Aryana grinste schief in sich hinein, als er ihr den Verdacht mit dem Vergleich bestätigte. "Dann hoff ich wenigstens, dass Wedges und Steak dein Zweitlieblingsessen ist", meinte sie dazu nur noch, um den Vergleich wenigstens ein kleines Bisschen zu rechtfertigen. Sein Lieblingsessen war es ja schon mal nicht, denn diesen Platz besetzten wohl weiterhin die japanischen Reisröllchen, von denen er auch kurzum zu reden begann. Weil sie ihm die offenbar irgendwann versprochen hatte. Ganz zu Beginn ihrer eigentlichen Freundschaft, wenn sie sich recht erinnerte. Nach getaner Arbeit, die überhaupt erst zu irgendwas anderem als Feindseligkeit und Gereiztheit zwischen ihnen geführt hatte. "Hmm. Ich werd' bestimmt irgendwann bei einem Japaner vorbeikommen und dir welche besorgen können", redete sie sich fröhlich aus der Kochpflicht raus. Es war bestimmt sowieso um Einiges besser, wenn jemand anderes als sie die Sushis zubereitete. Jemand, der kochen konnte und das vielleicht nicht zum ersten Mal tat. Dass er mit ihren Ecken und Kanten soweit offenbar ganz gut umgehen konnte, fand die Brünette auch sehr schön. Wie gesagt gab es nicht besonders viele Menschen, die sich daran nicht mit der Zeit störten. Jedenfalls glaubte sie das, war jetzt nicht so, als hätte sie überhaupt irgendwann jemanden lange und nahe genug an sich rangelassen, um die Person beurteilen zu lassen, ob und wie sehr sie sich an Aryanas Macken störte. Aber sie hatte auch bei niemandem das Bedürfnis gehabt, herauszufinden, ob man denn zueinander passen würde oder eben nicht. "Dann haben wir wohl Glück gehabt, dass wir irgendwann damit aufgehört haben, einander mit Blicken zu töten... Sonst hätten wir nie rausgefunden, dass wir tatsächlich einfach beide auf ähnliche Art und Weise ziemlich durch sind", murmelte sie zufrieden. Vielleicht waren ihre Leben nicht von den gleichen Sorgen und Problemen geprägt, aber beide waren durch die Vergangenheit irgendwie zu dezent abgekapselten Einzelgängern geworden. Beide hatten sich daran gewöhnt, mit keinem über Schwierigkeiten zu sprechen und andere Leute lieber von sich weg zu schieben, als sich helfen zu lassen. Vielleicht verstanden sie sich mitunter darum so gut. Weil sie den ganzen Prozess gegenseitig nachvollziehen konnten. Weil sie verstanden, warum sie lieber alleine waren, aber auch, weil sie wussten, dass das vielleicht nicht die optimale Lösung aller Probleme war. Mitch erwähnte gleich darauf noch eine weitere Gemeinsamkeit, die in diesem Fall leider eher anstrengend als positiv war. Aber trotzdem konnten sie froh sein, beide so zu sein, weil sie sonst eben nicht hier liegen würden. Wenn auch nur einer von ihnen Anstrengungen und Herausforderungen scheuen würde, hätten sie sich nicht auf dieses Spielchen - was auch immer es war - eingelassen. Aber so blickten sie sich lieber die ganze Zeit in die funkelnden Augen. Und küssten sich zwischendurch immer wieder. Wie ein junges, verliebtes Pärchen in Paris... Aryana erwiderte den Kuss sanft, während ihre Finger auf seiner Brust ebenfalls wieder mit winzigen Streicheleinheiten einsetzten. Und sie wollte nie wieder damit aufhören... Wann war sie so anhänglich und liebesbedürftig geworden?
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Ich mochte Fleisch allgemein gerne. Am liebsten natürlich richtig teures, das vom Geschmack schon ganz anders war als der billige Mist vom Supermarkt an der Ecke. Außerdem ging es solchen Tieren auch besser - ja, ich war nach wie vor ein Tierfreund. Das galt nicht nur für die vorwitzigen Kängurus, die einfach lustig anzusehen waren, sondern eigentlich für alle. Egal in welcher Form waren Tiere mir einfach lieber als die meisten Menschen. "Kann man so sagen, ja... gutes Fleisch ganz allgemein hab' ich gern auf dem Teller.", erläuterte ich der Brünetten meine Gedanken und damit Vorlieben, was Essen anging. Ganz auf Fleisch zu verzichten kam für mich nicht in Frage, weil ich es eben einfach mochte. Wenn der Geldbeutel voll war konnte man da ja wählerisch sein und finanziell beklagen musste ich mich nach all den Auslandseinsätzen wirklich nicht. "Es wundert mich kein Stück, dass du dich davor drücken willst das Sushi selber zu machen.", stellte ich fest und zog eine Augenbraue nach oben. Aryana schien es sich sehr einfach machen zu wollen was das Sushi anging. War ja schon frech und eigentlich nicht ganz in meinem Sinn. Das merkte ich mir für später, um es als Vorwand zu nutzen, wenn ich auch Irgendwas ihr gegenüber nur so halb richtig machen wollte. Ihren folgenden Worten konnte ich nur zustimmen. So verschieden, wie ich es am Anfang unserer Bekanntschaft empfunden hatte, waren wir nämlich gar nicht. Natürlich waren unser beider sturen Köpfe trotzdem manchmal kontraproduktiv, aber wir konnten uns dennoch recht gut in den jeweils anderen hinein versetzen. Rückten uns nicht zu sehr auf die Pelle - also verbal, körperlich jetzt schon. Wir ließen uns den Freiraum, den wir brauchten. Kamen von selbst darauf, wann wir mit Fragen lieber Halt machten, weil die Vergangenheit bei uns beiden einfach nicht zu den Lieblinggesprächsthemen gehörte. "Ja, da hast du wohl Recht... ich bin froh drüber.", stimmte ich der Brünetten gänzlich zu. Das Einzige, was ich vielleicht ein kleines bisschen bereute, war, dass ich sie so oft blind vor Ärger angeschnauzt und dabei den guten Rest übersehen hatte. Aber offenbar hatten wir diese Zeit beide inzwischen erfolgreich weit genug im Gedächtnis nach hinten gedrängt, um uns nicht mehr daran zu stören. War also halb so wild. Ich genoss den Kuss in vollen Zügen, fing währenddessen auch beiläufig wieder damit an Aryana leicht über die Wange zu streicheln. Es war wohl nicht gut, wie süchtig die kleinen Berührungen und selbst die kürzesten Küsse machten, aber bisher ließ sich das leicht verdrängen. Schließlich war Aryana jetzt noch da. Als der Kuss sein Ende fand rollte mir ein zufriedenes Seufzen über die Lippen und ich lehnte meine Stirn mit noch geschlossenen Lidern für einen Augenblick an ihre, während meine Hand erneut nach hinten in ihren Nacken rutschte, sich dort unter den Locken versteckte. "Ich hab das ungute Gefühl, dass ich dich mehr vermissen werde als sonst.", grummelte ich leise, etwas unverständlich vor mich hin, kurz bevor ich den Kopf nach hinten ins Kissen sinken ließ und ein kleines bisschen abwesend an die Decke sah. Nein, ich war mit der aktuellen Situation so gar nicht zufrieden. Natürlich würde ich die Brünette jetzt niemals von mir weg scheuchen, genoss ich doch das wohlig warme Gefühl in ihrer Nähe und auch ihren Duft, der mir permanent um die Nase wehte, viel zu sehr. Das Problem war halt nur, dass ich jetzt ganze zehn Tage Zeit dafür hatte, mich nur noch mehr daran zu gewöhnen und Aryana dementsprechend auch noch mehr zu vermissen. Egal ob ich das wollte oder nicht, es würde zweifelsfrei so kommen, wenn sie jetzt nicht urplötzlich entschied mich für die Zeit ihres restlichen Aufenthalts zu meiden... und das war doch sehr unwahrscheinlich.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das kam jetzt nicht sonderlich überraschend, da die Vorliebe für gutes Fleisch, am besten wohl noch frisch vom Grill, eine allgemeine Männerkrankheit war. Nicht, dass Frauen Fleisch nicht schätzen würden, aber meistens war es den Männern halt noch einen Ticken wichtiger. Also würde sie wohl kaum Probleme damit haben, sich den Inhalt dieser Antwort zu merken, bis es irgendwas in tausend Jahren vielleicht relevant wurde. Dann, wenn sie einmal beschliessen sollte, für ihn zu kochen. Also nie. Und Mitch schien das schon geahnt zu haben, weil es eben auch beim Sushi zum Problem wurde. Sie lächelte ihn unschuldig an und zuckte knapp mit der linken Schulter. "Ich will mich nicht unbedingt davor drücken... Aber ich bin mir einfach ziemlich sicher, dass es dir besser schmeckt, wenn ich was kaufe, als wenn ichs selber versuche", gab sie die Erklärung für ihre augenscheinliche Faulheit. Möglicherweise war es ein Bisschen beides. Sie wollte nicht unbedingt kochen und es gab einfach in ihren Augen keinen Grund dazu, es selbst zu machen, wenns dann sowieso nicht gut wurde. Sowieso war das noch sehr weit weg und sie brauchte sich die nächsten Monate über keine Gedanken dazu zu machen. Sie war auch froh drüber, dass sie es irgendwann im Laufe der Zeit geschafft hatten, über ihre Differenzen hinweg zu sehen. Nicht nur, weil es ihr endlich den lang ersuchten Frieden durch Warrens Tod gebracht hatte, den sie so nicht mehr gespürt hatte, seit ihr Bruder gestorben war und sie den alten Lieutenant Tag für Tag hatte tot sehen wollen. Nein, auch einfach, weil ihr lange Zeit nicht bewusst gewesen war, wie sehr sie ihre innere Sehnsucht nach menschlicher Nähe, nach jemandem zum Reden und Lachen - nach Freundschaft unterdrückt hatte. Das hatte sie erst gemerkt, als sie all das bei Mitch gefunden hatte und immer mehr davon hatte haben wollen. Eigentlich war sie sich sicher gewesen, dass sie dazu bestimmt waren, Freunde zu sein. Aber langsam wurde ihr immer klarer, dass sie das nur darum so eindeutig gesehen hatte, weil sie auch hier ihre eigentlichen Bedürfnisse unterdrückt hatte. Weil für sie bis heute vermeintlich klar gewesen war, dass nie was anderes als Freundschaft in Frage kam. Und dann hatte sie ihn geküsst und gemerkt, dass sie eigentlich mehr wollte. Auch wenn das Ganze weiterhin von der unsicheren Angst hinterlegt war, dass sie ihn damit auch sehr leicht verlieren konnte, wenn irgendwas schief ging. Viel leichter als davor. Aber nicht hier und nicht jetzt... Sie genoss die zarten Berührungen seiner Hand auf ihrem Gesicht, während sie sich küssten und den Moment der Stille und vertrauten Nähe, als der Kuss sein Ende fand. Auch Aryana hatte die Augen geschlossen, als sie seine leisen Worte vernahm. Und er hatte Recht. Wenn sie weiter darüber nachdachte, war das wirklich ein denkbar schlechter Moment gewesen, um sich irgendwie näher zu kommen. Erstens, weil sie beide körperlich - und, zumindest in Aryanas Fall, auch psychisch - dezent angeschlagen waren und zweitens, weil sie sich hier zehn Tage lang alles geben und alles versprechen konnten, was ihnen dann, mindestens für ein paar Wochen, gleich wieder genommen wurde. "Ja... das haben wir uns wohl etwas ungeschickt eingebrockt...", murmelte sie zurück, während sie ihren Kopf wieder an seine Schulter bettete, nachdem er zurück ins Kissen gesunken war. "Ich kann dir Brieftauben schicken. Oder tatsächlich Briefe senden. Vielleicht kommt ja einer davon total zerstört hier an, bevor du schon abgereist bist", schlug sie ironisch vor, was ganz bestimmt nicht in Frage kam. Briefe... Natürlich. "Hallo liebster Mitch, hier ist alles wie immer, ich hoffe dir gehts gut, ich vermisse dich, liebe Grüsse Nicht-Mehr-Maria", ja, bekam sie hin. Wenn sie nicht wüsste, dass die Post von Syrien - selbst aus den Armycamps - Ewigkeiten brauchte, um die Heimat zu erreichen, könnte sie das wirklich tun. Das heisst, wenn Mitch eine fixe Adresse für die nächsten Wochen hätte. Was ja ebenfalls nicht wirklich der Fall war, da das Krankenhaus wahrscheinlich nichtmal für die nächsten zehn Tage sein Zuhause bleiben würde. Es sei denn, sie wussten nicht, wo sie ihn sonst hin verschiffen sollten. Ein Hotelzimmer? Er hatte ja genauso wenig eine Familie oder Freunde hier wie sie alle.
