Zum Teufel, er sollte doch einfach verrecken mit seinem ganzen dämlichen Rattenvolk. Aryana beobachtete das folgende Schauspiel mit zusammengekniffenen Augen und wachsender Genugtuung, wenn auch weiterhin äusserst vorsichtig. Sie waren hier nicht an einem Ort, an dem sie sich auch nur das kleinste Bisschen Unachtsamkeit erlauben konnten. Nicht, solange sie von Terroristen umgeben waren, in einem Camp, das heute eigentlich zu ihrem Gefängnis und irgendwann später wohl zu ihrem Grab hätte werden sollen. Aber die Situation wandelte sich ganz zu ihrem Vorteil, einem sehr wackeligen und unsicheren Plan folgend, langsam zum Guten. Jedenfalls schien Temiz dingfest gemacht zu sein, sobald Mitch ihm sein eigenes Messer an die Kehle drückte. Aryana wäre es ja auch recht gewesen, wenn er die Klinge direkt durch die Haut gezogen hätte. Aber eben - dann war er tot und sie ziemlich bald ebenfalls. Also nein, schlechter Plan, mussten sie erstmal noch ein Bisschen zuwarten. Warten lag nur nicht im Sinn der jungen Brünetten, die nun flüchtig den Blick auf den schmerzenden Haufen, welcher ihr Bein ausmachte, sinken liess. Die Wunde war tief, noch tiefer als die an ihrem Arm. Und die tropfte auch schon munter vor sich hin. Sie müsste beides dringend abbinden, um wenigstens den Blutverlust zu stoppen, bevor sie hier innerhalb weniger Minuten ihre eigene Bewusstlosigkeit feiern konnte. Nur hatte sie nichts da, ausser dem Shirt an ihrem Körper. Aber das reichte nicht mal dann für zwei Wunden, wenn sie es komplett auszog. Also wartete sie erstmal, bis die beiden Wachmänner losgezogen waren, um ihren Lieutenant aus seinem Büro zu holen. Es dauerte seine Zeit, bis Ragan und schliesslich auch Harshall, den Aryana sehnlichst erwartet hatte, bei ihnen angekommen waren. Er humpelte zwar stark, hatte wohl ebenfalls was am rechten Bein eingefangen, aber noch lebten sie alle. Was sich aber sehr bald ändern konnte, je nach dem, wie sich die Situation hier entwickelte. "Sag ihnen, sie sollen uns ihre Gewehre geben", sprach die Brünette in Mitchs Richtung, weil sie davon ausging, dass keiner sonst die Sprache der beiden Wachmänner sprach. Aber Ragan kam ihm schon zuvor, tischte mit einem bestimmten Knurren sein bestes Arabisch auf und deutete dabei bedeutungsvoll in Richtung Temiz. Die Männer standen höchst unentschlossen rum, blickten zu Temiz, als wäre der in der Lage, sie mit einem schlauen Rat zu versorgen. Und Aryana ging das alles definitiv nicht schnell genug. Sie wusste, dass die Nachfolger des IS grundsätzlich sehr suizidal veranlagt waren, weil sie zu viele Stufen der Gehirnwäsche durchlebt hatten. Sie konnte nur hoffen, dass Temiz nicht irgendwann plötzlich trotz seines Grössenwahnsinns und seinem Egoismus beschloss, sich zu opfern und sie alle damit zwangsläufig mit in den Tod zu reissen. Aber gerade war es noch nicht so weit und nach viel zu langen Sekunden händigten die beiden tatsächlich ihre Gewehre an Ragan und Aryana aus, nur um dann aber rasch die Kehrtwende zu machen, um sich neu zu bewaffnen. Sie wäre mit einer Pistole gerade ziemlich sicher besser bedient gewesen, als mit dem schweren Gewehr, aber Wünsche brauchte man an diesem Tag wohl keine zu äussern. Und sie sollten langsam aber sicher ihren Platz in der Mitte dieses Camps verlassen, denn noch immer standen viel zu viele dieser Maden um sie herum, richteten ihre Waffen auf sie oder schauten nur dumm. Sie konnten nicht riskieren, dass einer von denen einer Kurzschlussaktion zum Opfer fiel und sie alle zusammen in die Luft sprengte... Oder was wusste sie schon. "Wir sollten zu den Autos. Da hats Verbandszeug", redete Ragan, der sich die Lage mittlerweile wohl gut genug eingeprägt hatte, in ihre Richtung. Und Verbandszeug klang wirklich gut, denn das Blut plätscherte nun schon minutenlang aus den beiden Wunden, egal, wie sehr sie ihre Hand auf ihren Arm presste. Sie müsste lügen, zu behaupten, dass ihr nicht längst etwas schummrig wäre. So setzten sie sich nach einem kurzen, allseitigen Nicken in Bewegung, Aryana gab das Gewehr schon nach wenigen Schritten an Harshall weiter. Der humpelte zwar auch, aber im Gegensatz zu ihr blutete er immerhin nicht und sein Bein schien mittlerweile auch nicht fast gänzlich steif geworden zu sein, wie das bei ihr der Fall war. Sie liess sich sogar von Ragan stützen, damit sie schneller voran kamen, auch wenn sie dabei innerlich so ziemlich jeden erdenklichen Fluch über Temiz regnen liess, von denen zwischendurch auch einer zischend über ihre Lippen glitt. Es war zu erwarten gewesen, dass sie nicht einfach so mit blossen Händen gegen einen voll bewaffneten Syrer kämpfen konnten, ohne irgendwelche Schäden davon zu tragen - sie hatte nur gehofft, dass es nicht so kam. Endlich bei den Autos angekommen, deren Stellplatz glücklicherweise unweit ihrer kleinen Arena war, setzte die Brünette sich erstmal hin, damit Harshall mit dem Verbandskasten aus dem ersten Wagen behelfsmässig ihre beiden Wunden abbinden konnte. Sie fühlte sich verdammt müde und ihr war schwindlig, aber Aryana zwang sich dazu, die Augen offen zu halten, sich möglichst wenig anmerken zu lassen und dabei sorgfältig die Umgebung zu beobachten. Denn noch immer waren sie umzingelt von syrischen Soldaten, die ihnen bis hierher gefolgt waren - offenbar noch immer ohne wirklichen Plan, wie es weitergehen sollte, aber sie waren trotzdem da. Mitch hatte zwar eine Geisel, aber theoretisch, wenn es hart auf hart kam, konnte das nicht alle Vier von ihnen retten. Wenn einer auf Harshall, Ragan oder auch Aryana schoss, konnte Mitch Temiz ja trotzdem nicht töten, weil die Verbliebenen dann keinen Schutz mehr hätten. Also konnten sie wirklich nur darauf hoffen, dass ihre Freunde auf der anderen Seite der Mauer sich beeilten und dass sie diesmal erfolgreicher waren, als noch vor wenigen Stunden. Fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Sie mussten irgendwas tun, damit hier keiner auf die Idee kam, den Spiess umzudrehen und am Ende doch wieder sie als Lebensversicherung zu brauchen, um hier weg zu kommen. Aber Aryana konnte so schlecht denken und sie war so müde.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Glücklicherweise brachten die Arschlöcher uns wirklich den Lieutenant und nicht nur seinen Kopf. Waren dumm genug sich dem und auch der noch folgenden Waffenforderung seitens Ragan zu stellen, was ich nur begrüßen konnte. Zwar war ich mir fast sicher, dass ein paar Maschinengewehre uns kaum einfach so das Leben retten würden, aber es gab uns unter Umständen ein wenig Zeit. Mit Glück. Sehr viel Glück, falls unser Konto dahingehend nicht schon langsam aufgebraucht war. Also ging es weiter zu den Fahrzeugen und sehr zu meinem Missfallen wurden Temiz' Schritte dabei immer unkoordinierter und schwerfälliger. Denn Aryana war nicht die Einzige hier, die eine unschöne Blutspur hinter sich her schleifte und der Kopf der syrischen Truppe wurde augenscheinlich langsam schwächer, obwohl ich ihm immer wieder kurzzeitig Lockerung am Hals verschaffte, damit er nach Luft schnappen konnte wie ein angespülter, schon halbtoter Fisch. Ich war zwar froh darum, dass er sehr sicher bald tot war, aber er sollte damit gefälligst noch ein paar Minuten warten. Während Harshall dabei war sich um die Schnittverletzungen der Brünetten zu kümmern wendete ich mich an Ragan. Stellte mich neben ihn, um nicht laut reden zu müssen. "In dem Wagen da abseits müssten noch ein paar Granaten sein.", wies ich den Lieutenant mit einem Nicken in jene Richtung indirekt darauf hin, dass wir vorhin mit dem Ausladen des Wagens von der Patrouille nicht bis zum Ende gekommen waren. Es waren nur etwa zwanzig Meter bis zu jenem Fahrzeug und wir sollten jedes erdenkliche Mittel nutzen, um uns bei der Flucht möglichst viele der Termiten vom Hals zu halten. Er wägte das Risiko nur einen kurzen Moment lang ab, bevor er sich mit möglichst viel Abstand zu den umstehenden Soldaten in Richtung des anderen Fahrzeugs bewegte, um nach jenem ausgepolsterten Koffer Ausschau zu halten. Mein Blick schweifte, als Ragan sehr bedacht bereits mit den Sprengkörpern auf dem Rückweg war, kurz zur Eingangsmauer des Camps, weil es dort jetzt merklich lauter wurde. Unsere Landsmänner augenscheinlich einen der gepanzerten Geschützwagen aufgefahren hatten und damit jetzt doch einige der Männer von den vorderen beiden Türmen pusteten. Auch den einen oder anderen niedermähten, der sich nahe des kaputten Tors am Boden positioniert hatte. Der Einzige in meiner Nähe, der das nicht gutzuheißen schien, war sicher Temiz. Denn kaum hatte Ragan sich mit noch immer nach draußen gerichtetem Gewehr auf den Fahrersitz bewegt und nach dem an der Armatur befestigten Funkgerät für Kontakt nach außen gegriffen, startete der Syrer in einen letzten, verzweifelten Versuch Irgendwas zu bewirken. Ließ mit seiner unverletzten Hand von seinem kaputten Arm ab und griff stattdessen nach einem der letzten, verbleibenden Messer an seinem Gürtel. Bis ich darauf reagieren konnte war schon gut eine Sekunde verstrichen, weil mein Blick noch auf den umstehenden Islamisten geruht hatte. Auch, dass ich reflexartig stark am Gürtel zog hielt das Arschloch nicht mehr davon ab alles andere als wirklich gezielt, aber mit Schwung nach hinten auszuholen und mir damit einen seitlichen Schnitt am Oberschenkel zu verpassen. Durch den einsetzenden starken Schmerz ließ ich die Schlinge kurzzeitig zu locker und kam durch seine relativ ruckartige Bewegung parallel etwas aus dem Gleichgewicht, was Temiz prompt nutzte, um noch ein paar laute, kratzige Worte loszuwerden. Seinen Männern so knapp wie möglich zuzuschreien, dass sie uns einfach allesamt - wohl inklusive ihm selbst - kalt machen sollten, bevor ich ihn bei seiner darauffolgenden Lobeshymne auf seinen Gott wieder richtig zu packen bekam und unterbrach. Das Messer in meiner Hand hatte sich durch seine eigene Bewegung zuvor ein Stück tiefer in seinen Hals geschnitten, weshalb er auch wenn die Kehle nicht durch war, sicher recht bald verbluten würde. Aber das schien unser geringstes Problem zu sein, wo kurz darauf wohl einer von Temiz' höher gestellten Soldaten das Wort ergriff und danach sofort erste Kugeln in unsere Richtung flogen. Das war der Zeitpunkt, an dem ich einfach nur froh war, dass zumindest der Rest der Mannschaft - vor allem Aryana - bereits im Inneren des Wagens saß und ich selbst das Fahrzeug am wieder geschlossenen Kofferraum im Rücken hatte. Es dauerte nicht lang bis die ersten Kugeln den Körper des Islamisten vor mir durchsiebten und ihm endgültig das Licht ausknipsten. Ich beeilte mich damit ihn vor mir als menschliches Schild her zu schieben, was dank seiner eigenen schusssicheren Weste ganz gut funktionierte, während ich mich mit dem viel zu schweren, leblosen Körper zur Beifahrertür schleppte und Ragan sich auf dem Fahrersitz duckte, um der äußeren Truppe mitzuteilen, dass wir jetzt versuchen würden nach draußen zu gelangen und sie zumindest das Tor nicht mehr beschießen sollten. Harshall war bereits dabei das Feuer zu erwidern und mir damit auf dieser Seite des Wagens so gut es ging Deckung zu verleihen, als ich Temiz' im Schutz der Beifahrertür fallen ließ und so schnell es ging mit dem blutenden Bein auf den Sitz sprang, um mich dort sofort nach dem Zuziehen der Tür mit dem Schädel in den Fußraum zu ducken. Ragan reichte mir indessen sein Gewehr und fuhr los, bevor ich nach dem Koffer mit den Granaten im Fußraum griff, nur um ihn Aryana nach hinten zu reichen. Einen Arm hatte sie noch zum Werfen und mit dem anderen, abgebundenen wäre es ihr kaum möglich noch eine Schusswaffe in dieser Größenordnung zu bedienen. Ich richtete den Lauf des Gewehrs also aus dem Fenster, versuchte mich dabei hinter der seitlichen Strebe des Fahrzeugs so gut es ging bedeckt zu halten und während der Arzt hinter mir die Seite beschoss richtete ich den Lauf eher ein wenig nach vorne, um die Soldaten in Beschuss zu nehmen, die sich auf dem Weg zum Tor befanden. Allerdings ging das so nicht besonders lange gut und ich kassierte einen Streifschuss am äußeren Unterarm, der mich vor Schmerz aufstöhnend das Gesicht verziehen und tiefer zurück in den Sitz rutschen ließ.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Die Brünette bekam für einen Moment nicht besonders viel von dem mit, was Mitch und Ragan trieben. Sie hörte den Lärm der Schlacht jenseits der Mauer, spürte Harshalls Hände, die zuerst ihren Arm und dann ihr Bein mit Desinfektionsmittel und einem Druckverband versorgten. Es tat weh - aber mittlerweile tat ihr sowieso alles irgendwie weh und sie fühlte sich schwer und träge. Sie schaute sich kurz in dem Wagen um, aber da war kein Wasser, mit dem sie ihren trockenen, kratzigen Hals hätte beruhigen können. Also blieb sie einfach sitzen, bis Harshall fertig war. Und das war ziemlich genau der Moment, in dem es mit der vorübergehenden Ruhe in ihren Reihen vorbei war, sie den Tumult vernahm, der zweifelsfrei von Mitch und Temiz ausging. Sofort wurde die Brünette wieder wacher, richtete sich in ihrem Sitz auf, um alarmiert mit den Augen nach ihrem Freund zu suchen. Temiz schrie und wurde lauter und lallte irgendeine Scheisse vor sich hin, kurz bevor das Feuer eröffnet wurde und plötzlich von überall her Kugeln in ihre Richtung flogen. Da war er endlich - der erwartete Sterbenswille, den alle Islamisten irgendwo in sich trugen und der hervorbrach, sobald sie die Chance sahen, ein paar Ungläubige mit in den Tod zu reissen. In diesem Fall Mitch, Harshall, Ragan und Aryana. Verdammtes Arschloch! Sie duckte sich hinter ihrer Tür, hörte ihr müdes Herz nervös das verbliebene Blut durch ihre Adern pumpen und betete nur, dass Mitch es noch ins Auto schaffte. Lebend, in einem Stück. Warum war er der Letzte?? Ragan redete energisch auf das Funkgerät ein, wartete ein paar bange Sekunden, bis eine erleichterte Stimme bestätigte, dass sie draussen gehört wurden. Und dann ging endlich die Beifahrertür auf und Mitch schlüpfte hinein. Aryana stiess erleichtert Luft aus und malte das erste Kreuz an die Decke, als Ragan losfuhr. Auch den Koffer mit den Granaten nahm sie etwas zu mühsam entgegen, richtete den Blick danach konzentriert nach draussen um möglichst wenig in ihrem leicht verschwommenen Sichtfeld zu verpassen. Sie kamen langsam voran, hatten mit tausend Hindernissen zu kämpfen. Islamisten, Dingen, die Islamisten in den Weg stellten, Kugeln, Chaos. Aber in all dem Lärm hörte Aryana trotzdem den schmerzerfüllten Laut von vorne und ihr Blick zuckte zu Mitch, der wohl soeben aus der dritten Wunde zu bluten begonnen hatte und ihre Sorge um ihr trotz allem noch weiter steigen liess. Es war noch ein weiter Weg bis draussen und mit jedem Meter wurde das Unterfangen beschwerlicher und ihre Energiereserven überschaubarer. Ragan hatte alle Hände voll zu tun mit Funken und Lenken, aber die Schüsse zielten auch auf ihn ab. Ewig würde der Wagen die Kugeln nicht abwehren können, denn schon jetzt zeigten die Scheiben Risse. Aryana öffnete den Koffer, zählte die verbliebenen Granaten. Sechs der zehn Einbuchtungen waren leer. Also blieben vier Granaten. Bis nach draussen. Sonst hatte sie keine Waffe und auch Mitch und Harshall waren nicht unbedingt endlos bestückt, was Munition anging. Ihre Gegner schienen weiterhin zahllos über den Sand zu eilen wie lästige Ameisen und das Tor fühlte sich an wie eine Ewigkeit entfernt. Ihr Herz wurde genauso schwer wie ihre Augenlider und das Dröhnen in ihrem Kopf unerträglich. Sie blickte nach draussen, wo sich die führerlosen Islamisten langsam wieder zu Formieren begannen unter dem Kommando des nächsten Schweines. Eine ganze Traube der vermummten Kämpfer begann damit, weiter vorne die Strasse zum Tor zu blockieren, mit allem, was sie finden konnten und vor allem mit sich selbst. "Fahr so nahe du kannst... Dann dreh leicht ab, damit ich besser werfen kann", bat Aryana Ragan, der kurz nickte und bestätigte, ehe er genau das tat. Besonders nahe kam er nicht heran und die Schüsse, die in ihre Richtung regneten, nahmen noch zahllosere Ausmasse an. Und trotzdem duckte Aryana sich hinter ihrer Tür und öffnete das malträtierte Fenster, liess sich keine Sekunde länger Zeit als nötig, bevor die erste Granate aus ihrer rechten Hand in Richtung der kleinen, dämlichen Strassensperre geworfen wurde. Der Knall war wie immer ohrenbetäubend - aber dann war es für einen kurzen Moment zumindest von dieser Seite aus still. Ragan wartete auch gar nicht länger als unbedingt nötig, bevor er das Gas wieder betätigte, den nächsten nun freigeräumten Abschnitt des eigentlich gar nicht so langen Weges in Angriff nahm. Er führte den Geländewagen am neu geschaffenen Schlagloch vorbei weiter, aber die Ruhe, die ihnen gegönnt wurde, war leider sehr kurzlebig. Plötzlich nahmen zwei weitere Autos der Army die Verfolgung auf, eindeutig besetzt mit Islamisten, denn das Erste - welches sie dank der hinter ihnen sehr freien Strasse in kürzester Zeit eingeholt hatte - begann skrupellos damit, ihr Heck rammen. Harshall, der mittlerweile auch mindestens zwei Kugeln abbekommen hatte, wurde durch den Ruck gegen den Vordersitz geschleudert und Aryana konnte nur knapp verhindern, dass der Koffer mit den Granaten direkt eine Flugstunde nach vorne nahm. Stattdessen griff sie nach einem weiteren der drei verbleibenden Sprengkörpern, öffnete mit einem "auf Drei gibst du richtig viel Gas", in Ragans Richtung erneut das Fenster, um die Granate möglichst kraftvoll nach hinten zu werfen. Den ersten Verfolger wurden sie damit los, aber der endlose, unfaire Kampf war noch kaum vorbei. Denn die Umzingelung ihres Wagens wurde immer dichter. Und die einzige logische Schlussfolgerung, die Aryana dazu einfiel, dass sie nicht schon längst in die Luft gesprengt worden waren, war, dass sie sie nun doch noch nicht töten wollten. Vielleicht, weil einer der Idioten gemerkt hatte, dass sie nützlich sein konnten. Quasi der Spiegeltrick zu dem, was Mitch mit Temiz getan hatte. Solange sie lebten, würden ihre Landsmänner da draussen dieses Camp nämlich nicht in die Luft sprengen. Dafür taten die Syrer alles, damit dieses Fahrzeug niemals das Tor erreichte. Und die Scheibe neben Aryanas Kopf ging unter weiteren Kugeln endgültig zu Bruch, hinterliess nichts als Scherben und noch viel mehr Angriffsfläche. Kugeln, die an ihr vorbei flogen und Glas, das sich in ihre Haut bohrte. Und noch mehr Blut und Schmerz und endlos schwere Glieder.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Mir blieb nichts anderes übrig als erstmal ein paar sehr tiefe Atemzüge zu nehmen, als sich der brennende Schmerz in meinem gesamten Arm auszubreiten und mich zu malträtieren begann. Es war denkbar ungünstig, dass sie auch noch ausgerechnet den rechten Arm hatten treffen müssen, der für gewöhnlich um die Waffe herum und mit dem Finger am Abzug lag. Die Führhand zu wechseln kam aber gar nicht in Frage, weil ich dann ohnehin Nichts treffen würde, also blieb mir nichts Anderes übrig als mir die Wunde nur einen Moment lang zu besehen und den Schmerz dann runter zu schlucken. Gleiches galt auch für das vor sich hin blutende Bein, das von der ruckartigen Bewegung gerade entsprechend wenig begeistert gewesen war, aber es half ja nichts. Also hob ich das Gewehr ein weiteres Mal ins Fenster an, kurz bevor Aryana die Granate aus dem Fenster schmiss und uns damit kurzzeitig den Weg frei machte. Zumindest für eine kurze Zeit lang hatten wir sowas wie freie Fahrt, bevor das nächste Unheil angerollt kam. Dieses Mal mit voller Wucht von hinten, was mich nach vorne fallen und hart auf der Armatur abprallen ließ, was mir sicher den einen oder anderen blauen Fleck bescheren würde. Mir auch kurzzeitig ein wenig das Atmen erschwerte, weil es meinen Brustkorb getroffen hatte, aber um schon wieder nach Atem zu ringen war hier und jetzt einfach keine Zeit. Ich hatte noch immer ein leises Piepen von der vorherigen Explosion in den Ohren und das nicht weniger ohrenbetäubende Rammen von allen Seiten - nicht zu vergessen auch die zweite explodierende Granate - machte es mir wirklich schwer überhaupt noch Irgendwas zu treffen. Einen der Wagen auf meiner Seite bekam ich gestoppt, weil ich die Scheibe auf der Fahrerseite mit den Kugeln des Gewehrs knackte und kurz darauf den Fahrer erwischte, woraufhin das Fahrzeug ziemlich unkontrolliert nach außen weg schwenkte. Dabei auch einen anderen Wagen noch vom Kurs abbrachte, aber dann war das Ende der Fahnenstange erreicht. Mein Magazin war leer und in Harshalls dürfte auch nicht mehr viel drin sein, wobei er mittlerweile zu schießen aufgehört hatte. Sich unter Schmerzen auf dem Rücksitz wandte, immer wieder leise aufstöhnte. War ihm nicht zu verdenken, er hatte in seiner Laufbahn bei der Army vielleicht noch nie vorher eine Kugel gefangen, weil er normalerweise an der Front Nichts zu suchen hatte und ich erinnerte mich selbst noch sehr gut an meine eigene, erste Schussverletzung. Eine schreckliche Premiere, die man erst einmal verkraften musste. Ich angelte mir möglichst geduckt bleibend trotzdem seine Waffe, die er mir mit dem unverletzten Arm zitternd nach vorne hielt, als ich mich zu ihm umdrehte. Die Windschutzscheibe zerschellte im gleichen Augenblick und ich war heilfroh darüber, dass die Scherben mir überwiegend nur auf den Rücken fielen und von dort aus zu Boden, dort spürbar höchstens kleinere stecken blieben. Ein paar stachen sich trotzdem von hinten in den rechten Oberarm, als ich ihn mitsamt Harshalls Waffe zurückzog. Dann warf ich einen prüfenden Blick zu Ragan, für den die Sache weniger gut ausgegangen war. Ihm steckten mehrere Splitter im Oberkörper, in den Schultern und auch ein kleinerer in der Wange, den der Lieutenant herauszog und dabei kurzzeitig das Lenkrad mit der anderen Hand verriss. Einen der Wagen auf der Fahrerseite damit rammte, danach aber wieder zurück auf Kurs kam. Es war ihm anzusehen, dass er unfassbare Schmerzen erlitt, aber er drückte das Gaspedal wieder durch und wir kamen dem Tor näher. Als ich das Gewehr dann geduckt nach vorne auf die Armatur legte sah ich, wie einige der syrischen Soldaten versuchten die eine Hälfte des gefallenen, verbeulten, stählernen Tores vor den Ausgang zu schieben. Da dagegen zu fahren würde uns vermutlich allesamt umbringen, weshalb ich sofort Alles daran setzte mit dem bisschen verbleibender Munition zumindest ein paar der Arschlöcher außer Gefecht zu setzen, um ihr Vorhaben zu verlangsamen. Dann war nur leider auch das letzte, verbleibende Magazin leer und ich hörte das leere Klicken des Abzugs, dicht gefolgt von lautem Fluchen meinerseits.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Die ganze Situation wäre selbst dann unübersichtlich und überfordernd für die junge Frau gewesen, wenn sie voll bei Kräften und ganz konzentriert von aussen zugeschaut hätte. So aber, wie sie hier in dem Rücksitz hing, mit zwei mittlerweile schon wieder durchgebluteten Verbänden, unzähligen Scherben im Körper, hämmernden Kopfschmerzen, dem unterschwelligen Dröhnen des ganzen Lärms, schweren Lidern und kaum mehr in der Lage, überhaupt auch nur den Arm zu heben, entglitt ihr jeglicher Überblick vollkommen. Es war einfach nur noch anstrengend, sich überhaupt weiterhin an ihr Bewusstsein zu klammern und nicht einzuschlafen und vor den Schmerzen ins erlösende schwarze Nichts zu fliehen. Die Kugeln schlugen überall ein, zischten an ihr vorbei oder blieben irgendwo stecken. Ihr linker, dem Fenster zugewandte Arm fing noch zwei Bleigeschosse auf, was sie aber kaum mehr realisierte, nur noch kurz zusammenzuckte. Ragan versuchte, die Wagen vorwärts zu bringen, aber besonders lange ging das auch nicht mehr gut. Es war kurz vor den Überresten des Tores, als der Wagen zum Stehen kam. Eine der Maden hatte sich offenbar erfolgreich durch das Gummi des Vorderrades gefressen, was mit einem lauten Knall das Ende der Ausfahrt bedeutete. Sofort war das gesamte Auto eng umstellt und bevor einer von ihnen daran hätte denken können, zu reagieren, wurde jede Tür aufgerissen. Aryana spürte eine Hand an ihrem Arm, die sie mit einem groben Ruck von dem Sitz nach draussen beförderte. Nur rechnete der Mann offenbar nicht damit, dass sie gar nicht mehr in der Lage war, zu Stehen, denn die Brünette landete ungebremst auf den Knien im Sand. Ein Stöhnen glitt über ihre trockenen Lippen, weil das die Scherben noch tiefer in ihre Haut trieb - ganz zu schweigen von ihrem schreienden Oberschenkel. Die ganzen Schmerzen hatten ihr schon vor einigen langen Minuten Tränen in die Augen getrieben, aber auch das realisierte sie nicht mehr. In ihrem Kopf existierten nur noch Faye und Mitch, die sie abwechselnd anschrieen, auf gar keinen Fall die Augen zu schliessen oder loszulassen. Mitch... Sie hob mühsam den Kopf, als sie wieder auf die Füsse gerissen und vor das Auto - in das Tor - gezerrt wurde, zusammen mit den anderen drei. Neben Mitch. Er blutete, sie alle bluteten. Aber Mitch durfte nicht bluten... Sie hatten sich versprochen, nicht zu sterben. Sie hatten sich versprochen, diesen Krieg gemeinsam hinter sich zu lassen. Sie hatten sich versprochen, es besser zu machen, irgendwann ein neues Leben anzufangen, glücklich zu werden, nicht mehr an das hier zu denken. Zu diesem Plan hatte frühzeitiges abgeschlachtet Werden nicht gehört... Eigentlich war für die Brünette klar gewesen, dass sie jetzt vor den Augen ihrer Kollegen vor dem Tor erschossen oder enthauptet wurden. Dass ihre schier endlose Glückssträhne genau hier und heute reissen würde und sie für immer die Augen schlossen. Sie bekam auch nicht wirklich mit, wie das alles weiter ging, erlebte wie in Trance aus sehr weiter Entfernung, ohne ein Wort zu verstehen, weil ihre Ohren viel zu laut rauschten, das mit, was nun geschah. Dass die Schüsse aufgehört hatten und ein Wagen der Army heranraste. Dass tatsächlich Major Franklin aus ebendiesem Auto stieg, sich zielstrebig nach vorne bewegte. Dass der neuerkorene Führer der Islamisten sich ihm entgegenstellte und sie redeten - über irgendwas, was sie davor schon besprochen haben mussten. Zwei weitere Wägen standen hinter dem von Franklin und aus diesen Fahrzeugen wurde nun je eine Person in Handschellen herangeführt. Syrer, ehemals festgenommene Kämpfer des IS. Und der Anführer schnauzte irgendwas vor sich hin, weil das nicht fair sei, da sie vier Geiseln hatten und im Tausch nur zwei zurück bekamen. Franklin zuckte wohl einmal zu oft mit den Schultern, brachte das falsche Gegenargument. Ein Schuss fiel. Harshall ging zu Boden wie ein schwerer Sack Kartoffeln. Aus der frischen Wunde an seinem Kopf floss Blut. Und sie waren immer noch Drei im Tausch gegen Zwei...
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Tja, das war's dann wohl. Das Glückskonto wie bereits erwartet aufgebraucht und damit das Ende der bis hierhin endlos langen Fahnenstange erreicht. Jetzt, wo der Wagen zum Stehen kam und ich grob aus dem zerschossenen Fahrzeug gezogen wurde, wollte ich mir noch nicht einmal ausmalen, was im Folgenden passieren würde. Wollte nicht sehen müssen, wie Islamisten zum gefühlt eine milliardensten Mal Amerikaner exekutierten und damit auch noch die einzige Person auslöschten, die mir wirklich unsagbar am Herzen lag. Mein Kreislauf war langsam aber sicher angekratzt und vor meinem inneren Auge begannen sich unzählige mögliche Szenarien abzuspielen, die allesamt absolut unschön waren, während ich einen Schritt um den anderen vorwärts humpelte. Dabei fiel mein Blick dann auch unweigerlich auf die schlanke Brünette, was mir zu einem gewissen Teil bereits das Herz brach. Mir für einen Moment lang den Puls stocken ließ, weil ich den Anblick kaum ertrug. Dann wurde mir mit einem leichten Schlag auf den Hinterkopf gezeigt, dass ich den Kopf nach vorne zu drehen hatte, solange wir hier im Tor ausharrten und augenscheinlich sollte hier gerade irgendeine Übergabe stattfinden, von der wir bis dato Nichts gewusst hatten. Syrer im Tausch gegen Amerikaner, als wäre das hier irgendein Sklavenbasar von vor 200 Jahren, was zwar irgendwie makaber war, aber in diesem Fall Mittel zum Zweck und so verfolgte ich das Gespräch mit den Ohren so gut es noch ging. Nur war der Handel offenbar noch gar nicht vollends abgeschlossen, denn die Diskussion hielt an und Harshall fiel dem Ganzen auch noch zum Opfer. Ich sah noch etliche Sekunden in seine Richtung, starrte wie gebannt auf das sich ausbreitende Blut, während der neue, syrische Heerführer offensichtlich immer ungeduldiger und lauter wurde, weil er weiterhin nicht damit einverstanden war drei Soldaten gegen nur zwei einzutauschen. Mein Blick löste sich erst aus der Starre, als Ragan zu meiner anderen Seite anfing zu Husten und zu Spucken. Also drehte ich meine Augen in seine Richtung, wobei mir zuerst die blutige Spucke auf dem Boden auffiel. Er fing scheinbar gerade an elendig an einer innerlichen Verletzung zu krepieren, weil er kurz darauf erledigt auf seine Knie glitt. Womöglich hatte einer der Splitter in seinem Brustkorb die Lunge punktiert oder der große Glassplitter weiter unten bohrte sich in ein anderes Organ. So oder so blutete er genauso wie Aryana und ich weiter vor sich hin, würde am Ende noch einstig deshalb hier verenden, weil die beiden Verhandlungspartner nicht im Stande waren sich zu einigen und für uns Alle verdammt wichtige Zeit verstreichen ließen. Wir waren so weit gekommen, dass ich es nicht einsehen wollte, dass am Ende beide Menschen, die meine eigene Person links und rechts mit ihrer Präsenz einrahmten, deshalb das Zeitliche segnen mussten. "Ist das euer gottverdammter Ernst?", wieder arabisch. Zornig, knurrend, weil ich das letzte bisschen an verbleibender Energie dazu aufwenden wollte, ihnen meine Meinung zu geigen. "Wir sind doch alle schon fast tot. Wie kann ein Handel mit 3 schwerverletzten Soldaten gegen zwei vollkommen gesunde, frisch aus dem Knast geschlüpfte Syrer nicht fair sein?!", wetterte ich weiter und kassierte dafür den nächsten Schlag auf den Hinterkopf, der dieses Mal stärker ausfiel und mir den Schädel nur so dröhnen und die Sicht verschwimmen ließ. Mir wurde noch schwindeliger und durch das nicht belastbare, vor sich hin blutende Bein wäre ich beinahe nach vorne gekippt, hätte der Kerl hinter mir mich nicht einen Moment lang am Kragen festgehalten. Natürlich waren wir bis jetzt noch alle drei am Leben, aber sowohl Aryana, als auch der Lieutenant dürften bei dieser Menge an Blutverlust kaum mehr lange durchhalten. Wir brauchten ja auch noch den Rückweg zu welchem der umliegenden Camps auch immer, bevor aktiv Leben gerettet werden konnten und wenn sie hier noch drei Stunden lang diskutieren wollten, dann war's das. Nicht nur für die anderen beiden, sondern auch für mich. Es war zumindest in meiner direkten Nähe für einige Sekunden still, in denen ich zu Aryana sah, bis Ragan vermehrt zu Röcheln anfing und meine Augen sein gequältes Gesicht fanden. Dann richtete der Kerl hinter mir sein Wort augenscheinlich recht laut an seinen Anführer. Teilte ihm mit, dass der Lieutenant dabei war abzukratzen und der mit Franklin verhandelnde Syrer drehte sich kurzzeitig in unsere Richtung um. Er sah uns an, musterte jeden für sich und schnaubte letztlich hochgradig entnervt, bevor er sein Urteil verkündete. Tatsächlich sagte, dass wir alle gehen durften, sofern wir drei es schafften uns ohne Hilfe den Weg zum rettenden Floß in Form des Majors zu verschaffen. Kurz darauf hob er die rechte Hand und bedeutete seinen Handlangern uns loszulassen. Jetzt war die Freiheit quasi zum Greifen nah und doch wieder nicht - ich bekäme mich selbst schon noch irgendwie über die etwa dreißig Meter Distanz hinweg geschleppt, aber Aryana konnte nicht einmal wirklich stehen und bei Ragan sah es da nicht wesentlich besser aus. Letzterer hob jetzt zitternd seine rechte Hand, um nacheinander nach den beiden größten Splittern in seinem Oberkörper zu greifen, versuchte sie heraus zu ziehen und scheiterte aber kläglich, ließ die Hand unter schmerzlichem Stöhnen wieder sinken. Eigentlich wollte ich hier und jetzt nur Aryana mit mir mitziehen und schnellstmöglich auf die gegenüberliegende Seite verschwinden, aber da machte die wieder zunehmend mehr in mir aufflammende Moral nicht mit. Also kniete ich mich zuerst schmerzhaft neben dem Lieutenant auf den Boden, um ihm mit dem linken, fast gänzlich unverletzten Arm und den beiden Hauptproblemen zu helfen. Die beiden großen Splitter aus seinem Körper zu ziehen und mir dabei meine eigene Hand aufzuschneiden. "Kommen sie, Ragan... wir sind so gut wie Zuhause.", appellierte ich mit kratziger Stimme an seinen Überlebenswillen, ganz gleich wie schlecht die Chancen dabei womöglich schon standen. Er hielt noch einen Moment lang flach atmend inne, bevor er schwach nickte und sich mit einem Arm den Oberkörper hielt, den anderen um meine Schultern legte. Der Mann war kaum kleiner und sicher auch nicht wesentlich leichter als ich selbst, weshalb ich zwei Versuche brauchte, um ihn zurück auf die eigentlich noch sehr intakten Beine zu kriegen. Dann jedoch schien er reichlich wackelig allein stehen bleiben zu können - natürlich weiterhin begleitet von leicht blutigem Husten - und die ersten heiklen, nur kleinen Schritt zu machen, weshalb ich mich mit meinem eigenen anhaltenden Schwindelgefühl der Brünetten widmete. Meinen Arm um ihre Hüfte legte und sie so gut es mir noch möglich war auf Biegen und Brechen zu stützen, während die noch in Handschellen liegenden Syrer auf der Gegenseite augenscheinlich auch langsam ein wenig näher zum Mittelpunkt des Geschehens gebracht wurden. Dreißig Meter waren mir noch nie in meinem Leben so lang vorgekommen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Je länger sie hier standen, umso sicherer wurde sich die Brünette, dass sie diesen Tag nicht überleben würde. Es war ganz einfach nicht möglich, so viel zu bluten und die Sonne am nächsten Morgen doch noch aufgehen zu sehen. Sie hatte aufgehört, sich auf die eigenen Beine zu stützen, hing ziemlich würdelos in den Armen irgendeines Syrers, der sie fluchend halbwegs aufrecht hielt. Das war nicht schön, aber was spielte das noch für eine Rolle? Ihr Kopf hing nach unten, aber die Augen waren noch auf. Irgendwie bekam sie noch mit, was geschah und sie hörte die sinnlose Diskussion. Das Husten des Lieutenant, das sie fast schon glauben liess, er hätte nun ebenfalls eine letzte Kugel eingefangen. Aber da war kein Schuss gewesen... Und plötzlich schrie Mitch. Worte, die sie nicht verstehen konnte, in einer Sprache, die sie bis auf den letzten Tropfen ihres heissen, verbleibenden Blutes hassen würde. Sie hob mühsam den Kopf und suchte seinen Blick, weil sie ihm noch so viel sagen wollte, bevor sie die Nächste war, die starb. Denn sie war ja schon fast tot. Es würde sie kein Bisschen überraschen, wenn irgendein besonders intelligenter Soldat entschied, dass es keine Rolle mehr spielte, ob sie jetzt oder in fünf Minuten beseitigt wurde. Dass dieser Deal für sie sowieso keinen Sinn mehr machte. Aber Reden war nicht mehr drin und ihre trockenen Lippen öffneten sich nur zwei Mal um kraftlos seinen Namen zu hauchen. Wieder wurde geschrien und dann, vollkommen unerwartet, liess ihre Stütze sie fallen. Aryana kam mit einem schmerzvollen Stöhnen ein weiteres Mal auf dem harten Boden auf, realisierte irgendwo am Rande, dass sie gehen gelassen wurde. Dass sie laufen sollte, so schnell wie möglich. Und mit irgendwelcher Kraft des Himmels, der Stärke, die sie sich jahrelang angeeignet hatte, hauptsächlich aber mit den Gedanken an ihre Schwester und an Mitch, schaffte sie es, sich noch ein letztes Mal auf die zitternden, blutverschmierten Beine zu hieven, sich an Mitch zu klammern, der neben ihr aufgetaucht war, um sie zu stützten. Jeder Schritt war ein Kampf für sich, selbst mit seiner Hilfe, denn ihr rechtes Bein hatte schon vorher längst komplett in seinem Dienst versagt. Ihre Arme hingen schlaff an ihrem Körper runter und ihr Kopf lag an seiner Schulter, während sie so langsam voran kamen, dass eine Schnecke sie problemlos überholt hätte. Sobald die syrischen Gefangenen bei ihren Landsleuten angekommen waren, wäre das Spiel vorbei - dann würde das Feuer eröffnet werden und waren sie dann nicht in der Sicherheit eines Autos, brachte all die Anstrengung gar nichts mehr. Aber selbst diese Wissen machte ihren bleichen, blutleeren Körper nicht mehr schneller oder gar stärker, weshalb es wirklich nichts als ein Wunder war, dass sie die Strecke überhaupt schafften. Und sobald sie den Major und sein Gefolge erreicht hatten, war das allerletzte ein Prozent ihrer Energie aufgebraucht. Aryanas Augen fielen zu und ihr Bewusstsein verabschiedete sich von jetzt auf gleich, sie bekam nicht mehr mit, wie zwei unverletzte Amerikaner sie davontrugen, dass Mitch und Ragan ebenfalls in einen Wagen verfrachtet wurden. Dass das Feuer wieder einsetzte, noch bevor die Fahrzeuge gedreht waren. Sie sah das ganze, endlose Aufgebot der Army nicht, die hier alle Geschützte aufgefahren hatte, um sowohl sie als auch das Camp zurück zu gewinnen. Alles, was sie sah, war Dunkelheit. Endloses, ruhiges, gleichmässiges Schwarz. Einlullende Stille, eine friedliche Ewigkeit. Und irgendwo tief in ihrer Seele war ein letzter Wille, der sich weigerte, nach dem weissen Licht am Ende des Tunnels zu suchen. Der die Bilder aus ihrer Kindheit nicht sehen wollte, der Fayes Lachen nicht hören und Mitchs liebevolle Berührungen nicht spüren wollte. Der noch nicht zu ihren Eltern und noch nicht zu Juli wollte, nicht zu all ihren gefallenen Freunden - ein letzter Teil, der sich weigerte, zu gehen, sich mit aller Kraft an den letzten Funken Leben klammerte, der in ihr brannte... Denn sie hatte nie hier sterben wollen.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Bei jedem einzelnen der mühseligen Schritte brannte mein Bein wie Feuer und es fühlte sich wirklich so an, als würde die Wunde bei jedem Schritt noch tiefer einreißen. Dementsprechend belastete ich das Bein von Schritt zu Schritt immer weniger, weil mir der Schmerz allmählich jegliche Sinne zu rauben begann und deshalb war ich heilfroh darum, dass mir zwei der Jungs die junge Frau abnahmen, weil ich sie sonst wohl einfach innerhalb von zwei Sekunden hätte fallen lassen. Trotzdem stieg die Panik jetzt, wo sie vollends bewusstlos geworden zu sein schien, in mir hoch und ich ließ mich nur widerwillig in einen anderen Wagen setzen. Hatte aber ohnehin keine Kraft mehr dazu, mich irgendwie dagegen zu wehren, also saß ich letztlich auf dem Vordersitz des Fahrzeugs, während Ragan mit einem anderen Soldaten auf dem Rücksitz saß. Kaum wollten wir den Rückweg einschlagen fing auch der Kugelhagel wieder an, aber er drang mir nur noch dumpf an die gefühlt fast taub gewordenen Ohren, während ich die Augen schloss und vor Schmerzen mit dem Kiefer mahlte. Der Soldat, der sobald wir auf der Straße recht konstant fuhren damit anfing Ragans Wunden notdürftig zu versorgen - nachdem er mir eine Mullbinde nach vorne gereicht hatte, ich sie beinahe mit den zitternden Fingern hätte fallen lassen -, redete dem Lieutenant nebenher auch noch laut zu, wobei ich den Wortlaut aber gar nicht wirklich mitverfolgte. Stattdessen kreisten all meine Gedanken um die schlanke Brünette, die im Wagen vor uns auf der Straße saß, während ich mir mit Ach und Krach die Wunde am Oberschenkel abband. Sie durfte jetzt nicht sterben, sie musste die paar Kilometer bis zum nächsten Camp einfach durchhalten. Mir war egal, was jetzt aus unserem einstigen, sowieso schon jahrelang immer wieder angegriffenen Camp wurde. Etwas weniger egal war mir der Lieutenant auf dem Rücksitz, der wohl auf halber Strecke ebenfalls das Bewusstsein verlor, während meine eigenen Lider auch immer schwerer wurden. Mich hatte es von uns dreien wohl am wenigsten schlimm erwischt, aber auch mir schwand mit jedem verlorenen Tropfen Blut mehr und mehr die Kraft. Mein Atem wurde stetig flacher, aber ich konnte jetzt nicht auch noch in die Schwärze abdriften. Ich musste sehen, ob Aryana durchkam. Musste einfach wissen, ob die Ärzte auch wirklich Alles dafür tun würden, um sie noch vor ihren Wunden zu retten. Aber das Adrenalin schien sich langsam aus meinem Blutkreislauf zu verabschieden und ließ mich immer müder werdend auf dem Autositz zurück. Ich bekam kaum noch mit, wie die beiden Fahrzeuge das Tor des Camps passierten und wir einer nach dem Anderen vorsichtig ausgeladen wurden. Ich selbst wurde als letztes ins Zelt der Sanitäter getragen, wobei mir irgendwer zuredete, dass wir jetzt sicher waren und Alles gut werden würde. Aber wie konnte er das wissen? Ich sah Aryana nicht mehr, sie war in irgendeine andere Ecke des Zeltes verfrachtet worden und aus meinem Sichtfeld verschwunden. Gar nichts würde gut werden, wenn sie nicht wieder zu sich kam. Nie wieder. Ich würde mir wohl ewig die Schuld dafür geben, dass ich sie nicht hatte retten können. Demnach murmelte ich wohl auch noch eine Frage in Richtung des Sanitäters, der mir irgendwas in die Vene am Arm injizierte, nachdem er eine Bluttransfusion gelegt hatte. Fragte reichlich undeutlich nach der jungen Frau, konnte seine Antwort darauf aber kaum noch verstehen. Er sagte aber wohl auch nicht viel mehr, als dass er mir versicherte, dass sie ihr Bestes gaben, um Aryana und auch Ragan zu retten. Die folgenden Minuten, in denen an meinem Arm und meinem Bein herum gedoktert wurde, erlebte ich nur noch durch einen dichten Schleier. Mein Geist schien zu unruhig zu sein, als dass ich ebenfalls hätte bewusstlos werden können, aber wirklich Etwas mitbekommen tat ich nicht mehr. Fühlte vermutlich dank der Injektion auch keinen Schmerz mehr, was mich zumindest wieder halbwegs gleichmäßig atmen ließ. Überall im Zelt herrschte Hektik, aber selbst die zog einfach nur an mir vorbei, während ich die Gedanken an die junge Frau nicht loslassen konnte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Von den folgenden Stunden bekam Aryana überhaupt nichts mit. Ihr Unterbewusstsein war die ganze Zeit irgendwie da, klammerte sich ans Leben und wollte nicht gehen. Aber ihr Körper konnte nicht mehr wach sein, nicht mehr funktionieren. Im Camp wurde sie sofort aus den blutigen Kleidern geschält, bekam den dringend nötigen Sauerstoff, den ihre flache Atmung nicht mehr in ihre Lungen befördern konnte und die lebensrettende Bluttransfusion angehängt. Schliesslich wurden der etwas fünfzehn Zentimeter lange und viel zu tiefe Schnitt quer auf ihrem Oberschenkel, sowie die nicht ganz so tiefe aber ebenfalls wesentlich für den Blutverlust mitverantwortliche Wunde an ihrem linken Arm sorgfältig gesäubert und genäht. Die Scherben und Splitter wurden aus ihrer Haut gewaschen und die beiden Kugeln aus ihrem rechten Arm gepult. Und nachdem all die Löcher in ihrer Haut sorgsam verschlossen und unter weisse Verbände gepackt waren, kam auch schon der Helikopter, der sie alle drei von hier weg trug. Noch nicht bis nach Amerika - auch wenn diese Reise, nach allem was passiert war, sicher auch kurz bevor stand. Aber erstmal ging's ins Krankenhaus einer nahen Grossstadt, da, wo schon viele Soldaten der Army notoperiert worden waren oder auch die Behandlung kleinerer Verletzungen durchgeführt wurde, die keine Reise in die Heimat rechtfertigten. Das Problem in ihrem Fall war Ragans Zustand, der offenbar noch keinesfalls stabil war und eine dieser eben genannten Notoperationen erforderte. Aryana und Mitch wurden derweil in einem Zimmer stationiert, in dem ihre Vitalzeichen genauestens überwacht wurden, während weiter das Blut aus den Beuteln langsam in ihre Adern tröpfelte. Es waren mittlerweile ziemlich genau sechzehn Stunden vergangen, seit die Brünette die Augen geschlossen hatte. Die Nacht hatte längst dem nächsten Tag Platz gemacht und dieser war auch schon weit fortgeschritten, als sie mit einem unruhigen Laut wieder zu sich kam. Ihre Finger glitten kraftlos nach Halt suchend über die weisse Bettdecke, die ihre absolut untypisch bleiche Haut nur noch unterstrich. Es dauerte fast eine ganze Minute, bis sie die Lider endlich hochgekämpft hatte und eine weitere Minute, bis sie auch was erkannte. Ihr Blick suchte die Decke ab, bis sie langsam den Kopf drehen konnte. Die Sauerstoffbrille kitzelte in ihrer Nase und in beiden Armbeugen steckte eine Nadel. Links floss noch immer Blut zurück in ihre Bahnen und rechts hing ein Beutel mit einer klaren Flüssigkeit, die wohl mitverantwortlich für ihren sehr benommenen Zustand war. Aber das belastete sie nicht so sehr wie der Gedanke, der ihr plötzlich kam. "Mitch...", sein Name kam unglaublich leise und kratzig über ihre rissigen Lippen, aber selbst so war die unterschwellige Panik deutlich hörbar, spiegelte sich in ihren glasigen, müden Augen wieder, die sich nun von ihren Händen lösten, um den Raum nach dem einzigen Menschen abzusuchen, den sie jetzt gerade unbedingt sehen musste. Denn sie konnte sich nicht daran erinnern, was mit ihm passiert war. Alles war so verschwommen und voller Schmerz und Lärm. War er am Ende mitgekommen oder nicht? Hatte er eine Kugel gefangen? Hatte er noch geatmet?
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Es waren nicht nur die längsten dreißig Meter, sondern wohl auch die längsten sechzehn Stunden meines Lebens. Ich konnte die Gedanken an Aryana nicht bei Seite schieben und noch dazu auch nicht an ihrer Seite sitzen, um sie meine Präsenz unterbewusst wahrnehmen zu lassen. Ich wollte einfach nur, dass sich ihr Körper an das letzte bisschen Kraft klammerte, das er noch aufbringen konnte. Wollte ihr dabei helfen nicht zu vergessen, dass es noch nicht Zeit war zu gehen, aber das war mir nicht vergönnt. Stattdessen musste ich mich in den folgenden Stunden mit der lästigen Distanz zwischen uns beiden zufrieden geben, welche durch die getrennten Betten im Krankenhaus entstand. Im Helikopter hatte ich noch mit dem unverletzten Arm die Finger nach der Brünetten ausgestreckt, war aber auch daran schon kläglich gescheitert. In dem klinisch weiß gehaltenen Raum selbst konnte ich den Blick dann aber auch nicht aus freien Stücken von ihr abwenden. Sie sei zwar laut den Ärzten recht stabil, aber das glaubte meine chronische Paranoia Niemandem, bevor sie es nicht mit eigenen Augen sah. Solange Aryana nicht wieder blinzelte und sich eindeutig lebendig zeigte, blieb die leise Angst um ihr Ableben weiter bestehen und so war es letztlich nur die Müdigkeit in meinem eigenen Körper, die mir irgendwann die Augen zufallen ließ. Die mich zusammen mit den Schmerzmitteln in einen ziemlich leeren Schlaf riss und mich damit ein paar Stunden neue Kraft sammeln ließ. Aber es waren nur etwa neun Stunden, die ich damit überbrücken konnte, weil mich gegen Ende dann ein unangenehmer Traum aus dem Schlaf riss. Offenbar hatte sich mein Puls dabei stark beschleunigt, weshalb es nicht besonders lange dauerte bis eine Schwester den Raum betrat und nach mir sah. Mir war noch ein wenig schwummrig vor Augen und ich war im ersten Moment ziemlich desorientiert, als sie mich mit einem Lächeln beruhigte und noch einmal mit Worten deutlich machte, dass alles okay war. Dass ich sicher und im Krankenhaus war. Erst ihre Worte holten mich unter dem Einfluss von welchen ärztlich zugelassenen Drogen auch immer stehend langsam in die Realität zurück und dann wanderte mein Blick sofort wieder rüber zu der Brünetten auf dem anderen Bett. Sie war immer noch nicht wach, also fragte ich die Schwester mit brüchiger Stimme danach ob das normal sei und es ihr wirklich gut ging. Wieder folgten beruhigende Worte von ihr, die besagten, dass die junge Frau allem Anschein nach überm Berg war und ihr Körper einfach nur die Pause brauchte, um sich zu erholen. Sie fuhr fort und erklärte mir - vermutlich zur Ablenkung - auch, dass es Ragan langsam ein wenig besser ging und es bisher danach aussah, dass er durchkam. Eigentlich freute es mich unterbewusst, dass der Lieutenant nicht den Löffel abgegeben hatte, aber in meinem Kopf war dafür gerade gar kein Platz. Der rein körperliche Schmerz war durch die Opiate nicht spürbar, aber der Schmerz im Herzen blieb und damit auch die innerliche Unruhe. Gegen Mittag sollte ich zumindest versuchen etwas zu essen, aber auch danach stand mir nicht der Sinn. Ich schob mir mühselig drei Bissen in den Mund, bevor ich den Teller von mir wegschob und auch die nächsten Stunden noch mit Bangen und Hoffen verbrachte, was mich schier wahnsinnig machte. Das war schlimmer als jede Schuss- oder Stichwunde, schlimmer als jede noch so tödlich aussehende Verletzung. Die Müdigkeit kam irgendwann zurück, weshalb ich auf der Seite liegend und in Aryanas Richtung blickend immer mal wieder für ein paar Minuten wegnickte. So auch in dem Moment, als die Brünette nach einer Ewigkeit wieder zurück ins Bewusstsein kam. Deswegen dauerte es einen kleinen Augenblick lang, bis ich ihre ersten Lebenszeichen bewusst wahrnahm und zuordnen konnte. Dann aber richtete ich mich viel zu ruckartig zum Sitzen auf, was den Schwindel und auch die Übelkeit zurückbrachte, mich kurzzeitig das Gesicht verziehen und die Augen schließen ließ. "Ich... ich bin hier.", krächzte ich zu der Brünetten rüber und vor lauter Erleichterung, Anstrengung und fallen gelassener Anspannung löste sich eine einzige, winzige Träne aus meinem rechten Augenwinkel, die ich nicht einmal wahrnahm. Es fühlte sich wirklich so an, als hätte Jemand gerade endlich den auf meiner Brust parkenden, mit mehreren Tonnen Schutt beladenen LKW weggefahren.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
In ihren Ohren pfiff ein nervtötender Tinnitus vor sich hin, der wohl auf den ungebremsten Lärm des Kampfes zurückzuführen war, dem sie vor nicht allzu langer Zeit entschlüpft waren. Und für einen Moment hatte sie Angst, bis auf dieses eine Geräusch vollkommen taub geworden zu sein. Denn es war das Einzige, was sie hörte, als sie sich vom Anblick ihrer Bettdecke losreissen konnte, um den Raum zu begutachten, in dem sie hier lag. In ihrem Augenwinkel nahm sie eine ruckartige Bewegung wahr, was unmittelbar auch ihre eigene ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie hob den Kopf so rasch in diese Richtung, dass sie im Anschluss erstmal alles doppelt und dreifach sah und mit einem müden Stöhnen wieder ins Kissen sank. Aber seine Worte, die die Ersten waren, die sie weit in der Ferne hinter dem Pfeifen vernahm, gaben ihr die Sicherheit, doch nicht halluziniert zu haben. Da sass tatsächlich Mitch. Er war hier. Er lebte, er war wach, er redete, er sass in einem weissen Bett, so nah bei ihr! "Dem grossen Gott im Himmel sei Dank...", stiess sie stockend und dank ihrer trockenen Kehle auch ziemlich schlecht verständlich ein paar Worte zwischen triefendem Sarkasmus und endloser Erleichterung aus. Ein mühsames Husten folgte, aber es kümmerte die Brünette kaum, ihr seliger Blick lag einfach nur auf ihrem Freund, den sie anlächelte, als hätte er ihr soeben einen Heiratsantrag gemacht. Nur etwas müder. Sie sah die winzige Träne in seinem Augenwinkel, obwohl alles noch immer verschwommen war. Aber das machte nichts. Denn offensichtlich lebten sie beide noch. Und das war nichts Geringeres als ein verdammt grosses Wunder. "Wie gehts... dir? Wo... wo sind wir? Hast du... schlimme Verletzungen?", stellte sie die ersten paar Fragen, die sie formulieren konnte. Ihr würden sofort noch zwanzig weitere einfallen, aber Aryana war jetzt mal so nett, nicht direkt zu übertreiben, damit er erstmal antworten konnte. Denn sie sah den Verband um seinen Arm und sie wusste, dass es kaum der Einzige sein konnte. Auch erinnerte sie sich daran, dass Temiz' Machete Mitch an der Brust touchiert hatte. Und im Auto waren Scherben geflogen. Und Kugeln - so viele Kugeln... Es war fast unmöglich, dass der junge Mann nichts davon abbekommen hatte. "Lebt... Ragan noch...?", schob sie nun doch noch eine letzte Frage nach, die sie möglichst bald beantwortet haben musste. Denn der Lieutenant lag nicht in diesem Zimmer - wo war er dann..? Sie hatte zwar nicht mehr wirklich mitbekommen, wie schlecht es ihm beim Verlassen des Camps gegangen war, aber theoretisch hätten sie alle dabei draufgehen können. Harshall war gestorben, da war irgendein Teil ihres schummrigen Bewusstseins sich sicher. Sie konnte nicht mehr sagen woran und wieso, aber da war was gewesen. Hatte es Ragan auch erwischt? Waren am Ende doch nur wieder sie beide die ewigen Glückspilze..? Möglicherweise... Aber immerhin sie beide... Immerhin Mitch. Aryana hob vorsichtig den rechten Arm, spürte auch augenblicklich die stark betäubten Schmerzen, die von unterhalb des dicken, weissen Verbandes rührten. Gut, wenn sie noch nicht mal einen Arm richtig heben konnte, brauchte sie wohl gar nicht zu versuchen, sich aus dem Bett zu wälzen. Was bedeutete, dass Mitch zwar nahe aber doch vorerst unerreichbar wäre. Und das war Scheisse, denn sie wollte sich an ihn kuscheln, seine Nähe spüren, wissen, dass er wirklich da war und nie wieder ging. Was ihr sofort das Bild von Victor und Faye in den Kopf setzte, die genau dieses immense Bedürfnis auch verspürt haben mussten, als sie in einem Krankenhaus in Texas wieder zu sich gekommen waren. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Mitch und sie als zwei total verkorkste, schwierige, einzelgängerische Charaktere einmal genauso enden würden.. Faye würde sie auslachen.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Es tat unheimlich gut endlich wieder Aryanas Stimme zu hören. Selbst, wenn ich hier und da wegen den an sich noch sehr undeutlichen, kratzigen Worten zwei Mal darüber nachdenken musste, was sie nun genau gesagt hatte. Dass meine Ohren gerne noch auf Sparflamme liefen, weil sie den Lärm des Kampfes sicher noch längst nicht ganz verarbeitet hatten, machte es vermutlich auch nicht leichter gut verständlich miteinander zu kommunizieren. Aber das spielte keine große Rolle, denn die Klangfarbe allein war schon unheimlich wohltuend, obwohl sie nicht so kräftig wie normalerweise war. Ich glaubte zwar noch immer nicht an Gott, aber falls es doch einen geben sollte, dann schuldete ich ihm spätestens jetzt meinen aufrichtigen Dank. Die Brünette reihte gleich mehrere Fragen aneinander und auch, wenn sie jene eher stockend und insgesamt langsam über die Lippen brachte, musste ich sie in meinem Kopf erst noch einmal sortieren und mir gedanklich ein paar Worte zurechtlegen, damit ich nicht alles wirr durcheinander schmiss. "Noch in Syrien... aber im Krankenhaus.", hakte ich mit weiterhin eher etwas dünner Stimme zuerst die zweite ihrer Fragen ab, weil sich die anderen beiden besser miteinander verbinden ließen. "Ich bin okay, mich... hat's wohl am wenigsten schlimm erwischt. Es sind nur die Einschnitte, der Streifschuss und... ein paar Scherben gewesen.", untertrieb ich womöglich ganz im Allgemeinen ein wenig, weil ich mir eigentlich sehr sicher damit war, dass ich wieder eine halbe Ewigkeit lang kaum laufen können würde. Der Schnitt am Bein war tief und bedurfte absoluter Ruhigstellung, damit der angeschnittene Muskel unter der zusammengenähten Haut bestmöglich zusammenwachsen konnte. Auch hatte sich der Schnitt an den Rippen durch all die hastigen Bewegungen im Kampf etwas verschlimmert, aber er war wohl trotzdem das geringste Problem. Das tückischste waren sicher die Scherben, die sich überwiegend in meinen Oberarm gebohrt hatten. Ein paar kleinere hatten mir auch im Rücken, sowie im Nacken gesteckt, aber sie waren dennoch kein Vergleich zu Ragans Schicksal hinsichtlich der Windschutzscheibe. Ich konnte von Glück reden, dass ich mich in jenem Moment zwischen den Sitzen nach hinten gelehnt hatte. Trotzdem waren Glasscherben immer eine schlimme Angelegenheit. Wenn die Ärzte auch nur einen absolut winzigen Splitter übersahen und der irgendwie in den Blutkreislauf gelangte, dann war das ganz schnell das Ende. Kaum im Herz angekommen konnte man dann eigentlich nichts anderes mehr als zu sterben. Trotzdem blieb ich dahingehend einfach mal sowas wie optimistisch damit, dass die Ärzte ihr Bestes gegeben und jede noch so kleine Scherbe heraus gefischt hatten. "Und wie fühlst du dich?", stellte ich der jungen Frau nach einem leisen Räuspern noch eine entsprechende Gegenfrage. Wurde wohl wieder Zeit für einen Schluck Wasser, weshalb ich mich in Richtung des Beistelltisches beugte und mir mühsam die Wasserflasche runter fischte. Es folgte auch noch eine letzte Frage von Aryana, die ziemlich vorhersehbar gewesen war. "Ja... aber er ist wohl noch nicht wirklich stabil und liegt auf der Intensivstation... seine Lunge hat was abgekriegt.", ließ ich sie wissen, dass das Leben des Lieutenants noch ein bisschen auf der Kippe stand, auch wenn es langsam aufwärts zu gehen schien. Ich vernahm die kleine Bewegung ihres Arms kurz nachdem ich mit leicht zitterndem Arm zwei oder drei Schlucke aus der Wasserflasche genommen hatte und sie dann einfach neben mir ins Kissen fallen ließ. Es war nur eine schwache Geste, aber ich verstand sie durchaus und es ging mir genauso. Und wenn ich nur neben ihr lag, um ihr direkt in ihre braunen Augen sehen zu können, dann wäre das immer noch besser als diese lästigen drei Meter Distanz. Also sah ich zu dem durchsichtigen Infusionsbeutel an dem Ständer zu meiner anderen Seiten, der nach meiner Döserei auch leer zu sein schien. Ich wägte die Folgen nicht einmal ab, sondern löste einfach vorsichtig den Schlauch aus der Nadel an meinem Handrücken und schob dann alles in allem eher langsam die weiße Bettdecke bei Seite. Atmete noch einmal etwas tiefer durch und schob die Füße über die Bettkante, bevor ich beschwerlich an den Rand des Betts rutschte. Durch all die Bewegung holte mich aber der Schwindel wieder ein, weshalb ich die Augen mit den ironischen Worten "Gib mir noch zwei Minuten." kurzzeitig zumachte. Die Reise zum Badezimmer kurz vor dem Mittagessen war schon reichlich anstrengend gewesen, wäre ohne die Hilfe des Krankenpflegers niemals gut gegangen. Aber seitdem war noch ein wenig Zeit verstrichen und ich musste nicht mehr als ein paar wenige Schritte schaffen, das war doch wohl nicht zu viel von meinem Körper verlangt.