Eben... der Tag ist definitiv noch nicht in Sicht bei mir... x'D __________
Sie hörte nicht auf, in den Momenten, in denen sie nicht mit Reden beschäftigt war, sanfte Küsse auf seine Haut zu hauchen. Ganz viele. Überall da, wo sie ihn - beziehungsweise seine nackte Haut - erreichen konnte. Mit seinen Worten bestätigte er ihr nämlich nur wieder das, was sie schon gewusst hatte. Und es war verständlich, Aryana würden an seiner Stelle zweifellos die genau gleichen Gedanken und Schuldgefühle plagen. Aber trotzdem wünschte sie, es wäre nicht so, dass er sich noch mehr hasste für alles, was er getan hatte. Sie wollte zwar nichts davon irgendwie rechtfertigen, weil ganz einfach jeder hier wusste, wie absolut abgefuckt die vergangen Taten ihres Freundes gewesen waren, aber es hatte eben doch seine Gründe gehabt. Er war schon da zu lange bei der Army gewesen, hatte davor eine Jugend ohne Liebe erlebt, mit Aggressionsproblemen gekämpft und so viel Wut in sich getragen, dass es leider kaum erstaunlich war, dass alles davon irgendwann in Form einer solchen Schandtat aus ihm herausgebrochen war. Und sie hasste ihn nicht dafür. Sie wusste ganz genau, was die Army aus einem Menschen machen konnte. War lange genug selbst irgendwo am Grat gewandert und hatte im Übrigen letztendlich selbst mit Mitch einen theoretisch unnötigen Mord geplant und durchgeführt. Warren war zwar nicht unschuldig gewesen und sie bereute diese Tat keineswegs - aber es war eben doch ein Mord gewesen. Eine Tat, die sie genauso hinter Gitter befördern würde, wie Mitch. Eine Tat, die sie sich selber vor dem Krieg niemals zugetraut hätte. Weil sie nicht erwartet hatte, je zu den Menschen zu gehören, die gerne Gott mit den Leben anderer Leute spielten... "Ich möchte nicht, dass du ewig wütend auf dich selbst bist... Wut steht dir nämlich nicht...", murmelte Aryana also lediglich zur Antwort, ehe sie die enge Umarmung, mit der Mitch nun beide Arme um sie schlang, genau gleich erwiderte. Weil auch sie sich nichts sehnlicher wünschte, als ihn für immer so Halten zu können. So Halten und dann küssen - wie sie es im Anschluss tat. "...Liebe ist besser. Bitte sing mir heute Abend ein Lied von der Liebe...", hauchte sie an seine Lippen, wobei der Gedanke an ihn und seine Lieder sie unwillkürlich lächeln liess. Ja, wenn er ihr noch einmal ein Lied singen könnte... Oder zwei... Das wäre wundervoll. Allein die Erinnerungen liessen ihr Herz warm werden. Zum Beispiel an die eigentlich durchwegs beschissene Nacht in der australischen Wüste... Get You the Moon hatte er da gesungen, sie hörte die vom Durst etwas kratzigen Klänge beinahe in ihren Ohren. Er hatte es damals zwar auf ihre Bitte nach irgendeinem Lied hin gesungen, aber ohne dabei wirklich an sie zu denken. Wie es jetzt wohl klingen würde, wo sie an einem so anderen Punkt im Leben standen als dort unter dem Himmel voller Sterne..?
Faye blieb an seine Brust gekuschelt sitzen, die Augen geschlossen, während ihr noch immer die gleichen Gedanken durch den Kopf kreisten. Sie genoss seine Nähe. Und sie wünschte sich selbst nichts sehnlicher, als das zurück, was sie gehabt hatten, bevor die namenlosen Folterknechte des IS sie so kaputt gemacht hatten. Es war nur trotz des immensen Wunsches so verdammt schwer, dahin zurück zu kommen, wenn ihr Kopf immer mal wieder - meistens - nicht mitspielen wollte. Dabei hatte sie sich doch wie gesagt auch nie von seinen Narben ablenken lassen, wäre nicht im Traum auf die Idee gekommen, ihn deswegen nicht zu lieben. Selbst dann nicht, wenn die Narben auf irgendeine absurde Art seine Schuld gewesen wären. Wie viel weniger also dann, wenn sie die tragische Geschichte dazu kannte?? Mittlerweile waren sie an einem Punkt in ihrer Beziehung angekommen, an dem das Aussehen sowieso längst komplett an Bedeutung verloren hatte. Aussehen alleine hätte sie niemals so lange zusammen gehalten. Wenn ihre Beziehung oberflächlicher Natur wäre, sässe sie nie im Leben in diesem Zustand und zu diesem Zeitpunkt hier auf Victors Schoss. Also wäre es wahrscheinlich nur richtig, wenn sie ihre endlosen Ängste und Bedenken ablegen und darauf vertrauen würde, dass ihr Freund selbst ganz gut beurteilen konnte, wie gut er mit welchem Teil ihres Körpers klar kam. Vielleicht war sie ja irgendwann bereit dafür... Wenn sie sich für immer hatten, standen die Hoffnungen diesbezüglich auf jeden Fall schon mal nicht schlecht. Sie blieb eine ganze Weile still an seiner Brust und konnte den Grossteil ihrer weiterhin aufgewühlten Nerven beruhigen. Bis ihr Blick dann zur Uhr glitt, zumindest. Sie wusste nicht mehr genau, wann sie hier angekommen waren, aber die Therapeutin hatte ihnen gesagt, wann sie wieder gehen würden. Und das war mittlerweile in weniger als fünf Minuten, wenn sie sich recht erinnerte. So kam Faye dann ziemlich bald - wenn auch eindeutig widerwillig - von Victors Brust los, blickte kurz mit einem schwachen Lächeln zu ihm auf und drehte sich dann langsam zum Bett. Im Gegensatz zu ihnen schienen Mitch und Aryana noch keineswegs an einen Abschied denken zu wollen, waren gerade noch mit eher intensiven Küssen beschäftigt. Faye zögerte einen Moment, als ihr ein ganz anderer Gedanke kam. Dann aber kramte sie kurz in der kleinen - mehr oder weniger leeren - Handtasche auf dem Tisch und zückte ihr Handy. Die Fotos, die sie unbemerkt schoss waren vielleicht nicht von der besten Qualität. Aber erstens war Faye sich ziemlich sicher, dass es die Einzigen waren, die von Aryana und Mitch bis dato existierten und zweitens waren Fotos abgesehen von Erinnerungen, die so schnell verblassen konnten, je mehr man sich an sie klammerte, das Einzige, was man von Momenten wie diesen behalten konnte. Gerade dann, wenn es um eine derart hässliche Trennung ging, wie die, die ihrer Schwester und deren Freund bevorstand. "Hey... guckt mal hübsch", bat sie die beiden, während das matte Lächeln auf ihrem Gesicht tatsächlich noch immer existierte. Zumindest so lange, bis sie, kaum hatte sie zweimal abgedrückt, das absolut unheilvolle Klopfen an der Tür vernahm.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Dann bin ich iiiiirgendwann bestimmt genauso überrascht wie du jetzt, wenn's doch mal passiert. x'D ________
Da hatte Aryana wohl Recht. Wut stand wahrscheinlich so gut wie keinem Menschen besonders gut, da machte auch ich keinen Unterschied. Zwar konnte jene Emotion einem auch zu unverhoffter, neuer Energie verhelfen - was in Gefechten hier und da gar nicht schlecht gewesen war, weil ich trotzdem nie den Überblick verloren oder mich ausschließlich davon hatte leiten lassen, wenn es ernst war -, aber genau diese negativen Gefühle waren es schlichtweg auch, die sich unweigerlich im eigenen Gesicht abzeichneten. Die einen kaputten, dauerhaft mies gelaunten Menschen zurückließen, der in meinem Fall wohl nicht nur die ganze Welt - oder mindestens den gesamten amerikanischen Staat - hasste, sondern auch noch sich selbst. Dabei war mir nicht einmal klar, woher dieser Selbsthass einst gekommen war. Vielleicht irgendwie daher, dass ich nie für Irgendwas oder gar Irgendjemanden gut genug gewesen war. Abgesehen von der Army eben, hatte ich dort doch häufig eher überdurchschnittlich gute Leistungen gezeigt, solange man mein hier und da unangebrachtes Verhalten mal gänzlich außen vor ließ. Ich war ein guter Schütze, hatte unzählige selbst noch so tückische Einsätze nie mit dem Leben bezahlt und immer einen kühlen Kopf behalten. Vermutlich war das auch der einzige Grund, warum ich dort geblieben war. Es schien mir das einzige in meinem Leben zu sein, das ich bis jetzt gut hinbekommen hatte... zumindest eben bis zu dem Punkt, als ich den fatalen Schritt gewagt hatte meine eigenen Leute zu hintergehen und dem Tod zu weihen. So oder so hoffte ich trotzdem, dass ich irgendwann vielleicht gänzlich von dieser inneren Unruhe und der Wut loskam. Während der Zeit im Knast sicherlich nicht, aber vielleicht konnte ich irgendwann danach mal sowas wie restlos glücklich werden. Mit Aryana versteht sich, sollte sie nicht doch irgendwann vorher schon die Schnauze voll von mir haben. In der stillen Hoffnung, dass jener Fall niemals eintreten würde erwiderte ich auch den noch folgenden Kuss innig mit all meinen Gefühlen für sie, bevor ich auch den nächsten Worten der Brünetten mein Gehör schenkte, ohne sie dabei auch nur einen Zentimeter von mir wegrücken zu lassen. Sie sorgte tatsächlich dafür, dass sich auch meine Mundwinkel flüchtig anhoben. Ich hatte nun schon eine Weile nicht mehr gesungen und es freute mich einfach, dass die junge Frau meinen Gesang so genoss. Wo ich in der Musik doch schon öfter einen Ruhepol gefunden hatte wäre es wirklich blöd, wenn Aryana dem nun absolut gar nichts abgewinnen könnte. "Mach ich...", willigte ich ohne jegliche Einwände ein und hauchte ihr noch einen weiteren Kuss auf die weichen Lippen, bevor Faye sich zu Wort meldete und damit zwangsweise meinen Blick auf sich zog. Ich hatte bis jetzt gar nicht gemerkt, dass sie offenbar irgendwelche Bilder von uns machte und obwohl ich bis jetzt noch keinen Gedanken an solche verschwendet hatte, war ich ihr sofort unfassbar dankbar dafür. Es würde zwar bestimmt keine Möglichkeit mehr dazu geben mir eins davon auszudrucken, bevor ich übermorgen in den Bau wanderte, aber es wäre einfach schön, wenn Aryana mir bei ihrem ersten Besuch ein oder zwei davon mitbringen könnte. Vielleicht würde mir das zumindest ein kleines bisschen Unterstützung dabei geben nicht den Halt unter den Füßen zu verlieren und ich könnte die Brünette sehen, obwohl sie nicht da war. Das war wohl auch der Grund dafür, weshalb ich tatsächlich ein nicht gestellt wirkendes, wenn auch nur schwaches Lächeln auf meine Lippen brachte, als ich Faye ansah und sie noch ein oder zwei weitere Bilder machte. Allerdings schien das dann jetzt leider auch wirklich das Ende des Besuchs zu werden, als der Wachhund vor der Tür nach einem deutlich hörbaren Klopfen schließlich eintrat, um für Ordnung zu sorgen.
Ich erwiderte das schwache Lächeln, das sich auf Fayes Lippen abzeichnete, während sie zu mir hochsah. War mir dann im Anschluss zuerst nicht ganz sicher, was sie im Schilde führte, als sie sich schließlich von mir zu lösen begann. Zwar hatte ich durchaus gesehen, dass sie mit ihren Augen ebenfalls zum unschöne Dinge verheißenden Ziffernblatt der Uhr gesehen hatte, aber das erklärte noch nicht wirklich den Griff in ihre Tasche. Hatte sie Aryana oder Mitch irgendwas mitgebracht, das sie an sie verschenken wollte? Wohl nicht, denn sie zückte kurz darauf ihr Mobiltelefon aus der kleinen Handtasche und hob es an. Machte letztlich ein paar Bilder von dem sich zweifelsfrei aufrichtig liebenden Paar auf dem Bett, das im ersten Moment scheinbar nicht einmal was davon mitbekam. Sich gar nicht davon stören ließ, bis meine bessere Hälfte schließlich auch wörtlich nach ihrer Aufmerksamkeit verlangte und ihre Blicke daraufhin in unsere Richtung wanderten. Mein eigenes Lächeln war wohl noch immer nicht vollends verblasst, als final noch ein paar Fotos mehr von den beiden geschossen wurden. Ob sie überhaupt schon andere Bilder von sich hatten? Sie waren meines Wissens nach beide eher nicht der Typ Mensch dafür viel am Handy zu hängen, aber wer wusste schon, was sie in Australien alles getrieben hatten. Vielleicht hatte sie dort irgendwo am Straßenrand eine Fotobox angelacht. So oder so war es aber sicherlich nicht verkehrt einen ihrer letzten gemeinsamen Momente vor dem abrupten Abschied festzuhalten und Mitch schien der gleichen Auffassung zu sein, wo seine Mundwinkel sich doch tatsächlich ein kleines bisschen nach oben anhoben. Allerdings war auch das von kurzer Dauer und bekam ein jähes Ende gesetzt, als der verantwortliche Polizist schließlich in den Raum trat und damit selbst bei mir gleich ein leises Seufzen auslöste. Es war einfach nicht fair und es hätte auch keiner Menschenseele weh getan, wenn er uns noch eine Stunde mehr geben würde - eher ganz im Gegenteil. Ich hätte gerne noch länger in Ruhe weit fernab der Klapse hier mit Faye gesessen und hätte doch vielleicht auch noch ein oder zwei Worte mit den anderen beiden wechseln wollen, was jetzt doch irgendwie allgemein ziemlich kurz gekommen war. Dass Aryana und Mitch ebenso wenig erfreut darüber waren, dass wir jetzt schon wieder gehen mussten, war mehr als deutlich aus ihren Gesichtern zu lesen. "Ich muss sie leider bitten jetzt zu gehen.", sprach der Uniformierte sein bis hierhin noch recht entspannt klingendes Machtwort und sah dabei zu Faye und mir, was mich schwach nicken ließ. Also löste ich meinen bis dato nach wie vor noch locker an Fayes Körper liegenden Arm nun gänzlich von ihr, damit sie sich endgültig von meinem Schoß erheben und ich bald nach ihr aufstehen konnte. Die Geduld des Gesetzeshüters zu strapazieren wäre sicher nicht sinnvoll, wo er doch weiterhin ein Auge auf die beiden Insassen des Zimmers haben würde, also stand jetzt wohl oder übel der Abschied an. Ich atmete ein wenig tiefer durch, bevor ich noch einmal näher ans Bett trat und Mitch kurzzeitig die Hand mit den Worten "Halt die Ohren steif.", auf die Schulter legte. Damit Faye wieder den Vortritt bei ihrer Schwester ließ.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sicherlich ja, wir überraschen uns halt eben einfach gegenseitig gern… x’D ________
Gut, er würde ihr also ein Lied singen heute Abend. Dieser Gedanke war seltsam beruhigend – trotz dem Wissen, dass es eines der letzten Lieder sein würde, die sie für eine sehr lange Zeit von ihm zu hören bekommen würde. Immerhin konnte sie sich jetzt noch auf eines freuen. Und dann würde sie die nächsten ewigen Monate damit verbringen, seine Gitarre anzuschauen und sich dabei zu wünschen, er wäre da um seine Finger über die Saiten gleiten zu lassen... Als die Stimme ihrer Schwester sie schliesslich aus ihren Gedanken holte, drehte Aryana sich zu der Brünetten um, die sich offenbar einer plötzlichen Eingebung zufolge mit der Kamera ihres Handys auslebte. Normalerweise war Aryana ja kaum für Fotos zu begeistern. Einfach, weil die ganze Selfiejugend, die ihren Alltag mit Fotos dokumentierten, nicht ihre Welt war. Aber an dieser Stelle waren Bilder eigentlich eine ganz wundervolle Idee, weshalb man auch sie nicht zweimal um ein Lächeln bitten musste, während sie sich eng an Mitch schmiegte. Vielleicht entsprachen Krankenhausklamotten und etwas fahle Haut nicht ihrem bis dato besten Look, aber wen interessierte das schon? Wenigstens schenkte ihnen Faye so etwas, das sie über all die Stunden anschauen konnten, in denen sie sich so schmerzlich vermissen würden. Und offenbar war die Idee seitens ihrer Schwester auch gerade noch rechtzeitig gekommen, denn keine zehn Sekunden später erklang das endgültige Klopfen an der Tür, welches diese ruhige Minute für sie alle schlagartig beendete. Aryana gab ein leises, fast etwas weinerliches Stöhnen von sich, als sie ihre Arme noch einmal enger um Mitch klammerte und wehmütig zu ihm nach oben blinzelte. Allerdings liess der Hüter des Gesetzes sich wenig Zeit damit, vor der Tür zu warten und stand darum einen Wimpernschlag später schon im Raum um alles kaputt zu machen. Ihr Blick glitt zu ihrer Schwester, die sie ebenso unglücklich betrachtete wie Mitch. Aber es half ja doch nichts. Aryana löste sich vollkommen widerwillig von ihrem Freund, um sich vorsichtig auf ihre natürlich noch längst nicht voll belastbaren Beine zu begeben und Faye zum Abschied locker in ihre Arme zu schliessen. «Wir sehen uns bald wieder, ich versprechs dir… Sobald das alles… ein Bisschen vorbei ist», murmelte sie, schob ihre Schwester nochmal etwas von sich, um ihr mit ihrem Blick zu bedeuten, dass sie das wirklich ernst meinte. Sie würde sie besuchen und alles dafür tun, damit zumindest für Faye und Victor das Leben langsam wieder ein Bisschen mehr in Ordnung sein konnte. Da der Cop sie die ganze Zeit argwöhnisch beobachtete, als würde einer von ihnen nächstens in die Luft gehen, gestaltete sich der ganze Abschied eher kurz und nachdem ihre Hand noch einmal sanft über das Haar und die Wange ihrer Schwester gestrichen hatte, löste sie sich widerwillig auch von ihr. Aryana wandte sich Victor zu, den sie für einen Moment in eine ebenso lockere Umarmung schloss, um sich zu verabschieden. «Machts gut… und bis bald», gab sie leise von sich, versuchte ihnen, der allgemein wieder absolut schrecklichen Stimmung trotzend, ein Lächeln mit auf den Weg zu geben. Aber natürlich sah das in etwa genauso kläglich aus wie man es erwarten konnte und so folgten ihre Mundwinkel relativ bald wieder der Schwerkraft. Sie trat einen Schritt zurück, um nochmal verstohlen nach Mitchs Fingern zu greifen, während sie den beiden anderen mit ihren Blicken bis zur Tür folgte, durch die sie nach so kurzer Zeit schon wieder nach draussen verschwanden. Das war doch echt nicht fair, dass man ihnen selbst diesen Besuch hier nicht wirklich gönnen wollte. Nicht mal jetzt, wo sie das doch theoretisch noch durften. Wahrscheinlich hatten hier die Deppen von der Psychiatrie ihr Veto eingelegt, weil sie um die Gesundheit ihrer Schützlinge zitterten, wenn diese mit Schwerkriminellen abhingen… Dass das ständige Auseinanderreissen ihrer Familie auch nicht unbedingt von Vorteil war, wurde hier wohl ausser Acht gelassen. Vielleicht liessen sie Faye und Victor halt einfach lieber mit Victors Familie Zeit verbringen, weil diese umgänglicher war und nicht so viele Probleme mit sich brachte, was natürlich Einiges um ein Vielfaches leichter machte…
Sie war froh, dass keiner der beiden mit einem erschrockenen Gesicht oder genervter Mimik auf ihre spontane Fotoaktion reagierte. Sie sich viel eher tatsächlich ein Bisschen zu freuen schienen, wenigstens ein Bild aus verhältnismässig besseren Zeiten mit in die kommende Odyssee nehmen zu können. Es war nicht viel, aber eben immerhin etwas… Faye mochte Bilder. Sie mochte sie für das, woran sie einen Menschen erinnern konnten, für das, was sie selbst Jahre nach ihrer Aufnahme noch auszustrahlen und zurückzugeben vermochten. Und sie war sich leider ziemlich sicher, dass Mitch und Aryana sehr viel Zeit damit verbringen würden, den anderen zu vermissen, sodass sie alles brauchen konnten, was ihnen half, diese Momente ein Bisschen leichter zu überstehen. Jedenfalls war Faye froh, die Fotos gerade noch rechtzeitig gemacht zu haben, bevor der Polizist mit seiner Ausstrahlung eines endgültigen Abschiedes im Raum stand. Faye atmete tief durch, weil sie spürte, wie sofort wieder die ganze Unruhe und Unsicherheit in ihr aufkochte. Sie erhob sich zögerlich auf ihre eigenen Füsse, legte das Handy weg und den Riemen der kleinen Tasche über ihre Schulter, strich sich die Haare hinter die Ohren und blickte zu ihrer Schwester auf, sobald diese ebenfalls aufgestanden war. Die schwache Umarmung drückte nicht annähernd das aus, was sie Aryana gerne gesagt hätte, aber gleichzeitig gab es dazu auch keine Worte. Es gab nichts, was die Lage der beiden – oder von ihnen allen – irgendwie besser machen könnte und so blieb es seitens der jungen Brünetten bei einigen kraftlosen Worten. «Ja… bis bald… und bitte ruf mich an wenns dir schlecht geht, ja?», hauchte sie ihrer Schwester zu, wartete auf ein bestätigendes Nicken, ehe sie sich ganz von ihr löste. Sie wandte sich Mitch zu und zögerte kurz, weil sie nicht recht wusste, was er davon halten würde. Aber letztendlich war ihnen allen bewusst, dass sie sich für eine lange Zeit zum letzten Mal gesehen hatten, selbst wenn sie ihn irgendwann im Gefängnis besuchen durften. Es würde noch ewig dauern, bis ihre Psychologen und alle anderen ihnen erlauben würden, sich einem zweifellos aufwühlenden Ort wie einem Gefängnis auch nur auf Sichtweite zu nähern. Und darum schloss sie auch ihn für einen Moment in ihre Arme. «Machs gut, Mitch… Und pass auf dich auf», murmelte sie, als sie sich wieder von ihm löste, um langsam mit Victor den Rückweg anzutreten. Kaum hatten sie sich umgedreht um zur Tür zu gehen, griff sie auch schon wieder suchend nach seiner Hand, welche sie mit ihren Fingern umschloss. Noch drei Mal drehte sie sich nach ihrer Schwester und Mitch um, winkte kurz, bevor sie durch die Tür gingen und diese direkt hinter ihnen ins Schloss fallen zu hören.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Mein Blick traf auf Aryanas und spiegelte wohl unweigerlich die schon jetzt aufkommende Sehnsucht wieder, die mich von nun an wieder begleiten müssen würde, weil die Brünette sich zwangsweise von mir distanzieren musste. Wir dahingehend leider ganz einfach nicht den Hauch einer Wahl hatten, wenn wir hier Niemanden wütend machen wollten. Ich wendete die Augen erst wieder von der jungen Frau ab, als Victor im Augenwinkel auf mich zukam, um sich zu verabschieden. Mir dann im Anschluss noch im übertragenen Sinne sagte, dass ich den Kopf nicht hängen und mich nicht unterkriegen lassen sollte. War zwar eindeutig leichter gesagt als getan, aber ich sah ihn dennoch aufrichtig dankbar fürs Vorbeischauen - und vor allem fürs nicht verurteilen und wegstoßen, was für einige andere Leute sicher die einleuchtendere Reaktion gewesen wäre - an und nickte deutlich sichtbar. "Und du gib weiter Acht auf das kleine Reh.", erwiderte ich noch ein paar sarkastisch angehauchte Worte, die ich Victor kaum zu sagen brauchte. Er ließ Faye sicher ohnehin nicht mehr als unbedingt notwendig aus den Augen seit die beiden verunglückt waren und brauchte dazu kaum mehr eine Aufforderung. Trotzdem nickte er lächelnd mit den leisen Worten "Mach ich." und dann wurde noch kurz getauscht, was den Abschied anging. Ich sah zwar den kurzzeitig unschlüssigen Blick seitens der jüngeren Cooper, als mein Blick schließlich von ihrem Freund abließ und stattdessen in ihr Gesicht fiel, aber es dauerte trotzdem nicht lange, bis sie dann doch auf mich zukam und mich in ihre Arme schloss. Ich neigte mich ihr etwas entgegen, erwiderte die flüchtige Umarmung nur relativ vorsichtig und schloss sie lediglich locker in den unverletzten Arm. Ich wusste nicht, ob Faye bewusst war, was sie mir gerade für einen Gefallen damit tat mich zu umarmen. Eigentlich war ich wirklich nicht so der Typ Mensch für überschwängliche Verabschiedungen und mehr Körperkontakt als notwendig - Aryana selbstverständlich ausgenommen -, aber die knappe Umarmung war einfach nochmal ein schönes Zeichen dafür, dass auch sie mich nicht ganz abschrieb. Ihre anschließenden Worte bestätigten das noch einmal und wieder folgte ein schwaches Nicken meinerseits. Ja, ich würde mir Mühe damit geben mich selbst so gut es ging aus sämtlichem Ärger herauszuhalten. Vor allem aus dem Ärger mit mir selbst. "Ja, ich versuch's.", übermittelte ich Faye auch wörtlich noch, dass ich mir Mühe damit geben würde und dann war es wohl endgültig Zeit für die beiden zu gehen. Ich versuchte dem jungen Paar noch ein schwaches Lächeln mit auf den Heimweg zu geben, als sie sich endgültig abwendeten und die Tür ansteuerten. Der Polizist warf sowohl mir, als auch Aryana in der kurzen Zwischenzeit noch einen mahnenden Blick zu, wo sich unsere Finger doch noch einmal kurz berührten und ihm die vorangegangene Kuscheleinheit kaum entgangen sein dürfte. Ich konnte es mir nicht verkneifen einen Moment lang die Augen nach oben zu rollen, als ich meine Hand widerwillig nach einem letzten Streicheln über Aryanas Handrücken zu mir zurückzog. Man könnte wirklich meinen ich säße bereits im Knast, so wie hier mit uns umgesprungen wurde und so war ich doch ziemlich dankbar dafür, dass er sich kurz nach Faye und Victor aus dem Raum verzog. Die Tür fiel wieder zu und das verräterische Geräusch des Schlüssels im Türschloss folgte sofort, wobei ich dann den Blick erneut kurzzeitig auf die Bettdecke vor mir richtete und hörbar seufzte. Schwieg im Anschluss daran erst einmal einige Sekunden und atmete lediglich etwas tiefer durch, bevor ich mich nach hinten ins Kissen fallen ließ und mich auf die Seite drehte. "Bringst du mir irgendwann eins mit?", setzte ich zu einer gemurmelten Frage an, die nach dem Abschied vielleicht etwas aus der Luft gegriffen war. "...von den Fotos, meine ich.", hängte ich also noch eine flüchtige Erklärung dran, womit dann ziemlich klar sein sollte, wovon ich redete.
"Wir sehen uns.", verabschiedete ich mich nach Faye dann auch noch von Aryana, nachdem ich die kurze Umarmung der älteren Schwester erwidert hatte. Ich wünschte ich könnte Irgendwas gegen die postwendend wieder schrecklich gedrückte Stimmung tun. Noch Irgendwas sagen, damit sich irgendwer hier drin mit dem Abschied leichter tat. Ich war mir zwar sicher, dass Aryana ihre jüngere Schwester und damit auch mich in nicht allzu ferner Zukunft wieder besuchen würde, aber bei ihr ging es wohl auch mehr um den Abschied bezüglich Mitch. Letzterer selbst schien sich nach wie vor zwar wirklich darüber zu freuen, dass Faye und ich ihn nicht gänzlich in die Tonne hatten schmeißen wollen, aber auch sein Blick war voller Wehmut. Ein Abschied auf noch unbestimmte Zeit war eben einfach kein leichter. Dass ich weiterhin über Faye wachen würde bestätigte ich ihm nur allzu gerne, käme es mir doch nicht einmal im Traum in den Sinn die zierliche Brünette allein zu lassen. Besonders momentan glich sie ja wirklich einem ziemlich leicht aufschreckbaren Reh... oder gar einem Rehkitz, das sich noch viel weniger gegen Angreifer wehren konnte. Sie war nun mal leider ebenso sehr wie ich fast schutzlos den Fängen ihrer Psyche ausgeliefert und es würde sicher noch eine Weile dauern, bis sich daran etwas änderte. Ich ließ meinen Blich noch einmal zwischen den beiden Patienten hin und her wandern, versuchte ihnen danach beim Verlassen des Raumes über meine rechte Schulter hinweg ein möglichst aufheiterndes Lächeln zu schenken, auch wenn das kaum helfen dürfte. Ein paar angehobene Mundwinkel retteten Niemanden vor dem Gefängnis und konnten auch keine Herzen schützen, die drauf und dran waren in ihre Einzelteile zu zersplittern. Gänzlich verlieren mussten sie den jeweils anderen zwar nicht, aber ich war mir auch wirklich nicht sicher damit, was am Ende schmerzhafter wäre. Mit dem gänzlichen Verlust des Anderen konnte man zumindest irgendwann abschließen, während die beiden sich wohl über Jahr hinweg immer nur mal hin und wieder sehen und miteinander sprechen konnten. Ich wollte nicht einmal daran denken wie es sich anfühlen würde, wenn man mir Faye einfach so wegnehmen würde. Stattdessen legte ich auch meine Finger wieder um die ihren, als ich den Blick letztlich endgültig nach vorne abwendete und den Raum mit der jungen Frau an der Hand verließ. Sollte auch nicht lang dauern, bis der Polizist es uns gleich getan hatte und die beiden Schwerverbrecher damit erneut in ihrem Zimmer eingeschlossen waren. Ich blieb noch einmal kurz stehen und sah auf die Tür, bevor mir ein leises Seufzen über die Lippen kam. Sie taten mir einfach beide leid. Aryana noch etwas mehr als Mitch, weil letzterer nunmal einfach eine Strafe verdiente, aber in meinen Augen würde es sicher auch nur ein paar wenige Monate Gefängnis tun... mit anschließender Bewährungsstrafe und Sozialstunden, im Idealfall in Verbindung mit Kriegsveteranen. Es war leider kein Geheimnis, das viele Menschen sich durch die Gitterstäbe tagein, tagaus in keine gute Richtung veränderten und ich hielt dahingehend das Risiko für Mitch leider auch nicht für unbedingt gering, weil er sowieso schon einen Knacks weg hatte. War einfach total kontraproduktiv.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
So, Entschuldigung - Queni musste nochmal paar Tage Luft holen gehen.. x'D _____
Sie bekam den mahnenden Blick des Polizisten durchaus mit - wäre auch schwer gewesen, diesen zu übersehen. Trotzdem hatte sie nicht wirklich vor, sich davon schon wieder einschüchtern oder von Mitchs Bett vertreiben zu lassen. Denn Aryana wusste ganz genau, dass sie in ein paar Tagen jede Sekunde bereuen würde, die sie nicht in seiner unmittelbaren Nähe verbracht hatte, solange sie noch irgendwie die Möglichkeit dazu hatte. Und so zog sie vorerst einfach einen der Stühle herbei, die die beiden Besucher nun leer hinterlassen hatten, setzte sich so direkt neben das Bett. Ohne ihren Freund wirklich zu berühren, also vollkommen legal. Aber Aryana schwor sich innerlich, dass sie dieses lächerliche Spielchen heute Nacht beenden würde. Es war nicht fair, sie hier ihrer letzten Momente vertrauter Zweisamkeit zu berauben, wenn jeder da draussen so genau wusste, dass sie danach vermutlich jahrelang von fast jeder Art körperlicher Nähe absehen mussten. Ihr Gesetzeshüter vor der Tür wechselte um zwanzig Uhr zum letzten Mal. Meistens blieb der auch die ganze Nacht draussen, hatte keinen Grund, sie hier bei ihrem heiligen Schlaf zu stören. Etwa um 22 Uhr sah dann noch eine Krankenschwester auf ihrem abendlichen Rundgang vorbei - meist aber nur ganz kurz, weil sie beide längst keine Zusatzwünsche zu Medikamenten oder sonstiger Versorgung mehr äusserten und auch sehr gut selber das Badezimmer aufsuchen konnten. Dann kamen irgendwann um circa zwei und vier Uhr noch die Nachtwachen des Krankenhauses um zu prüfen, dass sie wie alle anderen Insassen noch atmeten. Aber auch die blickten höchstens durch den Türspalt rein, also auch keine grössere Störung. Somit war das Risiko, welches sie einging, wenn sie mit Mitch mal wieder eine Regel brach, relativ gut kalkulierbar. Und der schlimmste Fall, der eintreffen könnte, wäre, dass er ihr einen Tag früher entrissen wurde. Was zweifellos hässlich wäre - aber genauso hässlich wäre es, ihn noch zwei weitere Tage auf so unendlich ferne Distanz betrachten zu müssen und dabei zu wissen, dass es bald noch viel schlimmer wurde. Mitchs Frage riss sie aus ihren Gedanken und sie hob wieder den Kopf, um ihn etwas verwirrt anzuschauen. Doch er löste das Rätsel relativ bald auf und erklärte, was genau sie ihm den mitbringen sollte, wenn sie ihn einmal besuchte. Eines der Bilder, an das er sich klammern konnte, damit er nicht vergass, was sie einmal gewesen waren... Aryana schluckte den Kloss, welcher allein durch den Gedanken an einen Gefängnisbesuch ausgelöst worden war, wieder runter, nickte dann eifrig vor sich hin. "Sicher... Ich bringe dir jedes davon mit. Bei jedem Besuch ein Neues. Und wenn ich keine mehr habe, dann bring ich dir... andere Bilder mit, die das Leben etwas... leichter machen könnten", beschloss sie, wobei ihre Augen wieder seine fanden und genau da liegen blieben, wo sie für immer bleiben sollten. Schöne Bilder wären ein lächerlicher Trost. Aber vielleicht halfen sie ihm ja trotzdem dabei, niemals das zu vergessen, was ausserhalb der Mauern und Gitterstäbe noch existierte und auf ihn wartete... "Heute Nacht komm ich zu dir, Mitch. Es ist mir egal, was die uns verbieten, ich will nicht an diese Tage zurückdenken und mich fragen, ob ich dich nicht... noch ein Bisschen näher hätte halten sollen und noch ein Bisschen länger hätte spüren können..", hauchte sie nach einer stillen Pause in seine Richtung, war drauf und dran sich schon jetzt wieder nach ihm auszustrecken, wie das Zucken ihrer Finger deutlich verriet. Aber noch hielt sie sich zurück und hoffte einfach, dass er das alles nicht für die ganz schlechte Idee hielt, die es vermutlich nunmal war.
Sie verstand nicht, warum die Tür abgeriegelt wurde. Sowohl Mitch als auch Aryana gingen an Krücken. Wo sollten sie denn bitte schnell genug hin, um irgendwie dem zu entkommen, was auf sie wartete? Ausserdem stand ein Cop vor der Tür. Sie würden nicht weglaufen, auch ohne gedrehten Schlüssel im Schloss nicht. Das war einfach nur eine weitere Demonstration der absoluten Machtlosigkeit, die sie alle gegenüber der übergeordneten Hand eines fremdgewordenen Gesetzes hatten. Und Faye hasste es. Weil sie weder Mitch noch ihrer Schwester helfen konnte, weil sie niemanden aus der Schlinge ziehen und stattdessen das besiegelte Schicksal einfach kommen lassen mussten. Auch als sie von ihrer Psychotante den Flur runter begleitet wurden, drehte die Brünette sich noch mehrere Male um, als möchte sie nicht recht glauben, was sich in ihrem Rücken gerade abspielte. Als müsste sie überprüfen, dass der Polizist seinen Posten nicht verliess und ihr keine Chance gewährte, zurück zu laufen, um den Schlüssel wieder in die andere Richtung zu drehen. Nur passierte natürlich nichts davon und sie sassen nur Minuten später wieder in ein Auto gepfercht auf dem Rückweg in die Klinik, die Faye so hasste, weil sie ihr immer wieder all die Dunkelheit aufzeigte, die sie seit Monaten nicht überwinden konnte. Die Dunkelheit in ihrem Herzen, die sie immer mit sich herumgetragen hatte und die sich nun so weit ausgebreitet hatte, dass man meinen könnte, ihre Seele wäre komplett in Schwarz getaucht. Dabei hatte sie heute ein kleines Licht gesehen. Im Zimmer bei Mitch und Aryana, als sie auf Victors Schoss gesessen hatte... Da war ein helles Schimmern gewesen. Und Faye war es leid, diese Funken zu jagen, sie wollte endlich etwas, das Veränderung versprach, das Besserung anzeigte. Sie wollte endlich wieder werden wie früher, wollte das zurück, was sie gehabt hatte. Und vor allem wollte sie Victor das zurückgeben, was er verdiente, worauf er seit mittlerweile so langer Zeit schon wartete. Weil sie heute mal wieder gesehen hatte, was es mit zwei Menschen machen konnte, wen man ihnen genau das entriss, wofür sie leben wollten. Zurück in der Klinik dauerte es bis zum Flur vor ihrem Zimmer, bis sie die Therapeutin endlich loswurden. Aber dann verschwand sie endlich und Faye betrat nach Victor das karge Zimmer, welches nun seit Wochen ihr Eigenes war. Sie legte ihre Tasche zur Seite und ging dann ins Bad, wo sie wie immer direkt die Tür hinter sich zuschob. Sie blickte sich kurz um als wäre ihr selbst dieser Ort fremd geworden, aber alles war wie immer. Da waren Zahnbürsten, Seife, ein paar wenige Pflegeprodukte. Keine Rasierer. Die wurden ihnen nach jedem Gebrauch wieder abgenommen, weil einer der tollen Psychologen einmal dummerweise die dünnen und stark verblassten Narben auf ihrem rechten Unterarm gesehen hatte. Sie hatte zwar beteuert, dass das ewig her und eine einmalige Sache gewesen war, aber als er sich nach der Geschichte dahinter erkundigt hatte, war die Antwort ihrerseits selbstverständlich trotzdem ausgeblieben. Und so wurde nun eben seit da noch penibler darauf geachtet, dass nichts, was sich auch nur im Entferntesten als Klinge missbrauchen liess, in ihrem Zimmer sein Zuhause fand. Nichtmal damit konnte sie offenbar umgehen... Fayes Blick blieb am Spiegel hängen, den sie mittlerweile hasste, als wäre er persönlich für all das Leid in ihrem Blick verantwortlich. Sie hasste die traurigen, leeren Augen, die ihr immer entgegen starrten und das Bild, das sich ihr bot. Und doch schälte sie sich langsam aus der Jacke und dem Pulli und der Hose, bis sie nur noch in Unterwäsche und Top vor dem Spiegel stand. Wenn es wenigstens nur die Narben wären, mit denen Victor klar kommen müsste... Wenn wenigstens nicht ihr gesamter Körper so eingefallen wäre, als hätte der Syrer in den Hügeln sie komplett gebrochen. Es hatte so lange gedauert, bis sie sich selber wieder akzeptiert hatte nach der ganzen Sache mit Warren. Und das letzte Mal davor. Victor hatte ihr ziemlich entscheiden dabei geholfen, keine Frage. Aber sie kam trotzdem nicht umhin, zu bezweifeln, dass er genau das diesmal auch schaffen würde. Denn selbst wenn sie es mal gewesen wäre, dann war sie jetzt ganz bestimmt nicht mehr schön. Nicht mit den kantigen Hüftknochen und den deutlich abzählbaren Rippen. Den fehlenden Kurven und den leeren Augen. Dem blassen Teint und den glanzlosen Wangen. Nicht mit all den Narben, die ihre Beine und Arme zierten. Und ganz bestimmt nicht mit dem, was unter dem Stoff lag und sie noch immer nicht anzuschauen wagte. Sie atmete zitternd ein und aus, versuchte, sich irgendwie zu sammeln und nicht schon wieder zu weinen, während sie zur Ablenkung ihre Kleider einsammelte und zur Seite legte. Wieder glitt ihr Blick auf ihr Spiegelbild, sie drehte sich ein Bisschen zur Seite und schob den Stoff nach oben. Aber sie wusste ganz genau was wartete, sobald sie die erste Narbe erblickte - so weit war sie schon oft genug gekommen. Und darum verliess sie wie auf Zehenspitzen - so lautlos, wie sie sich mittlerweile fast immer bewegte - das Bad, ging zurück ins Zimmer, platzierte ihren Kleiderstapel auf einem Stuhl und blickte dann zu Victor. Ohne recht zu wissen, ob sie das wirklich tun konnte. Aber wenn sie es heute nicht versuchte, würde sie ihn nur noch länger von sich weg schieben. Dann würde das alles niemals ein Ende nehmen und er würde nie die Chance haben, überhaupt zu wissen, wofür er sich hier Tag für Tag entschied, wenn er mal wieder bei ihr blieb und sie nicht aufgeben wollte. Er verdiente als einziger Mensch der Welt die ganze Wahrheit und Faye hatte wirklich vor, ihm diese jetzt zu geben - egal, wie unendlich schmerzhaft das zwangsläufig sein würde. Und so ging sie unsicher auf ihn zu, blieb schliesslich direkt neben ihm stehen, um nach seiner Hand zu greifen. In der verzweifelten Hoffnung, dass ihr wenigstens das ein Bisschen Halt verschaffen würde. "Willst du... sie sehen, Victor..?", ihre Stimme war so eindeutig belegt, dass sie die noch ungeweinten Tränen unmöglich leugnen konnte. Aber trotzdem meinte sie ihre Frage ernst und hatte wirklich vor, ihm alles zu zeigen. Bevor sie es selbst gesehen hatte. Weil sie nicht stark genug war, das alles umgekehrt zu machen. "Du... du musst natürlich nicht... nur... nur wenn du möchtest... halt... ich weiss nicht", stammelte sie weiter vor sich hin, als ihr der spontane Einfall kam, dass diese Frage vielleicht ziemlich dämlich gewesen war. Wenn sie die Narben selbst nicht anschauen konnte, warum sollte Victor ein solches Bedürfnis verspüren? Süsse Logik, Faye... Wirklich.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
dachts mir schon, also alles juuuuuuuut :D ________
Wider Erwarten zog Aryana sich gar nicht erst bis zu ihrem eigenen Bett im Raum zurück, als wir wieder ganz unter uns waren. Stattdessen blieb sie wohl so nah wie aktuell möglich bei mir, indem sie sich auf einem der beiden Stühle niederließ, die Faye und Victor bis gerade eben noch für sich beansprucht hatten. Ich folgte ihr dabei unaufhörlich mit meinen Augen, ließ sie nicht aus meinem Blick. Irgendwie hatte ich mir das die letzten Tage über noch vermehrt angewöhnt. Natürlich sah ich die Brünette ohnehin gern und auch oft an, auch schon weit vor Temiz' Angriff auf unser Camp, aber es war noch mehr geworden. Wenn ich so ganz sachlich darüber nachdachte, dann konnte sie wohl kaum eine Bewegung machen, ohne dass sich meine Augen dabei automatisch in ihre Richtung verloren. Womöglich lag das schlichtweg darin begründet, dass ich permanent die tickende Zeitbombe im Hinterkopf hatte. Wusste, dass ich sie bald nicht mehr sehen können würde und jede erdenkliche Chance zuvor noch dafür nutzen wollte. Allein der Gedanke daran war schon schlimm, weshalb ich mich doch lieber auf ihre Worte konzentrieren und mich damit davon losreißen wollte. Bei jedem Besuch ein neues Foto zu kriegen klang sogar noch viel besser, als nur eines zu haben. Ich war noch nie ein Mensch gewesen, der gerne mittels Bildern in der Vergangenheit schwelgte - immerhin war die meine nicht besonders rosig - oder sich damit die bevorstehende Zukunft vor Augen hielt, aber gerade war wohl wirklich absolut Alles ein bisschen anders. Ich hatte auch noch nie dazu geneigt schnell zu verzweifeln, aber gerade nahm ich mir jeden noch so schmalen Strohhalm, um mich an ihn zu klammern in der Hoffnung, dass er nicht bei der ersten Böe brechen und mich zurück auf den kalten, dreckigen Boden der Tatsachen schmeißen würde. Von mir aus würde ich die ganze Zellenwand mit vielleicht noch so irrelevant oder sinnlos wirkenden Bildern plakatieren, wenn mir das dabei half nicht gänzlich den Halt zu verlieren. Dazu war mir jedes Mittel recht. Ich wollte nicht als vollkommenes Wrack, nur noch als ein Schatten meiner Selbst wieder aus dem Gefängnis kriechen. In keinem Fall würde die Zeit direkt danach eine leichte werden, aber ich wollte mir die Sache nicht schon von vornherein verbocken. "Danke, das... hilft sicher ein bisschen.", murmelte ich nur zurück, war kurzzeitig auch versucht mir ein schwaches Lächeln abzuringen, bis mir wieder einfiel, dass ich hier Niemandem Irgendwas vorzuspielen brauchte. Aryana kannte mich besser als jede andere Person, da würde ein absolut nicht echt wirkendes Lächeln ihr kaum irgendwie weiß machen können, dass ich nicht so absolut verzweifelt war, wie es nun mal leider der Fall war. Also ließ ich es einfach bleiben und atmete einmal ein wenig tiefer durch, kurz bevor die schlanke Brünette erneut an meine Aufmerksamkeit appellierte. Mit Worten, die sie mir wahrscheinlich besser nicht sagen solltem, weil das grundlegend nicht wirklich das war, was sie tun sollte. Womöglich war zu mir ins Bett und unter die Decke zu kriechen nachts wesentlich weniger gefährlich - sie würden uns wohl kaum prompt die Köpfe von den Schultern schlagen, auch wenn sie's bestimmt alle wieder ganz unlustig fanden -, aber trotzdem war das uns beiden verboten. Nur wussten wir ja inzwischen beide gut genug, wie wenig uns Verbote für gewöhnlich eben interessierten. Natürlich kam uns das jetzt auch teuer zu stehen - mich mehr als die junge Frau hier neben mir -, außer was den Mord an Warren anging. Der war aber auch schlichtweg gerechtfertigt gewesen. Alles in Allem sollte ich Aryana sicherlich von diesem Regelbruch abbringen, ihr das ausreden, aber dass es dazu nicht kam war wohl kein Wunder. "Ich bin sicher der Letzte, der dich davon abhält...", ließ ich sie nach wie vor nur eher leise redend etwas wissen, das sie vermutlich schon längst wusste. Jetzt, wo wir uns doch noch ein weiteres Mal auf dem Bett in den Armen gelegen hatten, war es ohnehin schon schwer genug, sie nicht einfach am Handgelenk zu nehmen und wieder zu mir zurückzuholen, weil das gerade der absolut einzige Ort war, wo sie hingehörte. Beruhte wohl auf Gegenseitigkeit, konnte ich das kleine bisschen Bewegung in ihrer Hand doch sehen und es mir zumindest auf den ersten Blick nicht anders erklären. Was sollte uns jetzt auch noch passieren? Wirklich viel schlimmer werden konnte es nüchtern betrachtet ja eigentlich ohnehin nicht mehr. "Ich vermisse dich jetzt schon, Aryana... wie soll ich...", seufzte ich leis ein paar kaum hörbare Worte vor mich hin. Ich hatte nicht wirklich über jene nachgedacht, sie einfach nur ausgesprochen, sowie sie mir in den Sinn gekommen waren und da sprach wohl nicht weniger als starke Verzweiflung aus mir. Auch senkte mein Blick sich wieder auf die Bettdecke ab, als ich mich auf die Seite rollte und das Gesicht so halb im Kissen vergrub. "Wir hätten die Sache mit dem Unsichtbarkeitsupgrade echt durchziehen sollen.", nuschelte ich ironisch in den Kissenbezug, kurz nachdem ich die Decke etwas zurecht gerückt hatte. Nicht ohne hier und da Schmerzen an den Verletzungen zu provozieren, aber der Schmerz lenkte wenigstens ein kleines bisschen ab.
Die Heimfahrt war ein Stück weit nervig. Irgendwann gab sie es zwar auf, aber zumindest in der ersten Hälfte der Fahrt versuchte die Therapeutin immer wieder uns am Reden zu halten. Sogar indirekt Revue passieren zu lassen, was wir zuvor bei Aryana und Mitch an Eindrücken gesammelt hatten. Das war Nichts, was man mal eben so in fünf Minuten verdaute und worüber man dann absolut offen reden wollte. Außerdem hatte ich auch schlichtweg keinerlei Bedürfnis dazu, gerade überhaupt mit ihr zu reden. Auch nicht nur in Form von belanglosem Smalltalk, auf den sie irgendwann von ganz alleine umstieg. Der verlief jedoch nach einer Weile ebenfalls ins Leere und ich war heilfroh darum, weil dann endlich Ruhe einkehrte. Nur noch das Radio ab und an vor sich hin summte und ich allein in Gedanken noch einmal abspielen konnte, was im Krankenzimmer des anderen jungen Paares vor sich gegangen war. Nicht nur in Bezug auf Mitch und das, was er getan hatte. Auch in Hinsicht auf Aryana, die genauso wie der Tätowierte eine sehr anstrengende und langwierige Phase in ihrem Leben vor sich hatte. Dabei sicher jede Form von Unterstützung brauchen konnte, die sich ihr anbot. Zwar glaubte ich nicht, dass ich der sonst immer so stark wirkenden Brünetten wirklich aktiv etwas Gutes tun konnte, aber falls doch war ich für sie da. Mit Faye hatte ich was das anging auch schon alle Hände voll zu tun, aber... Faye. Ich musste unbewusst ein weiteres Mal stumm, eher nur schwach lächeln, als ich daran zurückdachte, dass sie sich auf meinen Schoß verkrochen hatte. Der Anlass dafür war natürlich nach wie vor absolut beschissen, aber es half mir weiterhin an unserer aktuell ziemlich stetig mehr und mehr auseinanderbröckelnden Beziehung festzuhalten. Vielleicht war das nicht besonders schlau, aber es war für mich die einzige Option. Faye gehen zu lassen stand nicht zur Debatte, solange sie mich nicht ausdrücklich aus eigenen Stücken von sich wegschickte und nicht mehr sehen wollte. Selbst dann würde es mir vermutlich noch schwerfallen das Ganze einzusehen und wirklich Abschied von ihr zu nehmen... vielleicht würde ich mich auch einfach weigern. Nicht körperlich, aber mental. Es konnte nicht gesund sein, dass ich mich so abhängig von ihr machte, aber über den Punkt, an dem ich mir darüber Gedanken gemacht hatte, war ich schon lange hinweg. Meine Seele war ja ohnehin schon fortwährend damit beschäftigt Steine ihres eigenen Trümmerhaufens sinnlos durch die Gegend zu kicken und am Ende nur noch mehr damit zum Einsturz zu bringen. In meinen Augen konnte ich schlicht nicht noch kaputter werden, als ich es inzwischen ohnehin schon war, also ließ ich es ganz einfach drauf ankommen. Wer nicht für etwas kämpfte, der konnte es eben auch nicht für sich gewinnen. Wieder im Haus des Wahnsinns angekommen verzog sich Faye gleich zuerst ins Badezimmer und zu diesem Zeitpunkt war ich noch der Annahme gewesen, dass sie mit Sicherheit entweder nur ihre Blase nach der langen Autofahrt entleeren oder kurz duschen gehen wollte. Deshalb machte ich mir über ihr Verschwinden im Nebenraum an sich auch erst einmal keinerlei tiefergehende Gedanken, sondern wurde vorerst nur meine eigene Jacke und auch die Schuhe los. Die fast immer vorhandene Grundanspannung in meinem Körper kroch langsam wieder zu mir zurück, verband ich mit diesem Zimmer hier einfach nichts Gutes. Zwar war es hier drinnen doch deutlich ruhiger als auf dem Gang oder in einem der Gemeinschaftsräume - da wurde durchaus hin und wieder hysterisch herumgeschrien oder mal das Brett irgendeines langweiligen Gesellschaftsspiels vom Tisch gefegt, um den Emotionen ihren Raum zu verschaffen -, was ich an sich natürlich begrüßte, aber trotzdem fühlte ich mich hier drin natürlich kein Stück Zuhause. Wollte hier viel mehr raus sobald die Ärzte das für möglich hielten und keine Sekunde später. Ich hatte in der Zwischenzeit einen kurzen Gang zum Fenster gemacht, nur um festzustellen, dass draußen alles genauso langweilig wie immer aussah, bevor ich mich wieder von der Glasscheibe abwendete. Kurz darauf schwang auch die Tür des Badezimmers auf - allerdings ohne vorherige Klospülung oder das Rauschen des Duschkopfs. Nein, stattdessen kam die schmale, junge Frau mit nicht mehr als noch ein bisschen Unterwäsche und einem läppischen Top bekleidet heraus. Ich hatte schon von ganz allein irgendwo im Raum angehalten, als ich die Tür aufgehen gehört hatte und folgte ihr etwas unsicher mit meinem Blick. Ich müsste ganz gewaltig lügen, um zu sagen, dass mir der Anblick nicht weh tat. Ihre Beine waren schon immer lang und schlank gewesen... nur ging das hier über schlank eben sehr weit hinaus. Eigentlich überraschte mich das nicht wirklich, sah ich doch auch an ihren schmaler gewordenen Armen und ihrem Gesicht allein schon überdeutlich, dass sie in der letzten Zeit ein paar zu viele Kilos verloren hatte. Dennoch war es nochmal etwas ganz anderes, wenn man es dann auch wirklich sah, was in diesem Moment am ehesten mit einem unbarmherzigen Schlag ins Gesicht vergleichbar war. Unterbewusst war mir längst klar, dass sie aktuell nicht wirklich gesund aussah, aber das dann noch einmal ganz bewusst zu realisieren ließ mich leise schlucken, als sie auf mich zukam. Auch ließ ich die junge Frau meine Hand bereitwillig nehmen und verschränkte meine Finger mit ihren, bevor sie mir eine Frage stellte, die sich pauschal schwer beantworten ließ. Einerseits wollte ich natürlich unfassbar gerne, dass Faye mich endlich wieder etwas näher an sich heranließ. Wollte, dass wir beide zusammen über diesen riesigen, hässlichen Schatten sprangen und irgendwann zu altem Glanz zurückfanden, wenn die Sonnenstrahlen wieder in Reichweite waren. Gleichzeitig wusste ich aber auch, was das wachrütteln würde. Wusste, dass mich die in den Hügeln gesammelten Bilder dabei zwangsweise wieder einholen würden... aber das war es wert, oder? Ohne Schmerz kamen wir weder jetzt, noch irgendwann in der Zukunft darüber hinweg. Das war das Opfer, das hier und heute für das eigentliche Ziel erbracht werden musste. "Nur, wenn du... dich auch wirklich... bereit dazu fühlst... ich will nicht, dass du dich wegen mir unter Druck setzt...", gab ich ihr eine recht leise Antwort, ehe ich meine Finger vorsichtig von den ihren löste, um mich ohne irgendwelche Armverrenkungen etwas versetzt hinter sie stellen zu können. Ihr meine Hände seitlich an die Schultern zu legen und ihr auf die rechte einen Kuss zu hauchen. Ob Fay sich überhaupt jemals wirklich dafür bereit fühlen würde?
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aryana war froh darüber, dass ihre Idee wenigstens ein Bisschen Anklang fand. Sie würde sich noch ein paar Gedanken darüber machen - hatte ja bald alle Zeit der Welt - vorausgesetzt sie musste genau diese nicht mit der Stellensuche und dem mühsamen Rückweg in ein theoretisch normales Leben vergeuden. Was sie sich im Übrigen auch überhaupt nicht so vorgestellt hatte. Sie wollte diesen Weg nicht alleine gehen, hatte ehrlich gesagt sogar ein Bisschen Angst davor. Weil sie wusste, dass sie nicht klar kommen würde und niemand ihr dabei helfen würde. Mitch konnte sie nicht wie geplant begleiten, Faye und Victor waren, ihrem Zustand nach zu urteilen, noch eine ganze Weile weg... Und auch später dann wohl vorwiegend mit sich selbst beschäftigt. Und Aryana wollte auch nicht zu den wenigen Menschen zurück, die sie vielleicht noch von früher kannten, weil sie sich all die Jahre über auch nie bei ihnen gemeldet hatte. Also musste sie wohl irgendwie alleine klar kommen. Und obwohl sie es gewohnt war, ihr Leben nur mit sich selbst zu teilen und als Einzelgängerin sehr gut voran kam, war das eine ganz neue Art von Einsamkeit, die sie eigentlich nicht kennen lernen wollte. Sie wusste schon jetzt, dass sie sich draussen genauso bemühen müsste, nicht dem Wahnsinn zu verfallen, wie Mitch es hinter Gitterstäben tun würde. Vielleicht müsste sie sich ebenfalls eine Fotowand bauen, um nicht den Halt zu verlieren. Und das alles nur wegen diesen gottverdammten Syrern, die sie nicht hatten vergessen wollen... Da er sich wie erwartet nicht unbedingt dagegen aussprach, war ihr Plan, heute Nacht unter seine Bettdecke zu schlüpfen, wohl besiegelt. Vielleicht nicht die ganze Nacht. Aber wenigstens eine Weile. Noch ein Bisschen Zeit, die ihnen keiner nehmen durfte. Auch wenn es natürlich absolut riskant blieb, da sie den Schlüssel zur Tür nicht besassen und auch nichts dagegen zu melden hatten, wenn jemand das Bedürfnis hatte, sie zu besuchen. Sie würde es trotzdem tun. Aus genau dem Grund, den er gleich darauf ziemlich verzweifelt ansprach, was ihr unmittelbar einen Stich ins Herz versetzte und sie das Gesicht verziehen liess. Aryanas Blick glitt zu Boden und sie presste die Hände zu Fäusten, um die aufbrodelnden Emotionen wieder zurück zu drängen. Sie hasste ganz einfach alles daran, dass man sie so behandelte und dass es Menschen gab, die die Macht besassen, sie so mühelos auseinander zu reissen, wenn diese Zweisamkeit doch alles war, was sie brauchten. "Ich dich auch, Mitch... Und ich weiss nicht. Irgendwie... Wir müssen es einfach irgendwie schaffen", murmelte sie dem Boden zu, schaute ihn erst dann wieder an, als der junge Mann sich erneut auf dem Bett regte. Wie viel besser wäre es wohl, wenn er sich an sie und nicht an diese läppische Bettdecke kuscheln könnte? Jetzt, wo noch keine Gitterstäbe ihnen das verboten? Sie biss auf ihrer Unterlippe herum, um dem unendlich starken Bedürfnis, wenigstens ihre Hand nach ihm auszustrecken, nicht nachzugeben. "Ja... das hätte uns wirklich eine ganze Menge Ärger erspart", erwiderte sie leise auf die tolle Idee bezogen, die sie schon vor Monaten in einem anderen Krankenhaus gehabt hatten. Es wäre jetzt mindestens genauso nützlich wie damals...
Sie nahm durchaus wahr, wie er auf den Anblick ihres Körpers - obwohl dieser zur Hälfte noch immer unter einem Stück Stoff verborgen lag - reagierte. Und sie nahm ihm das leere Schlucken auch keinesfalls übel. Aber Faye wünschte sich so sehr, es wäre wenigstens ein Bisschen noch so wie früher. Ein Bisschen so wie damals, als sie nicht genug voneinander hatten kriegen können und sich ihre Körper schon allein deshalb fast dauerhaft wie magisch angezogen hatten. Sie wollte hoffen, dass es irgendwann wieder so sein würde, wollte daran glauben, dass es wieder besser wurde. Aber in diesem Moment war es eben nicht gut und auch noch nicht besser. In diesem Moment tat es einfach nur weh. So wie die ganzen letzten Monate auch schon. Faye hatte den Blick ein Stück weit gesenkt, hielt sich aber weiterhin an seiner Hand fest, als er nach einem kurzen Zögern zur Antwort ansetzte. Sie wusste gar nicht, was genau sie eigentlich hören wollte. Ob ihr ein Ja lieber wäre als ein Nein. Und sie wusste auch nicht, was sie darauf sagen sollte. Seine Therapeuten würden sie wohl dafür umbringen wollen, was sie hier gerade tat. Es war wohl nicht in deren Interesse, Victor auf solche Art und Weise mit nackten Tatsachen und schmerzvollen Flashbacks zu versorgen. Sie hoffte wirklich, dass er das verkraften würde, was er zu sehen bekam, wenn der Stoff nicht mehr da war. Sie hoffte es für ihn und sie hoffte es für sich - denn wenn er nicht damit klar kam, dann würden sie beide wohl haltlos den nächsten tiefen Abhang hinabschlittern und es war wirklich fraglich, ob sie irgendwoher die Kraft und vor allem den Willen schöpfen könnten, den mühsamen Aufstieg ein weiteres Mal zu bewältigen. Aber genau wie seine Psychologen, würden wohl auch die ihren das hier nicht wirklich unterstützen. Eigentlich sollte Faye selbst die Narben anschauen, sich damit auseinandersetzen und sich an das Bild gewöhnen. Aufhören, sich dafür zu hassen, wie sie heute nunmal aussah. Eigentlich sollte sie die Striemen zu lieben lernen für das, was sie davon gelernt hatte und sich selbst dafür, dass sie die Folter überlebt hatte und noch immer kämpfte. Aber sie konnte nicht. Egal wie oft sie behauptete, es wäre kein Problem mehr. Sie konnte es sich nicht anschauen und fragte nun trotzdem Victor, ob er es für sie tun wollte. Ob er besser damit klar kam als sie. "Ich... ich denke nicht, dass ich mich bereit fühle, Victor... Aber ich denke auch nicht, dass es irgendwann besser werden kann... wenn ich... wenn ich so weiter mache...", flüsterte sie ihm zur Antwort, schloss kurz die Augen, um durchzuatmen, als sie seine Lippen an ihrer Schulter spürte. Ihr ganzer Körper war verspannt, seit sie aus dem Bad getreten war und noch mehr, seit seine Hände auf ihren kantigen Schultern lagen. Aber trotzdem wollte sie nicht, dass er sie wieder da weg nahm. Das er sie wieder nicht anfassen, ihr wieder nicht nahe sein durfte, wo genau das früher doch alles gewesen war, was sie gewollt hatte. "Ich... ich habe... sie selber... noch nie angeschaut... also... also ich verstehe, wenn du das nicht möchtest...", gab sie mit noch leiserer Stimme zu, weil sie wirklich nicht wollte, dass er sich jetzt dazu genötigt fühlte, einen Blick zu riskieren. Wie gesagt, wahrscheinlich wäre so ziemlich jeder Psychologe da draussen sowieso absolut gegen das, was sie hier taten. Und sie wollte ihm doch auch nicht noch mehr weh tun...
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Ich wünschte wirklich, dass es derartig einfach wäre einander nicht zu verlieren. Wir uns einfach nur zu versichern brauchten, dass wir das alles irgendwie zusammen hinbekamen und die Sache damit quasi schon geritzt war. Leider hatten Worte nur nicht immer so viel Gewicht, wie man das gerne hätte - in absolut allen Lebensbereichen. Sei es nun ein Freund, der sein Wort aus was für Gründen auch immer nicht hielt oder gar eine Person in mächtiger Position, die einem das Gehör nicht schenken wollte, nur weil man selber keinen Orden auf der Brust trug und damit nichts zu melden hatte. Worte reichten einfach nicht immer, um die Gegebenheiten und damit auch das Ziel zu beeinflussen. "Irgendwie, ja...", war also alles, was ich vorerst noch dazu sagte. Wenn es doch nur irgendetwas gäbe, das ich sagen konnte, um die Sache in Stein zu meißeln. Sowohl Aryana, als auch mich selbst vor dem Wahnsinn der nächsten Wochen, Monate und Jahre zu verschonen. Oder zumindest ein paar Sätze, die der jungen Frau ein bisschen was von all dem Schmerz nehmen konnten, der sie zwangsweise heimsuchen würde. Nur gab es da einfach nichts und ich war nun mal nicht der Typ Mensch dafür fröhlichen Optimismus zu versprühen, wenn eine Angelegenheit so zweifellos tiefschwarz aussah wie diese hier. Bis jetzt taten sich da keinerlei kleine Lichtstrahlen irgendwo am Horizont auf, die uns zumindest ein bisschen den Weg weisen würden. Flackernde, schummrige Straßenlaternen waren da auch keine. Quasi nur schwarz und mehr schwarz. Mal kurz in Harry Potters Parallelwelt abzutauchen und ihm diesen bescheuerten Umhang zu klauen klang wirklich verlockend. Ich hatte die Bücher nie gelesen - hatte in meinem Leben allgemein irgendwie kaum ein Buch angefasst, das nicht zwangsweise zum Unterricht in der Schule gehört hatte und selbst die hatte ich regelmäßig vergessen -, aber von dem Teil wusste wohl so ziemlich jeder. Was das anging war ich echt neidisch auf den Nerd. Wenn ich wenigstens einen Block mit Stift in der Zelle hätte... vielleicht könnte ich dann ein bisschen an frühere Zeiten anknüpfen und mich an ein paar eigenen Songtexten versuchen. Früher hatte das noch nicht so gut funktioniert, als ich noch geglaubt hatte mit einer Band irgendwas erreichen zu können, aber damals hatte ich auch noch nicht so viel erlebt. Hatte nicht so viele Geschichten hinter mir, über die ich hätte schreiben können - ob nun direkt oder indirekt sei mal dahingestellt -, um sie zu verarbeiten. Aber mit einem Stift könnte ich vermutlich laut Allgemeinheit auf die Idee kommen jemanden damit zu erstechen... oder selbst damit erstochen werden, wenn ich nachts schlief und nicht allein in der Zelle war. Also wohl doch keine gute Idee, konnte ich doch nur schlecht vorhersehen, wie mein zukünftiger Zellenkollege so gestrickt sein würde. Zwar konnten auch bloße Hände für einen Mord reichen, wenn es drauf ankam, aber man sollte wohl besser nicht noch zusätzlich nachhelfen. "Verlier' mir hier draußen nicht den Kopf, hm..?", nuschelte ich noch ein paar Worte mehr ins Kissen, die hellblauen Augen in Aryanas Richtung gewandt. Vermutlich war das ein sehr indirektes 'Such dir bitte Hilfe, wenn du welche brauchst', das ich so nur eher nicht direkt aussprechend wollte. Die Brünette tat sich mit sowas nämlich vermutlich genauso schwer wie ich selbst, aber so ganz allein würde es ihr hier draußen in Freiheit langfristig wahrscheinlich genauso beschissen gehen wie mir in der Zelle. Allein war allein und das machte krank.
Meine vorherige Aussage hätte ich wohl lieber bleiben lassen sollen. Hatte eigentlich eher nicht noch extra hören wollen, dass Faye sich mit der ganzen Sache hier hochgradig unwohl fühlte und sich im Grunde nicht einmal ansatzweise dazu bereit fühlte, diesen Schritt zu gehen. Allein schon deshalb, weil ich selbst genauso wenig wusste, ob das hier gerad eine gute Idee war oder eben nicht. Zwar hoffte ich schon seit ein paar ewig langen Wochen darauf, dass sie mich endlich wieder etwas näher an sich heranließ, aber jetzt, wo es endlich soweit war, war ich mir selbst nicht mehr so sicher damit. Es ging ihr schlecht damit, sie konnte sich die Narben ja nicht einmal selbst vor Augen halten und zog es jetzt stattdessen vor, mich den Anfang machen zu lassen, was das anging. Ob das der richtige Weg war? Ich wusste es nicht. Genauso wenig, wie ich wusste, ob ich selbst eigentlich dafür bereit war mir die inzwischen verheilten Narben anzusehen. Eigentlich wusste ich ganz grob, wie sie aussahen. Hatte sie öfter mal gesehen, als die Ärzte Faye damals direkt nach der Entführung verarztet hatten. Oft hatte ich dabei auch nicht hingesehen, aber es war irgendwie trotzdem einfacher gewesen, als es das jetzt war. Womöglich hauptsächlich deswegen, weil das Morphium mir damals zusätzlich zum körperlichen Schmerz auch den Kopf betäubt hatte. Das Opiat hatte die Depression und die damit verbundenen, dunklen Erinnerungen zu dem Zeitpunkt noch erfolgreich zurückgehalten, was jetzt weiß Gott nicht mehr der Fall war. Ich schloss ein paar Sekunden lang die Augen, atmete tief durch im verzweifelten Versuch, dadurch irgendwie mehr Motivation und Kraft zu finden - funktionierte selbstverständlich nur mäßig bis gar nicht. "Doch, ich... ich seh' sie mir an.", versuchte ich mit ein paar wenigen Worten möglichst entschlossen zu wirken, war dabei mit den Lippen noch immer leicht an ihre Schulter gelehnt, aber meine Stimme war nach wie vor eher etwas gedrückt. Klang bei Weitem nicht so zielstrebig und kräftig, wie ich das in diesem Moment gerne gehabt hätte, ließen sich die Bedenken und Zweifel doch nicht einfach so wegwischen. Dennoch löste ich meine Hände langsam wieder von ihren Schultern, sollte ich vermutlich doch besser nicht länger warten. Je mehr Zeit verstrich, desto unsicherer würde ich mit der Sache werden, also griff ich mit den Fingern noch etwas zögerlich links und rechts nach dem unteren Saum des Tops. Atmete ein weiteres Mal tief ein und spannte uns beide dann nicht länger auf die Folter, indem ich langsam anfing den Stoff ein bisschen anzuheben. Fast in Zeitlupe, hätte man meinen können. Es dauerte trotzdem nicht besonders lang, bis die erste Narbe mit einem ihrer beiden Enden sichtbar war. Mein Kopf schrie danach das Kleidungsstück loszulassen und aufzuhören, aber ich ignorierte es so gut es ging. Erst auf etwas mehr als halber Höhe ihres viel zu schmal gewordenen Rückens hielt ich inne, weil die Gedanken mich zu erschlagen begannen. Die Narben selbst waren nicht schlimm anzusehen, hatte ich selbst doch mehr als genug davon und ich störte mich an den Optik nicht - wobei es trotzdem wirklich nicht schön war nebenher noch die sich deutlich abzeichnende Wirbelsäule und auch Rippenbögen zu sehen -, nur fing das Peitschen-Szenario aus den Hügeln an sich komplett vor meinem inneren Auge abzuspielen. Inzwischen war von so ziemlich jedem der Schläge ein Stück Narbe sichtbar und ich sah jeden einzelnen. Einen nach dem anderen Hieb mit dem Seil, während Fayes damalige Schreie sich nur allzu detailliert parallel vom imaginären Tonband abspielten. Hätte ich nicht gewusst, dass ich das alles nur in meinem Kopf hörte, dann hätte ich darauf gewettet, dass mir die Schreie das Trommelfell zerrissen. Meine Hände verkrampften sich um den Stoff und ich kniff die Augen fest zusammen im verzweifelten Versuch, dass das zumindest einen Teil des Kopfkinos verscheuchen würde. Die schwarze Leinwand machte es dem Film jedoch allerdings noch leichter mit seiner psychischen Folter fortzufahren, nur kam ich wohl so oder so nicht um diese Bilder herum. Fing auch an krampfhaft mit dem Kiefer zu mahlen, während ich es einfach aussaß. Deshalb stand ich auch sicher zwei Minuten einfach nur da und rührte mich bis auf das unter der Anspannung entstandene, leichte Zittern meiner Arme keinen Millimeter mehr, bevor sich letztlich zwei kleine Tränen nacheinander aus meinen Augenwinkeln lösten. Zu sagen, dass der Anblick nur wehtat, würde nicht ansatzweise die Realität widerspiegeln. Es zerriss mich innerlich und ließ zwei Hälften meiner selbst zurück - die eine wollte gerade nichts als die Flucht zu ergreifen und sich im Anschluss selbst den Gnadenschuss erteilen, während die andere langsam wieder damit anfing kleine Atemzüge machen zu wollen. Man musste sich mit seinem Trauma auseinandersetzen, um überhaupt eine Chance auf Verarbeitung zu haben. Nur wollte mich all der Schmerz, den der Anblick gerade ausgelöst hatte, förmlich zum Aufgeben und weiter davor Weglaufen zwingen. Ich war auch wirklich kurz davor, das Top loszulassen und ein paar Schritte rückwärts zu machen, weil ich es kaum aushielt, aber ich durfte es nicht noch schlimmer machen. Für mich nicht und erst recht nicht für Faye, die sich mir danach doch erst recht nie wieder zeigen wollen würde. Also öffnete ich die leicht von Tränen verschleierten Augen mit einem tiefen Schlucken schließlich langsam wieder und versuchte die Finger zu lockern, als ich den Stoff noch weiter nach oben schob. Der Sturm in meinem Kopf hatte sich auch noch immer nicht wirklich beruhigt - obwohl der nette Folterfilm inzwischen vorüber war -, als ich meine Augen weiter über die verheilten Wunden wandern ließ, mich einfach damit konfrontierte und letztlich dazu ansetzte der Brünetten das Top ganz auszuziehen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Gott warum war ihr Leben bitte so verdammt beschissen. Sie hatte wirklich für fünf Minuten geglaubt, mit Mitch könnte endlich alles gut werden, alle alten Wunden heilen und sie könnten zusammen glücklich werden. Und dann das. Nach all den Jahren, die sie in diesem Krieg zusammen und alleine jeden Tag ihr Leben für eine Regierung riskiert hatten, der sie grundsätzlich eigentlich am Arsch vorbei gegangen waren. Das war einfach nicht fair. Wie viel öfter sollte sie denn noch alles verlieren, was sie sich irgendwie irgendwann zu Eigen gemacht hatte?? Und Mitch? Natürlich hatte er echt viel Scheisse gebaut, für die er jetzt einstehen musste. Aber sein Leben war genauso beschissen gelaufen wie ihres - wohl sogar noch beschissener, weil sie immerhin, im Gegensatz zu ihm, eine wirklich schöne Kindheit genossen hatte. Bis das mit den ständigen Verlusten eben angefangen hatte, zumindest... War es wirklich so erstaunlich, dass ein Junge, auf den keiner aufpasste und dem keiner wirklich die Liebe gab, die er zum Leben nunmal brauchte, irgendwann zu einem Mann wurde, dem so ziemlich alles - inklusive den Leben seiner Mitmenschen - scheissegal war? Und er hatte sich ja verändert. Sein Herz hatte nichts mehr mit dem gemeinsam, was ihn getrieben hatte, als er diese schrecklichen Taten vollbracht hatte. Er hatte sich komplett geändert wie ein umgestülpter Handschuh und der Mann, den er nun war, würde niemals auch nur auf den Gedanken kommen, einen solchen Verrat durchzuführen. Sie wünschte nur, die Welt würde ihn nach dem richten, was er war und nicht nach dem, was er einmal getan hatte, als seine Seele in die Schwärze und Grausamkeit des Krieges getaucht war. Aber keiner würde auf sie hören, wenn sie das sagte. Weil sie sowieso nur die irre Freundin eines Psychopathen war und selber in ihrem Amt versagt hatte, in dem Moment, in dem sie ihn für all das nicht sofort gemeldet und verurteilt hatte. Als sie sich statt von Verstand und Rationalität lieber von Intuition und Gefühlen hatte leiten lassen. Sie blickte ihn voller Sehnsucht und ziemlich deutlicher Verzweiflung an, als er sein Wort erneut an sie richtete und ihre Augen sich ein weiteres Mal trafen. Aryana zuckte etwas hilflos mit den Schultern, bevor sie leicht den Kopf schüttelte. "Ich verspreche dir lieber nichts, ausser, dass ich mich wirklich bemühen werde...", murmelte sie zur Antwort. Er wusste ja genau, was auf sie wartete. Abgesehen von dem Strafmass, das ihr zuteil wurde, welches zu diesem Zeitpunkt noch sehr offen war. Sie hatten oft genug über das geredet, was sein würde, sobald sie wieder zu Hause waren. Er wusste, dass sie keine Ahnung hatte, was sie jetzt mit ihrem Leben machen sollte. Aber es hatte sie nie so sehr gestört wie jetzt, weil sie immer geglaubt hatte, mit dieser Planlosigkeit nicht alleine zu sein. Und jetzt..? Sie wusste nicht genau, was Faye und Victor planten - aber falls Faye je wieder ganz gesund wurde und ihre Psyche sich ganz von dem Erlebten erholte, war es gut möglich, dass die Brünette einfach wieder an ihr früheres Leben andockte, wieder als Rettungssanitäterin arbeitete, wie sie das immer gewollt hatte. Und Victor... Aryana wusste nicht, ob er noch irgendeine andere Ausbildung als die der Army genossen hatte. Aber sie war sich trotzdem irgendwie ziemlich sicher, dass der junge Mann sich leichter damit tun würde, sich zurück in diese Gesellschaft zu integrieren, als sie selber. Vielleicht stimmte das nicht, aber sie vermutete es trotzdem. Aryana blieb bis zum Abendessen neben Mitchs Bett sitzen und sie versuchten sich - wie so oft in den letzten Tagen - zu unterhalten, ohne dabei vor Verzweiflung zu schreien oder sich vor lauter Sehnsucht trotz all den Verboten in die Arme zu fallen. Und alles davon war einfach nur frustrierend. Die Brünette war fast froh, als das Essen kam und ihnen wenigstens ein Bisschen Ablenkung bot. Nicht, dass sie hungrig wäre, das wurde sie vom tagelangen Herumsitzen wohl kaum. Aber sie konnte ein Bisschen auf dem Teller herumstochern und verzweifeln, statt Mitch anzuschauen und zu verzweifeln. Nach dem Essen wartete Aryana sehnsüchtig den Besuch der Krankenschwester ab, die ihnen ihren abendlichen Besuch abstattete. Und sobald sie aus dem Zimmer verschwunden und ihre Schritte auf dem Flur verklungen waren, hielt die Brünette es nicht länger aus, schlüpfte wieder unter der Bettdecke hervor und schnappte sich die Krücken, um im Schlafanzug zu Mitch rüber zu humpeln. Natürlich war das riskant. Und vielleicht dumm. Aber was war das für ein Dasein, in dem sie sich die ganze Zeit anschauen aber niemals berühren durften??
Es war nicht in Worte zu fassen, wie unendlich unwohl sie sich in diesem Moment fühlte. Wahrscheinlich wäre es ihr lieber gewesen, er hätte ihre Frage mit einem 'Nein danke' beantwortet. Das hätte ihnen den Schmerz zwar nicht erspart sondern nur für später aufgehoben, aber was dann folgte war definitiv nichts, wofür sie bereit gewesen war. Da er hinter ihr stand, konnte sie nicht sehen, wie er auf den Anblick reagierte, der sich ihm bot, sobald er damit begann, ihr Top nach oben zu schieben. Das hiess dann wohl, dass sich ihr Kopf ganz alleine irgendein Szenario ausdenken konnte. Und das war selbstredend kein Schönes. Sie stand stocksteif und bis in die Zehenspitzen verkrampft da, als sie spürte, wie der Stoff sich aufwärts schob. Starrte den Boden an, als ihre Atmung sich beschleunigte, als würde ihr Herz einen Marathon laufen. Einen kurzen Moment zuckten ihre Finger, weil sie fast nach dem Saum gegriffen hätte, um dieses dämliche Spielchen zu beenden und sich einfach ein weiteres Mal vor ihm zu verkriechen. Aber sie tat es nicht und stattdessen verkrampften sich auch ihre Hände wieder zu eisig kalten aber ängstlich schwitzigen Fäusten. Auf ihrem ganzen Körper bildete sich eine Gänsehaut, je weniger Stoff sie noch bedeckte. Ihr war heiss und kalt zugleich und wie sie das Beben seiner Hände spürte, begann auch ihr eigener Körper zu zittern. Sie wusste genau, was sie ihm mit diesen Narben antat, dass er alles, was in den Hügeln passiert war, noch einmal erlebte. Den Schmerz, die Panik, die schrecklichen Geräusche, die Worte, die Folter, die Peitsche, die Messer, die Elektroschocks. Und sie hasste, dass ihr blosser Anblick ihm so sehr wehtat. Sie wollte nicht der Grund dafür sein, dass er so sehr litt und dieses Trauma immer wieder hochkam. Und doch hatten ihre Entführer sie zu genau dem gemacht. Zu Victors persönlicher Folter. Vielleicht hatte keiner geplant, sie aus den Höhlen je wieder zu entlassen. Aber wenn doch, dann hatten sie sie mit allem, was ihnen angetan worden war, fürs Leben gezeichnet. Am allermeisten mit dem, was sie nicht selber erlitten aber mit angesehen und angehört hatten. Das, was sie immer wieder dorthin zurücktragen würde und ihre Seelen zerriss. Mittlerweile rollten auch über Fayes Wangen wieder die kurzzeitig angestauten Tränen und es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass ihr Rücken bis auf den BH fast komplett nackt war, sie nur noch aus den Trägern schlüpfen sollte, um das Top ganz loszuwerden. Genau das tat sie nach ordentlichem Zögern dann auch, liess so zu, dass das rettende Stück Stoff seinen Weg auf den Boden fand und sie fröstelnd in nichts als Unterwäsche zurückliess. Und so hässlich und wertlos wie in diesem Moment hatte sie sich (fast) nackt vor Victor noch kein einziges Mal gefühlt. Sie legte die Arme verkrampft um ihren Oberkörper, versuchte dem unendlich starken Drang, von ihm wegzulaufen, zu widerstehen. Aber mehr als maximal eine halbe Minute schaffte sie das nicht mehr, stolperte ein paar fluchtartige Schritte vorwärts zur nächsten Wand um sich dort sofort wieder ihm zuzuwenden und ihren Rücken an der Mauer zu verstecken. Ihre Augen waren automatisch zu seinem Gesicht gesprungen, auch wenn sie wünschte, sie hätten es nicht getan. Denn die Tränen dort zerrissen ihr schon wieder das vernarbte, kranke Herz und sie wandte sofort wieder den Blick ab in Richtung Boden. Sie wusste nicht einmal, was sie sagen sollte. Wahrscheinlich war das ein Fehler gewesen. Ihr Fehler. Und sie riss Victor ein weiteres Mal mit sich in die Tiefe. Musste es denn immer so weitergehen..? Durften sie nie wieder den Frieden zwischen sich spüren? Nie wieder das sein, was sie einmal zusammen gewesen waren? Glücklich. Verliebt. Stark im Glauben, dass sie gemeinsam alles schaffen würden. Aber bei allem hatte keiner von ihnen an das gedacht, was diese zwölf verdammten Stunden mit ihnen gemacht hatten. Oh wie sehr sie sich wünschte, diese Erinnerungen aus ihren Köpfen zu löschen. Irgendwas zu tun, damit es nicht mehr so sehr wehtat. Damit wenigstens Victor den Schmerz nicht mehr spüren müsste. Damit er nicht weinte, wenn er sie anschaute.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
War wohl besser und eine Antwort in dieser Richtung auch sicher schon das höchste der Gefühle. Es würde für die Brünette schlichtweg auch nicht besonders einfach werden. Vielleicht schlief sie nicht zwischen anderen Schwerverbrechern und musste nicht mit abartigem Kantinenfraß klar kommen, während sich irgendwo im Hintergrund jemand prügelte, aber ob sie ohne diese Faktoren wesentlich besser schlafen würde als ich selbst? In der ersten Zeit vermutlich eher nicht. Dahingehend war es bestimmt auch eher kontraproduktiv, dass wir nun schon seit zwei Wochen jeden Abend zusammen einschliefen. In getrennten Betten, aber eben dennoch im Beisein des jeweils anderen. Das allein machte sicher schon einen Unterschied und dann auch noch zu wissen, dass ich damit anfing in irgendeiner Zelle zu verrotten würde diesen Umstand für Aryana kaum abmildern. Ich nickte daraufhin also nur noch einmal kaum sichtbar, bevor wir Gespräche in diese Richtung bestmöglich unter anderen, weniger schmerzhaften Themen zu begraben versuchten, bis das Abendessen schließlich kam. Das kam nicht nur meinem Kopf zu Gute, der sich insgesamt einfach schwer damit tat nicht an die bevorstehenden Dinge zu denken, sondern auch meinem leicht knurrenden Magen. Von richtigem Appetit konnte man dabei allerdings nicht sprechen, eher nur Hunger. Die Lust zum Essen verging einem vermutlich grundlegend, wenn man den Schädel ganz allgemein zu voll hatte und parallel dazu noch relativ häufig Schmerzmittel schluckte, das bestimmt nicht magenfreundlich war. Hauptsächlich wegen dem tiefen Schnitt am Bein und der nach wie vor ziependen Wunde am Unterarm, der Rest machte kaum mehr Probleme. Trotzdem wollte die Muskelmasse, die ich noch hatte, eben doch ganz gern mit Energie versorgt werden. Hier und da stocherte ich ein bisschen planlos im Essen herum, ehe immer mal wieder eine Gabel voll zu meinem Mund wanderte, damit der Hunger beseitigt wurde. Letzterer war wohl auch der einzige Grund dafür, warum der Teller zumindest fast leer später wieder von der Schwester mitgenommen wurde. Irgendwann zwischendurch erfolgte auch noch ein gewohnt humpelnder Gang zum Bad meinerseits, der lediglich ein paar Minuten beanspruchte, bevor es zurück ins Bett ging. Dass das so ziemlich die einzige Strecke war, auf der ich mich momentan bewegen durfte, machte mich nur zusätzlich verrückt. Ich konnte es nicht leiden permanent in ein und dem selben Raum herumzusitzen - oder zu liegen - und das war an sich nichts Neues, nur hatte ich dabei jetzt noch sehr viel weniger eine Wahl als bei meinem vorherigen Krankenhausbesuch. Kaum war die Schwester vor ein paar Sekunden durch die Tür zurück in den Flur verschwunden zog Aryana meinen Blick wieder auf sich, weil sie sich aus der Bettdecke schälte und erneut nach den Krücken griff. Meine Augen fingen unweigerlich ein kleine bisschen vorfreudig zu funkeln an, hatte ich trotz des Verbots doch schon die ganze Zeit gehofft, dass es endlich soweit war. Ich griff mit der Hand nach dem oberen Ende der Bettdecke, um jene bei Seite zu schlagen. Gleichzeitig rutschte ich auch ein Stück zur Seite, damit die junge Frau sich nicht auf Biegen und Brechen neben mich auf den Rand des Betts quetschen musste. Zwar kam sie ziemlich sicher genauso wie normalerweise immer sehr nah an mich ran, aber ich brauchte eben allein auch schon recht viel Platz auf dem Einzelbett. Kaum war die junge Frau die Krücken wieder losgeworden und bei mir angekommen ließ ich den Arm mit der Bettdecke wieder sinken und streckte stattdessen beide Hände nach ihr aus, um sie an meine Brust zu ziehen. Ich wollte zumindest jetzt noch ein bisschen ihren Duft einatmen und sie bei mir spüren dürfen, wenn dieser eine beschissene Tag schon so furchtbar schnell näher rückte.
Ein paar wenige, aber schier endlos lang wirkende Sekunden lang starrte ich mit leeren Augen noch auf den mageren, vernarbten Rücken. Ich wusste nicht, ob ich in jener knappen halben Minute überhaupt ein einziges Mal geblinzelt hatte, wo mir die Tränen doch auch so vereinzelt weiter über die Wangen liefen. Nach wie vor vollkommen stumm, aber mit leicht geöffnetem Mund. Den salzigen Geschmack nahm ich nur beiläufig war und störte mich nicht an ihm, gab es in diesem Augenblick doch so viele andere Dinge, die mir den Kopf förmlich platzen ließen. All die schmerzlichen Gedanken überrollten mich förmlich und ich war nicht einmal wirklich im Stande dazu mich zu bewegen. Auch hielt ich das Top unbewusst noch ein paar Sekunden lang fest, bevor sich meine Finger von allein lösten und danach dauerte es nicht mehr lang, bis es auch Faye endgültig zu viel wurde. Sie hatte schon eine ganze Weile vor sich hin gezittert, aber nun schien sich der Schalter in ihrem Kopf umgelegt zu haben und sie ergriff die Flucht - vor mir. Dem Menschen, der ihr auf diesem Planeten wohl am allerwenigsten etwas Schlechtes wollte. Der den Rest seines Lebens mit ihr verbringen wollte, wie wir uns das schon so oft gesagt und gezeigt hatten. Der sich eine Zukunft mit ihr aufbauen wollte. Die Welt mit ihr sehen wollte. Sie heiraten und irgendwann vielleicht eine kleine Familie gründen wollte. Der sie liebte. Nur schien gerade all das in so unerreichbare Ferne zu rücken wie noch nie zuvor, als Faye sich zügig von mir distanzierte und mich danach ansah - oder eben nicht mehr - als würde sie sich am liebsten irgendwo ganz tief in die Erde eingraben, damit ich sie auch ja nicht mehr sah. Das wollte ich aber gar nicht. Natürlich versetzte mir der Anblick ihres Rückens und auch der verschreckte Ausdruck, den sie jetzt im Gesicht trug, unzählige, unfassbar tiefe Stiche in das ohnehin schon so kaputte Herz. Ihre eigenen Tränen machten es mir auch wirklich nicht einfacher mich irgendwie langsam mal wieder zu sammeln. Von der nun ganzheitlich sichtbaren Abmagerung mal ganz zu schweigen, die Alledem einen noch so viel bittereren Beigeschmack gab. So unmissverständlich verdeutlichte, wie sehr die junge Frau schon seit Wochen litt. Vorhin bei Aryana und Mitch hatte es sich noch so angefühlt, als würden wir wirklich einen Schritt vorwärts machen, aber jetzt gerade war ich mir damit nicht mehr so sicher. Vielleicht waren wir ein Stück voran gekommen, aber die Brücke ans andere, rettende Ufer war noch immer nicht vorhanden, während hinter uns ein hiesiges Feuer tobte und sich immer näher an uns heranschlich, je länger wir uns gegenseitig kaputt machten. Näher ans Ufer ranzugehen brachte nun mal einfach nichts, wenn man letztlich nicht über oder durch die reisenden Fluten kam, sondern darin ertrank. Nur war es einfach so unfassbar schwer sich über all das hinwegzusetzen, sich durchzukämpfen. Ich wollte wirklich nicht nachgeben, wollte mich nicht von der immer noch sehr tief sitzenden Angst in meiner Brust übermannen lassen, aber ich stand sicher dennoch gut zwei Minuten bis auf das leichte Zittern ziemlich regungslos da. War mir nicht schlüssig, was ich tun sollte. Mein Körper wollte Faye zu sich zurückholen, wollte ihre Wärme endlich wieder spüren und die in Mitleidenschaft gezogene Seele damit ganz langsam ein bisschen heilen. Nur stellte letztere sich da gekonnt ziemlich quer. Schließlich hob ich doch die rechte Hand an und wischte mir damit ein paar der Tränen vom Gesicht, versuchte meinen Blick aufzuklaren und auch noch einmal tief durchzuatmen, obwohl die Last auf meiner Brust mir das Luft holen unheimlich schwermachte. In einem Fall wie diesem ließ sich nur sehr schwer wirklich aktiv auf die Atemtechniken der Therapeuten zurückgreifen. Ich dachte an viel, ganz bestimmt aber nicht daran in welchem Rhythmus ich atmen sollte. Meine Augen waren noch immer leicht glasig, aber ich versuchte weitere Tränen hinter den gebrochenen Dämmen zu halten, als ich zwei kleine, sehr zögerliche Schritte auf Faye zumachte. Ihr damit zwar ein Stück weit näher, aber eben doch nicht wirklich nahe kam. "Faye... komm... komm wieder her... bitte.", hauchte ich ein paar dünne, schmerzliche Worte in ihre Richtung, die auf die zwei oder drei Meter Distanz wahrscheinlich auch etwas schwer verständlich waren. Auch streckte ich meine Hand ein kleines bisschen in ihre Richtung aus. Meine Finger zitterten auch nach wie vor ein bisschen, aber ich ertrug es nicht die Situation so stehen zu lassen. Ihr Anblick tat weh, aber der Abstand zu ihr noch so viel mehr. Ersteres würde irgendwann - in eindeutig zu ferner Zukunft - bestimmt noch besser werden, aber die Distanz zu der Brünetten würde immer weh tun. Ich ertrug das noch viel weniger als all die Flashbacks und Alpträume. Es war der Horror, das meine eigene innere Blockade mich auch noch daran hinderte mich nach genug zu ihr hinzutragen, dass ich wieder nach ihren schmalen Fingern hätte greifen können. Ich wollte, aber ich konnte einfach nicht. Die Füße wollten sich nicht weiter bewegen, egal wie sehr ich sie darum bat.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie bemühte sich darum, die Krücken möglichst lautlos auf dem hässlichen PVC-Boden abzusetzen, sodass die vor der Tür stationierte Wache auch ja nichts davon mitbekam. Wäre nämlich mehr als ungünstig und schade, wenn sie schon jetzt gestört wurden - bevor Aryana überhaupt bei Mitch angekommen war. Aber das passierte wie erhofft nicht. Sie erreichte sein Bett und schlüpfte, wegen ihrem behinderten Bein etwas schwerfällig aber durchaus so rasch wie möglich, unter seine Bettdecke. Wurde direkt von seinen Armen empfangen, die sie noch etwas näher an ihn heranzogen. Aryana kuschelte sich so dicht wie möglich an seine Brust, spürte förmlich, wie die ganze endlose Anspannung und Sorge von ihrem müden Körper abfiel, kaum lag sie in seinen Armen und hatte seinen Duft in ihrer Nase. Sie atmete zum ersten Mal seit Stunden wieder tief durch, liess ihre Seele zur Ruhe kommen, ohne vorerst überhaupt etwas zu sagen. Sie waren beide damit beschäftigt, alles in sich aufzunehmen, was sie gerade spürten und erlebten, somit blieben Worte für den Moment überflüssig. Ihre Arme lagen ebenfalls um seinen Körper geschlungen und Aryana würde auch heute niemals ein Ort einfallen, an dem sie lieber sein würde als genau hier, an seiner Brust, bei seinem Herzen. „Ich liebe dich so verdammt fest, Mitch..“, flüsterte sie ihm zu und sie spürte die Wahrheit ihrer Worte in den Tiefen ihres Herzens. Da, wo in ihrem Leben bisher erst vier Personen hingekommen waren. Und die Vier waren alle ihre Familie gewesen. Und drei waren heute nicht mehr da. Sie würde alles dafür tun, sowohl Mitch als auch Faye für immer zu behalten. Alles geben, für die Gewissheit, dass keiner ihr diese zwei Menschen jemals entreissen konnte. Aber trotzdem sollte es nicht reichen und sie war absolut machtlos gegenüber dem, was in den nächsten Tagen kam. Konnte sich noch so fest an ihn klammern - irgendjemand wäre trotzdem stark genug, sie aus seinen Armen zu reissen. „Ich verspreche dir, dass ich alles tun werde, um dich so bald wie möglich zu mir zurück zu holen“, murmelte sie weiter. Natürlich konnte sie theoretisch überhaupt nichts tun und der Einzige, der eventuell ein Bisschen Einfluss auf eine frühzeitige Entlassung haben könnte, wäre Mitch selber. Aber sie war seit jeher sehr schlecht darin, absolute Machtlosigkeit ihrerseits in ihrem eigenen Leben zu akzeptieren. War eher so der eisernen Sturheit verfallen, dass sie alles irgendwie schaffen konnte, was sie sich zur Aufgabe machte. Dafür war sie dann aber auch komplett zerstört und zweifelte an jedem Bruchstück ihres Daseins, wenn das eben nicht der Fall war und sie versagte. Hatte man oft genug gesehen in den letzten Jahren - jedes Mal, wenn sie Verluste in den eigenen Reihen hatte bedauern müssen. Aber sie würde nicht versagen. Nicht diesmal. Denn sie durfte nicht versagen, wenn sie nicht sich und Mitch und ihre Beziehung komplett in den Sand setzen wollte.
Jetzt wo sie so darüber nachdachte, war es eigentlich eine absurde Idee gewesen, auf Heilung für sie beide zu hoffen, indem sie ihm ausgerechnet das vor Augen hielt, was sie beide so zerstört hatte. Aber für einen Moment hatte es für sie Sinn gemacht. Faye wusste nicht genau, was für eine Reaktion seinerseits sie sich ausgemalt hatte, um ihr dieses Gefühl zu verleihen - aber diese hier war es wohl nicht gewesen. Und vielleicht war es auch weniger seine Reaktion als ihre Gedanken. Nur konnte sie sich diesbezüglich nicht wirklich sicher sein, wusste nur, zu welchen logischen Schlüssen sich das alles in ihrem Kopf zusammenschloss. Sie hatte seine Tränen gesehen. Und Victor hatte gezittert. Es war halt einfach ein Bisschen zu offensichtlich um übersehen zu werden, wie tief die Stiche reichten, die sie ihm immer und immer wieder so absolut ungewollt zufügte. Sie standen sich minutenlang schweigend gegenüber während ihre Herzen bluteten und es gefühlt unmöglich war, dass sie nicht längst in dunkelroten Pfützen standen. Aber die Schmerzen, die sie erlitten, waren längst nicht mehr von aussen sichtbar. Betrafen schon so lange nicht mehr ihre geschändeten Körper sondern viel mehr ihre Seelen und ihre Herzen. Und kein Pflaster, kein Verband, keine Salbe und kein Medikament dieser Welt konnte das heilen, was in ihnen zerbrochen war. Sie blickte ihn nicht an, weil sie Angst vor dem Schmerz hatte, der in seinen Augen lag. Und weil sie sich für absolut alles von dem schämte, was noch von ihr übrig geblieben war. Sie hätte stark bleiben sollen, vielleicht wären sie dann jetzt nicht in dieser verschissenen Lage. Aber stark bleiben war eben schwierig, wenn man nie besonders gut darin gewesen war. Sie nahm im Augenwinkel wahr, wie Victor ein paar Schritte näher trat, was unmittelbar schon wieder zu einer Versteifung ihres Körpers führte, ohne, dass sie etwas dagegen hätte tun können. Sie hob sehr langsam und zögerlich den verschleierten Blick wieder ein Bisschen an, so weit, dass sie die ausgestreckte Hand ihres Freundes mit seinen noch immer leicht zitternden Fingern sehen konnte. Warum musste es nur so sehr wehtun? Warum musste sie ihn so kaputt machen? Faye blieb stehen, die Arme noch immer um ihren Körper geschlungen, weil sie sich dafür mehr schämte als für die Tränen auf ihren Wangen, die er schon eine Million Mal mit angeschaut hatte. „Ich... ich will dir nicht immer nur... wehtun, Victor... ich will dich nicht... noch mehr zerbrechen... es tut mir leid... das... das war wohl keine... gute Idee... aber ich weiss nicht mehr, was ich tun soll... ich weiss nicht... wie es jemals besser werden soll... wenn ich dich nur immer mehr... kaputt mache...“, stammelte sie hilflos vor sich hin, wusste nicht genau, was sie sagen und wie sie ihre Gedanken in Worte fassen sollte. Sie würde kaputt gehen ohne ihn. Aber sie war schon kaputt. Er auch - aber sie glaubte trotzdem, dass er besser aus diesem Loch raus kommen würde, wenn sie ihn nicht jedes Mal wieder mit in die Tiefe reissen würde, kaum waren sie zehn Zentimeter vorangekommen. Und sie war es so müde, andere Menschen kaputt zu machen. Menschen, die sie liebte. Sie wollte, dass er gesund wurde. Und vielleicht hatten die Psychologen Recht und das ging einfach nicht mit ihrem Schatten an seiner Seite. Faye machte einen unendlich mühsamen Schritt vorwärts. Und noch einen und noch einen, bis sie nahe genug - aber noch immer auf sicherer Distanz von ihm entfernt - stand, um nach seiner Hand zu greifen. Vorsichtig und unsicher, aber sie wollte, dass er wusste, dass sie das alles ernst meinte.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Während eine meiner Hände sich unter Aryanas gewelltes Haar in ihren Nacken legte, schob sich die andere an ihrem Rücken unter den weiten Krankenhausfetzen, der sich tatsächlich ein Oberteil und nicht nur Sack nennen wollte. Ich wollte einfach wie schon so oft ihre angenehm warme, weiche Haut unter meinen Fingern spüren, solange ich noch konnte. Ihre Nähe mit all ihren Vorzügen einfach in mir aufsaugen. Es nahm mir zumindest einen Teil all der Anspannung und Last auf den Schultern ab sie bei mir zu haben - zumindest so lange, bis sie wieder weg war. Wenn das Glück uns heute freudig gestimmt war vielleicht ein paar wenige Stunden, bevor der nächste Idiot der Meinung war uns auseinanderdirigieren zu müssen. Mir dafür vermutlich nicht einmal eine gute Begründung nennen könnte, wenn ich nachfragen würde weshalb. Ich bekäme wohl nur die stumpfe Antwort, dass das eben so verlangt und aufgetragen wurde und Niemand hier irgendwas dafür konnte, weil sich nur an die Anweisungen gehalten wurde. So, wie es eben auch bei der Army manchmal war. Dir kam etwas merkwürdig oder nicht wirklich sinnvoll vor? Egal, weil das so befohlen wurde, also tust du es auch ohne mit der Wimper zu zucken. Eine Wahl hatte man da nicht und das Krankenhauspersonal, sowie auch der Affe vor der Tür führten nun mal nur ihre Arbeit durch, so wie ich das vorher beim Militär getan hatte... nicht immer besonders glanzvoll, aber gut. Sollte ich das Gefängnis lebendig wieder verlassen - eher nur auf die Psyche bezogen, hatte mich bisher doch auch keine Syrer-Armee plattmachen können, da würde sich das kaum wegen ein paar größenwahnsinnigen Knastschlägern ändern - war die Zeit darauf dann die erste seit langem, bei der ich wieder vollkommen selbst über mich und meine Arbeit bestimmen konnte. Aryanas Worte ließen meine Mundwinkel ein klein wenig nach oben zucken und ich neigte ihr meinen Kopf noch etwas mehr zu, steckte mit meiner Nase daraufhin wie so oft in ihrem leicht süßlich riechenden Haar. "Ich liebe dich auch... mehr als alles andere.", murmelte ich ein paar leise Worte zu ihr runter und fing an ihr leicht am Rücken auf und ab zu streicheln. Daran würde sicher auch Niemand jemals etwas ändern können. Nicht einmal die hübsche Brünette selbst, sollte sie sich unter all den Strapazen doch noch gegen mich entscheiden. Sie würde trotzdem immer ihren Platz in meinem verkorksten Herz behalten. Schließlich war sie die erste und einzige Person, die es für sich hatte gewinnen können. Niemand sonst hatte mir so bedingungslos zur Seite gestanden und diese intensiven Glücksgefühle wecken können, die ich jedes Mal verspürte, wenn die junge Frau sich in meiner Nähe aufhielt. Aryanas nächste Worte hingegen hätten mich fast auflachen lassen. Wäre allerdings kein frohes, sondern eher ein von Ungläubigkeit getränktes, sehr ironisches gewesen. Was wollte die Brünette denn bitte anstellen, um mich da raus zu kriegen? "Was hast du vor? Meinen Ausbruch organisieren? Einen unmoralisch reichen Geizkragen an Land holen, der mich rauskauft und mich danach auf seinem Privatgrundstück parkt, um ihm das Finanzamt vom Hals zu halten, weil er ohne Ende Steuern hinterzieht?", sinnierte ich sarkastisch vor mich hin, weil wohl beides absolut utopisch war. Aber das tat ich halt immer, wenn ich keine Lust auf zu unangenehme Gedanken hatte - hier und da ein paar Witze reißen, um den bitteren Beigeschmack loszuwerden. Ab einem gewissen Punkt würde ich aber vermutlich wirklich nicht mehr zögern, wenn es eine Möglichkeit zum Ausbrechen gäbe, auch wenn letzteres von vornherein absolut unwahrscheinlich war. Die würden mich sicher nicht nur in irgendein schlecht bewachtes Bezirksgefängnis stecken. Um mich mit Geld aus dem Knast zu kriegen - was in einem Land wie den Vereinigten Staaten gar nicht mal so unmöglich war - wäre sicher eine große Menge Schotter von Nöten, die ich nie im Leben zurückzahlen könnte.
Ich hatte wirklich Angst darum, dass Faye nun einfach da drüben an der Wand stehenbleiben würde. Dass sie nicht herkam und meine ausgestreckte Hand gänzlich ins Leere verlaufen würde, weil sie nicht konnte. Sie nicht bereit dazu war, wieder in meine Richtung zu kommen, weil sie sich selbst einfach viel zu sehr dagegen sträubte. All die Worte, die sie vor sich hin stammelte, beruhigten mich was das anging auch nicht unbedingt und ich konnte auch nicht verhindern, dass doch noch eine einsame Träne über die randvollen Dämme hinwegrollte und meine Wange hinunter lief. Das letzte, das ich wollte, war der ohnehin schon so gebrochenen, jungen Frau das Gefühl zu geben, dass sie mir nicht nahe sein sollte. Dass ich mich mit ihr an meiner Seite nicht erholen konnte, wo das doch wiederum das einzige war, das ich wollte. Vielleicht war es einfach nur zu früh dafür gewesen uns beide so direkt mit Alledem zu konfrontieren, denn für grundlegend falsch hielt ich ihre Idee noch immer nicht. Irgendwann hätten wir uns sowieso damit auseinandersetzen müssen, wenn wir die Beziehung wirklich retten wollten und nicht endgültig zerschellen ließen. Andererseits glaubte ich auch nicht, dass es irgendwann anders wirklich einfacher geworden wäre. Wieso sollte es? Die Narben würden für den Rest von Fayes Leben ihre Bedeutung behalten. Nur zu dünn wäre sie dann vielleicht nicht mehr gewesen und es hätte mir einen kleinen Bruchteil des Schmerzes erspart. Aber ob das ausschlaggebend gewesen wäre? Ich glaubte nicht daran. Der Flashback wäre trotzdem da gewesen, weil es meinen Kopf in dieser Hinsicht ganz einfach nicht sonderlich interessieren dürfte, ob ich nun Fayes Rippen sah oder nicht. Letzteres machte ihren Anblick nur einfach noch schmerzhafter, als es ohnehin schon der Fall war. Ob die schon immer zierliche Brünette wieder angefangen hätte normal zu essen, solange wir so schrecklich distanziert zueinander standen? Womöglich auch nicht. Es war ohnehin zu spät, um das eben Geschehene rückgängig zu machen. Ich hatte unbewusst den Atem angehalten, während sie gesprochen hatte, weil sich meine Brust durch ihre Worte noch weiter zuschnürte. Erst, als sie letztlich langsam zu mir kam und ich ihre Finger an meinen spürte, sie umschließen konnte, lockerte sich das imaginäre Band um meinen Brustkorb wieder ein klein wenig und ich atmete aus. "Bitte hör auf.. dir die Schuld daran zu geben... es ist nicht deine, Faye...", versuchte ich was das anging leise an ihre Vernunft zu appellieren, weil es einfach immer die Schuld dieses dreckigen Syrers bleiben würde. Seine und des Rests der syrischen Wahnsinnigen, die sich im fanatischen Glauben an ihren Gott zwischen Gewalt und Tod verloren. Natürlich tat sie mir damit weh, dass sie immer wieder vor mir weglief, aber man brauchte kein Genie dafür zu sein, um das als nichts als einen blanken Schutzmechanismus ihrer Angst zu analysieren - erst recht nicht, wenn man selbst genug davon in seinem Schädel verbaut hatte. Deshalb nahm ich ihr das nicht mal ein kleines bisschen übel, weil sie schlichtweg nichts dafür konnte. Sie das genauso wenig kontrollieren konnte wie ich mein eigenes Trauma. Und ich wünschte ich könnte ihr eine Antwort auf dieses unfassbar beschissene Wie geben. Es würde uns so unfassbar viel helfen einfach nur zu wissen, wo wir überhaupt lang mussten, um diese ganze Scheiße endlich ein bisschen hinter uns lassen zu können. "Ich weiß es auch nicht..", konnte ich daraufhin also nicht viel mehr als eine reichlich ernüchternde, wenig hilfreiche Antwort geben. "Aber du darfst nicht...", setzte ich ein weiteres Mal zum Reden an, sah dabei auf unsere Hände hinunter und schluckte ein weiteres Mal leise, bevor ich meinen Blick zurück in ihre Augen richtete. "...nicht immer wieder weggehen. Das... das macht es jedes Mal... nur noch schlimmer.", so eben auch jetzt gerade. Wäre sie nicht weggegangen, dann könnte ich mich zumindest langsam wieder beruhigen. Mit dem Wissen sie mit meiner Reaktion nur von mir weggescheucht zu haben ging es mir nämlich alles andere als gut. Zwar gab es jetzt wohl ohnehin nicht mehr viel, was sie in meinem Kopf noch mehr kaputt hätte machen können, aber zumindest mein Herz lebte bis hierhin noch jammernd in seinem Elend vor sich hin. "Du darfst nicht gehen, Faye... das verkraft' ich nicht.", hauchte ich noch ein paar letzte, dünne Worte in ihre Richtung und schloss die Augen erneut, weil die bescheuerten Tränen sich schon wieder Luft zum Atmen verschaffen wollten. Aber ich hielt sie zurück, streckte stattdessen auch noch meinen zweiten Arm nach ihr aus, ohne die Augen wieder aufzumachen. Vielleicht fiel es ihr einen Hauch leichter sich mir wieder zu nähern, wenn ich sie nicht ansah. Dass sie selbst ein großes Problem mit ihrem Aussehen hatte war ziemlich offensichtlich, aber ich musste sie ja auch gar nicht zwangsweise sehen, sie zu spüren würde reichen. Eine zweite Hand wäre genug, um mir zu zeigen, dass sie mich nicht verlassen wollte, auch wenn mir eine innige Umarmung sicher lieber wäre. Ich nahm jedes noch so kleine Fitzelchen Hoffnung, das ich von ihr kriegen konnte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Einen Vorteil hatten die schönen Klamotten dieses verschissenen Ortes halt doch - sie waren weit genug, um Mitchs Händen darunter allen Platz der Welt zu gewähren. Und das war gut, denn Aryana spürte ihn gerne überall - direkt auf ihrer Haut, die unter dem Schlafanzug selbstverständlich wunderbar nackt war. Sie verkroch sich währenddessen weiter an seiner Brust, liess auch ihre Hände unter den Stoff seines Shirts wandern, während sie seine in ihr Haar genuschelten Worte vernahm. Augenblicklich wurde auch ihr Lächeln noch breiter, zufriedener. Auch wenn sie wusste, dass er sie liebte, war es eben doch ein wundervolles Gefühl, das auch immer wieder gesagt zu bekommen. Am besten eben, während sie dabei in seinen Armen lag... Überhaupt war es ja erstaunlich, wie viel friedlicher sie sich fühlte, seit sie die paar Meter absolut sinnloser Distanz zwischen ihnen überbrückt hatte. Falls irgendwer bisher erwartet hatte, dass das Bisschen Luft zwischen ihnen irgendwas an ihnen Gefühlen zu rütteln vermochte, musste sie diese imaginäre Person auf jeden Fall direkt enttäuschen. Denn nein, da war nichts. Sie liebte ihn noch immer genauso sehr wie vor zwei Wochen und sehnte sich noch viel stärker nach ihm, während ihr Herz sich nur noch nach einem einzigen Wunsch zu verzerren schien: für immer bei ihm zu bleiben. Seine durch und durch nicht überzeugte Reaktion auf ihr leises Versprechen liess sie tatsächlich ebenfalls milde amüsiert lächeln. Einfach, weil er ihr sehr offensichtlich so gar nichts in diese Richtung zutraute. Wahrscheinlich würde die Realität sie selbst ebenfalls bald genug einholen, aber in diesem Moment fühlte sie sich seltsam optimistisch was ihren Einfluss auf eine frühzeitige Entlassung seinerseits anging. "Wow, gleich zwei wirklich tolle Ideen... Danke", murmelte sie sarkastisch, ehe sie die Hände wieder unter seinem Shirt hervorzog und sie stattdessen an seinen Wangen platzierte, um ihn zu sich herunter zu ziehen. Einen Moment lang blickte sie einfach nur - mal wieder - in seine viel zu fesselnden Augen, bevor sie ihn sanft küsste. Aber vorerst nur ganz kurz, um ihm im Anschluss noch ein paar Worte an die Lippen zu flüstern. "Mein Plan ist noch nicht ganz fertig... Aber unterschätz' mich nicht, Baby", lächelte sie als hätte es irgendwas mit fehlenden Fähigkeiten ihrerseits zu tun, wenn sie ihn tatsächlich nicht da raus bekommen sollte. Hatte es vielleicht nicht. Aber trotzdem würde sie es schaffen.
Sie biss unsicher auf ihrer Unterlippe herum, als könnte sie damit irgendeinen Teil ihres Unwohlseins verschwinden lassen. Oder ihre Tränen stoppen. Oder ein Stückchen Weisheit finden. Selbstverständlich war nichts davon der Fall und sie stand einfach nur weiter hier wie ein verlorenes kleines Mädchen, das ziemlich tief in der Scheisse steckte. Sie spürte, wie sich seine Finger um ihre Hand schlossen. Und es fühlte sich richtig an, so vertraut, obwohl sie diese Art von Berührung mit all den anderen in den letzten Monaten gekonnt verwehrt hatte. Eigentlich sollte sie es auch jetzt nicht mehr tun. Aber Victor fand es gut... Obwohl sie ihn soeben zum Weinen gebracht hatte, war er der Meinung, dass das nicht ihre Schuld war. Dabei war sie es doch, die mit dem ganzen Trauma am allerwenigsten klar kam und ihm so kein Stück darüber hinweg helfen konnte, ihn regelrecht im Tal der Finsternis festhielt. So fühlte es sich jedenfalls an, gefangen in ihrem Kopf, der schon seit Wochen nur noch in Schwarz druckte, als wäre jede andere Farbe restlos ausgegangen. Faye hörte ihm zu, während er - genauso gebrochen wie sie davor - vor sich hin stammelte. Versuchte, etwas zu erklären, das sich nicht wirklich erklären liess, weil es nicht Worte sondern Gefühle, Gedanken und Emotionen waren, die sie hier so kaputt machten. Trotzdem war der Appell, welchen er letztendlich über die Lippen brachte und an sie richtete, ziemlich eindeutig. Sie würde es schlimmer machen, wenn sie ging. Und er wollte nicht, dass sie das tat. Es war nicht so, als möchte sie das wirklich machen. Aber sie hatte einfach Angst, dass die Psychologen Recht behielten und sie für Victor alles nur noch langwieriger und die psychische Heilung praktisch unmöglich machte. Er hatte geweint, als er ihren Rücken gesehen hatte. Aber das war nicht alles gewesen - denn Victor weinte wieder bei dem Gedanken, dass sie ging. Er hatte nie gesagt, dass er ihren Anblick nicht verkraftete. Aber allein die Möglichkeit, dass sie ihn verlassen könnte, schien er nicht zu ertragen. War das nicht Beweis genug, dass sie bleiben und auf ihn hören sollte..? Es war auf jeden Fall Anstoss genug dafür, dass sie es jetzt nicht tun würde, weil sie es auf keinen Fall übers Herz bringen würde, ihn hier und jetzt so stehen zu lassen. Und weil die Tatsache, dass er hier als derart gebrochener Mann vor ihr stand, in ihr das unendliche Bedürfnis weckte, ihn endlich wieder in die Arme zu nehmen und ihm zu sagen, dass alles gut wurde. Selbst wenn sie selber keine Ahnung hatte, ob es das wirklich je wieder tun würde... Dass er die Augen geschlossen hielt, machte es leichter für sie, ihren zweiten Arm ebenfalls von ihrem Körper zu lösen. Was hiess, dass sie gleich darauf überhaupt keinen zusätzlichen Schutz zu der Unterwäsche mehr hatte. Ihr Blick glitt kurz auf das Top, welches noch immer auf dem Boden lag. Aber sie hob es nicht auf. Faye versuchte, nicht darüber nachzudenken, als sie die Finger ausstreckte und stumm seine zweite Hand ergriff. Sie legte ihre Finger um Seine, machte noch einen Schritt näher und noch einen, bis sie direkt vor ihm stand. Noch immer rannen Tränen über ihre Wangen, als sie zu ihm hoch blickte. Aber er hatte sie eh schon gesehen. Es spielte keine Rolle mehr. "Victor, ich will nicht gehen... Seit ich dich kenne, habe ich dich niemals, in keiner Sekunde, verlassen wollen... Ich habe nur Angst... Angst, dass ich es... noch so viel schwieriger mache... für dich... Aber ich will nicht... gehen... das versprech' ich dir", meinte sie, ihre Stimme nicht mehr als ein Hauchen, während sie die Arme hob, um sie vorsichtig um seinen Körper zu legen. Nicht zu eng. Es glich eher einer lockeren Umarmung. Und ihre Muskeln zitterten trotzdem angespannt vor sich hin. Aber es war mehr, als sie in so langer Zeit geschafft hatte.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Nicht wundern, hatte keinen Bock wegen ERZWUNGENEM PC-WECHSEL alles extra zu kopieren, der psychische Vollkrüppel kommt auch zeitnah noch x'D
... eh, ja. "Zeitnah". XD __________________
Ideen waren ja auch eine meiner absoluten Stärken. Meistens waren es eher nur ironisch dahingesagte, die erstens absolut gar nicht durchdacht waren und zweitens auch von vornherein eher nicht umsetzbar waren. So wie die unsichtbare Decke zum Beispiel, oder eben der Ausbruch - letzterer kam ohnehin von vornherein deswegen schon nicht in Frage, weil ich dann wohl für den Rest meines Lebens auf der Flucht wäre. Womöglich zwar nicht allein, aber eigentlich wollte ich das Aryana - und damit auch Faye - wirklich nicht antun. Der reiche Geizkragen war auch nur minimal weniger unwahrscheinlich. Die Idee Warren mit dem Schlangengift ins Jenseits zu befördern hingegen war wirklich gut gewesen und hatte auch einwandfrei funktioniert, aber da hatte ich eben auch ganz bewusst darüber nachgedacht - und zufällig eine Schlange gesehen - und das nicht nur sarkastisch vor mich hin gesagt. Und hey, wenigstens konnte ich auch der Brünetten hier neben mir mit meinen unrealistischen Einfällen ein zartes Lachen entlocken. Das war im Vergleich zu den Abenden, an denen wir uns auf dem Wachturm hier und da mal gekrümmt hatten vor Lachen, weil wir nicht zu laut dabei hatten sein wollen, natürlich nicht viel, aber es war wesentlich besser als gar keins. Ich hörte Aryana gern lachen und momentan war es absolut selten, dass ich irgendwas in dieser Richtung zu hören bekam, also versuchte ich auch diese Kleinigkeit in vollen Zügen zu genießen. Ihre Worte ließen mich selig vor mich hin grinsen, weil ich wohl mit der letzte Mensch auf der Welt war, der die junge Frau unterschätzen würde. Sie hatte mehr als oft genug gezeigt, zu was sie fähig war, wenn es wirklich darauf ankam. Mir wusste sie was das angeht nun wirklich nichts mehr beweisen. So grinste ich ein kleines bisschen in den ohnehin für meinen Geschmack viel zu kurzen Kuss hinein, nachdem ich mich nur allzu freiwillig ein bisschen von ihr hatte nach unten ziehen lassen. Langfristig vielleicht ungesund für den Nacken, aber der konnte sich auch später irgendwann noch entspannen. "Also hast du keinen?", stichelte ich erst einmal leise, wo ihre Lippen doch nach wie vor nicht weit von meinen entfernt waren, was den nicht nicht ganz fertigen Plan anging und hatte dabei auch meine Hand an ihre Seite wandern lassen, um sie wie so oft ein kleines bisschen zu pieken. Ich hatte das schon länger nicht mehr gemacht, war mir gerade aufgefallen, also war es wohl einfach mal wieder an der Zeit dafür. Ganz gleich, ob die schlanke Brünette gut darauf hätte verzichten können oder nicht. Dass wir jetzt zusammen waren gab ihr leider keine Berechtigung dafür das abzustellen, also musste sie wohl oder übel weiter damit leben. Die Seemonster in Australien hatte sie schließlich auch überlebt, da war das hier sicher zu verschmerzen. "Mach ich nicht... ich weiß ja, wozu du fähig bist, wenn's drauf ankommt.", gab ich dann erstmal noch ganz offen und ehrlich zu, dass Aryana sich den höchstmöglichen Respekt von mir schon lange verdient hatte. Ich machte sie in meinem Kopf weiß Gott nicht kleiner, als sie war und um das noch einmal zu unterstreichen legte ich meine Lippen auf ihre, um mir einen weiteren der momentan viel zu rar gesäten Küsse zu stehlen. Diesmal fiel er auch ein bisschen länger und inniger aus als der vorherige, obwohl ich noch gar nicht alles gesagt hatte, was ich hatte sagen wollen. Nur sehnte ich mich hier und jetzt wohl mehr nach Nähe und Zuneigung, als nach einem Wortwechsel. Letzteres konnten wir schließlich 24/7 machen. "Ich glaub nur, dass es ein bisschen schwieriger ist mich da rauszukriegen, als Warren umzulegen zum Beispiel... aber du darfst mich selbstverständlich liebend gern vom Gegenteil überzeugen.", redete ich weiterhin eher etwas leiser vor mich hin, weil auf die kurze Distanz ganz einfach nicht mehr Lautstärke notwendig war und ich außerdem weiterhin nicht vorhatte den Mord auch noch zu gestehen. Was die Richter nicht wussten machte sie nicht noch heißer darauf, mich für die Ewigkeit hinter Gitter zu bringen. Außerdem käme das Aryana auch so gar nicht zu Gute, also lieber weiterhin nur im Verborgenen darüber reden.
Wieder waren es ein paar viel zu lange Sekunden, bis Faye sich ein weiteres Mal regte. Sekunden, die eher Minuten oder gar Stunden glichen, die mich ein weiteres Mal bangen ließen. Es war ja nicht so, als würde ich es nicht verstehen, wenn sie tatsächlich gehen wollte. Ich wusste ja wie schlecht es ihr ging, konnte das jeden Tag sehen und hören und vielleicht wäre es auch für die junge Frau besser, wenn sie unabhängig von mir mit dem Trauma umgehen und es verarbeiten könnte. Nur wusste ich, dass das dann mein Ende war. Als mich nach meinem ersten Absturz meine damalige Freundin verlassen hatte war das einfacher gewesen. Trotzdem schmerzhaft und zu Beginn absolut nicht förderlich für meine Therapie, aber wir hatten uns über meine Jahre bei der Army hinweg einfach aus den Augen verloren und auseinandergelebt. Ich hatte mich durch den Wehrdienst verändert und das Trauma hatte mich dann endgültig unerträglich für sie gemacht. Aber mit Faye war das anders. Sie hatte mich so kennengelernt und wieder aufgebaut, liebte mich trotz diesen Macken und wusste noch dazu selbst, wie hart es im Krieg nun mal war. Meine emotionale Bindung zu ihr war gar nicht mehr in Worte zu fassen und wenn sie ging, dann würde sie sehr wahrscheinlich den kläglichen Rest, der von mir noch übrig war, einfach mitnehmen. Eine leere, ziemlich lebensunfähige Hülle zurücklassen. Es war also kein Wunder, dass mir der Gedanke daran wirklich Angst machte und dass die Therapeuten es eben nicht guthießen, dass ich mich da so reinsteigerte. Ging halt nur nicht anders. Ich schluckte ein weiteres Mal leise, versuchte damit vergeblich den dicken Kloß in meinem Rachen loszuwerden, bevor mich letztlich auch Fayes zweite Hand erreichte. Wieder nahm sie mir einen Teil der schier unendlich großen Last von der Brust und ich atmete bemüht ein wenig durch. Half natürlich weiterhin nur wenig bis gar nicht, aber so kam wenigstens ein bisschen Sauerstoff in meine Lunge. Die Augen blieben trotzdem noch weiterhin geschlossen, als ich ihren Worten lauschte und dabei unbewusst ein wenig über ihren Handrücken strich. Meine Lider hoben sich erst leicht flackernd wieder an, als der erste Satz vollständig gefallen war und ich damit die endgültige Bestätigung dafür bekam, dass der schmalen Brünetten nicht im Sinn stand sich von mir loszusagen. Obwohl sie weiterhin Zweifel damit hatte, ob das denn auch wirklich so gut war. Ihre Finger lösten sich erneut aus meinen und für einen kurzen Augenblick fürchtete ich noch, dass sie doch ein weiteres Mal den Rückzug antrat, bevor sie jenen Gedanken mit der Umarmung gänzlich auslöschte. Es fiel mir wirklich schwer daraufhin nicht einfach meine Arme so eng wie möglich um ihren Körper zu schlingen, damit sie nicht wieder wegging. Faye war mir so nahe wie lange nicht mehr und jede Faser meines Körpers verlangte danach, durch eine vermutlich viel zu enge Umarmung tunlichst zu vermeiden, dass sie wieder nach mehr Abstand suchte. Aber ich war mir auch ziemlich sicher damit, dass es den Fortschritt ein weiteres Mal in Grund und Boden erschüttern würde und das war das mit Abstand letzte, das ich wollte. Also legte ich meine Arme eher vorsichtig um ihren Körper. Den rechten ziemlich weit oben auf Schulterhöhe und den linken eher schräg nach unten, damit meine Hand auf der anderen Seite an ihrer Hüfte lag. Ich versuchte so ganz einfach den Großteil ihrer Narben von Berührung zu verschonen, auch wenn sich das wohl nicht vollends vermeiden ließ. Ganz unterdrücken konnte ich den Willen sie an mich zu drücken aber dennoch nicht, weshalb ich sie letztlich doch ein ganz klein wenig an meine Brust drückte, als ich meinen Kopf nach vorne neigte und meine Stirn an ihre lehnte. "Noch schlimmer kann's nicht werden.", stellte ich kaum hörbar fest. Außer wenn sie ging, versteht sich, aber die Wahrscheinlichkeit dessen schien glücklicherweise sehr gering zu sein. "Es ist egal, wie... du aussiehst... wie oft du weinst... oder wie sehr die... Narben mir zusetzen. Für mich wirst du immer wunderschön bleiben... innen wie außen. Du bist... das Wichtigste für mich und ich liebe dich... egal was noch kommt.", flüsterte ich leise vor mich hin, bevor ich den Kopf wieder ein Stück weit anhob und ihr einen sanften, hauchzarten Kuss auf die Stirn drückte. "Es ist alles ziemlich... schwer, das weiß ich. Aber... ich glaub immer noch, dass wir das... zusammen schaffen, auch wenn's noch ein bisschen dauert...", hängte ich noch ein paar weitere dünne Worte hinten an, war ihrer Stirn dabei mit meinen Lippen noch immer ziemlich nahe. Es fiel mir irgendwie leichter zu reden, wenn ich sie nicht ansah. Ich sah Faye nicht selten weinen in letzter Zeit, aber es tat mir halt doch jedes Mal weh. Das würde sich wohl nie ändern.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Hat schon gepasst, ich hatte gestern dann eh keine Zeit..^^ ___________
Ach, was musste er auch so hochintelligent noch nachfragen, als wüsste der gute Herr nicht längst, dass Aryana noch absolut keine Ahnung hatte, wie sie Mitchs Befreiung genau organisieren sollte. Sie wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als sie seinen Finger in ihre Seite pieken spürte - darauf wie immer erschrocken zusammenzuckte und nach Luft schnappte. Sie atmete tief durch und rollte gespielt genervt mit den Augen, ohne dabei aber das Grinsen aus dem Gesicht fallen zu lassen. "Kleiner Scheiss-Sherlock du", grummelte sie dann auf seine vorhergehenden Worte bezogen vor sich hin. "Du bist mir einfach eindeutig zu intelligent geboren", seufzte sie weiter, strich dabei mit den Daumen über seine glatten Wangen. "Naja, kann sein, dass ich vielleicht jetzt noch keinen Plan habe. Aber wer weiss - vielleicht schon Morgen. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt, du kannst dich also nur überraschen lassen und dich stets bereithalten für den Moment, in dem ich mit dem Rettungsseil vor deinem Zellenfenster stehe. Oder mit zwei Teelöffeln, dann graben wir gemeinsam einen Tunnel nach draussen", redete sie unbeirrt weiter, als wären all das plausible Variationen einer möglichen Zukunft für sie beide. Und die Zellen, Gitterstäbe und Gefängnisse sowieso nur Märchen aus irgendwelchen Gruselgeschichten, an deren Wahrheit nicht einmal kleine Kinder glauben konnten. Es war einfacher, darüber zu scherzen, als sich ernsthaft damit zu befassen. Da Letzteres ohnehin sinnlos war, konnten sie es auch gut bei den Witzen belassen... Aryana erwiderte den nächsten Kuss ebenfalls etwas inniger, was in ihr aber ein nur noch grösseres Bedürfnis nach mehr auslöste. Darum wollte sie ihn auch nicht recht gehen lassen, als er sich nochmal ein kleines Bisschen von ihr löste, um weiterzusprechen. "Ein Bisschen schwieriger... Aber nicht unmöglich. Ich mag Herausforderungen. Ausserdem lässt ein Sergeant niemals einen Soldaten im Stich - schon gar keinen aus seinem eigenen Squad", murmelte sie etwas ernster vor sich hin, widmete sich dann aber wieder seinen Lippen, bevor er die Chance gehabt hätte, ihr darauf noch was zu antworten. Und eine ganze Weile blieb sie auch genau dort kleben, saugte seine Nähe und jede Erinnerung an seine Lippen und seinen Duft in sich auf. Liess erst dann die nächste Pause folgen, als ihnen allmählich die Luft ausging. Sie hatten sich gefühlt ewig nicht mehr so geküsst - weil keiner es ihnen gönnen wollte. Und sie wollte nicht darüber nachdenken, wie lange das nun so weitergehen würde... "Du hättest dir meinen Namen auf die Stirn tätowieren lassen sollen, bevor's zu spät war... Wie soll ich so denn je sicher sein, dass sich nicht irgendeine dahergelaufene Gefängnisschlampe an dich ranschmeisst..?", nuschelte sie in sich hinein, als würde eine entsprechende Gefahr tatsächlich bestehen. Als wäre Mitchs Kontakt mit dem weiblichen Teil der Gesellschaft im Gefängnis nicht sowieso definitiv auf ein Minimum reduziert.
Sie waren sich bis Heute gefühlt ewig nicht mehr so nahe gewesen. Aber Faye hatte niemals den Rhythmus seines Herzens vergessen, den sie nun so deutlich an ihrer Schläfe spürte, als sie vorsichtig ihren Kopf an seine Brust bettete. Und es schien ihr fast, als würde dieses leise Pochen ihre durch und durch angespannten Muskeln langsam ein wenig entspannen, ihrem Körper zeigen, dass sie sich nicht in Gefahr befand, dass Victor sie nicht abweisen und verstossen würde, egal, wie lange und oft sie sich genau davor gefürchtet hatte. Nein, der Dunkelhaarige kam trotz allem, was gewesen war, trotz allem, was sie getan hatte, trotz allem, was er gesehen hatte, nicht auf die Idee, sie von sich zu schieben oder ihr irgendwie anders zu verstehen zu geben, dass sie hier nicht erwünscht war. Im Gegenteil. Er legte seine Arme um sie - obwohl sie fast nackt war. Er zog sie noch etwas näher. Und als sie den Kopf hob, lehnte er seine Stirn an ihre und erklärte ihr mit leisen Worten so klar, dass er sie trotz allem noch immer liebte wie am ersten Tag ihrer Beziehung. Und dass er sie immer lieben würde. Dass er sie schön fand. Als würde er all das nicht sehen, was sie kaputt gemacht hatte. Ein leises Schluchzen rollte über Fayes Lippen, weil es unendlich schwer zu begreifen war, wie er all das noch immer für sie empfinden konnte, während sie selbst seit den Erlebnissen in den Hügeln in jeder Form von Selbstzweifeln versank. Weil diese Schatten sie ewig begleiten würden und weil sie nicht klar kam mit dieser Version von Faye, die nicht das sein konnte, was sie sein wollte. Die Brünette versteckte ihren Kopf zurück an seiner Brust, konzentrierte sich nicht länger auf diese Gedanken sondern nur noch auf seine Worte, seine Atmung, seinen Duft, seine Nähe. Die Sehnsucht, die sie schon seit Längerem fühlte, jedes Mal, wenn sie ihn ansah. Denn ihre Seele hatte sich seit Wochen nach Victor verzerrt, war nur immer wieder durch ihren Kopf gestoppt worden, der ihr so deutlich gesagt hatte, dass sie diesen Mann nicht mehr haben konnte, ihn nicht mehr verdiente, ihn nur mit Füssen trat und ihm immer weiter weh tat. "Danke... Danke, dass du da bist... ich... ich liebe dich auch... für immer, Victor... für immer immer immer", hauchte sie und ihre Arme legten sich noch etwas enger um den jungen Mann. Mittlerweile war die Anspannung fast komplett von ihren Gliedern gefallen. Und tatsächlich hatte Faye das erste Mal seit Monaten das Gefühl, dass die erdrückende Last auf ihrer Brust ein kleines Bisschen leichter geworden war. Dass sie ein kleines Bisschen besser Atmen konnte. Sich ein kleines Bisschen aus den Fängen des IS gelöst hatte, die sich um ihr Herz gelegt hatten wie ein eisiges paar Totenhände. "Du bist das Beste... was ich mir je hätte wünschen können... Der Einzige... mit dem ich das alles durchstehen könnte...", Faye hob sachte den Kopf wieder etwas an, um zu Victor zu blicken. Auf seine Lippen, nach denen sie sich kurz darauf ausstreckte. Denn sie sollten sich wieder küssen. Sie sollten ihrer Liebe wenigstens ein Bisschen Leben verleihen. Denn sie waren lange genug tot gewesen, hatten sich mühsam durch die Dunkelheit gekämpft. Irgendwann mussten sie wieder für mehr als das nackte Überleben kämpfen.
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Das leise Lachen, das mir gleich nach ihrem unzufriedenen Kommentar hinsichtlich meiner Fähigkeiten als Detektiv über die Lippen kam, war ziemlich vorhersehbar gewesen. Als ich dann das leichte Streicheln an der Wange vernahm lag noch immer ein ziemlich breites Grinsen auf meinem Gesicht. Über das zu intelligent geboren worden sein ließ sich hier jetzt natürlich streiten. Jemand sehr schlaues hätte vermutlich eher keinen Handel mit den Syrern abgeschlossen. Es war wohl eher meine jahrelang sehr gut geschulte Intuition, die mir hier in diesem Fall mitteilte, dass Aryana noch keinen blassen Schimmer davon hatte wie genau sie mich denn nun eigentlich aus dem Knast holen wollte. Blöd war ich aber halt trotzdem nicht, weil ich sonst noch wesentlich früher mit der ganzen Geschichte aufgeflogen wäre. Allerdings war das auch keine Sache, über die ich jetzt zu lange hätte nachdenken wollen, weshalb ich vom Denken lieber wieder zum Reden überging. "Ich erinner' dich liebend gern daran, dass du dir den Sherlock selber ausgesucht hast, mein Schatz...", erwiderte ich süffisant vor mich hin grinsend und ließ die Augenbrauen einmal nach oben zucken. Vielleicht wäre Aryana nie auf diesen Mehr-als-nur-Freundschaft-Trichter gekommen, wenn ich sie nicht so ziemlich jeden Tag mit neckischen Kommentaren in genau diese Richtung geschubst hätte, schon klar. Aber diese Grenze übertreten hatte sie letztlich selbst, wenn auch ursprünglich nicht mit der Intention mehr als nur ein kurzes Küsschen daraus werden zu lassen. Wir küssten nun mal beide gut, da war es schwierig gewesen wieder aufzuhören. "Meinst du Suppenlöffel gehen auch? Ich will mich ja nicht beschweren, aber...", gab ich weiterhin ziemlich sarkastisch zu bedenken, dass die ewige Buddelei mit einem so winzigen Löffel vermutlich zwanzig Jahre dauern würde und ich bis dahin dann hoffentlich sowieso wieder draußen war. Da wäre eine Nummer größer schon besser, was das Arbeitswerkzeug anbelangte. Es war absolut unmöglich nicht an jenen ersten Kuss-Moment zurückzudenken, als Aryana ihre Lippen erneut mit meinen verschloss. Der einzige Unterschied war wohl, dass mir das Herz jetzt nicht mehr gefühlt aus der Brust sprang. Das beflügelnde Gefühl und die wohltuende Wärme, die mich während des Kusses durchströmte, war noch immer die gleiche - nur ohne das davongaloppierende Herz, das sich vor aufkommender Nervosität kaum hatte retten können. Jetzt war das Ganze viel vertrauter, noch bewusster und ich ließ mir auch dieses Mal gern die Sinne von den vollen, weichen Lippen der Brünetten rauben. Schlang meinen Arm dabei auf ihrer nackten Haut eng um ihren Körper, wobei das Shirt ein ganzes Stück hochrutschte, damit ich über ihre vorangegangenen Worte gar nicht erst zu sehr nachdenken konnte. Denn ja, es war eine gewaltige Herausforderung. Da beließ ich es lieber bei den Küssen und Witzen, die uns lachen statt verzweifeln ließen. Als wir zwangsweise eine kleine Pause einlegten und die schlanke, junge Frau an meiner Seite ihre nächsten paar Worte loswurde, kam ich nicht umher grinsend die Augen nach oben zu rollen, während ich ihr mit den Fingern hauchzart den Nacken abwärts strich, um sie auch damit ein kleines bisschen zu provozieren. Der menschliche Nacken war ziemlich empfindlich und das machte ich mir hier gerne zu nutze. "Ja, na klar... ich glaub im Gefängnis hab ich auch ganz bestimmt keine anderen Sorgen als eine Affäre mit irgendeinem kriminellen Mannsweib.", erwiderte ich nur so von Ironie durchtränkt, schüttelte ein klein wenig den Kopf. Ich für meinen Teil konnte mir ja ohnehin nicht vorstellen, dass es im Knast überhaupt attraktive Frauen gab. Solche hatten es für gewöhnlich nämlich eigentlich nicht notwendig sich die Hände schmutzig zu machen, die Welt war oberflächlich und viele Männer naiv genug auf jene Frauen reinzufallen. "Außerdem gehen Namens-Tattoos so gar nicht. Da ist der Anfangsbuchstabe echt das absolute Limit. Du wirst dich wohl leider einfach auf mich verlassen müssen.", redete ich ihr die Sache mit dem Tattoo auch noch aus. Ironie und Sarkasmus hin oder her, sowas kam mir nicht unter die Haut. Da war ein extrem unauffällig eingebauter Buchstabe das Höchste der Gefühle. Außerdem war ich jahrelang mit wenig bis keinem Sex bei der Army gewesen, wieso sollte ich plötzlich im Knast derart verzweifelt sein? Mal ganz davon abgesehen, dass ich noch nicht mal wusste ich welchen Knast ich wanderte und ob es da überhaupt Frauen gab, zu denen ich aber so oder so sicher keinen Kontakt hätte.
Für immer war sehr wahrscheinlich auch das einzige, womit mein Kopf und mein Herz sich anfreunden konnten. Es war Musik in meinen Ohren, jene Worte von Faye zu hören und gleich im Anschluss daran umarmte sie mich sogar noch ein wenig enger. Mehr war es nicht, das ich aktuell brauchte. Fayes Nähe, die ich viel zu lang hatte missen müssen, in Kombination mit diesen durchweg beruhigenden Worten und ihrem Duft in der Nase waren ausreichend, um mich langsam wieder zu Atem kommen zu lassen. Bis die innere Unruhe sich gänzlich gelegt hatte, würden sicherlich noch einige Minuten ins Land ziehen, aber zumindest blieben jetzt die Tränen aus und ich konnte langsam wieder zur Ruhe kommen. Ein bisschen kontrollierter atmen und damit den sicher noch etwas aufgebrachten Herzschlag beruhigen, hatte der Flashback mir vorhin doch ordentlich den Kreislauf hochgeschraubt. Zumindest für den Augenblick war letzterer wieder vollkommen in den Hintergrund gerückt und ich verlor mich wie schon so oft einfach in der körperlichen Nähe zu Faye, die mir als einziges Mittel wirklich Linderung versprach. Natürlich war es noch immer nicht schön, dass ich unter meinen Händen deutlich spüren konnte, dass sie rapide an Gewicht verloren hatte, aber auch das ging irgendwann vorbei. Lieferte momentan vielleicht ein kleines bisschen an bitterem Beigeschmack, was ich vorübergehend jedoch gut ignorieren konnte. "Für dich immer.", murmelte ich leise zu ihr runter, löste dann meinen rechten Arm von ihren schmalen Schultern und legte die Hand stattdessen an ihren Hinterkopf, um ihr ein wenig übers Haar zu streichen. Es gab ziemlich sicher nichts, das mich davon abhalten würde, Faye zur Seite zu stehen wann immer sie mich brauchte. Zumindest fiel mir dazu spontan nichts ein und deshalb würde ich wohl weiterhin immer für die zierliche Brünette da sein. Auch Fayes dann noch folgende Worte waren nichts als Balsam für meinen kaputten Schädel, der immer wieder um ihre Zuneigung für mich gebangt hatte, nachdem sie mich so vehement auf Distanz gehalten hatte. Aber ich kam gar nicht wirklich dazu noch etwas darauf zu erwidern, bevor der Blick der Brünetten wieder auf meinen traf. Man hätte meinen können, dass das Kuss-Pensum für heute eigentlich schon übervoll war, wenn man es an all den vorherigen Tagen und Wochen messen würde. Trotzdem streckte sie sich nach mir aus und ich war nur allzu bereit ihr dabei entgegen zu kommen. Sobald meine Lippen sich mit den ihren verschlossen hatten lösten sich auch meine Finger aus ihren Locken und ich legte sie stattdessen an ihre Wange, um ihr dort über die noch immer leicht feuchte Haut zu streichen. Erneut ein paar der Schlieren wegzuwischen, welche die Tränen hinterlassen hatten. Auch sehnte ich mich viel zu sehr nach Momenten wie diesem, um den Kuss nicht zumindest ein bisschen in die Länge zu ziehen. Ich konnte schließlich nicht wissen, ob und wann wir den nächsten Absturz hinlegten - auch, wenn ich natürlich hoffte, dass es dazu gar nicht kam - und deshalb wollte ich alles mitnehmen, was sie mir gab. Erst, als nach einer kleinen Weile gerade so genug von der Sehnsucht gestillt war, löste ich meine Lippen wieder ein bisschen von Fayes, wobei jedoch nach wie vor nicht besonders viel Abstand zwischen uns war. "Schläfst du... bei mir?", hauchte ich eine leise Frage zu der Brünetten runter und strich ihr mit dem Daumen den Kiefer entlang. Ich meinte natürlich eher nicht dieses krampfhafte nebeneinander, aber trotzdem so weit wie möglich voneinander wegliegen, das wir in letzter Zeit meistens praktizierten, wenn wir uns mal ein Bett teilten. Ich wusste, dass man nicht die ganze Hand nehmen sollte, nur weil einem mal der kleine Finger ausgestreckt wurde, aber die Frage allein kostete mich nichts. Die junge Frau müsste dabei ja auch nicht so gut wie nackt bleiben - so oder so wäre es aber auch nachvollziehbar für mich, wenn sie mir in dieser Hinsicht einen Dämpfer verpasste. Geduld war wohl eine meiner Stärken, auch wenn jene in diesem Fall trotzdem ziemlich schmerzlich war.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sein Lachen und die sinnlosen Scherze lenkten sie zumindest kurzzeitig davon ab, was hier eigentlich gerade wirklich passierte. Dass sie in diesen Minuten wohl ihre mitunter letzten innigen Küsse für eine lange, lange Zeit geniessen konnten. Dass das hier viel mehr ein bitterernster Abschied als eine leichtsinnige Spielerei war. Nur wollten sie gerade beide offensichtlich nicht darüber nachdenken, versuchten sich zumindest noch einmal in der Leichtigkeit und Schönheit ihrer Liebe zu verlieren. Denn ja, Aryana hatte sich Mitch selber ausgesucht. Es war nicht so, als wäre die Auswahl an Männern in der Army gering gewesen. Aber bis zu ihm war sie von keinem lange genug so fasziniert gewesen, dass sie sich tatsächlich auf ihn eingelassen hätte. Dass ihre Gefühle grösser als ihre Angst vor einem weiteren Verlust, der ihr das Herz in tausend Stücke sprengte, waren. Sie hatte mit keinem so oft gestritten, aber dann auch mit keinem so oft gelacht wie mit Mitch. Die Streits lagen Jahre zurück, aber die Heiterkeit und der gegenseitige Sarkasmus waren geblieben und begleiteten sie scheinbar bis hierher in süffisantem Mass. Aber Aryana wäre die letzte, die sich darüber beklagen würde. "Wenn ich mir nur erklären könnte, was ich mir dabei gedacht habe...", seufzte sie auf seine Feststellung, als wäre ihre Entscheidung für Mitch absolut nicht nachvollziehbar. Aber egal wie sehr sie die Sache mit Ironie und Sarkasmus ins Lächerliche zog, ihre Augen sprachen trotzdem die Wahrheit, verrieten dem jungen Mann wohl überdeutlich all die Gefühle, die sie für ihn im Herzen trug. Das war auch gut so. Er sollte alles davon sehen und dahin mitnehmen, wo sie ihn nicht begleiten konnte. Wegen der Suppenlöffel zuckte sie kurz mit den Schultern, verzog nachdenklich das Gesicht. "Ansprüche hast du... Wird schwierig, die da reinzuschmuggeln. Aber auch dazu werde ich sicherlich einen Weg finden, wenns unbedingt sein muss... dir zuliebe", zeigte sie sich mal wieder von ihrer gutmütigsten Seite, bevor ihre Lippen dann definitiv für einen Moment von seinen verschlossen wurden. Sie führte die intensiven Küsse gerne eine ganze Weile fort, bis ihnen dann eben das erste Mal die Luft ausging und wieder ein paar Worte gesprochen wurden. Offenbar war Mitch absolut nicht der Ansicht, dass er im Gefängnis auf irgendwelche Konkurrenz für sie treffen würde, was sie sofort wieder leicht grinsen liess. Natürlich machte sie sich nicht ernsthaft Sorgen darum, aber es war nunmal gut und gerne möglich - beziehungsweise sogar ziemlich wahrscheinlich - dass sie ihn nicht mehr als einmal im Monat besuchen dürfte. Und dazwischen hätte er eine Menge Zeit für alles andere. Aryana zuckte ein weiteres Mal lächelnd mit den Schultern, als er ihre tolle Idee mit dem Tattoo so vehement ablehnte. "Versteh ich zwar nicht aber okay", meinte sie sarkastisch, beugte sich dabei ein Bisschen vor, um ihm ein paar Küsse auf den Wangenknochen und schliesslich langsam nach unten in seine Halsbeuge zu hauchen. Ihre Finger wanderten dabei weiter zart über seine nackte Haut, die sie am liebsten für immer unter ihren Händen spüren würde. Als sie sich langsam wieder aufrichtete, um mit ihren Lippen direkt vor seinem Mund zu stoppen, blickte die Brünette ihm nochmal grinsend in die Augen. "Eine Schlange würde den Zweck auch komplett erfüllen.. oder eine kleine Maria. Wäre fast noch besser", schlug sie eine Zwischenlösung vor, die ihn bestimmt etwas mehr begeisterte.
Sie wusste wirklich nicht, ob es auf der ganzen Welt noch einen anderen Mann gab, der all das mit ihr durchstehen würde und sie mit ihren ganzen Problemen und dem üblen Knacks, der ihre Psyche Tag für Tag begleitete, akzeptieren und lieben könnte. War ja auch verständlich, dass eigentlich keiner eine solche Freundin wollte. Sie wusste ja, dass sie unglaublich anstrengend und kompliziert war im Moment, dass sie unendlich viel Geduld und Verständnis forderte. Und sie gab sich Mühe, endlich wieder besser zu werden, aber das brauchte eben Zeit. Geduld. Das, was ihr nur Victor geben konnte, weil er einfach ein viel zu guter Mensch war und sie nicht aufgeben wollte. Sie genoss das Streicheln auf ihrem Hinterkopf und noch viel mehr genoss sie den anschliessenden Kuss. Sie merkte, dass er die Berührung ihrer Lippen noch etwas hinauszögerte, dass er sie genauso vermisste wie sie ihn. Auch wenn die Küsse ihren Herzschlag viel zu sehr beschleunigten, sie nervös und unsicher machten, so waren sie eben auch gut und verstärkten die Gewissheit, dass alles langsam wieder gut werden konnte. Wenn sie sich nur endlich wagte, wieder aus ihrem Schneckenhaus zu kriechen und es passieren zu lassen... Die Brünette hatte die Augen noch halb geschlossen gehabt, als eine leise Frage ihre Ohren erreichte und sie Victor langsam wieder anschaute, in ihrem Blick wieder die gleiche tiefe Unsicherheit wie vor einigen Minuten, als sie aus dem Bad getreten war. Sie wünschte, sie könnte diese Frage mit einem einfachen, überzeugten Ja beantworten, ohne überhaupt darüber nachdenken zu müssen. Aber so einfach unkompliziert waren ihre Leben eben schon seit Monaten nicht mehr. So biss sie einen Moment wieder auf ihrer Unterlippe herum und blickte zur Seite weg, hob eine Hand an, um sie um seine Finger an ihrer Wange zu legen. Erneut dauerte es einige ewige Sekunden, bis sie sich für die einzige Antwort entschieden hatte, die eigentlich in Frage kommen sollte. Und noch ein paar Sekunden mehr, bis sie den Mund aufmachte, um ihm diese zu verkünden. "Okay..", ein einziges Wort, das niemals so viel Bedenkzeit verdiente, wie sie ihm gerade gegeben hatte. Faye blickte wieder zu Victor nach oben, legte ihre Hände erneut rechts und links um sein Gesicht und lehnte ihre Stirn an seine, als sie die Augen wieder schloss. Sie wollte wirklich nicht über solche Dinge nachdenken müssen. Und sie wollte nicht, dass er die ganze Zeit quasi um ihre Gunst betteln musste. Sie würde heute Abend bei ihm schlafen und würde das von Heute an jeden Tag so machen, ausser er wollte sie nicht bei sich oder sie konnte aus irgendeinem Grund wirklich nicht. "Heute und jeden weiteren Tag nach Heute, wenn es irgendwie geht... bis du nicht mehr willst", hauchte sie ihm ihre Gedanken in einem weiteren Versprechen entgegen, strich mit ihren Händen über seine Haut und die Stoppeln seines Bartes, die sie so lange nicht mehr unter ihren Fingern gespürt hatte. Es war immer noch schwierig. Die Nähe, die Anspannung, ihre Ängste waren immer noch da. Aber Victor tat immer wieder so, als wäre das nicht schlimm, er schob sie nicht von sich weg und zeigte ihr so deutlich, wie sehr er sich nach ihr sehnte. Es wäre nicht fair, wenn sie nicht genauso alles tun würde, um endlich aus ihrem Loch zu steigen, das sie in diese Dunkelheit gesperrt hatte.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ehrlich gesagt war das eine Sache, die ich mich auch nach wie vor fragte. Hätte schließlich eine riesige Anzahl anderer Kerle auf diesem Planeten gegeben, die einen deutlich kleineren Knacks in der Birne hatten und ihr vielleicht sogar besser täten, als ich das mit meiner impulsiven Art überhaupt konnte. Von meinem aktuell auflebenden Strafregister mal ganz abgesehen, qualifizierte vor allem das mich doch nicht unbedingt als einen perfekten Schwiegersohn. Ich war - so glaubte ich - ganz froh darüber, dass ich Aryanas Eltern nicht kennenlernen musste. Natürlich tat es mir für die Brünette leid, weil ich nun mal einfach wusste, dass jene ihr viel bedeutet hatten und gerade deren Tod einen sehr unschönen Wendepunkt in ihrem Leben darstellte - ebenso wie das Ableben ihres Bruders eben auch -, aber es machte mir unsere Beziehung wohl einfach sehr viel leichter. Da gab es keine mit dem Zeigefinger wedelnden Elternteile, die ihr mich ausreden wollen würden, weil ich in ihren Augen nicht gut genug für sie wäre. Niemanden, vor dem ich mich mehr rechtfertigen musste. Die einzige, die da wohl theoretisch ein Wörtchen mitreden könnte, war Faye. Hielt ich jedoch für grundlegend unwahrscheinlich, weil dem zerbrechlichen, kleinen Ding nicht entgangen sein dürfte, dass mir ihre ältere Schwester wirklich viel bedeutete - so wie umgekehrt eben auch. Ich glaubte also eher nicht, dass die jüngere Cooper versuchen würde mir ihre Schwester zu entreißen. Glücklicherweise stand Aryana aber ohnehin nicht dafür sich von Irgendjemanden in ihren Entscheidungen beirren zu lassen. Erst recht nicht, wenn innige Gefühle dabei im Spiel waren. "Ist auch echt 'ne gute Frage... meine liebenswerte Ader kann's eher nicht gewesen sein, also wohl doch die weltberühmten, breiten Schultern.", sinnierte ich belustigt vor mich hin grinsend weiter, zuckte ein wenig mit besagten Schultern. Spielte dabei nochmal auf die unzähligen Streits in der Vergangenheit an, von denen es jetzt schon ziemlich lange keinen mehr gegeben hatte. Gab auch einfach keinerlei Gründe dafür, wo wir uns inzwischen doch eigentlich ziemlich ausnahmslos auf der gleichen Wellenlänge bewegten. Was die Löffelgeschichte anging zeigte Aryana sich auch sehr offen für Anregungen. Ich würde ihr ja glatt dazu raten Plastiklöffel zu nehmen und sie vorübergehend im gepolsterten BH zu verstecken, aber die brachen vermutlich ziemlich zügig beim Buddeln ab. Es blieb als ihre Kreativität gefragt, was diese Ausbruchsmöglichkeit anbelangte. Auf ihren sarkastischen Kommentar hinsichtlich des ihr gewidmeten Tattoos konnte ich auch nicht viel mehr als flüchtig die Augen nach oben zu drehen, während sie meine Wange mit ihren Lippen berührte. Ich war drauf und dran mir mehr Gedanken über ein Tattoo zu machen, als sie dann aber mit ihren Lippen weiter zu meinem Hals wanderte und mir damit dann jetzt vielleicht doch so ein bisschen die Denkfähigkeit nahm. Zwar war ich im Vergleich zu den vergangenen Jahren wohl sexuell so gut ausgelastet wie ewig nicht mehr und die Verletzungen, mit denen sich mein Körper momentan auseinandersetzen musste, trugen sicher nicht dazu bei mich topfit zu fühlen, aber sie kribbelte mich ja nicht nur am Hals. Ihre Finger trugen dazu auch noch ganz gut bei und es war halt eben auch Aryana, die hier bei mir war und nicht irgendein x-beliebiges Flittchen. Sie wirkte schlichtweg eine viel stärkere Anziehungskraft auf mich aus, als das irgendeine andere Frau überhaupt konnte. Deshalb ertappte ich mich selbst auch dabei in Gedanken abschweifend in die Leere gestiert zu haben, bis die Brünette letztlich wieder mit ihrem Gesicht vor meinen auftauchte. Ach ja, wir hatten uns gerade über Tattoos unterhalten. "Über eine Schlange hab ich tatsächlich sowieso schon mal nachgedacht... bei der Maria bin ich ein bisschen zwiegespalten.", gab ich meinen Senf zu dieser Angelegenheit. Letzteres hatte ganz einfach den Ursprung, dass ich nicht religiös war und dementsprechend nicht unbedingt eine Maria auf meinem Körper brauchte. Müsste wenn überhaupt also eine abstrakte Form von jener Persönlichkeit sein. "Außerdem fällt's mir schwer nachzudenken, wenn's überall kribbelt.", wies ich die junge Schönheit mit spielerisch leicht zusammengekniffenen Augen daraufhin, dass das anreizende Gefühl auf meiner Haut schlichtweg kontraproduktiv für aktives Denken war, während sich meine rechte Hand von ihrem Rücken löste und sich stattdessen unter dem lockeren Bund der Hose hindurchstahl, um nach ihrem Hintern zu greifen. Letzteren würde ich zweifelsfrei auch vermissen, wo er doch so herrlich gut in der Hand lang.
Ich musste mich selbst gedanklich gleich mehrfach dazu ermahnen nicht schon wieder in Panik einer Abweisung zu zerfallen, während Faye über meine Frage nachdachte. Es war vorhersehbar gewesen, dass ihr diese Entscheidung sicher nicht leicht fiel und sie dementsprechend auch an dieser Stelle ein wenig Zeit dafür benötigte, sich darüber klar zu werden, was ihr lieber war. Ob das schon zu viel war und sie heute lieber nicht noch einen potenziell weiteren Schritt nach vorne wagen, oder es doch lieber versuchen wollte, weil sie sich dazu fähig fühlte. Das Warten auf jene Antwort fiel mir aber trotzdem nicht besonders leicht und so erinnerte ich mich selbst in Gedanken mehrmals daran, einfach mal innerlich durchzuatmen. Wir waren uns hier gerade schließlich fast surreal nah, wir hatten damit schon etwas durchweg Gutes geschafft und dafür könnten wir uns ruhig beide mal auf die Schulter klopfen. Ganz gleich ob die uns begleitenden Psychologen das hier gerade nun für gut befanden oder nicht konnte ich selbst einfach spüren, dass es das war. Es erleichterte mich Faye wieder bei mir haben zu dürfen und auch von ihr zu hören, dass sie dazu bereit war weiter an meiner Seite zu bleiben und für das, was wir mal gewesen waren, zu kämpfen. Es war unumstritten, dass es wohl nie ganz genauso werden würde wie früher, weil das nach diesem herben Trauma ganz einfach nicht möglich war. Es veränderte Menschen und es veränderte auch unsere Beziehung zueinander, aber das hieß nicht, dass wir uns nicht zu unserer früheren Liebe zurückkämpfen konnten. Eigentlich gab es für mich also gerade absolut gar keinen Grund dafür, mich in die kurze Wartezeit erneut hineinzusteigern. Auch halfen ihre schmalen Finger an meinen eigenen ein bisschen dabei mich weiter in Geduld zu üben und letztlich sollte die erlösende Antwort auch noch kommen. Deshalb bildete sich unweigerlich ein erleichtertes Lächeln auf meinen Lippen, als Faye ihre Stirn an meine lehnte und mir dabei wie so oft von allein die Augen zufielen, während ich parallel dazu auch ihre Finger wieder an meinem Gesicht spüren durfte. Auch den leichten Widerstand, den die Stoppeln an meinem Kiefer hervorriefen, als sie mir dort über die Haut strich und dabei noch ein paar mehr Worte zu ihrer vorherigen Antwort hinzufügte, die meine Mundwinkel noch ein Stück weiter nach oben wandern ließen. Sie wollte nicht nur heute mal ausnahmsweise, sondern sofern es machbar war auch jede der noch folgenden Nächte bei mir verbringen. Das war - neben der Tatsache, dass sie mich nicht verlassen wollte, obwohl wir uns gerade mit absolut Allem schwer taten - eine der besten Neuigkeiten seit langem für mich und wieder löste die junge Frau damit einen kleinen Teil des riesigen Trümmerhaufens auf meiner Brust in Luft aus. Vielleicht war es in den Augen anderer nicht viel, aber für mich war er ein mehr als guter Anfang für mehr Schritte zurück in Richtung einer gesunden Beziehung. "Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr mich das freut.", flüsterte ich zu ihr runter und strich ihr dabei noch ein letztes Mal über die Wange, ehe ich meine Hand sinken ließ und ihr einen weiteren, flüchtigen Kuss auf die Lippen hauchte. Dann löste ich mich so weit von ihr, dass ich sie wieder direkt ansehen und ihr das aufrichtige Lächeln zukommen lassen konnte, das als eines der absolut selten gewordenen Sorte auch meine Augen erreichte. Es folgte noch ein kurzer Kuss auf ihre Stirn, bevor mein Blick zu der Uhr wanderte, die an der Wand neben uns hing. Erst da fiel mir auf, dass gerade ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt war, um halbnackt im Zimmer zu stehen, wenn wir das abendliche Personal nicht in ihrer Routine mit in diesen Moment einbinden wollten. "Aber vielleicht solltest du dir jetzt trotzdem langsam wieder was anziehen, Faye... ist glaub ich nur eine Frage der Zeit, bis die Idioten hier aufkreuzen.", murmelte ich der Brünetten ein paar Worte zu, als ich meinen Blick wieder in ihren legte. Ich wollte lieber eine Erklärung an meine Worte anhängen, um zu vermeiden, dass sie womöglich dachte, dass mir ihr Anblick doch zu unangenehm wurde.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aryana grinste weiter vor sich hin, als er laut darüber nachzudenken begann, woher ihre plötzliche Begeisterung für seine Person denn gekommen sein könnte. "Wer weiss, vielleicht steh' ich einfach auf Streit und ständige Kritik... Vielleicht mag ich Zickereien und Beleidigungen mehr als Frieden und Komplimente", sinnierte sie vor sich hin, als wäre genau das tatsächlich eine Option und hätte sie sich nicht jedes Mal dezent scheisse gefühlt, nachdem er ihr wieder alle Schande an den Kopf geworfen hatte. "Aber ja, könnten natürlich auch die Schultern gewesen sein", schob sie noch nach, zuckte dabei ebenfalls mit ihren eigenen Schultern und strich an seinem Rücken unter dem Shirt über seine Schulterblätter. Seine breiten Schultern und überhaupt sein ganzer Körper waren zweifellos sehr starke Argumente, die definitiv für Mitch und nur für ihn sprachen. Aber sein Aussehen allein konnte auch nicht einziger Ausschlaggeber für all das hier gewesen sein. Sonst hätte sie sich sicherlich viel, viel früher auf ihn eingelassen. Die Sache mit dem neuen Tattoo schien noch etwas Bedenkzeit zu fordern. Jedenfalls kamen sie wohl hier und jetzt auf keinen perfekten Einfall. War aber auch nicht schlimm, da ziemlich sicher kein fähiger Tätowierer in der Nähe sein dürfte und das somit eh ins Wasser fiel. Seine Antwort liess sie trotzdem sofort breit grinsen und ihr Blick fiel nach unten auf seine Lippen. "Ach... ist das so", meinte sie unschuldig auf das Kribbeln bezogen. Sie verschloss seinen Mund ein weiteres Mal mit ihrem, um zwar vielleicht nicht das Kribbeln an seinem Hals zu verstärken, aber zweifellos weiter seine Fähigkeit zu denken zu beeinflussen. "Du brauchst jetzt auch nicht nachzudenken... Dafür hast du wann anders mehr als genug Zeit", hauchte sie an seine Lippen, als sie sich kurz nach dem ersten Kuss nochmal ein paar Millimeter von ihm gelöst hatte. Dann war aber fertig mit Reden und sie teilte stattdessen seine Lippen mit ihrer Zunge, die gleich darauf auf seine traf. Sie wünschte sich so viel mehr als diesen Kuss, so viel mehr als seine Hand auf ihrem Arsch. Beides war gut und beides war schön aber beides war noch lange nicht genug, um ihre Sehnsucht und Lust zu stillen. Sie waren verletzt und sollten eigentlich tunlichst vermeiden, sich mehr als nötig zu bewegen. Aber Aryana würde wochenlang Zeit dafür haben, ihren Körper zu schonen, wenn Mitch nicht mehr da war. Aber ihn würde sie dann nicht mehr haben, weshalb sie nun wirklich alles daran setzte, die Sekunden mit ihm voll auszukosten.
Auch Faye hatte die Augen geschlossen, versuchte so, den Moment und ihre Entscheidung auf sich wirken zu lassen und sich noch einmal bewusst zu werden, dass das die einzig richtige Option gewesen war. Es war der einzige Weg, sich endlich wieder in Richtung Normalität – oder dem, was eben ihre neue Normalität sein würde – zu bewegen. Und das wollte sie. Sie wollte hier raus, mit Victor, mit ihm irgendwo in eine schöne Wohnung ziehen, ohne, dass sich irgendwer darum sorgen musste, dass sie eines Tages beide aus dem Fenster gesprungen waren oder sich die Pulsadern aufgeschnitten hatten. Sie wollte ein selbstständiges Leben mit ihm führen, in dem sie glücklich waren, unabhängig von den zahllosen Pillen, die ihre Gefühle und Emotionen betäubten. Sie wollte wieder arbeiten gehen ohne die ständige Gefahr eines Nervenzusammenbruches oder einer Panikattacke. Und vor allem wollte sie bei Victor sein – nahe bei ihm, so wie jetzt. Sie wollte ihn spüren und lieben, ihn küssen, ohne, dass ihr Kopf dabei so wehtat, ohne, dass er dabei Angst haben musste, sie wieder zu verschrecken. Und darum würde sie bei ihm schlafen. Weil sie sich tief in ihrem Herzen unendlich nach ihm sehnte, egal, was ihr Kopf dazu zu sagen hatte. Berührungen und Zärtlichkeiten waren immer schon ein ziemlich essenzieller Teil ihrer Beziehung gewesen, weil sie beide sehr viel davon brauchten. Und diesen Teil hatte sie nun monatelang unterdrückt. Zuerst, weil sie beide körperlich schlicht zu kaputt gewesen waren für irgendwas, das Bewegung erforderte, und dann, weil ihre Psyche nicht mehr mitgespielt hatte. Aber Faye wollte wirklich, dass das endlich vorbei war. Seine Worte waren Balsam für ihre müde Seele, die sich ohne seine Bestätigung wohl nie ganz sicher geworden wäre, jetzt wirklich das Richtige gesagt zu haben. So aber führte der Klang seiner Stimme auch bei ihr zu einem beständigen Anheben der Mundwinkel, bis schliesslich ein zartes Lächeln ihr Gesicht schmückte. Dieses wurde noch einmal von einem kurzen, liebevollen Kuss unterbrochen, bevor sie sich schliesslich langsam von Victor zu lösen begann, weil er sie auf die nächste Problematik dessen ansprach, eben hier in einer Klinik zu wohnen, in der ihnen ja kaum das Minimum an Privatsphäre in Form eines Badezimmerschlüssel gegönnt wurde. Noch ein Grund mehr endlich von hier weg zu wollen. «Ja… du hast Recht…», seufzte sie vor sich hin, trat einen trägen Schritt rückwärts und fischte dann ziemlich schnell das Top vom Boden. Allerdings entschied sie sich nochmal anders, blickte erneut kurz in Victors Richtung, um sich mit einem «Ich geh’ noch kurz duschen», in Richtung Bad aufzumachen. Allerdings nicht, ohne ihm vorher noch ein kleines Lächeln gezeigt zu haben. Es war vielleicht nicht viel, in Anbetracht dessen, dass sie früher sehr oft gelacht und noch viel öfter gelächelt hatte. Aber wie alles an diesem Tag so war auch das eben ein Anfang, ein Schritt in die richtige Richtung. Faye blieb nicht lange im Bad und hatte auch definitiv keine Kraft, Nerven oder Motivation mehr, sich mit ihrem Spiegelbild auseinanderzusetzen, weshalb es diesmal auch ausschliesslich bei der kurzen Dusche blieb, bevor sie sich in einem weiten Shirt und einer Jogginghose zurück ins Zimmer begab. Zweifellos ihr Lieblingsoutfit im Moment, aber sie hatte ja auch wenig Gründe, jetzt noch was anderes anzuziehen. Ausserdem war ihr hier sowieso immer kalt, sobald sie weniger Kleidung am Körper trug. «Ich freue mich wirklich darauf, wenn keiner mehr jeden Morgen, Mittag und Abend an unsere Tür klopft, Victor…», murmelte sie vor sich hin, während sie zum Fenster ging, um die Storen nach unten zu kurbeln. Die mussten nämlich immer unten sein, jede Nacht. Und die Fenster zu, und die Tür abgeschlossen. Auch wenn sie selbstverständlich von aussen mit einem entsprechenden Schlüssel trotzdem geöffnet werden konnte. Sie waren hier immerhin in einer Klapse.
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Ein bisschen musste ich in mich hineinlachen, als Aryana ihre angeblichen Vorlieben preisgab und konnte nicht anders, als dabei den Blick zu senken und ganz leicht den Kopf zu schütteln. Wenn das so wäre, dann sollte sie lieber schleunigst wieder damit anfangen mich unnötig und ganz bewusst zu provozieren, damit ich ihr gegenüber mal wieder aus der Haut fuhr. Dabei bräuchte es inzwischen wahrscheinlich aber wirklich viel dafür, weil das einfach so gar nicht mehr das war, wonach mir in ihrer Anwesenheit beliebte. Ganz gleich wie oft - und teilweise gern - ich mich damals mit der Brünetten gestritten hatte, war es jetzt doch nur noch die Harmonie mit ihr nach der ich strebte. Ich hatte viel zu lange gar nichts davon in meinem Leben verspürt und es schien fast so, als wollte mein Inneres das Kontingent jetzt nachträglich noch auffüllen in der stillen Hoffnung, dass mich das fortwährend immer mehr zu einem besseren Menschen machte. Dass Aryanas Liebe zu mir vielleicht zumindest noch ein paar mehr der Narben auf meiner Seele versiegeln konnte, auch wenn einige davon sicher für immer bleiben würden. "Dafür benimmst du dich aber schon viel zu lang wie ein Engel.", sprach ich ganz unverblümt das eigentlich Offensichtliche aus, grinste nach wie vor so ein bisschen vor mich hin. Es war schlicht eine halbe Ewigkeit her, dass wir beide uns mal wegen Lappalien in die Haare gekriegt hatten, über die es sich eigentlich nicht einmal zu streiten lohnte. Selbst dann, wenn wir mal nicht einer Meinung waren, was hier und da durchaus weiterhin vorkam, dann kreideten wir das dem jeweils anderen ganz einfach nicht mehr an, so wie wir das früher immer getan hatten. Mit dem Engel war es dann auf meine Aussage bezüglich des Kribbelns hin ziemlich schnell vorbei, schien es doch gänzlich so, als sollte ich mir erst irgendwann später über ein Tattoo Gedanken machen, dass mit Aryana in Verbindung stand. Stattdessen schien die Brünette eine reibungslose Genesung hinten anstellen zu wollen, war ihre Antwort doch ziemlich eindeutig. Wurde gleich noch einmal von dem folgenden Kuss untermalt, bei dem ich bereitwillig meine Lippen für sie öffnete und ihre Zunge kurz darauf schon mit meiner zu umspielen. Mir war schon klar, dass das im Grunde gar keine gute Idee war, weil unabhängig unserer Verletzungen nach wie vor der Bulle vor der Tür stand und wir es mit dem leise sein eher nicht so hatten. Trotzdem ließ sich das dank des innigen Kusses allzu leicht ausblenden und ich drückte ihren Körper mit der an ihrem unteren Rücken verbliebenen Hand schon bald enger an meinen. Zwar war der dadurch ausgelöste Druck auf der Narben an der Brust etwas unangenehm, aber das war wirklich zu verschmerzen, während ich die Brünette fortwährend in leidenschaftlicher werdende Küsse einband. Vermutlich war es auch gleich wieder doppelt riskant, wenn wir uns hier auszogen und sich tatsächlich der Schlüssel im Türschloss drehen sollte, aber so oder so gäbe es wohl kaum eine Möglichkeit sich rechtzeitig wieder voneinander zu distanzieren. Natürlich würde nackt sein das Bild jetzt nicht unbedingt besser machen, sollten wir unterbrochen werden, aber wenn es irgendwie anders ging, dann waren halbe Sachen einfach scheiße - erst recht unter den aktuellen, absolut beschissenen Umständen. Also bewegten sich meine beiden Hände schon bald wieder und legten sich an den Saum ihres Oberteils, waren drauf und dran das Stück Stoff loszuwerden. Allerdings war ich dabei wohl weit vorsichtiger, als es normalerweise der Fall war. Kam schon vor, dass ich der attraktiven Frau die Armyklamotten ziemlich ruckartig förmlich vom Körper gerissen hatte, aber ich wollte Aryana jetzt nicht mehr weh tun, als es unvermeidlich war. Schließlich hatte sie noch immer die Verletzung am Oberarm, weshalb das Loswerden des Shirts zwangsweise etwas länger dauerte als normalerweise. Die nackte Haut, die ich danach an meinem Oberkörper spüren konnte, war das jedoch allemal wert.
Ich fing unweigerlich gleich wieder damit an Fayes Nähe zu vermissen, als sie sich dann endgültig von mir löste. Natürlich hatte ich das mit meinen Worten selbst so eingeleitet, aber das hieß eben nicht, dass mir die Folgen meiner eigenen Sätze jetzt auch gefielen. Trotzdem wusste ich ausnahmsweise mit ziemlicher Sicherheit, dass die Brünette schon bald wieder nah bei mir sein würde und dementsprechend konnte ich das schwache Lächeln, das sie mir kurz nach der knappen Info, dass sie kurz im Badezimmer abtauchen würde, noch zukommen ließ, mit einem schwachen Nicken erwidern. Ich sah ihr im Anschluss daran noch nach, bis sie tatsächlich wieder hinter der ans Bad grenzenden Tür verschwunden war und war aber auch dann noch alles in allem ein bisschen zerstreut. Raufte mir tief durchatmend die etwas zu lang gewordenen Haare, die nach dem nächsten Frisörbesuch verlangten. Momentan hatte ich wohl wirklich größere Sorgen als eine makellose Frisur oder ein ganz allgemein perfektes Auftreten, das ich aktuell schlicht nicht mitbrachte. Die kaputte Psyche hatte schließlich nicht nur bei Fayes Körper Spuren hinterlassen und ich hatte ewig nicht mehr trainiert. Ich konnte mich schlichtweg noch immer nicht dazu motivieren, weil Schlafmangel nicht gerade zu einem hohen Energielevel beitrug und ich allgemein einfach so gar keine Lust dazu aufbringen konnte, obwohl es so lange ein Ventil für meinen ewig angeknacksten Schädel war. Ich auch wusste, dass das relativ zuverlässig bis zu einem gewissen Grad gut funktionierte, aber wenn man erstmal tief genug im Loch saß, dann kroch es sich selbst fürs Training nur sehr schwer wieder raus. Auch die Psychologen rieten mir immer wieder dazu, weil ich dadurch den Kopf frei kriegen könnte, aber die änderten mit ihrem Gefasel ja ganz allgemein nicht wirklich viel an meinem Zustand. Würde also sicher noch eine Weile dauern, bis sich meine Finger um ein paar Hanteln legten oder sich meine Füße aufs Laufband stellten. Ich nutzte die kurze Zeit allein dazu die Klamotten, die ich den Tag über getragen hatte, loszuwerden und sie gegen etwas bequemes einzutauschen, das auch zum Schlafen gehen taugte. Normalerweise bevorzugte ich es so gut wie nichts anzuhaben, wenn ich unter der Decke lag, aber die Tatsache, dass mein Körper nach wie vor auf Sparflamme lief, ließ mich häufig mal frösteln. Vermutlich war das auch für Faye später angenehmer, wenn ich statt nur Boxershorts doch ein bisschen mehr Stoff am Körper trug, da schlug ich lieber gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Also warf ich mich in ein einfarbiges Shirt mit recht dünnem Stoff, sowie eine kurze Jogginghose, die mir grade so bis zu den Knien ging. Ich glaubte nicht, dass es mehr brauchte, wenn die Brünette wieder ein bisschen mehr Wärme in mein Bett mitbrachte. Allein dieser Gedanke ließ mich unwillkürlich ein weiteres Mal schwach lächeln, als ich den Schrank wieder schloss und wenig später auch die zierliche, junge Frau aus dem Badezimmer kam. Ihren folgenden Worten konnte ich gänzlich beipflichten, nickte mit einem leisen Seufzen. Nervig war halt schon gar kein Ausdruck mehr für die Kontrollsucht der Verantwortlichen. "Ja, kannst du laut sagen..", ließ ich sie auch noch wörtlich wissen, dass ich was das anbelangte ganz bei ihr war. Dann verzog ich mich selbst auch einmal kurz ins Badezimmer, um mir die von den getrockneten Tränen leicht spannende Haut im Gesicht zu waschen und allgemein schon mal der abendlichen Routine nachzukommen. Die Dusche kam morgen früh, weil ich mir dann - nach dem Aushändigen des Rasierers, versteht sich - sowieso den Bart stutzen musste. Sollte mich nicht meine Blase dazu zwingen, würde ich nach diesem durchweg anstrengenden, aufwühlenden Tag wohl nicht mehr mehr Schritte machen, als unbedingt notwendig war. Psychische Anstrengung war kräftezehrender als jedes körperliche Training und dementsprechend kroch die Ermüdung auch so langsam in meine Glieder, als ich noch einen flüchtigen Blick in den Spiegel warf und dann das Bad verließ. Just in dem Moment schwang auch die Tür zum Flur nach einem Klopfen auf, woraufhin einer der Pfleger sich nach unserem Wohlergehen erkundete. Während ich mich langsamen Schrittes zum Bett schleppte bot er uns sogar noch an Reste vom Mittagessen vorbeizubringen, weil wir durch den Ausflug die regulären Essenszeiten in der Kantine verpasst hatten, aber ich schüttelte daraufhin recht entschieden den Kopf. Ich hatte keinen Hunger und morgen früh gab's auch wieder Frühstück, also kein Bedarf. Dementsprechend verkroch ich mich weitgehend wortlos ins Bett, machte es mir nach all der Aufregung einfach bequem, während er das Zimmer grob durchcheckte.
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