"Das hoff' ich doch auch", grinste die Brünette leicht zu ihm hoch, weil keine ihrer bisherigen Optionen auch nur annähernd ihr ehrliches, langanhaltendes Interesse geweckt hätte. Aber noch hatten sie Zeit, darüber nachzudenken und noch gab sie den Glauben daran nicht auf, dass auch sie beide irgendwas zumindest teilweise Passendes für sich finden würden, wenn sie erstmal in die Heimat zurückkehrten. "Ich erwarte mindestens zwei tolle Vorschläge von dir, wenn ich dich das nächste Mal sehe. Immerhin hast du mehr als genügend Zeit, dir sehr, sehr viele Gedanken darüber zu machen", erklärte sie sarkastisch, als wäre er nun für die Ideen zur Zukunftsgestaltung - selbstverständlich von ihnen beiden - zuständig. Einen Moment lang blickte sie ihm einfach nur stumm lächelnd in die Augen, zog ihre Hand ebenfalls unter seinem Shirt hervor und legte sie stattdessen auf seinen Fingern ab. Ihre Mundwinkel sanken erst dann mit einem leisen Seufzen wieder ab, als er das Wort erhob und sie damit unweigerlich auf den Boden der unumstösslichen Tatsachen zurück holte. Sie musste gehen. Ihn wochenlang mehr oder weniger alleine hier zurück lassen."Ich auch... Aber wenn schon unter deiner Decke, so möchte ich dann echt auch nicht von irgendeinem unerfreuten, humorbehinderten Spielverderber hervorgezerrt werden", gab sie dem Ganzen schmollend zu bedenken, erwiderte den kurzen Kuss, den er folgen liess. Und auch mit seiner nächsten Frage machte er ihr keine Freude, aber sie würde einfach mal so nett sein, dies zu ignorieren, während sie den Kopf etwas hob, um ihr Handgelenk beziehungsweise die Uhr, die sich darum schlang, zu betrachten. Ein weiteres, schweres Seufzen folgte, Aryana legte ihre Lippen nochmal für einen sehnsüchtigen Kuss auf die seinen. Und beantwortete die Frage somit auch erst ein paar Minuten später. "Noch exakt sieben Minuten... Dann muss ich weg sein, wenn ich meinen Flieger nicht verpassen will. Und eigentlich will ich das sehr gerne, aber es ist wohl von keiner Seite empfehlenswert...", erklärte sie ihm ihren Standpunkt wie auch den Zeitplan. Und da sieben Minuten keine lange Zeit waren, lagen ihre Lippen umgehend wieder auf seinem Mund, während ihre Hand nun in seinem Nacken lag und dort auf und ab vom Saum seines Shirts bis hoch in seine Haare streichelte.
Sie wusste, dass er weinte. Wusste, dass die Tränen kaum so leicht wieder ein Ende gefunden hatten. Denn er litt genau wie sie, kämpfte mit den gleichen Gedanken, den gleichen Ängsten. Und die schob man nicht so leicht ohne Tränen zur Seite, wenn sie einen erstmal aus ihrem gefährlichen Hinterhalt überfielen und nicht mehr losliessen. Das hatte nichts mit Schwäche und fehlender Kontrolle zu tun. Wie sollte man nicht weinen, während im eigenen Kopf einer seiner liebsten Menschen wieder und wieder die grausamsten Tode starb? Faye spürte seine Hand, die über die Haut an ihrer Schulter strich. Es war keine Umarmung, weil er im Gegensatz zu ihr genau wusste, dass Umarmungen gerade kaum drin waren - selbst, wenn sie sich diese Nähe gerne schenken möchten. Es war gut, seine Hand überhaupt zu spüren, zusammen mit der Wärme, die sie unweigerlich bekam, solange sie ihre schwachen Arme so um ihn klammerte. Aber es war keine Umarmung. Es war nicht die Art von Komfort, die sie brauchte und suchte. Nichts davon fühlte sich vertraut und natürlich an, am wenigsten ihr Rücken, der nach und nach immer mehr ächzte und brannte unter der scheinbar unnötigen Spannung. Sie hörte Victors Worte und wusste, dass sie der Wahrheit entsprachen. Zumindest im ersten Teil. Denn Nein - sie sollte nicht. Aber sie brauchte seine Nähe. In dieser Form, nicht nur im Wissen, dass er neben ihr sass und sie nicht anfassen konnte, weil er Angst hatte, ihr dabei weh zu tun. Und so schüttelte sie nur schwach, kaum merklich den Kopf und hörte nicht auf ihn, liess die Umarmung kein Ende finden, solange ihr zittriger Körper sie nicht unkontrolliert aufgab. Bis zu dem kurzen Kuss zumindest. Denn dieser führte zwangsläufig dazu, dass sie einen Teil der Spannung in ihren Armen aufgeben musste, um die sanfte Lippenbewegung zu erwidern. Sie hob eine Hand an, strich damit nochmal über seine Wange und seinen Hals hinab. Dann fielen die Finger wie Fremdkörper von ihm ab und kamen irgendwo auf der Decke über seinem Bauch zu liegen, weil Faye nicht mehr die Kraft und Konzentration aufbringen konnte, um sie zu steuern und weiter oben zu halten. Ihr Kopf lag nun wieder an seiner Schulter, absolut ohne Elan oder irgendeine Form der Körperspannung, die Augen, aus denen weiterhin Tränen flossen, erschöpft geschlossen. "Ich weiss... Aber... Aber ich brauche... dich doch... du sollst nicht... Weinen müssen... Und... Liebe... Liebe heilt... hab ich immer gedacht...", sprach sie stockend weitere Sätze verzweifelter Thesen aus, an die sie sich klammerte, als gäbe es sonst keinen Halt mehr für sie. "Ich liebe dich...", ihre Stimme glich mittlerweile wieder einem dünnen Flüstern, als sie ihm versicherte, was er längst wusste. Mittlerweile war ihr heiss und kalt zugleich und ihr Körper schrie nach Schmerzmittel. Nach Morphium - genug davon, um ihre Sinne wieder zu betäuben. Sie würde gerne eine Krankenschwester rufen. Aber dann würde diese Victor aus ihrem Bett verbannen, was wiederum alles war, was Faye absolut nicht riskieren konnte. Sie brauchte ihn hier bei sich, jetzt und für immer. Gegen seine Abwesenheit schienen die Schmerzen plötzlich doch wieder ganz erträglich. Hauptsache, er war bei ihr.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ach, war das so, ja? Ich sollte meine Denkbirne hier drin für uns beide anstrengen, damit sie sich auf den Papierkram in ihrem Sergeant-Büro konzentrieren konnte? Ich meine, natürlich würde ich so oder so viel Zeit damit verbringen, über Irgendwas nachzudenken - sehr viele Beschäftigungsmöglichkeiten hatte ich hier ja nicht, mal von der Therapie abgesehen. So weit ich wusste blieb ich auch nicht mehr allzu lange hier im Krankenhaus. Zwei Wochen vielleicht noch, damit sie sicher gehen konnten, dass mit der Schulter Alles nach Plan lief und ich meinen Arsch wirklich überwiegend im Bett parkte, damit auch die Wunde an der Hüfte ihre Ruhe bekam. Danach war ich zumindest auf freiem Fuß, musste nur für die regelmäßigen Untersuchungen und die Physiostation immer wieder ins Hospital zurück. Hin und wieder würde ich danach dann noch bei den anderen beiden Invaliden vorbeischauen und ansonsten wohl zumindest in den ersten Tagen mein Leben überwiegend in einem Hotelzimmer fristen. Wohnung hatte ich keine, schon gar nicht in Texas. "Klar... und damit du auch auf jeden Fall daran teilhaben kannst, werd' ich dir dann ein Selfie aus der angenehm warmen Sonne schicken, während ich auf einer Parkbank sitzend nachdenke und Enten fütter'.", erwiderte ich reichlich sarkastisch. Also der Teil, dass die Sonne hier in den Staaten weit angenehmer war, als drüben in der Wüste, stimmte schon. Nur der Rest halt nicht wirklich, würde ich mich wohl kaum an einer Seniorenbeschäftigung wie dem Füttern irgendwelcher Wildvögel erfreuen. Aber ein schonender Gang durch einen Park wäre mir ab einem gewissen Punkt sicher doch ganz Recht. Auch, wenn ich dabei eher nicht schnell oder elegant vorwärts kommen würde, solange die Schussverletzung an der Hüfte nicht so gut wie weg war. Vermutlich würde es die Situation wirklich nur unangenehmer machen, wenn sie mir doch noch Jemand wegnahm, wenn sie sich zuvor im sicheren Deckenversteck bei mir befand. Also doch lieber sein lassen, zu unser beider Willen. Ich nahm die kleine Verzögerung ihrer Antwort auf meine Frage auch gerne erstmal einfach so hin und genoss den Kuss, auf den jedoch weniger schöne Nachrichten folgen sollten. Nur sieben Minuten? Das war noch weniger, als ich gehofft hatte. Also war ich gerne bereit dazu den kläglichen Rest an gemeinsamer Zeit mit Zärtlichkeiten zu verbringen. Ließ mich auf den Kuss ein und versuchte Aryana damit all das fühlen zu lassen, was wir nicht aussprachen. Ihr zu vermitteln, wie wichtig sie mir war und wie sehr ich sie vermissen würde, ohne Worte dafür nutzen zu müssen. Ich wollte nicht, dass es in den letzten Minuten hier zwischen uns noch irgendwie anstrengend oder kompliziert wurde, also verschoben wir das besser noch ein paar Wochen nach hinten. Meine Hand strich weiter über ihre Haut, während der Kuss anhielt. Erst ein wenig über ihre Wange, dann weiter unter ihren dunklen Locker durch den Nacken, anschließend am Genick abwärts und schließlich wieder unter dem Stoff an ihrem unteren Rücken, um sie ein wenig mehr am mich zu drücken. Nach und nach drehte ich mich dann immer weiter in ihre Richtung, lag irgendwann eher seitlich. War mit dem Oberkörper ein wenig über sie gebeugt, weshalb die Streicheleinheiten eingeschränkt wurden, stützte ich mich damit letzten Endes doch auf den einzigen einsatzfähigen Unterarm, der unter der Brünetten begraben wurde.
Vermutlich hätte mir schon vorher klar sein können, dass die zierliche Brünette kaum oder gar nicht auf mich hören würde. Wieso sollte sie auch, solang sie der Schmerz noch nicht umbrachte? Ich hatte keinerlei Zweifel daran, das ihr Rücken schon ganz eindeutig zu ihr sagte, dass das nicht okay war - nur scheinbar war das in ihren Augen weit nicht so schlimm wie die für uns ungewohnte Distanz zwischen einander. Gerade in einem Moment wie diesem, wo wir uns doch beide nichts sehnlicher wünschten, als uns in eine Umarmung flüchten zu können. Nicht so eine, wie sie hier gerade schrecklich einseitig passierte - eine richtige. Es war daher doch mehr oder weniger gut, dass der Kuss sie final davon abbrachte noch mit der Umklammerung weiter zu machen. Das leichte Streicheln an meiner Wange linderte zumindest ein kleines bisschen die Anspannung, die sie zwangsweise durch all die negativen Gefühle und Worte in meinem Oberkörper gebildet hatte. Als Faye dann letztlich zurück an meine Schulter sank nutzte ich die frei gewordene Hand dazu, ihr noch ein paar der folgenden Tränen von den geröteten, heißen Wangen zu streichen Ich hoffte wirklich inständig, dass sie mit ihrem halben Satz Recht behielt. Dass die Liebe, so verkrüppelt wie wir psychisch und körperlich auch gerade beide waren, irgendwann die Wunden wieder heilen konnte. Sie uns nicht zum Verhängnis wurde, sondern wir uns gegenseitig wieder zurück an die Wasseroberfläche trugen, nachdem wir an den Grund gesunken waren. Wirklich Nichts wünschte ich mir mehr als das, aber gerade zum aktuellen Zeitpunkt ließ sich dazu schwer eine Prognose stellen. Wir würden es einfach mit allen Mitteln versuchen müssen. "Das wird sie noch... ganz sicher... wir müssen nur... ein wenig Geduld haben.", murmelte ich mit inzwischen leicht kratziger Stimme zu ihr runter, weil sich ein unangenehmer Druck in meinem Hals gebildet hatte. Es folgte noch ein leises Räuspern meinerseits, um ihn zumindest halbwegs loszuwerden, bevor meine Hand sich wieder vorsichtig an ihren Hinterkopf legte. "Ich liebe dich auch... jetzt und für immer... Nichts und Niemand wird daran etwas ändern.", gestand ich der jungen Frau ebenfalls meine Liebe zu. Hängte noch ein paar mehr Worte dran in der Hoffnung, dass sie mir das auch glaubte, weil es ganz einfach so war. Auch, wenn wir eine schwierige Zeit vor uns hatten und uns das potenziell zu Grunde richten könnte, würde sie Nichts an meinen Gefühlen für Faye ändern. Nicht einmal der eigentlich nur in meinem Kopf existente Schmerz, der sich durch das Nerven zerreißende Gespräch hier wieder zu Wort meldete. Wieder damit anfing, mir penetrant in den Rücken zu stechen, auch wenn da schon lange kein Schmerz mehr sein konnte. Obwohl ich dadurch unweigerlich das dringende Bedürfnis dazu bekam, den durch das Liegen entstehenden Druck von meinem Rücken zu nehmen, verharrte ich weiter in meiner liegenden Position. Saß ihn einfach aus, wie ich es schon unzählige Stunden und Tage in meinem Leben hatte tun müssen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie für ihren Teil, fand das eine wirklich gute Idee. Er hatte wie gesagt sowieso nichts zu tun während seines Krankenhausaufenthaltes, also konnte er genauso gut nachdenken und die Tiefen des Internets nach Möglichkeiten zur Fortbildung für zwei Ex-Soldaten durchforsten, die sich gerne in die Durchschnittsgesellschaft eingliedern möchten. Oder mussten, weil es eben das war, was verlangt wurde, sobald man hier lebte. War ja jetzt nicht unbedingt so, als würde Aryana sich darum reissen - viel mehr graute ihr von einem solchen 08/15 Leben. Ein Leben, in dem man Morgens zur Arbeit fuhr, acht bis neun Stunden da blieb, irgendwann nach Hause kam und todmüde nur noch irgendwelches Scheiss-Essen - kochen konnte sie ja, wie schon einmal festgestellt, wahrscheinlich eher schlecht - in sich hineinschaufelte und dann ins Bett fiel. Das klang grausam. Also sollte Mitch bitte mal seine Denkbirne anstrengen für ihr Allgemeinwohl. "Das klingt gut. Ich kann mir schon vorstellen, dass ich dabei vor Neid platzen werde. Spätestens dann, wenn ich von dem Foto auf das Chaos auf meinem Schreibtisch blicken werde", meinte sie ebenso sarkastisch. Sie wollte gar nicht wissen, was Ragan ihr alles ins Büro schaufeln würde, solange sie dort mehr oder weniger fest sass. Und dann sollte sie ihren rechten Arm noch nichtmal bewegen. Fun times ahead, so viel stand fest. Die Brünette liess sich liebend gerne in den folgenden Kuss verwickeln, der eindeutig einen langen Abschiedskuss darstellte. Ihnen noch einmal die Möglichkeit bot, all das zu tanken, was sie dann wochenlang vermissen mussten. Und er beschloss offensichtlich mit allem, was er tat, sie ihn noch mehr vermissen zu lassen, als das sowieso schon der Fall war. Denn sie liebte seine Finger auf ihrer Haut, dieses Kribbeln, das sie erfüllte, die Berührungen seiner Lippen, die Nähe, als er sie ins Kissen zurück schob und sich über sie beugte... Sie liebte alles davon. Vielleicht liebte sie auch ihn. Und vielleicht sollte sie es ihm sagen, bevor sie in den Krieg zurück kehrte. Aber im Moment war sie zu beschäftigt mit den Küssen und ausserdem wusste sie nicht, wie man sowas ausdrücken sollte. Wahrscheinlich wusste er es schon lange, genau wie sie den Eindruck hatte, dass er ihr immer wieder das Gleiche vermitteln wollte. Reden war halt schwierig, da beherrschten sie das Küssen eindeutig besser. Ihre Hand wanderte derweil von seinem Nacken zu seiner Wange und irgendwann ebenso wieder unter sein Shirt. Als er sich über sie beugte, schob sie das Shirt in der Bewegung ein Bisschen hoch, als ihre Hand immer weiter auf der nackten Haut an seinem Rücken nach oben wanderte, sie irgendwann zwischen seinen Schulterblättern ankam, wo sie ihn mit leichtem Druck noch näher an sich heran drückte. Erst in einer atemlosen, kurzen Pause der Küsse, in der sie für einen Moment die Augen öffnete, um ihn mit einem verzückten Funkeln im Blick anzuschauen, ergriff sie doch nochmal das Wort. "Du hast eine seltsame Art, mich so unglaublich süchtig nach dir zu machen, Mitchell Warwick...", hauchte sie leise, lächelte ihn dabei genau so an, wie sie sich fühlte. Und ja, das war wohl das Nächste, was sie zu einem Liebesgeständnis herausbrachte. Alles, was er wissen musste. Alles, was er längst wusste.
Sie würde heute keine Umarmung von ihm bekommen. Genau wie gestern auch nicht. Oder vorgestern. Oder an irgendeinem Tag seit da, wo sie noch stur daran festgehalten hatte, das Schlimmste überstanden und den Krieg bald schon mit ihm hinter sich gelassen zu haben. Sie bekam keine Umarmung, weil er glaubte, dass das besser für sie war. Weil er versuchte, sie zu beschützen. Dabei hatte sie nie darum gebeten. Dabei würde es ihm so viel besser gehen, wenn er aufhören würde, sie zu beschützen. Er hätte so viel weniger Sorgen. Könnte sich stattdessen auf seine eigenen Probleme und Schmerzen konzentrieren, die doch längst genug Gewicht auf seinen lädierten Schultern darstellten. Und doch tat es gut, dass er hier war und sie sich - wenn auch ungewollt und unfreiwillig - an seiner Schulter ausheulen konnte. Seine Berührung wenigstens an ihrer Wange zu spüren, wo seine Finger ihre Tränen trockneten. Es war wenig, viel weniger, als sie sich wünschte, weniger, als es brauchte, um ihr Weinen endlich zu stoppen. Aber es war trotzdem beruhigend. Denn es war seine Hand, es waren seine Finger, seine Nähe. Er lebte und er liebte sie noch immer, wie er gleich darauf ebenfalls kundgab. Und das war gut. Faye blieb einen Moment lang still, während sie versuchte, sich wieder zu sammeln und nicht mit weiteren Worten mehr Tränen hervor zu rufen. Ihre Hand lag noch immer kraftlos auf der Decke in Victors Schoss, wo sie vorhin hingerutscht war. Sie würde ihn gerne ebenfalls streicheln, berühren, aber wahrscheinlich half sie ihm mehr, wenn sie erstmal aufhörte, zu Weinen. Und beides gleichzeitig lag nicht drin. Also konzentrierte sie sich aufs Atmen, bis sie sich dann doch nochmal bewegte, den Blick hob, um den jungen Mann anzuschauen. Sie sah seine Augen, seinen Gesichtsausdruck. Sie wusste, was das bedeutete, hatte sie genau diese Mimik doch schon so oft bei ihm beobachtet. Wenn auch eigentlich nicht in den letzten Wochen bis Monaten. Ihre Augen füllten sich erneut in tiefer Sorge, während sie nun doch mühsam die Hand anhob, um sie an seiner Wange zu platzieren. "Es tut wieder weh, nicht wahr?", murmelte sie, wobei das eindeutig mehr eine Feststellung als eine Frage gewesen war. Das war nicht fair. Als hätten sie nicht mit genügend anderen Problemen zu kämpfen! Es war fast so, als würden ihre Leben glauben, dass da noch Luft nach oben (beziehungsweise unten) in der Welt der Hölle war. Die Brünette liess ihre andere Hand, die von der Umarmung her noch immer hinter seinem Oberkörper gelegen hatte, von seiner rechten zu seiner linken Schulter wandern, strich in sehr langsamen, zarten Bewegungen über den obersten Teil seines Rückens. Natürlich lag eine Massage momentan in keiner Form drin, zumindest nicht von ihr. Aber sie würde es trotzdem gerne machen. Nur um seinen gequälten Gesichtsausdruck für einen Moment aufzuhellen...
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Was den ganzen Papierkram anging, den Aryana zweifelsfrei vorfinden würde und zu erledigen hatte, dann war ich wirklich so gar nicht neidisch. Natürlich wäre ich gern selbst ein wenig milder verletzt, aber dann blieb ich doch lieber hier und vertrieb mir die Zeit mit einer Therapie und sehr viel aufkommender Langeweile, als über etliche Wochen hinweg nichts als Schreibtischarbeit zu verrichten. Ich brauchte wohl Niemandem zu erzählen, dass das absolut Nichts für mich war und ich dabei langsam aber sicher wahnsinnig werden würde. Dementsprechend war ich echt froh einfach nur ein 0815-Soldat - nun ja, mehr oder weniger, lag sicher im Auge des Betrachters - zu sein und mich mit Sowas nicht aufhalten zu müssen, weil das gänzlich außerhalb meines Zuständigkeitsbereiches lag. Das Einzige, was ich dahingehend tun musste, war Vertragsverlängerungen zu unterschreiben oder eben Warrens Todesfall zu schildern, das war es dann aber zum Glück auch schon gewesen. Beides würde mir zukünftig in jedem Fall erspart bleiben, weil die Army mich mal kreuzweise konnte und Warren sowieso. Der hatte seine Strafe schon bekommen. Ich wünschte man könnte die sieben Minuten noch irgendwie hinauszögern. Dass Sekunden und damit auch die Minuten keine festen Einheiten waren, sondern ein klein wenig Spielraum für Toleranz übrig hätten. Aber da war es wohl ähnlich wie mit den von mir perfektionierten Schüssen auf lange Distanz - Toleranz gab es keine. Man traf, oder halt nicht. Man kam zu spät, oder eben nicht. Also versuchte ich die Küsse und all die kleinen Berührungen ihrer schmalen Finger voll auszukosten, solange ich noch konnte. So lange, bis der Sauerstoff dank der intensiven Küsse langsam knapp wurde und es eine Zwangspause geben musste. Aryana nutzte jene, um noch ein paar Worte loszuwerden, bei denen ich ihr bereits wieder in die leicht vor sich hin funkelten, braunen Augen sah. So hatte sie mich bis vor einigen Tagen nie angesehen. Natürlich hatten ihre Augen immer mal wieder freudig geglänzt, wenn ich sie zum Lachen gebracht hatte, aber das war gar nicht vergleichbar. Das hier war viel besser und ja, es machte süchtig. Wahrscheinlich noch so viel mehr als die unzähligen Liter Alkohol und weiß Gott was alles für Drogen, von denen ich in meiner Jugend mal geglaubt hatte, sie ausprobieren zu müssen. Die Nähe zu der Brünetten toppte Alles davon und vielleicht machte mir das fast ein kleines bisschen Angst. "Das is gut... dann können wir die Sucht wenigstens gegenseitig stillen.", raunte ich der jungen Frau mit einem schwachen Grinsen leise an die Lippen, dass es mir dahingehend kein Stück anders ging, dicht gefolgt von einem zärtlichen, wenn auch noch etwas atemlosen Kuss. Leider bedeutete das für die nächsten, quälend langen Wochen vorerst noch einen kalten Entzug, aber wir hatten es vorher auch lang ohne einander ausgehalten... allerdings unter vollkommen anderen Bedingungen, nüchtern betrachtet. Ich hatte nicht mehr wirklich Zweifel daran, dass ich mich irgendwie auf sehr unvorhergesehene, vielleicht auch merkwürdige Art und Weise ein bisschen in Aryana verliebt hatte - womöglich doch etwas mehr, aber immer langsam mit den jungen Pferden. "Du musst auf dich aufpassen, ja? Ich weiß nicht, ob ich in schlechter Kondition die Kraft dazu habe, alle Arschlöcher einzeln ausfindig zu machen.", appellierte ich gemurmelt und in der zweiten Hälfte wie so oft hörbar sarkastisch unterlegt an den Verstand der jungen Frau, sich so gut es ging aus Allem raus zu halten. Wenn sie wieder fit war bevor ich zurück kam, dann würde sie vermutlich schon da wieder mit raus müssen. Im Grunde wollte ich auch nicht, dass sie überhaupt wieder raus ging, wenn ich mal ehrlich zu mir selbst war. Nicht, weil ich dachte, dass sie das nicht hin bekam, denn ich wusste ja, dass Aryana schon lange in der Army überlebt hatte und das wohl auch jetzt gekonnt tun würde. Aber ich konnte schwer einschätzen, was es mit mir anstellen würde, wenn ihr doch was passieren sollte... wo wir wieder bei der leisen Angst waren.
A
In diesem Moment war es wohl Fluch und Segen zugleich, dass Faye mich so unheimlich gut kannte. Vermutlich inzwischen sogar besser, als jeder andere. Einfach, weil ich ihr wirklich ausnahmslos Alles erzählte, was in mir vorging. Bei meiner Familie war das anders. Die ließ ich nur wissen, was sie unbedingt wissen mussten, um sie nicht noch mehr zu beunruhigen und zu belasten. Deshalb hatte ich sie auch darum gebeten, nicht gleich vorbei zu kommen und mich zu besuchen. Hielt lediglich telefonisch fast täglich Kontakt zu ihnen, weil ich nicht wollte, dass sie mich ein weiteres Mal so sahen. Ich tat mir schon schwer damit Fayes geballte Sorgen zu ertragen, da sollte nicht noch das Weinen meiner Mutter und der unkontrolliert kontrollierte Gesichtsausdruck meines Vaters hinzu kommen. Von Hazel mal ganz zu schweigen, ich sah sie nicht gern weinen. Also ließ ich sie mit dem Treffen noch warten, bis ich wenigstens wieder ein paar Meter selbstständig gehen konnte und die schlimmsten Verletzungen nicht mehr sichtbar waren. Natürlich musste der angebrochene Arm geschient bleiben und auch das Bein würde noch eine halbe Ewigkeit brauchen, aber ich meinte auch mehr all die hässlichen Hämatome. Faye hingegen brauchte ich gar nicht zu sagen, was mir fehlte - sie sah es, ohne dass ich es aussprechen musste. Ich seufzte leise und senkte den Blick auf die Bettdecke ab, während ich die sachte Berührung an meiner Wange förmlich in mir aufzusaugen versuchte. Gleichzeitig war ich bemüht darum den durch den Schmerz angespannten Gesichtsausdruck ein wenig zu lockern, aber das gelang wohl auch nur mäßig. "Ja, schon...", gestand ich der zierlichen Brünetten die Wahrheit, die sie längst wusste. Genau deshalb würde es auch absolut gar nichts bringen, wenn ich mit einem Nein antworten würde, um ihr mehr Sorgen zu ersparen. Trotzdem wünschte ich, dass ich ihr dieses Wissen ersparen könnte. "Aber das macht's jetzt auch nicht mehr viel schlimmer... tut ja sowieso schon Alles weh.", murmelte ich kaum hörbar vor mich her, den Blick weiter auf den Bettbezug gerichtet, weil ich Faye nicht noch mehr Unruhe in meinem Blick sehen lassen wollte. Natürlich stimmte das so nicht zu einhundert Prozent. An all die anderen täglichen Schmerzen war ich seit der Einlieferung gewöhnt, die bildeten einfach die Grundlage an Schmerz. Aber die Stiche im Rücken waren einschneidender. So maßgeblich, dass ich wenige Sekunden nach meiner Aussage um ein leichtes Zusammenzucken nicht herum kam, als sich das vermeintliche Messer ruckartig in meine linke Schulter bohrte. So viel dann also dazu. Das war einer der sehr rar gesäten Augenblicke, in denen ich mir wünschte nicht so ein schlechter Lügner und Schauspieler zu sein. Es würde dem kaputten kleinen Ding, das hier bei mir lag, einfach unheimlich viel ersparen. Natürlich könnte ich mich auf die Seite legen, aber das brachte in 95% der Fälle sowieso Nichts. Es war ja kein rational erklärbarer Schmerz, der körperliche Ursachen hatte. Solange der Knackpunkt im Schädel nicht behoben war, war also fast alles Andere zwecklos. Außer vielleicht eine von Fayes Massagen, die jetzt keinesfalls möglich war. Die Streicheleinheiten am oberen Rücken boten minimale Linderung, aber da war es wohl ähnlich wie mit den fehlenden Umarmungen - war eben nicht mal was Halbes und schon gar nichts Ganzes.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aryanas Lippen verzogen sich zu einem breiteren Grinsen, als sie seine Antwort vernahm. Damit die unnötige Bestätigung bekam, dass er ihr hier nichts vorspielte sondern genauso fühlte wie sie selbst. Aber das wusste sie längst. Auch wenn sie es beiden nicht wirklich ansprechen wollten, weil allein das Wort Liebe ihnen beiden wohl gleichermassen absurd und fremd vorkam. Und doch spürte die Brünette genau diese fremdgewordene Regung mehr als deutlich in den Tiefen ihres Herzens, irgendwo in ihrer Brust. "Kann kaum erwarten", lächelte sie nach dem nächsten Kuss, während ihre Hand an seinem Rücken hin und her strich. Zwar würde sich das alles während den verbleibenden Monaten in der Army wohl auch noch schwierig gestalten, aber schwierig war nicht unmöglich und das war schonmal gut. Es wäre für sie wohl noch komplizierter als für Victor und Faye... Klar hatten die beiden auch viel daran gesetzt, sich nicht öffentlich als Liebespaar zu outen. Aber irgendwie wusste es doch fast jeder und das nur von der Art, wie sie miteinander umgingen und voneinander redeten. Das durfte ihr und Mitch nicht passieren. Sonst stand die Umplatzierung des jungen Soldaten schon fast unweigerlich auf dem Programm. Und das wollte sie nicht, genau wie sie die Märchenerzählungen und Gerüchte nicht wollte, die entstehen würden, wenn sie sich nur einmal falsch anblickten oder zusammen auf einem Turm gesehen wurden. Also würde zumindest Aryana aber sicherlich auch Mitch alles daran setzen, ihr verletzliches Glück noch ein paar Monate für sich zu behalten, bis der ganze Spuk sein finales und endgültiges Ende fand. Mitchells leise Aufforderung, die wenig später folgte, liess die Brünette leise seufzen, wenn sie auch weiterhin lächelte. "Mach dir keine Sorgen. Ich pass' immer auf... Sonst wär ich längstens tot. Aber das weisst du", erwiderte sie, ehe sie sich einen weiteren Kuss von seinen Lippen stahl, weil ihr klar war, dass die Zeit dafür gleich abgelaufen sein würde. "Aber pass du auch auf. Auf dich und die anderen, dass mir hier keiner den Verstand verliert... Zumindest nicht, bevor ich zurück bin, um das Chaos mitzuerleben", bat sie ihn ein weiteres Mal mehr oder weniger direkt darum, ein Auge auf die beiden anderen zu haben, solange er selbst noch hier war. Sie wusste, dass er es tun würde, weil er es schon einmal gesagt hatte und grundsätzlich zu seinem Wort stand. Aber es ging ja nicht Mal nur um Faye sondern eben wirklich auch um Mitch. Vielleicht war die Chance, hier zu sterben, um Einiges tiefer als in Syrien. Aber auf sich aufpassen konnte er ja trotzdem. Sie brauchte ihn nämlich noch.
Er versuchte fast umgehend, den Schmerz aus seiner Mimik zu verbannen. Aber selbst dann gelang ihm das nicht wirklich, was die Brünette nicht gerade beruhigte. Aber sie kannte das Problem ja längst. Es gab nichts, was sie tun konnte, um ihm jetzt zu helfen. Eine rettende, ablenkende Massage lag nicht drin. Die Gespräche zogen ihn nur noch weiter runter. Das beste, was sie tun konnte, war wahrscheinlich, einfach endlich still zu bleiben. Seine leisen Worte, die ihr wohl klar machen sollten, dass sein Hauptproblem momentan nicht der Phantomschmerz war, liessen sie nur traurig noch enger an ihn heran rücken. Obwohl das nicht mehr wirklich möglich war, weil sie schon fast auf ihm drauf sass. So dicht, dass sie auch das leichte Zusammenzucken, das seinerseits Sekunden später folgte, keinesfalls verpassen konnte. Faye drückte ihre Schläfe an seine Schulter, während ihr Arm weiter in ständiger Bewegung über seinen oberen Rücken strich, obwohl sie kaum die Energie dazu aufbringen konnte. "Du... du kannst dich auch... drehen... Oder... auf dein eigenes Bett zurück gehen... wenn das hilft...", sie wusste, dass er es jeweils kaum aushielt, wenn er dabei noch auf seinem Rücken lag. Und auch wenn sie hier irgendwas zwischen Sitzen und Liegen praktizierten, war sie sich sicher, dass es alles andere als optimal für ihn war. Sie wollte nicht, dass er sich nur für sie so durchseuchte, und sitzen blieb, obwohl es anders längst nicht so sehr wehtun müsste. "Ich... ich sollte halt nicht massieren... Aber wenn du willst, kann ich vielleicht... ein Bisschen... Salbe oder Creme auftragen...? Das kühlt zumindest kurzzeitig... Vielleicht hilft's", bot sie weiter ihre lächerlich sinnlosen und schwachen Dienste an, die aus allem bestanden, as sie sich irgendwie auch nur in geringster Form noch zutraute. Klar wäre es besser für ihren eigenen Rücken und ihre Schmerzen, wenn sie sich einfach nur stillhalten würde. Aber das hier war sowieso ein Tag zum Vergessen. Ausserdem hatte sie Morphium in Aussicht. Bräuchte theoretisch nur zu klingeln und sagen, dass sie Schmerzen hatte. Also kam sie durchaus klar mit ihren eigenen - körperlichen - Leiden. Mit den seelischen eher weniger, was eben nur noch ein Grund mehr war, hier alles daran zu setzen, Victors Verfassung zu verbessern und damit indirekt auch ihre eigenen Sorgen zu lindern. Also würde sie es bestimmt irgendwie hinbekommen, seinen Rücken einzucremen. Vorausgesetzt er nahm das Angebot überhaupt an.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Mir wäre es auch eindeutig lieber, wenn wir die gezwungenermaßen auftretende Zeit auf Distanz flott überspringen könnten. Sie war halt so unnötig - viel ausrichten konnte Aryana da drüben ja in ihrem Zustand sowieso nicht. Natürlich würde sich ein Teil des Papierkrams stapeln, mindestens der Anteil, auf dem ihre Unterschrift notwendig war. Aber einen Teil davon könnte Ragan theoretisch bestimmt übernehmen, er wollte halt nur nicht. So weit zumindest meine sehr dünne Verschwörungstheorie, in der es für die Brünette in Syrien momentan nicht zwangsweise wirklich Arbeit geben sollte. Mir blieb also gar nichts Anderes übrig, als noch die letzten paar Streicheleien und Küsse abzuholen, bevor die junge Frau wieder zurück in den Krieg ziehen musste. Wenn eben auch in deutlich abgespeckter Dienstausführung. Deshalb erwiderte ich auch den nächsten, kurzen Kuss, der direkt auf ihre nächsten Worte folgte, nur zu gern. Natürlich war mir klar, dass Aryana ohnehin immer aufpasste - sie wäre sonst wie gesagt schon längst unter der Erde. Aber ich wollte einfach, dass sie wusste, dass noch eine Person mehr an ihrem Wohlergehen hing. Das hatte ich vorher - wenn auch ganz sicher weniger bewusst - auch schon getan, nur würde ich mir von jetzt an wohl schlicht viel mehr Gedanken darum machen. Es war jetzt einfach Alles ganz anders als vorher zwischen uns, das ließ sich nicht mehr leugnen. "Es geht mir auch mehr darum, dass dir klar sein soll, dass jetzt noch eine arme Seele mehr an deinem rasanten Lebensstil hängt. Also pflanz' deinen Knackarsch bitte soweit wie möglich auf dem Bürostuhl - danke.", unterstrich ich meine Forderung nochmal ein klein wenig deutlicher. Das Blöde war halt, dass ich das so nicht machen konnte, wenn ich zurück nach Syrien kam. Ich hatte keinen Papierkram, mein Platz war immer entweder auf dem Wachposten oder draußen an der Front. Aber wie Aryana schon sagte - wir hatten bisher beide zu unser eigen Wohlbefinden tunlichst darauf geachtet am Leben zu bleiben, also würde das auch jetzt weiterhin hinhauen. Musste es. "Keine Sorge, ich halt die Bande hier schon zusammen. Hab' ja sowieso nichts Anderes zu tun... außer eben unsere Zukunftsplanung.", erwiderte ich begleitet von einem leichten Nicken, wobei die letzten Worte ein wenig ironisch klangen. Ich wagte nach wie vor nämlich stark zu bezweifeln, dass mir etwas einfallen würde. Wenn doch, dann war das natürlich umso besser. Aber für den Moment war was Anderes sehr viel wichtiger, weshalb ich meine Lippen kurzerhand erneut auf Aryanas' legte. Dieses Mal wieder länger als zuvor, war es doch ziemlich sicher unser letzter, richtiger Kuss. Liebevoll, fast schon ein bisschen wehmütig, sehnsüchtig. Aber auch diese Zärtlichkeit musste zwangsweise nach einigen Sekunden ein Ende finden, woraufhin ich sie direkt ansah. "Meld' dich, wenn du angekommen bist.", bat ich sie noch darum von sich hören zu lassen, wenn sie die lange Reise beendet hatte, egal wie unwahrscheinlich es war, dass ausgerechnet eines dieser Flugzeuge den Bach runter ging und abstürzte. Dann lehnte ich meine Stirn noch für einen kurzen Moment lang an ihre, bevor ich mich mit einem letzten, sehr flüchtigen Kuss von ihr löste und zurück ins Kissen sank. Sie freigab, damit sie den verflucht gemeinen Rückweg ins Nirgendwo antreten konnte.
A
Ihre unerbittliche Fürsorge war zweifelsohne eines der Dinge, die ich so an Faye liebte. Das Problem war wohl nur, dass dieses Bedürfnis, den Anderen um fast jeden Preis über sich selbst zu stellen und dafür zu sorgen, dass es ihm gut ging, auf beiden Seiten existierte. Das war in dieser Situation mehr als nur ein bisschen kontraproduktiv. Es könnte schon sein, dass durch eine veränderte Körperhaltung oder gar etwas kühlende Salbe der Schmerz zumindest ein kleines bisschen weniger wurde. Ich dann zumindest nicht mehr das Gefühl hätte, dass mich Jemand gerade als Vodoo-Puppe benutzte... aber das war dann eben kontraproduktiv für meine bessere Hälfte. Alles, was ihren Rücken nur ein bisschen unter Spannung setzte, war ungesund für ihre eigene Heilung. Sobald Faye die Arme bewegte passierte das aber zwangsweise, im Grunde sollte sie mir hier nicht einmal über den Rücken streicheln, um ihrer selbst Willen. Konnte ich mal egoistisch sein? Nur so ein ganz winziges, kleines bisschen? Nur für eine oder zwei Minuten, damit zumindest das Stechen im Rücken potenziell ein wenig besser werden konnte? Ich tat mir wirklich schwer damit, etwas Derartiges mit mir selbst zu vereinen, weshalb ich wohl auch noch ein paar weitere Sekunden in ein Schweigen verfiel und nachdenklich auf die Bettdecke sah. Aber es war okay, wenn die Brünette mir das von sich aus anbot, oder? Ich war selbst für diese kurze Zeit nur wahnsinnig ungern eigennützig, aber es tat nun mal weh. Überall, nur im Rücken eben gerade am meisten, weil ich mich eigentlich daran gewöhnt hatte, dass der Phantomschmerz nicht mehr da war. Zumindest nur noch selten und absolut nicht in diesem Ausmaß, mehr nur noch als ein kurzzeitiges Pieken, wenn ich mich in einer unangenehmen Situation oder dergleichen befand. Andererseits konnte ich Faye damit vielleicht auch zumindest einen Hauch der Sorge um mich nehmen... wenn auch zu einem unschönen Preis. Es war wirklich nicht einfach. Schließlich nickte ich aber schwach und suchte danach wieder den Blick in ihre blaugrünen Augen. "Okay... aber wenn's zu schlimm wird, musst du's bitte wirklich lassen...", appellierte ich an die Vernunft der zierlichen Brünetten, hielt den Blick dann noch einen Moment, ehe ich mich langsam mehr aufzurichten und mich damit von ihr zu lösen begann. Mich schließlich über die Bettkante hinweg zum Nachttisch beugte, um die Creme, die normalerweise eigentlich eher für Fayes eigenen Rücken gedacht war, aus dem zweitobersten Schubfach zu nehmen. Ich besah mir die Packung kurz, obwohl mir keine Allergien meinerseits bekannt waren. Ich hatte nicht mal eine Pollenallergie oder dergleichen, was doch immer häufiger wurde. Also nahm ich die Tube aus der Pappschachtel und legte letztere wieder bei Seite, ehe ich die Salbe selbst an Faye weiter reichte - mit schlechtem Gewissen, wohlgemerkt. Dann hob ich mein Shirt an, so weit es mir mit dem ebenfalls noch schmerzenden Arm möglich war, bevor ich mich mit dem Rücken zu Faye auf die Seite drehte. Der oberste Teil meiner Schultern war so noch vom Stoff des Shirts bedeckt, aber ich konnte es mit dem angebrochenen, geschienten Arm nur schwer ausziehen, also musste das reiche. Auch war das mit dem auf der Seite liegen wegen besagtem Arm nicht so einfach, wollte ich ihn doch ungern viel Körpergewicht von mir aussetzen. Aber zumindest an einen Teil der ehemals offenen Narben würde die junge Frau ran kommen. Ich wusste nur immer noch nicht so recht, ob das jetzt gut oder schlecht war. Immerhin war das Stechen durch die schwindende, direkte Belastung auf dem Rücken schon ein kleines bisschen weniger.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie lauschte seiner erneuten, sehr deutlichen Bitte - oder Forderung, was auch immer - und nickte daraufhin nur ein weiteres Mal. Liess ihn in dieser Angelegenheit auch ganz freiwillig das Letzte Wort haben und gab nur noch mit einem "Ist gut, ich hab verstanden", bekannt, dass er sich nicht sorgen sollte. Sie mochte die Büroarbeit zwar wirklich nicht, aber ja, die paar Monate, die es die Army noch auszuhalten galt, würde sie auch das irgendwie schaffen. Sie wollte ja wirklich nicht sterben. Wegen ihr selbst nicht aber noch viel weniger wegen Mitch und wegen Faye. Letztere würde mit hundertprozentiger Sicherheit komplett im Roten drehen und es war fraglich, ob sie sich je wieder davon erholen würde - nach allem, was sie sonst schon durchgemacht hatte, was ihre Seele so aufgewühlt und zerrüttelt hatte. Mitch sollte es auch nicht erleben müssen, nicht jetzt, wo sie sich doch gerade langsam an den Gedanken gewöhnten, nach dem Krieg ein neues, irgendwie aufregendes Leben zu gestalten, von dem sie beide bisher absolut keinen Plan hatten. Nein, sie würde nicht sterben. Und er auch nicht. Auch dann nicht, wenn er wieder bei ihr wäre und zurück an die Front musste. Das würden sie schon schaffen. Aryana liess sich liebend gern in ein paar letzte, wehmütige Küsse verwickeln, nachdem er ihr ein weiteres Mal versichert hatte, dass er auch ein Auge auf die anderen beiden werfen würde, solange er eben hier war. Dann wurde es aber leider wirklich langsam Zeit. Einen Moment lehnte er noch seine Stirn an ihre und Aryana schloss die Augen. "Klar. Ich schick dir dann ein Update aus der Sandhölle", murmelte sie an seine Lippen, ehe er schliesslich, nach einem letzten, kurzen Kuss von ihr abliess und sich zurück ins Kissen lehnte. Aryana blieb noch kurz sitzen, richtete ihr Shirt und ihre Haare. Dann streckte sie die Hand aus, um ihm mit einem sehnsüchtigen Lächeln ein letztes Mal über die Wange zu streicheln. "Nicht durchdrehen, okay? Und bis bald", murmelte sie, rutschte schliesslich vom Bett und war vier Sekunden später aus dem Zimmer verschwunden, um sich auf den direkten Weg zum Flughafen zu machen. Waren Abschiede schon immer so hässlich und anstrengend gewesen?
Er dachte ziemlich lange nach und sie rechnete beinahe mit einem entschiedenen Nein. Wahrscheinlich versuchte er nur schon wieder, dieses Nein möglichst schonend zu formulieren, um ihr nicht direkt zu sagen, dass sie eben verkrüppelt war und sie beide ganz genau wussten, dass Faye sich eigentlich nicht bewegen sollte. Dass es einfach nur dumm wäre, wenn sie ihn hier massierte und dass sie bitte ein Bisschen überlegen sollte. Aber letztendlich war es nicht das, was folgte. Und er hielt sie trotz ihren Einschränkungen und Verletzungen noch für fähig, ihm wenigstens ein kleines Bisschen zu helfen, was die Brünette unglaublich erleichterte. Sie hatte ihr Leben in beruflicher Hinsicht ja nicht umsonst darauf ausgerichtet, anderen zu helfen. Sie wollte das wirklich. Und wenn ihr jetzt auch hier noch ein Riegel vorgeschoben worden wäre, weil er sie schützen wollte, hätte ihr das wohl mehr weh getan, als sie das zugeben konnte. Sie hatte es einfach satt, ihr Leben lang nur eine Belastung und eine Sorge für andere Menschen - Menschen, die sie liebte - darzustellen. Umso wichtiger war es also auch jetzt für sie, wenigstens etwas Kleines für Victor zu tun. Nachdem er sich die viel grössere Mühe gemacht hatte, sich zu ihrem Bett zu schleppen. "Ist gut", murmelte sie etwas heiser vom vielen Weinen zurück, ihre Stimme noch immer nur ein dünnes Flüstern. Sie schaute ihm dabei zu, wie er die Creme aus dem Nachttisch holte, sie kurz begutachtete und dann an sie weiterreichte. Faye wartete, bis er ihr den Rücken zugewandt hatte und das Shirt soweit aus dem Weg war, ehe sie in sehr langsamen Bewegungen ein Bisschen Salbe aus der Tube drückte und ihre Hand anhob. Ihre leicht zittrigen Finger mit der kühlen Paste kamen schliesslich auf einer seiner Narben weiter oben auf seinem Rücken auf und die junge Frau begann in schleppenden, kreisförmigen Bewegungen, die dickflüssige, weissliche Flüssigkeit in seine Haut zu massieren. Natürlich war es ein ziemlicher Witz, längst verheilte, vollkommen geschlossene Narben mit einer Salbe zu behandeln, die dafür sorgen sollte, dass die Haut besser zuwuchs und die Narbenbildung möglichst gering verlief. Aber sie war sich sicher, dass die Kühlung, die als Teil der Wirkung dieser Salbe die eingecremten Stellen für ein paar Minuten betäubte, auch ihm helfen würde. Ein kleines Bisschen zumindest. Und das reichte ihr vollkommen aus, um diese Aktion zu begründen. Auch wenn ihr Rücken selbstverständlich dagegen war und sie leicht die Zähne zusammenbeissen - beziehungsweise auf ihrer Unterlippe herumkauen - musste. "Gehts so?", wollte sie nach der ersten Narbe wissen, wie es sich für ihn anfühlte. Normalerweise half es ihm, wenn sie die Narben berührte. Aber sie wusste nicht, wie das heute war. Heute, wo alles irgendwie anders war als da, wo sie noch mehrmals wöchentlich auf seinem Rücken gesessen und mit ihren Fingern seine Muskeln gelöst hatte.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ich lass' Mitch dann jetzt weg, er tut ja jetzt erstmal nix außer frustriert sein x'D ______________
Die ersten ein, zwei Sekunden, in denen Faye dann die Creme in meine Haut einarbeitete, waren irgendwie etwas komisch, sehr ungewohnt. Ich zuckte wieder ein wenig zusammen, weil der Schmerz im ersten Moment fast schlimmer wurde. Es war zwar zu Beginn bisher immer unangenehm gewesen, weil sie am Anfang ja quasi auf dem Schmerz herumdrückte, wenn sie mich massierte... aber es war nur selten bis gar nicht schlimmer dabei geworden. Es dauerte auch ein wenig, bis die kühlende Wirkung der Salbe einsetzte. Immerhin wurde es dann aber tatsächlich etwas besser. Nur langsam, aber doch stetig und das angenehm kalte Gefühl breitete sich ein Stück weit auch auf der umliegenden Haut um die Narbe herum aus. Es ließ einen kleinen Teil der durch den Schmerz in den Schultern angesammelten Anspannung allmählich von mir abfallen und es war wie ein Segen, weshalb ich die Augen schloss. Vermutlich half es hauptsächlich deswegen, weil ich einfach daran glauben wollte. Weil ich nicht wollte, dass Faye diese Folter auf sich nahm und es am Ende ganz umsonst war. Aber eigentlich war es auch egal, warum es jetzt genau half - Hauptsache es tat eben genau das. Meine Lider blieben weiter geschlossen, als ich die leise Frage der zierlichen Brünetten vernahm. "Hmmm... hilft ein bisschen.", bejahte ich mit meiner Antwort, dass die Creme tatsächlich einen positiven Effekt mit sich brachte, auch wenn sie eigentlich gar nicht für ihren jetzigen Zweck konzipiert worden war. Also ließ ich Faye damit weitermachen und verdrängte dabei fast ein wenig die Tatsache, dass ich sie dieser Anstrengung eigentlich gar nicht hatte aussetzen wollen. Nicht weil mein Ignoranzlevel - das normalerweise gar nicht vorhanden war - plötzlich stieg, sondern weil es schrecklich gut tat, dass der Schmerz von Narbe zu Narbe immer weiter schwand. Als dann fast sämtlicher Schmerz unter der leichten Betäubung des kühlenden Effekts verschwunden war, schlug ich die Augen aber doch wieder auf. Das reichte. Ein bisschen tat es stellenweise nach wie vor weh, aber ich hatte Fayes schwindende Kräfte jetzt wirklich schon mehr als genug ausgebeutet. Also setzte ich mich mit den leicht stockenden Worten "Das... das reicht.", wieder in Bewegung. Setzte mich auf, um das Tshirt vorsichtig wieder ein wenig nach unten zu ziehen. Ich wollte die noch sichtbaren Hämatome am Bauch nicht auch noch weiterhin in Fayes Gegenwart präsentieren. Danach nahm ich der zierlichen Brünetten die Tube wieder ab und verstaute sie im Nachtschrank. Widerstand war dahingehend zwecklos, weil ich sie nicht weitermachen lassen würde. Vielleicht fiel es dem behandelnden Arzt oder der Schwester dann sowieso schon auf, dass irgendwie weniger Inhalt vorhanden war. Im Anschluss daran atmete ich nochmal ein wenig tiefer durch, was jetzt deutlich besser ging, wo der Großteil des stechenden Schmerzes im Rücken gedämmt war, bevor ich mich weiter bis zu Faye umdrehte. Auf den Rücken wollte ich lieber nicht zurück und außerdem konnte ich die junge Frau so auch noch besser ansehen. "Danke, Faye...", murmelte ich ihr mit einem schwachen Lächeln zu, bevor ich den Unterarm nach ihr ausstreckte und ihr vorsichtig über die Wange strich.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es verunsicherte sie einen Moment, dass er zusammenzuckte, als sie ihn berührte. Aber andererseits war es nicht weiter erstaunlich, wo sein Kopf doch glaubte, dass sich ihr an genau dieser Stelle eine klaffende Wunde präsentierte. Nur zuckte er normalerweise trotzdem nicht so zusammen. Die junge Brünette liess sich trotzdem erstmal nicht davon abbringen, die Salbe weiter in die Haut zu massieren. Wenn diese ihre Wirkung erstmal entfaltete, musste sie den Schmerz doch lindern. Das sagte ihr irgendein Teil ihres Sanitätergehirns, weil es logisch war, weil sie es sicher auch mal in irgendeiner Schule gelernt hatte. Auch wenn sie nie wirklich zu Phantomschmerzen unterrichtet worden war und eigentlich doch auch wusste, dass die psychische Natur dieser Beschwerden eigentlich ganz anders als mit einer kühlenden, heilenden Salbe behandelt werden müsste. Aber Reden hatten sie vorhin schon versucht. Reden hatte überhaupt erst zu dem hier geführt. Und sie wollte nicht mehr Reden, war sich ziemlich sicher, dass es ihm in dieser Sache gleich ging. Wo doch im Moment jedes Wort nur noch mehr weh tat... Schliesslich bestätigte Victor aber die - zumindest ein Bisschen - hilfreiche Wirkung ihrer Bemühungen, was Faye doch ziemlich erleichterte. Sie machte weiter mit der nächsten Narbe und dann mit der übernächsten. Ihr Arm wurde verdammt schwer mit der Zeit und sie kämpfte sogar dagegen an, dass ihre Augen schon wieder zufallen wollten. Aber es waren nur ein paar Minuten, sie würde das noch hinkriegen, das war sie ihm schuldig, nachdem er so oft schon zu ihr unter die Decke geschlüpft war und dafür die beschwerlichen Schritte von seinem Bett zu dem ihren hinter sich gebracht hatte. Ausserdem schaute sie die Narben heute auf eine ganz andere Art und Weise an, als noch vor ein paar Wochen, als sie sie das letzte Mal gesehen hatte. Natürlich waren diese Narben ganz anderer Natur als ihre Eigenen. Einschnitte von Bombensplittern oder Granaten hinterliessen weitaus unkontrolliertere, hässlichere Wunden als Peitschen aus Stahlseilen. Aber Tatsache war trotzdem, dass ihr Rücken nicht viel schöner aussehen würde. Dass sie, genau wie er, lebenslang diese Zeichen mit sich tragen würde, um die sie nie gebeten hatte. Wie die Tätowierungen fremder Sekten, denen man niemals hatte angehören wollen... Seine leisen, bestimmten Worte, die kurz darauf von der Bewegung seiner Hände gefolgt wurden, holten sie aus ihren Gedanken zurück und Faye liess langsam ihre Finger sinken. Sie hoffte, dass es wirklich reichte, wirklich besser war und er ihr das nicht nur erzählte, weil er sich mal wieder um sie sorgte. Aber sie hatten nicht wirklich die Kraft, um sicherzugehen dass dies nicht der Fall war. Also wartete sie darauf, dass er sich umdrehte, liess sich von ihm die Tube wieder abnehmen und blickte ihm mit bereits wieder halb geschlossenen Lidern dabei zu, wie er alles dorthin zurücklegte, wo es sein sollte. Erst, als Victor sich wieder ihr zuwandte, öffnete sie die Augen wieder ganz und erwiderte sein schwaches Lächeln. Denn auch wenn ihr alles weh tat, glaubte sie ihm dank diesem Lächeln wirklich, dass die Salbe wenigstens etwas Linderung geschaffen hatte. "Für dich... würde ich alles tun", murmelte sie lächelnd zurück, genoss die sanfte Berührung seiner Finger an ihrer Wange und atmete tief durch. Versuchte, endlich all die schrecklichen Gedanken und Gefühle, die dieser Tag so unbarmherzig in ihr aufgerührt hatte, langsam wieder gehen zu lassen. Und ihre Hand suchte seinen Körper. Legte sich an seiner Hüfte wieder hin, genau dort, wo sie zuerst wieder mit ihm in Berührung kam.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Daran hatte ich keinerlei Zweifel. Faye machte mir regelmäßig sehr deutlich, dass ich einen wichtigen Teil ihres Lebens ausmachte und sie das gerne mit vielerlei Mitteln verteidigte. Auch auf ihre eigenen Kosten hinaus, wie in diesem Fall. Natürlich hieß ich das nicht unbedingt gut, schließlich hatte ich nicht umsonst so lang mit mir gerungen, aber mich dahingehend ausnahmslos immer aufzulehnen wäre nicht unbedingt sinnvoll - ich tat ja selber genau das Gleiche. Was das anging gaben wir beide uns wohl wirklich gar nichts. Das konnte von Vorteil sein, war es doch eine sehr intensive Form von Liebe. Jedoch war es hier und jetzt natürlich eher kontraproduktiv, erschöpften wir uns doch nur gegenseitig. Physisch und auch psychisch. "Ich weiß... das ist einer der vielen Gründe, warum ich dich so liebe.", versicherte ich der jungen Frau weiterhin schwach vor mich hin schmunzelnd, dass ich keinerlei Zweifel daran hatte, dass ihre Worte der Wahrheit entsprachen. Es war einfach unheimlich schön zu wissen, dass sie mich niemals fallen lassen würde, solange die Möglichkeit zu anderen Wegen bestand. Solange sie noch gute Tage, Monate, Jahre für uns beide vor sich sah. Dass sie mich nicht einfach mehr oder weniger kampflos von sich schieben würde, nur weil wir eine vielleicht etwas länger anhaltende, schwierige Zeit durchleben mussten. Es reichte wirklich, dass ich das so schon einmal hatte erleben müssen. Ich wollte nicht einmal daran denken, was es für Folgen auf meine Person hätte, wenn Faye doch entkräftet den Schlussstrich ziehen würde. In meinem jetzigen Zustand würde ich das noch wesentlich schlechter wegstecken, als es ohnehin schon der Fall wäre. Um das Ganze noch einmal zu unterstreichen rückte ich ein klein wenig näher zu ihr hin, sodass sie sich zumindest wieder mehr oder weniger an meiner Brust verkriechen konnte, sofern sie wollte. Natürlich nach wie vor nur ohne meinen Arm, weil ich den nicht um ihren geschundenen Rücken legen konnte. Aber es war immerhin besser als gar kein Körperkontakt. Ich beugte mich ein klein wenig weiter vor, um der Brünetten einen zarten Kuss auf die Stirn zu geben. "Wir schaffen Alles zusammen... auch das hier.", bekräftigte ich leise, kaum hörbar geflüstert noch einmal wörtlich, dass uns in meinen Augen nicht einmal das hier auseinander bringen könnte. Das konnte ich eigentlich nicht mit Sicherheit wissen, aber wenn wir das nicht hinbekamen, dann auch sonst Niemand. Ich hatte nicht all die Strapazen der Army erneut auf mich genommen, um am Ende erneut kaputt und mit leeren Händen dazustehen. Ich hatte nicht wie erhofft eine endgültige, erfolgreiche Therapie - durch Schock - davongetragen, womöglich ließen sich die traumatischen Ereignisse auch nie wieder ganz auslöschen. Die, die ich jetzt mit meiner besseren Hälfte hatte erleben müssen, noch viel weniger als die vorherigen. Aber ich hatte Faye dort gefunden. Einen Menschen, der mich mit all den belastenden Ecken und Kanten nahm, wie ich nun einmal war. Ich würde nicht zulassen, dass die amerikanische Armee mir diesen Hoffnungsschimmer jetzt auch noch entriss. Inzwischen hatte ich mehr als genug bezahlt. "Schlaf' ruhig, wenn du's brauchst..", murmelte ich noch leise zu ihr runter. Ich hatte ja gemerkt, wie ihre schmalen Finger gezittert hatten. Vermutlich der ganze Arm, ich hatte es nur nicht gesehen. Übermüdet war sie auch... genauso wie ich. Vermutlich würde ich früher oder später also selber auch einknicken, sobald wir die Gespräche ganz einstellten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Seine Worte liessen ihr Lächeln noch etwas entspannter, glücklicher werden. "Beruht auf Gegenseitigkeit", hauchte sie zurück, weil ihr vollkommen klar war, dass er genau das Gleiche für sie getan hätte, wenn ihr Rücken ihr so den Verstand rauben würde, wie seiner es mit ihm tat. Aber bei ihr waren die meisten Schmerzen, die von den Wunden her rührten, betäubt durch das Morphium. Weil sie - zumindest bisher - wirklich körperlicher und nicht psychischer Natur waren. Normalerweise war sie fast komplett schmerzfrei und das, was nun eben doch wehtat, hatte sie gerade selbst zu verschulden, weil sie sich eben zu viel bewegt hatte. Soviel jedenfalls zu ihrem körperlichen Wohlbefinden. Dass sich währenddessen ihr Herz und ihre Seele nicht ganz so einfach handhaben liessen, hatte sich ja vor wenigen Minuten ziemlich deutlich präsentiert. Faye lehnte sich ebenfalls etwas vor auf dem schmalen Bett, das Dank seiner Breite glücklicherweise überhaupt nicht zuliess, dass sie weiter voneinander entfernt sassen. Sie sollten wirklich nicht riskieren, dass einer von ihnen über eine der Kanten rutschte, also rückten sie besser so nah wie möglich zusammen. Und das sollte für sie beide, die stets so unstillbar nach der Nähe des anderen lechzten, kein Problem sein. Wieder lächelte sie leicht, als sie ihn nochmal sprechen hörte. "Ja... alles", bestätigte sie nach nur wenigen Sekunden, genoss den sanften Kuss und lehnte sich mit einem lautlosen Seufzen an seine Brust. Fast automatisch fielen ihr dabei auch schon wieder die Augen zu. Es war wirklich unglaublich, wie viel sie hier schlafen konnte. Weil die Medikamente sie träge und müde machten. Aber auch, weil der Schlaf eine so wundervolle Alternative zur Wirklichkeit darstellte. Zumindest jetzt noch, wo die Alpträume sich meist in Grenzen hielten. Oder sich wenigstens auf die Nächte konzentrierten, während sie die Schläfchen, die sie tagsüber genoss, fast immer traumlos erlebte. Sie schlug die Augen nochmal auf, hob sehr langsam den Kopf an, um zu ihm nach oben zu blicken. "Hmm... Nur, wenn du ebenfalls schläfst... Du bist auch müde... Ausserdem ist das dann wie früher... als wir zusammen eingeschlafen sind... nur mit grösserer Wahrscheinlichkeit, dass irgendwer uns plötzlich dabei unterbrechen wird", murmelte sie zu ihm hoch, lächelte ihn schwach an, ehe sie den Blick wieder sinken liess, weil ihr schwindlig wurde. Als ob sie wach bleiben könnte, um sicher zu gehen, dass er auch ja die Augen zumachte. Faye streckte ihre Hand nochmal zur Seite des Bettes hin weg, verdrehte sich mühsam, bis sie die Fernbedienung des Bettes ertastete und dessen Kopfteil gleich darauf ein Bisschen absenkte. Nicht ganz flach, weil das eher so Nacht-Modus wäre. Aber so, dass sie gleich darauf wirklich nicht mehr an viel anderes als ans Schlafen denken konnte, als sie sich wieder an Victors Brust gekuschelt hatte.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Vielleicht waren es nur ein paar Worte, aber ich hielt es trotzdem für möglich, dass ich nach einem etwas positiveren Abschluss des Gesprächs auch besser schlief. Sie würden kaum die fiesen, meist noch eher kurzen Träume ganz verjagen, die sich wieder vermehrt in meinen vorher dem Dilirium gleichenden, festen Schlaf schlichen. Aber vielleicht dämmte Fayes direkte Nähe sie ein klein wenig ein. Möglicherweise auch nicht, aber ich wollte zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht Alles gleich im Voraus schwarz ankreiden. Außerdem wollte ich auch an dieser Stelle einfach sehr gerne, dass es halt so war - wie Faye schon erwähnte war ich unheimlich müde. Noch ging es einigermaßen, der Schlafmangel machte sich zwar immer wieder bemerkbar, aber ich fühlte mich zumindest noch nicht wieder in den Status zurück versetzt, in dem ich permanent in einen leichten Dauerschlaf fiel, ohne jemals wirklich lang oder gar erholsam zu schlafen. Ich sollte es hier und jetzt also einfach ausnutzen, dass eine geringe Chance auf Linderung bestand. "Ja, ein bisschen Schlaf schadet sicher nicht...", willigte ich dahingehend also ohne jegliche Widerworte ein, kurz bevor das Bett auch schon ein Stück weit auf Tauchgang ging. Sie hätte auch einfach etwas sagen können, fielen mir Bewegungen im Allgemeinen doch einfach schon deutlich leichter als ihr. Andererseits war es vielleicht aber auch nicht verkehrt, wenn Faye nicht komplett einrostete. Ich wusste ja leider zu gut, wie es mit großflächigen Rückenverletzungen war, die eine lange Zeit zum Verheilen brauchten. Aber Schonung wäre in ihrem jetzigen Stadium vermutlich trotzdem sinnvoller, erst recht wo sie doch vorher schon Belastung auf Armen und Rücken aufgenommen hatte. Aber gut - das Bett war in bequemere Schlafposition versetzt und die zierliche Brünette verkroch sich wieder bei mir, was mich ein weiteres Mal kaum sichtbar lächeln ließ. Es war einfach ein Hauch von Normalität, der uns hier sonst nicht vergönnt war und den ich zweifelsohne auskosten würde, solange ich noch wach war. "Schlaf gut, Kleines.", murmelte ich Faye ein paar vorerst letzte, leise Worte zu, strich ihr ein wenig umständlich noch mit dem geschienten und damit sehr unmobilen Arm eine Strähne aus dem Gesicht, bevor ich es mir selbst so bequem wie eben möglich machte. Nach einem letzten prüfenden Blick nach unten machte ich dann selbst auch die Augen zu, atmete ein wenig tiefer durch. Kam tatsächlich auch schon relativ bald so weit zur Ruhe, dass ich langsam einnickte. Da machte sich der momentan unzureichende, unregelmäßige Schlaf dann doch bemerkbar... und wohl auch einfach Fayes Nähe und Körperwärme.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Also. Sorry, Arbeit macht mich richtig fertig und heute haben die Vollidioten in der Chefetage dem Ganzen echt noch die absolute Krone aufgesetzt. Isch könnt Kotzennnn und warte sehnlichst auf meine persönliche Corona-Quarantäne... .__. In other news: ich dachte, wir könnten bis dahin springen, wo Victor und Faye aus dem Krankenhaus in eine Reha-Klinik versetzt werden. Mitch bleibt dann vielleicht noch so ein, zwei Wochen alleine in Texas, bevor er wieder nach Syrien fliegt und die anderen beiden beginnen eben die Reha, zufälligerweise beide in der gleichen Klinik, wohoo. Allerdings fliegen sie dazu halt in die Nähe ihres eigentlichen Zuhause, also in die Nähe von Victors Familie, weil sie den Ort der Reha selber aussuchen konnten und es keinen Grund gibt, dafür weiterhin in Texas zu bleiben. Jaja, Queni hat wieder eine Menge sinnloser Gedanken daran verschwendet, wie das in Wirklichkeit ablaufen könnte, nur um es am Ende sowieso 0% realistisch zu gestalten haha. _____________
Seit Aryana sie hier alleine zurückgelassen hatte, waren weitere vier schwere Wochen vergangen. Heute, knapp sechs Wochen seit dem Drama in den sandigen Hügeln Syriens, war der erste Tag, an dem Faye komplett ohne Morphium auskommen sollte. Das wohltuende Opiat war langsam ausgeschlichen worden und die junge Brünette hatte beinahe von Tag zu Tag mehr gemerkt, dass sie die hohen Dosen, in deren Genuss sie anfangs mehrmals täglich gekommen war, immer schmerzlicher vermisste. Nicht wegen ihrem Körper, der sich den Umständen entsprechend relativ gut erholte. Die Wunden auf ihrem Rücken waren laut den Ärzten und Schwestern vollends verheilt - Faye hatte es tatsächlich geschafft, bis hierher komplett auf den Anblick der Narben zu verzichten - und auch ihr Bein machte gute Fortschritte. Sie hatte zwar ab und an noch Rückenschmerzen - besonders dann, wenn sie sich irgendwo anlehnte und dachte, so schlafen oder lange liegen bleiben zu können - und Gehen war selbstverständlich nur mit Stöcken möglich, aber immerhin war sie wieder ein Bisschen selbstständig mobil. Immerhin brauchte sie keine Begleitung mehr zur Toilette und zur Dusche, auch wenn beides weiterhin beschwerliche, kräftezerrende Aufgaben für die junge Frau darstellten. Ihr Rücken wurde zweimal täglich mit irgendeiner Creme behandelt, die in die Narben einmassiert wurde, um das endgültige Ausmass eben jener möglichst gering zu halten. Ansonsten brauchte sie eigentlich keine Pflege mehr, weshalb seit zwei Tagen nun auch ihre Verlegung in die Rehaklinik fest stand. Morgen sollte das passieren. Und sie würden Texas dafür verlassen, einen ersten Schritt in Richtung ihres zukünftigen Lebens machen. Auch wenn dieser Schritt vorerst rein räumlicher Natur war. Denn wirklich vor Augen, hatte Faye ihr kleines Happy End soweit noch nicht. Dazu waren die Erinnerungen viel zu laut, die immer wieder über ihr hereinbrachen wie ein Sturm, den Sand Syriens aufwirbelten und die verdammten, winzigen Körner überall in ihren Gedanken säten, damit sie sich immer und immer wieder der schrecklichen Stunden in der Zelle besinnen musste. Die Alpträume wurden immer mehr und verfolgten sie nun auch tagsüber, wenn sie mal wieder völlig übermüdet einschlief. Sie würde es gerne für sich behalten, aber es war sehr sehr schwierig, Victor nichts davon mitbekommen zu lassen, solange sie mitten in der Nacht schreiend aufwachte. Das war auch der Hauptplan der Reha - psychischer Wiederaufbau. Ihr Körper brauchte noch Zeit, würde sich mit etwas Unterstützung aber sicherlich wieder erholen. Aber ihre Seele brauchte dringend Hilfe, Faye war keinesfalls zu dumm, um das zu merken. Sie wollte Hilfe. Auch wenn ihr schrecklich davor graute, mit irgendwem tatsächlich über diese nicht in Worte zu fassenden Grausamkeiten zu reden. Wie versprochen hatte die Brünette die letzten Wochen täglichen Kontakt zu ihrer Schwester gepflegt. Wenn auch meistens in Form simpler digitaler Nachrichten, war telefonieren doch nicht immer so einfach. Faye wollte auch nicht, dass Aryana zu viel aus dem Klang ihrer Stimme las, wollte nicht ihre eigenen Beteuerungen untergraben, in denen sie ihrer Schwester klar machte, dass alles in Ordnung war und sie sich bestens erholten. Auch mit Mitch redete sie gerne ein Bisschen um den heissen Brei herum. Er hütete sich während seiner Besuchen meist auch geschickt davor, dumme Fragen zu stellen, die eine heikle Antwort erforderten. Fand sie gut, da seine Anwesenheit damit jeweils eine willkommene Abwechslung darstellten. Er wollte auch heute nochmal vorbeischauen, hatte er gesagt, wahrscheinlich ein letztes Mal, bevor sie Morgen weiterzogen und er selber bald schon zurück nach Syrien flog. Und weil sie sonst nichts zu tun hatte, sass Faye bereits seit Längerem auf dem Bett und wartete. Bemüht, ihre Gedanken in eine schöne Richtung zu lenken, damit sie Mitch mit einem möglichst unbeschwerten Lächeln empfangen konnte, wenn er dann kam. Damit er wiederum Aryana erzählen konnte, dass es ihr gut ging und sie sogar schon ganz unbelastet lächelte, als wäre nichts gewesen. Oder so... Dass ihre Augen nicht glänzten wie früher, konnte Mitch ja nicht beurteilen. Er hatte sie früher ja kaum gekannt.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ohjeeee, du armes Ding ._. Was macht er denn Böses? Ist auch nicht so schlimm, mein Schädel ist momentan eh so richtig... Matsch. :'D Deswegen hat das hier jetzt auch etwas gedauert. ^^ Passt schon so, wie du das gemacht hast c: Mir fiel jetzt gerade eben erst der schmale Streifen von Bearbeitungsfehler in Mitchs Banner auf... **Facepalm des TODES** _______________
Zu sagen, dass mir die ganze Misere mit dem gefühlt ewigen Auskurieren von ein paar Wunden inzwischen ganz gewaltig auf die Nerven ging, wäre wohl weit untertrieben. Es gab auch Momente, in denen ich es tatsächlich ein wenig genoss, meine Ruhe zu haben. Mich mehr oder weniger unbeschwert - ich hatte doch noch eine ganze Weile wegen der Hüfte gehumpelt - einfach nur im Antlitz meiner selbst zu sonnen und nach niemandes Pfeife zu tanzen. Allerdings war das leider stetig begleitet von zwei sehr negativen Einflüssen. Zum einen von der sich immer mehr ausbreitenden Langeweile und zum anderen davon, dass ich Aryana eben doch sehr vermisste. Ich dachte nicht, dass dieses Gefühl wirklich so penetrant nervig werden würde. Natürlich hielten wir den Kontakt, schrieben uns immer wieder und telefonierten auch regelmäßig, aber das war eben nicht das gleiche wie das Lächeln, das mich fast immer erwartet hatte, wenn die Brünette im Krankenhaus in mein Zimmer gekommen und sich zur mir unter die Decke gestohlen hatte. Es fehlte die Wärme, all die kleinen Berührungen... und natürlich die Küsse. Es nervte mich inzwischen schon selbst wie häufig ich daran zurück dachte, weil es mir fehlte. Zwangsweise fing ich irgendwann auch damit an darüber nachzudenken wie sich das Wiedersehen überhaupt gestalten würde und ich begann die beiden Turteltauben, die ich gleich noch ein letztes Mal vor ihrer Abreise besuchen würde, langsam zumindest ein bisschen zu verstehen. War nicht schön, dass ich Aryana nicht einfach so ohne weiteres nach meinen eigenen Vorstellungen begrüßen konnte. Ich brauchte wohl nicht zu erwähnen, dass ich mich tunlichst darum bemühen sollte, dass man nach außen hin nicht sah, dass da was lief. Die hatten mich jetzt sowieso schon auf dem Kieker, nachdem ich die Aktion mit dem Sergeant durchgezogen hatte und würden mich postwendend woanders hin versetzen. Mir kam natürlich zu Gute, dass ich ein guter Schauspieler war... aber gefallen tat mir das Ganze eben trotzdem nicht. Ich versuchte die Gedanken mich einem leichten Kopfschütteln wieder loszuwerden, als ich in gemütlichem Tempo aus dem Fahrstuhl trat und die letzten paar Meter zu Fayes und Victors Zimmer zurücklegte. Manchmal zwickte die Hüfte zwar noch ein wenig, aber ich konnte überwiegend schmerzfrei laufen. Die Schnittverletzung am Arm war zu und hatte eine hässliche Narbe quer auf meiner tätowierten Haut hinterlassen, während die Schulter inzwischen nur noch locker in einer Armschlinge lag, damit ich sie außerhalb der gezielten Physiotherapie nicht zu viel bewegte. Aber auch die sollte in ein oder zwei Tagen ganz weg, sofern ich Acht darauf gab, keine hektischen Bewegungen zu machen. Die Sehne war gut verheilt, aber noch recht steif und ein wenig empfindlich. Tat nach wie vor etwas weh, aber ich nahm auch nur die Dosis an Schmerzmittel, die noch unbedingt nötig war. Ich klopfte kurz an der Tür an, wartete noch einen Moment lang und trat dann ein. Nachdem die Zimmertür hinter mir wieder geschlossen war erwartete mich ein ähnliches Bild wie schon die ganzen letzten Male. Zwei eigentlich ziemlich geschundene Seelen, die immer beteuerten, schon irgendwie zurecht zu kommen. Dass Alles nicht so schlimm war. Kaputt aussehen taten sie dennoch beide. "Na, meine Entlein... wie geht's euch?", warf ich mit einem recht unbeschwerten, leichten Grinsen ein paar Worte in den Raum. Ging geradewegs zu dem großen Fenster an beiden Betten vorbei, um mir den Stuhl von dort zu klauen und ihn dann zwischen die beiden Betten zu schieben, um mich hinzusetzen, bevor mein Blick zwischen Faye und Victor hin und her glitt.
Es war wirklich anstrengend. Nicht nur die Regeneration der Wunden nahm noch einige Zeit in Anspruch und schlauchte meinen durch den immer schlimmer werdenden Schlafmangel ohnehin schon entkräfteten Körper noch weiter. Die Blutergüsse waren inzwischen verschwunden und ich konnte zumindest einen Arm wieder vollständig schmerzfrei bewegen. Der angebrochene Oberarm ruhte weiterhin in der Schlinge, tat aber auch schon deutlich weniger weh. Deshalb war das Morphium schon einige Zeit ganz weg und das war mein psychischer Ruin. Einerseits wollte ich wirklich nicht mehr zu einer dauerhaften Medikation durch Antidepressiva zurück, weil ich wusste, wie wenig mir das schon das letzte Mal im Endeffekt gebracht hatte, aber es würde wenigstens die Gedanken und Angstzustände betäuben. Nicht auslöschen, aber es wäre weniger schlimm, weil man dabei ganz allgemein weniger fühlte als normalerweise. Das war jedoch keine wirkliche Lösung, also lehnte ich das vollständig ab, als die Ärzte mir das anboten und empfahlen - mehrfach, immer wieder. Ich konnte kaum mehr die Augen zumachen ohne Flashbacks zu haben. Weniger von mir selbst und viel mehr davon, wie Faye hatte leiden müssen. Wie ekelhaft viel Spaß das Arschloch daran gehabt hatte der jungen Frau Schmerzen zuzufügen, ihr mit Vergewaltigung zu drohen... und wenn ich dann mal schlief wurde es nur schlimmer. Die Erinnerungen erweiterten sich in den Träumen zu möglichen Fortsetzungen der Situation, wenn Mitch mit Aryana im Rücken eben nicht aufgetaucht wäre. Wenn wir weiter in den Zellen gesessen und irgendwann gestorben wären. All die bildlichen Vorstellungen in der Nacht machten es nur noch schlimmer und ich war mir nicht sicher, ob mein Gesicht jetzt wirklich besser aussah als zuvor, obwohl die Hämatome und Kratzer verschwunden waren. Die dunklen Schatten unter den Augen machten den Schlafentzug für Jedermann sichtbar und das Gehen fiel mir noch immer nicht wirklich leicht. Zwar war ich rein medizinisch betrachtet auch da zumindest einseitig wieder voll belastbar, aber mir fehlte ganz einfach die Kraft. Ich kam schon irgendwie vorwärts beim Laufen, aber auch wenige Meter fühlten sich nach wie vor eher wie ein Marathon an. Nicht zuletzt, weil ich das Bein mit der Stichwunde nach wie vor schonen musste. Nach einigen Schritten fing ich irgendwann an zu Zittern und all das vor der zierlichen Brünetten zu verstecken war nahezu unmöglich, wodurch ich mich nur noch schlechter fühlte. Das ging tatsächlich so weit, dass ich es zeitweise manchmal vermied, mit ihr zu reden. Beteuerte, müde zu sein und mich auf die Seite rollte, um die Augen zu zu machen, was für mich selbst auch nicht vorteilhaft war. Ich wollte mich wirklich nicht von ihr abschotten, aber manchmal ging es in meinen Augen nicht anders, wenn ich nicht alles noch schlimmer machen wollte. Faye sah sicher deutlich genug, dass mein Schädel mich langsam dahin raffte, da musste ich ihr das nicht noch ständig mit Worten unter die Nase reiben. Immerhin hatte die junge Frau mehr als genug mit sich selbst zu tun. Es versetzte meinem Herzen unerbittliche Stiche, sie so leiden zu sehen. Auch, dass wir uns bemühten weiterhin irgendwie hin und wieder positive Worte füreinander zu finden, verschaffte nicht wirklich Linderung, konnte ich doch mehr als deutlich sehen und in der Nacht leider auch des Öfteren hören, wie es um Faye wirklich bestellt war. Das Einzige, was hin und wieder dafür sorgte, dass ich kurze Zeit etwas tiefer Luft holen konnte, waren die jetzt endlich wieder möglichen Umarmungen. Zwar war ich dabei immer noch sehr vorsichtig, um ihr nicht weh zu tun, aber ich konnte sie zumindest sachte in meine Arme schließen. Auch Mitch, der bei den meisten seiner Besuche zumindest gute Laune mitzubringen versuchte, konnte mich meist nur mäßig von dem Ganzen ablenken, brachte jedoch wenigstens für ein paar Minuten immer frischen Wind in das sonst so eintönige Zimmer, das ich nach wie vor kaum verließ. Auch heute kündigte er seine Anwesenheit mit ein paar vermeintlich witzigen Worten an - es würde wohl noch eine Weile dauern, bis ich vom hässlichen Entlein wieder zum Schwan zurück kam. Ein nervtötende, anstrengende, lange Weile. "War schon schlimmer..", war Alles, was ich mit einem leisen Seufzen daraufhin erwiderte, während ich ihm mit meinen Augen durch den Raum folgte. Ich hatte es inzwischen auch in seiner Anwesenheit aufgegeben, mich zu verstellen. Er war nicht blöd und selber wohl wesentlich besser darin als ich, irgendwem Irgendwas vorzuspielen. Vor seiner Ankunft hatte ich etwas vor mich hin gedöst und war tiefer ins Bett gerutscht, weshalb ich mich jetzt etwas schwerfällig wieder zum Sitzen aufrichtete und mich leise räusperte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ach, es war so ein Drama... Erstens hat der Frühling halt wie gesagt angefangen = Arbeit des Todes. Ich hab letzte Woche fast 54h gearbeitet, es war echt nicht mehr lustig. Und am Donnerstagmorgen früh hat ein Abteilungsleiter - Zehn Jahre im Betrieb, so ziemlich der wichtigste Mann bis auf den Chef - sich so sehr mit dem Pseudo-Stv.Chef/Mitinhaber des Betriebes verstritten, weil der Pseudo-Stv.Chef so ein Arschloch ist, dass der Abteilungsleiter auf der Stelle gekündigt hat und davongelaufen ist. Er kommt nicht mehr zurück und wir sitzen in der Scheisse, weil der halt echt echt wichtig war. Und alle haben ihn gemocht, inkl. ich. Er war mein Ausbildner, vor vielen Jahren, als ich da in der Ausbildung war. Und er war so ein guter und lustiger Mensch, hat den Alltag halt wirklich oft leichter und lustiger gemacht - sein Schreibtisch stand neben meinem und wir haben uns immer bestens unterhalten. Und der Chef und der Pseudo-Stv. haben ihn einfach so ziehen lassen, als wäre das in irgendeiner Form O K A Y. Ganz im Sinne von "wenn einer mal entschieden hat, dass er nicht mehr hier arbeiten möchte, muss man ihn halt gehen lassen. NIT SO SCHLIMMM". Ja - es ist ziemlich kompliziert zu Erklären, wenn ich dir nicht ein Organigramm meines Betriebes aufzeichne und die Problematik weiter erkläre, was wir beide nicht wollen haha. Jedenfalls wars ein Schock und ist weiterhin sehr beschissen, aber immerhin hatten wir heute weniger Arbeit und ich bin emotional wieder etwas stabiler als letzte Woche. :) Hoffffffe mal das bleibt so. Ach und ich hab den Streifen nichtmal gesehen, als ich ihn gesucht hab, was ist dein Problem? x'DD ____________
Sie hatte gewusst, dass Mitch kommen würde. Er hatte es ja gestern schon angekündigt und auch sonst war es kaum mehr eine ausserordentliche Überraschung, wenn er mal vorbeischaute. Was nicht heissen sollte, dass sie sich nicht freuen würde - sie hatte sich einfach ein Bisschen weit an seine sporadische Gesellschaft gewöhnt. Und trotzdem bereitete sie sich besonders heute innerlich sehr angestrengt darauf vor, dass er gleich wieder anklopfen würde. Sie bemühte sich, die Dunkelheit aus ihrem Kopf zu verbannen, die Tür zu den ganzen pechschwarzen Gedanken und Erinnerungen zurück ins Schloss zu schieben. Sie dachte an Aryana, dachte an eine Zeit, weit entfernt von Heute, mal in die Zukunft, mal in die Vergangenheit. Sie dachte an Victor und sein Lachen, das sie so lange nicht mehr gehört hatte. Dachte an seine Berührungen und seine Küsse. Und sie kämpfte krampfhaft darum, die Gedanken schön sein zu lassen und nicht verzweifelt oder wehmütig, sie nicht durch die Angst, dass es nie wieder so sein würde wie es mal war, kaputtgehen zu lassen. Es wollte ihr wie immer nur so halbwegs gelingen und so schloss sie auch erstmal die Augen, als das Klopfen schliesslich ertönte. Faye atmete tief durch und als Mitch die Tür aufschob, schlug sie die Lider wieder hoch und lächelte ihm entgegen. Sie hoffte, dass es leicht aussah. Unbeschwert. Sie hoffte, dass er keinen Grund sah, ihrer Schwester mehr Sorgen als nötig zu bereiten, indem er ihr erzählte, dass Faye nicht mehr lachen konnte. Sie hoffte jedes Mal, wenn sie ihn sah, dass sie Mitch davon überzeugen konnte, dass es ihr gut ging. Aber ihr Kopf machte das so schwierig und ihr nicht vorhandenes Schauspieltalent erst recht... "Hey, Mitch", grüsste sie den jungen Mann schliesslich auch noch mit Worten, wobei ihr Blick sehr bald zu Victor glitt, als dieser sich etwas mühsam in seinem Bett bewegte, weil er wohl zuvor eingenickt sein musste. Was ziemlich oft passierte, ihnen beiden. Medikamenten und Schlafmangel sei Dank... Faye brauchte einen Moment, um ihre eigene Antwort auf die doch eigentlich vorhersehbare Frage zu finden, die sie besser schon davor zurechtgelegt hätte. "Ich brauch' kein Morphium mehr", verkündete sie nach einigen Augenblicken schliesslich anstelle einer wirklichen Erklärung ihres nicht ganz so rosigen Allgemeinzustandes. Sie sagte es, als sollte man das feiern und es war erstaunlich, wie gut sie das in Anbetracht der Tatsache, dass sie dem Opiat schon jetzt nachtrauerte, auch hinbekam. Nun lenkte sie ihren etwas unfokussiert im Raum herumgewanderten Blick aber wieder auf Mitch, blinzelte ihn fragend an. "Und wie gehts dir? Was macht dein Arm? Haben sie dir schon gesagt, wie lange du Texas noch geniessen darfst?", stellte sie eine Reihe von Gegenfragen. Das tat sie - ohne, dass es ihr wirklich auffiel - sehr oft. Sie war gut im Smalltalk, hatte das schon immer ziemlich gut beherrscht und mit den Jahren auf ihrer Arbeit noch perfektioniert. In diesem Fall war das aus dem einfachen Grund sehr praktisch, dass sie damit fast immer sehr bald von ihrem eigenen Zustand auf ihre Gesprächspartner ablenken konnte. Somit musste sie nichts erklären, sich nichts anhören, die meisten Leute waren zu abgelenkt von sich selbst, um dann noch an dumme Fragen zu denken, die sie stattdessen Faye vorschieben konnten. Und das war gut so. Sie wollte nicht erklären, wie es in ihrem Kopf aussah. Die Ringe unter ihren Augen und die nie ganz verschwundene, matte Angst in ihrem Blick sprachen ihren Teil der Wahrheit sehr offen aus.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Irgendwie war keine der beiden Antworten wirklich zufriedenstellend oder gar exakt. Dem einen war es schon mal schlechter gegangen und die andere brauchte kein Morphium mehr - oder bekam zumindest keines mehr, was ihr Kopf und Körper tatsächlich davon hielten war eine andere Geschichte. Nichts davon sagte mir aber so richtig, wie es denn um die beiden stand. Andererseits war es wohl verständlich, dass sie ungern darüber redeten. Ich war wohl kaum ein besonders einfühlsamer Gesprächspartner, wobei ich mich doch gerade bei Faye mit scharfen Worten eher zurückhielt. Im Endeffekt wahrscheinlich mehr für Aryana als ihre kleine Schwester selbst, aber es war wohl besser so. Ich besah mir sowohl die Brünette, als auch den Dunkelhaarigen zu meiner anderen Seite kurzzeitig ein wenig genauer, wobei es kaum einen langen Blick brauchte, um zu sehen, das sie beide nach wie vor ziemlich fertig waren. Man müsste wohl blind sein, um das nicht zu erkennen. Also gab ich mich mit einem etwas tieferen Atemzug mit diesen Antworten zufrieden, bevor ich meinen Blick wieder auf Faye richtete. "Das ist doch schonmal ein Anfang..", meinte ich nur noch zu der Sache mit dem Morphium, ehe ich mich ihrer Frage widmete. Allzu lange würde ich wohl auch nicht mehr hier sein. Zwar vergingen die Stunden manchmal nur langsam, wenn mich die Langeweile quälte, aber trotzdem zogen die Tage recht zügig ins Land. "Laut dem Therapeuten bin ich voraussichtlich noch ungefähr zwei Wochen hier... er foltert die Schulter fast täglich, ich mach hin und wieder allein ein paar Übungen... wir machen Fortschritte.", gab ich kurze Auskunft darüber, wie es denn mit meiner eigenen Genesung lief und hätte fast mit den Schultern gezuckt, woran ich mein Hirn glücklicherweise kurz vor knapp noch hindern konnte. Würde die Schulter zwar aushalten, aber ich musste mich nicht unnötig mehr Schmerz als notwendig aussetzen. "Ich weiß nur langsam nicht mehr, was ich machen soll. Wenn ihr jetzt auch noch abhaut hab' ich ja gar nichts mehr zu tun.", gab ich meine anhaltende Langeweile mit einem leisen Seufzen offen kund und richtete die Blick dann langsam geradeaus, auch wenn es dort nicht wirklich etwas Interessantes zu sehen gab. War aber angenehmer, als den Kopf ständig zu einer Seite zu drehen. "Freut ihr euch schon auf die Heimreise?", lenkte ich das Thema wieder von mir selbst auf die anderen beiden um. Immerhin ging es für die Turteltauben ja mehr oder weniger zurück in die Heimat, wenn auch noch nicht ganz nach Hause. Sie hatten dort beide Familie und vermutlich auch Freunde, die sich darauf freuen würden, sie besuchen zu können - sofern die beiden das eben genehmigten, aber davon ging ich eigentlich schon aus. Täte ihnen bis zu einem gewissen Grad bestimmt ganz gut, wenn sich sich nicht mehr nur im Leid des jeweils Anderen sonnten.
Es war Mitch anzusehen, dass er mit unseren Worten nicht wirklich zufrieden war, aber er beließ es glücklicherweise dabei. Erzählte stattdessen ein bisschen von sich selbst, von seiner Schulter. War sicher nicht angenehm eine recht steife Sehne wieder zum Laufen zu bringen und ich fühlte mich dafür nach wie vor ziemlich verantwortlich, auch wenn ich den jungen Mann aus eigenen Stücken wohl keineswegs dazu ermutigt hätte, sein Leben für mich aufs Spiel zu setzen. Für Faye jedoch vermutlich schon... aber seine Verletzungen waren ja auch mehr mein Verdienst, weil ich ihn an seiner eigenen Deckung gehindert hatte. Ich wusste noch immer nicht so recht, wie ich diese Schuld irgendwann einmal begleichen sollte, obwohl er das nicht wollte. Der junge Mann beteuerte, dass er das gern gemacht und er sich dazu selbst entschieden hatte. Machte auch Witze darüber, dass er so wenigstens ein bisschen Urlaub von der Armee bekommen hatte, die ihm sowieso zum Hals heraus hing. Ich schüttelte den Gedanken bestmöglich wieder ab und fokussierte mich mehr auf seine letzten Worte, wollte ich doch jetzt weiß Gott nicht schon wieder an den Krieg und seine beschissenen Folgen denken. Doch, ich freute mich eigentlich schon darauf, hier endlich wegzukommen. Zwar würden meine Eltern zumindest bei ihrem ersten Besuch sicher ziemlich anstrengend, überwältigend sein, aber sie würden immerhin wieder ein kleines bisschen mehr Farbe ins neue Zimmer bringen. Eine neue Art von Unterhaltung, die nicht Mitchs trockenen Humor einschloss und sich hoffentlich nicht nur um meine oder Fayes Gesundheit drehte. Die vielleicht zumindest eine kleine Lücke in meinem schon ziemlich festgefahrenen Gedankenschema hinterließ. Vielleicht kam auch Fayes Onkel mal vorbei oder ein paar ihrer Freunde. Zwar war ich mir noch nicht sicher, inwiefern ich die momentan sehr kaputte Version meiner selbst Leuten vorsetzen wollte, die nicht meinen sehr engen Bekanntenkreis einschlossen, aber das würde schon werden. "Doch, schon... ist in jedem Fall besser als Texas.", stellte ich mit eher nur knappen Worten noch einmal für alle Anwesenden hörbar fest, dass es wenigstens ein kleiner Lichtblick für mich war aus diesem Krankenhaus hier raus zu kommen. Auch, wenn die Reise an sich wieder anstrengend werden würde, aber wenigstens mussten wir dann nicht weiterhin hier versauern. Texas fühlte sich schlichtweg an wie der Arsch der Welt, wenn man Nichts und Niemanden dort kannte. Vielleicht war es landschaftlich an ein paar Ecken ganz schön, aber davon bekam ich in dem Gemäuer hier sowieso Nichts mit. Mehr als trist weiße Wände sah ich nicht.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es tat ihr leid, dass sie momentan eine so karge Gesprächspartnerin Mitch gegenüber war. Spätestens sobald er irgendeine Frage stellte, die sie nicht mit einer eindeutig positiven Antwort erwidern konnte. Sie wollte wirklich nicht so anstrengend sein. Aber egal was sie tat, sie konnte einfach nicht so tun als wäre nichts. Ihr Kopf funktionierte nicht so und ihre Emotionen spielten überhaupt nicht mit. Und doch kämpfte sie weiter für das Lächeln, das so jämmerlich auf ihrem Gesicht lag, obwohl es ihre Augen nicht erreichte. "Ja, ein Anfang... Ich bin mir sicher, die Reha wird uns auch helfen und dann... wird alles irgendwie... wieder gut", redete sie mit dem kläglichen Rest ihres Optimismus' und etwas zaghaft formulierten Worten weiter von einer Zukunft, der sie sich längst nicht mehr so sicher war. Sie wusste ganz genau, was sie wollte. Glücklich sein mit Victor, der ebenfalls glücklich war, und mit Aryana, die ebenfalls glücklich war. Aber der Weg dahin führte durch ein Labyrinth und das Labyrinth lag in der Dunkelheit und die Dunkelheit war erfüllt von dicken, schweren Nebelschwaden. Kurz gesagt: Er war nicht einfach und noch wusste sie nicht, ob sie beide - oder alle - die Kraft aufbringen konnten, ihn gemeinsam entlang zu schreiten. Faye lauschte Mitchs Erläuterungen zu seinem Gesundheitszustand und sie nickte leicht vor sich hin. "Ja, die Langeweile hier ist so ne Sache. Lass es mich wissen, wenn du mit Stricken anfangen willst. Dann schick' ich jemanden, um meine alten Sachen zu durchsuchen... Vielleicht findet man da noch ein paar Muster zu einem paar Socken oder einem Pulli... Und sonst eignet sich ein Schal für den Anfang am besten", schlug sie ihm im Versuch, die Stimmung etwas locker zu halten, eine vollkommen belanglose Beschäftigung vor. Sie sah ihn ja bildhaft vor sich, den Mitch beim Stricken. Auf seine nächste Frage hatte sie nicht wirklich eine gute Antwort, weil sie es selber nicht wusste. Freute sie sich? Sie freute sich auf Veränderung, sehnte sich nach jedem Ansatz von Normalität, der sie vielleicht zurück ins Leben zu ziehen vermochte. Aber gleichzeitig waren Therapien immer extrem anstrengend, aufwühlend. Sie hatte schon einmal eine durchgemacht, einige Jahre nach dem Tod ihrer Eltern, ungefähr mit Achtzehn. Aber seit da hatte sich viel verändert... Seit da war vieles kaputt gegangen, was nicht hätte verloren gehen dürfen. Ausserdem wusste sie noch immer nicht, wie ihr der Gedanke an Besucht gefiel. Victors Familie würde wohl spätestens am dritten Tag aufkreuzen, wann man es ihnen nicht anderweitig befahl. Das war okay, sie kamen ja für Victor und solange er das gut fand, war sie einverstanden. Aber ihre Freunde wollte sie nicht sehen. Beziehungsweise wollte sie nicht, dass ihre Freunde sie so sahen. irgendwie verletzt, irgendwie gebrochen. Ein Bisschen kaputt, ein Bisschen gezeichnet. Nie wieder so wie davor. Sie würde es sich irgendwann überlegen müssen.. aber nicht jetzt. Es fiel ihr kaum auf, dass sie diese Frage einfach ausliess und stattdessen nur Victors Antwort mit einem einverstandenen Nicken quittierte, sodass man annehmen konnte, sie wäre der gleichen Meinung. Und das stimmte ja auch. Besser als Texas war nicht schwierig... "Wie sieht's mit dir aus? Willst du noch lange zur Army zurück oder hast du auch vor.... dem ganzen Mal... ein Ende zu setzen?", als hätten sie diesen Ausstieg selber für sich gewählt und als wäre ihnen die Freiheit nicht zwangsläufig zugesprochen worden.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Irgendwie schien nicht mal mehr vom sonst so blühenden, naiven Optimismus der jungen Frau noch viel übrig zu sein. Normalerweise nervte mich diese ihrer Eigenschaften auch eher, weil sie für die Kriegsführung stellenweise einfach hinderlich und unrealistisch war. Jetzt fand ich es aber ziemlich schade, könnte Faye den gerade zum jetzigen Zeitpunkt doch gut gebrauchen, um besser wieder in ein neues Leben starten zu können. Allerdings war es nicht verwunderlich, dass die Brünette jenen Optimismus nur noch gedämpft verspürte, nachdem, was sie erlebt hatte... und ich hieß es auch noch immer nicht wirklich gut, dass sich die beiden Hauptgeschädigten der Geschichte zusammen im selben Raum befanden. Da redete man aber sehr sicher gegen eine Wand, weshalb ich das schlicht bleiben ließ. "Ja, ganz sicher.", war also Alles, was ich dahingehend letzten Endes noch sagte, weil ich alles Andere nicht für sinnvoll hielt. Außerdem wünschte ich den beiden ja wirklich, dass die Reha deutliche Wirkung zeigte. Als Faye die Strickerei erwähnte drehte ich meinen Kopf mit hochgezogener Augenbraue erneut zu ihr, um sie mit einem ziemlich eindeutig Blick anzusehen. "Ich und stricken? Es ist wahrscheinlicher, dass ich mir eine Glatze rasiere, als dass ich irgendwas Vernünftiges zusammengestrickt bekomme. Wenn's hochkommt stech' ich mir noch ein Auge aus.", stellte ich sarkastisch und doch auch leicht amüsiert fest, schüttelte im Anschluss daran ein bisschen den Kopf. Nein, Stricknadeln gab man mir lieber nicht in die Hand, dafür fehlte mir schlicht die Geduld. Wutausbrüche waren da quasi vorprogrammiert und Unfälle durchaus im Bereich des Möglichen. Besser war es also, wenn das Stricken genauso wenig passierte, wie das Abrasieren meiner Haare. Die beiden schienen sich auch einig damit zu sein, dass der Wechsel in die Rehaklinik etwas Gutes war, auch wenn keiner von ihnen vor Motivation dabei zu platzen schien. Auch das konnte ich nachvollziehen - sie waren halt müde, angestrengt, erschöpft und auch die weitere Therapie würde sie anfangs noch mehr Kraft kosten, aber die war nun mal eindeutig notwendig. Fayes folgende Frage ließ mich glatt vergessen, dass sie auf meine gar nicht wirklich antwortete. Vermutlich deshalb, weil die amerikanische Armee mir nur mehr ein Dorn im Auge war und ich mich in diesem Thema oftmals unschön verbiss, was wohl auch zu dem folgenden Redeschwall führte. "Nein, echt nicht... ich hab genug Leute unnötig sterben sehen und es kotzt mich an, dass ich die ganze Scheiße überhaupt nochmal unterstützen muss. Da läuft viel zu viel in eine komplett falsche Richtung... so lange, wie die sich mit den rechtlich korrekten Schritten und der Planung zur Befreiung beschäftigt haben, wärt ihr bei der Ankunft längst hinüber gewesen, um nur mal ein Beispiel zu nennen.", regte ich mich doch ein wenig darüber auf, wie sehr meine ursprünglich mal so geliebte Army ihr Image verloren hatte. Wahrscheinlich hätte ich niemals nach Syrien wechseln sollen und Alles wäre in bester Ordnung geblieben. "Ich halt' mich noch an den jetzigen Vertrag und dann war's das, noch eine Unterschrift kriegen die von mir ganz sicher nicht.", hängte ich noch ein paar abschließende Worte hinten ran, den Blick inzwischen wieder nach vorne gerichtet und die Augenbrauen ein klein wenig tiefer ins Gesicht gezogen.
Wie oft hatte das einer von uns beiden inzwischen schon gesagt? Dass Alles irgendwann wieder gut werden würde? Unzählige Male innerhalb weniger Wochen waren uns Sätze wie dieser schon über die Lippen gekommen und es fing mit jedem anstrengenden Tag mehr immer schwieriger zu werden, auch wirklich weiterhin daran zu glauben. Ich hoffte weiterhin inständig, dass Faye und ich das Ganze auf die Reihe bekamen und wollte eigentlich auch wirklich nicht daran zweifeln. Immerhin war das der einzige Strohhalm, an den ich mich momentan klammern konnte, um nicht vollkommen wahnsinnig zu werden, aber die Reise dahin wurde immer ermüdender und zehrte an dem letzten Bisschen, was ich an mentaler und körperlicher Kraft noch aufbringen konnte. Ich versuchte mich von dem Gedanken abzulenken und fing stattdessen damit an, mir den mit Tattoos übersäten, jungen Mann mit Wolle und Stricknadeln vorzustellen. Seine Worte dazu verliehen der bildlichen Vorstellung noch etwas mehr Farbe und ließen für den Bruchteil einer Sekunde meine Mundwinkel nach oben zucken. Faye hatte sich da eine wirklich absolut passende Tätigkeit zur Bekämpfung seiner Langeweile ausgesucht. Mitchs Geduldsfaden war ja nicht besonders lange und demnach konnte ich ihm wohl nur beipflichten - Stricken war vermutlich nicht so seins und mit Glatze sähe er wahrscheinlich ziemlich bescheuert aus. Strickend und mit kahlem Kopf gefiel mir ja am besten. "Ach, das passt schon... wir setzen dich in einen von diesen uralten, knarzenden Schaukelstühlen, geben dir ein paar von Oma's Klamotten und einen schicken Hut für die Glatze zum Anziehen, dann kriegst du das sicher hin. Du musst es nur richtig fühlen können, Mitch.", gab ich etwas verspätet entsprechend einen recht ironischen Kommentar dazu ab. Meine Formulierung rundete gleichzeitig gedanklich das Bild vom strickenden Soldaten ab und ließ mich doch ein klein wenig grinsen, wobei das recht schnell wieder verblasste. So wie eben alle positiven Gefühle in den letzten Tagen, die sowieso nur selten auftraten. Außerdem wollte ich es vielleicht ein kleines bisschen ausnutzen, dass ich nach wie vor Invalide war und demnach kaum einen ernsthaften Ausraster wegen ein oder zwei neckischen Kommentaren von ihm erleben müssen würde. Dahingehend genoss ich die Schonfrist einfach mal, wo ich sonst doch eher darauf bedacht war ihn nicht zu reizen, weil er wütend schlichtweg unerträglich war. Als Mitch jedoch weiter redete und uns darüber in Kenntnis setzte, dass er der Army ebenfalls den Rücken kehren würde, glitt mein Blick erneut zu Faye und ich musterte sie ein klein wenig. Ich wollte ganz einfach wissen, wie sie das auffasste, waren seine Worte - explizit sein Beispiel - doch nicht unbedingt sensibel gewählt. Aber dass Empathie nicht so sein Ding war, war ja nichts neues und er schien dahingehend eine ganze Menge angestauten Frust zu haben, was sein Gesichtsausdruck doch ziemlich deutlich machte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wie oft hatte in den letzten Tagen jemand - inklusive sie selbst - ihnen versichert, dass alles gut werden würde? Oft... viel zu oft. Und sie krallte sich jedes Mal an das Stück Hoffnung, das sich mit diesen Worten verband. Und doch fiel es ihr so schwer, daran zu glauben. Besonders Nachts oder dann, wenn sie zu Victor blickte und er im Schlaf voller Sorge und Schmerz das Gesicht verzog. Oder wenn sich irgendwelche Ärzte über sie beugten und in der typisch-faszinierten, irgendwie begeisterten und dabei gleichzeitig versucht einfühlsamen Art, mit der sie einen nie zuvor gesehenen Verletzungszustand begutachteten, miteinander über ihre Wunden fachsimpelten. War halt nicht ganz Alltag, dass Entführungsopfer des IS in diesem Krankenhaus zu Gast waren. Aber zum Glück auch bald Vergangenheit. Weil sie immerhin schon so weit gekommen waren, dass sie nicht mehr rund um die Uhr auf ärztliche Betreuung angewiesen waren. Immerhin ein kleiner Lichtblick, den sie liebend gern als Solchen anerkannte. Ihr Körper erholte sich. Nicht zu dem, was er mal gewesen war, aber sie hatte gewusst, dass sowas passieren konnte, wenn sie in den Krieg zog. Jeder hatte es gewusst... Nur konnte keiner sich wirklich auf das vorbereiten, was jetzt eben passiert war. Sie war froh, als Mitch noch seinen Kommentar zum Stricken abgab und sie so erfolgreich ein weiteres Mal zurück aus dem dunklen Tunnel des ewigen Gedankenkarussells zog. Die Vorstellung von dem, was Victor gleich darauf noch anfügte, liess auch Faye einen Moment amüsiert lächeln. "Stich dir bitte kein Auge aus, ich glaube kaum, dass Aryana sich darüber freuen würde. Am Ende wird sie noch sauer auf mich, weil's meine Idee war", meinte Faye schüttelte dabei den Kopf, als würde sie ernsthaft die wütende Laune ihrer Schwester fürchten müssen. Eher nicht. Sie müsste schon ziemlich viel Scheisse bauen, damit Aryana ihr böse sein könnte. War umgekehrt ja schliesslich genauso. Dass Mitch genau wie sie alle ebenfalls die Schnauze voll hatte, was die Army und ihre ganze Shitshow anbelangte, konnte Faye nur begrüssen. Das war ein Grund weniger, den Krieg zu vermissen. Ein Grund weniger, da zu bleiben. Und doch verzog sie reflexartig das Gesicht uns sank etwas tiefer in ihr Kissen, als sie sein eventuell etwas unsensibles Beispiel zum Versagen der Army zu Ohren bekam. Sie brauchte nicht nochmal zu erwähnen, dass sie wirklich froh war, dass Mitch und Aryana gekommen waren, um sie in letzter Minute aus der Scheisse zu ziehen. Aber sie wollte auch nicht darüber nachdenken, was passiert wäre, wenn die beiden es nicht geschafft hätten. Dass die Army ihren Tod vielleicht einfach hingenommen hätte - wie das mit all den anderen, die auf dem Schlachtfeld ihr Leben liessen, die ganze Zeit passierte. Sie biss auf ihrer Unterlippe herum und bemühte sich darum, die labile Fassung zu wahren - schwor sich zeitgleich, Mitch in Zukunft nicht wieder auf die Army anzusprechen. "Gut, dann... dann können wir für dich ja auch ein... Willkommen-Zurück-Fest feiern...", suchte sie mit einem fast etwas kleinlauten Murmeln den Weg zurück in etwas harmlosere Gespräche - die Einzigen, die sie wirklich verkraftete. Indes war ihr Blick ebenfalls zu Victor hinüber geglitten, wobei sie es diesmal nichtmal mit einem Lächeln probierte. Sie wusste ganz genau, dass ein Solches gerade zweifellos kläglich enden würde. Also blinzelte sie ihn nur nachdenklich an, wünschte sich ein weiteres Mal, sein Bett würde nur nicht so weit weg stehen, damit sie ihm wenigstens über die Finger streichen könnte, während er doch sicher das Gleiche dachte wie sie...
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ah, natürlich. Ein paar uralte Klamotten, die wahrscheinlich mehr aussahen wie Gardinen und ein Hut für den kahlen Opa-Kopf. Vermutlich würde mich das hin und her Geschaukel des Stuhls auch nur zusätzlich wahnsinnig machen, weshalb ich ablehnend den Kopf schüttelte und kurz darauf bei Fayes nächstem Kommentar leicht die Augen verdrehte. Ich glaubte kaum, dass Irgendwas die beiden Schwestern auseinander bringen konnte. Nagut, die Arschlöcher vom IS hatten es fast geschafft und allein hätte Aryana das zierliche Ding da wohl kaum herausbekommen. Aber sie hatte scheinbar einen Trottel gefunden, der ihr selbst bei einer ziemlich tödlichen Mission gerne half - meine Wenigkeit. Das war nur ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass in meinem Schädel wohl auch Einiges nicht ganz rund lief. Es würde ihr wohl Niemand, der noch ganz bei Trost war, ein derartiges Angebot unterbreiten und das dann auch noch durchziehen. "An, natürlich... da ist es wichtiger, dass deine Schwester nicht sauer auf dich ist, als dass ich womöglich ein Auge verliere.", erwiderte ich reichlich ironisch und zog die rechte Augenbraue nach oben, den Blick wieder auf die jüngere Cooper gerichtet. Ob ich auf einem Auge blind wurde, das spielte dabei natürlich Rolle. Eins reichte ja, um noch gucken zu können. Spätestens nach dem Stricken wäre es dann schon frühzeitig vorbei mit dem Dienst bei der Army, aber das war es wohl kaum wert. Mir wurde mal wieder erst klar, dass ich hin und wieder vielleicht zuerst denken und dann reden sollte, als ich das kurzzeitige, recht betretene Schweigen vernahm und Faye sich sichtlich unwohl mit dem Gesprächsthema fühlte. War vielleicht einfach kein Thema, über dass wir beide uns überhaupt jemals unterhalten sollten. Auch dann nicht, wenn sie irgendwann drüber hinweg war. Einfach weil die Liste, was mir an dem Drecksladen alles nicht passte, ungefähr endlos lang und sehr frustrierend war. Für beide Seiten vermutlich. Da klang die Party, welche sie kurz darauf erwähnte, doch schon eher nach meinem Geschmack. "Eine Party? Musik in meinen Ohren... krieg' ich teuren Whiskey?", klinkte ich mich gleich mit einer kleinen Forderung hinsichtlich der Feier ein. Eine einzige Flasche voll gutem Alkohol war nicht zu viel verlangt für das, was ich alles hinter mich gebracht hatte. Sechs bis sieben Jahre der Army gedient zu haben war in meinen Augen eine durchaus zu würdigende Leistung - noch dazu hatte ich bis auf die Australienreise nur selten und sehr kurz Pause gemacht, war nach der Grundausbildung permanent im Ausland unterwegs gewesen. Da war ein bisschen Whiskey war wohl das Mindeste.
Leider wirkten sich die Worte des hitzköpfigen Amerikaners ziemlich genau so aus, wie ich das befürchtet hatte. Mir war schleierhaft, was genau Aryana eigentlich an ihm fand. Zumindest oberflächlich betrachtet war er doch hin und wieder sehr gerne ein Arschloch und ziemlich ignorant. Aber was wusste ich schon, ich hatte ja keine Ahnung davon, was die beiden womöglich Alles verbinden könnte. Er war ja auch schon nicht mehr ganz so schlimm wie sonst eben, auch wenn das bei uns beiden vielleicht eher der Schonfrist zu verschulden war, aber dieses eine Fettnäpfen hatte er trotzdem schwungvoll mitgenommen. Ich war nur einfach froh darum, dass er Faye damit immerhin nicht zum Weinen gebracht hatte... zwangsweise sah ich ihr ohnehin schon viel zu oft Tränen über die Wangen kullern und ich hatte so jetzt schon wieder das Bedürfnis, zu ihr rüber zu gehen. Wäre es nicht mit ganz so viel Anstrengung und Kraftaufwand verbunden, wäre ich das vielleicht auch. Wäre irgendwie um Mitch herum geschwankt, um für beide Seiten effektiveren Schutz unter der anderen Bettdecke zu finden. So jedoch warf ich der zierlichen jungen Frau nur einen vielsagenden, mitfühlenden Blick zu in der stillen Hoffnung, dass das Irgendwas brachte. Faye schaffte es dann auch ganz gekonnt das Thema wieder umzuleiten, was vermutlich zu unser aller Bestem war. Ich hatte keine Lust dazu hier und jetzt mit einem frustrierten Soldaten über die U.S. Army zu fachsimpeln. Aus eigener Erfahrung wusste ich viel zu gut, wie sehr es keine gute Idee war sich diesem Trupp anzuschließen, ganz gleich auf welchem Posten. Also doch lieber wieder über die kleine Feier reden, die ohnehin auch schon für Aryanas Rückkehr geplant war. Ob deren Verträge zur gleichen Zeit ausliefen? Nein, auch danach zu fragen hatte ich keine Lust, würde es womöglich nur noch mehr Unmut auslösen. "Alkohol zu beschaffen sollte wohl unser geringstes Problem darstellen.", stellte ich fest, gähnte kurz darauf ein klein wenig, weil die anhaltende Müdigkeit sich gerne zu Wort melden wollte. Wir waren schließlich nicht mehr in der High School, wir kamen problemlos an Spirituosen oder speziell den von Mitch gewünschten Whiskey heran, während ich selbst doch lieber nur bei Bier blieb. Bis dahin sollten wir auch längst aus der Reha entlassen worden und wieder auf freiem Fuß sein, wenn nicht Irgendwas in komplett miserabler Bahn verlief.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +