Natürlich musste Faye noch noch weiter damit aufziehen, weswegen ich erneut die Augen verdrehte. Kam diesbezüglich einfach sehr häufig bei mir vor. "Ist in Ordnung, Prinzesschen.", sagte ich daraufhin nur noch ironisch. Wäre schon schön gewesen. Faye zufällig hier oder in ihrer Stadt über den Weg gelaufen zu sein, bevor ich mich wieder zurück in den Krieg verlaufen hatte. Es hätte so Vieles positiv verändert... vorausgesetzt, ich hätte sie nicht so wie alle anderen Frauen auch konsequent von mir weggeschoben, nach der Trennung meiner ehemaligen Freundin. Aber vielleicht hätte ich das wirklich nicht. Faye hatte einfach etwas Besonderes an sich, was sie mir mit jedem Tag aufs Neue bewies. Deshalb bereute ich es auch nicht mal ein winziges Bisschen, dass ich ihr den gemeinen Fehltritt verziehen hatte. Danach war einfach Alles so viel besser... nein, fast perfekt geworden. Nur das unschöne Detail mit dem Krieg im Hintergrund, der uns diese Romanze auch eigentlich strikt verbot, trübte die Sicht auf die Dinge ein wenig. Eben wegen jener Gedanken erwiderte ich den letzten Kuss besonders liebevoll. Bei ihrer Aussage bezüglich des Posters musste ich dann doch kurz auflachen. Jaa, naja, irgendwie hatte ich das nie abgenommen... die halbnackte Frau, die sich da auf einer Motorhaube räkelte. War auch nach meinem Auszug nicht mehr notwendig gewesen. Hatte ja keine Ahnung davon, dass ich wieder zurück zu meinen Eltern ziehen würde. Und noch weniger davon, dass ich mit Frau aus der Army zurückkam. "Jaaa ich hatte da auch so meine Phase.. du würdest da aber sowieso besser aussehen.", gab ich schief grinsend zu - mein Geschmack seit de Aufhängen des Posters in meiner Jugend hatte sich wirklich um Meilen verbessert - nachdem ich noch einen Blick auf besagtes Poster geworfen hatte. Dann folgte noch ein kurzer zu dem anderen, auf dem lediglich die Footballmannschaft der Stadt abgelichtet war. Auch so eine Phase hatte ich gehabt, interessierte mich inzwischen aber nicht mehr wirklich für diesen Sport. "Glaubst du, du wärst hier geblieben..?", fragte ich dann doch nach einer eigentlich irrelevanten Eventualität, die sowieso Nichts am Hier und Jetzt ändern würde. Ich sah zu ihr runter, lächelte weiter leicht vor mich hin, während ich meinen Arm um ihre Taille geschlungen hatte und ihr leicht mit den Fingern über die Seite strich. Genoss einfach diesen Augenblick der Ruhe mit ihr nach der langen Reise und dem aufregenden Wiedersehen.
Die ziemlich abrupte Wendung der Dinge hatte ich so jetzt nicht kommen sehen, nein. Ehe ich mich versah, wurde es mir ziemlich frisch um die Beine herum, die ja durch die Hose nur zur Hälfte bedeckt waren. Ich verengte ein wenig die Augen, als ich mich schweren Herzens noch einmal aufrichtete und einen Moment lang nach hinten auf die Arme stützte, wobei ich dabei aber trotzdem leicht vor mich hingrinste. Erstens, weil sie ein absolut bescheuertes Wort benutzte, das ich nicht mal im Ansatz ernst nehmen konnte, und zweitens, weil ich jetzt schon wusste, dass sie diese Diskussion verlieren würde. Ganz einfach deswegen, weil sie rein kräftemäßig in keinem Verhältnis zu mir stand. Sie keine Chance haben würde, die Decke zu behalten, wenn ich das nicht wollte - und oh Wunder, das war tatsächlich der Fall. Meine Nippel waren es zwar nicht, denen hier kalt wurde, aber die Füße wollten gerne wieder unter die angenehm weiche Decke. "Und du, mein Liebling, bist dir offenbar nicht darüber bewusst, dass das eine rein rhetorische Frage war.", erwiderte ich darauf zuerst, bevor ich mich blitzschnell - ja, das ging auch in diesem Zustand noch, wenn ich es denn wollte - nach vorne beugte, um wieder nach der Decke zu greifen und dann auch mit einem ordentlichen Ruck anzuziehen. Weil Aryana, stur wie sie und ich halt beide waren, dabei aber nicht gleich losließ, kippte sie unweigerlich mit aufs Bett, schloss dabei Bekanntschaft mit meinen Beinen. Nicht so, dass es ihr blaue Flecken bescheren würde, aber doch recht abrupt. "Es tut mir also leid, wenn ich dich enttäuschen muss, mein Schatz, aber wenn du auf diesem Bett hier schlafen willst, dann musst du mich entweder aufs andere heben oder stapeln.", stellte ich die junge Frau einfach vor vollendete Tatsachen und war dann schon dabei, mich mit einem leichten Grinsen wieder einzudecken - das schloss dann unweigerlich ihren Oberkörper mit ein, der kurz mit unter der Decke verschwand. Direkt stapeln müssten wir hier nicht, die Betten waren immerhin ein klein wenig breiter als die schmalen Feldbetten der Armee, aber für zwei Personen gedacht waren sie dann eben doch nicht.
Ja, musste genau das gewesen sein - so eine Phase. Das Poster sah auch nicht unbedingt aus, als würde es erst seit gestern da hängen, also war durchaus anzunehmen, dass er es einfach seit seinen Teenager-Jahren nie entfernt hatte. Verständlich, war es doch auch so besonders ansprechend haha. "Natürlich... Ich werde mit um ein Bild kümmern", grinste sie dann entschieden. Würde sie nicht tun. Erstens wusste sie nicht, wo sie Poster machen lassen konnte und zweitens wäre es doch auch minimal übertrieben, ein so grosses Bild ihrer Wenigkeit in sein Zimmer zu hängen. Ein kleiner Rahmen für den Nachttisch war ja noch eine Sache. Aber alles andere... eher nicht. Apropos Bild: Sie wollte in diesen Ferien unbedingt etwa zweitausend Bilder von ihm und sich selbst machen. Die Zweitausend, die sie in der ganzen Zeit ihrer Beziehung schon hätten machen können, aber nicht gemacht hatten, weil die Möglichkeiten so ein Bisschen gefehlt hatten. Und die Anlässe. Und weil keiner ein Foto von ihnen hatte machen können, weil sie ja offiziell nicht zusammen waren - jedenfalls nicht dort, nicht im Krieg. Dabei waren Fotos eine so tolle Art, Erinnerungen einzufangen. Mussten sie also definitiv nachholen. Die Frage, die er daraufhin stellte, liess sie langsam wieder den Kopf heben und ihn anschauen. Das hatte sie sich durchaus auch schon überlegt... Aber zu einer sicheren Antwort war sie nie gekommen. "Ich weiss es nicht...", murmelte sie wahrheitsgemäss und richtete sich nochmal auf, um ihn sanft zu küssen. Sie hätte ihre Schwester auch vermisst, wenn Victor hier gewesen wäre.... "Aber wahrscheinlich schon. Weil ich es nicht übers Herz gebracht hätte, dir - und mir - das anzutun. Gerade nach allem, was du erlebt hast...", redete Faye zwischen zwei liebevollen Küssen weiter. Ja, wahrscheinlich wäre sie geblieben. Zumindest, wenn sie die Idee nicht schon soweit geformt hätte, dass keiner mehr wirklich daran rütteln konnte. Es wäre ganz darauf angekommen, wann genau sie ihn denn kennengelernt hätte, wann er sie hätte umstimmen wollen... Aber ihr Exfreund war ja auch da gewesen, als sie die Entscheidung getroffen hatte - für ihn war sie also nicht geblieben, obwohl sie ihn zweifellos auch geliebt hatte... Schwierige Frage. Und eigentlich war sie das Denken auch nicht wert, immerhin waren es Hirngespinste und es würde niemals dazu kommen... Sie hatten sich im Krieg kennengelernt und waren beide verpflichtet, dahin zurückzukehren. Egal, was sie sich einfallen liessen. Egal, was sie sich wünschten. Es gab keine Abkürzung und keinen einfachen Weg da raus.
Aryana grinste ihn nur fröhlich an, kam dabei aber gar nicht auf die Idee, ihm die Decke freiwillig zurückzugeben und sich nach Links zu verziehen. Brauchte sie allem Anschein nach auch nicht zu tun, da Mitch seinen Worten direkt selber Taten folgen liess, um sich das wärmende Stück Stoff zurückzuholen. Sie schnappte lachend nach Luft, als sie Sekunden später halb auf seinem Bett lag und dort eine Schnute zog. "Du weisst doch, dass ich die Sprache der Ironie nicht spreche!", heulte sie noch immer breit grinsend rum, als hätte sie wirklich nicht verstanden, dass er die Frage am Anfang gar nicht ernst gemeint hatte. Sie war gerade dabei, sich aufzurichten, um seine Beine wieder zu verlassen, als ihr Liebster den glorreichen Plan ausführte, sie erstmal unter der Decke zu begraben. Wieder lachte sie, wenn auch eventuell ein Bisschen frustriert, auf. „Wie wundervoll… Ich habe so viele Jahre meines Lebens damit verbracht, davon zu träumen, deine Beine zu umarmen“, schwärmte sie fröhlich noch unter der Decke – wohlwissend, dass auch diese Aussage mal wieder vollkommen falsch klang. Einige Sekunden später befreite sie sich dann doch von dem Ding, setzte sich stattdessen auf seinen Bettrand, wo sie erstmal ihre absolut wirren Locken richtete. Zum Glück waren diese von der Dusche noch feucht, was dieses Unterfangen etwas erfolgreicher gestaltete. Sie musterte ihn nachdenklich, zog dabei leicht die Stirn in Falten. Ihn rüberheben... Sie widmete sich ja gerne ab und zu ein paar sportlichen Herausforderungen. War auch keineswegs schwach, auch wenn er das vielleicht glaubte, weil sie immer noch eine Frau war. Aber sie konnte auch nicht wirklich abschätzen, wie schwer der junge Mann war – noch dazu würde er sich wohl kaum brav wie ein neugeborenes Baby tragen lassen. Schwierig. Aus dem Bett ziehen hielt sie auch für keine gute Idee, dann würde er sie nachher höchstens direkt wieder von der Matratze drängen. Die sie im Übrigen kaum erwarten konnte – so lange wie sie nur auf Feldbetten geschlafen hatte. Aryana seufzte ergeben, stand langsam auf und liess die Schultern hängen. „Ach maaannnn...