Waren seine Augen schon immer so verdammt Blau gewesen? Ein Teil von ihr schüttelte wohl gerade innerlich den Kopf und fasste sich an die Stirn, weil das eine absolut dämliche Frage war, die sie sich in diesem Moment stellte. Ja, seine Augen hatten nie anders ausgesehen. Ja, die waren sehr Blau. Und nein, heute war bei Gott nicht das erste Mal, dass ihr das auffiel. Aber ein ganz anderer Teil war der Meinung, dass dem überhaupt nicht so war. Vielleicht waren sie immer Blau gewesen... Aber hatten sie auch immer so geglänzt? So geleuchtet? Hatte sie schon immer das darin gesehen, was ihr heute entgegen zu strahlen schien? Sie war so verwirrt... Wahrscheinlich müsste sie nicht weit suchen, um den Grund dieser Verwirrung zu finden. Den Grund ihres akuten Herzklopfens. Der unterschwelligen Nervosität. Dem viel zu starken Drang, ihm sofort wieder näher zu kommen, jetzt, wo da plötzlich wieder Luft zwischen ihnen war. Sie würde sie schnell finden, wenn sie die Ursache in ihrem Herzen suchen würde. Aber das würde sie nicht tun, weil ihr Herz hier doch gar nichts zu sagen hatte... Weil Gefühle doch nichts mit diesem Kuss zu tun haben sollten... Weil sie das doch nur für Faye getan hatte - und vielleicht ein Bisschen für Mitch... Gefühle. Liebe. Das waren grosse Worte, grosse Empfindungen für eine Frau, die alles in diese Richtung so lange so konsequent und so erfolgreich ausgesperrt hatte. War es denn möglich, dass er etwas davon aufgeweckt hatte..? Wegen diesem einen Kuss...? Oder wegen allem anderen, das sie nun schon eine ganze Weile ignorierte... Aryana wandte den Blick keine Sekunde von ihm ab, weil dies schlicht gar nicht möglich war. Sie schaute in seine Augen, als würde sie die Antworten auf Fragen, die sie nichtmal selbst formulieren konnte, darin finden können. Und sie fand so viel anderes, so vieles, was sie hier nicht gesucht hatte... Seine paar leisen Worte gepaart mit den Fingern, die weitere Runden über ihre Haut zogen, dabei überall dieses verräterische, sanfte Kribbeln hinterliessen, hielten die Brünette weiter gebannt an Ort und Stelle, sodass sie gar nicht wirklich auf die Idee kam, sich wieder aus ihrer relativ krummen Position aufzurichten. "Das war möglicherweise ein... positives Scheisse...", hauchte sie eine dezent verspätete Antwort auf sein rhetorisches 'Wirklich?' vor sich hin. Nein, die Küsse waren nicht scheisse. Das würde ja alles viel zu einfach machen... Dann würde sie sich nicht schon wieder näher zu ihm beugen. Dann würden ihre Lippen nicht gleich darauf wieder auf den seinen liegen, ihm nicht so deutlich zeigen, dass sie eigentlich noch lange nicht genug hatte.
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Ich kam nicht umher bei ihrer Antwort ein klein wenig zu grinsen. Scheiße war jetzt offenbar das neue Gut und ich hatte nur vergessen, auf diesen Zug mit aufzuspringen, oder so ähnlich. Jedenfalls revidierte Aryana mit diesen paar wenigen, leisen Worten erfolgreich ihre vorherige Aussage und mich an ihrer offensichtlichen Teilzeit-Verwirrtheit weiter aufzuhängen war gar nicht mehr drin. Die Brünette beschloss nämlich ohne weitere Einwirkung meinerseits für sich selbst, dass zwei in die Länge gezogene Küsse nicht ausreichten und ich grinste noch für kurze Zeit ein klein wenig in den Kuss hinein, bevor die Mundwinkel von allein durch die Bewegung wieder absackten. Es schien für den Moment ganz einfach besser zu sein die ganzen Unklarheiten, die zwangsweise irgendwann bald im Raum stehen würde, eben auf später zu verschieben. Ich ließ mich nur allzu gerne wieder in das Lippenspiel verwickeln und machte ohne Punkt und Komma da weiter, wo wir eben noch aufgehört hatten. Nur mit mehr Nachdruck und merklich fordernder, weil ich jetzt wohl kaum mehr fürchten musste, dass die junge Frau deshalb fluchtartig den Raum verlassen und sich nicht mehr blicken lassen würde. Ich war mir meiner Sache - was auch immer die jetzt eigentlich war, wusste wohl Niemand so genau - sicher und hielt sie wie schon zuvor mit der Hand bei mir. Nur wurde das nach ein oder zwei weiteren Minuten ein wenig eintönig, weil meine Möglichkeiten verdammt eingeschränkt waren. Kurzzeitiges Hochgefühl hin oder her, ich war ans Bett gefesselt und ein paar Küsse würden daran leider Nichts ändern. Also musste wohl oder übel die Brünette den Part mit dem noch näher kommen übernehmen, eben mit einem kleinen Schubs in die richtige Richtung von mir. Erst, als ich mich nur mehr oder weniger freiwillig erneut von den Lippen mit recht großem Suchtpotenzial löste, fiel mir auf, dass Aryana da so neben dem Bett stehend sowieso ein klein wenig... naja, nicht Fehl am Platz, aber doch nicht ganz richtig aussah. Man konnte das Erreichen der Lippen des Anderen schlicht und ergreifend viel einfacher gestalten, weshalb ich jetzt auch nach der Hand der Brünetten griff und nicht grob, aber doch zielstrebig daran zog. Ihr damit vermitteln wollte, dass sie ihren Knackarsch in Bewegung zu setzen und zu mir hoch aufs Bett zu kommen hatte. Ganz gleich, ob sie vielleicht lieber nur neben mir gelegen hätte, zog ich sie doch lieber weiter bis auf meinen Schoß - wo sie, nebenbei bemerkt, ja sowieso schon einmal gesessen hatte, nur ein bisschen anders -, auch wenn das die Hüfte bei Berührung vielleicht minimal in Mitleidenschaft ziehen würde. War egal, spürte ich nämlich dank des Schmerzmittels sowieso nicht und die Wunde war zugenäht, also sozusagen gar nicht relevant. Ich hatte mich inzwischen zum Sitzen aufgerichtet und erwiderte nur noch für einen kurzen Moment den Blickkontakt, sah im Anschluss dann noch für einen Augenblick auf die leicht geröteten Lippen, bevor ich meine eigenen mit ihren verschloss. Noch dabei meine Hand von ihrer löste und den Arm stattdessen um ihre Taille schlang. Der andere Arm war weiterhin nur wenig bis gar nicht einsetzbar, aber ich konnte so jetzt wenigstens meine Hand an der Außenseite ihres Oberschenkels ablegen und ein wenig über den dünnen Stoff der Hose zu streichen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das Küsschen liegt ja wohl im Rahmen hatte Faye gesagt. Ob sie dabei wirklich an sowas gedacht hatte? Wahrscheinlich nicht. Es war zweifelhaft, dass ihre kleine Schwester Aryana sowas überhaupt noch zutraute. Und man konnte es ihr nicht verdenken. Denn die Brünette war eigentlich überhaupt nicht der Typ fürs Rumknutschen mit nur Freunden. Sicher auch einer der Punkte, über die sie im Anschluss an all das hier sehr gut nachdenken musste. Warum sie Mitch so gerne küssen wollte und gar nicht mehr genug davon bekommen konnte, obwohl sie doch nur Freunde waren. Warum sich die Küsse so gut anfühlten und ihr Herz dabei Purzelbäume schlug, obwohl sie doch nur Freunde waren. Warum seine Finger auf ihrer Haut dieses Kribbeln hinterliessen und ihre Augen so leuchteten, obwohl sie doch nur Freunde waren. Ja, sie würde darüber nachdenken. Wahrscheinlich sogar sehr viel. Aber nicht jetzt. Denn seine Lippen wurden synchron mit den ihren immer fordernder, die Küsse intensiver, von einer gewissen Leidenschaft geprägt, die sich von allein in der Dynamik des Momentes entwickelt zu haben schien. Sie war nicht ganz einverstanden damit, als er sich nach weiteren Minuten erneut von ihr löste, auch wenn etwas Luft zum Atmen sicher nicht falsch war. Warum er das getan hatte, erklärte seine Hand dann auch bald ohne unnötige Worte, als er sie zu sich aufs Bett zog. Was sicherlich komfortabler war, als sich hier auf Dauer den Rücken zu verbiegen. Nur war sie sich nicht ganz sicher, wie gut es für seine Verletzungen - namentlich seine Hüfte - war, wenn er sie hier auf seinem Schoss platzierte... Entsprechend wanderte ihr Blick auch kurz nach unten und sie hätte beinahe etwas gesagt, als sie ihn wieder anschaute. Aber Mitch hatte offensichtlich andere Pläne, liess sie gar nicht erst zu Wort kommen, da lagen seine feuchten Lippen schon wieder auf ihren. Und wenn es ihm weh tat, hätte er das ja sicher gesagt, weshalb sie den Gedanken auch ziemlich bald wieder fallen liess. Es gab viel zu viele schönere Dinge, über die sie nachdenken konnte... Oder auf die sie sich auch ohne Nachdenken konzentrieren konnte. Ihre Hand lag wieder an seiner Wange, wanderte nun aber weiter durch die langen Haare nach hinten, wo sie ihn mit leichtem Druck am Hinterkopf noch näher heran zog. Und während sie den Mund langsam aber bestimmt weiter öffnete, ihre Zunge bei ihm anklopfte, strichen die Finger nach unten, kamen auf seiner Brust zu liegen und malten dort ihre sanften Kreise. Solange es sich so anfühlte, spielte es überhaupt keine Rolle, ob sie nun wirklich wusste, was sie hier tat oder nicht...
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Langsam lag wohl auf der Hand, warum der blonde Australier die junge Frau nur ungern hatte gehen lassen. Sie war einfach gut in dem, was wir hier taten... meistens waren betrunkene Küsse zwar ein klein wenig unkoordinierter, aber ich war mir ziemlich sicher, dass das nur unwesentlich beeinträchtigt hatte. Trotzdem war sie dem Casanova nicht nach Hause gefolgt, sondern mit mir zurück zum Camper gekommen. Hatte sich zu dieser Zeit schon kurzzeitig mehr oder weniger harmlos in meinen Armen verloren, nur um letztendlich doch noch an diesem Punkt hier anzukommen. Sich auf meinem Schoß zu räkeln und nach immer mehr von dem zu verlangen, das doch eigentlich so verboten war. Zumindest sonst immer und vor allem für mich, weil... ja, warum eigentlich? Egal was nun der ursprüngliche Grund dafür gewesen war, jetzt gerade war er scheinbar nichtig, während Aryana mich zu einer weiteren kleinen Spielerei einlud. Ich ließ mich nur zu gern auch auf den Zungenkuss ein, öffnete die Lippen und umspielte ihre Zunge einfühlsam mit meiner, ohne dabei die Leidenschaftlichkeit abbrechen zu lassen. Sämtliche meiner Sinne schienen sich einzig auf die Brünette zu fixieren, damit mir auch ja keine einzige der angenehmen Berührungen entging. Ich hätte die Finger wohl nicht einmal von ihr lassen können, wenn ich es gewollt hätte, so wie sie mir hier entgegen kam. Aber es war sowieso viel zu hypnotisierend, als dass ich in diesem Moment noch irgendwas Anderes hätte wollen können. Deswegen ließ ich mich auch einfach von der Lust auf mehr davon weiter treiben, als ich meinen Arm für einen Moment lang ein Stück weit von ihr löste, nur um die Hand im Anschluss stattdessen unter den Stoff des lästigen Krankenhausfummels zu schieben und mit den Fingern über die weiche Haut an ihrem Rücken nach oben zu streichen. Die Hand blieb nicht dauerhaft in Bewegung, ließ Aryana aber doch immer wieder ein leichtes Streicheln zukommen, während sich die inzwischen sehr innigen Küsse noch eine halbe Ewigkeit hinzogen. So lange, dass es mich gegen Ende zu frustrieren begann und sowohl meine Hand an ihrem Oberschenkel, als auch der Arm am Rücken die junge Frau ein wenig fester packte. Es war wahrscheinlich ganz gut, dass sie das Outfit, in dem sie schon im Flugzeug kurz durch mein Oberstübchen gewandert war, nicht wirklich an hatte, als ich ein weiteres Mal innehielt und den Kuss unterbrach. Auch deswegen, weil der Atem ein wenig knapp wurde und mein Puls sich inzwischen ungut beschleunigt hatte, aber hauptsächlich deswegen, weil die Gedanken an mehr anzuklopfen begannen. Das war an sich nicht weiter verwunderlich, küssten wir uns hier schon etliche Minuten, jedoch war jetzt gerade einfach ein denkbar ungünstiger Moment dafür. Ich grummelte kaum hörbar vor mich hin, als ich die Augen wieder öffnete und mein Blick langsam nach unten über ihre vollen Lippen und auch den Rest ihres Oberkörpers wanderte. Nicht mal die wenig anziehenden Patienten-Klamotten, die Aryana zwangsweise trug, waren wirklich hilfreich. Einfach deshalb, weil ich nun mal zu gut wusste, wie sie mit deutlich weniger Stoff am Körper aussah. Australiens Strände hatten mir dahingehend etwas zu gute Dienste geleistet. "Dein Timing ist echt einmalig beschissen.", stellte ich leise, wenn auch recht ironisch fest, als ich meine Stirn an ihre lehnte und die Augen wieder schloss. Natürlich hießen die Küsse nicht gleichermaßen, dass die Brünette genauso bedenkenlos einfach mit mir schlafen würde, wie sie damals in der Bar ja auch so anschaulich demonstriert hatte. Trotzdem hatte es schon sehr viele deutlich besser geeignete Momente für derartige Intimität gegeben als diesen hier, wo ich doch mehr als nur ein bisschen eingeschränkt in sämtlichen Handlungen war. Ich stahl mir noch einen weiteren, aber eher kurzen Kuss von ihren verführerischen, inzwischen leicht geschwollenen Lippen, während ich die Hand wieder unter ihrem Oberteil hervor zog und meine Finger stattdessen an ihrem Hinterkopf in den braunen Locken vergrub.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie würde nichtmal lügen können, wie sehr ihr all das gefiel, wenn sie es wollte. Tatsächlich konnte Aryana sich in diesem Moment an keine Situation der letzten Jahre erinnern, die in irgendeiner Art und Weise vergleichbar mit dieser hier gewesen wäre. Kein Augenblick, und wäre er noch so kurz, in dem sie solche Emotionen verspürt hatte. Natürlich war da der Abend in Australien gewesen. Aber Fynn - yay, sie erinnerte sich sogar an seinen Namen! - hatte sie davor nicht gekannt. Ihn hatte sie schonmal grundsätzlich mit weniger Gefühlen verbunden. Und nicht ganz unwichtig war auch der Umstand, dass sie dort betrunken gewesen war. Sich von der alkohollastigen Euphorie des Abends hatte tragen lassen. Ohne Spirituosen hätte sie Fynn nicht geküsst und das hatte nichts mit dem jungen Australier an sich zu tun, sondern einfach alles mit ihren Prinzipien, ihrem Charakter. Die Küsse, die sie gerade mit Mitch austauschte, waren aus einer anderen Welt. Ohne Alkohol. Ohne Feriengefühle. Ohne Partystimmung. Tatsächlich hatte sie gerade viel mehr mal wieder zwei der schlimmsten Tage ihres Lebens hinter sich. Und doch fühlte es sich so an. Was eindeutig für Mitch und seine Fähigkeiten, seine Küsse und seine Berührungen sprach. Denn auch als seine Hand weiter wanderte, unter ihrem Shirt verschwand, wollte Aryana keineswegs, dass er aufhörte. Eher, dass er weiter machte. Dass er mehr berührte als nur ihren nackten Rücken. Dumme Gedanken, dumme Wünsche... Aber sie konnte sich ja nichtmal selbst was vorwerfen. Welche Frau würde nicht auf dumme Ideen kommen, wenn sie so lange an diesen Lippen geklebt hätte, wie sie gerade eben? Ausserdem machten seine Hände, die sie mittlerweile spürbar fester hielten, als noch vor einigen Minuten, ihr deutlich, dass es ihm offenbar genau gleich ging. Wohl mit ein Grund, warum auch dieser Kuss ein Ende nehmen musste. Aryana hatte den Mund noch leicht geöffnet, während sie versuchte, ihre Lungen möglichst ohne nach Luft zu schnappen wieder mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen. Das gelang ihr in den nächsten Minuten dann auch, wobei ihr Herzschlag aber eine ganze Weile brauchen dürfte, um sich wieder zu beruhigen. Seine Worte entlockten ihr ein trockenes Lachen, während ihre Augen noch ein Bisschen auf seinem Gesicht und seinem Mund - direkt vor dem ihren - lagen, bevor sie ebenfalls wieder zufielen. "Sorry... aber ich mag's nicht, wenn's zu einfach wird...", murmelte sie ebenso ironisch zurück, behielt den Vorwurf, dass er sich ja nicht doppelt und dreifach hätte verletzen lassen müssen, für sich. Selbst mit ihrem einen verletzten Arm wäre alles, was etwas weiter als diese Küsse ginge, sehr schwierig geworden. Zusammen mit seinen beiden ramponierten Armen und seiner Hüfte, brauchten sie sich gar keine Gedanken zur Weiterführung ihres kleinen Lustspielchens zu machen. Das war direkt alles - oder zumindest fast alles - gestorben, lag einfach nicht drin. Und vielleicht war es besser, weil sie es eh nicht tun sollten. Vielleicht wäre sie später froh drum. Aber in diesem Moment schätzte auch Aryana die Einschränkungen ganz und gar nicht. Ihre Finger lagen noch immer an seiner Brust, zeichneten noch immer die undefinierbaren Muster. Und sie wünschte sich noch immer, der Stoff wäre weg und sie könnte über die schwarze Tinte malen, die seine Brust schmückte. Fuck. Irgendwie hatte sie nicht erwartet, dass das alles so ausarten würde. Dass sie und ihre Gedanken, ihr Kopf und ihr Herz einen solchen Totalausfall erleiden würden. Wegen Mitch. In zwei Wochen Australien, zwei Wochen täglichen Gesprächen, zwei Wochen sehr dichten Zusammenlebens war das nicht passiert. Und jetzt, wegen einem einzigen Kuss... Das. Aryana gab ein, zwischen frustriert und zufrieden angelegtes, Seufzen von sich. Liess ihre Lippen nochmals seine streifen. Weil sie nicht wollte, dass es schon vorbei war. Irgendwie. Er sie plötzlich wegschob. Auch wenn sie das gerade eher nicht befürchtete.
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Ja, das konnte sie wohl laut sagen, um nicht zu sagen gleich in die ganze Welt hinaus schreien. Wie ich der jungen Frau schon im Helikopter vermittelt hatte war sie im Gegensatz zum Rest der Frauenwelt ziemlich kompliziert gestrickt und das würde uns wohl irgendwie immer wieder einholen. Sei das nun in einer Meinungsverschiedenheit - obwohl sowas doch inzwischen spürbar seltener vorkam - oder eben jetzt in diesem Moment, von dem ich mir nicht sicher war, wie er überhaupt zu Stande gekommen war. Vielleicht sollte ich das Ganze mehr hinterfragen, weil das hier eben lange nicht mehr das vorher angekündigte Küsschen war, es mir unterbewusst womöglich auch ein wenig komisch vorkam, dass all das plötzlich so... leicht von der Hand zu gehen schien. Zugegeben hatte ich mich doch einige Male wirklich zurückhalten müssen Aryana nicht noch öfter anzufassen, als ich es - jedes Mal mit Strafe - in den Ferien ohnehin schon getan hatte. Auch musste ich mir wohl eingestehen, dass ich hin und wieder vielleicht ein bisschen von ihr geträumt hatte, was ich bis dato aber auf die nackte Haut schob, die ich gesehen hatte. Ob da ausnahmsweise mehr als nur mein Testosteron dahinter steckte? Hm. "Ja, kann ich leider bestätigen.", gab ich noch einen weiterhin recht ironischen, wenn auch leisen Kommentar zu ihren Worten ab, nachdem ihre Lippen doch schon wieder die meinen suchten. Über kurz oder lang würde das Ganze hier noch in purer Folter ausarten, wenn es so weiterging. War einfach eine verzwickte Angelegenheit - mehr war nicht drin, aber um ganz damit aufzuhören waren wir wohl beide schlicht zu gebannt davon. Es war zu gut, um die Brünette wieder zurück auf den Stuhl neben dem Bett zu verdonnern und mich stattdessen nur wieder dem hochgradig langweiligen TV-Programm zu widmen. Also ging es irgendwie erneut da weiter, wo ich eben noch einen vorübergehenden Cut gesetzt hatte, weil wir scheinbar beide nicht fähig dazu waren die Sache schon hier und jetzt zu beenden und ich lieber zum nächsten Kuss ansetzte. Er sollte genauso wie die ganzen anderen davor, bis auf ein, zwei kleinere Atempausen, die ich meistens dazu nutzte die Brünette ein wenig am Hals zu küssen, nie wirklich enden. Auch, wenn die Bettdecke noch immer zwischen uns lag, hatte das nach einigen Minuten eine gerade sehr unliebsame Beule in der lächerlichen Stoffhose zur Folge. Ich war schließlich nur verletzt, nicht tot und um meine männlichen Urinstinkte zu begraben brauchte es offenbar mehr als das. Soweit möglich - also mehr schlecht als recht - versuchte ich das auszublenden, sank irgendwann aber doch zurück nach hinten ins Kissen und zog Aryana einfach mit runter. Meine Hand hatte bis dahin überwiegend an ihrem Rücken gelegen, wanderte jetzt jedoch weiter nach unten, um die junge Frau stattdessen am Hintern zu packen, wobei ich dann doch wieder kurzen Prozess machten und unter dem ohnehin nur lockeren Hosenbund durchschlüpfte. Haut war einfach besser als jede Form von Stoff... auch, wenn ich mir selbst die ganze Angelegenheit vielleicht noch unnötig schwerer und anstrengender machte, als sie ohnehin schon war. Ich konnte nicht sagen, wie lang wir das ganze Schauspiel jetzt schon durchgezogen hatten. Eine Stunde? Vielleicht mehr? Jedenfalls klopfte es irgendwann an der Tür, was mich ziemlich ruckartig von den weichen Lippen ablassen ließ. Scheinbar hatte ich komplett vergessen, dass wir nach wie vor im Krankenhaus saßen und nicht irgendwo, wo wir gänzlich unsere Ruhe hatten. Also schob ich Aryana doch recht zügig, wenn auch nicht grob seitlich von mir runter, weshalb sie neben mir im Kissen landete. Ob sie es noch bis zum Stuhl schaffte war fragwürdig, weil nach Einlass bitten jetzt scheinbar nicht mehr in Mode war und direkt eingetreten wurde, aber es sah wohl Alles besser aus, als wenn sie weiter auf meiner Körpermitte thronte. Es handelte sich letzten Endes nur um eine Krankenschwester, die mir das verspätete Abendessen mit einer entsprechenden Entschuldigung bringen wollte... war also doch schon einige Zeit vergangen, wie mir schien. Warum war mein Zeitgefühl so absolut hinüber?
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es tat ihr ja wirklich leid. Aber sie war bis Heute, bis Faye damit angefangen hatte, wirklich nie auf die Idee gekommen, Mitch zu küssen. Nicht, weil sie ihn abstossend fand - was sehr offensichtlich ja eben nicht der Fall war - sondern einfach, weil es nicht in Frage gekommen wäre. Weil er Tabu war, weil sie in der Army waren. Weil es verboten war. Weil er einer ihrer wenigen Freunde war. Weil sie ihn nicht wegen sowas verlieren wollte. Weil es nur unnötig komplizierte Gefühle in ihr weckte. Bei Gott - oder wem auch immer - es gab tausend gute Gründe, weshalb sie es bisher lieber sein gelassen hatte. Aber gleichzeitig hatte sich das Fass der Zuneigung, der leisen Sympathie, seiner Anziehung und dem stetig wachsenden Gefallen, den sie an ihm gefunden hatte, unbemerkt immer weiter gefüllt. Darum war der scheinbar harmlose Kuss jetzt wohl so ausgeartet. Weil er der Tropfen gewesen war, der alles zum Überlaufen gebracht hatte. Weil ihr so lange ignoriertes Herz plötzlich in Flammen aufgegangen war. Weil sie nicht länger ausblenden konnte, dass sie vielleicht doch mehr von Mitch wollte als die lockeren Gespräche, die vielen Scherze und Neckereien, das stetige Zuhören und die langen Nächte auf den Türmen. Himmel, hatte sie sich wirklich, einfach so, ohne dass sie es gemerkt hatte, in den jungen Mann verguckt?? War das Liebe, die ihrem Herzen so einheizte? Die sie hier Dinge tun liess, die sie so nie zu tun geplant hätte? Ein äusserst wilder Gedanke, der sich da in ihrem Kopf festkrallte, zweifellos plante, sie für die nächsten Tage nicht mehr ruhen zu lassen. Als hätte sie nicht sonst schon wirklich genug, worüber sie nachdenken sollte. Nicht in diesem Moment, in dem seine Lippen wieder ihre fanden. Aber später... und Nachts... und Morgen... Aryana liess sich sofort wieder von ihm und seinen Lippen einnehmen und alles nahm weiter seinen nicht wirklich geplanten Lauf. Ihr war durchaus bewusst, dass da bei ihm noch mehr passierte, als sie mit ihren Lippen in diesem Moment befriedigte. Und auch das beruhte auf Gegenseitigkeit. Ob sie wirklich einfach hier und jetzt mit ihm geschlafen hätte, wenn da nicht die dämlichen Verletzungen wären..? Anfangs hätte sie mit einem sehr direkten Nein geantwortet. Aber jetzt? Sie war sich dessen überhaupt nicht mehr sicher. Aber wenn er weiter gehen würde, würde sie ihn nicht aufhalten. Also wäre es wohl passiert. Und sie hätte es mindestens nicht falsch gefunden. Aryanas Finger waren irgendwann vollkommen unter seinem Shirt verschwunden, wo sie auch liegen blieben, als er sie mit sich ins Kissen zurück zog. Und seine Hand kam unter ihrer Hose auf ihrem Arsch zu liegen, wo er genau das tat, womit er sich letztes Mal eine Ohrfeige eingefangen hatte. Aber heute gab es keine, weil sie es heute sehr bewusst herausgefordert hatte - und weil es ihr gefiel. Weil sie wollte, dass seine Hände sie überall berührten. Auch da, wo sie bisher nie hätten sein dürfen. Während die Küsse also weiterhin keinen Abbruch nahmen, wanderten ihre Finger irgendwann über seine warmen Muskeln nach unten, zu seinem Hosenbund. Natürlich, Sex in seiner schönsten Form war nicht drin... Aber anderes theoretisch schon. Zumal es nicht so ganz fair war, ihm hier auf dem Schoss rum zu rutschen, ihn heiss zu machen und das dann sein Problem sein zu lassen. Doch genau dazu schienen sie zumindest vorerst verdammt zu sein, als es plötzlich vollkommen aus dem Nichts an der Tür klopfte. Aryana liess sehr zügig von Mitch ab, der sie schon direkt von sich schob. Aber die Krankenschwester hatte sich nicht annähernd genügend Zeit zwischen Anklopfen und Eintreten gelassen, um der Brünetten die Chance auf eine anständige Flucht auf den Stuhl zu gewähren. So sass sie noch immer mit minimaler Sturmfrisur und geschwollenen Lippen auf dem Bett, hatte es gerade so geschafft, ihre Kleidung zu richten, bevor das Essen kam. Wie spät war es denn bitte?? Ein Blick auf die Uhr an ihrem Handgelenk gab ihr genau diese Information und Aryana legte die Stirn in Falten, während sie sich schliesslich ganz von der Matratze schob, um Platz für den Krankentisch mit dem Essen zu machen. So lange hatte sie gar nicht hier sein wollen. Nicht, dass sie es bereute... Aber trotzdem. Die Krankenschwester verpisste sich netterweise wieder, nachdem sie sich etwas zu oft versichert hatte, dass sie hier nicht mehr gebraucht wurde, und Aryana strich sich durch die wirren Locken, als ihr Blick zurück auf Mitch fiel. Na dann... Sollte er wohl essen. Und sie sollte... Puh... Was eigentlich? Gehen?
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War das jetzt das Karma, das mich doch noch einholte? Fühlte sich zumindest so an. Ich brauchte wohl kaum zu erwähnen, dass mir der Sinn wenig nach Essen stand, obwohl mein Körper das ganz sicher für eine sehr gute Idee hielt, wenn man davon absah, dass Krankenhausfraß nur selten wirklich gut schmeckte. Zwar war ich aus der Army jetzt auch keine Fünft-Sterne-Küche und Drei-Gänge-Menüs gewohnt, aber schön gewesen wäre es schon. Dann würden die schwer sortierbaren Gedanken in meinem Schädel sich vielleicht langsam wieder verziehen und sich lieber dem Genießen des guten Geschmacks widmen. So hingegen wirkte die ganze Situation mehr wie ein schlechter Scherz und ich hätte die ältere Dame - alt war relativ, 40 war sie wohl noch nicht, sah aber leicht überarbeitet aus - liebend gern eigenhändig aus dem Zimmer geschmissen, damit sie damit aufhörte mir die eigentlich sehr gute Laune zu vermiesen. Sie entschied sich nach mehrfacher Verneinung benötigter Hilfe oder anderer Wünsche dann auch endlich mal zu gehen und ich sah ernüchtert auf das nur mehr oder weniger gut riechende Essen runter. Doch, das war eindeutig die Strafe, die mich mit einem hörbar genervten Seufzen einen Moment lang die Augen schließen ließ. Ich meine, okay, würde ich nicht schon wieder seit Monaten zwangsweise trocken liege, wär's vielleicht nicht so schlimm, aber so? Grrr. Mein Blick rutschte vom Essen auf die Bettdecke, unter der noch immer das gleiche, nervige Problem lag und ein paar Sekunden später fanden meine Augen dann wieder Aryanas', während ich mir die etwas wirren Haare einmal gerade nach hinten zurück strich. So ein bisschen merkwürdig war die Situation ja jetzt doch irgendwie... aber was sagen? Womöglich sollte die junge Frau genauso Etwas zwischen die Zähne kriegen wie ich selbst auch. Vielleicht wollte sie auch nochmal nach ihrer Schwester sehen, ich hatte ja keine Ahnung davon wie ihre restliche Tagesplanung ursprünglich ausgesehen hatte. Ich wusste nur, dass ich nicht wirklich wollte, dass sie ging, weil ich die stark berechtigte Befürchtung hatte, dass dann Alles nur noch komischer werden würde, als der Moment es jetzt sowieso schon war. "Wahrscheinlich sollte ich das essen...", ah, sehr einfallsreich, darauf war die Brünette sicher selbst schon gekommen. War ja nicht so, als wäre es sehr offensichtlich, dass ich seit unzähligen Stunden nicht mehr wirklich was gegessen hatte, weil die Infusion die Nährstoffaufnahme bisher ziemlich gut übernommen hatte. Irgendwann sollte man aber wohl zu den Basics zurück. "...du kannst gern noch bleiben, wenn du willst. Musst aber nicht... ich weiß ja nicht, was deine ursprünglichen Pläne waren.. oder ob du selbst Hunger hast.", redete ich irgendwie ein bisschen wirr klingend weiter und grinste sie gegen Ende schief an. Ich tat mir doch sonst nicht schwer mit Reden, schon gar nicht bei Aryana. Was sollte der Mist? Konnte man das abstellen? So oder so hob ich - auch zu meiner eigenen Ablenkung - den Deckel vom warmen Essen ab, um mir den Inhalt zu besehen, der ziemlich sicher Reste vom Mittagessen enthielt. Ich glaubte nicht wirklich, dass die hier zwei Mal am Tag warme Küche servierten. Immerhin sah es auf den ersten Blick zumindest nicht so furchtbar aus, wie ich es mir vorgestellt hatte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Gut und jetzt stand sie neben dem Bett wie bestellt und nicht abgeholt, hatte keine Ahnung wohin mit sich selbst, wollte ihm irgendwie nicht wie ein Creep beim Essen zusehen aber auch nicht gehen... toll. Wirklich 1A. Auch fiel ihr ein, dass sie wohl dringend Mal wieder nach ihrer Schwester sehen sollte. War immerhin gut möglich, dass Dornröschen aufgewacht war. Und diese kurzen Momente wollte sie eigentlich nicht verpassen. Aber was würde sie Faye erzählen, wenn diese wach war? Wenn sie fragte, ob Aryana ihre Mission durchgeführt hatte? Victor wusste, dass sie draussen gewesen war, um genau das zu tun. Und lügen kam irgendwie sowieso nicht in Frage. Faye erzählen, dass sie offenbar über eine Stunde auf Mitchs Schoss gesessen und ihm die Zunge in den Hals gesteckt hatte, aber auch nicht. Und wie man sich etwas dazwischen vorstellen sollte, konnte sie auch nicht erklären. Genauso wenig wie das Chaos in ihrem Kopf. „Ja... ja du solltest.. essen“, bestätigte sie mit ebenso unsinnigen Worten seine Aussage, nickte dabei leicht übertrieben, um das Gesagte noch zu unterstreichen. Als würde er sich ohne ihre eindeutige Erlaubnis nicht dem Essen widmen. Klar. Aryana strich sich ein weiteres Mal durchs Haar, presste leicht die Lippen aufeinander, um sich irgendwie wieder sowas wie Normalität anzueignen. Um wieder denken zu können. Reden zu können. Ja, sie sollte zu Faye. Und sie sollte selber was essen, weil sie sich nicht daran erinnerte, wann sie das zuletzt getan hatte und sie im Gegensatz zu den anderen auch nicht an einer Infusion gehangen hatte oder hing. Also war pures Wasser wohl das Einzige, was sie seit.. ja, seit wann eigentlich? Seit gestern Mittag wohl zu sich genommen hatte. Und dann kam auch langsam die Stunde der Wahrheit, in der sie sich mit den Problemen Ragan und Rückkehr nach Syrien auseinandersetzen musste. Alles irgendwie Gedanken, die ihr Kopfschmerzen bereitete, wo sie doch eigentlich genug damit zu tun hatte, die letzten beiden Stunden zu verarbeiten. „ich.. weiss nicht... ich würde ja schon gern noch bleiben, aber ich sollte auch nochmal nach Faye sehen... und ja, essen sollte ich auch“, murmelte sie eine absolut wässrige Antwort vor sich hin. „Und mit Ragan reden...“, hängte sie dem Ganzen die unangenehme Spitze an. Ach jaaaa und sie sollte sich mal darum kümmern, wo sie diese Nacht schlief. Der Platz in Fayes Zimmer war ja jetzt belegt, dort noch eine Matraze in den Raum zu bringen, wäre auch unpraktisch, weil das Krankenhauspersonal bei den beiden sicher auch Nachts ab und an vorbeischauen musste. Und auf einem Stuhl stellte sie sich das Ganze nicht so vorteilhaft vor... Ach je. Vor ein paar Minuten war die Welt deutlich simpler, sorgloser und angenehmer gewesen...
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Ich schien jetzt plötzlich all die anstrengenden Filmsequenzen, in denen sich zwei Menschen entweder in betretenes Schweigen hüllten oder stattdessen wirres Zeug voreinander her redeten, weil sie sich ach so überraschend und unvorhersehbar geküsst oder gar miteinander geschlafen hatten, irgendwie nachvollziehen zu können. Ich kannte Aryana inzwischen einfach zu gut, um mir keine Gedanken darüber zu machen, was nach dieser Aktion jetzt passieren würde. Nur zu gut wusste ich, wie die junge Frau zu all dem komplizierten Beziehungskram stand - sie mied ihn normalerweise ganzheitlich genauso erfolgreich wie ich. Verbrannte sich nie an Jemanden, weil sie das Feuer vorher ganz bewusst austrat. Obwohl wir beide eigentlich sehr ähnlich zu der Sache standen, sahen wir uns nüchtern betrachtet gerade wie zwei dämliche Teenager an, die nach ihrem ersten Kuss nicht wussten wohin mit sich. Normalerweise interessierte es mich doch kein Stück, ob sich irgendwer womöglich nach ein bisschen Rummachen in mich verknallte, weil das ja dann nicht mein Problem war - warum hatte ich dann aber ein bisschen Angst davor, dass ich Aryana mit Alledem wieder von mir weggetrieben hatte, nachdem ich mir ihre Anerkennung so mühsam zurück erkämpft hatte? Ich war mir ehrlich nicht sicher, ob ihre Ohrfeigen oder doch eher die aktuelle Situation unangenehmer war. Wahrscheinlich Letzteres, weil ich die Schellen wenigstens nachvollziehen konnte. "Ja, das solltest du wohl...", meinte ich nickend, als ich ein wenig geistesabwesend nach Messer und Gabel griff. Es war ja nachvollziehbar, dass die Brünette nach ihrer nach wie vor eher labilen Schwester sehen wollte und auch ein Stück weit musste, damit letztere nicht irgendeine Panik schob. Faye brauchte Aryanas Nähe, rein sachlich betrachtet, gerade wohl mehr als ich selbst. Das hieß nur nicht, dass mir das deswegen auch gefallen oder in den Kram passen musste. Und wenn die Brünette Nichts aß, dann kippte sie irgendwann sicher um und kam auch nicht mehr hierher zurück. Der Gedanke an das Gespräch, das sie wohl oder übel noch mit dem Lieutenant führen musste, löste ein leicht unangenehmes Gefühl im Magen bei mir aus. Er zeigte schon große Toleranz damit, dass sie jetzt überhaupt hier war. Wenn er sie binnen weniger Tage zurück zitierte, dann war das sicher nicht förderlich für... das komische Ding zwischen Aryana und mir, dem ich mich weigerte einen Namen zu geben. Aber sie musste sich melden, daran gab es genauso wenig zu rütteln wie auch am Rest der unumstößlichen, von ihr aufgeführten Tatsachen. "Lässt du mich wissen, was er gesagt hat?", suchte ich mir geschickt einen Weg dazu, sie danach zu fragen, ob sie wieder kam, ohne das Kind wirklich beim Namen nennen zu müssen. Sie musste ja nicht heute nochmal wieder kommen, morgen reichte auch, oder so. Mir war nur wichtig, dass sie eben wieder kam... und vielleicht nicht erst in einer Woche kurz vor der eventuellen Abreise, sondern doch eher zeitnah, wenn die junge Frau das mit sich vereinbaren konnte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Gut, dann war ja eigentlich besiegelt, wohin sie ihre Füsse im Anschluss tragen würden. Zu Faye, wo sie dringend wieder hingehörte. Aber die gute Frau war ja nüchtern betrachtet ein Bisschen selbst Schuld daran, dass sie gerade auf ihre Schwester verzichten musste. War ja alles irgendwie auf ihrem Mist gewachsen... Nicht, dass Aryana ihr deswegen böse war, sicher nicht. Abgesehen davon, dass sie ihrer Schwester nicht böse sein konnte, hatte sie die Küsse ganz alleine - also ganz alleine mit Mitch - zu dem gemacht, was sie geworden waren. Und sie bereute sie ja eigentlich auch nicht. Es war gut gewesen. Sehr gut. Nur jetzt war es halt nicht mehr so gut, weil sie das beide nicht geplant oder beabsichtigt hatten... Weil sie beide nicht damit anfangen wollten, in Worte zu fassen, was sie nun fühlten. Wenn sie es denn überhaupt wüssten. Sie nickte noch auf seine Bitte, ihn auf dem Laufenden zu halten bezüglich Ragan. "Werd ich machen... Mal sehen, wann ich dazu komme, ihn anzurufen... Wenns nicht allzu spät wird, komm' ich später nochmal vorbei. Also, falls du das willst und du nicht... lieber schlafen möchtest... oder so", erklärte sie weiterhin reichlich stockend ihren Plan für diesen Abend. Dann seufzte sie stumm in sich hinein, zuckte nochmal mit den Schultern, ehe sie ihren linken Arm um den Rechten in der Schlinge legte und langsam ein paar Schritte rückwärts ging. "Also dann... sollte ich jetzt gehen. Guten Appetit und bis später oder bis Morgen", wow, die Verabschiedung des Jahrhunderts. Tolle Wortwahl, Aryana. 10/10, wirklich. Sie lächelte ihn beinahe etwas entschuldigend, vielleicht aber auch einfach die Umstände bedauernd an, drehte sich dann letztendlich um und ging zur Tür. Dort drehte sie sich ein letztes Mal zu ihm um, lächelte ihm nochmal zu wie ein unschuldiges, 16-jähriges, mild verliebtes Schulmädchen nach seinem ersten Kuss, ehe sie in den Gang verschwand. Bevor sie von dort aus aber dazu überging, irgendwas auf ihrer To Do Liste abzuhaken, ging sie erstmal zum Balkon am Ende des Flurs, um sicher Zehn Minuten nach draussen zu stehen. Im etwas verzweifelten Versuch, die frische Luft ihre Seele durchlüften zu lassen. Auf ihrem Gesicht bildete sich je länger je mehr ein ziemlich dämliches Lächeln, wenn sie an Mitch dachte, an die verdammten Küsse, seine Berührungen und die Haut unter ihren Fingern. Egal, was sie sich dabei gedacht hatte, irgendwie war es richtig gewesen. Irgendwie würde sie es schon wieder gerade biegen. Nur, dass es ihr zweifellos von jetzt an sehr schwer fallen würde, ihn nicht zu lange anzuschauen, nicht auf seine Lippen zu starren, nicht darüber nachzudenken, wie gut es sich anfühlen könnte, wenn sie die Grenze nochmal überschritt. Aber konnte da überhaupt noch eine Grenze bestehen, nach diesem Abend..? Das war die andere Frage... Die, die sie sich für später aufhob, weil sie jetzt doch erstmal endlich zu ihrer Schwester sollte. Aryana strich sich nochmal die Haare zurecht, spritzte sich im nächstgelegenen Badezimmer etwas Wasser ins Gesicht, um die rosigen Wangen und ihre noch immer leicht geschwollenen Lippen zu beruhigen. Und dann ging sie zu Faye und Victor, klopfte wieder ziemlich leise an die Tür, ehe sie langsam den Kopf nach drinnen steckte. Erstmal schauen, ob überhaupt wer wach war.
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Okay, immerhin hatte ich jetzt die Absicherung, dass Aryana sich mit dem wieder vorbei schauen nicht zu viel Zeit lassen würde. Dass das ganze Drama vor dem Krankenhausaufenthalt nicht umsonst gewesen war, weil sie die innigen Küssen hier im Nachhinein als Fehler abstempelte. "Komm einfach wie's dir passt.", bestätigte ich der Brünetten mit einem schwachen, nach wie vor leicht verplanten Lächeln, dass sie hier gerne nach Lust und Laune wieder rein spazieren konnte, je nachdem wie es sich eben ergab. Selbst, wenn ich schon eingeschlafen sein sollte - was ich meinem aktuellen Gemütszustand nach zu urteilen für eher unwahrscheinlich hielt -, dann konnte sie mich von mir aus auch einfach wecken. Das Bett lief ja nicht weg und die Operation war, wenn alles wie geplant lief, ja erst am Nachmittag. Ich könnte getrost also auch noch den Vormittag ein Stück weit verpennen, nachdem das Frühstück als letzte Mahlzeit davor eingetroffen war, sollte sie erst ein wenig später hier eintrudeln. "Danke... bis dann.", waren die letzten paar knappen Worten, die ich noch auspackte und auch, als sie sich schon von mir abgewendet hatte, blieb mein Blick weiter an ihr kleben. Rutschte vielleicht mal kurz zu dem selbst in dieser Hose für mich gut erkennbar wohlgeformten Hintern ab, bevor er wieder an ihrem Hinterkopf klebte. Und Aryana drehte sich sogar noch einmal um, wobei ich das leichte Lächeln erwiderte, das wohl sowieso immer noch irgendwie in meinem Gesicht festklebte. Dann war sie weg und es war nur noch der Fernseher, der die Stille beiläufig irritierte, während ich die Zimmertür noch ein paar weitere Sekunden ansah. Irgendwie fühlte ich mich merkwürdig beflügelt. Das kam vielleicht zu kleineren Anteilen auch von der nur langsam verklingenden Erektion, aber das Gefühl letzterer kannte ich zu gut um leugnen zu können, dass es eindeutig nicht nur davon kam. So kam es auch, dass ich das Essen im Anschluss an die Tür erst noch einen Augenblick lang anstarrte, bevor ich dann wirklich mal damit anfing Etwas zu mir zu nehmen. Selbst das regelmäßige Kauen hielt mich aber nicht wirklich vom Lächeln ab, wollten die Mundwinkel doch irgendwie nicht von allein wieder unten bleiben. Eigentlich konnte das gerade eben nicht verkehrt gewesen sein, wenn es sich doch selbst jetzt, wo die Küsse schon eine Weile abgeebbt waren, nach wie vor so gut anfühlte. Und auch gar nicht damit aufhören wollte. War das, wie sich die so berüchtigte Verliebtheit anfühlte? Ich hatte ja keine Ahnung von dem Mist, hatte es noch nie lang genug mit einer Frau ausgehalten, als dass sich etwas ernsthaftes in dieser Richtung hätte entwickeln können... aber eben weil mir das Gefühl, das sich da gerade so vehement in mir ausbreitete, nicht kannte, war das wahrscheinlich gar nicht so abwegig. Als der Teller leer war - wenn man Hunger hatte, dann konnte man mit dem mittelmäßigen Geschmack doch ganz gut leben - und ich den Kram bei Seite geschoben hatte, rieb ich mir einmal mit der Hand übers Gesicht. Aber selbst danach hielt der wieder neutrale Gesichtsausdruck nicht wirklich lange an. Wenn das so weiter ging, dann würde ich noch Muskelkater im Gesicht kriegen.. und wenn die Party in meiner Hose auch nicht aufhörte, dann musste ich schätzungsweise selbst da weiter machen, wo Aryana vorhin so unschön unterbrochen worden war. Ein paar Stunden lang hielt ich das nämlich absolut nicht mehr aus. Vermutlich nicht mal eine. Shit.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie hatte etwa zwei Stunden geschlafen, bevor die Welt sie wieder zurückgeholt hatte. Noch immer war alles in eine dicke Schicht aus Watte gepackt, aber das war nicht weiter erstaunlich, da Faye absolut nicht davon ausging, dass ihre Morphium-Dosis in irgendeiner Weise geschmälert worden war. Gab ja auch noch keinen Grund dazu. Ihr Rücken war kaum schon zu einem dazu notwendigen Grad geheilt, auch wenn sie nicht wusste, wie das alles überhaupt aussah. Bei Gelegenheit könnte sie eigentlich mal bei einem Arzt ein Foto verlangen. Die hatten sicher welche gemacht, weil Wunden mit Geschichten dieser Art fast immer dokumentiert wurden. Die Frage war nur, inwiefern ein solches Bild ihre Gemütszustand unterstützen würde... Wahrscheinlich war das eine schlechte Idee und sie wartete besser, bis aus den Wunden Narben geworden waren. Narben, die sie für immer auf ihrem Rücken tragen würde... Das waren dumme Gedanken. Sie wollte lieber froh sein, noch zu leben, die Augen überhaupt noch aufzumachen und auf Victor blicken zu können, der so nah von ihr ebenfalls noch atmete. Auch, wenn sie ihn nicht berühren konnte, weil sie weder drei-Meter-Arme, noch die Kraft um aufzustehen, besass. Aber anschauen war schon viel wert, hatte sie doch zeitweise wirklich stark daran gezweifelt, ihn nicht in dieser Hölle für immer zu verlieren. Irgendwann ging die Tür auf und jemand kam mit Abendessen. Da Aufrichten oder gar Sitzen bei Faye irgendwie so gar nicht drin war, nahm sich eine Krankenschwester tatsächlich die Zeit, ihr mit einem Röhrchen eine Suppe einzuflössen. Es war nicht besonders geil, so flach auf dem Bauch irgendeine pürierte Gemüsemischung durch einen Strohhalm zu ziehen, aber trotzdem Welten besser als die Alternative einer Magensonde. Denn alle Nährstoffe konnten auch nicht mit der Infusion in sie rein gepumpt werden, dazu war schon Nahrungsaufnahme in einer anderen Form nötig. Und mit vielen Verschnaufpausen kriegte Faye den Inhalt des Bechers auch tatsächlich runter, gleich gefolgt von ein paar Schlücken Wasser. Trotzdem war sie froh, als die Schwester wieder verschwand, sie sich wieder in ihren Kissen entspannen und den Kopf schwerfällig in Victors Richtung drehen konnte. Sie waren aber nicht lange allein, da erklang das nächste Klopfen an der Tür. Faye hoffte wirklich, dass nicht schon wieder irgendwer irgendeine Aufgabe zu ihrer Genesung hatte, lag die Suppe doch noch sehr weit oben in ihrem Magen, würde sofort retourkommen, wenn sie sich jetzt in irgendeiner Form anstrengen oder bewegen musste. Aber es war kein weisser Kittel und keine Krankenschwester, die den Kopf durch die Tür streckte, sondern Aryana. Fayes Augen schienen direkt ein Bisschen heller zu leuchten, als sie ihrer Schwester beim Eintreten zuschaute. Natürlich entging ihrer Aufmerksamkeit nicht die neue Armschlinge um den Hals der Brünetten. Ihre Augen blieben auch kurz daran kleben, bevor sie zum Reden aber ein anderes Thema zuerst anschnitt. "Aryana..! Wie war dein Ausflug..?", hauchte sie lächelnd in Richtung ihrer Schwester. Und nein, sie hatte nichts vergessen. Darum auch diese wundervolle Frage zum Einstieg.
Es war tatsächlich jemand wach, als sie eintrat. Beide sogar. Und es dauerte nur Sekunden, da erklang die schwache Stimme ihrer Schwester auch schon. Warum erstaunte es Aryana so wenig, dass die kleine Brünette mit dieser Frage sofort - wenn auch indirekt - mit der Tür ins Haus fiel?? Sie schüttelte den Kopf, wobei das dämliche Lächeln umgehend wieder auf ihren Gesichtszügen Einzug hielt. "Hallo Faye, guten Abend Victor, ich hoffe ihr habt euch gut ausgeruht und euch gehts gut", meinte sie erstmal etwas ironisch, auch wenn sie selbstverständlich wirklich hoffte, dass beide noch einigermassen zufrieden in ihren Betten lagen. Aryana schnappte sich den gleichen Stuhl wie heute Nachmittag schon, platzierte ihn diesmal aber auf der anderen Seite von Fayes Bett, damit diese nun ohne den Kopf zu drehen direkt ihre Schwester als auch Victor im Blickfeld hatte. Dann strich Aryana der hilflosen Invaliden ein paar Strähnen aus dem Gesicht und sorgte dafür, dass diese jetzt den gerade zugeteilten Ort hinter Fayes Ohr vorerst nicht mehr verliessen. Und erst dann, nachdem sie ihre Schwester noch einen Moment lang prüfend betrachtet, von dieser aber nur einen dezent fragenden Blick geerntet hatte, begann sie wieder über eine sorgfältige Antwort auf die bereits gestellte Frage nachzudenken. "Mein Ausflug war... erfolgreich, denke ich..?", meinte sie, eindeutig noch etwas unsicher mit der behutsamen Wahl ihrer Worte. Aber möglicherweise brauchte es auch gar nicht so viele Worte zu sagen, solange sie ihre Mimik so schlecht im Griff hatte, wie es in diesem Moment der Fall war. Wenn sie so dämlich vor sich hin grinste, obwohl sie lieber mehr oder weniger ernst gewirkt hätte. Oder zumindest neutral... Lag beides aber nicht drin, bei diesen Gedanken und diesen Erinnerungen. "Ja, ich habe ihm das Küsschen gegeben", fügte sie die Information an, die Faye schon so lange mit einem unaufhörlich fragenden Blick zu eruieren versuchte. Ein Küsschen. Nur ein Küsschen. Das war alles, was erfragt gewesen war. Wie viele sie daraus wohl gemacht hatten?
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Das bisschen Schlaf, das ich bis zum Eintreffen der Lieferung des Abendessens bekommen hatte, war wohl noch nicht wirklich genug gewesen, weil ich mich noch immer ziemlich genauso kaputt fühlte, wie davor auch schon. Trotzdem kam ich auch nach meiner Ich hab keinen Hunger-Äußerung nicht drum herum, das Essen anzufassen. Dabei hatte ich wirklich keinen Hunger, weil ich effektiv eigentlich gar nichts außer die Dröhnung des Schmerzmittels und die Müdigkeit spürte. Nachdem die Schwester sicher gegangen war, dass ich auch wirklich anfing zu essen, hatte sie der anderen, die von da an eine Weile bei Faye blieb, noch im Weggehen aufgetragen, dass sie weiter ein Auge auf mich haben sollte. Der Anblick, der sich mir auf dem anderen Bett nebenan bot, steigerte meinen Appetit auch nicht gerade, aber es half ja nichts, der Mist musste irgendwie rein. Ich brauchte eine halbe Ewigkeit dafür, zumindest etwa zwei Drittel der Schüssel leer zu bekommen. Erstens deshalb, weil sich ein leicht unangenehmes Gefühl nach den ersten beiden Löffeln in meinem Magen breit machte, weil der genauso wenig dafür bereit zu sein schien wie der Rest von mir. Zweitens musste ich auch immer wieder eine Pause einlegen, weil der der Arm nicht mehr richtig mitmachen wollte, zu zittern anfing und ebenfalls ein paar Sekunden Ruhe brauchte, bevor ich ihn angestrengt ein weiteres Mal anhob. Mir lag der irgendwie leicht überforderte Magen noch ein wenig quer, als wenig später Aryana wieder rein schneite. Ich hatte nicht auf die Uhr gesehen, wusste nicht genau, wann sie vorhin abgehauen war, aber sie war doch eine ganze Weile weg gewesen. Nicht nur bei Mitch, der Stütze an ihrem Arm nach zu urteilen, die wohl dringend notwendig gewesen war. Faye fackelte auch gar nicht lang, sondern ließ ihren Gedanken wie so oft unmittelbar Raum zum atmen. Ich schüttelte ganz leicht den Kopf, wobei ich aber ein klein wenig vor mich hin lächelte. War schön, dass sie scheinbar in diesem Augenblick sonst wieder keinerlei Sorgen zu haben schien, außer die Mission ihrer älteren Schwester. Letztere ließ sich mit der Antwort ein wenig Zeit, aber ich folgte ihr - weil sie halt das einzige war, das sich in diesem Raum gerade aktiv bewegte - mit meinem Blick. Jener war zwar weit weniger neugierig als Fayes, aber doch recht aufmerksam. Immerhin musste ich gut zuhören, stand doch das Gestalten des Artikels noch an. Aber eigentlich hätte ich ihr wahrscheinlich gar nicht richtig zuhören müssen, um die Antwort herauszufinden. Das Grinsen, das sie da mit sich herum trug, ähnelte nämlich so ein bisschen dem ihrer Schwester und war dahingehend so gar nicht schwer zu deuten. Selbst ohne dieses Detail hätte man wohl blind sein müssen, um es zu übersehen und nachdem sie ihn ja nach eigener Aussage tatsächlich geküsst hatte, war der Grund dafür ziemlich eindeutig, nicht zu leugnen. "Details bitte... du weißt, ich muss den Artikel... glorreich zu Ende schreiben. Schlecht... kann's ja nicht gewesen sein.", klinkte ich mich mit noch immer eher flacher, aber weniger kratziger Stimme als vorhin mit einem leichten Grinsen ein. Das Essen und Trinken hatte immerhin zur Folge, dass der Hals jetzt ein bisschen besser geölt war und das Reden nicht mehr weh tat. Gedanklich hielt ich Zettel und Stift für Notizen bereit.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aryana schien sich wie so oft eher etwas zurücknehmen zu wollen, was die Feinheiten ihrer Erzählungen anbelangte. Aber in diesem Fall war das nicht so ganz angebracht, wo die Brünette doch wusste, dass ihr zwei Augenpaare folgten, die eindeutig Unterhaltung suchten. Unterhaltung in Form von Details, irgendwelchem Krankenhaus-Gossip, der die Einzigen beiden Menschen an diesem Ort betraf, die sie - abgesehen von sich selbst - noch kannten. Vielleicht verstand Faye eigentlich, dass Aryana hier nicht aus dem Nähkästchen plauderte. Vielleicht würde sie nicht so penetrant nachfragen, wenn sie selbst etwas klarer denken könnte. Aber in diesem Moment waren die Geschichten ihrer Schwester nunmal so ziemlich die Einzige Aufregung, die ihr gegönnt blieb. Noch dazu eine wirklich effektive Ablenkung von all dem Übel, mit welchem sie sich sonst noch so auseinandersetzen könnte aber nicht wollte. Wie dem auch sei - offenbar war ihr Plan soweit aufgegangen. Offenbar hatte Mitch seine wohlverdiente Belohnung abbekommen und offenbar war da möglicherweise noch etwas mehr passiert. Denn Aryana hatte sich über die Jahre vielleicht in eine dezent gehemmte Richtung entwickelt, aber dieses Grinsen konnte kaum von einem Küsschen der Art stammen, wie Faye sich das eigentlich ausgemalt hatte. So konnte sie Victors Worten, dem Wunsch nach mehr Detail nur zustimmen, musterte ihre Schwester weiter mit der Neugier eines kleinen Kindes, dem gerade seine Gute-Nacht-Geschichte erzählt wurde. Nur, dass auf Fayes Gesicht weniger der Ausdruck purer Spannung als viel mehr ein spitzbübisches Grinsen Einzug hielt. "Nein... schlecht kann's wahrlich... nicht gewesen sein... Was habt ihr... denn bitte... getrieben?? Du siehst aus... als hätte man dir... ein Einhorn geschenkt", gab auch die Brünette ihre Einschätzung ab, wobei sie sich nicht sicher war, ob Aryana im Besitz eines Einhorns wirklich genauso strahlen würde, wie sie es in diesem Moment tat.
Ach herrje. Das mit dem neutralen Gesichtsausdruck... Wie ging das nochmal? Und seit wann war sie so schlecht darin? Normalerweise beherrschte sie ihr Pokerface doch eigentlich ganz gut, was ja auch irgendwo nötig war, da sie schlecht all ihre Emotionen so offen tragen konnte auf dem Schlachtfeld oder im Krieg allgemein. Aber jetzt? Sie musste wohl noch immer genau so aussehen wie da, wo sie aus Mitch's Zimmer geschlüpft war. Wie ein verliebter Teenager, der nicht recht wusste, wohin mit sich. Darum rieb sie sich auch erstmal erneut mit der Hand übers Gesicht, als sie sich schliesslich auf den Stuhl gesetzt hatte. Aber es war wohl etwas utopisch zu denken, dass das in irgendeiner Art und Weise dabei half, ihre Gefühle zu verstecken. Die Gefühle, über die sie selbst noch nichtmal wirklich nachgedacht hatte, die sie nichtmal dann erklären könnte, wenn sie möchte. "Es... war nicht schlecht, nein...", beantwortete sie wohl weiter eher fahrig Victors Worte, liess damit aber noch immer keine Details durchsickern. Sie konnte hier wirklich nicht erzählen, dass sie erst jetzt wieder aufgekreuzt war, weil sie die letzte Stunde - oder mehr - auf Mitch's Schoss gesessen und komplett die Zeit vergessen hatte. Aber die fragenden Blicke teilten ihr ziemlich unmissverständlich mit, dass sie irgendwas sagen sollte. Gerade, weil wohl beide bereits ihre eigenen Schlüsse gezogen hatten. Und normalerweise würde sie hier ziemlich schnell alles bestreiten, was man ihr mit solchen Blicken anhängen wollte. Das Problem war bloss, dass sie es heute nicht bestreiten konnte... Weil wahrscheinlich alles, was sie vermuteten, irgendwo seine Wahrheit hatte. "Er lässt euch ausrichten, dass er sich über die Grüsse gefreut hat... Und dass er das alles gern gemacht habe, auch wenn's ihn jetzt ebenfalls hierher und zur Ruhe zwingt", ja, das war sicher genau das, was sie hatten hören wollen, haha. Aber sie hatte Mitch gesagt, dass sie seine Worte ausrichten würde. Also tat sie das selbstverständlich auch. "...und dann hat er mich ausgelacht, als ich ihm deine unglaublich tolle Belohnung vorgeschlagen habe, Faye. Aber selbstverständlich hat er nicht Nein gesagt, weil wir hier von Mitch reden und der wohl niemals Nein zu einem harmlosen Küsschen sagen würde", fuhr sie schliesslich doch fort, blickte schief zur Drahtzieherin des ganzen Chaos in ihrem Herzen. Und auch wenn sie das jetzt so leicht gesagt hatte, es sich wohl sogar selber einreden wollte, wünschte sie sich gleichzeitig vielleicht ein kleines Bisschen, Mitch hätte nicht nur Ja gesagt, weil er sowieso keine Küsse ablehnte. Dass da etwas mehr dahintersteckte. Etwas mehr, das sie selber nicht definieren konnte, sich aber anfühlte, wie die verdammten Schmetterlinge die sie zuletzt gespürt hatte, als sie Zwanzig oder sogar noch jünger gewesen war.
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Ja, darauf waren wir jetzt auch schon von selbst gekommen. War immerhin mehr als offensichtlich, dass Aryana hier mit bester Laune auf dem Stuhl saß und dass sie wohl nicht recht mit der Sprache rausrücken wollte, unterstrich die waghalsigen Theorien, die hier in der Luft hingen, nur noch viel dicker. Bevor aber irgendwie eine Erklärung dazu kam, ließ die junge Frau uns erst einmal noch die Information zukommen, dass der dritte Bettlägrige im Bund sich über unsere Danksagungen gefreut und das Alles gern gemacht hatte. Ob er letzteres nur so sagte? Ob das nur am Schmerzmittel lag? Wenn er es wirklich, so Fayes Theorie, für Aryana getan hatte, dann war es vielleicht schon weniger unwahrscheinlich, dass er es wirklich gern gemacht hatte. Aber eigentlich war das auch gar nicht so wichtig, denke ich... Hauptsache es ging ihm halbwegs gut und er bereute es nicht. Es wäre schlimm seine vorwurfsvollen Blicke ernten zu müssen, bei denen ich mich zweifelsohne mehr als schlecht fühlen würde. Aber das war, wenn er die Wahrheit dahingehend sagte, ohnehin nichtig und Lachen konnte er auch schon wieder, trotz der miesen aktuellen Umstände. War, wenn man ihn nur ein bisschen kannte, auch gar kein Wunder. Der Brünetten war schon die Annahme der Mission hier schwer gefallen und es war sicher witzig für ihn gewesen, als sie ihm das Ganze unterbreitet hatte. Also nein, das Lachen kam weniger überraschend. Genauso war auch der Ausgang der Situation bei Aryanas aktuellem Gemütszustand absolut nicht schwer zu erahnen - Mitch hatte dem Ganzen natürlich zugestimmt und den Kuss offenbar auch bekommen. "Jaja, das harmlose Küsschen...", wiederholte ich hörbar ironisch, weil ich ihr ganz einfach nicht mal im Ansatz abkaufte, dass nur ein winziger, kleiner, ganz kurzer Kuss dafür verantwortlich war, dass sie hier wie ein überglückliches Honigkuchenpferd herum saß. Sich gefühlt so freute wie ein Kind, das gerade Geburtstag und einen riesigen Haufen Geschenke bekommen hatte. "Die Story würde vielleicht ziehen, wenn... du das nicht so sagen würdest... als hättest du... gerade deinen ersten Kuss in der... zehnten Klasse gehabt.", grinste ich ungeniert vor mich her, ohne mit dem Blick von Aryana abzulassen. Wir waren hier doch alle alt genug, um mit der Wahrheit umgehen zu können, sie brauchte sich nicht so zu zieren. Gut, meine Geliebte war in der Position als ihre Schwester vielleicht ein wenig zu euphorisch, aber da sprach zu manchen Teilen sicher auch das Schmerzmittel. Faye und ich mussten hier im Doppelpack sicher nicht gerade angenehm sein, aber ich war sonst ja eigentlich fast immer rücksichtsvoll und nett. Wenn ich hier schon halbtot herum lag und das Morphium mir die Stimmung weiterhin ein wenig auflockerte, dann durfte ich das auch mal ausnutzen, oder?
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie erinnerte sich wirklich nicht daran, ihre Schwester in den letzten Jahren - oder überhaupt jemals - so gesehen zu haben. Klar, vor dem ganzen Krieg und der Army hatte Aryana auch zwei Beziehungen gehabt. Aber die hatten sie nie dermassen in Verlegenheit gebracht, wie die Ereignisse der letzten Stunden es offensichtlich taten. Weil sie da ja auch noch nicht so... wie sagte man das in Nett..? Zugeknöpft gewesen war, eben. Weil es damals auch für Aryana noch normal gewesen war, jemanden zu küssen und dabei etwas zu empfinden. Nicht so wie jetzt, wo sie einen etwas überforderten Eindruck machte. Und das amüsierte Faye wirklich köstlich. Und Victor scheinbar auch. Der erste Kuss in der zehnten Klasse traf das Bild, welches ihre Schwester hier auf dem Stuhl abgab, doch verdammt gut. Ein kleines Bisschen peinlich berührt - aber Hauptsächlich sehr verliebt. "Ich erwarte Blumen... und einen dreiseitigen Dankesbrief... von euch beiden... Dafür, dass ich dich mit dem... nötigen Tritt in den Arsch... gesegnet habe... und ich will... endlich wissen, was aus dem... Kuss geworden ist", grinste Faye weiterhin unbeirrt in Aryanas Richtung. Vielleicht erwartete sie das nicht wirklich. Aber ein kleines Dankeschön wäre schon angebracht, wenn man sie fragte. Wer weiss, wie lange Aryana und Mitch sich sonst noch Zeit gelassen hätten, bis sie endlich herausgefunden hätten, dass sie es beide zu gleichen Teilen vermissten, jemanden zumindest küssen zu können? Und dass dieser Jemand auf wundervolle Art und Weise eben der jeweils andere im Team sein könnte, weil sie beide das Gleiche brauchten? Wie gesagt, Faye war nicht der Meinung, dass Aryana einen Mann zum Leben brauchte. Aber ein Bisschen Liebe, ein Bisschen Zuneigung schadete auch der hoch emanzipierten, selbstständigen, freien, unabhängigen, scheinbar gefühlskalten, unnahbaren Aryana nicht. Wie man so schön erkennen konnte, jetzt, wo sie endlich wenigstens diese kleine - oder vielleicht auch nicht so kleine - Art der Innigkeit erlebt hatte. Es tat ihr gut. Und ja, Faye wünschte sich wirklich, da wäre mehr. Sie konnte es nicht aussprechen, weil sie ihre Schwester nicht unbedingt vor den Kopf stossen wollte damit. Aber sie wünschte sich schon so lange, Aryana würde wieder jemanden in ihr Leben lassen, jemanden, dem sie vertrauen konnte. Was, wenn Mitch diesen Platz endlich wieder füllen konnte?
Gut, keiner hier nahm das harmlose Küsschen wohl ernst. Und Victor sprach genau das aus, was sie längst vermutet hatte. Dass sie eben aussah, wie ein frisch verliebtes, kleines Mädchen. Allein diese Aussage liess ihre Wangen wieder deutlicher glühen und Aryana biss auf ihrer Unterlippe herum, versuchte weiterhin erfolglos, das Grinsen zu verbergen, während ihr Blick etwas zu Boden glitt. "Ist schwieriger als du glaubst...", murmelte sie im Bezug auf ihre Schwierigkeiten, hier einen ernstzunehmenden Eindruck abzugeben, vor sich hin. Wie hatten Victor und Faye das eigentlich gemacht?? Damals, als sie entschieden hatten, die Grenze von nur Freundschaft zu mehr zu überschreiten? Also, von da bis jetzt eigentlich, immer noch? Natürlich, mittlerweile wusste so ziemlich das ganze Camp, dass zwischen den beiden mehr war. Aber noch immer versteckten sie alles im Alltag, hatten nur hier und da in bestimmten Situationen kleine Ausfälle. Das musste schrecklich anstrengend sein, wenn man die ganze Zeit eigentlich nur daran dachte, bestimmte Lippen zu küssen. Oder anderes zu tun, was wusste sie, was da noch für Gedanken dazu kamen, die sie noch gar nicht kannte. Aber was hiess da überhaupt noch? Plante sie mehr? Plante sie überhaupt irgendwas? Konnte man in dieser Situation irgendwas planen? Die Küsse vorhin jedenfalls schonmal nicht, also war es naheliegend, dass auch anderes nicht planbar sein würde. Wild times... Wieder waren es Faye's Worte, die Aryana den Kopf heben und mit einem leichten Augenverdrehen zu ihrer Schwester blicken liessen. "Natürlich... Ich werde auch das sehr gerne ausrichten. Beziehungsweise gezwungenermassen selber Blumen besorgen und einen Brief schreiben müssen, weil ich hier wohl nicht auf Unterstützung zählen kann", erwiderte sie etwas ironisch. Nein, kein Brief. Sie schrieb keine Briefe - also ausser, wenn jemand starb... Aber das war wirklich eine komplett andere Geschichte. Den Rest der Worte ihrer Schwester erforderte dann wieder etwas mehr nachdenken und herumdrucksen seitens Aryana, die ihre Augen auch schon wieder durch den Raum schweifen liess. "Was willst du denn wissen..? Abgesehen von Alles", fragte sie dann, kratzte sich etwas an der Stirn, als würde ihr das Weisheit bringen. "Ich habe ihn geküsst... Und das hat dann eine Weile gedauert... Und dann kam Abendessen... Und ich bin gegangen", das war wahrscheinlich das Maximum an Details, die sie hier teilen würde. Aber der Rest war auch wirklich offen für Spekulationen. Konnten die beiden reininterpretieren, was sie wollten.
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Das war nicht zu übersehen, ja. Eigentlich kannte ich Aryana ja nur mit ihrem meistens recht neutralen oder eben verbissenen Gesichtsausdruck, den sie wegen der Arbeit zwangsweise sowieso häufig an den Tag legen musste. Ganz unabhängig davon, ob sie das auch wirklich wollte. Es war echt interessant zu beobachten, wie sich die andere Seite hier jetzt zeigte. Ich lachte leise in mich hinein, als Faye hier eröffnete, dass sie eine ausführliche Dankesfeier und am besten noch eine ganz ausführliche Rede dazu bekommen musste. Dass Blumen und auch ein langer, detaillierter Brief dazu absolut angebracht waren für ihre vollbrachte Wohltat. Aryana stimmte vermutlich eher weniger ernst gemeint mit ein und versicherte, dass es den entsprechenden Strauß geben würde. Den Brief selbstverständlich auch. Vermutlich würde Mitch ihr sowieso nicht dabei helfen, selbst wenn er könnte. Er war ja eher weniger als sich ständig aufrichtig dankbar zeigender Mensch bekannt... war aber auch nicht wichtig, weil Faye hier sowieso mal wieder sehr übertriebene Forderungen offen legte, auf deren Erfüllung sie kaum wirklich hoffen konnte. Blumen vielleicht höchstens, weil sie eben süß war und einfach immer welche verdiente... also in meinen Augen. Es war wirklich ein Jammer, dass ich der jungen Frau nicht wenigstens mit ein paar simplen Gesten auch im Army-Alltag kleine Freuden machen konnte. Hier mal ein paar Blumen, da mal ein ausführlich vorbereitetes Frühstück, hier noch ein nur von mir geplanter, kleiner Auflug zur Überraschung... ich war dahingehend recht kreativ, wenn ich nicht gerade hinter den Mauern eines Armee-Camps saß. Aber womöglich kam die Möglichkeit für solche Dinge jetzt ja doch früher, als ursprünglich erhofft, wenn auch mit sehr bitterem Beigeschmack. Sie hatte also eine Weile lang gedauert, die ganze Kussgeschichte. Ob es womöglich noch drüber hinaus ging? Die blanke Spekulation darüber machte ja doch irgendwie Spaß. Zwar waren beide sichtlich eingeschränkt und einfach wäre es sicher nicht, aber ganz auszuschließen war es trotzdem nicht, oder? Doch, selbst ich fühlte mich inzwischen fast ein klein wenig wie in die High School zurück versetzt. Damals hatte man ja auch nicht viel mehr Sorgen gehabt, als wer was mit wem gehabt hatte. Rückblickend betrachtet echt idiotisch. "Hat er die Nachspeise denn vorgezogen oder kommt die erst noch?", grinste ich sehr provokant und breit weiter vor mich hin und eigentlich brauchte ich gar keine Antwort darauf, weil es mich auch gar Nichts anging und das auch nicht unbedingt Dinge waren, die ich wissen musste. Das war Wissen, das ich eindeutig nicht zum leben brauchte, nur halt um den imaginären Artikel zu vervollständigen. Aber es war einfach ein bisschen sehr unterhaltsam, wie Aryana sich weiterhin so gut es ging aus der Affäre zu ziehen versuchte und ich konnte Unterhaltung hingegen sogar sehr gut gebrauchen. Auch, wenn ich die Augen jetzt zwischendurch für einen Moment lang schloss, weil die Lider ein bisschen schwer wurden. Die Ohren waren ja trotzdem noch aktiv.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es war wirklich lustig, wie Aryana sich die Würmer aus der Nase ziehen liess. Eigentlich hatte Faye schon nach der Information, dass es eben zum Küsschen gekommen war, nicht mehr wirklich auf mehr gehofft. Und doch redete ihre Schwester weiter, wollte irgendwie nicht aber tat es dann trotzdem... Lag wohl an ihrer allgemeinen, ganz offensichtlichen Verwirrung. Oder vielleicht verspürte selbst Aryana nach einem solchen Ereignis den Drang, mit jemandem darüber zu reden? Nur unterbewusst, selbstverständlich, aber er war eben doch da? Jedenfalls bekam Faye nicht nur zugesichert, dass sie mit ihrer Danksagung selbstverständlich rechnen konnte, sondern es folgte gleich noch ein nicht ganz unwichtiges Detail seitens ihrer Schwester. Denn der Kuss - oder in diesem Fall dann wohl eher die Küsse - hatten scheinbar eine Weile gedauert. Und das machte die, leider Gottes schon wieder irgendwie müde, Brünette doch sehr glücklich. Sie wollte Aryana wirklich kein Unrecht tun, aber Faye hatte ja beinahe schon befürchtet, die Gute würde nie wieder jemanden an sich heran lassen. Sei das nun auf körperlicher oder psychischer Ebene. Noch bevor sie allerdings etwas auf diese schönen Worte erwidern konnte, kam ihr Victor zuvor und löste zumindest auf Seiten der jüngeren Cooper ein herzhaftes Lachen aus. Der Gesichtsausdruck ihrer Schwester half ihr auch nicht unbedingt dabei, sich schnell wieder zu beruhigen. Sie war so herrlich geschockt... Als hätte sie selber niemals darüber nachgedacht. "Die gibts hier... im Haus nicht umsonst, weisst du... Mitch würde sich... also sicher... sehr darüber freuen... wenn du später nochmal bei ihm vorbeischaust... und sie ihm... persönlich vorbeibringst", stimmte Faye mit ein, wobei sie weiter breit vor sich hin grinste. Es war so herrlich, Aryana zu nerven, wenn diese gar nichts tun konnte, als die Sprüche zu akzeptieren. Mehr oder weniger zumindest.
Scheinbar gaben sich beide mit dieser Antwort zufrieden, was doch gut war, da Aryana langsam nicht mehr wusste, was sie noch erzählen sollte, ohne wirklich mit brühwarmen Details herauszurücken, die sie doch sehr viel lieber für sich behielt. Für einen Moment war sie also der Meinung, dass sowohl Faye als auch Victor jetzt genug hatten und sie sich wieder anderen Themen widmen konnten. Sie war sogar schon dabei, sich Gedanken zu möglichen anderen Gesprächsthemen zu machen, als Victor plötzlich doch noch eine weitere Bombe platzen liess. Aryana konnte nicht verhindern, dass ihr einen Moment der Mund offen stehen blieb und sie ihn wohl ziemlich entgeistert anblickte. Solche Sprüche sollte sie von Mitch ja langsam kennen. Nicht, dass sie sich irgendwann daran gewöhnt hätte oder jetzt plötzlich damit umgehen könnte - ganz klar ersichtlich nicht - aber bei ihm hätte sie es erwartet. Nicht aber von Victor, der da jetzt unschuldig die Augen zufallen liess und... Ja, was? Schlafen spielte, während seine kleine Freundin offensichtlich schwer erheitert lachte? "Victor!", zischte Aryana tadelnd, hatte ihr Gesicht mittlerweile in ihre Hände gebetet, um die nun eindeutig als Rot zu bezeichnende Farbe ihrer Wangen zu verstecken. Aber als hätte das nicht gereicht, schob auch Faye noch ein paar harmlose Sätze nach, die Aryana alles in allem ein angenervtes Stöhnen entlockten. "Ihr könnt echt froh sein, dass ihr den Behindertenschutz tragt... Sonst wäre längst mindestens je ein Schuh in eure Richtung geflogen", meinte sie trocken. Wäre ja auch gar kein Problem, da sie so dämliche Hausschuhe / Krankenhauslatschen bekommen hatte, die sie ganz wundervoll um sich werfen könnte. Aber nein, würde sie nicht tun... Weil sie so ein barmherziger Mensch war. "Ich glaube, ihr seid beide einfach nur sehr müde und solltet jetzt wirklich schlafen", beendete sie das Gespräch von ihrer Seite her mehr oder weniger unmissverständlich. Ja, schlafen und ihre müden Köpfe ruhen lassen, sollten sie. Damit sie aufhörten, ständig auf dumme Ideen zu kommen...
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Fayes Kommentar zu der Sache machte es echt nicht weniger witzig. Aryanas Gesichtsausdruck noch weniger, der sich noch immer nicht normalisiert hatte, als ich die Lider ein paar Sekunden später wieder aufschlug. Die Röte auf der Haut war auch zu diesem Zeitpunkt absolut nicht zu übersehen und ich kam nicht drum herum nochmal leise aufzulachen, als die Brünette uns beiden verkündete, dass wir doch froh über den vorübergehenden Schutz für Krüppel sein mussten. Wäre wohl sehr unangenehm gewesen, wenn uns jetzt die Schuhe um die Ohren geflogen wären, Morphium hin oder her. Musste in meinen Augen trotzdem nicht sein und deswegen war ich ganz dankbar dafür, dass die junge Frau sich dazu erbarmte davon in diesem speziellen Fall besser abzusehen. Vor allem bei Faye, die mit dem ohnehin schon geschundenen Rücken nach oben lag. Nein, sie wollte ihrer Schwester ganz sicher lieber nicht weh tun und bei mir wär's auch echt diabolisch, angesichts der großflächig verteilten Hämatome. "Es tut mir ein kleines bisschen leid... aber du bist die einzige, brauchbare Beschäftigung hier und... du machst den Job echt... ausgezeichnet.", entschuldigte ich mich nach wie vor breit grinsend und nur sehr mild dafür, dass ich ihr hier so auf den Keks ging, wo ich mich doch sonst meistens eher mit Sprüchen in dieser Richtung zurückhielt. Zumindest eben bei Leuten, die ich nicht besonders gut kannte und Aryana zählte zweifelsfrei noch zu dieser Sorte Bekanntschaft. Daran würden wir ja aber arbeiten, sobald sie sich denn dann auch mal aus der Army hatte lösen können. Dauerte vermutlich noch eine Weile, war das mit ihrem Amt doch nochmal ein bisschen schwieriger. Aber das war ein Gedanke, den ich jetzt gar nicht wirklich haben wollte. Die Stimmung war zu gut, trotz des vorherigen, recht anstrengenden Abendessens. Apropos: "Zu Befehl, Sergeant.", gab ich mit einem Hauch Ironie von mir und verdrehte ganz leicht die Augen. Sie konnte es wohl selbst hier nicht lassen, mit indirekten Befehlen um sich zu schmeißen. Konnte man ihr vielleicht auch gar nicht übel nehmen, weil sie das vermutlich einfach so drin hatte. Sich dabei auch gar nichts dachte, wie ich vermutete. Die junge Frau sollte sich mal nicht so haben, wir machten doch nur ein bisschen Spaß. Die Situation war für Faye und mich halt einfach amüsant, daran konnte auch die ältere Schwester Nichts ändern.
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