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Ich schnaubte leise, antwortete Aryana mir doch ziemlich genau das, was ich schon erwartet hatte. Irgendwie glaubte ich das so auch nicht ganz. Ich meine, ja, natürlich war die Wahrscheinlichkeit, dass ich etwas wirklich Leckeres auf den Teller bekam, mit Sushi vom Fachmann höher. Es gehörte einfach Übung dazu, die Dinger brauchbar hinzukriegen. So, dass sie nicht nur gut aussahen, sondern parallel auch noch den Geschmacksnerven taugten. Aber es ging mir ja auch ein bisschen um den Versuch an sich. "Ja, ist schon okay, wenn du das Handtuch gleich vorher wirfst. Wir wollen ja nicht, dass du verzweifelst.", neckte ich die Brünette ein wenig, um sie damit wissen zu lassen, dass ich nicht zu einhundert Prozent von ihrer Entscheidung begeistert war, ohne es direkt aussprechen zu müssen. Mein Magen würde sich bestimmt auch mit Sushi zufrieden geben, das nicht von Meisterköchin Aryana stammte. Eine andere Wahl hatte ich scheinbar sowieso nicht, auch wenn ich die Vorstellung von Aryana am Herd doch ziemlich witzig fand. Ob sie gerne gekocht hatte, bevor sie zur Army gekommen war? Vermutlich nicht, so vehement wie sie sich gegen den anstrengenden Versuch an asiatischem Essen wehrte. Andererseits konnte ich mir das doch sowieso nur schwer vorstellen. Eine Frau, die sich normalerweise auf dem Schlachtfeld tummelte und mit Befehlen um sich schmiss, während sie dem Feind die Köpfe einschloss, passte nicht wirklich in eine Küche. Auf den ersten Blick zumindest nicht. Sie wirkte eben allgemein nicht wie Jemand, der gerne etliche Stunden am Ofen vergeudete. Ungeschickt traf die aktuelle Situation ganz gut. Ob es auch derart ausgeartet wäre, wenn ich die nach dem ersten, kurzen Aufeinandertreffen unserer Lippen nicht gleich ein weiteres Mal zu mir hin gezogen hätte? Wenn ich ausnahmsweise mal gedacht hätte, bevor ich rein intuitiv handelte? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Der erste Kuss allein war ja auch gut gewesen, also hätte es womöglich gar keinen oder zumindest keinen großen Unterschied gemacht. Eventuell wären wir erst ein bisschen später an den Punkt gekommen, an dem wir jetzt waren, aber ich hatte nicht wirklich Zweifel daran, dass es trotzdem noch vor ihrer Abreise gewesen wäre. Immerhin hatten wir scheinbar beide, wenn auch nur unterbewusst, darauf gewartet. Anders konnte ich mir nicht erklären, wie wir beide als derart unabhängige Menschen uns so in der Zweisamkeit verloren, die wir gerade hatten. "Womöglich solltest du die Nicht-Mehr-Maria sicherheitshalber weglassen... oder bei der Taube bleiben. Safety First. Außerdem ist die bestimmt schneller da.", erwiderte ich nicht weniger von Ironie getränkt und strich ihr leicht grinsend noch einen Moment durch den schmalen Nacken, bevor mein Arm doch langsam ein wenig schwer wurde. Deshalb ließ ich ihn auch sinken und schob die Hand stattdessen wieder an der Taille unter ihr Oberteil, wodurch der Arm weit entspannter war, einfach liegen konnte. Da unsere Freunde von der Army hin und wieder gerne Briefe aufmachten, wenn sie einen imaginären Grund dazu sahen, wäre die Erwähnung des Endes ihrer Maria-Zeit vielleicht nicht so gut. Aber mir war die Taube sowieso lieber, solange sie mir Nichts voll schiss. "Oder wir belassen es ganz einfach beim Telefon. Das geht ein bisschen schneller und regelmäßiger. Muss ich mir halt... ein Zweithandy besorgen, wenn ich hier raus bin, oder so.", schlug ich dann die wohl wesentlich simplere und weit effektivere Methode zum Aufrechterhalten des Kontakts vor. Es war zwar noch nicht sicher, wann ich hier dann wieder raus kam - wenn ich die Möglichkeit auf Tapetenwechsel hatte, dann würde ich die auch nutzen wollen - und wie das Alles ablaufen würde, aber das Besorgen eines Ersatzhandys war keine große Sache. Mein altes war sowieso inzwischen ziemlich in die Jahre gekommen, hatte ab und an hier und da einen Wackelkontakt, der Akku war auch nicht mehr der Beste... vielleicht war das demnach sowieso nicht so verkehrt.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aryana blickte mittlerweile leicht verwirrt zu Mitch hoch, war sich nicht ganz sicher, was genau er ihr hier durch die Blume sagen wollte. "Wenn du unbedingt willst, dass ich selber Sushi mache und sie nicht kaufe, musst du mir das sagen, Liebling. Ich bin erstaunlich schlecht darin, zwischen den Zeilen zu lesen", gab sie ihm lächelnd eine weitere nicht ganz unwichtige Information zu ihrer Person preis. Sie hatte jetzt nicht unbedingt riesige Lust darauf, selber etwas zu basteln, weil das Chaos da eben vorprogrammiert war, aber vielleicht würde sie das ihm zuliebe ja doch machen. Es war relativ einfach, ihm das jetzt zu versprechen, wenn die Ausführung noch so viele Monate in der Zukunft lag. Die Briefe hingegen, auf welche er dann zu sprechen kam, waren zeitlich leider gar nicht so weit entfernt, wie sie das gerne hätte. Also keine ausserordentliche Signatur. Er hatte ja Recht. Das wäre nur wieder ein Risiko, welches sie nicht eingehen sollten. "Okay, dann Taube. Und etwas weniger Auffälliges. Zum Beispiel... MfG Aryana. Nur, falls sie die Taube vom Himmel schiessen, weil irgendein Depp sie mit einer feindlichen Drohne verwechselt", gab sie ihre intelligentere Lösung bekannt, blickte äusserst zufrieden mit ihrer Idee wieder in seine Augen. Nur kurz, weil sie ihren Kopf dann ziemlich bald wieder an seine Schulter gebetet hatte. Der Einfall mit dem Telefon war wohl auch nicht schlecht. Auch wenn das schon wieder wie das verliebte Highschool-Pärchen klang. Die beiden, die Abends stundenlang in getrennten Betten verschiedener Elternhäuser lagen und mit dem Anruf die Anwesenheit des jeweils anderen simulierten. Die, deren Mütter und Väter ihnen eine Million Mal sagen mussten, dass sie das Handy jetzt weglegen und schlafen sollten, obwohl klar war, dass das niemals passieren würde, weil man so unendlich verliebt war und keine Sekunde mehr ohne einander leben wollte. Zumindest nicht für die nächsten drei oder vier Wochen. Wobei Aryana doch sehr fest hoffte, dass Mitch nicht in drei oder vier Wochen beschliessen würde, dass er keine Lust mehr auf sie hatte. Denn das wäre zweifellos eine mittelschwere Katastrophe, die bleibende Schäden hinterlassen würde. Jetzt, wo sie es geschafft hatte, sich nach Ewigkeiten wieder auf diese Art und Weise für jemanden zu öffnen, würde es sie wohl ziemlich irreversibel zerstören, wenn sich das alles als Fehler entpuppte. Würde aber nicht passieren, da war sie sich in diesem Moment sehr sicher. Mitch würde sie nicht einfach hängen lassen und sie vertraute ihm wirklich. Die Sache von Vorgestern hatte sie zwar nicht vergessen, aber in ihrem Gehirn so weit nach hinten wie irgendwie möglich verbannt, damit es ihr nicht schwer viel, hier und jetzt alles zu ignorieren, was gewesen war. Vielleicht würde es zurückkommen. Wenn sie alleine war, wenn die Zweifel kamen, ob das alles gut war, die Zweifel, die in diesem Moment schlicht überhaupt keinen Platz hatten. Aber bis dahin vertraute sie ihm voll und ganz. "Also Telefon... Weisst du, wann ich zum letzten Mal mit jemandem zur Freude telefoniert habe?", fragte sie grinsend, wobei sie diese Frage schon wieder nichtmal selbst beantworten konnte. Es war auf jeden Fall lange her. Weil sie nie gerne telefoniert hatte. Und weil sie nach Julis Tod absolut nie mehr irgendein Bedürfnis verspürt hatte, mit jemandem von zu Hause durch die Leitung zu sprechen. Ausser Faye natürlich, aber dass ihre Schwester auch hier die Ausnahme bildete, lag ja wohl auf der Hand. Zudem war ihr letztes Telefonat mit Faye wohl auch schon fast eineinhalb Jahre her. "Vielleicht musst du mir vorgängig noch erklären, wie diese Funktion eines Handys funktioniert", meinte Aryana ironisch. Sie hatte ihr Handy nicht einmal dabei. Hatte ja nichts eingepackt, als sie in den Helikopter gestiegen war.