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie waren also noch nicht aus diesem verhassten Land raus... Schade. Aber Aryana war relativ zuversichtlich, dass die Heimreise nicht mehr weit in der Zukunft lag. Sie waren definitiv zu schwer verletzt, als dass ein paar Wochen Auszeit in einem syrischen Krankenhaus sie vollends regenerieren könnten. Die Brünette selbst hatte zwar noch keine Diagnose zu den Einbussen, die ihr Gesundheitszustand in den letzten vierundzwanzig - oder mehr, sie hatte keine Ahnung, wie lange sie geschlafen hatte - Stunden gemacht hatte. Aber allein die Tatsache, dass sie gefühlt kein Körperteil bewegen konnte, ganz zu schweigen von schmerzfreier Bewegung, sprach für sich. Ihr rechtes Bein wäre für längere Zeit hinüber, das hatte sie schon deutlich gespürt, als die Klinge durch Fleisch und Muskel gerissen war. Gleiches galt in ähnlichem Ausmass für ihren linken Arm, der auch noch Kugeln und Scherben kassiert hatte. Sie wusste ja noch nicht mal, wie schlimm die Kugeln sie getroffen hatten. Eigentlich wusste sie gar nichts. Aber das war nicht schlimm, denn gerade galt ihre volle Aufmerksamkeit nur Mitch. Und er erklärte ihr, dass es ihm nicht so schlecht ging. "Ach... Hält sich ja.. voll und ganz in Grenzen", winkte sie ironisch ab, wobei doch schon wieder ein schwaches Lächeln ihre Mundwinkel zucken und ihre müden Augen funkeln liess. "Ich mein... ein paar Scherben... und Schüsse... und Schnitte... da fragt man sich direkt... wie du dir dieses... Bett überhaupt verdient hast", fuhr sie im gleichen Tonfall fort, liess der Erleichterung darüber, dass er überhaupt noch lebte und hier bei ihr war, freien Lauf. Um seine Gegenfrage zu beantworten, brauchte Aryana dann aber einen Moment länger. Ganz einfach, weil sie dafür erstmal selber darüber nachdenken musste, wie es ihr denn abgesehen von der endlosen Freude darüber, Mitch noch bei sich zu haben, ging. "Ungefähr... als wären fünf Panzer drüber gefahren... Aber passt schon... du weisst - nur ein paar... Schnitte... Schüsse... Scherben...", wahrscheinlich lag es neben seiner Anwesenheit auch noch an den zahllosen anderen Drogen, die sie von Schmerzen und bösen Gedanken ablenkten, dass die Brünette gefühlt bester Laune war. Hier vor sich hin scherzte, als wäre nie was passiert. Aber wahrscheinlich ging es ihr wirklich nicht viel schlechter als Mitch. Sie hatte nur etwas zu viel Blut verloren, war deswegen fast kollabiert - aber mittlerweile dank den zahlreichen Transfusionen wieder ziemlich stabil. Offenbar im Gegensatz zu Ragan, wie Mitch gleich darauf verlautete. Immerhin lebte der Lieutenant und sie konnten noch darauf hoffen, dass er ebenfalls durchkam. Dass er danach auch nie wieder zurück musste, das beschissene, unterbesetzte, zu schlecht bewachte, zu oft angegriffene Camp hinter sich lassen konnte. Vielleicht wurde dieses besondere Loch in der Hölle auch endlich abgebaut, wer weiss... Wohl eher nicht, dank seiner unendlich tollen Lage. Aber hätte sie was dazu zu sagen - Aryana würde eine entsprechende Petition sofort unterschreiben. Als auf einmal deutlich mehr Bewegung in den jungen Mann kam, legte die Brünette leicht die Stirn in Falten. Er... löste die Infusion und setze sich auf. Und offenbar war das eine schlechte Idee gewesen, so wie er gleich darauf das Gesicht verzog. "Du solltest besser... dort bleiben...", murmelte sie vor sich hin, versuchte die Vernunft sprechen zu lassen, auch wenn sie eigentlich liebend gerne wollte, dass er zu ihr kam. "Ich weiss nicht... ob dus mitbekommen hast... aber ich kann dich... für einmal gerade ganz ganz schlecht vom Boden einsammeln... Sorry", schob sie nach, wobei der Sarkasmus schon wieder tief in ihrer Stimme lag. Aber sie meinte es ernst. Er sollte nicht aufstehen ohne Krankenschwester oder Hilfe... Aber das wusste er eh bestens selber...
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Aryanas Kommentar zu meiner Gesundheit ließ mich einen kurzen Augenblick lang leise in mich hinein lachen, bevor ich zu einer Antwort dazu einsetzte. "Vielleicht haben die in Amerika einfach... weitergegeben, dass mir diese furchtbaren Klamotten ganz ausgezeichnet stehen.", erwiderte ich nicht weniger ironisch und wenn ich nicht gewusst hätte, dass ein Kopfschütteln mir zweifelsohne nur erneuten Schwindel eingebracht hätte, hätte ein solches wohl auch noch gefolgt. Stattdessen rollte ich ein klein wenig mit den Augen um meine Worte zu unterstreichen, weil es einfach ungefähr eine Milliarde bessere Alternative zum Einkleiden für mich gab. Aber hier und jetzt gab es eben auch sehr viel wichtigere Dinge, als gut auszusehen. Wieder gesund zu werden oder überhaupt noch lebend aus dieser Aktion rausgekommen zu sein beispielsweise. Die Einschätzung der Brünetten zu ihrer eigenen Gesundheit fiel noch einmal mindestens genauso wenig ernst gemeint aus und natürlich machte ich mir immer noch ein kleines bisschen Sorgen darum, wie es ihr denn nun eigentlich wirklich ging, aber andererseits tat es auch einfach nur gut zu hören, dass wir sowas wie auf unserem normalen Kommunikationslevel angekommen waren. Natürlich waren unser beider Stimmen vielleicht nicht ganz so kräftig wie für gewöhnlich und hier und da mussten wir mal Abstriche wegen dem Atmen zwischendurch machen, aber das war mehr als in Ordnung. "Na wenn's weiter nichts ist...", meinte ich und musste unwillkürlich ein wenig vor mich hin grinsen. Das hielt aber nicht lange an, weil das unter Spannung halten der Gesichtsmuskeln irgendwie noch recht anstrengend war. Gerade deshalb, weil sich das Dröhnen im Inneren meines Kopfes nie vollends gelegt hatte, seit die Soldaten mich eingesammelt und vom Schlachtfeld gebracht hatten. Es war durch die Schmerzmittel merklich abgeschwächt, aber da war trotzdem noch so ein stumpfer Druck an den Schläfen, der unfassbar nervtötend war. Ja, vermutlich sollte ich lieber bleiben, wo ich war. Sollte nicht noch weitere Prellungen oder gar gebrochene Knochen riskieren, wo ich doch wirklich froh darüber sein konnte, dass ich - beziehungsweise wir - überhaupt noch fähig waren zu atmen, statt irgendwo in einem Leichensack herumzuliegen. Das wäre dann aber eben nicht ich. Wenn mein Bauch mir sagte, dass es dringend notwendig war der jungen Frau zumindest mal kurz über die Wange oder den Kopf zu streicheln, dann war das eben so. "Will ich aber nicht.", stellte ich also erstmal indirekt fest, dass ihre Worte durchaus Wahrheit und vor allem auch Sinn in sich trugen, mir das aber ziemlich egal war. Meine Sicht war inzwischen wieder klar und es drehte sich auch nichts mehr, also war quasi alles im grünen Bereich. So grün wie er halt sein konnte, wenn der Körper innerhalb kürzester Zeit schon wieder mit etlichen großen Wunden zu kämpfen hatte. "Außerdem solltest du mittlerweile wissen, dass mir Vernunft nicht so gut steht... ich bin Kategorie Wahnsinn.", hängte ich noch ein paar sarkastische Worte mehr an und atmete etwas tiefer durch, bevor ich den sehr leichtsinnigen Versuch einfach wagte. Mich an dem Beistelltisch festhielt und mich auf das bis auf ein paar Kratzer unverletzte Bein hob, dann einen Moment lang innehielt. Ich kannte meinen Körper nach meinem letzten, langwierigen Aufenthalt im Krankenhaus wirklich gut und wusste, dass ich die paar Meter schaffen konnte, solange ich mir bloß nicht zu viel Zeit damit ließ. Denn ich zitterte und die Kräfte waren eindeutig noch nicht auf einem ansatzweise gesunden Level angekommen, also bewegte ich mich vielleicht ein kleines bisschen zu hastig für meinen Kopf vorwärts. Der Schwindel war längst wieder da, seit ich auf den Beinen stand und setzte lediglich den vorderen Fußballen des verletzten Beines auf dem Boden auf, um die Wunde nicht unter Spannung zu setzen. Beim letzten Schritt schwankte ich dann auch ziemlich ordentlich und war demnach erleichtert darüber mir am seitlichen Griff von Aryanas Bett Halt verschaffen zu können, um nicht so kurz vor dem Ziel doch noch den Boden zu küssen. Ich setzte mich also postwendend etwas schief und knapp auf die Bettkante ohne loszulassen und schloss nochmal kurz die Augen, um das Drehen im Kopf erneut loszuwerden. "Siehst du... gar kein Einsammeln nötig.", gab ich ein paar reichlich trockene, entkräftete Worte von mir, während sich der Schwindel langsam wieder ein bisschen legte. Als ich die Augen öffnete schob ich mich dann mit dem Hintern ein bisschen weiter aufs Bett, um mich schließlich möglichst platzsparend - und ohne der jungen Frau irgendwelche Schmerzen zu verpassen - auf der Matratze neben sie zu legen, was auch nochmal so einige Sekunden in Anspruch nahm. Wenigstens hatten sie mir dieses Mal nur eine Körperhälfte zerstückelt und ich konnte auf der anderen Seite ziemlich bedenkenlos liegen. Andererseits erschwerte mir das das Gehen mit einer Krücke und auch Aryana anzufassen, weshalb ich es erst einmal dabei beließ meinen Kopf so nah wie möglich seitlich neben ihrem abzulegen. Dabei kitzelte mich zwar hier und da eine ihrer Haarsträhnen im Gesicht, aber ihr süßlicher Geruch und ihre Nähe waren das absolut wert. Trotzdem brauchte ich jetzt wohl ein paar Sekunden zum durchatmen, war der kurze Weg doch reichlich beschwerlich gewesen. Wenigstens konnte mir im Liegen aber ohne Alkohol nicht wieder schwindelig werden.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Die Art, wie er genau wie sie direkt wieder in ihre alten Gesprächsmuster fiel, liess Aryanas Gesicht noch einen Moment länger fröhlich strahlen. «Wäre absolut verständlich und könnte ich nur gutheissen… Es fällt mir wirklich… sehr, sehr schwer… nicht hier und jetzt über dich her zu fallen», gab sie theatralisch bekannt. Da trug wohl wirklich nur ihr körperlicher Zustand die Schuld für, dass sie sich so gut von ihm fernhalten konnte. «Es ist ja allseits bekannt, dass ich nur… nur wegen deinen Krankenhausklamotten überhaupt erst… auf dich reingefallen bin», setzte sie den ganzen liebevollen Sticheleien die Krone auf. Man könnte ja fast meinen, da sei was Wahres dran. Immerhin hatte es ein paar unschöne Verletzungen und eben diese prächtige weisse Einkleidung gebraucht, damit sie ihn geküsst hatte, sich überhaupt erst Gedanken darüber gemacht hatte, was aus ihnen beiden werden könnte. Eher etwas besorgt schaute sie ihm dann aber dabei zu, wie er sich aus dem Bett schälte und ziemlich bald schon auf den absolut untypisch wackeligen Beinen stand. Auch den Wahnsinn, den er erwähnte, förderte bei ihr lediglich ein angedeutetes Augenrollen. Ganz bekam sie das nicht hin, weil ihr dabei die Augen wieder zufallen wollten und sie noch immer gegen leichten Schwindel kämpfte. Aber es war ihr ja bekannt. Mitch liess sich selten von Vernunft oder einem weisen Rat leiten, vertraute lieber auf Intuition und Bauchgefühl. Beides sagte ihm offenbar gerade, dass es ein guter Plan war, hier ein paar Schritte durchs Zimmer zu humpeln - egal, wie sein eigener Körper denn nun dazu stand. Denn der wirkte wirklich nicht begeistert, so wackelig und unsicher die Schritte des jungen Mannes ausgeführt wurden. Sie versuchte ihre Hand zu heben und nach ihm auszustrecken, als er, so dicht bei ihr, noch einmal ordentlich schwankte. Aber Aryana schaffte das nichtmal ansatzweise schnell genug, um Mitch auch nur zu berühren, bevor er schon auf ihrem Bett sass. Reichlich fertig und offensichtlich in tiefen Schwindel getaucht - was sie ja kaum überraschte. Trotzdem entspannte sie sich langsam wieder, jetzt, wo er sicher gelandet war. Bei ihr. "Ich bin... schwer beeindruckt", murmelte sie auf seine Worte hin, rutschte so gut wie möglich aber mit unglaublich schwerfälligen, langsamen Bewegungen ein Bisschen zur Seite, um ihm überhaupt etwas Platz in dem schmalen Bett zu lassen. Selbst wenn sie bis zum äussersten Rand rutschen würde, wäre da kaum zu viel Abstand zwischen ihnen, würden ihre Körper sich weiterhin berühren. War auch gut so... Dafür war er ja hergekommen. Aryana schloss die Augen, als er sich neben sie gelegt hatte und sie seinen Atem an ihrer Haut spürte, weil sein Kopf so dicht bei ihrem lag. Automatisch kuschelte sie sich noch etwas näher an ihn heran, auch wenn ihre Bewegungsfähigkeit momentan leider stark eingeschränkt war und sie sich nicht einfach - wie bevorzugt - direkt auf ihn drauf legen konnte. Der Schlauch an ihrer Nase störte da genauso wie die Nadeln in ihren Armen sowie die ganzen Verbände und alles, was darunter lag. Aber er war da, bei ihr, sie konnte ihn hören, spüren, sehen, fühlen. "Ich glaube... ich sollte mich noch bedanken... Wenn... wenn ich mich irgendwie recht erinnere... dann hast du mich mehr oder weniger da raus getragen...", nuschelte sie leise, nachdenklich an seine Haut. Das Ende des Kampfes wie er für sie stattgefunden hatte, war in ihrem Kopf zwar reichlich schwammig hinterlegt. Aber sie erinnerte sich an einen Austausch und daran, dass sie es nicht mehr bis zu ihren Landesmänner geschafft hätte, wenn Mitch nicht da gewesen wäre.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Natürlich, was auch sonst. Selbstredend war es ausschließlich den hässlichen Krankenhausfummeln zuzuschreiben, die vermutlich überall auf der Welt relativ ähnlich aussahen, dass Aryana letztlich über ihren Schatten gesprungen war und sich auf mich eingelassen hatte. Auch das eher nur wegen Faye, aber inzwischen war ich mir auch unabhängig davon eigentlich relativ sicher, dass wir uns trotzdem früher oder später geküsst hätten. Dann vielleicht eher aus Initiative meinerseits und womöglich gefolgt von der nächsten Ohrfeige, aber ich hätte wohl kaum mehr lange dazu gebraucht zu analysieren, warum mir der Streit vor unserer Selbstmordmission in den Hügeln einen derartigen Stich ins Herz versetzt hatte. Warum ich in der darauffolgenden Nacht kein Auge zugemacht und mich nichts als schlecht gefühlt hatte. Oder warum wir noch vor dem Kuss irgendwie ziemlich kitschig im Helikopter unsere Finger miteinander verschränkt hatten, obwohl das weder ihre, noch meine Art war. "Ja, na klar... es waren nicht die ewig langen Gespräche irgendwann wenn's dunkel war... auch nicht die immer so verlockend verbotenen Berührungen, die du bestimmt nur bestraft hast... damit du dich unterbewusst ganz unauffällig darüber freuen konntest, dass sich mal wer an dich ran traut... oder die Tatsache, dass du mich sicher auch vorher schon heiß gefunden hast... sondern die Klamotten.", stichelte ich ironisch mit einem leichten Grinsen zurück, wenn auch deutlich leiser als vorher. Mein Atem war ganz einfach von der beschwerlichen Reise von Bett A zu Bett B noch ein kleines bisschen beschleunigt, da wollte ich den Sauerstoff noch überwiegend zum Atmen haben. Ich war jetzt ohnehin recht nahe an Aryanas Ohr, da würde sie mich trotzdem verstehen können. Wenn nicht, dann sollten die Ärzte besser noch einen Blick in ihre Ohren werfen. Auf ihren leisen Dank hin schmälerte sich das Grinsen zu einem Lächeln, weil unweigerlich für kurze Zeit die Erinnerung an jenen Moment aufflackerte. Kam ganz bestimmt nicht auf die Top-Ten-Liste unserer bisher gemeinsam verbrachten Stunden, weshalb ich ihn zügig wieder zu begraben versuchte, in dem ich einen sanften, kaum merklichen Kuss oben auf ihre Schulter hauchte. "Tragen würde ich's jetzt nicht nennen... eher schleifen und ziehen... ich hoffte, ich hab dir dadurch nicht noch mehr zugesetzt.", murmelte ich noch leicht mit den Lippen an ihre Schulter gelehnt vor mich hin, weil es wohl schlicht ein bisschen zu großzügig war meine Hilfestellung als Tragen zu titulieren. Dementsprechend könnte es schon sein, dass ich die eine oder andere von Aryanas Wunden vielleicht noch verschlimmert hatte, aber das zu analysieren war vermutlich unmöglich. Dass ich mich nicht mitsamt der Brünetten in den Sand gesetzte hatte war wohl ein weiteres Wunder. "Aber ich würd's immer wieder machen... ich hätte lieber selber noch ein, zwei Kugeln kassiert, als dich da sitzen zu lassen.", fügte ich ein paar mehr leise Worte hinten an, die gänzlich der Wahrheit entsprachen. Mir würde nie in den Sinn kommen die junge Frau ihrem Schicksal zu überlassen, da setzte ich mich lieber auf Teufel komm raus selbst einem hohen Risiko aus. War ja auch wirklich knapp gewesen - zwei Sekunden länger hätte ich zum Sitz im Auto nicht brauchen dürfen, bevor der Kugelhagel erneut eingesetzt hatte. "Können wir dieses den anderen 16 Stunden lang darauf warten lassen, dass man wieder aufwacht... bitte auch auf die Liste setzen? Die, mit den Sachen, die wir nicht mehr machen?", stellte ich Aryana eine ziemlich rhetorische Frage, die ich nur leise vor mich hin nuschelte. Das leben auf zwei verschiedenen Kontinenten war ja schon beschissen gewesen, aber kein Vergleich zu der Tortur in den vergangenen Stunden. Da hätte ich lieber nochmal ein paar Wochen lang auf die junge Frau gewartet, solange ich mir sicher sein konnte, dass sie währenddessen selbstständig atmen konnte und mir nicht einfach ein allerletztes Mal einschlief, weil ihr Körper versagte und den schweren Verletzungen unterlag. Ich setzte kurz nach meinen Worten vorsichtig den verletzten Arm in Bewegung, um mit den leicht zittrigen Fingern das ohnehin sehr locker sitzende Oberteil nur ein kleines Stück nach oben zu schieben, um ihr im Anschluss ungehindert knapp oberhalb ihrer Hüfte sanft über die Haut zu streicheln. Dabei konnte ich die Hand wenigstens wieder auf der Matratze ablegen, musste sie so nicht angehoben lassen und die Finger zu bewegen reichte aus, was mir die ohnehin nicht vorhandenen Kraftreserven nicht noch weiter schrumpfen lassen würde. Mir war eher nach einer innigen Umarmung, aber das war wohl für keinen von uns beiden gesund, weshalb ich es vorerst bei dieser simplen, aber spürbaren Geste belassen musste.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aryanas Lächeln wurde immer breiter, während er all die tollen Faktoren aufzählte, von denen sie früher nie geglaubt hatte, dass sie je in dem hier resultieren würden. Aber da lagen sie nun... mit Herzen voller Liebe. Und die Brünette konnte und wollte nicht mehr leugnen, dass sie Mitch voll und ganz verfallen war. "Ich habe ja keine Ahnung... wovon du sprichst... Müssen also... die Klamotten gewesen sein, ja...", bekräftigte sie sarkastisch ihre vorhergehende Behauptung, deren Inhalt hier wohl keiner ernst nahm. Sie spürte den zarten Kuss auf ihrer Schulter, öffnete langsam die Augen wieder, um zu ihm rüber zu schielen. Was unweigerlich in Schwindel resultierte und sie kurzzeitig das Gesicht verziehen liess. "Ach was... Hättest du es nicht... gemacht...", sie brauchte sich nicht die Mühe zu machen, diesen Satz zu Ende zu sprechen. Sie wussten beide, was passiert wäre, wenn er sie nicht mitgeschleift hätte. "Danke trotzdem", war letztendlich alles, was sie dazu noch zu sagen hatte. Sie drehte den Kopf noch etwas mehr in seine Richtung, sodass sie ihn möglichst unbeschwert anschauen konnte. "Lieber nicht... Da war keiner mehr... der dich auch hätte stützen können...", lehnte sie seine Aussage, dass er lieber selber noch ein paar Kugeln gefangen hätte, als sie sterben zu lassen, ab. Beides hätte nicht gut geendet, aber sie war sich ziemlich sicher, dass Mitch mit zwei Kugeln mehr auch nicht mehr hätte stehen können. Also konnten sie wirklich nur auf das nächste Wunder zurückblicken, jetzt, wo sie alle noch lebten. Alle - ausser Harshall, der sie kurz davor vor dem Tod gerettet hatte, indem er die Druckverbände angelegt hatte. Harshall und all die anderen Soldaten, die diesen Tag mit dem Leben bezahlt hatten, weil mal wieder zweifellos nicht alle so viel Glück hatten haben können, wie sie... Sie war froh, als Mitch weiterredete, sie aus dem dunkeln Gedankenzug fischte, dem sie beinahe wieder verfallen wäre. Sechzehn Stunden sagte er da. Sie fühlte sich nicht ansatzweise so erholt, wie man sich nach sechzehn Stunden Schlaf fühlen sollte. "Ich verspreche dir ungern Dinge... die ich nicht beeinflussen kann... Aber gut, ich werde mich bemühen... Weil du es bist...", war ihre wage Antwort darauf. Aber es würde besser werden. Sie würden bald nach Hause gehen. Wenn sie Glück hatten - mal wieder - dann mussten sie gar nicht mehr zurück sondern konnten ihre Army Karriere hier und jetzt an den Nagel hängen. Aryana wusste nicht genau, wie viel es für eine solche vorzeitige Begnadigung brauchte... Aber sie hoffte, dass ihr Fast-Tod genug gewesen war. Denn so sarkastisch sie seine Worte gerade aufgenommen hatte - Aryana wollte wirklich nicht ein weiteres Mal riskieren, Mitch zu verlieren oder selbst zu sterben. Sie wollte diesen Ort nicht länger aushalten müssen. Diese ewigen Schiessereien, Bombeneinschläge, die ständige, unterschwellige Gefahr... Nein, es war Zeit, endlich zu gehen und die dämliche Uniform, mit der sie für so viele Werte einstehen sollte, die sie längst nicht mehr unterstützte, nie wieder anzuziehen. Sie brauchte einige Sekunden, um den mühsamen Versuch, ihre rechte, ihm zugewandte, Hand zu heben, erfolgreich durchzuführen. Aber irgendwie schaffte sie es dann doch, brachte ihre Glieder dazu, ihr wenigstens so weit zu gehorchen, dass sie ihre Finger auf die seinen legen konnte. Einen Moment blieb sie still liegen, blinzelte müde in seine Richtung und konzentrierte sich lediglich auf das Atmen und seine Nähe. Das nervige Pfeifen in ihrem Ohr, das durch das regelmässige Piepsen des Monitors neben ihm Bett nicht unbedingt gelindert wurde. "Denkst du... sie lassen uns jetzt endlich gehen..?", fragte sie Mitch leise, als hätte er eine Antwort auf diese Frage. Sie hatte sich noch gar keine Gedanken darüber gemacht, dass mit den Aussagen des Syrers im ehemaligen Büro des Lieutenant nun jeder über Mitch's Verrat informiert war. Und darüber, dass sie offensichtlich davon gewusst und nichts gesagt hatte. Dass alles davon möglicherweise noch Folgen haben könnte, rein theoretisch... Wenn es ganz dumm ging...
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Mit ihrer Antwort ließ Aryana meine Mundwinkel unweigerlich noch einmal sichtbar nach oben wandern. Es war einfach nach wie vor recht ironisch, wie lange wir uns diese reine Freundschaftssache eingeredet hatten, da konnte ich nicht anders als darüber zu schmunzeln - ebenso wie bei der Klamottengeschichte. "Dann muss ich meinen Kleiderschrank wohl früher oder später um ein paar Krankenhausfetzen erweitern.", blieb ich ganz bei dem sarkastischen Gerede mit einer weiteren, nicht ernst gemeinten Bemerkung. Ich wollte nicht einmal daran denken, dass die junge Frau ziemlich sicher nicht mehr hier wäre, wenn ich nicht mehr im Stande dazu gewesen wäre sie mitzunehmen. Ihr zumindest ein bisschen Gehhilfe zu geben, damit sie noch bis zum rettenden Floß gekommen war. Ich schüttelte innerlich also ganz schnell den Kopf, damit sich dieser Gedanke gar nicht verfestigen konnte. Was hätte es mir denn gebracht, stattdessen mich selbst zu retten? Dann würde ich mir zusätzlich zu dem riesigen, nicht mehr auszufüllenden Loch in meiner Brust auch noch für den Rest meines Lebens Vorwürfe machen, weil ich die schlanke Brünette nicht hatte retten können. Nein, da wäre ich vermutlich lieber gleich mit ihr auf dem Schlachtfeld am Tor verreckt. Zwar glaubte ich nicht daran, dass man sich nach dem Tod noch einmal traf, aber das war trotzdem ein durchweg schönerer Gedanke als allein noch weiterhin im Leben stehen zu müssen. Es war nach wie vor ein bisschen gruselig, wie unheimlich schnell ich mich an Aryana und ihre Nähe gewöhnt, ja mich sogar irgendwie inzwischen davon abhängig gemacht hatte. "Und dann ohne dich weiterleben? Auch nicht besser...", murmelte ich leise vor mich hin, wobei meine Augen wieder die ihren fanden, nachdem ich den Blick unbewusst zuvor ein wenig gesenkt und damit nur mehr ihre Halsbeuge fixiert hatte. Ein halbes Ja reichte mir vollkommen. Immerhin wusste ich sehr gut, wie wenig man Einfluss darauf hatte, ob und wie man in einem Krankenhaus landete, oder gar gleich in einen Leichensack gepackt wurde. Es war also absolut ausreichend, dass Aryana mir versicherte sich damit Mühe zu geben und so weit es ging eben darauf zu achten, etwaige gefährliche Aktionen zu vermeiden. "Gut. Das war Alles, was ich hören wollte.", bestätigte ich ihr auch noch einmal wörtlich, dass das ausreichend war und ließ meine Lippen ein weiteres Mal an ihre Schulter sinken. Stellte wenig später fest, dass sie mit den kraftlosen Bewegungen dabei war, ihre Hand zu meiner zu bewegen. Das brachte mich kurzzeitig zu einem erneuten, wenn auch müden Lächeln und ich strich der Brünetten von nun an an Stelle der Hüfte hier und da über ihre Finger, auch wenn ich weiterhin viele Pausen dazwischen machte. Zwar war der Schmerz durch die Opiate nicht wirklich vorhanden, aber ich merkte wie durch die Bewegungen meiner Hand auch immer wieder Zug auf den genähten Streifschuss am Unterarm kam, weil die Sehnen darunter bis in den Arm verliefen, also hielt ich mich ein wenig zurück. Aryanas noch folgende Frage ließ mich dann auch ganz schnell mit dem Lächeln aufhören, war sie doch ziemlich ernst. Ich wünschte es wirklich. Hoffte mit jeder Faser meines Körpers, dass die Fänge der Army sich endlich um uns lösten und wir gehen konnten - wir brachten ja sehr offensichtlich ohnehin nicht mehr viel außer Ärger. Immerhin war wegen uns das Camp niedergewalzt worden, nachdem wir in die Hügel aufgebrochen waren... aber da war eben immer noch die Sache mit Temiz. Seine Worte und auch seine Taten. Das Video vor einiger Zeit und seine Worte im Büro wären absolut ausreichende Indizien dafür mich endgültig hinter Gitter wandern zu lassen. Ragan brauchte nur entsprechend auszusagen, das Ganze noch einmal zu bestätigen und die Sache war erledigt. Aryana wurde womöglich auch noch wegen Beihilfe verurteilt und die Sache wäre gelaufen. "Ich... ich weiß es nicht.", war im ersten Augenblick Alles, was ich mit einem leisen Schlucken und nur dünner Stimme über die Lippen brachte. Mein Blick senkte sich indessen zurück auf ihre Schulter, während mich die Selbstvorwürfe nur so überrollten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das klang ja wirklich nach einer hervorragenden Idee. Wenn sie dann irgendwann in einer gemeinsamen Wohnung in Amerika endeten, würde sie sicherlich viel Wert darauf legen, seinen Kleiderschrank mit einem entsprechenden Abteil für Krankenhausfetzen auszustatten. Nur, damit er sie dann Abends, nach einem langen Tag auf welcher Arbeit auch immer, damit überraschen konnte. Doch, das klang besonders reizend. "Dann freue ich mich doch darauf... dass du zukünftig nicht mehr halb draufgehen musst... um in dieser Aufmachung vor mir zu stehen... liegen... was auch immer", verkündete sie glücklich und lächelte nochmal leicht vor sich hin. Dass er ein Leben ohne sie nicht mehr wirklich als lebenswert erachtete, konnte sie eigentlich sehr gut verstehen. So deutete sie nur schwach ein einseitiges Schulterzucken an, sagte aber nichts mehr dazu. Denn es ging ihr ja nicht anders. Sie hätte zwar noch Faye, aber ob sie ihrer Schwester wirklich noch was bringen würde, nachdem sie mit Mitch den nächsten, unersetzlichen Menschen in ihrem Leben verloren hätte, war mehr als fragwürdig. Sie für ihren Teil wagte das stark zu bezweifeln und so hoffte sie mit allem, was sie hatte, dass sie wenigstens diese beiden Menschen bis ans Ende ihrer Tage behalten konnte, nach allen, die sie schon verloren hatte. Einfach nur diese zwei, ohne die sie nicht mehr sein wollte... "Wir bleiben einfach beide am Leben, okay?", murmelte Aryana, während sie ihn mit einem schwachen Lächeln dabei beobachtete, wie er ihre Schulter mit einem weiteren sanften Kuss segnete, der ihre Haut warm werden liess. Sie wünschte, es wären ihre Lippen. Aber das musste wohl noch warten. Wenigstens, bis der dämliche Schlauch aus ihrem Gesicht verschwunden war. Sie würde ihn ja selbstständig wegnehmen, bezweifelte aber irgendwie stark, dazu im Stande zu sein, ihre Hand bis zu ihrer Nase zu heben. Also blieb er noch eine Weile da und sorgte dafür, dass ihrem schwachen Körper der Sauerstoff auf keinen Fall ausging. Der Brünetten entging nicht, dass ihm das Lächeln nach ihrer zurückhaltenden Frage vergangen war. Und es war verständlich. Denn je mehr sie selbst über die paar Worte nachdachte, umso unwohler wurde es auch ihr zumute. Sie waren noch lange nicht raus... Nicht, solange sie nicht eine Erklärung zu all dem abgegeben hatten, was passiert war. Weil dieser Angriff nunmal grösstenteils auf ihre Kappe ging. Weil sie Scheisse gebaut hatten. Weil sie auf eigene Faust gehandelt hatten. Im Glauben, dabei nur sich selbst zu gefährden... Aber das wäre wohl zu einfach gewesen. "Wir sitzen wohl... mal wieder... in der Scheisse...", hauchte sie erschöpfter, als sie es so kurz nach dem Aufwachen sein sollte, vor sich hin. Ihre Augen lagen unverändert auf seinem Gesicht, beobachteten unglücklich die Emotionen, die sich darin abspielten. "Hey...", ihre Finger strichen nun ihrerseits über die seinen, sie beugte sich etwas näher zu ihm hin, um ihm einen etwas mühevollen Kuss auf die Stirn zu hauchen und dann mit leicht verzogenem Gesicht sofort wieder zurück ins Kissen zu sinken. "Mach... mach dir jetzt keine... Vorwürfe... Wir... schaffen das schon... Irgendwie geht es... immer... Du hast Ragan... auch das Leben gerettet... Vielleicht... vielleicht hilft er uns... Wenn das nötig... werden... sollte...", flüsterte sie stockend und ziemlich ausser Atem vor sich hin, bemühte sich um Optimismus, irgendwelche Zuversicht, dass das nicht ganz so schlimm werden würde, wie es werden könnte. Dass sie nicht so kurz vor dem Ziel so bitter auf die Fresse stolpern würden.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Beide am Leben bleiben klang hervorragend. So musste keiner von uns beiden unter dem Verlustschmerz leiden und wir konnten rein theoretisch gesehen den Rest unseres Lebens irgendwo verbringen, wo uns nur möglichst wenige Menschen auf die Nerven gehen konnten. Dabei wusste ich noch nicht einmal wirklich, wie ich eigentlich genau leben wollte. Eher ein bisschen außerhalb oder doch direkt in irgendeiner Stadt? Hatte beides seine Vor- und Nachteile, die es abzuwägen galt. Aber irgendwo vollkommen im Nirgendwo zu wohnen wäre wohl nicht so mein Ding. Da wäre allgemein zu wenig los, so ein bisschen Hektik im Alltag brauchte ich nach all den Jahren in der Army vermutlich doch irgendwo. Aber noch lag das ohnehin in weiter Ferne, hatten wir vorher doch mit ein paar anderen Dingen zu kämpfen. "Deal.", willigte ich murmelnd erst einmal überflüssigerweise ein, wobei sich die Schatten des anderen Gesprächsthemas aber unweigerlich immer weiter über mich legten. Es ließ sich irgendwie einfach nicht vermeiden, jetzt wo ich mich inzwischen ganz gut damit angefreundet hatte, durchaus das eine oder andere Gefühl zuzulassen und nicht immer nur alles hinter der kalten Fassade gefangen zu halten, damit es auch bloß keiner zu Gesicht bekam. Zumindest Aryana gegenüber, weil ich mir einfach absolut sicher damit war, dass sie mich nicht einfach so mal fallen lassen würde. Weder wegen einem falschen Wort, noch einer falschen Tat. Gerade letzteres bestätigte sie mir mit ihren Worten noch einmal sehr eindeutig, nur war sie vermutlich der einzige Mensch auf diesem Planeten, der mich nicht mehr deshalb verurteilen würde. Denn ja, wir saßen in der Scheiße. Sie vielleicht knie- oder maximal hüfthoch, aber ich mindestens bis zum Hals. Ich für meinen Teil war mir auch wirklich nicht sicher damit, ob Ragan auch nur ein einziges gutes Wort für mich, beziehungsweise uns beide einlegen würde. Wusste nicht, ob da meine Hilfe für ihn auf den letzten Metern wirklich so ausschlaggebend war. Ich hatte ihm gegenüber zwar kein einziges Mal so rebelliert oder mich so ignorant gezeigt wie bei Warren, hatte mich seinen in der Regel sinnvollen Befehlen kommentarlos gefügt. War tatsächlich sowas wie ein guter Soldat gewesen, könnte man sagen. Nur war das an sich eigentlich gar nichts besonderes, sondern sollte der Standard sein. Dass ich von letzterem in vielerlei Hinsicht weit entfernt war, war aber nicht wirklich was Neues. Zumindest die sachte Lippenberührung auf meiner Stirn konnte den Sturm in meinem Kopf kurzzeitig ein wenig beruhigen. Ließ mich die Augen schließen und einmal ein wenig tiefer durchatmen. Aber es war schlichtweg wahnsinnig schwer nicht daran zu denken, dass fast alles an dieser beschissenen Ausgangslage ganz einfach meine Schuld war. Früher wäre mir das unfassbar egal gewesen, aber es hatte sich so gut wie Alles in meinem Leben geändert, wenn man es mit meinem Dasein vor zwei Jahren verglich. "Ich wünschte nur, ich... ich hätte dich da nicht mit rein gezogen...", nuschelte ich leise an ihre Schulter. Es ließ sich eben nicht rückgängig machen, genauso wie mein einstiger Verrat an unzähligen anderen Soldaten. "Aber ja, vielleicht... kann der Lieutenant da zumindest ein bisschen was drehen...", fügte ich leise seufzend noch ein paar Worte mehr hinzu, öffnete dabei erneut die Augen und ließ sie wieder Aryanas braune Augen finden. Es blieb uns ja nichts anderes übrig als auf diese eine, kleine Option zu hoffen, oder? Ich wüsste zumindest nicht, was uns sonst noch aus dieser Patsche helfen konnte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +