Sie merkte schon, dass er ebenfalls einen Moment zu ihren Fingern nach unten blickte. War sich auch nicht so sicher, ob das in seinen Augen vielleicht dumm und unsinnig war, sie ihre Hand besser zurückgezogen hätte. Aber er sagte nichts, rümpfte nicht die Nase, zog seinerseits die Finger nicht aus ihren. Also ging sie einfach weiterhin davon aus, dass er nichts dagegen hatte. Mitch war ja nicht unbedingt dafür bekannt, Dinge, die ihn störten, für sich zu behalten oder stillschweigend zu akzeptieren. Somit lagen die Chancen gut, dass ihre Hand ihn eben nicht störte. Als er weitersprach stiess sie in einem leisen Lächeln Luft aus, wandte den Blick ein weiteres Mal für ein paar Sekunden ab. "Ist das so...?", fragte sie wieder, wobei ihr Blick schon wieder zurück zu seinem Gesicht wanderte. "Kann ich halt wahrscheinlich nur zurückgeben, da ich spontan nicht annehme, dass du mich als besonders umgänglichen Menschen kennengelernt hast..", fuhr sie mit einem spitzbübischen Lächeln fort. Nein, einfach waren sie wohl beide nicht, das war ihr durchaus bewusst. Beide waren stur, hatten sich über Monate und Jahre daran gewohnt, ihren Weg alleine zu gehen. Entscheidungen in erster Linie nach ihrem persönlichen Gutdünken zu fällen und sich dabei nicht grundlos reinreden zu lassen. Auch hatten sie beide in der Vergangenheit eine Menge Scheisse erlebt und nicht verarbeitet, Dinge, die sie geprägt hatten, Sachen, die alles nur noch komplizierter gemacht hatten. Also nein, einfach und umgänglich war das pure Gegenteil von dem, was Mitch oder sie ausmachte. Eher kompliziert und anstrengend. Meistens, jedenfalls. Aber vielleicht war genau das der springende Punkt. Weil sie beide kompliziert und anstrengend waren, verstanden sie, warum die jeweils andere Person auch so war. Sie wussten, wie sich die Verluste der letzten Jahre anfühlten. Vielleicht hatte Mitch nicht seine Eltern und seinen Bruder verloren. Vielleicht war Mitchs Schwester nicht in den Krieg gezogen, weil sie ihn dort nicht hatte alleine lassen wollen. Aber genauso wenig hatte Aryana das erlebt, was seine Vergangenheit geprägt hatte. Und doch gab es Parallelen, Dinge, die sie teilten, die sie sich verstehen liessen. Und sie wollte ihn kennenlernen. Nicht nur oberflächlich, nicht nur als den jungen Mann, der ein verdammt gutes Händchen für Scharfschützengewehre hatte und gleichzeitig gerne Abends ein paar Liedchen am Lagerfeuer sang. Sondern wirklich, mit allem, was dahinter steckte. Dem ganzen Eisberg, von dem sie bisher gefühlt noch immer nur an der Spitze und vielleicht einen halben Meter unter der Wasseroberfläche gekratzt hatte. Aryana wusste nicht, wieso dieses Interesse an einer andere Person genau bei ihm plötzlich in ihr ausgebrochen war. Aber es war passiert und nicht mehr rückgängig zu machen. Also hatte er sie noch eine ganze Weile an der Backe, wenn sie im gleichen Tempo weitermachten wie bisher. Sie lächelte wieder, als er ihr noch ein paar leise Worte zukommen liess und dann langsam die Augen schloss. Einen Moment lang glaubte sie, die Erschöpfung würde definitiv ihr Tribut fordern und ihn somit bald zwangsläufig in den Schlaf ziehen. Aber noch während sie ihn stumm betrachtete, schlug er die Lider nochmal hoch, blickte sie wieder an. "Und warum hast genau du dich bitte dazu verpflichtet gefühlt, hm?", fragte sie weiterhin mehr ironisch als ernst. Wie gesagt hatte er wenig mit den Tränen dieses Tages zu tun gehabt. Hatte also eigentlich auch wenig mit dem Bröckeln ihrer Maske zu tun. Und doch erhaschte er vor fast allen anderen Menschen nicht erst seit gestern immer mal wieder einen Blick auf das, was dahinter lag. Blicke, die sie ihm gewährte, einfach so. Wann hatte sie damit angefangen? Und warum?
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Nein, wirklich nicht. Aryana war für sich wohl schwieriger als fast jede Person, die ich vorher getroffen hatte. Ob das wirklich etwas war, worauf man stolz sein konnte, war zwar fragwürdig, aber das spielte auch gar keine Rolle. Egal wie schwierig sie war, wie oft sie mich schon angemault hatte, wie unterschiedlich unsere Meiningen auch manchmal sein mochten - sie hielt mich damit auf Trapp und augenscheinlich auch bei der Stange. Hätte das nicht seinen gewissen Reiz läge ich vermutlich nicht hier und noch weniger würde ich dann ein derartiges Gespräch mit der jungen Frau führen. Die Brünette war nicht nur mehr oder weniger eine Premiere in Hinsicht darauf, dass ich es mit einer Frau ganz gleich auf welcher Basis überhaupt so lange aushielt, missfielen mir die meisten Frauen doch schon rein vom Charakter her, sondern war ganz allgemein irgendwie einfach etwas Besonderes. Mit all ihren Ecken und Kanten schien sie einfach Etwas an sich zu haben, das mich langfristig beschäftigen konnte. Das Alles war zwar eindeutig mehr nur unterbewusst passiert, hatte ich es doch gerade zu Beginn keinesfalls darauf angelegt mit der jungen Frau eine engere Beziehung auf welcher Ebene auch immer zu führen - war eher ziemlich auf Konfrontation aus gewesen -, aber trotzdem war ich jetzt hier. Hielt ihre Hand und schaffte es offenbar erfolgreich die Brünette davon abzulenken, dass sie mit Faye in den nächsten paar Tagen, vielleicht auch Wochen einiges zu tun haben würde. "Ja, das muss ich dir lassen.. du bist kompliziert wie keine zweite, Aryana.", gestand ich ihr etwas breiter grinsend zu, dass sie manchmal sicher nicht ganz einfach zu ertragen war. Aber das war okay, weil auch das auf Gegenseitigkeit beruhte. Ihr musste ich wohl am allerwenigsten erzählen was ich zeitweise für ein egoistischer Idiot sein könnte, wenn der Wind dafür gerade in die richtige Richtung wehte. Die Frage, die sie mir dann im Folgenden noch stellte, ließ das Grinsen gar nicht erst wieder verblassen. Normalerweise war es wirklich nicht mein Ding mich mit den Problemen anderer Leute oder schwierigen Personen allgemein länger aufzuhalten. Die Frage war dementsprechend also durchaus berechtigt. "Ich hab keinen blassen Schimmer... aber ich mag Herausforderungen. Außerdem überschreite ich gerne meine Grenzen... und deine auch, wie du weißt.", grinste ich weiter vor mich her und war gedanklich kurzzeitig in die Momente zurückversetzt, in denen ich nicht nur eine eindeutige, wörtliche Mahnung seitens Aryana bekommen hatte, sondern auch die Schläge ins Gesicht, die jedes einzelne Mal ordentlich schwungvoll ausgeführt worden waren. Fast schon mit akribischer Perfektion. Dementsprechend warf ich jetzt auch einen erneuten Blick auf unsere Hände, strich ihr noch einmal über den schmalen Handrücken. Ob ich mir trotz Allem zukünftig noch weitere Ohrfeigen einfangen würde? Vielleicht.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Kompliziert wie keine Zweite, war sie also. Ja, damit mochte er Recht haben, wenn sie auch anmerken würde, nicht auf die gleiche Art und Weise kompliziert zu sein, wie die meisten anderen Frauen. Bei ihr würde es beispielsweise nicht daran scheitern, dass sie nicht entscheiden konnte, ob sie Hunger hatte oder was sie essen wollte - dafür brauchte er bei gewissen Themen nur eine dumme Bemerkung in die falsche Richtung zu machen und sie ging hoch wie eine Granate beim Aufprall. Heikle Gebiete wie ihre Schwester und Familie im Allgemeinen zum Beispiel. Oder ihren unerschütterlichen Willen, ihre Soldaten zu beschützen. Wenn sie so darüber nachdachte, gab es schon den ein oder anderen Bereich ihrer Person, den man besser gar nicht oder nur mit Handschuhen aus weisser Seide berührte. „Tut mir leid, liegt wohl einfach in meiner Natur, anstrengend zu sein“, murmelte sie entschuldigend, lächelte ihn schulterzuckend an. Sie hätte ja nichts dagegen, wenigstens einen Teil des Ballasts abzuwerfen, der sie zu der nicht einfachen Version ihrer Selbst machte, die sie eben war. Aber das war leider nicht möglich, weshalb Mitch sie zwangsweise so ertragen musste, wie sie war. Oder er ging. Aber das wollte sie nicht, weshalb sie allein beim Gedanken daran seine Hand ein kleines Bisschen enger umschloss. Gut, dass Gehen in diesem Moment sowieso nicht wirklich drin war, weil ihm dazu wohl ein kleines Bisschen die Energie fehlen dürfte. Hatte also auch ein paar minimale Vorteile, seine Verletzungen. Auch seine nächsten paar Sätze verbreiterten, gemeinsam mit dem Daumen auf dem Rücken ihrer noch immer ordentlich verdreckten Hand, ihr Lächeln nochmal. „Lucky me“, erwiderte sie darauf zwei nicht ganz so ironisch ausfallenden Worte, die in diesem Fall doch eine ganze Menge Wahrheit in sich trugen. Sie hatte wirklich Glück, ihn zu kennen. Dass sie ihm trotz all den hässlichen Dingen, die passiert waren, auch heute hatte vertrauen können. Und dafür würde sie ihm auf ewig dankbar sein. Auch Aryana spürte langsam aber sicher den nächsten schweren Anflug von Erschöpfung, den das monotone Geräusch des Fluglärms im Hintergrund gemeinsam mit der seichten Entspannung ihres Körpers durch dieses Gespräch auslöste. Sie wusste nicht, wohin sie mit dem Heli flogen, bevor der Krankentransport auf einen entsprechend ausgerüsteten Jet oder ein Flugzeug umgesattelt wurde... Aber dann würde noch ein langer Flug folgen und in jedem Fall dauerte die Reise noch eine ganze Weile an. Zu lange, als dass sie die ganze Zeit die Augen offen halten könnte auf jeden Fall. Erstmal legte die Brünette aber nur ihren schweren Kopf neben Mitch auf seiner Liege ab, ohne dabei gleich schlafen zu wollen. Blickte ihn noch immer an, während ihre Gedanken langsam abschweiften zu dem, was auf sie zukam. „Was denkst du, wie lange dauert es, bis sie dich wieder ganz zusammengeflickt haben..?“, fragte sie ihn leise, auch wenn ihr eigentlich klar sein sollte, dass er das kaum schon wissen würde.
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Das war eine Sache, die ihr wirklich nicht leid tun musste, beziehungsweise für die sie sich zumindest nicht zu entschuldigen brauchte. Ganz einfach deshalb, weil ich selbst ja kein Stück besser war und ihr mit meiner Art auch schon unzählige Male auf den zu Drahtseilen gespannten Nerven herum getanzt war. Was diese Angelegenheit anging standen wir beide uns wohl in Nichts nach und wenn wir anfingen, uns jedes Mal dafür zu entschuldigen, wenn wir dem Knacks in unserem Schädel zum Opfer fielen, täten wir hin und wieder sicher gar nichts Anderes mehr. Solange wir beide weiter versuchen würde aus vorangegangenen Situationen schlauer zu werden und damit das Risiko auf einen richtigen Streit eindämmten, reichte das denke ich schon vollkommen. Zumal es wohl auch kein Geheimnis war, dass es mir persönlich nicht ganz leicht fiel mich für Dinge zu entschuldigen. "Ich verzeih' dir... ausnahmsweise.", gab ich wieder mit einem Unterton aus Ironie zu verlauten, dass die Brünette Nichts zu befürchten hatte und ich es ihr nicht krumm nahm, egal wie oft wir schon unschön aneinander gerauscht waren. Das gehörte irgendwie zu uns beiden dazu, auch wenn es lange nicht mehr so extrem ausgeprägt war wie zu Beginn unserer Bekanntschaft. Die Augen machte ich indessen noch einmal zu, weil die Müdigkeit weiterhin regelmäßig an meine Tür klopfte. Das Grinsen verblasste dabei dann wieder und schmälerte sich zu einem recht zufrieden aussehenden Lächeln, gab es doch kaum Etwas, worum ich mir gerade noch Sorgen machte. Inzwischen konnte ich mir wohl ziemlich sicher damit sein, dass die junge Frau mich an Niemanden mehr verpfeifen würde und ich sie noch dazu erst einmal an meiner Seite haben würde. Das war ein gutes Gefühl, das mich das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder gewohnt selig ruhig schlafen lassen würde. Ob Aryana sich wirklich glücklich schätzen konnte, dass ich sie nicht mehr missen wollte... vielleicht würde sie ihre Meinung darüber zwischendurch manchmal ändern, wenn ich mal wieder einen meiner allzu bekannten Wutausbrüche pflegte. Aber letztere waren schon deutlich weniger geworden, wie mir gerade auffiel. Schon seit ich mich öfter am Abend mit ihr auf den Wachtürmen traf und wir uns über all die Leute auskotzten, die uns auf den Zeiger gingen. So ließen mich ihre zwei noch so simplen Worte etwas breiter vor mich hin lächeln, während ich für einen Moment lang durch die Dunkelheit vor den Augen noch etwas Energie zu sammeln versuchte, obwohl kaum mehr welche vorhanden sein dürfte. Ich öffnete die schweren Lider erst dann wieder, als erneut Bewegung in die junge Frau kam und sie sich kurz darauf mit dem Kopf auf der Liege wiederfand. Genau beantworten konnte ich ihre Frage wohl noch nicht, zuckte deshalb gedanklich für mich selbst mit den Schultern. "Ich weiß nicht... ein paar Wochen wahrscheinlich in jedem Fall. Das mobile Röntgengerät im Camp ist ja nie so genau wie ein richtiges, aber die Sehne ist ziemlich sicher durch. Bis die ganze Physiotherapie danach vorbei ist wird's wohl eine Weile dauern...", murmelte ich vor mich hin, sah Aryana dabei an. Sie würde früher zurück müssen. Es war schon ungewöhnlich, dass sie jetzt hier mit uns mitflog und es gefiel mir nicht, sie ganz allein zurück in die Hölle schicken zu müssen. Ohne Faye und vor allem auch ohne mich, ich würde also kein Auge auf sie haben können. Aber ganz drum herum kommen würde sie in keinem Fall, ganz gleich ob sie wollte oder nicht. Sie musste. "Wie... geht's dir eigentlich?", hakte ich dann nach, weil ich das bisher nicht getan hatte. Aryana lag vielleicht auf keiner dieser Tragen, aber sie war ebenfalls angeschossen worden. Mehrfach. Berechtigung zur Frage war also durchaus vorhanden.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das waren ja mal unendlich beruhigende Worte, die er ihr hier zukommen liess. Seine Vergebung war immerhin alles, was sie brauchte, um glücklich zu sein. Oder so. Aryana betrachtete noch immer sein Gesicht, auch, als er die Augen ein weiteres Mal schloss. Er sah so friedlich aus. Irgendwie verwirrte sie das in Anbetracht der Tatsache, dass er ziemlich kaputtgeschossen worden war und ohne Hilfe mittlerweile tot sein dürfte. Oder zumindest fast... Sie wusste es nicht so genau. Jedenfalls schien er im Gegensatz zu ihr weniger Mühe damit zu haben, ihr unfassbares Glück zu akzeptieren und sich schlicht darüber zu freuen, dass sie alle noch lebten. Das war gut. Er sollte sich auch freuen... Es reichte, wenn sie für den Moment die Einzige mit den sehr unangenehmen Nebengedanken war, die sie all die Sorgen entwickeln liessen, welche ihr wie dunkle Wolken durch den Kopf zogen. Faye und Victor würden diese noch bald genug teilen. Wenn sie erstmal wach waren und ihre Gedanken nicht mehr vom Morphin betäubt wurden. Dauerte hoffentlich noch eine Weile... Sie konnte seiner Erklärung im Anschluss gerade so folgen, als er ihr wohl ziemlich genau das wiedergab, was er über den Zustand seines Körpers vorher gesagt bekommen hatte. Sehnen konnten von wenigen Wochen bis hin zu ewigen Monaten zur Heilung so ziemlich alles in Anspruch nehmen, also war die Prognose seines Krankheitsausfalles noch ziemlich wage zu setzen. Aber in jedem Fall eine Weile. Eine Weile länger als sie. Aber daran wollte sie nicht denken. Noch verdrängte sie mühsam die unumgängliche Tatsache, dass sie sehr wahrscheinlich in wenigen Tagen schon wieder zurückfliegen musste. Dass sie eigentlich nicht hier sein sollte und Ragan sie wohl nur darum hatte gehen lassen, weil er sie nicht selber hatte auf dem Boden im Camp halten oder anbinden wollen. Und wegen den Wunden an ihrem stark lädierten Arm, die sie für einige Zeit von den Einsätzen befreien würden. Von den Einsätzen eben... Aber nicht vom Rest, eigentlich. "Hoffentlich eine lange Weile... Du solltest eine ordentliche Auszeit verschrieben bekommen, nachdem du dich freiwillig für zwei andere Soldaten fast umgebracht hast. Und sie doch beide lebend befreien konntest", murmelte sie zurück. Fände sie nur fair. Auch wenn es ihr graute, ganz alleine, also auch noch ohne Mitch auf dem sandigen Boden dieses Landes zu wandeln. Er hatte es trotzdem nicht verdient, zurück zu müssen. Seine nächste Frage liess sie nicht lange zögern und sie schüttelte sofort den Kopf. "Ist nicht schlimm...", meinte sie auf die Verbände an ihrem Arm bezogen, den er wohl mit der Frage angesprochen hatte. "Das eine war nur ein Streifschuss, das hat mehr weh getan als Schaden angerichtet. Die andere Kugel hat er rausgepult. Ich habe ehrlich gesagt nicht mitbekommen, wo sie gesteckt hat, weiss also auch nicht, was genau sie gemacht hat. Wird bestimmt nochmal wer anschauen. Aber ich nehme an, dass mir die Kugeln keinen ausreichenden Grund bieten werden, länger als höchstens eine Woche bei euch zu bleiben...", ihre Stimme wurde gegen Ende immer leiser und auch ihr Blick driftete zum ersten Mal seit einer ganzen Weile wieder zur Seite hin ab. Sie hatte gut daran getan, die letzten Minuten nicht daran zu denken.
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Ausnahmsweise graute es mir eben auch nicht vor jener angebrachter Auszeit. Normalerweise, egal welche Art von Verletzung es gewesen war, hatte ich immer so schnell wie möglich wieder zurück auf den Damm und hinters Gewehr gewollt. Natürlich waren bisher auch keine meiner Verletzungen so schwerwiegend gewesen, aber das Alles war wohl viel mehr psychisch, als körperlich veranlagt. Ich humpelte? Egal, fahrende Patrouille ging immer. Schnittwunde? Machte Nichts, konnte man ja prompt wieder zusammen nähen. Schusswunde? Je nach Stelle zeitnah zu verkraften. So hatte ich mir das bisher immer vor Augen gehalten und mit genug Schmerzmittel auch erfolgreich auf die Ärzte eingeredet, dass es mir nicht schlecht genug ging, um vom Dienst verschont zu werden, weil mich das Nichtstun umgebracht hätte. Jetzt jedoch war ich wirklich froh darüber, mindestens für ein paar Wochen nicht zurück aufs Schlachtfeld zu müssen... wenn auch mit dem unschönen Beigeschmack, dass Aryana eben jene Ruhe nicht genießen können würde. Sie damit weder bei ihrer Schwester, noch bei mir bleiben konnte. "Ich bin ausnahmsweise auch wirklich froh drüber, erstmal meine Ruhe zu haben.", stellte ich nach wie vor ein wenig nachdenklich, aber durchweg wahrheitsgemäß fest. Vielleicht lag es einfach daran, dass ich ungern zwei Mal hintereinander fast sterben wollte, weil ich mich mal wieder zu früh zurück ins Getümmel warf. Diese eine fast tödliche Mission reichte wirklich vollkommen aus. Als Aryana mir dann über sich selbst berichtete, hörte ich weiter aufmerksam zu. Mir entging nicht, dass es der jungen Frau selbst sicher mindestens genauso wenig passte wie mir selbst, dass sie kaum so lange in den Staaten bleiben konnte wie der Rest des Invaliden-Trupps. Und ja, es war scheiße. Schmeckte mir nicht, passte mir nicht in den Kram. Zwar glaubte ich kaum, dass die Brünette sich allein schon wegen Faye noch einmal freiwillig mehr in Gefahr bringen würde, als sie unbedingt musste... aber ganz zu verhindern war es schlichtweg wahrscheinlich nicht, jedenfalls nicht wenn sie noch länger dort bleiben musste, als der Arm zum gänzlichen Verheilen brauchte. "Können wir dich nicht einfach im Schrank verstecken? Oder unter der Bettdecke? Fällt sicher nicht auf...", murmelte ich ebenfalls ein bisschen leiser eine wohl sehr erwachsene Antwort, die Aryana auch nicht länger bei uns in den USA festsetzen würde. Aber es wäre schön, wenn es so einfach in die Tat umzusetzen wäre. Sie sich einfach für eine Weile der Army davonstahl, um stattdessen ihrem Amt als große Schwester nachzugehen... oder als meine persönliche Krankenschwester, wogegen ich etwas an zu grinsen. Ich kam ja um die bildliche Vorstellung nicht rum, dagegen konnte ich quasi gar nichts machen. Ich war einfach trotz der beinahe tödlich verlaufenen Verletzungen der selbe Idiot, der ich sonst eben auch war. Zumindest für den Augenblick lenkte mich das auch sehr erfolgreich von dem Grund für jenen Gedanken ab und ich würde in den kommenden Tagen sicher mehr als genug Zeit dafür haben, mir auszumalen, dass ich die Brünette vermissen würde, wenn sie leider wieder zurück in den Krieg abzog. Wenn auch erstmal hinter sichere Mauern.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das glaubte sie ihm sofort. Sie für ihren Teil würde gerade so ziemlich alles geben, um wenigstens für ein paar Wochen oder Monate in den Staaten - bei Faye - zu bleiben. Zu diesem Zweck würde sie sogar die ein oder andere zusätzliche ungünstige Schusswunde in Kauf nehmen. Aber 'leider' hatte ihr schier endloses Glück auf dem Schlachtfeld sie auch heute nicht verlassen, weshalb sie mit einem gerade mal leicht bis mittelschwer verletzten Arm davongekommen war. Ja, andere wären dankbar dafür. Aber andere hatten auch nicht eine entführte Schwester aus der schwersten Folter geholt, die sie diesen leichten Verletzungen zufolge so bald schon wieder verlassen mussten... das war ein ziemlich gravierender Punkt. "Geniess es auf jeden Fall... sie werden dich sicher auch bald genug zurückholen", meinte sie nachdenklich, blickte nun wieder in seine Richtung. Klar würde es ihm leichter fallen, das Handtuch zu werfen und in die passive Dienstpflicht zu wechseln, als ihr. Weil er sich nicht das Amt eines Sergeant angelacht hatte. Aber auch Mitch konnte nicht einfach sagen, dass er jetzt keine Lust mehr hatte und lieber Zuhause bleiben möchte. So einfach war das bekanntlich nicht. Und sie wollte auch darüber gar nicht nachdenken, wie lange sie selbst noch bleiben musste, bevor sie sich endlich aus dem Krieg lösen konnte. Damals, als es um den Stellenwechsel gegangen war, hatte sie sich keine Gedanken dazu gemacht und einfach unterschrieben, weil nach Hause reisen nie eine Option gewesen war. Weil sie im Amt des Sergeant mehr Macht hatte, als ihr als einfacher Soldat je zugestanden hätte. Und die Macht hatte sie gebraucht, wenn sie etwas gegen Warren hatte tun wollen. Und vielleicht hatte genau dieser Umstand sie so geblendet... So, dass sie freiwillig in ihren kleinen Käfig gerannt war, der nun fest hinter ihr verschlossen war und sie im Griff hatte. Dumm, Aryana... Dumm, dumm... Sein Vorschlag liess sie trotz all den verzwickten Umständen wieder schwach lächeln. "Tolle Idee, Mitch. Ich werde gerne darüber nachdenken... Würdest du mir denn deine Bettdecke zu diesem Zweck anbieten?", fragte sie genauso ironisch zurück. Die Situation war so verschissen, dass es irgendwie die einzige Option war, alles etwas ins Lächerliche zu ziehen. Wenn sie nicht langsam daran zerbrechen und verzweifeln wollten. Und das kam nicht in Frage, nicht, nachdem sie sich alle den Klauen des Teufels entzogen hatten, nicht jetzt, wo ihre Schwester sie mehr brauchte als irgendwann sonst. Vielleicht sogar mehr als nach Julians Tod, der bis heute zweifellos den Moment dargestellt hatte, in dem Aryana dringender denn je hätte bei Faye sein sollen. Es aber nicht gewesen war.. Aber das war ein anderes Thema. Und es stach ihr ein weiteres Messer durch die Scherben ihres Herzens, zu wissen, dass sie auch diesmal nicht wirklich hier sein würde. Obwohl es alles war, was sie wollte... Mitchs leichtes Grinsen zog sie ein weiteres Mal aus dem Strudel der negativen Gedanken und sie brauchte einen Moment, um es zu deuten. Allerdings kannte sie den jungen Mann mittlerweile doch recht gut. Australien sei Dank... Und wenn sie sich seine vorhergehenden Worte zurück ins Gedächtnis rief, konnte sie seinem Gedankengang erstaunlich gut folgen, weshalb sie mit einem gespielt aufgebrachten Schnalzen den Kopf etwas von der Liege hob, um ihn tadelnd anzublicken. "Nein, Mitch, auch eure private Krankenschwester in weiss Gott was für einem Aufzug du dir da gerade vorstellst, kann ich nicht werden!", stellte Aryana das klar, was ihm sicher längst bewusst war. Und doch war sie sich sicher, dass er genau daran gedacht hatte. Was sie wiederum doch auch amüsierte.
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Sie konnten es zumindest versuchen, ja. Ich war mir wirklich nicht sicher, inwiefern ich mich erneut von der amerikanischen Armee knechten lassen wollte. Es gab so Vieles, das mir dabei sauer aufstieß. Immerhin war das sicher nicht zuletzt einer der Gründe für meine schlimmen Taten in der Vergangenheit. Seit Ragan da war lief zwar zumindest bei uns Alles deutlich besser, aber ich wusste nicht, ob das reichte. Natürlich würden sie versuchen, mich zurück zu kriegen. Sehr wahrscheinlich leider auch damit durchkommen, Verträge waren nunmal Verträge und die nicht einzuhalten zog nur noch viel größeren Ärger mit sich. Ärger, den ich so auch nicht brauchen konnte. Es war eine wirklich blöde Situation. Dass sie mich weniger haben wollten als vorher, wo ich doch ach so selbstlosen Mut mit der Rettungsaktion gezeigt hatte, war selbst angesichts des Regelverstoßes an sich unwahrscheinlich. Sie würden damit sonst Jemanden gehen lassen, auf den augenscheinlich selbst in heikelsten Situationen Verlass war und noch dazu würden der Army meine Sniper-Fähigkeiten durch die Lappen gehen. Natürlich war ich nicht der einzige richtig gute Scharfschütze, aber eben einer davon. Allgemein sprach meine langjährige Erfahrung ohne größere, verletzungsbedingte Ausfallzeiten leider für sich. "Werd' ich... wenn mir der Physiotherapeut nicht die letzten Nerven raubt.", erwiderte ich leise seufzend. Versteifungen waren bei der Schultersehne, wenn sie einmal hinüber war, leider nicht selten und ich würde vermutlich eine Zeit lang andauernd irgendwelche dämlichen Übungen machen müssen, um dem vorzubeugen. Sicher hatte ich aber zumindest drei, vier Wochen nach der Operation Zeit, meine Ruhe zu genießen. Da musste ich wohl durch, wenn ich die Gitarre nicht in den Schrank stellen und verstauben lassen wollte. Die Finger hingen bekanntlich leider am ganzen Arm. Was die Bettdecke anging war ich natürlich stets zu Diensten. "Liebend gern... ich lass' es mir doch nicht entgehen, wenn du freiwillig unter meine Decke kriechst, Maria.", erwiderte ich weiterhin recht sarkastisch, aber das schwache Grinsen blieb trotz all der Müdigkeit bestehen. Angesichts der ganzen Situation waren Witze in dieser Richtung vielleicht ein wenig makaber, aber dass meine Art von Humor nicht für Jedermann gemacht war, war ja kein Geheimnis. "Auch nicht, wenn's meine Genesung fördert?", startete ich hinsichtlich der Krankenschwester-Angelegenheit mit einem leichten Augenbrauenwackeln einen letzten Versuch. War schon witzig, dass sie mich inzwischen wirklich derart gut einschätzen konnte, mich so gut kannte. "Ich versprech' dir auch, dass ich...", ich warf einen kurzen Blick in Richtung des Arztes, der uns aber nach wie vor keine große Beachtung zu schenken schien, mich auf diese Distanz und bei geringer Lautstärke kaum hören können würde, weshalb ich danach wieder zu Aryana sah. "...mich zusammen reiß' und deinen Arsch dieses Mal in Ruhe lasse.", vollendete ich den Satz leiser, als ich angefangen hatte, jedoch mit dem selben, wenn auch müden Grinsen im Gesicht. Gedanken wie dieser hielten mich gerade erstaunlich gut wach. Auch, wenn ich mir sicher war, dass ich mich in keinerlei Hinsicht zusammenreißen würde, wenn sie wirklich so herumlaufen würde, wie sie das gerade in meinem Kopf getan hatte. Dafür kannte ich mich viel zu gut.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie hoffte wirklich, dass er die paar Wochen Ruhe geniessen würde. Die viel zu kurze Zeit, in der er sich nicht vor tödlichen Kugeln und einschlagenden Bomben in Acht nehmen musste. Aber viel anderes würde ihm sowieso kaum übrig bleiben. Zumal sie in diesem Moment wirklich nicht annahm, dass es ihn Heute oder Morgen schon wieder in den Krieg ziehen würde... Genauso wenig wie sie. Und das, obwohl sie beide vor wenigen Monaten noch nicht mal eine zweiwöchige Auszeit hatten akzeptieren wollen, selbst diesen Ferien mit grossem Grauen entgegen geblickt hatten. Da sah man mal wieder, was ein einziger Tag alles verändern konnte. Nur schade, dass diese Erkenntnis bei ihr etwa zweieinhalb Jahre zu spät gekommen war... Zweieinhalb Jahre nachdem sie Faye davon hätte überzeugen müssen, nie hierher zu kommen und sich diese ganze traumatisierende Hölle zu ersparen. Nur hatte sie damals fest geglaubt, nicht nach Hause zu können. Nicht einmal, um ihre Schwester zu retten. Wie verdammt egoistisch... wie verdammt falsch. "Dann wünsche ich dir Glück mit ihm. Auch wenn ich bezweifle, dass er oder sie charakterlich anstrengender wird als ich", lächelte sie etwas sarkastisch in seine Richtung, brachte sich so vorerst selber wieder zurück zum Thema. "...oder du", schob Aryana nach, da die Chance, dass Mitch die Nerven des Physios, der nur seinen Job zu machen versuchte, mindestens ebenso strapazierte wie umgekehrt, ziemlich hoch lagen. Jedenfalls dann, wenn er keine Lust auf seine Übungen hatte. "Ausserdem rate ich dir an, dich immer schön an den Trainingsplan zu halten... Ich will nicht ewig alleine in der Scheisse hier sitzen bleiben...", murmelte sie leise vor sich hin. Sie wollte nicht, dass er zurück in den Krieg musste, natürlich nicht... Aber letztendlich war genau das sowieso unabdingbar. Und sie wusste jetzt schon, dass es ihr jeden Nerv der Welt kosten würde, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Falls es denn überhaupt möglich war, das stand noch in den Sternen. Auf die Sache mit seiner Bettdecke brauchte sie erstmal nichts mehr bis auf ein Lächeln zu erwidern. Es war zwar ein durchwegs amüsanter Gedanke, aber wirklich dazu kommen, würde es sowieso nicht. Noch waren sie Angestellte der US-Army. Und sie sollte sich wohl schwer davor hüten, noch mehr Regeln zu brechen als bisher. In einem Bett unter der gleichen Decke zu schlafen, klang dezent nach einem Verstoss, auch wenn sie stark bezweifelte, dass dabei irgendwas weiter Tragisches passieren würde. Es würde halt nur sehr falsch aussehen. Genau wie das, was im Anschluss noch von ihm kam. Sein Versprechen, welches nach einer kurzen Pause und einem Blick zum Arzt folgte, liess nun auch auf ihrem erschöpften Gesicht das Lächeln zum Grinsen werden. Sie schloss erneut für einen kurzen Moment die Augen und hätte sie nicht noch immer seine Hand gehalten, während der andere Arm betäubt und schlaff an ihrem Körper hing, hätte sie sich zweifellos an die Stirn gefasst. So aber drückte sie nur kurz seine Finger - nicht halb so kräftig, wie sie das normalerweise getan hätte, weil ihr dazu jegliche Energie fehlte, aber er hatte ja auch keinen Vergleich. Weil sie seine Hand eigentlich noch nie so gehalten hatte. "Nein, Mitch... Lieber warte ich zwei Wochen länger in der Hölle auf meinen sehnsüchtig vermissten Josef", war dann wohl ihr finales Statement zum Thema. Auch wenn die Erinnerung an Australien, spezifisch an diesen einen, alkoholdurchzogenen Abend, trotz dem Arschkniff nichts als schön in ihren Memoiren glänzte.
