte. „Sie können doch auch… einfach die Tür schliessen…“, das war eine ganz wundervolle Idee, nicht? Wahrscheinlich war es von Vorteil, dass Aryana nicht wirklich viel sehen konnte hinter dem ganzen Schwindel und den fast aufkommenden Tränen. So blieb ihr immerhin der beinahe verwirrte Blick erspart, den der Soldat ihr nun zukommen liess. „Miss Cooper, ich bitte Sie... Sie wissen schon, dass in der Army gewisse Regeln gelten, die zu brechen Ihnen trotz allem nicht zusteht…“, die Antwort kam beinahe etwas widerwillig und überfordert, weil der Blonde wohl selber nicht recht wusste, was er dazu sagen sollte. Oder ob er eine Ausnahme machen konnte. Im Moment sah es jedenfalls nicht danach aus, denn er machte keine Anstalten, die Handschellen wieder zu lösen oder irgendwas in diese Richtung zu unternehmen. Aryanas Augen fielen wieder auf Mitch zurück, den sie müde und ziemlich geschlagen betrachtete. Was spielte es für die Army denn jetzt noch für eine Rolle, ob sie irgendwelchen dämlichen Regeln folgten oder nicht..? Es war doch eh schon zu spät und jeder wusste, was offensichtlich Sache war. Sie brauchten sie doch nicht schon wie Schwerverbrecher zu behandeln, bevor überhaupt irgendein Prozess stattgefunden hatte! „Kann ich… Ein Telefon… oder einen Laptop haben?“, murmelte sie eine ganz andere, leise Frage vor sich hin, ohne sich von Mitch abzuwenden, Es war zwar fragwürdig, ob sie momentan in der Lage war, ein entsprechendes Gespräch zu bedienen, aber irgendwann musste sie sich wieder bei Faye melden. Da sie hier leider ja noch nicht in den Staaten waren, konnte sie diesbezüglich auch nicht von der Krankenhausausstattung profitieren. Aber sie hatte das dringende Bedürfnis, mit ihrer Schwester zu sprechen. Auch wenn sie nicht wusste, was sie sagen oder erklären sollte… Ganz in der Hoffnung, wenigstens von da keine weiteren schlechten Neuigkeiten zu bekommen. Ihre Bitte wurde ihr auch kurzum mit einem Nicken gewährt – was wohl die erste halbwegs positive Antwort seitens des Amerikaners in der Mitte des Zimmers war. Und vielleicht würde er ja jetzt wieder verschwinden, um ihr diesen netten kleinen Wunsch zu erfüllen.
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Nur die Tür zu schließen, statt die blöde Schelle an meinem Handgelenk spüren zu müssen und mich damit auch nicht mal mehr so hinlegen zu können, wie ich das am liebsten tat, wäre im Vergleich wohl der Himmel. Ich konnte im Grunde nur noch auf dem Rücken richtig liegen, weil meine Schulter durch die fixierte Handposition unter unangenehmem Druck leiden müssen würde, wenn ich länger als nur ein paar Minuten auf der Seite lag. Ich hasste es schon jetzt. Hasste, dass Aryana damit in unerreichbare Ferne gerückt war. Ich vermisste ihre Nähe schon jetzt und der Gedanke daran, dass das gerade eben vorerst unsere letzten gemeinsamen Minuten gewesen sein könnten, sorgte langsam aber sicher für einen immer größer werdenden, unangenehmen Kloß in meinem Hals. Es war zu erwarten gewesen, dass der Unruhestifter zwischen uns die Brünette dahingehend enttäuschen musste und solange sie selbst nicht laufen konnte war es das wohl für uns gewesen. Wobei sie laut dem Soldaten sowieso auch in diesem Fall davon absehen sollte, wenn sie nicht auch noch mittels Metall ans Bett gefesselt werden wollte. Zumindest laut aktuellem Stand, der sich wahrscheinlich kaum mehr ändern würde und so traf mein eigener Blick wehmütig erneut auf Aryanas. Ich hatte fast immer eine große Klappe, aber in diesem Augenblick wusste ich wirklich nicht, was ich noch sagen oder gar hätte tun können, um diese Situation irgendwie zurück in eine weniger schreckliche Ausgangslage zu manövrieren. Wie sollte ich denn jetzt zwei Wochen lang den Gedanken daran ertragen womöglich zeitnah im Knast einzusitzen, wenn ich dabei nicht einmal die schmalen Finger der jungen Frau an meinem Körper spüren, sie nicht küssen und sie nicht in meinen Armen halten konnte? Der psychische Druck durch die immer näher kommende Verhandlung würde an sich bestimmt auch schon anstrengend genug werden, da könnte man uns doch wenigstens diese zusätzliche Folter ersparen. Der Soldat wandte sich dann mit einem letzten Blick zum behandelnden Arzt von uns ab und der nickte ihm leicht zu, bevor er wohl tatsächlich losging, um Aryanas Frage nachzugehen. Ich war ja dingfest gemacht und die Brünette würde nach der Injektion wohl kaum plötzlich Bäume ausreißen und Amok laufen, also konnte er sich das erlauben. Ich sah ihm nach und auch, als er bereits aus der Tür war, blieb mein Blick ziemlich leer an der Zimmertür hängen. Ich nahm beiläufig wahr, dass der Arzt die andere Patientin im Raum erneut darum bat sich zu beruhigen und ihren Zustand nicht noch weiter zu verschlechtern, was mich lediglich leise Schnauben ließ. Das hätten sie sich vielleicht alle gemeinsam überlegen sollen, bevor sie die ganze Scheiße hier umgesetzt hatten. Es dauerte sicher an die zehn Minuten, bis der Soldat dann letztlich zurückkam - mit der kleinen Version eines Laptops unter dem Arm. Er ging damit ohne Umwege zu der Brünetten, stellte das Teil neben ihrem Bett ab. "Ich möchte sie nur nochmal daran erinnern, dass die Daten weitergeleitet werden...", ermahnte er Aryana quasi indirekt dazu, dass die Army den Laptop überwachte. Was sollte sie denn damit machen? Einen Anschlag planen? Die Syrer kontaktieren? Ich konnte nur genervt mit dem Kopf schütteln und erneut die Augen verdrehen. "Kommen Major und Co. wenigstens auch mal selbst vorbei, um mir zu sagen, warum sie es für nötig halten mich hier wie einen Köter anzuketten?", brummte ich zu ihm rüber, machte damit einer Frage und auch meinem Unmut Platz. Er atmete ein weiteres Mal tief durch, schien inzwischen mehr als genervt von unseren Fragen und Diskussionen zu sein. "Aller Voraussicht nach ja. Bis dahin sollten sie aber noch mächtig an ihrer Wortwahl und ihrem Tonfall schleifen, Warwick.", gab er mir mit gewisser Extrawürze eine Antwort auf meine Frage. Er hatte wahrscheinlich recht mit seinen Worten, erntete aber trotzdem nicht mehr als einen funkelnden Blick von mir.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie war froh, als der Kerl in Tarnkleidung sich zumindest vorübergehend verpisste. Sie wenigstens kurzzeitig wieder atmen liess, während ihr fast umgehend die Augen zufielen, sobald er den Raum verlassen hatte. Die Kopfschmerzen waren langsam wirklich kaum mehr aushaltbar. Auch wenn Aryana das Hämmern und den schrecklichen Druck dank der vielen Medikamenten eigentlich gar nicht spüren sollte. Aber das war leider nur die Theorie - in Wahrheit hielten all die Gedanken und die eisig kalte Angst, die sie plötzlich so fest im Griff hatte, ihr diese zusätzlichen Schmerzen trotzdem sehr gerne vor. Da konnte der Arzt noch tausend Mal erwähnen, dass es nicht gut für sie war, wenn sie sich solche Sorgen machte und sie diese Panik zuliess. Erst seine vollkommen bescheuerte Frage, mit der er sich doch tatsächlich bei ihr erkundete, ob sie nicht doch lieber ein Einzelzimmer beanspruchen würde, liess sie flatternd wieder die Augen öffnen und befremdet in seine Richtung schielen. "Das ist... das Gegenteil... von allem... was ich will", nuschelte sie kraftlos ins Kissen, als wäre seine Frage einfach nur absurd. Was auch absolut so war. Vor zwei Minuten hatte sie indirekt darum gebeten, dass sie sich wieder mit Mitch das Bett teilen durfte und jetzt wollte er sie dazu überreden, woanders zu schlafen? Hmm. Nein. Als der Soldat von vorhin einige Minuten später erneut klopfte und eintrat, hatte der Arzt seine Routineuntersuchung, von der die Brünette herzlich wenig mitbekommen hatte, ebenfalls abgeschlossen. Sie hatte die Augen wieder aufgeschlagen, bekam so bestens mit, wie sie mit einem kleinen Laptop beliefert wurde. Gut, immerhin. Wobei die Worte, die ihr zur Begleitung entgegengeschoben wurden, sie ja fast die Augen verdrehen liessen. "Danke... dass sie das sagen... ich war wirklich... drauf und dran... mit diesem Laptop mein nächstes... Verbrechen zu planen", erklärte sie, wobei der Sarkasmus in der Anstrengung ihrer Worte leider etwas verloren ging. War trotzdem eine mehr als behinderte Aussage gewesen. Sie arbeitete seit über fünf Jahren bei der Army - dachte er wirklich, sie erwarte irgendwas anderes als einen überwachten Laptop von diesem Drecksvolk?? Nein. Genauso wenig übrigens, wie sie sich die Stimme des Soldaten weiterhin anhören wollte. Wie er nun Mitchs Frage beantwortete, die ihrer Meinung nach ja sehr berechtigt war. Es bedurfte schon einer ordentlichen Erklärung um dieses Verhalten und vor allem die Fessel auf Dauer zu rechtfertigen. Zwei Wochen ohne bewiesene Schuld war eine lange Zeit und die Brünette bezweifelte selbst mit ihrem angeknacksten Denkvermögen stark, dass das so legal sein konnte. Blöd nur, dass sie das Recht zum aktiven Mitreden und -entscheiden irgendwo unterwegs verloren hatte. Sonst würden sie nicht so hier liegen, so viel stand fest.
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Irgendwie schienen dumme Fragen und Antworten heute ganz mächtig auf der Tagesordnung zu stehen. Zu fragen, ob Aryana nicht doch auch noch lieber ein Einzelzimmer haben wollte - klar, ich war hier sicher auch ohne meine forschen Worte für die meisten der böse Kerl, der ein eigentlich anständiges Mädchen mit in den Abgrund gerissen hatte und es jetzt auch noch daran hinderte, sich davon bestmöglich zu erholen... Bullshit -, war an Blindheit wohl kaum zu übertreffen. Der ach so fachkundige Arzt konnte sich scheinbar jetzt schon nicht mehr daran erinnern, dass die Brünette gerade einen von ihm im Nachhinein betäubten Nervenzusammenbruch erlitten hatte, weil sie uns beide hier voneinander getrennt hatten und das ziemlich endgültig wirkend. Dass die meisten Ärzte rein menschlich gesehen ziemliche Krüppel waren war mir allerdings nicht neu und ein schwerer Mitgrund dafür, warum ich die meisten Ärzte absolut nicht leiden konnte. Viele von ihnen waren schlicht noch weniger erträglich als der weniger eingebildete und zwischenmenschlich weniger angeknackste Teil der Weltbevölkerung - was wiederum aber nicht hieß, dass ich meinen sehr winzigen Kreis an vertrauten Personen zukünftig erweitern wollte. Weder im Knast, noch außerhalb. Ich seufzte hörbar genervt und geladen, weil mir das Alles hier einfach redlich zu viel wurde. Es gab in diesem Augenblick viele Dinge, die ich sowohl dem Arzt, als auch dem Kerl von der Army gerne an den Kopf geknallt hätte, aber ich besann mich zur Ruhe. Mitunter sicher wegen meiner mangelnden Kraftreserven für einen ernsthaften Streit, aber hauptsächlich, weil ich gerade nichts mehr wollte, als dass sich sämtliche unerwünschte Personen - also alle außer Aryana - aus diesem Zimmer verzogen. Genau das war glücklicherweise auch was passieren sollte, als der Medizinfachmann sein Werk bei der Brünetten vollständig verrichtet und eingesehen hatte, dass er sie absolut nicht zu einer Verlegung ihrer eigenen Person überreden konnte. Er setzte zuerst noch dazu an zu mir zu kommen, womöglich wegen den ruckartigen Bewegungen vorhin und meinem Alleingang zu Aryanas Bett, aber ich hielt ihn mit den Worten "Denk nicht mal dran..!", fauchend davon ab, mich auch nur ein einziges Mal anzufassen. Sinnbildlich sicher gut mit einem Tiger im Käfig vergleichbar, der ganz und gar nicht begeistert darüber war seiner einstigen Freiheit beraubt worden zu sein. Es ging mir abgesehen von meiner misslichen Rechtslage gut, es tat gerade nichts weh und es blutete nichts. Sollte er Irgendjemandem helfen gehen, der es dringender nötig hatte. "Ich komme später noch einmal, um nach ihnen zu sehen, wenn sie sich etwas beruhigt haben.", ließ er mich dennoch wissen, dass er mir heute ein weiteres Mal auf den Zeiger gehen und sich meine Wunden partout mal ansehen wollte. Auch das löste nur noch ein kurzzeitiges Augenrollen meinerseits aus, ehe sich der Soldat noch einmal kurz zu Wort meldete, weil er augenscheinlich den Rückweg antreten wollte. "Es wird zur Sicherheit eine Wache vor dem Zimmer postiert, also bauen sie keinen Mist.", mahnte er uns beide noch einmal zur Vernunft und ich sah ihn wohl in etwa so an als wäre er der Verkäufer in einer Dauerwerbesendung, der nur utopischen Schwachsinn vor sich hin redete, um seine Ware an den Mann zu bringen. Aryana konnte sich kaum bewegen und ich selbst war in meiner Bewegungsfreiheit jetzt mehr als nur ein bisschen eingeschränkt, was sollten wir also seiner Meinung nach noch großartig anstellen können? "Wie sie schon sagte... nur das nächste Verbrechen...", verabschiedete ich ihn mit höhnischen, ironischen Worten und einem vielsagenden Verzieh-Dich-Endlich-Blick. Er schüttelte nur noch einmal den Kopf und warf dem diensthabenden Arzt einen Blick, sowie ein leichtes Nicken zu und trat dann dicht gefolgt von dem Mann im Kittel den Weg zum Flur an. Die Zimmertür fiel wieder ins Schloss und ich ließ einen Moment lang einfach die Augen zufallen, atmete ganz tief durch. Aber all die aufreibenden Emotionen wollten sich auch dadurch nicht schmälern lassen, weshalb ich die Lider erneut anhob und mit den Worten "Schöne Scheiße.", erneut auf die Handschellen runtersah.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie bekam gar nicht mehr alles mit, was in dem Zimmer noch geredet wurde, weil ihr Kopf aufgrund des zusätzlichen Beruhigungsmittels langsam aber sicher dicht machte. Sie wünschte sich einfach, dass alle sich endlich verpissten – ausser Mitch, der sollte doch bitte unverzüglich wieder zu ihr zurückkommen. Weil sie ihn dringender als je zuvor so nahe wie möglich bei sich brauchte. Am Rande hörte sie noch was von einer Wache an der Tür, was einfach absolut lächerlich war. Damit starben auch jegliche Fantasien ihrerseits, es vielleicht zumindest nachts bis zu Mitch rüber zu schaffen, wenn nur noch alle paar Stunden eine Krankenschwester der Nachtwache vorbeischaute, um zu überprüfen, dass sie beide noch atmeten. Sie wäre dabei nämlich nie im Leben leise genug, als dass eine Wache vor der Tür sie nicht hören würde. Wahrscheinlich müsste sie praktisch einen Stuhl vor sich herschieben, um überhaupt einen Schritt gehen zu können… Heute sowieso nicht, aber halt in ein paar Tagen endlich. Aber sie brauchte sich scheinbar gar nicht mehr den Kopf darüber zu zerbrechen – würde ja doch nie funktionieren. Als sich das überflüssige Gesindel endlich aus dem Raum geschoben hatte, blieben auch Aryanas Augen erstmal zu. Dieser scheiss Arzt hätte ihr besser etwas gegen den Schwindel und die Kopfschmerzen gegeben, als ihren Puls auf unnatürliche Art und Weise wieder runter zu schrauben, als wäre alles in Ordnung..! Es wäre ausserdem so leicht gewesen, sie ohne zusätzliche Drogen zu beruhigen – wirklich alles, was sie gebraucht hätte, wären die Arme ihres Freundes gewesen. Dann wäre ihr jetzt auch nicht schwindlig und sie hätte keine Kopfschmerzen, in ihrem Herzen würde kein Sturm wüten und die Panik würde den Klammergriff um ihre Seele lösen. Aber Mitch lag an sein Bett gefesselt viel zu weit von ihr entfernt. Und erst seine zwei leisen Worte holten sie zurück von dem endlosen, viel zu schnellen Karussell, das in ihrem Kopf drehte. Langsam schob sie die Lider wieder bis zur Hälfte nach oben und sie blinzelte verloren auf das gegenüberliegende Bett. Ja. Scheisse war wohl das passendste Wort, welches ihre Situation hier und jetzt zutreffend umschrieb. Vorhin war es noch beinahe leicht gewesen, ihm und sich selbst mit aus den Wolken gegriffenem Optimismus zu versichern, dass alles gut werden würde. Aber jetzt..? Jetzt fiel es ihr verdammt schwer, auch nur schon an die nächsten zwei Wochen zu denken. Und das war ja erst der Anfang, quasi der leichte Teil von allem, was noch kommen könnte – ganz abhängig davon, wie schlimm es wurde. «Die dürften das… gar nicht… einfach so machen…», hauchte sie tonlos vor sich hin. Es war wirklich nicht fair. Es war doch noch gar nichts bewiesen. Und wie sie sich hinter verschlossenen Türen bewegten, was sie hier drin zu zweit machten – das ging doch alles sowieso gar niemanden etwas an, sie waren ja nicht im Dienst! Ausserdem wurde man nicht einmal im Gefängnis so angekettet. Wieso also Mitch? Noch dazu mit einem verletzten Bein, das ihn sowieso schon ziemlich erfolgreich vom Gehen langer Strecken abhielt. Sie verstand das nicht, wollte es auch nicht verstehen sondern einfach wieder seine Nähe zurück. «Vielleicht können wir das… irgendwie beanstanden… Sie können dich ja nicht… ernsthaft… über zwei Wochen… so ans Bett ketten», verdammt ihre Zunge war so schwer, sie konnte kaum mehr sprechen. Was scheisse war, jetzt wo sie Mitch nicht mehr spürte und Reden oder Anschauen ihre einzigen Kommunikationswege blieben. Schauen konnte sie schlecht, weil ihre Augen halb zu waren, er zu weit weg war und die schwarzen Punkte partout nicht verschwinden wollten. Das war alles so mühsam, so schwer. Und sie hatte so viel Angst, dass Starkbleiben ein weiteres Mal überhaupt keine Option mehr darstellte. «Mitch, ich… ich werde nicht… weggehen… egal was passiert… ich verspreche, dass… dass ich bei dir bleiben werde… dass ich immer… wenn ich irgendwie kann… neben dir stehen und… deine Hand halten… werde… Daran wird keiner was ändern», flüsterte sie so leise und mühsam, dass sie nur hoffen konnte, dass er sie verstand. Die tonnenschwere Last auf ihrer Brust machte das Sprechen leider nicht einfacher und der Kloss in ihrem Hals auch nicht. Aryana realisierte kaum, dass ihr mittlerweile zähflüssige Tränen aus den Augenwinkeln tropften. Aber selbst wenn sie es gemerkt hätte, spielte das alles doch längst keine Rolle mehr. Denn egal, wie viel sie an sich selbst gearbeitet hatte in ihrem Leben, egal, wie stark und unabhängig und fokussiert sie geworden war – in diesem Moment fühlte sie sich einfach nur schwach und hilflos und verdammt allein.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Meine Augen wanderten unweigerlich von dem kalten Metall zurück Aryana, als sie leise das Wort ergriff. Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung davon, ob das Ganze hier rein rechtlich gesehen in Ordnung war. Ob es wirklich etwas bringen würde, meine missliche Lage irgendwie weiterzuleiten und dagegen vorzugehen. Einerseits war es natürlich allein deshalb komplett unnötig, weil keine Fluchtgefahr bestand oder gar von mir angedeutet wurde. Weder wollte ich noch ewig weiter vor den Konsequenzen weglaufen, noch könnte ich es meiner besseren Hälfte antun sie allein zurückzulassen, nur um vermutlich für den Rest meines Lebens einsam am Arsch der Welt zu wohnen, damit mich niemals Irgendwer fand. Das war genauso wenig ein Leben, wie das eingesperrt sein hinter Gittern. Außerdem hatte ich schon mehr als genug Menschen das Leben versaut oder gänzlich ausgelöscht, da sollte nicht auch noch Aryana unter meiner Flucht leiden müssen. Ich könnte ja nicht einmal gehen, wenn ich es wollte. Würde den Schmerz in ihren Augen nicht ertragen, von dem tiefen Stich in meiner eigenen Brust mal ganz abgesehen. Ich war also grundlegend absolut nicht dazu in der Lage zu flüchten, selbst wenn man vom körperlichen Aspekt absah. Andererseits wusste ich aber leider auch viel zu gut, was ich getan hatte. Natürlich konnte nicht in genauen Zahlen definieren, wer nun alles durch von mir weitergegebene Informationen gestorben war, aber es waren sicher viele gewesen. Das ganze ging schließlich über Monate, etliche Einsätze hinweg und wenn ich mich jetzt wirklich für jeden einzelnen davon verantworten musste... ja, dann war es nüchtern betrachtet wohl ein Stück weit nachvollziehbar, warum sie um jeden verdammten Preis vermeiden wollten, dass ich das Weite suchte und warum sie mich für gefährlich hielten. Natürlich war davon bis jetzt noch nichts ganz offiziell bewiesen, aber ich war mir fast sicher, dass Temiz' Worte im Büro in Verbindung mit dem vorherigen Video Last genug waren. Damit wussten sie zwar noch lange nicht, was eigentlich alles auf meine Kappe ging, sondern nur, dass ich eben der Maulwurf war nach dem sie sehr lange gesucht hatten, aber das allein hatte wohl schon reichlich Gewicht. "Als würde uns Jemand zuhören..", seufzte ich leise, weil ich nicht wirklich daran glaubte, dass ein Widerspruch unsererseits Irgendwas an meiner Lage ändern würde. Für die meisten Amerikaner war ich wahrscheinlich der Abschaum schlechthin, gab es doch nicht wenige, die die landeseigene Armee fast schon vergötterten und anfeuerten. Ich hatte unser Vaterland verraten, da dürfte ich nur auf wenig Rückhalt oder Gnade stoßen. Als die Brünette dann noch weiter sprach und mir damit ausführlich, wenn auch wirklich nur schwer verständlich versicherte, dass sie mich ganz gleich was auf uns - vor allem mich - zukommen würde nicht allein ließ, musste ich etwa ab der Hälfte doch mit einem leisen Schlucken den Blick zurück auf die schneeweiße Bettdecke abwenden. Ich liebte sie wirklich unendlich dafür, dass sie weiterhin nicht von der Beziehung zu mir absehen wollte. Dass sie trotz allem das Gute in mir sehen wollte und fest entschlossen war mich nicht allein zu lassen, obwohl das sicher die schlauere Idee wäre. Das Herz war mit Vernunft eben nur selten vereinbar, wenn sich beide widersprachen. "Nicht, Aryana...", erwiderte ich mit leiser, hörbar durch den Kloß im Hals gedrückter Stimme und einem schwachen Kopfschütteln, schloss noch ein weiteres Mal die Augen. Wollte nicht, dass sie sich schon jetzt mit dem Gedanken daran kaputt machte, mich über Jahre hinweg im Knast besuchen zu müssen, falls es tatsächlich so kam und auch noch dabei zusehen zu müssen, wie ich immer weiter kaputt ging. Denn das würde ich ohne jeden Zweifel und es würde mich auch kein bisschen wundern, wenn danach - falls ich nicht lebenslänglich oder den Tod bekam - kaum etwas oder gar nichts mehr von mir übrig bleiben würde. Ich hob den Blick dann vorsichtig wieder in ihre Richtung an, wonach mir ihre Tränen nur den nächsten Stich in die Brust versetzten. Die Brünette konnte noch so oft beruhigend sagen, dass sie mir nicht die Schuld an Alledem hier gab - ich würde es trotzdem weiterhin tun. Jetzt konnte ich nicht einmal einen Bruchteil des von mir ausgelösten Schmerzes wiedergutmachen, weil ich nicht bei ihr sein und die Tränen trocknen konnte. Ich ballte die Hände unter all der innerlichen Anspannung zu Fäusten, wobei sich die am verletzten Unterarm aber zügig der Schmerzen wegen erneut lockerte. Normalerweise kompensierte ich starke negative Gefühle entweder einfach mit einem Boxsack oder mit der Nähe zu Aryana, was mir beides gerade nicht ansatzweise möglich war und ich wusste nur schwer damit umzugehen. "Versuch dich ein bisschen zu beruhigen... noch... ist ja nichts... nicht viel passiert.", gab ich noch ein paar stockende, eher brüchige Worte von mir. Es war irgendwie das einzige, das ich zu sagen im Stande war. Denn weder wollte ich es gutheißen, dass sie mir selbst dann noch einen Teil ihres Lebens verschreiben wollte, wenn ich einsaß, noch wollte ich ihr sagen, dass sie das bleiben lassen sollte. Beides war absolut schrecklich.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es musste ihnen doch jemand zuhören! Sie waren keine Schwerverbrecher und noch war trotz der erdrückenden Beweislage überhaupt nichts definitiv. Nein, sie für ihren Teil war sich sehr sicher, dass das, was hier abgezogen wurde, überhaupt nicht legal oder in Ordnung war. Das Problem war bloss, dass ihr keiner zuhörte und sie keine Kraft hatte, um sich Gehör zu verschaffen. Aber irgendwie würde sie noch dafür sorgen, irgendwie würden sie sich zumindest für die nächsten zwei Wochen noch aus der Schlinge ziehen... Wenn sie erstmal wieder denken konnte. Seine Worte taten nicht ansatzweise so gut, wie seine Berührungen sich angefühlt hätten. Keine zärtlichen Streicheleinheiten auf ihrem Rücken oder ihrem Haar, nur diese gedrückte, brüchige Stimme, die ebenso wenig zu ihm wie zu ihr passte. Sie wusste, dass er Recht hatte und sie sich beruhigen sollte, weil sie in diesem Zustand ja nicht ansatzweise fähig dazu war, überhaupt zu denken. Aber sie konnte sich nicht einfach entspannen, wenn sie keine Ahnung hatte, was aus ihnen wurde. Wenn die Gefahr so unheilvoll über ihnen kreiste und sie sich nicht bewegen konnten, um zu fliehen. "Ich... ich liebe dich... wirklich... Mitchell Warwick....", flüsterte sie ein weiteres Mal, weil es das Einzige war, was sie noch sagen konnte, das Einzige, was hier noch Sinn ergab. Dann fielen ihre Augen definitiv wieder zu und das Beruhigungsmittel riss sie nach nur wenigen weiteren Sekunden erneut in eine undurchdringliche Schwärze. Ein ohnmachtsgleicher Schlaf, nur, dass ihre Panik selbst darin immer wieder schreckliche Bilder und Vorstellungen aufzeichnete, vor denen sie eigentlich zu fliehen versuchte. Doch zumindest für die nächsten paar Wochen würde es davor kein Entkommen mehr geben. Keine starken Arme würden sie davor schützen, niemand, der neben ihr lag, wenn sie erschrocken die Augen wieder aufriss und erstmal keine Ahnung hatte, wo sie sich befand. Sie konnte sich selbst nicht weiter damit belügen, dass alles gut werden würde und es gab keine optimistische Sicherheit, dass sie das Leben, welches sie sich für die Zukunft ausgemalt hatten, jemals bekommen würden. Nein, im Moment war alles dunkel, alles schwarz, alles durchzogen und alles voller Angst. Als hätten sie es noch immer nicht verdient, zur Ruhe zu kommen.
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Für mich waren die folgenden zwei Wochen alles andere als angenehm. Die einzige gute Nachricht, die mich in all der Zeit erreichte, war wohl, dass Ragan endgültig über den Berg und wieder vollkommen stabil war. Dadurch hatten wir auch einmal mit ihm reden können, wobei permanent ein Scherge der Armee durch das Fenster zum Flur der Intensivstation zu uns nach drinnen gestiert hatte. Keine Ahnung, warum sie das für notwendig hielten. Vielleicht deshalb, weil sie sich in ihrer Unwissenheit einredeten, dass ich ganz sicher auch fähig dazu war ihn mit den Händen zu erwürgen - dafür müsste ich eigentlich erst einmal aus dem Rollstuhl hochkommen, was zu jenem Zeitpunkt nur bedingt möglich gewesen war -, falls es etwas gab, dass er nicht sagen sollte. Nur war dem erstens nicht so und zweitens ging mir diese ganze Beobachterei fortwährend schrecklich auf die Nerven. Natürlich konnte der Lieutenant uns beiden nur bedingt vor Gericht helfen, wenn es dann übermorgen soweit war. Würde zwar wahrheitsgemäß aussagen, dass wir bis auf die ohnehin schon bekannten Fälle nicht negativ aufgefallen waren, aber viel mehr war wohl nicht drin. Er konnte maximal noch hervorheben, dass wir uns auf so manchem Einsatz wirklich hervorragend gemacht hatten - beispielsweise, als wir in der syrischen Stadt eingekesselt und letztlich durch den eklig dreckigen Fluss nach draußen gekommen waren, dabei nie die Nerven verloren hatten - und auch, dass wir unser beider Leben für zwei andere Soldaten riskiert hatten, die andernfalls recht sicher den Löffel abgegeben hatten. Allerdings stand eben auch das hinter dem blöden familiären Hintergrund, dass wir das überwiegend deswegen getan hatten, weil es dabei um Aryanas Schwester ging und parallel dazu eben auch noch gegen die Anweisung des Lieutenants gehandelt hatten. Unsere Leben für andere opfern zu wollen war zwar absolut vorbildlich und auch hervorzuheben, weil das ziemlich sicher zumindest ein bisschen deutlich machte, dass ich so ein schlechter Mensch nicht sein konnte - war ja nicht meine Schwester gewesen und ich selbst hatte zum damaligen Zeitpunkt weder mit Faye, noch mit Victor wirklich etwas zu tun gehabt -, aber es hatte eben doch einen blöden Beigeschmack. Ragan würde also schon recht positiv für uns aussagen - vermutlich eher nur mittels Band, dass er sich selbst in seinem jetzigen Zustand bereits in den Gerichtssaal schleppte hielt ich mal für unwahrscheinlich -, die Strafe aber wenn überhaupt nur etwas dadurch abmildern können. Aber was hatten wir uns da auch einstig erhofft? Dass er die Gnade Gottes höchstpersönlich heraufbeschwören und uns beide damit endgültig begnadigen konnte? Sehr unwahrscheinlich. Dennoch zeigte der Lieutenant sich dankbar dafür, dass wir beide uns dem Kampf mit Temiz an seiner Stelle angenommen und sein Leben dadurch womöglich verschont hatten. Auch dafür, dass ich ihm auf den letzten Metern noch einmal geholfen hatte, obwohl er mir zuvor im Büro so unschöne Worte an den Kopf geworfen hatte. Zwar hatte er mit jenen schon irgendwie Recht gehabt, wenn ich ehrlich zu mir selbst war, aber er begriff, dass diese Aussage damals einfach absolut unangebracht gewesen war und entschuldigte sich sogar dafür, was nicht nötig gewesen wäre. Er unterstrich mir dadurch jedoch ein weiteres Mal, dass er der richtige Mann dafür gewesen war Warrens Platz einzunehmen, obwohl er die Schnauze vom Krieg jetzt ziemlich sicher ebenfalls voll hatte. Obwohl auch Major und Co. noch bei uns vorbeigeschaut hatten, war ich weiterhin ans Bett gefesselt gewesen. Es hatte sich nichts daran rütteln lassen, dass sie der Ansicht waren ich würde die Biege machen, wenn sie mich nicht ans Bett ketteten. Immerhin hatten sie sich aber nach fünf Tagen dazu breitschlagen lassen mir zumindest etwa zwei Stunden täglich die Handschelle abzunehmen, damit ich meinen Rücken mal richtig entlasten und der Arzt leichter die tägliche Wundkontrolle durchführen konnte. Leider war in diesem Zeitraum aber natürlich der ansonsten immer vor dem Zimmer postierte Soldat mit im Zimmer, um das Ganze zu überwachen. Wenigstens war es immer mal wieder ein anderer und ich musste nicht jeden Tag das selbe dumme Gesicht ertragen, das mich so ansah, als wäre ich der Teufel höchstpersönlich. Ein einziger - der danach auch leider nicht mehr wiederkam - war gegen Ende der vierzehn Tage tatsächlich dazu bereit mich zumindest für fünf Minuten mal vor seinen Augen zu Aryana rüberzulassen, als der Arzt mit seiner Arbeit fertig und somit sonst keiner mehr im Raum war. Warum genau er uns beide scheinbar für sympathisch hielt und uns das gönnen wollte, konnte ich nicht sagen. Vielleicht führte er selbst eine Liebschaft hinter verschlossenen Zeltwänden oder fand einfach nur, dass wir diese Form von Erniedrigung nicht verdienten, aber eigentlich war mir das auch ziemlich egal. Zwar waren das die mit Abstand kürzesten fünf Minuten meines Lebens, aber sie waren besser als nichts gewesen. Zumindest für einen Moment lang hatte ich die Brünette in meine Arme nehmen und sie küssen können, während uns sonst immer nur die Blicke des jeweils anderen gewährt waren. Auch hatte ich in der Zwischenzeit einen Anwalt meiner Wahl kontaktieren dürfen, aber obwohl der Mann um die 40 angeblich einer der besten Anwälte in den Vereinigten Staaten war rechnete er mir ziemlich schlechte Chancen aus. Er würde den Fall zwar annehmen und auf Teufel komm raus versuchen die Strafe gering zu halten, aber versprechen konnte er dabei absolut nichts. Wir würden uns morgen noch einmal unter vier Augen unterhalten und er die bestmögliche Strategie ausarbeiten, bevor es übermorgen an die Verhandlung ging. Aryana und ich teilten uns auch hier in den USA jetzt wieder ein Zimmer, wobei sich an der Überwachung aber nichts geändert hatte - außer die Handschellen, die mein neuer bester Freund von Anwalt bereits hatte anklagen und verabschieden können. Es bestand schließlich keine Fluchtgefahr und es war auch vollkommen abwegig zu glauben, dass ich Jemandem was tun würde, wo ich doch nie bereitwillig durch meine eigenen Hände einen unschuldigen Menschen gezielt umgebracht hatte - na gut, außer Warren, aber der war erstens nicht unschuldig und zweitens würden Aryana und ich dieses Geheimnis wohl sowieso mit ins Grab nehmen. Ich wusste nur ehrlich gesagt absolut noch nicht, was ich davon halten sollte, dass Faye und Victor jeden Augenblick ins Zimmer kommen dürften. Uns war zumindest dieser eine Besuch noch vor der Verhandlung gewährt worden und die beiden hatten bis jetzt keinen blassen Schimmer davon, warum genau das Wiedersehen hier nicht besonders... glücklich verlaufen konnte. Vorgewarnt hatte Aryana ihre Schwester am Telefon zwar bereits, aber ich glaubte kaum, dass ihr das den Schock wirklich ersparen konnte.
Es war wirklich die Hölle. Ich stellte die Wirksamkeit etwaiger Psychotherapien ohnehin schon von vornherein in Frage - ich wusste schließlich nur allzu gut, wie bedingt mir das nach dem Bombenanschlag damals geholfen hatte -, was insgesamt natürlich nicht besonders hilfreich dafür war mich auf die aktuelle Therapie einzulassen. Es war schlichtweg vollkommen egal wie oft und über was ich mich mit den Psychologen und Therapeuten unterhielt oder welche Antidepressiva sie mir verabreichen wollten, weil nichts davon wirklich eine immense Wirkung aufzeigen würde. Gegen letztere weigerte ich mich ohnehin vehement, weil sie mir genauso wenig wie das Gerede die anhaltenden Alpträume nehmen können würden. Ich hatte schon bei meiner letzten Therapie mehrere ausprobiert und kein einziges des Präparate war dahingehend wirksam gewesen, also wollte ich mir dieses Mal nicht zusätzlich zu meinem Geist auch noch meinen Körper weiter vergiften. Besonders gesund waren die chemisch zusammengesetzten Pillen nämlich nicht, zumindest langfristig gesehen. Das einzige, wozu ich mich ganz freiwillig breitschlagen ließ, war hier und da etwas Beruhigungsmittel in den ersten Wochen in der Psychiatrie, damit ich überhaupt mal durchschlafen und irgendwie ansatzweise zu neuen Kräften hatte finden können. Außerdem war das in der ersten Zeit auch das absolut einzige Mittel gewesen, um dafür zu sorgen, dass ich Niemandem den Kopf abriss, weil die Therapeuten der Ansicht gewesen waren, Faye und mich räumlich trennen zu müssen. Damit wir gezielt allein in unserer Therapie voranschreiten konnten, ohne den jeweils anderen permanent vor Augen zu haben und uns dadurch irritieren zu lassen. Dass dieser Schuss gewaltig nach hinten losgehen würde hatten wir ihnen schon bei der Trennung prophezeit und ganz unmissverständlich aufgezeigt, aber der leitende Psychologe hatte sich davon nicht beirren lassen. Dementsprechend hatten wir nach zwei Wochen ohne die geringsten Fortschritte - es war auf meiner Seite dadurch eher noch viel schlimmer geworden, spulte sich in meinen Träumen dadurch doch vermehrt ab, dass ich die zierliche Brünette doch noch an die Syrer verloren hatte - also wieder in ein gemeinsames Zimmer gewechselt und damit hatte ich zumindest einen winzigen Teil meines Seelenfriedens zurückerlangt. Hatte wieder mit eigenen Augen sehen können, dass Faye bei mir geblieben war und sie zurück in meine Arme genommen, wo sie auch hingehörte. Meistens verkroch ich mich von da an dann entweder zu ihr ins Bett oder sie kam zu mir unter die Decke gekrochen, weil es sich zu zweit zumindest ein winziges bisschen besser schlafen ließ. Ich wachte trotzdem noch sehr häufig auf und döste in den therapiefreien Stunden tagsüber dementsprechend öfter mal ein. Auch der Phantomschmerz war nicht gewichen. Er war nicht permanent da, meldete sich aber gekonnt fast täglich mal zu Wort. Oft bei den Therapiesitzungen an sich - unabhängig davon, ob es sich um Einzelstunden oder die nach vier Wochen parallel angesetzte Gruppentherapie handelte - oder nach einem Alptraum, was mir das Einschlafen dann ganz gekonnt noch weiter erschwerte. Ich machte psychisch weiterhin nur winzige, sehr kleine Schritte in eine bessere Richtung, obwohl jetzt schon mehrere Wochen in der Klapse ins Land gezogen waren. Immerhin hatten wir mittlerweile aber von der geschlossenen Abteilung in eine offene wechseln dürfen. Hier und da allein mit Faye frische Luft schnappen zu gehen - wenn wir uns beide mal gleichzeitig dafür bereit fühlten - war Balsam für meine geschundene Seele und ließ mich zumindest zwischendurch etwas zu neuem Atem kommen, um noch irgendwie weiterzumachen. Aber es war schlichtweg fast unmöglich die Sache irgendwie hinter mir zu lassen, wenn es schon ausreichte nur auf einem Stuhl zu sitzen, um vor meinem inneren Auge das in meinem Oberschenkel steckende Messer des Syrers zu sehen. Es kam nicht selten vor, dass ich nach meinem Bein griff, um die Illusion loszuwerden. So, wie ich vor Jahren schon immer mit den Fingern nach meinem Rücken gegriffen hatte, um wirklich sicher zu sein, dass trotz des anhaltenden Schmerzes alle Narben der Bombensplitter restlos verheilt waren. Ich steckte in dem gleichen Strudel wie damals fest und bisher war es noch absolut unmöglich da irgendwie herauszukommen. Dass die Beziehung zu Faye zwangsweise darunter litt machte es auch nicht gerade besser. Trotzdem kam es zu keiner Sekunde in Frage sie zu verlassen, war sie doch so ziemlich das einzige auf dem gesamten Planeten, das mich vor der erneuten Entwicklung von Selbstmordgedanken abhielt. Denn auch, wenn es mir rein körperlich inzwischen wieder gut ging und der Schlafmangel sich langsam etwas schmälerte, fühlte ich mich innerlich bei all dem psychischen Schmerz oft nichts als tot. Einzig die Liebe zu Faye schaffte es immer wieder den Strudel zumindest für eine kleine Weile zu pausieren, die Bilder des Krieges kurzzeitig zu verscheuchen und mich atmen zu lassen. Als die zierliche Brünette die Nachricht ihrer Schwester erreichte, dass sie mit Mitch im Schlepptau zurück in die Staaten kam, war die Aufregung erst einmal groß - im positiven Sinne, obwohl die ältere Cooper-Schwester doch eindeutig betont hatte, dass die Umstände dessen nicht besonders erfreulich waren, ohne ins Detail zu gehen, was mich auch bis jetzt noch immer wieder etwas zum Nachdenken anregte. Trotzdem freute ich mich darüber, dass die beiden jetzt nach einem weiteren Zwischenfall auf syrischem Boden ebenfalls den Fängen der amerikanischen Armee entfliehen konnten und auf dem Heimweg waren. Deswegen stand heute auch der erste richtige Ausflug für meine bessere Hälfte und mich an. Natürlich durften wir die mehrstündige Autofahrt zu den beiden nur im Beisein von einem Therapeuten machen, der uns die ganze Zeit über im Auge behielt. Die Frau in den Mittdreißigern war an sich ganz nett und sollte wohl nur sicherstellen, dass es uns beide nicht in das nächste Loch schmiss - was zumindest meine bisherige Annahme war -, wenn wir jetzt anderen Kriegsgeschädigten gegenübertraten und jene eben selbst noch so gar nicht auf der Höhe waren. Die Therapeutin folgte uns also schließlich auf dem Gang des Krankenhauses im zweiten Stock bis zum Zimmer, an dem uns ein Polizist gegenüberstand. Um die Ausweisung unserer Begleitung, sowie unseren eigenen Ausweisen verlangte, was mich eine Augenbraue nach oben ziehen ließ. Erst nachdem er unsere Daten mit denen auf einem Stück Papier in einer Klarsichthülle verglichen hatte, die an der Zimmertür angebracht war, schloss er die Tür auf und gewährte uns mit den Worten "Falls Irgendetwas sein sollte, dann rufen Sie bitte nach mir." Einlass ins Zimmer, tippte parallel dazu mit dem Zeigefinger der freien Hand auf das Namensschild an seiner Uniform. Ich sah ihn noch einen Moment lang verwirrt an und gab Faye damit unbewusst den Vortritt.
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