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Das Grinsen kehrte wieder zurück in meine Gesichtszüge, als Aryana mir eröffnete, dass ich doch bitte Klartext reden sollte. Wollte sie das wirklich? Das war dann wahrscheinlich ein kleines bisschen gemein. "Na, wenn du das so sagst... dann ja.", eröffnete ich der Brünetten ungeniert zu ihr runter grinsend, dass es mehr in meinem Sinn war, wenn sie den Kochlöffel selbst schwang. Allein der Gedanke daran erheiterte mein Gemüt. "Ich bin einfach neugierig, wie du dich anstellst. Wie oft du verzweifelst... ob und wie oft du Irgendwas nach mir wirfst, weil ich mir Kommentare nicht verkneifen kann... ich finde, das klingt nach Spaß.", schilderte ich der jungen Frau meine sarkastisch angehauchte Vorstellung davon, was passieren würde, wenn sie mit dem Zubereiten des Sushis halb wahnsinnig wurde und ich ihr parallel dazu auf die Nerven ging, weil ich es nun mal witzig fand. Womöglich wäre besagte Küche im Anschluss ein Schlachtfeld, Aryana um ein paar Nerven ärmer und ich müsste dann beurteilen, ob sie sich den Titel einer Fünf-Sterne-Köchin erarbeitet hatte. Wenn es eben doch nicht schmeckte konnten wir immer noch irgendwo was bestellen. Wäre zwar ein winziges bisschen schade um die Lebensmittel, aber den ganzen Spaß zuvor ließ ich mir schlichtweg ungern entgehen. "Wenn's schmeckt helf' ich dir vielleicht beim Aufräumen.", versprach ich ihr fast schon säuselnd eine absolut wundervolle Belohnung für all die Strapazen, von der sie sich im Endeffekt aber auch Nichts außer einen vorzeitigen Feierabend in der Küche kaufen konnte. Aryana erwähnte dann allerdings auch bei der Brieftaube eine weitere Tücke. Zwar konnte ein normaler Mensch einen Vogel vermutlich schon von einer Drohne unterscheiden, aber wenn gerade erhöhte Alarmbereitschaft in dem einen oder anderen Gebiet rund um den Stützpunkt herrschte, stand das Leben des armen Flattermanns wohl doch auf dem Spiel. Wollte ich für den Tod einer unschuldigen Taube verantwortlich sein? "Ich seh' schon, dass der Vogel auch keine Ideallösung ist.", stellte mit einem theatralischen Seufzen fest, als wäre das wirklich von Bedeutung. Als würde sie wirklich einem Vogel einen winzigen Brief ans Bein tackern und ihn damit los schicken. Witzig wäre es ja schon, aber die Zeitspanne und das Risiko waren einfach zu groß. Außerdem konnten wir auf diese Weise keineswegs so miteinander reden, wie wir es sonst eben taten. War doof, kam also auf den Haufen mit aussortierten Ideen, wo auch schon der ausgeschlossene normale Postweg vor sich hin vegetierte. Im Anschluss daran vermittelte mir die Brünette noch, dass sie mit einem Telefon aber auch nicht so ganz zufrieden war, beziehungsweise sich wohl erst daran gewöhnen musste. Das ließ mich leise auflachen. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass du dich besser als meine imaginäre Großmutter anstellen wirst.", meinte ich nur und schüttelte leicht den Kopf. Gut, vielleicht haderte es am Anfang ein wenig... beidseitig, weil ich halt eigentlich auch nicht so der Typ Mensch dafür war, stundenlang am Telefon zu hängen. Aber ich war mir doch recht sicher, dass mir das mit Aryana leichter fallen würde, als mit jedem anderen Menschen. "Kann schon sein, dass es am Anfang komisch ist... aber wir werden uns schon dran gewöhnen.", hängte ich noch ein paar mehr Worte hinten an und streichelte ihr ein wenig über die Seite. Sonst hatten wir ja nie einen Grund zu telefonieren und dementsprechend war der Beginn vielleicht nicht so einfach, aber das würde schon werden. War auf jeden Fall besser, als dem jeweils anderen nur gedanklich nachzuhängen und hochgradig unzufrieden damit zu sein.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ja sowas in die Richtung hatte sie fast schon erwartet. Dass er ihr gerne beim Scheitern zuschauen wollte. "Du willst also nicht nur, dass ich für dich koche wie so ne Hausfrau in den 50ern, sondern willst mir dabei auch noch zusehen. Klingt genau nach meinem Humor. Ich freue mich schon auf das Klatschen des rohen Fisches auf deiner Haut", meinte sie, verdrehte dabei theatralisch die Augen, auch wenn sie selber Grinsen musste bei dieser sehr lächerlichen Vorstellung. Sushi war nichtmal einfach in der Zubereitung. Dabei wäre sie doch schon mit Spaghetti Napoli ausreichend gefordert. Oder mit Risotto. Und was man sonst noch so in der Schule gelernt hat, vor vielen Jahren. Faye hatte ihrer Mutter gern beim Kochen geholfen. Oder das gleich selbst übernommen. Aryana nicht. Sie war immer lieber draussen gewesen, seit sie klein war. Bei Julian und seinen - ihren - Freunden. "Ich find' ja nur, das ist ein etwas steiler Einstieg in mein zukünftiges Leben als dein persönliches Aschenputtel", gab sie ihm sarkastisch zu bedenken. Genau so stellte sie sich die Beziehung zu Mitch nach der Army nämlich vor. Dass sie auf ihn aufpasste und für ihn sorgte, Haushalt und Küche erledigte und wenn er was brauchte, wäre sie ständig innerhalb von Sekunden zur Stelle. Nicht. "Ausserdem gibt es eine Regel, die du nicht bedacht hast. Wer kocht, muss nicht die Küche aufräumen. Also ist das sowieso deine Aufgabe", und sie würde schon dafür sorgen, dass er sich damit eine Weile beschäftigen konnte. Das Thema Brieftaube war so bald abgeschlossen, wie es eröffnet worden war. Sie konnten nicht verantworten, dass ein unschuldiger Vogel abgeschossen wurde, während er nur versuchte, seine Dienste zu erfüllen. Also besser gar nicht riskieren, ihn im Kriegsgebiet in die Lüfte zu entlassen. Somit war dann die Form der Kommunikation, mit welcher sie sich in zehn Tagen für einige Wochen zufrieden geben mussten, gewählt und fiel aufs Telefon. Sein Lachen liess auch ihr Grinsen noch etwas breiter werden, einfach, weil sie das Geräusch mochte, weil sie es liebte, ihn lachen zu hören. Weil sie die Vibration in seinem Brustkorb unter ihren Fingerspitzen spüren konnte und sich alles daran gut anfühlte. "Wer weiss... Auf jeden Fall werden wir das bald herausfinden. Und ich werde mich selbstverständlich jeweils mit dem Telefon in die Ecke eines Turms oder unter meine Bettdecke zurückziehen, damit keiner mich hört, während ich all die verbotenen Gespräche führe, für die ich mir allen Ärger der Welt einheimsen könnte", eröffnete sie ihre Vorstellung der Dinge wie sie sein würden. Telefonieren an sich war ja nicht verboten. Aber es spielte in diesem Fall wohl auch eine Rolle, was sie so zu Reden hatte und wer dabei am anderen Ende der Leitung sass.
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Aryana musste von da an ja nicht permanent meine Hausfrau sein. Nur für ein paar Stunden, damit sich das Einlösen dieses Gefallens auch wirklich lohnte und ich damit Erinnerungen für die Ewigkeit hatte. "Ich wäre ja blöd, wenn ich mir das entgehen lassen würde... abgesehen von dem rohen Fisch vielleicht.", stellte ich fest, wobei sich das Grinsen ziemlich fest in meinen Gesichtszügen eingenistet hatte. Dass der arme, teure Fisch nun auch darunter leiden musste, dass die Brünette nicht kochen konnte oder wollte, war zwar so nicht einkalkuliert, aber der war ja zum Glück dann schon tot. Bekam im Gegensatz zu mir davon nichts mehr mit. Sie war wohl der Meinung, dass ich sie einfach in die Küche abschieben wollte, was mich erneut leise lachen ließ. Nein, da brauchte sie sich wohl keine Gedanken machen. Ich konnte sehr gut auf eine Frau verzichten, die immer nur Zuhause auf mich wartete und mir auf den Sack ging, sobald ich von welcher Arbeit auch immer nach Hause kam. Schatz, wie war dein Tag? Schatz, was möchtest du essen? Liebling dies, Liebling das... Nein, danke. "Keine Sorge, Aryana... ich brauch keinen menschlichen Schoßhund. Das Schicksal meint es gut mit dir.", versicherte ich ihr, dass sie dahingehend keine Befürchtungen haben musste und tätschelte ihr dabei spaßeshalber leicht die Taille. Das Grinsen blieb wo es war, auch als die junge Frau fortfuhr. Sie nannte mir dann eine Regel, von der ich so noch nie etwas gehört hatte. Wie auch, sowas wie Familie wo einer kocht und der andere aufräumt war mir ja komplett fremd. Also galt das in meinen Augen nicht für mich. "Ich bin rebellisches Heimkind gewesen. Ich kenn' keine Regeln, da hast du kein leichtes Spiel.", meinte ich und reckte dabei demonstrativ ein bisschen die Nase nach oben. Natürlich galt das nicht für die Army. Befolgte man da keine Regeln, dann führte das nämlich sehr schnell zu unschönen Strafen. Dafür war ich aber rückblickend betrachtet wirklich dankbar. Ich wollte gar nicht wissen, wo ich gelandet wäre, wenn ich nicht in einer geistigen Umnachtung beschlossen hätte, dass die amerikanische Armee eine gute Idee war. Mal ganz davon abgesehen, dass der tägliche Drill mich erfolgreich davon abgelenkt hatte, dass ich keinerlei Drogen mehr hatte zu mir nehmen können. Ich würde wohl nie rausfinden wo ich sonst geendet wäre und das war gut. Der Gedanke an ihre Anrufe mit all den verbotenen Gesprächen war ja schon nicht schlecht. Natürlich würde es mir nach wie vor besser gefallen, wenn Aryana einfach bei mir bleiben und wir im Angesicht des Anderen miteinander reden konnten. Aber das war eben nicht drin und das war wohl die beste Alternative, um den Kontakt aufrecht zu erhalten. "Kanns kaum erwarten.", murmelte ich zu ihr runter. Dann kam mir allerdings der nächste, eventuell problematische Haken an der Geschichte. "Ach verdammt... die Zeitverschiebung haben wir ja auch noch.", stellte ich ein wenig ernüchtert fest, seufzte leise. Syrien war Texas acht Stunden voraus. Es war gut, dass ich keine anstrengenden Termine hatte und den Schlaf nicht ganz so dringend brauchte. Wobei Aryana zumindest anfangs sicher nicht oder nur sehr wenig arbeitete, da war das umgehbar, aber irgendwann würde das wohl zum Problem werden, wenn sie erst nach Feierabend konnte. Bei letzterem schlief ich in jedem Fall schon. Eigentlich zumindest.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Jaja. Sehr blöd natürlich. Aber Aryana war weit entfernt davon, sich hier schon durch seine Sticheleien nerven zu lassen - auch wenn sie jetzt schon zum gefühlt hundertsten Mal grinsend die Augen verdrehte. "Erstmal müssen wir es sowieso bis dahin schaffen. Und wahrscheinlich werde ich dann vor Erleichterung, die Kacke endlich hinter mir gelassen zu haben, sogar liebend gerne in deiner oder meiner oder weiss der Herr was für einer Küche rumstehen und Sushi rollen", beendete sie die Sushi-Geschichte vorerst mit einem leider sehr wahren Schlusswort. Sie würde alles lieber tun, als zurück nach Syrien gehen. Sogar ein ganzes Jahr lang Reisröllchen perfektionieren klang nach Erholung, verglichen mit einer einzigen Woche in der Hölle. Aber sie hatte keine Wahl und es brachte nichts, solche Vergleiche aufzustellen. Gar nichts. Es war entsprechend gut, dass er sie so schnell wieder auf andere Gedanken brachte, ihr sogar ebenfalls ein leises Lachen entlockte, als er verkündete, wie viel Glück sie denn mit ihm hatte. "Wow. Das ist echt unglaublich schön zu wissen, Mitch. Meine Vorfreude auf unsere gemeinsame Zukunft lässt sich kaum mehr in Worte fassen", redete sie überschwänglich weiter, wobei der Sarkasmus in ihrer Stimme die ungetrübte Begeisterung ihrer Worte etwas zu irritieren vermochte. Aber nur ganz wenig. "Und die Regeln werde ich dir gerne in aller Ausführlichkeit beibringen", beruhigte die Brünette nun ihrerseits den jungen Mann, damit er sich auch darüber keine Sorgen zu machen brauchte. Es war wahrscheinlich nichtmal wirklich sowas wie eine offizielle Regel. Aber in ihrer Familie war das tatsächlich mal so gewesen. Und da meistens ihre Mutter gekocht hatte, hatte ihr Vater dann im Anschluss mindestens zwei meckernde Kinder durch die Küche gescheucht, damit sie für ihn den Abwasch erledigten. Das waren noch Zeiten - Erinnerungen, die ihr Grinsen versonnen noch weiter wachsen liessen. Die Zeitverschiebung beim Telefonieren liess Aryana kurz die Stirn in falten legen, während sie rechnete. "Naja... Wenn Syrien in der Zukunft liegt, sollte das kein so grosses Problem darstellen... Dann kann ich dich Abends anrufen und du hast... Mittag oder so. Also wenn du deine Therapien etwas intelligent planen kannst, sollten wir es hin und wieder schaffen, denke ich", meinte sie, blinzelte zu ihm hoch und streckte nochmal die Finger, um nun ihrerseits sanft seine Wange zu tätscheln. "Keine Sorge, wegen diesen lächerlichen paar Stunden wirst du mich kaum los", erklärte sie grinsend. Nicht, dass er sich hier schon umsonst sorgte, sie so bald wieder verlieren zu müssen.
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Bis dahin würden wohl noch einige Monate oder gar mehr vergehen, ja. Mir wäre es ja deutlich lieber, wenn wir das Ganze ein wenig vorziehen könnten, damit ich Etwas hatte, worüber ich mich amüsieren konnte. Würde in einigen Tagen nämlich sicher schon bitter notwendig sein, damit ich nicht wahnsinnig vor Langeweile und nichts tun wurde. Leider würde mich das aber zwangsweise früher oder später einholen, wenn ich Nichts mehr außer die eigene Therapie und die Seelenklempnerei zu tun hatte. Grade da wäre ein Ausgleich sicher angebracht. "Kanns kaum erwarten.", sagte ich sichtlich zufrieden über ihre Entscheidung, sich dem Sushi doch noch anzunehmen und nicht einfach Irgendwo zu bestellen. Ich hatte was ich wollte und immerhin die Vorfreude darauf war mir jetzt schon gegeben. Ich nickte ihre folgenden Worte mit entsprechend amüsiertem Grinsen ab, war meine Laune doch so fast nicht mehr zu bremsen. "Vielleicht gibt's aber trotzdem einen Belohnungskeks, wenn du dich gut anstellst.", neckte ich sie weiter und spielte damit auf Leckerlis an, die Hunden gerne von ihren Besitzern in den Rachen geschoben wurden, damit sie brav alles mitmachten. Davon war ich persönlich ja auch kein Freund, sollte Bestechung doch nun wirklich nicht der Weg zum Erfolg sein. Dementsprechend wenig ernst gemeint war der Kommentar auch. Wenn Aryana einen Keks wollte, konnte sie sich den auch ganz selbstständig allein aus der Tüte holen. Sie würde ihn mir höchstens aus der Hand nehmen und an den Kopf werfen, wenn ich das durchzog. War zumindest meine Einschätzung dieser Geschichte. Was die jetzt wieder von der Brünetten erwähnten Regeln anging konnte ich nur so halb einlenken. "Ja ja, erzähl' sie mir ruhig... ich überleg' mir dann, welche davon ich als wichtig genug erachte.", meinte ich mit einseitigem Schulterzucken. Versuchen konnte die junge Frau es ja mal, vielleicht war ich gnädig und befolgte dann zumindest ein oder zwei der weniger nervigen Handhabungen. Loswerden würde ich sie also nicht mehr. Wie gut, dass ich das ohnehin nicht plante. "Ich weiß zwar nicht, inwiefern ich ein Mitspracherecht bei den Terminen habe... aber wird schon hinhauen.", erwiderte ich doch etwas nachdenklich. Ich war eben einer der Patienten, die Vollzeit krank geschrieben waren. Der quasi nichts anderes als die Therapie zu tun hatte und da würden die Idioten sich meine Termine sicher gerne so zurecht schieben, wie es ihnen am liebsten war. Weil ich ja flexibel war und nebenher arbeitende Menschen nicht. Gab zumindest einige Ärzte und Co., die das dann gerne so handhabten, aber hey, im mich querstellen war ich bekanntermaßen einsame Spitze. Außerhalb der Army zumindest. Ich hatte wohl kurzzeitig ins Leere geschaut, bis mich Aryanas zierliche Finger wieder erreichten und sie damit automatisch meinen Blick erneut auf sich zog. "Dann hab' ich ja Glück, dass das sowieso nicht mein Plan war.", erwiderte ich entsprechend ironisch. Ob sie mich irgendwann vielleicht wieder loswerden wollte, weil ich ihr zu sehr auf die Nerven ging? Ich hoffte es mal nicht, potenziell möglich war es aber sicher. Nur war das eigentlich Nichts, worüber ich jetzt wirklich nachdenken wollte, also schob ich dem Ganzen sofort einen Riegel vor.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ja, das glaubte sie ihm sofort. So, wie er jetzt die ganze Zeit davon geschwärmt hatte, sie kochen und scheitern zu sehen, waren es keine Neuigkeiten, dass Mitch den Tag der Wahrheit schon jetzt, Monate im Voraus, träumerisch herbeisehnte. Aber diese Freude konnte sie ihm lassen. Sie freute sich ja auch darauf. Nur nicht aus den gleichen Gründen wie der junge Mann neben ihr. Sie freute sich mehr auf die ganzen Umstände - die neue Umgebung, ein neues Zuhause, ein neuer Anfang, das Ende des Krieges - als aufs Kochen. Aber wie dem auch sei. Wie gesagt, war das alles noch weit weit weg. Auch der Belohnungskeks, den er im Anschluss ansprach. Schade. "Hm... Hab ich mich denn heute nicht auch gut angestellt? Jetzt hab' ich nämlich echt Lust auf Keks... So richtig tolle Cookies, wie es sie drüben niemals gibt", grinste sie verträumt vor sich hin. Ja, das wärs jetzt. Kekse. Oder Kuchen. Oder beides. Oder Eis! Eis vermisste sie wirklich auch. War immerhin ihr Lieblingsnachtisch. Aber auch hier sollte sie den Gedankengang wohl besser abbrechen, bevor er ausartete, weil sie sowieso nichts von alldem in Reichweite hatten. Und jetzt irgendwo etwas Süsses besorgen? Klang wirklich viel zu anstrengend, weil sie dafür mindestens das Krankenhaus verlassen müsste. Also nein, danke. Wurde halt bis Morgen gewartet. Ihre Regeln würde sie sich wohl bis dahin, wo sie mässig relevant wurden, erstmal selbst ausdenken müssen. Denn besonders viele würden ihr sowieso nicht einfallen. Das waren mehr so selbstverständliche Alltagssachen, die sie schon automatisch befolgte und er wohl auch. "Also die wichtigste Regel ist, dass man sich gebührend beim Koch für seine Mühen bedankt... Egal, wie das Essen letztendlich schmeckt. Und zwar werden als Dankesform ausschliesslich Küsse oder vergleichbare Zärtlichkeiten akzeptiert", stellte sie den ersten Anspruch, den er zu befolgen hatte und auf den er sich jetzt schon freuen konnte. Weiteres würde sie sich bis dahin überlegen, für den Moment reichte es, wenn er sich nur darauf vorbereitete. Zum Telefonieren brauchte sie sich wohl wirklich vorerst keine Sorgen zu machen. Das würden sie hinkriegen. Wäre bei Weitem nicht die schwierigste Mission, die sie zusammen bewältigt hatten. Und dass er sie bisher nicht wieder abschieben wollte, war auch das Einzige, was sie hatte hören wollen. Und es liess Aryana sofort weiter zufrieden grinsen und sich wieder dichter an ihn kuscheln - als wäre jemals wirklich Abstand zwischen sie gekommen. "Noch nicht, zumindest...", murmelte sie ironisch, da sie sich doch schon oft genug darüber unterhalten hatten, wie anstrengend die Brünette eben sein konnte. Vielleicht irgendwann auch zu anstrengend für ihn. Aber noch nicht jetzt, wo sie einfach hier auf einem lächerlich kleinen und lächerlich weissen Krankenhausbett lagen und kuschelten, den Moment genossen, den zumindest Aryana niemals hatte kommen sehen, obwohl er sich jetzt so vollendet anfühlte. So lange zumindest, bis nur Sekunden nach ihren letzten Worten ein unmissverständliches Klopfen an der Tür das jähe Ende ihrer Zweisamkeit ankündigte. Und wie sie halt so waren, die guten Krankenschwestern, wartete auch diese hier nicht annähernd lang genug, als das Aryana hätte aufspringen und aus dem Bett hüpfen können.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Aryanas Worte ließen mich sie wissend angrinsen und ich strich ihr mit den Fingern sachte wieder ein bisschen bis über die Rippen aufwärts. "Doch, das hast du schon... aber ich hab' keine Kekse. Vielleicht gibt's hier irgendwo einen Automaten, der dir eine Notration spendiert. Die müsstest du dir dann aber auch selber holen.", ließ ich die Brünette schief grinsend wissen, dass ich mit ihrem vollbrachten Werk vollends zufrieden war und ich halt nur nicht mit ein paar Crackern oder gar richtig leckeren, schokoladigen Keksen dienen konnte. Auch nicht dazu fähig war, jetzt einen Spaziergang durch die Gänge des Krankenhauses oder gar bis zur Cafeteria zu machen. Wahrscheinlich würde mich schon das komische Gefühl im Fahrstuhl fast von den Socken hauen. Aryana musste also leider noch eine Weile darauf verzichten oder selbst auf die Jagd gehen. Dann führte sie mich weiter in die Welt der merkwürdigen Regeln hinein und das Grinsen schrumpfte langsam mehr zu einem versonnenen Lächeln. "Das sollte mir denke ich nicht sonderlich schwer fallen.", meinte ich bezüglich dessen ehrlich, wobei meine Finger weiter über ihre Seite strichen. Nur langsam mal ein Stück runter und dann erneut ein Stück nach oben wanderten. Ein paar Zärtlichkeiten und Küsse waren nun wirklich kein Problem, ich kam dem gerne nach. Wenn das Essen gut schmeckte gab es halt noch einen extra Kuss und ein paar Streichler durchs Haar. War das nicht normalerweise eigentlich eher mein Job? Leute von mir weg zu ekeln, weil ich zu direkt und zu anstrengend auf Dauer war? Eigentlich schon. Dass Aryana allerdings ebenfalls manchmal ein wenig meine Nerven strapazierte, das war uns wohl beiden bewusst. Ich hoffte einfach mal, dass wir uns dahingehend nicht noch gegenseitig zum Verhängnis werden würden. Verdrängte für den Moment, dass die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns früher oder später gegenseitig auf die Nerven gingen, relativ hoch war. Ich sagte erst einmal Nichts mehr dazu, jedoch sollte der Augenblick ohnehin schon bald zerstört werden. Erst durch ein forsches Anklopfen an der Tür und dann wenig später durch einen in den Raum eindringenden Fremdkörper. Wie schon die vorherige erntete auch diese Schwester einen wenig erfreuten Blick meinerseits, von dem sie sich jedoch nicht irritieren ließ. Sie seufzte schwer, als sie näher an uns heran trat. "Sie sollten wissen, dass sie eigentlich längst schlafen sollten, Mitchell.", tadelte sie mich und ich warf einen Seitenblick auf den schlichten Funkwecker auf meinem Nachttisch, als Aryana sich schon von mir gelöst hatte. Ja, die Zeit war wohl ins Nichts verschwunden, aber ich hatte doch trotzdem auch morgen Vormittag noch Zeit zum vor mich hin dösen, wenn ich denn überhaupt müde sein sollte. "Ich komm' aus der Army, ich brauch' keinen Schlaf.", erntete die Schwester einen recht höhnischen, trockenen Kommentar, der sie nur den Kopf schütteln ließ. Ich war mir ziemlich sicher, dass das der gesamten Situation galt. "In jedem Fall ist die Besuchszeit längst um, also gehen sie bitte.", stellte die noch relativ jung wirkende, leicht pummelige Frau klar und machte eine entsprechende Handbewegung in Richtung Tür. Ich griff noch einmal flüchtig nach der Hand der Brünetten, strich ihr mit den gemurmelten Worten "Bis Morgen.", sanft über den schmalen Handrücken, bevor es für heute endgültig Zeit zum Abschied nehmen war. Wenn man mich fragte war das hier ja mehr Knast als Hospital.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Schlafen musste er also? Wow, beeindruckend, dass die nette kleine Krankenschwester Mitch nicht einmal zumuten wollte, zu wissen, wann es denn für ihn Zeit zu nächtigen war und wann nicht. Er hatte tagsüber genug geschlafen. Und er konnte Morgen schlafen. Und übermorgen. Und eigentlich sonst auch sehr viel in den nächsten Wochen. Also nein, Aryana sah nicht wirklich ein, wo diese Aussage denn bitte Sinn ergeben sollte. War ja nicht so, als hätte Mitch einen Stall voll mit Kühen, die er Morgen früh um 5 Uhr melken musste. Ausserdem wurde er kaum schneller wieder gesund, wenn er jetzt eine Stunde früher oder später einschlief – seine Leiden konnten schlecht mit Schlaf geheilt werden. Zumindest nicht nur. Aber gut. Aryana klemmte ihre Zunge zwischen die Zähne, um der Krankenschwester, die ihre unglückliche Situation halt auch nicht wirklich zu verantworten hatte, keinen bissigen Kommentar zukommen zu lassen und erhob sich stattdessen seufzend vom Bett. Blieb ihr ja nicht wirklich was anderes übrig. Sie war sich ziemlich sicher, dass die Angestellte sich nicht wieder verpissen würde, solange Aryana in diesem Zimmer stand… Also bettete sie etwas umständlich ihren Arm wieder in die Schlinge, sammelte ihren BH vom Boden ein und nahm die dünne Stoffjacke vom Stuhl, die sie dort abgelegt hatte, als sie vor einiger Zeit hier eingetreten war. Die Brünette lächelte Mitch noch einmal verschmitzt an, als sie seine Finger an ihrer Hand spürte. Sie erwiderte das sanfte Streicheln seiner Finger und wandte sich erst ein paar Sekunden mit einem triefend ironischen «Schlaf gut, Mitch. Nicht, dass du Morgen wieder nicht aus dem Bett kommst», von ihm ab. Er kam ja sowieso nicht aus dem Bett, dank seiner Hüfte. Ein Grund mehr, warum die Worte der Krankenschwester absolut keinen Sinn ergaben. Ebendieser winkte Aryana auf dem Weg nach draussen auch noch übertrieben nett zu, bevor sie die Tür auch schon erreicht hatte und für Heute ihren bedauerlichen Abgang hinlegte. Trotz der offiziell längst verstrichenen Besucherzeit, liess die Brünette es sich selbstverständlich nicht nehmen, noch einen Flur weiter zu schlendern und sich in aller Seelenruhe ins Zimmer von Faye und Victor zu stehlen. Selbstverständlich weckte sie hier keinen mehr auf, weil beide schon tief und fest in ihren Träumen zu schweben schienen. Sie wollte nur sicher gehen, dass ihre Schwester noch atmete, dass sie nicht das Gesicht verzog vor Schmerzen, dass sie nicht leiden musste und, solange das noch möglich war, ihren Frieden genoss. Genau das schien auch der Fall zu sein, denn sowohl Victor als auch Faye schlummerten vollkommen ruhig vor sich hin. Sahen beinahe glücklich aus, obwohl Aryana natürlich klar war, dass das nichts weiter als ein Trugbild des Morphiums war. In diesem Moment machte sie sich aber keine Gedanken darüber, lächelte nur bei dem Anblick und strich ihrer Schwester über die - leider noch immer mehr verklebten und dreckverschmierten als sauberen - Haare. War wohl schwierig, diese anständig zu waschen, während die junge Frau sich keinen halben Meter bewegen sollte... Sie würde es ja gern für Faye tun, aber das Wie konnte sie halt auch nicht lösen. Ausserdem war Haarewaschen erst dann wichtig, wenn ihr kleiner Engel sich selbst daran störte. Und das dürfte noch einen Moment dauern. Nach ihrer kleinen, stillen Verabschiedungsrunde, machte sich Aryana dann aber wirklich auf den Weg nach draussen. Mittlerweile war es schon nach 23 Uhr und sie konnte wohl von schwerem Glück reden, dass nur drei Häuser vom Spital entfernt ein Hotel stand. Und von noch mehr Glück, dass da überhaupt noch wer am Empfang stand, ihr sogar ein Zimmer zu bieten hatte. Sonst hätte sie jetzt nämlich ein grosses Problem gehabt, so alleine auf den Strassen von Houston, nachdem sie sich den ganzen Tag nicht um ein Bett für die Nacht gekümmert hatte. Aber da war noch ein Bisschen Glück für sie übrig gewesen und so lag sie weniger als zwanzig Minuten später schon auf dem doch sehr bequemen Bett des Hotels. Ein Bett, wie sie es seit Jahren nicht mehr gehabt hatte. Das Wohnmobil in Australien war vom Komfort her natürlich nie auf das Level eines echten Bettes gekommen - wenn es auch viel bequemer als die Feldbetten der Army gewesen war. Zumindest in ihren sonnigen Erinnerungen. Nun jedenfalls schlief sie trotz den tausend Gedanken in ihrem Kopf, trotz allem, was sie noch regeln und tun sollte, fast sofort ein, kaum berührte ihr Körper die Matratze. Mal wieder eine prächtige Demonstration ihrer sehr ausgeprägten Fähigkeit, immer und überall sofort zu schlafen.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
*Le Zeitsprung* Sie hatte sich wirklich bemüht, die ganzen letzten zehn Tage über. Sie hatte versucht, stark zu sein und sich nicht anmerken zu lassen, wie schlimm die Vorstellung davon war, ihre Schwester wieder nach Syrien abziehen zu sehen. Aryana hatte es ihr am dritten Tag gebeichtet. Wahrscheinlich dann, als sie geglaubt hatte, Faye sei wieder mehr oder weniger zurechnungsfähig. Oder einfach, als ihr klar geworden war, dass sie es sowieso sagen musste und es besser wäre, wenn sich auch ihre Schwester mehr oder weniger darauf einstellen konnte. Es hatte Fayes Laune erst einmal massiv gedämpft, obwohl sie da noch in ihrer Morphiumblase geschwebt war, die derart negative Gefühle fast komplett zu dämpfen gewusst hatte. Aber nach einem Tag hatte sie sich zusammengerissen und aufgehört, beim blossen Gedanken daran zu weinen. Sie hatte versucht, Aryana das Ganze irgendwie leichter zu machen. Denn sie wusste, dass ihre Schwester alles dafür geben würde, hier bleiben zu können. Und wenn man es so sah, war das ein eindeutiger Gewinn für Faye. Aryana hatte versprochen, so bald wie möglich wieder zu kommen. Sie hatte versprochen, die Army zu verlassen und endlich bei ihr zu bleiben. Und das war die Gewissheit, die Faye brauchte, um hier vorzuspielen, dass alles in Ordnung war. Eine Woche blieb das Morphium ihr ständiger Begleiter, auf immergleicher, ziemlich hoher Dosierung. Dann wurde es langsam runter geschraubt. Sie bekam es noch immer, aber momentan war es noch die halbe Menge von dem, was anfangs in ihre Venen gepumpt worden war. Und es war nicht hilfreich, wieder klarer denken zu können. Es machte ihre Mission, wenigstens bis zum Aufbruch ihrer Schwester den Schein zu wahren und stabil zu bleiben, keineswegs leichter. Es waren Erinnerungen, die sie nachts aus dem Schlaf rissen, schreckliche Bilder, die vor ihren Augen aufblitzten, wenn sie Victor ansah. Schreie in ihren Ohren, die nicht existierten und Schmerzen, bei denen sich ihr ganzer Körper im Bett winden wollte. Dabei war doch eigentlich alles vorbei. Dabei waren sie doch in Sicherheit… Vor Victor konnte sie es nicht so gut verstecken wie vor Aryana, weil er immer bei ihr war. Weil er aufwachte, wenn sie schrie und weil er sah, wenn sie die Kraft verliess, nachdem ihre Schwester, für die sie sich so zusammenriss, den Raum verlassen hatte. Sie wollte ihn nicht noch mehr sorgen und wünschte, ihn genauso vor den dunkelsten Seiten ihrer Seele bewahren zu können, wie Aryana. Aber es ging nicht. Genau wie er es auch nicht konnte. Sie wussten beide, dass sie kaputt waren, dass die zweite Hölle erst noch folgte. Dann, wenn alle Medikamente weg waren. Wenn sie das hatten, was sie immer gewollt hatten. Irgendwo ein ruhiges Leben, nach dem ganzen Reha-Zeug. Nach dem Krieg. Wenn die Schäden, die in ihren Köpfen hinterlassen worden waren nicht mehr durch Krankenhaus und Drogen abgelenkt wurden. Wenn sie keinen wirklichen Grund mehr hatten, Angst zu haben, wenn sich ihre Seelen beruhigen wollten und sie endlich glücklich werden könnten. Dann würde alles hochkommen. Und sie war nicht pessimistisch, aber es war einfach absehbar. Ihr Bein wurde am zweiten Tag operiert. Nichts Kompliziertes, und es sollte gut verheilen, aber es bescherte ihr weitere vier Wochen Bettruhe, in denen sie eigentlich nichts tun sollte ausser Liegen oder Sitzen. Das war ebenfalls scheisse, aber immerhin sollte es heilen ohne Folgeschäden. Nach einer Woche waren die Wunden auf ihrem Rücken auch wieder soweit geheilt, dass sie endlich wieder für mehr als nur die Toilette aus dem Bett gehen dürfen. Das war gut, auch wenn ihre Kraft vorerst kaum reichte, um wirklich was zu machen. Laufen konnte sie ausserdem ja doch noch nicht. Aber immerhin Sitzen. Und damit verbrachte sie von da an ziemlich viel Zeit. Manchmal im Bett, manchmal auf einem Stuhl, so lange, bis ihr Rücken irgendwelche Signale sendete, die die Schmerzmittel nicht mehr richtig zu dämpfen wussten. Und so verstrichen die Tage, einer um den nächsten. Aryana war viele Stunden jedes Tages bei ihr, immer so lange, bis Faye sie wieder zu Mitch schickte, weil sie selber sowieso müde wurde oder zumindest so tat als ob. Was auch immer da zwischen ihrer Schwester und ihrem zweiten Retter lief, Faye fand eine Menge Gefallen daran und es war eines der Dinge, die sie immer wieder aufheiterten. Auch mit Victor redete sie viel. Wenn auch meistens nur leise, weil ihre Stimme noch immer kratzig war und das Reden trotz allem noch mühsam. Ausserdem gab es so viele Sachen, die zwischen ihnen standen und die sie nicht aussprechen konnten, dass es meistens viel besser war, wenn sie einfach nur seine Finger umklammerte. Oder wenn sie sich zusammen auf ein Bett setzten, sich in den Armen lagen und nichts von all dem sagten, was sie dachten. Sie taten es beide, um einander zu schonen, aber gleichzeitig tat es nur noch mehr weh. Faye wollte, dass er ihr alles sagte, dass er mit ihr teilte, was ihn belastete. Aber einige Dinge waren einfach unaussprechlich, so auch ihre unbändige Angst, dass er ihr auf irgendeine grausame Art entrissen wurde. Die Angst, die ständig grösser wurde, je weniger Morphium ihren Geist betäubte. Aber heute stand diese Angst nicht im Vordergrund. Denn heute war der elfte Tag. Der Tag, an dem Aryana wieder gehen musste. Und Faye hatte die ganze Nacht kaum geschlafen, hatte den ganzen Morgen still in ihrem Bett gelegen und die Hand ihrer Schwester gehalten. Das Mittagessen hatte sie nicht angerührt, obwohl das Personal des Krankenhauses dies so gar nicht zu schätzen wusste. Wie sollte sie einen einzigen Bissen runter bekommen, wenn der Kloss in ihrem Hals sie beinahe erstickte?? Wenn sie immer wieder auf die Uhr starrte und die Minuten rechnete, die noch blieben, bevor Aryana endgültig wieder verschwand, in die Hölle tauchte, die sie so leicht verschlucken konnte? Es war vierzehn Uhr. Noch fünfzehn Minuten und sie würde aus dieser Tür treten und wieder nach Syrien fliegen, weil ein verdammter Vertrag sie dazu zwang, ihr Leben erneut aufs Spiel zu setzen. Wozu?? Die Lage war aussichtslos, es war nichtmal ihr Krieg dort! Warum sollten sie für ein fremdes Land draufgehen?! "Versprich mir, dass du alles dafür tust, so bald wie möglich heil zurück zu kommen... Versprich mir, dass du nur dieses eine Mal dein Leben an erste Stelle stellst und nicht wieder jedes andere", flüsterte sie fast tonlos, als ihr verzweifelter Blick wieder die dunklen Augen ihrer Schwester gefunden hatte. Sie hatte es ihr schon tausend Mal versprochen. Aber Faye musste es noch einmal hören. "Versprich mir, dass du anrufst... Dass du mich jeden Tag irgendwie wissen lässt, dass es dir gut geht...", auch das ein Versprechen, welches längst in Stein gemeisselt war. Aber Aryana durfte es niemals vergessen.
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rate, wer gerade wieder richtig Lust darauf hatte, F5 zu drücken... -.-" It's one of these days.. :( xD ____
Zwar lag - und saß - ich weiterhin tagein, tagaus in dem steril weißen Krankenhausbett, aber die Tore zur Hölle in meinem Kopf kamen wieder näher. Während lediglich der größte Bluterguss um den angebrochenen, linken Oberarm herum an Tag 2 noch einmal Probleme machte und ein zweites Mal punktiert wurde, heilten meine anderen rein körperlichen Verletzungen an sich nach Plan. Die größten Hämatome waren zwar noch nicht wirklich weg, sondern änderten lediglich fröhlich von Tag zu Tag ihre Farbe und schrumpften ein klein wenig in der Größe, aber die Veränderung war sichtbar. Wenigstens war aber das blaue Auge schon ziemlich geschrumpft und entstellte mein Gesicht nicht mehr ganz so arg. Auch die Stichverletzung im rechten Oberschenkel machte in den Augen der Ärzte gute Fortschritte, hatte sich nicht entzündet und war damit erstmal nur weiterhin von der Schonfrist befallen. Viel mehr als mit einseitiger Gehhilfe gerade so ein paar Meter von A nach B zu humpeln war natürlich noch nicht drin, war ich nach wie vor geschwächt, aber ich sehnte mich ohnehin wesentlich mehr nach geistiger, als nach körperlicher Beschäftigung. Mit täglich weiter schrumpfender, inzwischen kaum mehr vorhandener Morphin-Dosis kehrten auch immer mehr meiner alten Gedankenmuster zurück. Zum jetzigen Zeitpunkt war ich zwar dank des spärlich anhaltenden Morphiums noch ein Stück weit von ernsthaft depressiven Angstzuständen entfernt, aber die Schlafstörung meldete sich motiviert wieder zu Wort. Hatte mich die letzten beiden Nächte nie mehr als zwei Stunden am Stück durchschlafen lassen, bevor ich wegen einsetzenden Alpträumen aufwachte und meistens einige Minuten lang wach lag, bevor ich erneut in einen leichten Schlaf fand. Dementsprechend müde war ich tagsüber jetzt auch, was den einzigen positiven Nebeneffekt hatte, dass mir die Schmerzen nicht so präsent waren, wenn ich mich denn mal bewegte. Zwar war schon ein zweites Schmerzmittel angesetzt, um einen halbwegs nahtlosen Übergang mit dem Morphiums zu ermöglichen, aber ich fühlte mich lange nicht mehr so taub wie am ersten Tag. Weder körperlich, noch psychisch. Es ließ sich nicht vermeiden und auch nicht verdrängen, dass ich vermehrt an die unsagbar qualvollen Momente in der Zelle zurück dachte. Mal mehr an meine eigenen, dann an Fayes'. Unsere Schreie und weinerlichen Geräusche hielten sich ziemlich die Wiege. Meist nicht lang, versuchte ich Gedanken in dieser Richtung doch immer möglichst zeitnah zu ersticken, aber die Tore zur Hölle kamen spürbar wieder näher. Dementsprechend war ich dankbar für jeden Hauch von Abwechslung. Sei es nun ein Ausflug zum Bett der zierlichen Brünetten, die Gespräche mit den Ärzten und den Schwester, oder aber auch nur die ersten beiden recht umständlichen Ausflüge in die Dusche. Die zahlreichen Kratzer und der Einschnitt am Hals waren zu, brannten demnach also nicht unter dem lauwarmen Wasser. Lediglich die Beinverletzung wurde zur Sicherheit unter Folie abgeklebt, um das Risiko auf Null zu senken. Aber all das reichte nicht, um die fiesen Gedanken fernzuhalten. Nicht einmal die Gespräche oder vorsichtigen Kuscheleinheiten mit Faye ließen sie verschwinden. Viel mehr erschlug mich der Blick auf die zierliche Brünette mit Emotionen und kleineren Flashbacks. Dass heute der Tag war, an dem Aryana wieder zurück nach Syrien musste, machte auch meine eigene Lage nicht wirklich besser. Einfach weil ich ganz genau wusste, wie sehr das meine bessere Hälfte mitnahm. Ihre Schwester saß zum jetzigen Zeitpunkt noch hier bei ihr und trotzdem war Faye schon ziemlich am Ende. Sie musste gar nicht weinen, damit ich das merkte. Inzwischen würde ich es wahrscheinlich auf zwei Kilometer Entfernung schon riechen, wenn es ihr nicht gut ging. Mit entsprechend leicht wehleidigem Blick beobachtete ich überwiegend schweigend das kleine Drama, dass sich am anderen Bett in diesem Zimmer abspielte. Hatte den Kopf im Sitzen an das aufgestellte Bett mitsamt Kissen gelehnt, zu den beiden Schwester gedreht, während man doch auch der älteren ansah, wie sehr sie nicht gehen wollte. Es würden ein paar ätzend lange Monate für die beiden werden, daran hatte ich keinerlei Zweifel. Ich mochte einen großen Teil zu Fayes Leben beitragen, aber die Lücke, die Aryana hinterlassen würde, konnte auch ich nicht füllen. "Komm in einem Stück zurück, ja? Wir haben den entspannten Kennenlern-Abend noch nicht hinter uns.", richtete ich erst in einem Moment der Stille auch mein Wort an die ältere der beiden Cooper Schwestern, lächelte schwach in ihre Richtung. War dabei etwas weniger dramatisch als Faye, aber mir war deutlich anzuhören, dass ich das ernst meinte. Dass ich wirklich hoffte, dass die Brünette sich ein weiteres Mal - und dieses Mal endgültig - aus dem Krieg schleppen konnte und das hoffentlich unversehrt.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Oh näääin .-. Aber wenns dich tröstet, es ist nicht mal schlecht geworden! xD ____
Sie konnte gar nicht mehr sagen, was sie von den letzten zehn Tagen halten sollte. Es war so viel passiert und sie wusste ehrlich nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Da waren Faye und Victor und da war Mitch und natürlich Ragan, mit dem sie fast täglich in Kontakt stand. Sie musste all die Protokolle zu dem unautorisierten Einsatz schreiben und eine Erklärung dazu, musste sich durchlesen, was sie damit alles ausgelöst haben könnte. Namentlich natürlich die sehr hohe Gefahr eines Gegenschlages und die Gefährdung der stabilen Lage. Als ob irgendwas da drüben stabil wäre. Sie musste sich vor dem Major erklären, mit dem sie ebenfalls eine viel zu lange und ermüdende Telefonsitzung durchwanderte, nach der ihr ganzer Kopf dröhnte und sie noch weniger wusste, was sie denken und tun sollte. Er war natürlich absolut gar nicht begeistert davon, dass sie nun in den Staaten hing und sich eine Auszeit nahm oder sich das Leben schön machte. Aber all das wäre Aryana egal. Sie wusste, dass sie das einzig Richtige getan hatte um ihre Schwester zu retten und wenn sie nicht zu dieser Mission aufgebrochen wären, wäre niemand früh genug dort gewesen, um das Schlimmste zu verhindern. Das Problem war nur, dass sie in diesem Moment jegliche Unterstützung von ihr vorgesetzten Personen der Army brauchen konnte, die sie bekommen konnte. Und darum bemühte sie sich mit vollem Einsatz darum, wieder in die Gunst dieser Männer zu fallen, die sie doch eigentlich gar nicht mochte. Bis auf Ragan vielleicht. Aber der war auch nicht das wirkliche Problem, bei ihm hatte sie eher noch das Gefühl, dass er sie verstand und dass er ihr verziehen hatte. Was bei den anderen nicht der Fall war, in deren Augen sie einfach nur leichtsinnig, ohne Voraussicht, egoistisch und dumm gehandelt hatte. Sie würde sich die nächsten Monate also ordentlich in den Arsch treten müssen, um da so bald wie möglich raus zu kommen. Was sich wiederum eher schwer mit Fayes ständigem, eindringlichen Wunsch, dass Aryana sich in keine Gefahr begab und einfach nur auf sich selber achtete, vereinbaren liess. Aber sie hatte es versprochen. Hatte gesagt, dass sie in einem Stück und lebend zurückkehren würde und daran würde sie sich auch halten. Sie war viel bei ihrer Schwester gewesen, hatte mit ihr geredet oder still neben ihrem Bett gesessen. Ihr Geschichten erzählt und alles getan, um sie von den erdrückenden Umständen abzulenken. Am liebsten redete Faye von früher. Von alten Erinnerungen, schönen Zeiten, von ihrer Familie und allem, was sie getan hatten, als die Welt noch in Ordnung war. Oder von Mitch. Normalerweise war Aryana überhaupt nicht der Typ Mensch, der solche Details gerne mit Freundinnen besprach oder so. Aber für ein Lachen von Faye würde sie momentan fast alles tun und ausserdem fand sie irgendwann selber Gefallen daran, über ihren tätowierten netten Freund zu reden. Es war ja nicht irgendwer sondern ihre Schwester die davon erfuhr, also hielt sich das noch im Rahmen. Und Victor natürlich, der gerne ab und an einen Kommentar dazu abgab. Aber das war auch noch in Ordnung. Wie gesagt, Hauptsache Faye war abgelenkt, denn auch wenn sie es gut zu verbergen wusste, konnte sie Aryana nichts vormachen. Sie wusste, dass Faye nicht gut schlief, dass sie mit Gedanken und Bilder kämpfte. Sie sah, dass ihre Schwester sich darum bemühte, es Aryana nicht wissen zu lassen, aber es war schwer zu übersehen. Und wenn man wusste, was passiert war, halt auch einfach klar. Sie wünschte, sie wäre hier um zu reden und um die Erinnerungen zu vertreiben, wenn das Morphium ganz weg war. Denn es war zweifellos diesem Medikament zu verdanken, dass Faye sich bis hierher so gut im Griff hatte und überhaupt eine einzige Emotion verstecken konnte. Aryana wollte sich nicht ausmalen, was passierte, wenn die Droge komplett ausgeschlichen war. Nur heute schien niemand so recht zu wissen, was sie reden sollten. Schon den ganzen Morgen nicht und die Stille trieb Aryana langsam in den Wahnsinn. Sie streichelte immer wieder über Fayes Handrücken oder über ihre Wange. Lächelte ihre Schwester traurig an, obwohl sie sich bemühte, hier positiv zu bleiben. Sie hatte keine Angst, in den nächsten Monaten zu sterben, hatte immerhin Jahre im Krieg überlebt ohne dabei drauf zu gehen. Sie wollte einfach nicht von Faye weg. Oder von Mitch. Und sie hatte Angst um ihre Schwester, wie ihre Schwester Angst um sie hatte. «Ich versprech’s dir, Faye… Ich werd’s dir immer wieder versprechen. Und ich rufe jeden Tag an oder schreib dir eine Nachricht. Du wirst sehen, das geht alles ganz schnell vorbei…», murmelte Aryana die gleichen Worte, die sie schon tagelang von sich gab. Sie würde wiederkommen und irgendwann würde irgendwie alles wieder gut sein. Es musste einfach. Sie hatten alle genug gelitten, es war Zeit, dass einmal etwas gut lief. Die Brünette drehte sich in Victors Richtung, als sie dessen Stimme hörte. Auch auf ihrem Gesicht lag ein schwaches, müdes Lächeln. «Mach ich. Sowas lasse ich mir ganz bestimmt nicht entgehen. Immerhin muss ich dich doch noch auf Herz und Nieren testen, bevor du mit meiner Schwester zusammen sein kannst. Zirka zwei Jahre zu spät oder so», erwiderte sie und blickte wieder zu Faye. Als ob sie die beiden überhaupt trennen könnte, selbst wenn sie es versuchen würde.
Ihre Augen lagen die ganze Zeit auf Aryana, als müsste sie fürchten, irgendeine andere Antwort als das verlangte Versprechen zu bekommen. Natürlich nicht. Aryana würde ihr eintausend Mal versprechen, dass sie aufpassen würde, aber es lag trotzdem nicht in ihrer Natur. Wenn sie auf dem Schlachtfeld im Kugelhagel stand – würde sie sich dann daran erinnern? Bevor sie wieder alles riskierte um einen oder zwei ihrer Landmänner zu retten – würde sie dann an sie denken? Sie konnte es nur hoffen und den Versprechen ihrer Schwester vertrauen. Und doch war es so unglaublich schwer, wenn man die Umstände kannte. Es konnte alles passieren, selbst wenn Aryana aufpasste. Der Krieg war grausam und gemein und kämpfte immer gegen die Menschen, die ihn ausfechten mussten. Faye seufzte schwer, strich über die warmen Finger ihrer Schwester und richtete sich langsam auf. Ziemlich schwerfällig, so wie jede Bewegung, die sie momentan durchführte. Aber sie schaffte es – zum Teil mit Aryanas Hilfe – mehr oder weniger schnell, sodass sie am Ende wie Victor im Bett sass. Nur, dass sie sich nicht mit dem Rücken in die Kissen lehnte, sondern eher seitlich hockte, um die frisch verheilten Wunden und ihren grauenvollen Rücken im Ganzen nicht zu belasten. Sie lauschte Victors Worten und Aryanas Antwort, die sie nur wieder daran erinnerten, wie verkehrt ihr ganzes Leben im Moment eigentlich lief. Aber Faye zwang sich, erneut durchzuatmen. Drei Mal. Bis sich ihre Gesichtszüge wieder ein Bisschen entspannt hatten und sie die Tränen nicht mehr unmittelbar hinter ihren Augen hervordrängen spürte. Sie musste an etwas Schönes denken, egal wie schwer ihr das gerade fiel. «Wenn du wiederkommst, werden wir ein Fest feiern. Mit Blumen und Girlanden und richtig gutem Essen… Mit Lachen und Sonnenschein. Vielleicht ohne Besucher, aber die brauchen wir sowieso nicht», sinnierte sie leise vor sich hin, wobei auch über ihr Gesicht der Schatten eines Lächelns flog. Ja. Das waren bessere Gedanken. An alles, was sein würde, wenn Aryana endlich frei war und sie wieder atmen konnten.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Mit dem Durchleuchten meiner Person war Aryana etwas sehr spät dran, ja. Das hätte sie vermutlich eher schon bei dem kleinsten Verdacht, dass ich mehr als rein freundschaftliche Absichten hatte, tun sollen. Nur war zum einen der Übergangszeitpunkt dessen nicht wirklich klar und zum Anderen hatte sie dafür als Sergeant auch einfach gar keine Zeit gehabt. Zum Glück wusste ich selbst sehr gut, dass etwas Derartiges ohnehin nicht notwendig gewesen war. Dass ich wohl einer der letzten Menschen auf diesem Planeten war, der einer jungen Frau gerne mutwillig das Herz brach und sie dann mit all dem Schmerz und den Tränen allein zurück ließ. Das spräche gänzlich gegen den Rest meines doch recht reinen Charakters. Natürlich hatte auch ich hier und da Ecken und Kanten, aber die hatte wirklich jeder. Ich gehörte abgesehen von meinem psychischen Dauerschaden jedoch wirklich zur milden Sorte, denke ich. Hatte das Herz am rechten Fleck. "Ich kann's kaum erwarten.", erwiderte ich und schüttelte ein klein wenig den Kopf. Selbst Aryana sollte klar sein, dass ich nichts als gute Absichten mit ihrer jüngeren Schwester hatte, ganz gleich wie wenig sie mich kannte. Wäre Faye mir egal oder nicht wirklich wichtig hätte ich vor einigen Tagen in der Zelle sicher andere Entscheidungen getroffen. Allerdings wollte ich Gedanken in diese Richtung jetzt absolut nicht vertiefen, hielten sie doch ganz sicher nichts Gutes bereit. Das Fest hingegen klang wie Musik in meinen Ohren. Ich mochte kleinere Feiern ganz einfach gerne. Ab einer gewissen Anzahl Menschen war mir das dann zwar irgendwann zu stressig, aber an sich war ich einfach ein geselliger Mensch. Unterhielt mich gerne und teilte meine gute Laune auch freudig mit anderen, sofern solche vorhanden war. Mindestens Faye würde mich mit ihrer Euphorie dann sowieso anstecken, weil ich mir schon jetzt in etwa vorstellen konnte wie sie ausflippen würde, wenn ihre ältere Schwester endlich dem Krieg Adieu sagte. Immerhin war das die Erfüllung eines Wunsches, der schon eine halbe Ewigkeit in ihrem Kopf herum geisterte und ich freute mich immer gerne mit ihr. In diesem Fall dann ganz besonders, weil es der zierlichen Brünetten einfach eine immense Last von den Schultern nehmen würde. "Eine kleine Party klingt super... ich helf' auch freiwillig.", meldete ich mich dahingehend nach wie vor mit einem schwachen Lächeln auf den etwas trockenen Lippen sogleich zum Dienst. Ich hatte keinerlei Probleme damit mich auch an dem ganzen dekorativen Kram zu beteiligen, solange man mir sagte Was und Wohin. Ein Händchen dafür hatte ich vielleicht nicht unbedingt, aber das war irgendwie ohnehin mehr Frauensache und meine bessere Hälfte hatte sicher kein Problem damit mich dahingehend von A nach B zu schicken. Auch was die Kocherei anging beteiligte ich mich - wenn es eben verlangt wurde. Ich konnte schon kochen, ich wollte es aber nur selten mal von mir aus gern. War eher der Typ, den man dazu verdonnern musste, gerade in den psychisch lädierten Phasen. Aber bekam ich hin, was das anging hatte ich keine zwei linken Hände. Andererseits konnten wir natürlich auch gerne einfach Irgendwo ein Festmahl bestellen und liefern lassen. Ersparte uns in jedem Fall Stress, aber ich fügte mich da wahrscheinlich einfach Fayes Wünschen. So wie fast immer, weil ich das gerne tat. Inzwischen waren mir die Augen zugefallen, waren die Lider doch schon eine ganze Weile lang recht schwer vom anhaltenden Schlafmangel. Solange Aryana noch da war wollte ich jedoch nicht schlafen. Konnte ich danach schließlich auch noch tun.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Oh, dass Victor sich so sehr auf ihr lang ersehntes Kennenlernen freute, war ihr vollkommen klar. Wer würde das auch nicht tun? Immerhin war Aryana alles, was Faye an Familie geblieben war - abgesehen von Onkel und Tante, aber die standen Faye Aryanas Meinung nach nicht nahe genug, um irgendein Einspracherecht bei den Beziehungen der jungen Brünetten zugesprochen zu bekommen. Und dann blieb nur noch Aryana und Victor tat bisher gut daran, an dieser Adresse guten Eindruck zu schinden. War ja nicht so, als hätte sie ihre Worte ernst gemeint. Wenn sie wirklich der Meinung wäre, der junge Mann könnte schlecht für ihre Schwester sein, dann hätte sie längst irgendwie eingegriffen und ihm die Hölle heiss gemacht. Aber das glaubte sie nicht, weil sie ja tagtäglich sah, wie sich die beiden anschauten, wie sie miteinander umgingen und welche Liebe in jeder ihrer Handlungen lag. Keine Frage, da war auch unendlich viel Schmerz und Aryana konnte an diesem Punkt nur hoffen, dass Faye und Victor sich nicht mit der Zeit gegenseitig immer weiter runter ziehen würden, mit den Erinnerungen, die sie teilten. Es wäre so viel leichter gewesen, wenn zumindest einer von ihnen nicht durch diese Hölle in den Hügeln geschritten wäre. Wenn sie diese grausame Erfahrung nicht teilen müssten und stattdessen eine Person die andere irgendwie wieder aus dem Loch ziehen, aus dem Abwärtsstrudel reissen könnte. Aber leicht war selten das, was das Leben auszeichnete und natürlich musste es mal wieder ihre Schwester so brutal treffen. Und Victor, der doch schon einmal mit einem derartigen Trauma aus dem Krieg gekommen war. Es war echt nicht fair und Aryana würde so gerne mit Faye tauschen, um sie vor diesen Erlebnissen zu bewahren... Genau diese schien sich jetzt aber sehr offensichtlich auf andere Gedanken bringen zu wollen, indem sie von der Zeit zu reden begann, die für Aryana am liebsten schon Morgen beginnen würde. Ihre Heimkehr nämlich. Von ihr aus brauchte es keine Party, weil sie so viel Rummel, besonders, wenn ihre Person dabei im Mittelpunkt stand, nicht mochte. Aber Fayes atypischer Zusatz, dass die Party wohl ohne viel zusätzliche Gäste stattfinden würde, liess das Ganze recht harmlos klingen. Auch wenn Aryana gleichzeitig nicht ganz sicher war, was sie davon halten sollte, dass ihre Schwester das kleine Fest schon selbst an solche Bedingungen knüpfte. Normalerweise mochte Faye viele Menschen - besonders, wenn die Leute wegen ihr gekommen waren und sie alle davon kannte. Entweder, sie sagte das, weil sie wusste, dass Aryana in diesem Punkt anders funktionierte, oder irgendwas war nicht gut. Aber sie hoffte nun auf Ersteres, um ihre Gedanken nicht weiter zu trüben, während sie schwach vor sich hin lächelte. "Das ist süss, dass du ein Fest feiern willst... Obwohl ich so viele Jahre zu lange gebraucht habe, um endlich nach Hause zu kommen", murmelte sie zu ihrer Schwester, während ihre Finger immer wieder über deren Hand strichen. "Aber klar, ich bin dabei. Wenn du das Fest nicht direkt an dem Tag feiern willst, an dem ich nach Hause komme, helfe ich ebenfalls freiwillig", knüpfte sie an Victors Worte an, dem sie nun ebenfalls einen kurzen Blick zuwarf. Das war wohl ihre grosse Gemeinsamkeit. Dass sie beide alles tun würden, nur damit Faye glücklich war, damit sie lächelte. Und damit bewies ihr Victor nur immer wieder so deutlich, dass er auch ohne Prüfung durch Aryana wusste, wie er mit ihrer Schwester umgehen musste.
Fayes Augen lagen weiter die ganze Zeit auf ihrer Schwester, auch wenn sie müde war, auch wenn ihre Lider nach unten ziehen wollten, gerade, seit sie sich eben aufgesetzt hatte. Ihr Rücken hatte sich ziemlich deutlich gemeldet, liess sie wissen, dass er diese Bewegung überhaupt nicht schätzte. Aber noch stand sie unter genügend Schmerzmittel und Morphin, um dies ganz geflissentlich zu ignorieren. Vielleicht war es sowieso nur eingebildet. Weil ihr Kopf sich zu oft daran erinnerte, wie ihr Rücken aussehen musste und dass diese Verletzungen noch ewig wehtun sollten. Sie hatte sich den Schaden bisher nicht angeschaut, weder in einem Spiegel, noch wäre sie je auf die Idee gekommen, Fotos zu verlangen. Sie wollte gar nicht wissen, wie sich die Wunden entwickelten. Was aus der glatten, narbenlosen Haut geworden war, die sich um ihren Oberkörper gespannt hatte. Es reichte, dass sie die Reste der Brandmale spüren konnte, wenn sie ihr Kinn oder ihre linke Schulter berührte. Auch das unter ihrer Brust kannte sie, auch wenn sie dem bisher ebenso wenig Beachtung geschenkt hatte, wie ihrem Rücken. Sie wollte ihren Körper ganz einfach nicht anschauen, ertrug den Anblick der Spuren noch nicht, die diese gefühlskalten Teufel hinterlassen hatten. Sie sah ja Victor. All die Hämatome, die seinen Körper nach wie vor, selbst nach elf Tagen, noch immer zierten. Sie waren verblasst und heilten gut, aber die Flecken waren noch sichtbar. Waren Erinnerung genug für die junge Brünette, dass nie wieder etwas sein würde wie zuvor. Auch nicht dann, wenn die Hämatome ganz weg waren. Auch nicht dann, wenn von den Wunden lediglich noch blasse Narben übrig geblieben waren. Denn viel mehr als ihre Körper hatten ihre Seelen gelitten und das wusste jeder, der sich in ihre Situation versetzte oder zu lange in ihre Augen blickte. Mit diesen Problemen würde sie sich noch ewig beschäftigen. Aber gerade musste sie sich von ihrer Schwester verabschieden, sie an den Ort zurück gehen lassen, an dem all das passiert war - zum Ursprung des Grauens. Und in den kommenden Monaten würde sie nichts tun können, als Bangen und Hoffen und Beten, dass Aryana nicht das Gleiche oder Schlimmeres zustiess. Das war eine mehr als grauenvolle Ausgangslage... Aber noch war sie da und sie unterhielten sich über den einzigen Lichtblick in der ganzen Sache: Aryanas endgültige Rückkehr. Und ja, Faye hatte bewusst schon jetzt für sich entschieden, dass es ausser ihnen und Mitch, wenn er es bis dahin - hoffentlich - auch zurück geschafft hatte, keine Gäste geben sollte. Vielleicht würde sie sich dazu durchringen, ihren Onkel und dessen Familie einzuladen. Für ihre Schwester. Aber eigentlich wollte sie niemanden sehen. Wenn sie Glück hatte, war das nur eine Phase und bis dahin vorbei, aber ihr graute es vor jeglichem Kontakt zu Menschen, die sie mal gekannt hatten, die glaubten, zu wissen, wer sie sei. Sie wollte nicht in die Gesichter blicken, die nicht verstanden, was passiert war. Und darum klang eine Party zu Viert viel angenehmer. "Aber dann sollte es doch erst recht ein Fest geben, wenn du endlich zurückkehrst... Für immer", meinte sie auf Aryanas Worte, erwiderte deren Lächeln müde aber ehrlich. Sie würde immer ein Fest für ihre Schwester machen, auch wenn sie in zehn Jahren erst heim kommen würde. Aber das stand nicht zur Debatte - zum Glück. "Und ich werde bis dahin eine ordentliche Aufgabenverteilung zusammenstellen, ihr könnt euch schon freuen", träumte sie weiter vor sich hin, malte sich den Tag der freudigen Rückkehr in ihrem Kopf so wundervoll bunt, wie sie das in diesem Moment nur konnte. Es würde wunderschön werden. Sie würde dafür sorgen, dass es wunderschön wurde.
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Nein, noch nicht schlafen. Ich schlug die Lider wieder auf, seufzte gedanklich in mich hinein. Ich hasste es schon jetzt wieder mit den ersten Anzeichen für psychischen Ruin gezeichnet zu sein. Wenn ich das Alles nicht schon einmal in einer etwas weniger schlimmen Lage - immerhin hatte ich bei dem Bombenangriff nicht den mir damals liebsten Menschen mit leiden sehen müssen - erlebt hätte, dann wüsste ich wenigstens nicht, was noch kam. Auf diese Weise konnte ich jedoch jede noch so schrecklich qualvolle Minute voll unnötigem gedanklichem Ballast schon vor mir sehen. Ich war mir ziemlich sicher, dass es das nur schlimmer machte. Wenn ich mir schon jetzt ausmalte, dass es richtig beschissen werden würde, wenn das Morphium erst einmal ganz weg war, dann konnte es ja nur die Hölle werden. Leider schien ich sowas wie positive Gedankenmuster oder gar Optimismus dahingehend aber einfach verlernt zu haben. Tatsächlich war das, was passierte, wenn man sich zu lange im selben Gedankenstrudel aufhielt... man verlernte, dass nicht Alles nur schwarz war und musste dann ganz bewusst dagegen angehen, um sich positives Denken überhaupt erst wieder zu ermöglichen. Am besten fing ich also gleich zur Vorsorge damit an. Aryana stimmte dem kleinen Fest zu ihren Gunsten zu, auch wenn ich nicht glaubte, dass sie das nur ihrer selbst wegen tat. Vermutlich viel mehr wegen ihrer jüngeren Schwester, weil ich zumindest glaubte zu wissen, dass die ältere Cooper weniger der gesellige Typ Mensch war. Vielleicht entsprang das auch nur der Maske, die sie sich als Sergeant in der Army aufsetzte, vielleicht aber auch nicht. Vermutlich passte sie als Einzelgängerin auch viel besser zu Mitch. Dass er dahingehend Nichts vorspielte war für mich recht offensichtlich. Meiner Meinung nach konnte man regelmäßige, derart schlechte Laune und seine chronische Impulsivität nicht fälschen. Ich konnte zwar nicht einschätzen, was der hitzköpfige Amerikaner inzwischen von mir hielt, aber er hatte mich seit unserer erfolgreichen Zusammenarbeit beim Angriff auf den eigenen Stützpunkt zumindest etwas weniger oft angeschnauzt. Wirklich persönlich nehmen tat ich das jedoch sowieso nicht, weil er das grundsätzlich mit Jedem so machte - außer Aryana, ganz offensichtlich. Es war zu bezweifeln, dass eine selbstbewusste Frau wie sie Lust darauf hätte, sich permanent von ihm anmotzen zu lassen, wenn sie es nicht musste. "Ich bin gespannt...", stellte ich abschließend fest, während mein Blick wieder überwiegend auf meiner besseren Hälfte ruhte. Es war schön zu sehen, dass Faye sich wieder etwas mehr bewegen konnte. Es ging ihr nach wie vor nicht gut, aber immerhin ein wenig besser und ich musste nicht mehr mit der permanenten Angst leben, dass sie mir plötzlich zu atmen aufhörte, nur weil sie leise im Schlaf röchelte. Deutlich weniger schön war es allerdings anzusehen, wenn sie wieder auf dem Bauch lag und ein Arzt sich ihre Wunden am Rücken besah. Inzwischen versuchte ich dabei schon gar nicht mehr hin zu sehen. Nicht, weil ich den Anblick der Wunde nicht ertragen konnte - ich hatte den Bomben sei Dank schon so, so viel Schlimmeres gesehen -, sondern weil es mir jedes Mal einen Stich ins Herz versetzte. Zum einen, weil ich mir beim bloßen Anblick sicher war, dass Faye für immer mit Narben am Rücken leben musste und ihr das immer wieder weh tun würde... und zum Anderen, weil es mich selbst gedanklich sehr zielstrebig zurück in die Zelle versetzte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie wollte eigentlich nicht, dass sich der Raum wieder in das bedrückende Schweigen hüllte, kaum war das mit dem Fest geklärt. Aber Aryana wusste nicht, was sie sagen sollte und sie war einfach verdammt schlecht in Smalltalk und der Aufheiterung trauriger Seelen. Ausserdem war ihr klar, dass es nur eine Sache gab, die Faye in diesem Moment wirklich glücklich machen könnte. Und das wäre, wenn Aryana nicht ging. Was aber dank einer läppischen Unterschrift, die sie vor Jahren in einer geistigen Umnachtung auf ein Stück Papier gekritzelt hatte, nicht mehr möglich war. Damals hatte sie nicht gedacht, dass sie je wieder fähig sein würde, in dieses Land zurück zu kommen, das so voller schmerzhafter, wunderschöner Erinnerungen strahlte. Erinnerungen an Menschen, die nie wieder hier sein würden. Damals hatte sie nicht gedacht, dass Faye auf die Idee kommen würde, zu ihr zu kommen, wenn Aryana umgekehrt nicht nach Hause zurück kehrte. Vielleicht hätte sie sonst nicht unterschrieben, sie wusste es nicht. Ihr Herz war so schwarz und voller Wut, voller Hass, voller Trauer gewesen, dass etwas anderes gar nicht mehr reingepasst hatte. In ihrem Kopf hatte sich alles um Julian gedreht, um seine Brüder, die nicht sterben durften, um den Mann, der seinen Tod so massgebend mit zu verschulden hatte. Für eine viel zu lange Zeit, hatte Faye in Aryanas Leben keinen Platz mehr gehabt. Sie hatte gedacht, das kleine Mädchen wäre in Sicherheit. Hatte sich nicht überlegt, wie ihre kleine Schwester mit dem Schicksal ihrer Familie umging. Und jetzt waren sie hier. Aryana war endlich soweit, nach Hause zu kommen. Aber der Preis, der dafür bezahlt worden war, war viel zu hoch... "Faye...", murmelte sie, weil der Blick ihrer Schwester auf ihre Hände gerutscht war, sie sie aber gerne anschauen würde. Die jüngere Cooper hob den Kopf und Aryana biss auf ihrer Unterlippe herum, während sie mühsam darum kämpfte, die richtigen Worte zu finden. Und nicht zu weinen, denn das würde sie in diesem Moment tatsächlich gerne tun. "Ich... ich muss gehen... Es tut mir leid...", beendete sie den kaum begonnenen Satz mit den endgültigen Worten, die hier keiner hören wollte. Aber es war Zeit, sonst erzürnte sie schon hier wieder die ersten Gemüter, weil sie zu spät am Flughafen war. "In ein paar Monaten bin ich wieder da, ich versprechs... Und bis dahin bist du auch wieder... gesund", das war eine sehr steile Prognose, aber Aryana wollte so gerne daran glauben. In eine paar Monaten war vielleicht Fayes Körper wieder gesund. Vom Rest brauchten sie hier nicht zu sprechen. Das war ein langer, langer Weg... "Und dann machen wir all das, was du dir so lange gewünscht hast, okay?", ihre Stimme wurde brüchig, während sie ein klägliches Lächeln hinlegte und ihre Schwester sehr vorsichtig und nur mit Links umarmte. Es gab keine Worte, die das hier schöner machten. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, nur, dass sie gehen musste, obwohl alles in ihr dagegen protestierte.
Es vergingen einige Minuten, in denen Faye fast krampfhaft an der Vorstellung des Willkommen-Festes für ihre Schwester festhielt. Sie wollte daran denken, wie toll es werden konnte, wollte sich noch etwas länger ausmalen, dass das ganze Glück der Welt auf sie wartete, wenn sie nur noch ein paar Monate durchhielten. Während dieser Zeit würde sie alles daran setzen, sich selbst von dem körperlichen und psychischen Wrack zurück zu der alten, unbekümmerten Faye zu kämpfen, die sie mal gewesen war. Und dann, wenn Aryana wieder da war, würde alles gut werden. Daran würde sie die ganze Zeit denken, dafür würde sie leben und atmen. Dann wurde alles gut. Aber als Aryana sich wieder zu Wort meldete, damit die unheilvolle Stille beendete, die nur von einem finalen Abschied durchbrochen werden konnte, atmete Faye mühsam durch, blickte zu ihrer Schwester hoch und gleich wieder weg. Und egal wie lange sie die Lippen aufeinander presste und mit sich selbst rang, die Tränen kamen doch und überschwemmten in einer halben Minute ihr ganzes Gesicht. Und mit jedem Satz, den Aryana von sich gab, wurden es mehr. "Pass... pass auf dich auf, Aryana... Bitte", hauchte sie mit zittriger Stimme, erwiderte kraftlos die Umarmung, die die Letzte für so lange Zeit bleiben würde. "Ich... ich werd wieder... gesund... Und... und ich... mach alles bereit... für dich... Aber du musst... du musst wieder kommen, so bald wie möglich, sonst... ich... ich halte das nicht nochmal aus...", flüsterte sie erstickt, während die Schluchzer nur kurze Zeit nach den Tränen ebenfalls einsetzten und ihren schwachen Körper schüttelten. Und wieder versprach Aryana ihr alles, was sie gefordert hatte. Aber trotzdem musste sie gehen. Löste sich nach kaum fünf Minuten wieder von ihr, strich ihr über die feuchten Wangen. Und Faye erkannte trotz den Tränen sehr deutlich, dass sich ebendiese auch in Aryanas Augen spiegelten, als sie sich mühsam von ihr löste. Sich mit einem Ich liebe dich. Bis bald., welches Faye umgehend tonlos erwiderte, endgültig abwandte um sich auf den Weg in die Hölle zu machen.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.