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Auch wieder wahr. Meine Nerven waren es inzwischen ja ein Stück weit gewohnt, dass mir eben nicht jeder nur aus dem Weg ging und Konfrontationen dadurch zu meiden wusste. Natürlich nahm mir die Gewohnheit nicht meinen schwierigen Charakter, aber ich wusste dadurch vielleicht mittlerweile ein bisschen besser, wie ich damit umgehen konnte ohne nach einer Minute im Dreieck zu springen und den nächsten Wutanfall zu durchleiden. Vielleicht hatte die Brünette mir immerhin schon ein kleines bisschen mehr Geduld beigebracht. Das hieß zwar nicht zwangsweise, dass ich deshalb viel davon besaß, aber es war vermutlich besser als gar keine. "Touché.", war also alles, was ich dazu noch zu sagen hatte, kurz bevor Aryana noch ein paar weitere, leise Worte verlauten ließ. Wir konnten wohl beide froh darüber sein, dass mir die Army wahrscheinlich genug Disziplin eingedrillt hatte, damit ich die Therapie erfolgreich durchzog. Es war ja auch in meinem eigenen Interesse, den Arm danach wieder voll bewegen zu können. Aber es beinhaltete eben auch ein gewisses Maß an Stress und darauf reagierte ich bekanntlich manchmal ein wenig sensibel, um nicht zu sagen allergisch, wenn es mir gerade eben nicht in den Kram passte. "Ich bemüh' mich... Jemand muss ja aufpassen, dass du keinen Mist baust.", redete ich fortwährend sarkastisch vor mich her. Da war ich nämlich ganz bestimmt so gar nicht der richtige Mensch für. Es würde eine halbe Ewigkeit dauern von all den Missetaten in meinem bisherigen Leben zu berichten und auch, wenn ich nicht vieles davon im Endeffekt auch richtig bereute, war ich sicher nicht stolz darauf. Aryanas endgültiger Entschluss bezüglich meines letzten Vorschlags blieb weiterhin sehr ernüchternd. Wirklich, wirklich bedauerlich. Aber etwas Anderes war wohl leider nicht zu erwarten gewesen. Die pure Fantasie würde also solche bleiben müssen. "Woah, ganz ruhig, Tiger. Brech' mir nicht gleich die Hand, ich lass' schon nicht los... auch nicht, wenn du angezogen bleibst.", zog ich sie wegen des kurzzeitig vermehrten Drucks an meiner Hand weiter ein bisschen auf, was aber trotz meines Grinsens und des gerade überwiegend anheiternden Gesprächs ein leichtes Gähnen nach sich zog. Ganz vertreiben ließ sich die Erschöpfung mit ein paar bloßen Worten eben leider nicht. "Ist der Boden nicht mega unbequem?", stellte ich der Brünetten eine an sich sehr simple Frage, weil mir in all meiner Bewegungsunfähigkeit gerade auffiel, dass ich es mit der Trage ganz gut erwischt hatte. Während sie den Sitz an der Wand gegen den harten Boden getauscht hatte, konnte ich mich weiter mit dem mehr oder weniger gemütlichen Herumliegen begnügen. War sicherlich auch ein Punkt, weshalb sich die Müdigkeit nicht vertreiben ließ.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ganz genau. Aufpassen, dass sie keinen Mist baute - das wäre genau die Aufgabe, die sie liebend gerne Mitch zuteil werden liess. Wo sie doch in seiner Anwesenheit und mit seiner Beihilfe den, zumindest in den Augen der Army, grössten Mist überhaupt gebaut hatte. Den Mist, der das Arschloch Warren Six Feet Under befördert hatte... Zum Glück. Den vermisste auch keiner hier. "Das war jetzt nicht unbedingt das Amt, welches ich mir für dich ausgedacht hätte, aber ja... von mir aus. Kannst gerne auf mich aufpassen, ich bin pflegeleicht", erklärte sie nun auch noch wörtlich. Stimmte ja, bis auf zwei, drei Mal hielt sie sich immer an die Regeln. Was anderes konnte sie sich ja auch nicht erlauben. Darum war sie nun eben auch schon mässig gespannt auf Ragans Urteil, seine Worte und die kaum vermeidbare Strafe, wenn sie erstmal zurückkehrte. Ihr wäre es nur Recht, wenn er ihr direkt das Amt des Sergeant entziehen würde, sie zurück in die Staaten schickte und ihr dazu lediglich eine üble Geldstrafe aufhalste. Aber das war sehr sehr unwahrscheinlich, wo es doch irgendwie genau das war, was sie wollte. Seine Reaktion auf ihr kleines Händchendrücken, liess sie schon wieder lächelnd die Augen verdrehen. "Tut mir leid... Manchmal verdränge ich einfach, dass du aus Zucker bist... Es geht so schnell vergessen mit deinen ganzen Bad Boy Tattoos und deiner unendlich coolen Art", entschuldigte sie sich wenig ernst gemeint dafür, ihm beinahe die nächste Verletzung zugefügt zu haben. Als hätte sie gerade genug Kraft, ihm tatsächlich was zu brechen... Und trotzdem war es gut zu wissen, dass er ebenso wenig wie sie vorhatte, die Verschränkung ihrer Finger zu lösen. Einfach, weil sie noch nicht bereit war, ihn loszulassen. Weil sie noch immer jemanden brauchte, der sie oder wenigstens ihre Hand festhielt. Die Frage zu ihrem Wohlbefinden hier am Boden, liess sie kurz etwas irritiert auf eben diesen, harten Boden des Helikopters schielen. Dann zuckte sie wieder etwas gleichgültig die Schultern. "Doch, schon... aber besser als alleine da hinten in der Ecke...", meinte sie auf ihre recht wenig verlockenden Optionen bezogen. Es ging ja schon. Sie hatte schon an schlimmeren Orten gesessen . Und wie eben schon erkannt, hatte sie eh keine Wahl, ausser den Sitz in der Ecke. Da war keine freie Liege mehr. Sie konnte also höchstens hier und jetzt auf dem Boden pennen, aber ob das besser als Sitzen und Warten war, sei dahingestellt.
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Da waren wir schon zwei. Es war wohl auch fragwürdig inwiefern ich diesem Amt aktiv nachgehen würde, weil ich in manchen Regeln der Army schlichtweg keinen großen Sinn sah. Da war es vermutlich wahrscheinlicher, dass ich Aryana vor dem verletzt werden abschirmte, als dass ich sie an irgendwelchen Vergehen hinderte, die ich vielleicht gar nicht direkt als solche sah. Die junge Frau täte also gut daran, eine solche Aufgabe jemand Anderem zukommen zu lassen. Dass unser Gespräch hier gerade nicht unbedingt von Ernsthaftigkeit rührte, sagte ja schon alles. Mal ehrlich, sie sollte sich was schämen so auf mir herumzutreten, war ich doch ein leicht zu zerquetschendes Gänseblümchen zwischen all dem niemals vergehenden Unkraut. Vielleicht war ich psychisch ein klein wenig empfindlicher und sensibler, als mir selbst lieb oder gar bewusst war, aber rein körperlich - ohne Hilfsmittel - müsste die Brünette schon eine wirklich gute Taktik und ausgezeichnete Reflexe aus dem Hut zaubern, um mir ernsthaft gefährlich werden zu können. Dabei würde ich gar nicht zu sagen wagen, dass Aryana irgendwie schwach war, denn das war sie weiß Gott nicht. Das demonstrierte sie oft genug auf dem Schlachtfeld und zumindest meine Wange hatte das auch schon zu spüren gekriegt. Dennoch blieb sie eben eine Frau, die mir rein kräftetechnisch weit unterlegen war. Nicht so weit wie vielleicht zum Beispiel ihre schmaler gebaute Schwester, aber da war doch einiges an Luft. Die Genetik stand dabei in jedem Fall dem Willen im Weg. "Ich erinner' dich an den Pseudo-Zucker, wenn du mir die nächste Ohrfeige geben willst.", sagte ich dazu lediglich breit grinsend und hörbar ironisch. Dass mir letztere irgendwie nie eine richtige Lehre gewesen waren und es vermutlich auch nie sein würden, sprach allein wohl schon ziemlich stark gegen die Zucker-Theorie. Mal ganz abgesehen von der halsbrecherischen Aktion, die wir vor kurzer Zeit erst mit Ach und Krach hinter uns gebracht hatten. Nein, vom Softie-Dasein war ich wohl weit entfernt. Wie erwartet war Aryanas Ausgangslage auf dem Boden weit weniger rosig als meine eigene. Es gab hier eben nicht sowas wie einen Stuhl, den man von A nach B ans Krankenbett verschieben konnte, wie es im Krankenhaus der Fall wäre. Ich verkniff es mir etwas dazu zu sagen, dass die Brünette meine Nähe gerade nicht missen zu wollen schien. Normalerweise hätte ich das gerne dazu genutzt sie zu ärgern, sie auf die Palme zu bringen, jedoch schien das in diesem Augenblick selbst mir unangebracht. Außerdem wollte ich auch nicht, dass sie sich jetzt von mir distanzierte. Die Händchenhalterei mochte in all dem Sarkasmus und der Ironie ein wenig untergehen, aber die Nähe tat mir selbst schlussendlich auch nichts als gut. "Ich würd' dir ein Plätzchen in meinem Luxusbett anbieten...", ich sah einmal kurz an mir runter, nur um festzustellen, dass selbst ich allein nicht gerade viel Platz auf der Liege hatte, war jene doch reichlich schmal. "...aber du weißt ja, die breiten Schultern. Und stapeln scheint mir unangebracht.", vollendete ich den begonnenen Satz, wobei das Grinsen inzwischen ein wenig verblasst war und mehr nur noch einem breiten Lächeln glich. Ich fing unbewusst damit an ein wenig mit meinen Fingern an Aryanas' herumzuspielen. Nein, angesichts meiner Verletzungen und vor allem der hier herrschenden Öffentlichkeit war stapeln wohl nicht angebracht. Selbst, wenn die Brünette es irgendwie hinbekommen sollte weder meine Hüfte, noch meine Schulter bei all dem Platzmangel unter Druck zu setzen, waren hier immernoch ein paar zu viele Augen und Ohren, auch wenn wir mehr oder weniger jetzt nicht im Dienst waren.
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"Die Ohrfeigen hast du dir jedes Mal vollumfänglich verdient... Wenn du also darauf verzichten willst, dann musst du wohl oder übel vor dem Reden und Handeln über mögliche Folgen nachdenken. Ansonsten kann ich nicht garantieren, dich nicht eines Tages damit kaputt zu machen", erwiderte sie weiterhin nur so triefend vor Ironie, um ihm klar zu machen, dass er sich jegliche gewalttätigen Handlungen ihrerseits selbst zuzuschreiben hatte. Als wüsste er das nicht sowieso schon, weil er jedes Mal ganz bewusst die ein oder andere Grenze überschritt. Hatte er ja sogar schon zugegeben. Zu ihrer mehr nur halbwegs bequemen Lage schien auch Mitch in diesem Moment wenig überraschend keine Lösung zu haben. Aber das war okay, sie hatte immerhin schon viele Jahre in der Army verbracht - da waren ungepolsterte Sitzflächen eher die Norm als die Ausnahme. Und in Anbetracht von allem, was heute passiert war, schien ein leicht schmerzender Arsch auch ein echtes Luxusproblem zu sein. "Das ist echt nett von dir... Aber ja, ich kann nicht riskieren, dich mit all deinen Wehwehchen unter mir zu begraben", meinte sie, als wäre das der springende Punkt an der ganzen Sache. Nicht etwa, weil es grundsätzlich falsch wäre, wenn sie so eng beisammen auf der gleichen Trage liegen würden. Oder weil der Arzt das mit Sicherheit falsch verstehen würde, wenn er ihnen plötzlich doch für eine Sekunde seine Aufmerksamkeit schenkte. "Dauert sicher sowieso nicht mehr lange, bis wir landen...", mit dem Helikopter konnte man ja schlecht den ganzen Atlantik überqueren. Schon gar nicht in dem Tempo, welches hier schwer angebracht war. Aryanas müder Blick wanderte zu ihren Händen, als sie dort Bewegung vernahm und sofort zuckten ihre Mundwinkel wieder zufrieden nach oben. Es war wirklich absurd, dass sie genau Heute, an diesem durch und durch verfluchten aber irgendwie gleichzeitig auch wieder von endlosem Glück gezeichneten Tag, das erste Mal seit einer endlosen Ewigkeit mit irgendwem Händchen hielt. Natürlich bedeutete das hier zwangsweise gar nichts, aber es fühlte sich halt doch schön und irgendwie richtig an. Auch wenn es Mitch war, mit dem sie wohl nie mehr als Freundschaft verbinden würde. Aber da sie sowieso irgendwie gar nicht mehr wusste, wie sich irgendwas anderes, etwas, das im Sinne von Liebe über Freundschaft hinaus ging, anfühlte, war schon diese Freundschaft ein riesiger Schritt. Wie man vor ein paar Tagen gesehen hatte, hatte sie sich damit doch dezent angreifbar und verletzlich gemacht. Und heute war dann die andere Seite der Freundschaft deutlich geworden, die ihr wiederum gezeigt hatte, was es bedeutete, jemanden zu haben, der einem selbst in der grössten Scheisse beistand. Ihr Daumen strich für einen Moment über seinen Handrücken ehe sie wieder zu ihm hoch blickte. "Ich hab' seit ewig nicht mehr Händchen gehalten... Das ist echt witzig... Wie so ein ätzend verliebtes Pärchen in der High School", stellte sie grinsend fest. Die High School... Da, wo sie noch so vieles hätten anders machen können. Alles, um letztendlich nicht hier zu landen.
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Jaja, wusste ich schon und würde ich auch nicht abstreiten. Ich war eben schlicht und ergreifend weniger der charmante oder gar gentlemanlike Typ Kerl, da brauchte ich uns beiden nichts vorzumachen. Aber das war okay so, immerhin zögerte Aryana ja nie dabei mich wenn notwendig in die Schranken zu weisen, um mich an die eigentlich offensichtlichen Grenzen zu erinnern. "Hmmm... nein, ist glaub' ich nicht so mein Ding. Du weißt ja, wie gern ich dir auf die Nerven gehe.", tat ich anfänglich so, als würde ich noch ernsthaft darüber nachdenken an meiner Handlungsweise zukünftig etwas zu ändern, nur um im direkten Anschluss dann doch mit einem frechen Grinsen zu verneinen. Es würde zweifelsfrei alles so bleiben, wie es jetzt war. Natürlich lag es nur an meinen Verletzungen, dass es keine gute Idee war jetzt hier mit auf meine Liege zu krabbeln. "Ja, tu' mir das bloß nicht an.", erwiderte ich entsprechend ironisch und schnaubte leise. In meinem aktuellen Zustand würde ich von den Schmerzen sowieso nichts mitbekommen, auch wenn es nur eine Frage von wenigen Stunden war, bis das Morphin wieder gänzlich abgeklungen war. Es würde sich keinesfalls die gesamte Flugdauer über ziehen und dementsprechend war ich doch ziemlich dankbar für das Beisein des Arztes, der mit welchem Schmerzmittel auch immer später noch nachlegen konnte. Ohne würde der Weiterflug nämlich sonst ganz sicher sehr unangenehm werden. "Hoffen wir's.", erwiderte ich auf die Sache mit der Landung nur noch wahrheitsgemäß. Für mich änderte sich zwar nicht wirklich viel, würde ich sehr wahrscheinlich weiterhin liegen und nur möglichst schonend von A nach B verschoben werden, aber dann konnte Aryana ihren Hintern wahrscheinlich wenigstens wieder bequemer parken. Ob wieder direkt neben mir oder eben nicht sei mal dahingestellt. Dann kam die Brünette auf unsere Hände zu sprechen, die sich vermutlich erst wieder voneinander lösen würden, wenn sie das zwangsweise mussten. Das war gewissermaßen durchaus amüsant. Immerhin waren gerade wir beide als zwei der emotionalsten Krüppel überhaupt nicht unbedingt prädestiniert dazu die Hand des anderen zu halten, hatten das bis jetzt ja auch noch nie gemacht. Einfach mal eben so, als hätten wir nichts besseres zu tun und als wäre das bei uns beiden vollkommen normal. Das mit der High School traf den Nagel dabei also ziemlich genau auf den Kopf. Irgendwelche erstmals verliebten Teenager dachten schließlich ungefähr wenig bis gar nicht über die Liebe und das Händchenhalten nach, sondern handelten einfach nach Gefühl. Genauso wenig dachte ich in diesem Fall auch darüber nach, ob und was die verschränkten Finger bedeuten konnten. "Trifft's wohl ganz gut, ja...", stimmte ich Aryana mit einem kurzen Blick auf unsere Hände zu. Obwohl das Händchenhalten allein vielleicht in manchen Augen schon falsch aussah, war mir das für den Moment ziemlich egal. Was der Arzt von mir oder uns hielt war in meinen Augen nun wirklich nicht von Bedeutung. "...aber nicht, dass du mir zu weinen anfängst, wenn du wieder loslassen musst, ja? Gut zureden schaff' ich vielleicht mit Überwindung, aber ich bin mir nicht sicher ob ich die Arme genug ausstrecken kann, um dir die Tränen wegzuwischen.", rückte ich uns hörbar wenig ernst gemeint weiter ins Licht des dramatischen High School Pärchens, das keine anderen Sorgen als ein paar Meter zu viel Distanz zwischen einander hatte. Gerade Aryana würde sehr, sehr viele andere Bedenken und Probleme als eine mögliche Romanze im Kopf haben.
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Ja, was anderes hatte sie auch gar nicht erwartet. Natürlich war es nicht so sein Ding. Sonst hätte er ja auch schon viel früher damit angefangen, sich ein paar Ohrfeigen einzusparen. Wobei hier doch auch erwähnt werden musste, dass sie diese jetzt auch nicht zuhauf verteilte. Eher nur dann, wenn sie eben sehr angebracht oder nötig waren, weil jemand sich nicht an ihre Regeln hielt. Und das kam bei Mitch nunmal hier und da vor. Aber sie wollte sich trotz allem auch gar nicht beklagen - es war ihr selbst lieber so, als wenn er stattdessen nur zu allem Ja und Amen sagen würde, ihr die Welt zu Füssen legen und sie wie eine zerbrechliche Porzellanpuppe behandeln würde. Das wäre ihr dann schlicht zu langweilig und würde überhaupt jeglichen Gesprächen den Reiz entziehen. Solange er auf der Arbeit tat, was sie sagte, beziehungsweise was von ihm verlangt wurde, war das längstens gut genug. Seine ebenso ironische Antwort zu der ganzen High School Geschichte, liess sie noch gleich ein Bisschen breiter lächeln. "Wird schwierig, aber ich werde mich so gut es geht zusammenreissen, um dir die Mühen zu ersparen...", meinte sie gutmütig. Wäre ja nicht das erste Mal, dass sie heute heulen würde und sich die Tränen dann ganz alleine von den Wangen wischte. Und an diesem Punkt war der Tag eh schon längst verloren, spielte also überhaupt keine Rolle mehr, wie oft sie noch wegen irgendwelchen ach so traurigen Geschehnissen weinte. Sie konnte Morgen wieder stark sein. Oder Übermorgen, mal sehen... "Falls es im Gegenzug aber dir selbst zu schwer fallen sollte, mich je wieder loszulassen, darfst du schon weinen... Ich hab noch genug Kraft zur Beseitigung von zwei, drei Tränchen", bot sie ihm gutmütig an, hatte den Kopf mittlerweile wieder auf die Liege sinken lassen. Sie sollte die verbleibende Energie eben besser aufsparen, für den Fall, dass Mitch heute auch mal noch die Emotionen entglitten. Nicht, dass sie akut damit rechnete, aber es war immer besser, in solchen Fällen vorbereitet zu sein... oder so.
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Sie war heute aber auch so zuvorkommend. War ich ja so gar nicht gewohnt. Fast schon herzallerliebst, wie sie sich darum bemühen wollte, dass ich mich auf jeden Fall weiterhin schonen konnte. Körperlich gesehen natürlich. Gefühlsmäßig konnte ich mich, wenn es nach der jungen Frau hier ging, scheinbar gerne voll austoben und die Tränen fließen lassen, wenn es denn notwendig war. Weil das ja auch absolut wahrscheinlich und vorhersehbar bei mir war, ich gefühlt jeden Tag weinte und nah am Wasser gebaut war. So oder so ähnlich. "Dann bin ich ja beruhigt... ich weiß nämlich wirklich nicht, ob ich mich zurückhalten kann.", bekundete ich Aryana, dass das womöglich ein sehr schwerer Abschied - der gar kein solcher war, immerhin stiegen wir nur ins nächstbeste Flugzeug um - für mich werden würde und sie mich hier und da ein wenig trösten musste. Unterstrich ihr das Ganze noch mit einem gespielten Wegblinzeln imaginärer Tränen, kurz bevor ich allerdings final mit den Spielereien an ihren Fingern aufhörte und innehielt. Ein Funkspruch aus dem Cockpit durchbrach den sonst so stillen Flug, auch wenn der Helikopter deutlich lauter als ein normales Passagierflugzeug im Inneren war. Die Landeerlaubnis auf einem kleinen Flughafen in der Nähe war erteilt und deshalb würde es wohl gleich abwärts gehen, wie einer der beiden Piloten uns durch den Lautsprecher in unserem Bereich mitteilte. Mein Blick hatte auf den beiden Flugzeugführern gelegen, die aus meiner Position aber eher nur schlecht als recht zu erkennen waren, bevor ich mich jetzt erneut mit den Augen Aryana zuwendete. "Da haben wir ihn schon, unseren dramatischen Film-Moment.", kommentierte ich das Ganze sarkastisch und drehte mich langsam, ganz vorsichtig wieder auf den Rücken. Nicht nur, weil ich so stabiler lag, sondern auch, weil ich einen kurzen Blick auf unsere anderen beiden Patienten werfen wollte. Faye und Victor schienen jedoch beide weiterhin vollkommen weggetreten zu sein, was angesichts ihres Zustands sicher besser so war. Außerdem ging der Flug ganz sicher schneller vorbei, wenn man ihn schlichtweg verschlief. War für die beiden - sofern man das angesichts der vorherigen Geschehnisse denn so nennen konnte - eine Win-Win-Situation. Als wir spürbar an Höhe verloren wanderte mein Blick dann aber doch wieder zu Aryana, die offiziell bei der Landung sicher nicht auf dem Boden sitzen durfte, dort aber realistisch betrachtet nichts weiter zu befürchten hatte, wenn Alles nach Plan lief. Der Arzt hatte indessen den Blick von seinem Klemmbrett erhoben und war zu Faye gegangen, um sowohl ihren, als auch im Anschluss Victors Befestigungsgurt an der Trage zu kontrollieren. Im Gegensatz zu mir hatten die beiden ja keinen Einfluss mehr auf ihre Bewegungen, sollten also auf dem Weg ins nächste Flugzeug besser sicher fest gemacht sein. "Wir sehen uns im nächsten Flugzeug, Schätzchen.", verabschiedete ich mich dann schweren Herzens von Aryana und auch ihrer Hand, löste langsam meine Finger aus ihren, nachdem ich ihr noch einmal flüchtig über den Handrücken gestrichen hatte. Der Heli war kurz davor aufzusetzen und so suchte der Quacksalber auch zu mir noch einmal den Blickkontakt. Fragte, ob soweit alles in Ordnung sei. Ich bejahte und daraufhin wollte er mir doch ernsthaft auch den Gurt verpassen. Mein giftiger Blick hielt ihn leider nicht davon ab. Was sollte der Mist auch? Ich brauchte den nicht und außerdem war der nur unnötig beengend. Wenn er mir etwas Gutes tun wollte, dann sollte er mir ein richtiges Bett ins nächste Flugzeug schieben und mir nicht den Körper an der Liege festnageln.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Hatte sie schon befürchtet. Darum war es ja auch wirklich ein Glück, dass sie sich so gut im Griff hatte und ihm im Falle eines plötzlichen Tiefs sicher rundum unterstützend zur Seite stehen konnte. Dafür schien die Zeit dann auch sehr bald zu kommen, als nur wenige Minuten später die schwer gefürchtete Mitteilung der Landung folgte. Auch ihr Blick war noch einmal zu ihrer Schwester gewandert, an deren Zustand oder Anblick sich aber genau gar nichts geändert hatte. Sie atmete noch immer, schlief aber tief und fest. Sicher nicht zuletzt dank der Flüssigkeit, die ihr in die Vene tröpfelte. Es war schlicht nichts als vorteilhaft, wenn sie schlief... Nichts träumte und sich ausruhte, solange das Morphium und all die anderen Medikamente die schrecklichen Erinnerungen in ihrem Kopf verschleierten und sie in Frieden schlummern liessen. Erst, als der Arzt seine Kontrolle bei Faye beendet hatte und zu Victor überging, löste Aryana ihre Augen auch wieder von der jungen Brünetten, um diese stattdessen auf Mitch zu richten. "Bis dann, Liebling", flüsterte sie ihm zu, strich ihm kurz aber sanft mit der nun frei gewordenen Hand die imaginären Tränen von der Wange, ehe sie sich mit einem Lächeln erhob, um noch immer eher instabil zu ihrem Sitz zurück zu taumeln, von dem sie sich theoretisch nie hätte erheben sollen. Es war nicht ganz einfach, aber sie schaffte den Rückweg ohne zu straucheln, setzte sich hin und schnallte sich an, bevor irgendwer auf die Idee kam, auch bei ihr noch einen Babysitz zu montieren, damit sie nicht vom Stuhl fiel. Der Heli setzte nur Minuten später auf dem Boden irgendeines Flughafens auf, wo es wiederum sehr schnell ging, bis die Seitentüren aufgerissen wurden und irgendwelche Leute herbeiströmten. Es war ein ziemliches Gewusel und Aryana musste sich mit ihrem trägen Kopf doch sehr konzentrieren, um überhaupt recht mitzukriegen, was genau passierte. Nicht in die Panik auszubrechen, die ihr pochendes Herz vollkommen unnötig ankündigen wollte. Weil keiner dabei ihrer Schwester wehtat. Da das alles Leute der Army waren, die nur ihren Job taten und Faye und Victor und Mitch aus dem Helikopter holten, um sie ins nur wenige Meter entfernte, schon bereitstehende Flugzeug zu verfrachten. Der Arzt, der nun nicht mehr mit seinen vorübergehenden Patienten beschäftigt war, trat zu ihr heran, als die drei anderen schon nach draussen geführt worden waren, während Aryana ziemlich unsicher in der Tür des Helikopters stand und das Geschehen verfolgte. Er erkundigte sich danach, ob bei ihr alles gut war und stellte ein paar weitere oberflächliche Fragen, die sie mit unkomplizierten Antworten abtun konnte. Aber immerhin war er dann so nett, sie bis zum Flugzeug hinüber zu stützen, damit ihre Beine nicht auf der kurzen Distanz doch noch endgültig aufgaben. Wäre nämlich gar nicht so überraschend, wenn man bedachte, dass sie doch auch Einiges an Blut verloren hatte, während zudem ihre Nerven seit Stunden schon blank lagen. Dank dem Arzt, der sie dann bald wieder verliess, schaffte sie es aber als Letzte auch noch ins Flugzeug, wurde dort irgendwo im hinteren Teil auf einen breiten Sitz dirigiert. Und dort sass sie dann, während die Besatzung noch damit beschäftigt war, Faye und Victor an diverse Gerätschaften anzuschliessen, um stets ihre Herzfrequenzen überwachen zu können und das nahtlose Weiterlaufen der Infusionen sowohl bei ihnen als auch bei Mitch sicherzustellen. Sie wusste nicht, wie viele Minuten sie sich noch wach gehalten hatte, um weiterhin sicher zu gehen, dass keiner sich wagte, ihrer wehrlosen Schwester weh zu tun. Aber als das Flugzeug dann abhob, waren diese Minuten auf jeden Fall vorbei. Sie konnte gar nicht mehr viel anderes tun, als sich vollkommen erschöpft in dem weich gepolsterten Sitz zurückzulehnen. Irgendwer kam noch mit einer Decke vorbei, was angesichts der kühlen Flugzeugluft eine wahre Wohltat war und fragte, ob sie noch irgendwas brauchte. Aber Aryana bat nur um ein Bisschen Wasser, ehe ihr die Augen endgültig zufielen und sie erstmal für ein paar Stunden gar nichts mehr mitbekam, sich in einem unruhigen Schlaf wiederfand.
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Apropos den Flug verschlafen - nach dem relativ kurzweiligen Verfrachten meiner Liege war ich noch ein paar Minuten lang ziemlich aufgeweckt, weil ich zwei Mal doch einen kleinen Ruck verpasst gekriegt hatte. Nicht so, dass ich ohne den dämlichen Gurt direkt runter gefallen wäre, aber ein bisschen unangenehm war es doch. Ich fluchte beide Male kaum hörbar vor mich hin, was aber wohl eher meiner allgemeinen Unzufriedenheit über meine eigene Bewegungsunfähigkeit zu schulden kam. Hinsetzen konnte ich mich bestimmt für eine Weile, aber mit dem Gehen sah es halt leider ziemlich schlecht aus. Im weit geräumigeren Flieger, der uns zurück in die Staaten bringen sollte, fand ich mich sehr bald unweit der anderen beiden liegenden Patienten wieder, die weiterhin ihr Dasein im schlichten Nichts fristeten. Zumindest glaubte ich nicht, dass ihr Körper jetzt nichts besseres zu tun hatte, als ihnen Alpträume zu bescheren. Sie lagen ruhig, rührten sich bis auf das ziemlich regelmäßige Heben und Senken der Brust kein bisschen. Es war also weniger von unschönen Träumen auszugehen. Eine kleine Weile beobachtete ich Faye und Victor noch, wobei sich nach einer Zeit ein schwaches Lächeln auf meine Lippen legte. Natürlich war es absolut beschissen, dass sie derart leiden mussten... aber ich hatte sie da raus gekriegt. Ich hatte es auf Biegen und Brechen irgendwie bewerkstelligt, das Paar wieder aus den Fängen des IS zu holen. Nicht ganz allein natürlich, denn machten wir uns an dieser Stelle nichts vor - wäre Aryana nicht dabei gewesen und hätte zumindest auf dem Rückweg geholfen, wäre ich bei dieser Aktion mitsamt den beiden anderen gnadenlos verreckt, wahrscheinlich von einer Milliarde Kugeln zerschossen worden. Trotzdem war ich ein bisschen stolz. Nicht "ich muss mein riesiges Ego noch weiter pushen"-stolz, sondern irgendwie glücklich stolz. Glücklich darüber, dass ich die beiden hatte da rausbringen können und dass ich spätestens jetzt wusste, dass es noch nicht ganz zu spät für mich war, um noch den richtigen Weg einzuschlagen. Ich war weit davon abgekommen und hatte ein paar sehr tiefe Krater hinterlassen, aber der Rückweg zu der Kreuzung, an der ich ganz offenbar falsch abgebogen war, war trotzdem noch da. Wenn Aryana mir die ganze Scheiße verzeihen konnte, obgleich sie zum Glück nicht alles darüber wusste und hoffentlich auch nie wissen wollte, wenn sie trotzdem hinter all den Fassaden aus Ironie und Macho-Gerede noch einen guten Menschen sah, dann konnte ich das vielleicht auch. Um aufs eigentliche Thema zurück zu kommen: Schlafen war eine sehr gute Idee. Sobald wir wieder abgehoben hatten und ich ein paar Minuten lang vollkommen unbeschäftigt herum lag, packte mich die Müdigkeit dann doch mit voller Wucht. Riss mich einfach mit sich in einen ziemlich tiefen, erholsamen Schlaf. Es war angesichts der körperlichen Erschöpfung vermutlich kein Wunder, dass ich fast den gesamten Weiterflug im Schlaf verbrachte. Ich wachte erst etwa eine halbe Stunde vor der eigentlichen Landung auf und da bekam ich dann auch endlich mal mit, wo wir eigentlich genau abgesetzt werden sollten - Houston, Texas. Im Grunde war mir das aber ziemlich egal, Hauptsache die Endstation war jetzt endlich mal da. Es folgte also ein erneutes Ausfrachten und ein direktes Verladen in Krankenwagen, die uns weiter bis zum unweit entfernten Krankenhaus brachten. Mir persönlich begegneten ab jetzt, wo das Klinikum erreicht war, viel zu viele Menschen.
Rückblickend war ich wahrscheinlich sehr froh darüber, dass ich eine halbe Ewigkeit lang von all den Schmerzen, der Aufregung und der Todesangst befreit worden war. Denn das letzte, woran ich mich erinnerte, war das Schlachtfeld unweit der Zelle, in der ich hatte sitzen müssen. Dass ich unsanft auf dem Boden aufgekommen war, Mitch noch Irgendwas gerufen hatte und dann war es sehr schnell sehr schwarz um mich herum geworden. Ich wusste nicht, wie schwach mein Puls letzten Endes wirklich gewesen war, nur musste die medizinische Hilfe wirklich kurz vor knapp passiert sein. Als ich letzten Endes jetzt langsam wieder vorsichtig blinzelnd die Augen aufschlug, ein klein wenig Leben in mich kehrte, war mein Kopf im ersten Moment noch furchtbar leer und gänzlich mit aufwachen beschäftigt. Es dauerte einige Sekunden, bis auch mein Geist wach zu werden vermochte und dann tat er das aber ziemlich blitzartig. Ich konnte selbst gar nicht so schnell gucken, wie ich mit weit aufgerissenen Augen senkrecht im Bett saß und mich perplex vollkommen orientierungslos umsah. Allerdings nur kurz, weil mich dann schrecklicher Schwindel zum erneuten Schließen der Augenlider zwang und ich mich Halt suchend sehr verkrampft am Griff festhielt, der sich seitlich am Bett befand. Wo war ich? Und seit wann war ich hier? Das eintönige Weiß, das mich von der Wand gegenüber empfangen hatte, ließ nicht auf die sandigen Hügel schließen und das Bett, in dem ich saß, bestätigte das ebenfalls ziemlich eindeutig. "Langsam, beruhigen sie sich.", redete eine mir unbekannte, weiche Frauenstimme auf mich ein und als ich die Augen nach ein paar Sekunden wieder öffnete blickte ich in ein fremdes Gesicht. "Sie sind in Sicherheit. In den vereinigten Staaten, im Krankenhaus.", versicherte mir die Krankenschwester mit vorsichtigem Druck an meiner Schulter, dass ich hier Nichts zu befürchten hatte und offenbar auch sehr weit weg von dem Terror im Sand war. Mein verwirrter Blick hatte wohl Bände gesprochen und sie wusste sicher, wo ich her kam. Ich sah mich noch immer ziemlich wirr und unruhig um, gab dem Druck aber nach und ließ mich wieder zurück in das weiche Kissen sinken, weil mein Kreislauf von den ruckartigen Bewegungen weiterhin wenig begeistert war. Ich atmete vom ersten Schockmoment beeinflusst noch immer ein wenig hektisch, als die Krankenhausangestellte mir mitteilte, dass sie einen Arzt holen würde, weil ich ja jetzt wach war und er mich über die aktuelle Lage informieren würde. Noch während sie den Raum verließ schweiften meine Gedanken aber in eine vollkommen andere Richtung und ich schluckte leise. Wo war Faye? Im selben Raum war sie nicht, ich war hier allein - wahrscheinlich der Privatversicherung wegen, die mir immer den möglichen Bestplatz sicherte. Normalerweise hätte ich ein Einzelzimmer auch ganz sicher bevorzugt, aber in diesem Fall saßen meine Prioritäten ganz anders. Ich wusste nicht einmal, ob die zierliche Brünette noch am Leben war, was erneute Panik in mir aufsteigen ließ, während ich wie auf heißen Kohlen sitzend auf den Arzt wartete. "Wo ist Faye? ...Cooper.", hakte ich sofort nach, als er durch die Tür trat und noch nicht einmal eine Begrüßung ausgesprochen hatte. Überrumpelt blinzelte er mir entgegen, verlangsamte seine Schritte kurzzeitig, kam aber bald bei mir am Bett an. "Miss Cooper ist stabil, den Umständen entsprechend geht es ihr gut.", ließ Jeremiah Dawson, wie er sich kurz darauf vorstellte, mich die erlösende Botschaft wissen, die mich einmal tief durchatmen ließ. Während meine Gedanken weiterhin nur um Faye kreisten, setzte mich der Arzt über meine eigene Gesundheit ins Bild. Dass ich bis auf die Stichwunde im Bein einen angebrochenen Oberarm und zahlreiche Prellungen davongetragen hatte. Letzteres erklärte den Stützverband am Arm, der jenen wohl ruhigstellen sollte. Der Knochen würde von allein wieder heilen, brauchte keine Operation. Sollte der Stich im Oberschenkel normal verheilen und sich keine Entzündung bilden war wohl auch dort kein weiterer Eingriff nötig, aber es galt das Bein einige Zeit zu schonen. Einer Entzündung wurde bereits mit Antibiotikum entgegen gewirkt, die Chancen standen also gut. Nur interessierte mich das in diesem Moment herzlich wenig. "Verlegen sie mich. Ich muss sie sehen.", war das Einzige, was ich zu alledem zu sagen hatte. Es klang weniger wie eine nette Bitte und mehr wie eine Forderung, obwohl meine Stimme ein wenig dünner war als sonst. Wieder wollte Dawson zum Reden, wahrscheinlich zu Widerworten ansetzen, aber ich unterbrach ihn schon zu Beginn mit einem eisigen "Sofort!", was er wiederum mit einem tiefen Seufzer quittierte. "Ich werde sehen, was sich machen lässt.", versicherte er mir dahingehend seine Unterstützung und gnade ihm Gott oder wer auch immer, wenn er mich damit anlog. Normalerweise war ich ein wirklich vernünftiger, leicht zufrieden zu stellender Patient, der sein Schicksal einfach so hinnahm. Aber dieser Fall hier war ein ganz anderer. Ich musste einfach sehen, dass Faye atmete, lebte, noch etwas von ihr übrig war. Ich sie nicht verloren hatte, sondern sich all das Aushalten der Schmerzen - die momentan glücklicherweise mit Schmerzmittel gestillt zu sein schienen - gelohnt hatte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie hatte um Einiges länger geschlafen, als sie erwartet hatte, länger, als sie es gewollt hatte. Und als sie dann wach wurde, schreckte sie regelrecht in ihrem Sitz hoch, auf dem sie tief in sich zusammengesunken war. Doch sie waren noch immer in der Luft. Das Flugzeug dröhnte gleichmässig vor sich hin. Und als sie sich nach vorne lehnte, sah sie durch den Gang noch immer ihre Schwester liegen, deren Herzfrequenz gleichmässig aufgezeichnet wurde. Was wiederum dazu führte, dass Aryana sich wieder etwas entspannte, sich nochmal zurücklehnte und den ganzen Aufwachprozess noch einmal in langsam versuchte. Sie erkundigte sich bei der Ärztin, die hier wohl das Kommando hatte, über die verbleibende Flugdauer und ihr eigentliches Ziel, über das sie ebenfalls bislang nicht Bescheid gewusst hatte. Eine Stunde und Texas, waren die Antworten. Warum zum Teufel Texas..?? Aber Aryanas Schädel brummte zu laut, als das sie sich ernsthaft darüber hätte aufregen können, ausserdem kehrten die Schmerzen in ihrem Arm beständig unbarmherziger zurück. Tabletten wirkten nunmal nicht gleich wie Infusionen, hatten eine kürzere, abflachende Wirkung, wenn sie nicht immer wieder eingenommen wurden. Aber sie liess den Arm jetzt erstmal Arm sein, trank stattdessen nochmal einen halben Liter Wasser, um den Blutverlust möglichst bald wieder wett zu machen. Duschen sollte sie wohl auch dringend, klebten doch noch immer dieselben stinkenden, blutverschmierten Klamotten an ihrem Körper, welche sie den ganzen Tag - oder mittlerweile sogar seit gestern? - schon trug... Nur, dass ihrem persönlichen Wohlbefinden oder ihrer Hygiene noch immer weit nicht Augenmerk Nummer Eins galt. Als das Flugzeug schliesslich im Heimatland aufkam, wurden sie ziemlich bald allesamt ins Krankenhaus verschifft. Aryana hatte Victor und Mitch dabei zugeschaut, wie sie in die Krankenwägen verladen wurden, aber selbstverständlich bestand sie nach wie vor darauf, an der Seite ihrer Schwester zu bleiben. Und so fuhr sie letztendlich mit Faye zu dem dezent riesigen Krankenhaus, von dem sie doch so ziemlich gar nichts mitbekam. Jemand wies sie freundlich darauf hin, dass sie gerne die Dusche benutzen dürfe, während Faye in ihrem Morphiumschlaf einer weiteren Behandlung unterzogen wurde. Grundsätzlich war Aryana ja stark dagegen, aber als ihr mit Nachdruck erklärt wurde, dass die Untersuchung mindestens eine weitere Stunde in Anspruch nehmen würde und sie in dieser Zeit weder dabei sein noch irgendwas anderweitig Nützliches tun könne, ihr dann auch tatsächlich eine frische Garnitur mit irgendwelchen Krankenhausklamotten in die Hände gedrückt wurde, gab sie den sinnlosen Widerstand auf. Die Dusche war auch tatsächlich nicht die dümmste Idee, wie ihr theoretisch sicherlich von Anfang an hätte klar sein können. Auch wenn sie die ganze Prozedur nicht für mehr als knapp 15 Minuten in die Länge zog. Dann stand sie mit nassen, zu einem unordentlichen Dutt zusammengerauften Haaren, in einer weissen, lockeren bis formlosen Hose, weissen Schuhen und einem blauen Shirt mit passender, blauer Sweatjacke wieder vor der Tür des Behandlungszimmers. Oder was auch immer das war. Jedenfalls verbrachte sie die nächsten - versprochenen - 45 Minuten mit Warten. Bis Faye endlich auf einem ganz gewöhnlichen Krankenhausbett, vollkommen in sterilem Weiss gehalten, raus und auf ihr Zimmer gebracht wurde. Aryana sass auf einem Stuhl, direkt neben dem Bett, nur Zentimeter vom blassen Gesicht ihrer Schwester entfernt. Und doch wirkte Faye so unendlich fern. Da war ein Pflaster an ihrem Kinn... Und ohne nachzuschauen wusste Aryana, dass ihr gesamter Oberkörper in einen Verband gewickelt sein dürfte. Sie hatte Angst vor dem Moment, in dem die junge Frau die Augen aufschlug, weil sie die Panik nicht sehen wollte, die zweifellos zurückkehren würde. Aber gleichzeitig wollte sie nichts lieber, als ihre kleine Prinzessin wieder aufwachen zu sehen. Ihr Herz tat weh, in jeder Sekunde. Und egal was passierte, da war keine Aussicht auf Besserung...
Es war ein Geschenk, schlafen zu dürfen, eine unendliche Erleichterung, die Gedanken zu vergessen. Sie wusste, dass alles gut werden würde, wusste, dass Victor heil blieb, Aryana heil blieb, sie das alle überlebten.. Es war eine leise Sicherheit, die ihr scheinbar ewige Stunden seligen Schlafes bescherten. Und sie wollte gar nicht aufwachen, wenn in ihren Träumen alles so perfekt war. Wenn hier im Paradies alle mit ihr tanzten, um die sie sich keine Sorgen mehr machen musste. Wenn niemand sie bedrohte, niemand ihnen weh tat. Sie wollte für immer hier bleiben. Aber der Schleier lichtete sich. Die Wolken zogen vorbei. Und anfangs konnte sie die Gedanken noch nicht fassen, die ihren Körper in Form leichter, erst noch kaum sichtbaren Zuckungen wieder weckten. Aber sie wurden mehr, wurden deutlicher. Und da waren Gitterstäbe. Da waren Schüsse. Da war Blut und da waren Schreie. Da waren Aryana und Victor und Mitch. Und Faye riss mit einem Keuchen die schweren Augenlider hoch, hob unmittelbar den Kopf, nur damit sich ihre Muskeln im gleichen Moment wieder ihren Befehlen widersetzten, sie genauso ruckartig zurück ins Kissen fiel. Eine Hand drückte ihre Finger. Eine andere Hand strich über ihre Schläfe, durch ihre Haare. "Schsch... Alles ist gut, Faye... alle sind in Sicherheit...", flüsterte die so vertraute Stimme, die Faye sofort wieder die Augen aufschlagen liess. Es dauerte einen Moment, bis sie überhaupt irgendwas wieder klar erkannte. Aber in das Gesicht ihrer Schwester blickte sie seit über 23 Jahren und sie würde nie vergessen, wie sie aussah, wenn sie vor ihr sass. "Aryana...", hauchte die Brünette tonlos, und das heisere, kraftlose Etwas, das von ihrer Stimme gerade noch übrig war, klang tatsächlich erleichtert, als sie die Augen nochmal für eine Sekunde schloss. Aryana war hier. Sie sah nicht berauschend aus, aber sie lebte... Faye öffnete die Augen wieder. Aryana sass auf einem Stuhl. In einem weissen Zimmer... Wo waren sie?? Wo waren die anderen?? "V-victor...?", schob sie ein zweites, ebenso schlecht verständliches Wort hinterher, das aber von deutlich mehr Angst unterlegt war als das Erste. Er musste doch auch hier sein, oder? Aber sie sah ihn nicht. Auch nicht, wenn sie mühsam den so schwer beweglichen Kopf drehte und in die andere Richtung blickte. Wieso war er nicht bei ihr? Er hatte es doch auch geschafft, oder? "Victor ist praktisch im Zimmer nebenan... Glaub ich... Es geht ihm gut, Faye, er lebt... ist auch hier...", Aryanas Stimme klang bemüht ruhig, während sie darauf wartete, dass Faye den Kopf kraftlos zurück ins Kissen sinken liess, sie wieder anblinzelte. "Kann... ich ihn.. sehen...? Bitte...", wahrscheinlich war das eine Forderung, die sie kaum ihrer Schwester stellen musste. Aber jemand anderes war gerade nicht wirklich zur Hand... Auch wenn Faye gleich noch weitere mühsame Worte von sich gab. Es war so anstrengend zu sprechen, wenn ihr ganzes Gewicht auf ihre Lungen drückte... Warum lag sie auf dem Bauch..? Warum war alles so eng..? "Geht.. es dir... gut? Ich... ich hab mir... Sorgen gemacht...", flüsterte sie weiter, versuchte anstatt sich um ihren eigenen Zustand Gedanken zu machen, Aryanas Gemütslage aus deren Gesicht zu lesen. Aber wie immer schüttelte der Sergeant nur mit einem sanften Lächeln den Kopf. "Alles gut, Faye, mach dir keine Sorgen... Ich rufe einen Arzt. Er wollte dich sehen, sobald du wach bist... Wegen Victor musst du ihn fragen, ich kann momentan wenig tun", hätte sie wohl erwarten können, eine solche Antwort. Aber noch war Fayes Gehirn viel zu träge zum Denken, weshalb sie still und praktisch bewegungslos liegen blieb, bis der angeordnete Arzt schliesslich das Zimmer betrat. Er untersuchte kurz ihre Vitalzeichen, während er auch schon zu reden begann. Brauchte dabei viel zu viele Worte, als das sie alles hätte aufnehmen können, was er sagte. Warum redete er so viel? Erzählte von den Wunden auf ihren Rücken, die sie mindestens für eine Woche zur Bauchlage zwingen würden. Zählte die drei Brandmale auf, die ihr nach und nach sehr deutlich wieder in Erinnerung gerufen wurden. Meinte, dass das eine an ihrem Kinn wie auch das andere an ihrer Schulter bald verblasst und nahezu verschwunden sein sollten. Lediglich das Grössere unter ihrer Brust etwas länger brauchen würde. Und er redete von einer Schusswunde an ihrem Bein, an die sie sich nicht wirklich erinnerte, meinte, dass der Knochen getroffen sei und man hier noch über eine OP entscheiden müsse. Und er erzählte irgendwas von einem Staatsangestellten, der sie Morgen besuchen würde, um die Umstände und den Hergang ihrer Entführung und der offensichtlichen Folter zu dokumentieren... Falls sie bereit wären, darüber zu sprechen. Aber es klang nicht danach, als wäre Schweigen eine wirkliche Option. Und Faye sank immer tiefer ins Kissen, hatte die Augen wieder zufallen lassen, weil die Worte allein in ihrem Kopf wehtaten. "Kann... ich einfach... bitte... Victor sehen..?", war letztendlich alles, was an einer schwachen Antwort von ihr kam, während ohne, dass sie es wirklich merkte, zähflüssige Tränen aus ihren Augen drückten. Den Weg über ihre Wangen suchten und in die Bettlacken tropften. Faye bekam den irritierten Blick, den sie dafür erntete nicht mit. Hörte auch kaum das Klopfen an der Tür. Bekam sowieso nicht mit, wie der Arzt sich mit einem anderen Arzt unterhielt, geschweige denn, was dabei herauskam. Aber sie musste ihn doch sehen.. Musste wissen, dass hier nicht einfach alle logen...
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ich hätte wahnsinnig gern einfach nur weiterhin meine Ruhe gehabt. Wäre da nicht immernoch das lästige Problem mit der kaputten Schultersehne, hätte das vielleicht auch fast klappen können, weil der Rest der Untersuchung sich ziemlich simpel und auch schnell gestaltete. Der Schusskanal an der Hüfte hatte nicht viel des Gewebes zerstört, war ja weit weniger tief ausgefallen als der an der Schulter. Die Schnittwunde am Arm blieb zwar weiterhin hässlich, war aber auch unproblematisch. Jedoch musste ich eine halbe Ewigkeit warten, nachdem dann ein vernünftiges Röntgenbild der Schulter da war, weil zwei Ärzte sich intensiv darüber unterhielten, wie man denn nun mit der Behandlung fortfahren sollte. Nach über einer halben Stunde voll sinnlosem Gequassel, von dem ich selbst auf diese Distanz bis auf ein paar Bruchstücke gar nichts verstand, erbarmte sich dann auch endlich mal einer der beiden Idioten mich ins Bild zu setzen. Fazit der ganzen Rederei war, dass die Kugel die Enden der Sehne ziemlich unschön zerfetzt hatte und das ein Problem darstellte. Sie würden versuchen die Sehne ohne größere Hilfsmittel zu kitten, garantieren, dass das auch hinhaute, konnten sie mir allerdings noch nicht. Im Notfall müsste ich, sofern ich das wollte, eine Art künstlichen, vorübergehenden Sehnenersatz in Anspruch nehmen, bis die alte Sehne hoffentlich normal nachgewachsen war. Das klang in meinen Ohren absolut unsympathisch, was ein resigniertes Seufzen zur Folge hatte. Frühestens morgen Mittag sollte ich unters Messer, es war vorher noch Erholung des Jetlags und meines Kreislaufes wegen notwendig. Es wäre mir wirklich lieber gewesen, wenn stattdessen der Knochen gebrochen wäre. Knochen waren in den meisten Fällen schlicht einfacher zu flicken als Bänder, aber so leicht konnte ich mir die Geschichte eben nicht machen, also blieb nur zu hoffen, dass sie die Sehne ohne große Extras wieder hin bekamen. Wie spät war es überhaupt? Ein Blick auf die Uhr an der Wand über dem Röntgenbild verriet mit, dass es erst später Nachmittag war. Kam mir eher so vor, als müsste es schon mitten in der Nacht sein, rein vom Gefühl her. Aber die Zeitverschiebung zwischen Syrien und den USA war auch ziemlich immens, also war das kein Wunder. Sichtlich schlecht gelaunt angesichts der Schultermisere wurde ich dann von den zahlreichen Untersuchungsräumen weg und stattdessen eine Etage höher aufs Zimmer gebracht. Ich kam nicht drum herum mir dabei helfen zu lassen, irgendwie den übrig gebliebenen Dreck unter der Dusche loszuwerden. Stehen war dank des angeknacksten Kreislaufs noch immer sehr anstrengend und mit der Hüfte ohne Stütze quasi fast unmöglich, selbst mit Schmerzmittel, weil der Muskel ganz einfach nicht begeistert davon war. Noch dazu konnte ich den einen Arm nicht nutzen und bräuchte den anderen in jedem Fall, um mich irgendwo festzuhalten. Ich war eindeutig kaputter, als mir lieb war und auch, wenn ich wusste, dass es wohl Niemanden wundern oder sich Jemand darüber lustig machen würde, dass ich nicht fit genug war, um alleine bis in die Dusche zu kommen, kratzte das gewaltig an meinem Ego. Ich fühlte mich als wäre ich ungefähr 80 und gleichzeitig schwerstbehindert. Einmal auf dem dämlichen Stuhl für Opas angekommen bestand ich aber trotzdem darauf, es wenigstens allein zu versuchen, weil ich nun mal einfach viel zu eitel für sowas war. Die Dusche hätte wohl nur halb so viel Zeit oder gar weniger in Anspruch genommen, wenn ich mir hätte helfen lassen und nicht selbst mit dem angeschnittenen Arm mühsam jeden Zentimeter meines Körpers vom Dreck befreit hätte, aber so what. Ich hatte gerade sowieso alle Zeit der Welt, das Schmerzmittel pumpte fröhlich weiter durch meine Adern und mein ohnehin viel zu großes Selbstbewusstsein musste danach nicht ganz so viel gestreichelt werden. Das Abstellen des Wassers und das Abtrocknen bekam ich noch irgendwie hin, aber beim Anziehen war dann Sense. Egal wie weit dieser Krankenhausfummel auch war, ich kam nicht alleine rein. Nach all der fortwährenden Schikane war ich schlussendlich nichts als froh im Zimmer meine Ruhe zu haben. Es mir mit Niemandem teilen zu müssen, das Fernsehprogramm in den kommenden Tagen selbst wählen zu können und einfach nur zur Ruhe zu kommen. Auch, wenn die anstehende Operation mir unangenehm im Hinterkopf herum spukten.
Der Arzt brauchte in meinen Augen schon viel zu lang für seine Mission, obwohl er erst gute zwei Minuten weg war und ich weiterhin mit dem Schwindel kämpfte. Mir war ein wenig übel, aber das war gerade die kleinste meiner Sorgen. Ich brauchte voraussichtlich trotz all der Folter nicht einmal eine Operation und das Schmerzmittel betäubte einen Großteil meines Unwohlseins gekonnt, also war es weiß Gott nicht mein eigener Zustand, um den ich mich sorgte. Zwar flackerte zwischen all der Sorge um den mir wichtigsten Menschen immer wieder unschöne Bilder auf, aber noch ließen sich diese angesichts der anderen Angst sehr gut verdrängen. Ungeduldig wartete ich auf die Rückkehr des Mannes im weißen Kittel und es dürfte fast eine Viertelstunde vergangen sein, bis er endlich wieder die Tür passierte. Mit Papieren in der Hand, die ich irgendwie unterschreiben musste, damit ich der Verlegung in ein anderes Zimmer offiziell zustimmte und noch ein paar Worten seinerseits, die mir zu bedenken geben sollten, dass Faye sich in keinem schön anzusehenden Zustand befand und es für meine Psyche vielleicht besser wäre, wenn ich erst einige Zeit allein regenerierte, mir diesen Anblick ersparte. Klar, weil das auch ganz sicher eine Tatsache war, die mich davon abhielt. Viel mehr vermittelte mir diese Aussage nur, dass dir zierliche Brünette mich mehr brauchte denn je und noch schlimmer als zur Zeit der Folter selbst konnte es doch auch gar nicht sein. Wirklich lesbar war die Unterschrift dank mangelnder Kräfte meinerseits im Endeffekt nicht, konnte ich doch den Stift mit dem stellenweise stark geschwollenen Arm schlecht halten, aber es war eine da. Die Schwester, die mich vorhin aus dem Schlaf heraus empfangen hatte, war indessen mit einem Kollegen im Raum angekommen und es wurden die Bremsen an den Rollen des Betts gelöst. Zugegeben hatte ich mir die Überfahrt weniger unangenehm vorgestellt. Mein Schädel dröhnte unheimlich unter der nicht mal wirklich schnellen Fortbewegung und lang dauerte das ganze Prozedere auch nicht, weil wir nur ein Stück weit den langen Gang runter mussten, aber dennoch war ich froh, als wir endlich an einer der vielen Türen Halt zu machen schienen. Sie wurde uns von einem weiteren bekittelten Angestellten des Krankenhauses aufgehalten, der mich mit einem ebenso kritischen Blick musterte wie Dawson zuvor. Begeistert waren sie wohl beide nicht unbedingt von der Entscheidung, weil sie den Aspekt, dass wir uns genauso gegenseitig gut tun konnten, wie wir uns potenziell auch schaden konnten, gar nicht erst sahen. War es nicht eigentlich offensichtlich wie sehr ich sie liebte, wenn ich einen derartigen Aufstand anzettelte? Das erste bekannte Gesicht, das ich sah, war jedoch Aryanas'. Sie wirkte auf den oberflächlichen ersten Blick hin relativ munter, wenn auch angeschlagen. Erst, als mein Bett noch ein Stück weiter rollte, fiel mein Blick auf die mir nur allzu bekannten, braunen, leicht gewellten Haare. Schlagartig wurde mir noch dabei klar, warum ich nicht Fayes Gesicht stattdessen sah - der Rücken. Der ausgepeitschte, nur so vor Blut triefende Rücken. Unweigerlich flackerte die Erinnerung an jenen Moment wieder auf, wurde jedoch zeitnah von der Tatsache verdrängt, dass die junge Frau dennoch hier war. Dass sie augenscheinlich lebte, es geschafft hatte, wenn auch mit starken körperlichen Einbußen... und der Anblick tat, wie von Dawson prophezeit, auch wirklich weh. Allein schon deshalb, weil ich ihr dabei nicht helfen konnte und sie auch nicht davor hatte bewahren können. Ich murmelte ein leises "Faye...", vor mich hin, das mir noch beinahe ganz im Hals stecken geblieben wäre. Aber was machte das Krankenhauspersonal da schon wieder? Schob mich viel zu weit von der jungen Frau weg, sodass gut drei Meter Platz zwischen unseren Betten waren. Hilfesuchend und sichtlich wehleidig sah ich zu der jungen Krankenschwester. "Könnten sie..?", formulierte ich eine leise, halbe Frage und streckte schon dabei den nicht angebrochenen Arm müde in Richtung der Brünetten aus. "Bitte... nur für ein paar Minuten...", bat ich sie erneut, weil sie zögerte und zum Arzt sah. Ich wusste nicht ob es nun die eigene Barmherzigkeit des Personals oder vielleicht doch eher die glasig werdenden Augen meinerseits waren, die letztendlich dazu führten, dass sich mein Bett erneut in Bewegung setzte. Aber ich kam Faye stetig näher und fand mich schließlich direkt neben ihr wieder. Konnte den Arm über die Kanten der Betten gerade so weit genug mit eigener Kraft ausstrecken, um vorsichtig die mir inzwischen zugewandte Wange der jungen Frau zu streicheln. Ihr in die blaugrünen Augen zu sehen, als ich mühsam die leisen Worte "Ich bin so froh dich zu sehen, Faye...", zusammen kratzte. Ich versuchte mich ihr noch ein wenig mehr zuzuwenden, was dank des kaputten Arms jedoch nur mäßig funktionierte. Aber ich konnte sie sehen, sie zumindest ein klein wenig berühren um die Stiche, die ihr Anblick in meinem Herz verursachte, zu betäuben.
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