“, meinte sie langgezogen, blieb unentschlossen stehen und trat von einem Fuss auf den anderen. Aber sie wäre nicht Aryana, wenn sie jetzt wirklich so leicht aufgeben und unter die andere Decke schlüpfen würde. Stattdessen wandte sie sich plötzlich wieder zu ihm um, schnappte sich das Kissen unter seinem Kopf weg und hüpfte damit auf das linke Bett, wo sie sich fröhlich grinsend mitsamt dem Kissen unter die Decke kuschelte.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Na das hörte ich doch gern. War ja auch so wichtig, dass ich in diesem Raum, den ich schon sehr bald wieder sehr lange nicht mehr sehen würde, ein Poster von Faye hängen hatte. Vor allem, wenn sie doch sowieso auch selbst hier war. In Person, zum mit ihr reden und auch anfassen. Absolut unabdingbar. Was mir dann doch irgendwie ein kleines bisschen wichtig war, obwohl es ebenso wenig Relevanz besaß wie auch die Postergeschichte, war die Antwort der jungen Frau auf meine Frage, die von zärtlichen Küssen umringt war. Vermutlich hätte mir das unentschiedene 'Ich weiß nicht' an sich schon gereicht, weil ich ja um die Umstände mit ihrer Schwester Bescheid wusste. Es nachvollziehen könnte, wenn sie dennoch gegangen wäre - trotzdem ließ es mich unwillkürlich breiter lächeln, als sie ein wenig später noch mehr Worte anfügte. Sagte, dass sie vermutlich doch sogar hier geblieben wäre. Obwohl das so fürchterlich unwichtig war, weil es an unser beider Entscheidungen im Bezug auf die Army Nichts zu rütteln gab, freute ich mich irgendwie darüber. "Das.. ist schön zu wissen.", stellte ich murmelnd fest und verschloss meine Lippen dann noch einmal mit ihren. Legte auch meine bis dahin noch freie Hand an die zarte Haut ihrer Wange, strich leicht darüber, während ich den Kuss noch ein bisschen in die Länge zog, auskostete. Dann aber löste ich mich ein wenig von Faye, sah ihr noch einen Moment lang in die blaugrünen Augen, bevor ich ihr einen weiteren Kuss auf die Stirn hauchte und mich dann endgültig von ihr los machte, um aufzustehen und zum Kleiderschrank zu gehen. Wurde doch langsam Zeit, aus den tarnfarbenen Klamotten heraus zu kommen und sie gegen etwas besseres einzutauschen. So wühlte ich einen Moment lang durch den Schrank, bevor ich mir ein paar bequeme Sachen zusammen gesucht hatte. Meine Eltern wussten, dass ich mich nach der Heimreise nie in Jeans zwängen wollte, also taten es eine schwarze Jogginghose und ein dunkelgrünes Shirt auch vollkommen, wenn wir in ein paar Minuten nochmal zum Essen runtergehen würden. Allerdings wechselte ich nicht nur das, sondern auch die Unterwäsche, sprich die Boxershorts. Die, die man in der Army zwangsweise vorgesetzt bekam, waren weit weniger bequem und auch etwas unangenehmer vom Stoff her, auch wenn ich mich daran inzwischen lange gewöhnt hatte. Wenn ich andere Optionen hatte, was hier der Fall war, wollte ich diese aber nutzen und so zog ich mich einmal komplett aus, nur, um mich dann wieder gänzlich einzukleiden. Anschließend warf ich dann einen kurzen Seitenblick in den relativ großen Spiegel an einer der beiden Schranktüren, musterte mich für eine oder zwei Sekunden. War jedes Mal aufs Neue komisch, mich wieder in zivil zu sehen.
Ja ne, ist klar. Ironie war also nicht so ihr Ding, was mir natürlich schon aufgefallen war. Deswegen unterhielten wir uns auch zu neunzig Prozent unserer Gespräche in triefendem Sarkasmus und Witzen. Weil Aryana mit Ironie nichts anfangen konnte. Ganz genau. "Du armes, armes Ding.", erwiderte ich daraufhin bloß kopfschüttelnd und rollte für einen Sekundenbruchteil die Augen nach oben. Hätte ich mir bei den nächsten Worten der Brünetten nicht gerade breit grinsend auf die Unterlippe gebissen, hätte ich wahrscheinlich stattdessen gelacht. Wer kuschelte auch nicht gerne mit Männerbeinen? Die waren, wenn entsprechender Kerl nicht gerade hochgradig fettleibig war, so schön hart und unbequem, um nicht zu sagen knochig am Schienbein. Noch dazu war da die Beinbehaarung, die bei Kerlen genetisch bedingt einfach wesentlich drastischer ausfiel, als bei Frauen. Wenn Mann also nicht gerade Stripper war und sich den Pelz abrasierte, war es da unten sicher schön flauschig. Schöne Kombination. War durch und durch nachvollziehbar, dieser Wunsch. "Rutsch' lieber noch ein bisschen weiter hoch und kuschel mit was Anderem.", war aber schlussendlich Alles, was ich feixend darauf erwiderte. Ich wusste nicht, ob ich genauso viele anzügliche Witze in Richtung meiner eigentlichen Chefin machen würde, wenn ich nicht so unausgelastet wäre. Andererseits war sie mit der Zeit viel mehr eine Freundin geworden und weniger Sergeant in meinen Augen, musste ich mittlerweile doch nicht mehr ansatzweise so akribisch aufpassen, was ich ihre Ohren wissen ließ und was nicht. Aber doch, vermutlich würde regelmäßiger Sex an der anstößigen Unterhaltungsweise Nichts ändern. Was das anging war das wohl auch einfach einer meiner Charakterzüge, die sich nur schwer ausbügeln ließen, aber für mich war das ja auch kein Problem. Eigentlich hätte ich dann jetzt auch friedlich schlafen gehen können, wäre Aryana nur nicht der Meinung, dass sie noch nicht genug von den Neckereien hatte. So landete mein Kopf kurz darauf vom Kissen auf der bloßen Matratze, was mich frustriert Seufzen und kurzzeitig das Gesicht in jene Matratze drücken ließ. Wie konnte sie dafür jetzt überhaupt so viel Energie besitzen? War sie nicht mal so ein bisschen müde? Gerade wohl nicht mehr. "Na schön..", grummelte ich während ich mich aufrichtete. Daraufhin stand ich auf, fackelte auch gar nicht wirklich lange und hob sie mitsamt Decke hoch, um sie auf dem anderen Bett, das schön von mir angewärmt worden sein dürfte, wieder fallen zu lassen. "Da hast du deine dämliche rechte Seite, Sturkopf.", gab ich ihren Aktionen nach und beugte mich dann noch einmal kurz über sie hinweg, um mir meine Decke zu holen. Dann drehte ich mich wieder zur linken Seite, wo ich das kalte Kissen aus der Ecke nahm und ihr postwendend ins Gesicht warf, nur um mich dann mit meiner Decke und meinem Kissen auf das ungeliebte Bett zu schmeißen. "Aber Decke und Kissen behalt' ich trotzdem.", stellte ich klar, dass sie den Mist jetzt bleiben lassen konnte. Machte es mir für heute zum hoffentlich letzten Mal auf dem weichen Kissen bequem und zog die Decke wieder über mich. Ne, die andere Seite hatte mir ja trotzdem besser gefallen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie lächelte an seine Lippen, erwiderte den Kuss zärtlich und voller Liebe. Sie hätte ihm auch einfach erzählen können, für ihn sowieso überall hinzugehen und dass sie mit ihm nie in den Krieg gezogen wäre, nur um ihn glücklich zu machen. Aber Faye war bis heute keine gute Lügnerin und so wäre ihr das nicht mal eingefallen. Es entsprach ganz einfach der Wahrheit, dass sie wohl hiergeblieben wäre, wenn jemand mit einer Geschichte wie seiner sie zurückgehalten hätte. Wenn der entsprechenden Halt da gewesen wäre, den sie damals gebraucht hätte. Sie wollte ihrem Exfreund keineswegs die Schuld in die Schuhe schieben. Da war einfach so vieles gewesen, das er nicht verstanden hatte und sie war so verzweifelt gewesen nach dem Tod ihres Bruders. Vince hatte ihr viel geholfen in der Zeit, die dann gekommen war. Und es war ihre Entscheidung, zur Army zu gehen, gewesen, die die Beziehung schliesslich endgültig erstickt hatte. Aber er war nie im Krieg gewesen. Er hatte nie jemanden verloren, der ihm viel bedeutet hatte. Er hatte sie nie zu hundert Prozent verstehen können und das war der Unterschied zwischen Vince und Victor. Naja - einer der Unterschiede. Aber wohl der Entscheidendste, was diese Sache damals anging. Faye blickte in Victors Augen, lächelte ihn weiterhin an, strich liebevoll über seine Wange, bis er sich schliesslich erhob, um sich umzuziehen. Sie blieb noch sitzen, schaute ihm einfach vollkommen unverfroren dabei zu, wie er sich von dem Soldaten den sie kannte, zu einem fast schon gewöhnlichen Sohn, der gleich runter zum Abendessen mit der Familie gehen würde, verwandelte. Sie lächelte verliebt und in ihrem Blick glitzerten tausend Träume einer jungen Frau, die sich doch einfach nur wünschte, die Welt wäre ein Bisschen weniger grausam. Ein Bisschen weniger böse. Schliesslich erhob die Brünette sich doch, ging langsam zu ihm hin, um die Hände in seinem Nacken zu falten und ihn für einen weiteren Kuss zu sich runter zu ziehen. "Ich liebe dich", flüsterte sie an seine Lippen, bevor sie sich kurz darauf doch wieder löste, um sich ihren eigenen Kleider zu widmen. Beziehungsweise Hazels Kleider, die sie nun sorgfältig durchschaute, um ebenfalls eine Jogginghose und dazu ein schlichtes, weinrotes Top heraus zu suchen. Sie zog sich um, strich einmal fahrig durch ihr etwas mitgenommenes Haar, das sich auf eine baldige Dusche freute, und legte die sorgfältig gefalteten Armyklamotten zur Seite. Dann wandte sie sich Victor zu, ging wieder zu ihm, wobei ihr Blick fast zwangsläufig ebenfalls am Spiegel vor ihnen hängen blieb. Wie zwei normale Menschen.
Sie konnte froh sein, dass sie zu dem Zeitpunkt, in dem eine weitere, höchst unangebrachte Bemerkung seinerseits ihre Ohren erreichte, unter seiner Decke gelegen hatte. Sonst hätte er nämlich gleich wieder mit Tomate und Rot und blahblah anfangen müssen. So hatte sie das aber ganz geschickt umgangen und er hatte seinerseits leider nicht mal eine Ohrfeige für diese Aussage geerntet. Während sie nun also unter ihrer eigenen Decke auf dem linken Bett lag, fröhlich vor sich hingrinste und dabei die Augen zudrückte, als wäre sie ein dreijähriges Kind, vernahm sie sein geschlagenes 'Na schön' zwar durchaus, wusste aber nicht wirklich, was er damit ausdrücken wollte. Bis er sie plötzlich hochhob und Aryana sofort zu zappeln und lachen anfing, als sie auch schon unsanft auf dem geliebten rechten Bett landete. "Danke, Mann!", rief sie freudig, während sie sich umgehend in die Decke auf der vorgewärmten Matratze kuschelte. Es waren Momente wie diese, wenn von Selbstdisziplin und Seriosität jede Spur fehlte, in denen so deutlich durchschien, wer Aryana mal gewesen war. Bevor der Krieg sie nachdenklich gemacht hatte. Bevor sie all die Menschen hatte sterben sehen, die sie gemocht oder sogar geliebt hatte. Bevor sie in eigentlich viel zu jungem Alter so verbittert geworden war gegenüber ihrem ahnungslosen Vaterland, gegenüber der Regierung, die das alles geschehen liess, gegenüber dem grausamen, gewissenlosen Feind, gegen den sie kämpften, gegenüber dem Leben, das sie eigentlich so nie gewollt oder geplant hätte. Es waren so seltene Momente wie diese, in denen sie fast vollkommen vergessen konnte, was sie alles gesehen hatte und zu wem sie sich damit gemacht hatte. Und sie würde dieses Wohnmobil in Australien, fernab von allem, was sie bis heute erlebt hatte, mit einem Freund wie Mitch, der sie lachen und vergessen liess, gerade gegen nichts in der Welt tauschen wollen. Vielleicht waren diese Ferien doch genau das, was sie beide dringend brauchten, nach Jahren der fast dauerhaften Anspannung. Sie hätte fast nachdenklich werden können. Wenn nicht plötzlich ein Kissen mitten in ihrem Gesicht gelandet wäre und sie damit erfolgreich im Hier und Jetzt behielt. "Mach was du willst, Schatz, ich bin glücklich", zwitscherte sie fröhlich zurück, bettete das Kissen unter ihrem Kopf ein und grinste ihn vielleicht minimal triumphierend an. "Du solltest jetzt schlafen - morgen wird ein sehr anstrengender Tag für dich. So wie die ganzen nächsten zwei Wochen jeder Tag sehr anstrengend sein wird... Ich bin vielleicht nicht ganz so pflegeleicht, wie ich dir das mal vorgerechnet habe", warnte sie ihn vergnügt vor. "Musste dir ja gute Argumente stellen, sonst wärst du niemals auf die Idee gekommen, dass das hier eine gute Idee sein könnte", fügte die Brünette noch an, ehe sie ihm einen verliebten Luftkuss zuwarf und sich nach ihrem Lichtschalter ausstreckte.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ich kam gar nicht dazu, mich meinem eigenen Spiegelbild allzu lange hinzugeben, weil Faye mich gekonnt wieder in ihren Bann nahm. Mich in einen der vielen schönen Küsse zog, den ich ebenso gefühlvoll erwiderte, wie er auf mich zukam, während ich meine Hände locker an ihre Hüfte legte. Fayes Worte ließen mich auflächeln und ein leises "Ich liebe dich auch.", zu ihr runter zu murmeln, kurz bevor meine Hände auch schon von ihrem Körper glitten, weil sie sich erneut abwendete, um ebenfalls die Klamotten zu wechseln. Ich sah der Brünetten noch einen Moment lang nach, bevor ich noch einen letzten Blick auf mich selbst im Spiegel warf. Schon mehrere Male war ich aus dem Krieg oder von Stützpunkten auf amerikanischem Boden wieder zurückgekommen und trotzdem war es immernoch gewöhnungsbedürftig, mich wieder in 0815 Klamotten zu sehen. Sie versteckten so unheimlich viel von meiner Geschichte und Vergangenheit, ließen nicht einmal mehr erahnen, wer ich war und was ich durchgemacht hatte. Das Einzige, was sich seit dem letzten Mal merklich verändert hatte, war meine Ausstrahlung. Mein ganzes Auftreten wirkte trotz der Müdigkeit, die die Heimreise mit sich gebracht hatte, nicht mal ansatzweise so kaputt und geschunden wie das letzte Mal. Gut, natürlich hatten die unzähligen Verletzungen am Rücken und der ebenfalls noch verheilende Einschuss am Bein auch schlicht kein aufrechtes Gehen möglich gemacht, aber es war vor Allem auch meine Mimik, die grundlegend anders war. Die nicht mehr so ausdruckslos, apathisch war, sondern im Augenblick fast gänzlich entspannt. Glücklich, hätte man sagen können. Wem hatte ich das zu verdanken? Dem kleinen, hilflosen Ding, das gerade ebenfalls einen Klamottenwechsel vollzog, was meine Augen wieder in ihre Richtung wandern ließ. Es wurde nicht langweilig, ihre nackte Haut zu sehen, die jedoch schon bald erneut in Stoff gehüllt war. Faye schloss wieder zu mir auf und unsere Blicke waren wohl sehr ähnlich, als wir uns im Gesamtbild betrachteten. "Ist komisch, oder..?", stellte ich ein bisschen überflüssig fest, musste aber doch ein klein wenig grinsen und drehte ihren Kopf sachte in meine Richtung, um sie auf den Haaransatz zu küssen. Als hätte sie es riechen können, dass wir uns gerade fertig umgezogen hatten, ertönte auch schon die Stimme meiner Mutter aus dem unteren Flur. Sie hatte es über die Jahre meiner und Hazels Kindheit hinweg perfektioniert, auch ja in jeder Ecke des Hauses zu hören zu sein, ganz gleich wie viele Türen und Wände dazwischen waren. "Gehen wir runter, bevor sie hoch kommt.", meinte ich ironisch auf den Essensruf Deborahs folgend, griff nach Fayes zierlichen Fingern und umschloss sie mit den meinen, bevor ich die Zimmertür ansteuerte. Ich deutete nach dem Verlassen des Zimmers noch auf eine andere Tür im oberen Flur, teilte meiner Freundin beiläufig mit, wo sie das obere Badezimmer fand, welches wir uns nur mit meiner Schwester teilen müssen würden. Meine Eltern schliefen im Erdgeschoss und nutzten auch das Badezimmer dort.
Weiterhin nur eher zähneknirschend akzeptierte ich die Tatsache, dass ich ihr um des Friedens Willen gerade nachgegeben hatte, war das doch normalerweise eher weniger Etwas, das mir im Sinn stand. Aber für den Moment schien es mir tatsächlich dennoch das Sinnvollere zu sein, einfach weil mein müdes Hirn das jetzt so gar nicht mehr mitmachen konnte. Der Körper mochte schon noch irgendwie Folge leisten, aber bis der Kopf mal hinterher kam, hatte sie mir wahrscheinlich noch zehn Mal das Kissen oder die Decke weggenommen. Mal davon abgesehen, dass mich das irgendwann sicher auch wütend gemacht hätte, schien Nachgeben Alles in Allem wohl gerade einfach die bessere Lösung zu sein. Dass Aryana sich darüber wie eine Schneekönigin freute, konnte ich ihr nicht verdenken. Derartige Triumphe kamen bei uns beiden doch allgemein eher selten vor, weil in der Regel beide zu stur zum Einlenken waren. Sowas wie Kissenschlachten - sofern man das hier so nennen konnte - hatte es bis dato noch nicht gegeben. Es sei ihr also einfach mal vergönnt. Ausnahmsweise. Auf das folgende Gerede und den herzallerliebsten Luftkuss der jungen Frau schüttelte ich, soweit das im Liegen möglich war, nur leicht den Kopf und schloss anschließend die müden Augen, die ohnehin schon fast von selbst zufallen wollten, weil die Müdigkeit ziemlich vehement anklopfte. "Wag' es ja nicht, so 'ne Nummer jetzt jeden Abend abzuziehen... sonst kauf ich dir 'ne Hundehütte und du kannst draußen schlafen.", warnte ich sie gleich einmal vor, dass sie sich nicht täglich umentscheiden sollte, welche Seite ihr denn jetzt lieber wäre. Würde nicht gut enden, sollte sie uns beiden lieber ersparen. "Solange du weiter nicht der Meinung bist, zum Einschlafen Rosenblätter auf deiner Betthälfte zu brauchen, soll mir das für heute erstmal egal sein..", murmelte ich weiter ein klein wenig grinsend vor mich hin, kurz bevor Aryana auch schon das Licht ausgeknipst hatte und mich die angenehme Dunkelheit einholte. Nein, ich würde wohl nicht lange zum Einschlafen brauchen, fuhr mein Körper gefühlt allein durch das Ausbleiben des Lichts um weitere fünfzig Prozent runter. "Gute Nacht, Schatz. Träum' von mir.", verabschiedete ich mich für heute, bevor ich mich noch einmal tiefer in die Decke und das Kissen eingrub.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sie lächelte zu ihm hoch bei seiner Bemerkung, nickte dann leicht. "Mhm... schon ein Bisschen", stimmte Faye ihm dann auch noch wörtlich zu, dass auch ihr der Anblick ihres Spiegelbildes erstmal etwas fremd vorkam. Ihre Augen fanden erneut den Spiegel und das Lächeln wurde breiter. "Aber besser, eigentlich... Es wäre mir lieber, wenns für immer so bleiben könnte...", murmelte sie immer leiser werdend vor sich hin. Ja, auch hier keine Überraschung. Sie bräuchte es im Grunde gar nicht mal auszusprechen, da Victor sicher längst wusste, was sie geben würde, um für immer nach Hause zurückkehren zu können. Er wusste wie so viele andere auch, dass sie nicht für den Krieg gemacht war. Dass sie die Schüsse und Granaten und Bomben hasste. Die Gewalt und die Grausamkeit und die Mordlust. Aber er auch. Und er sollte diese zwei Wochen mit ihr zur Ewigkeit werden lassen... Sie schloss für einen Moment die Augen, als sie seine Lippen an ihrer Stirn spürte, genoss seine Nähe und die Sicherheit, in welcher sie sich wenigstens für zwei Wochen theoretisch wähnen konnten. Dann ertönte auch schon die Stimme seiner Mutter und es wurde Zeit fürs Abendessen, dem Faye doch auch gewissermassen freudig entgegen schaute. Denn auch Hunger war eines der vielen Gefühle, die momentan ihren Körper so reich erfüllten. Sie nahm Victors Hand und ging mit ihm nach unten, wo sie sofort Hazels Blick auf sich spürte, der sie von oben bis unten scannte. Aber die Blondine schien durchaus zufrieden zu sein, klatschte freudig in die Hände ehe sie mit einem melodischen "Ich wusste, dass die Sachen passen würden", nochmal in Richtung Küche verschwand. Faye kam gerade noch dazu, ihr ein "Ja, vielen Dank", nachzurufen, ehe sie sich, nach einem Blick über den fertig gedeckten Tisch, auf dem es ganz eindeutig an gar nichts mehr fehlte, auf den Stuhl sinken liess, zu welchem Victor sie gelotst hatte. Das Letzte, was sie wollte, wäre, hier jemandem seinen Stammplatz streitig zu machen.
Aryanas Grinsen wurde eventuell direkt noch ein ganzes Bisschen breiter, als sie seine Worte vernahm, die sie nur versonnen mit den Schultern zucken liess. "Lass dich ruhig von meiner grenzenlosen Kreativität überraschen, Mitch... Morgen lass ich mir was Neues einfallen, um dir deinen Schönheitsschlaf zu rauben", versprach sie ihm gelassen, war sich auch absolut sicher, dass sie das in vierundzwanzig Stunden sicher hinbekommen würde. "Ausserdem kannst du mich nicht draussen schlafen lassen. Wir sind in Australien - schon vergessen? Hier gibts Schlangen... Und Spinnen... Und Krokodile... Und natürlich die berüchtigten Dropbears", beendete sie ihre Aufzählung des australischen Horrors mit dem berühmten Touristenschrecken des grossen Landes. Nein, draussen schlafen war vollkommen ausgeschlossen. Wenn, dann würde sie ihn, den starken Mann rauswerfen. Die Rosenblätter liessen sie sofort wieder aufhorchen und Aryana zuckte fröhlich mit den Augenbrauen. "Das wär doch mal ne wundervolle Idee für Morgen...! Ich lass dich nicht schlafen, bis du die roten Blüten der Blume der Liebe auf meinem Bett verteilt hast, damit ich mich fühle wie die Königin, die ich bin", träumte sie fröhlich vor sich hin, hoffte für ihn, dass er diesen Wunsch ernst nahm, weil er sonst morgen kein Auge zutun würde, "Gute Nacht, Liebling - und das tu ich doch immer", säuselte sie zum Schluss, bevor sie sich dann ebenfalls endgültig abmeldete und unter der Decke verschwand. Am nächsten Morgen waren sie wenig überraschend beide eher so ein Bisschen sehr früh wach. Jetlag lässt grüssen, aber das war in Ordnung - dann hatten sie wenigstens mehr vom Tag. Sie fuhren, als die Zeit zum Aufstehen auch für den Durchschnittsbürger reif war, erstmal in die Stadt, um etwas zu Essen zu kaufen und sich anschliessend um das angedrohte Shopping zu kümmern. Ein Einkaufszentrum war schnell gefunden. Das Parken des Wohnmobiles bekam Aryana auch beinahe perfekt hin. Das Shoppen an sich würde etwas aufwendiger werden. Vor wie vielen Jahren hatte sie das zum letzten Mal gemacht..?? Kleider shoppen... Konnte man nervös sein bei dem Gedanken, neue Klamotten anzuprobieren? Aufgeregt, zumindest.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Da hatte die junge Frau wohl zweifelsohne Recht, was ich ihr auch mit einem vielleicht etwas wehleidigen Nicken deutete. Allein war ich außerhalb des strikten Armee-Alltags nicht mehr zurecht gekommen, das hatte ich durchaus noch im Hinterkopf. War schließlich eine Zeit, die mich unheimlich geprägt hatte und die ich wohl niemals vergessen würde. Aber ich war mir eigentlich ziemlich sicher, dass es anders wäre, wenn Faye hier bei mir bleiben würde. Dass sie mir womöglich die Art von Halt und Stabilität im normalen Alltag geben könnte, die ich bis vor noch gar nicht allzu langer Zeit gebraucht hätte. Es waren viele Monate seitdem vergangen (wie viele genau... kein Plan, ich sollte mal nachrechnen x'D) und noch viele mehr, seit mich meine letzte bessere Hälfte hatte fast kampflos liegen lassen. Aber Faye hingegen war selbst im Krieg. Weit nicht so lange wie ich, aber die Eindrücke, die sie schon jetzt hatte sammeln müssen, waren mehr als genug Erklärung dafür weshalb ich so einen Knacks weg hatte. Noch dazu war sie wohl ganz allgemein gesehen auch ein bisschen einfühlsamer, als meine letzte Freundin... Alles in Allem für mein heutiges Ich einfach wesentlich passender, wie man unschwer an unserem durchweg positiven Beisammensein - bis auf gewisse Zwischenfälle, aber das war eher eine Ausnahmesituation - erkennen konnte. Wir hatten uns bis jetzt anderweitig kein einziges Mal gestritten. Unten angekommen ertönte nur kurz Hazels wie immer recht aufgedrehte Stimme und dann ließ ich mich neben Faye an den Tisch sinken. Die normale Sitzordnung war ein klein wenig abgeändert worden, damit wir nebeneinander sitzen konnten, was ich absolut begrüßte. Allein schon deshalb, weil meine Mutter manchmal ein kleines bisschen zu direkt war, wenn sie ihrer Neugierde nachgab und ich die junge Frau neben mir im Fall der Fälle mit einer unauffälligen Berührung am Oberschenkel beruhigen wollen könnte, sofern notwendig. Das einzige, was ich gleich im Voraus beim Telefonat und der Ankündigung Fayes bei meinen Eltern klar gestellt hatte, war, dass sie etwaige Fragen zu ihrer Familie besser sein lassen sollten. Ansonsten überließ ich die Gespräche also ziemlich dem Zufall. Als sich Alle am Tisch eingefunden und gesetzt hatten, folgte das standardmäßige, kurz gehaltene Tischgebet, das meine Mutter als Einzige für wirklich notwendig befand, aber wir ließen es dennoch immer über uns ergehen. Direkt im Anschluss reichten wir dann die Schüsseln umher und ich machte meinen Teller vielleicht ein bisschen sehr großzügig voll. Einfach weil ich das normale, gute Essen wirklich vermisste. Als sich Alle etwas aufgetan hatte wünschten wir einander noch "Guten Appetit.", und keine zwei Sekunden später wanderte die Gabel zum ersten Mal zu meinem Mund. Die Reise über hatte ich Nichts gegessen, schmeckte der Fraß in Flugzeugen für gewöhnlich nur schlecht und so hatte sich in meinem Magen ganz einfach Leere angestaut, die zügig gefüllt werden wollte.
Ich betete stumm gedanklich vor mich hin, während ich am Einnicken war, dass Aryana das nicht ganz ernst meinte. Dass sie nicht wirklich vor hatte, mich jetzt jeden Abend vom kostbaren Schlaf abzuhalten, nur weil ihr womöglich der Sinn danach stand. Natürlich auch, dass sie nicht ernsthaft verlangte, dass ich ihr die Bettdecke mit Rosen schmückte, da konnte sie nämlich nur von träumen. Sollte sich das jemals aus welchem Grund auch immer bewahrheiten, würde ich nebenher getrost einen Besen essen gehen. Dass ich letzteres freiwillig tat, war nämlich ungefähr genauso wahrscheinlich wie die Rosengeschichte. Quasi absolut Nein. Mal ganz davon abgesehen, dass sie hier nicht die Königin war. Dafür müssten wir nämlich schon verheiratet sein, weil ich der König war. Ebenfalls nein. Aber gut - ich zog den Schlaf eindeutig weiterer Diskussion vor, sonst würde ich nämlich vermutlich in zweihundert Jahren noch nicht schlafen. Ich wachte doch ein, zwei Mal auf während der Nacht, fühlte mich aber dennoch relativ ausgeruht am nächsten Morgen. Früh wach, es fing gerade erst an zu dämmern, aber das waren wir ja eigentlich sowieso nicht anders gewohnt. Würde sich die nächsten Tage aber sicher bei einem normalen Maß einpendeln, wenn ich mir weiterhin keinen Wecker stellte und Aryana die Güte besaß, mich nicht grundlos frühzeitig aufzuwecken - letzteres war eindeutig fragwürdiger, als die Weckersache, aber nun gut. Auf jeden Fall ging es ein wenig später für uns in die Stadt, wobei ich ganz bequem und etwas schief auf dem Beifahrersitz sitzend die Fahrkünste der jungen Brünetten beurteilte. Überwiegend nur geistig, aber ein oder zwei sarkastische Kommentare konnte ich mir dann doch nicht verkneifen. Im Einkaufszentrum angekommen wanderten meine Augen von Beginn an ziemlich aktiv, fast unruhig umher. War gewöhnungsbedürftig. Sowohl die zahlreichen gänzlich fremden Gesichter - die sich um diese Uhrzeit zumindest noch in Grenzen hielten -, als auch die vielen einzelnen Shops, die förmlich zur Kaufsucht einluden mit ihren beleuchteten Schriften und Schildern. Während wir den breiten Gang entlang liefen, dabei ein Geschäft nach dem Anderen mit den Augen scannten, fiel mir erst nach einigen Metern ein Laden ins Auge, der auf Anhieb vielversprechend aussah. Groß und modern, Kleiderauswahl für beide Geschlechter. Die Auswahl des ersten Shops fiel einfach auf Grundlage der riesigen Auswahl ein bisschen schwer, aber irgendwo mussten wir anfangen - also zog ich Aryana, die bis gerade noch in die andere Richtung geschaut hatte, leicht am Shirt und murmelte ein "Lass uns da anfangen.", zu ihr rüber, bevor ich auch schon in Richtung des Geschäfts einlenkte. Die Produktaufteilung des Ladens an sich war sehr eindeutig. Frauenklamotten links, Männerklamotten rechts. Dennoch fing ich recht unbeholfen damit an, die ersten Kleiderständer mit Blicken zu durchsuchen. War sehr ungewohnt und vielleicht ein kleines bisschen überfordernd, zumal ich auch einfach gar nicht wusste, wonach ich genau suchte. Über sowas wie Stil hatte ich mir seit unzähligen Jahren keine Gedanken mehr machen müssen, also bildete das die nächste Hürde. Das Einzige, was wohl klar war, war die schlichte "Farb"-Auswahl, die vermutlich mehr in schwarz, grau und weiß als was anderem ausarten würde. War noch nie der Typ für grelle, bunte Farben gewesen. Dunkle Farben waren auch ganz gut, aber das war's in der Hinsicht dann auch schon.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Faye schloss automatisch die Augen, als Debby zum Gebet ansetzte - einfach, weil sich das so gehörte. Glaubte sie. Sie fand es schön, dass Victors Mutter betete. Nicht, weil sie selber so gläubig war und es ihr wichtig wäre, sondern, weil es zeigte, dass die Frau trotz allem, was ihrem Sohn zugestossen war, den Glauben an eine höhere Macht nicht verloren hatte. Und das brauchte schon was. Es gab wahrscheinlich wenig Leute, die den Krieg gesehen hatten und dann noch immer die Meinung vertraten, jemand oder etwas würde eine schützende Hand über diese Welt halten. Oder sie alle lieben. Sie alle hören. Denn wie konnte ein Gott bitte einfach mitansehen, wie sich seine Menschen Tag für Tag abschlachteten, wie Kinder darunter litten, Unschuldige daran zerbrachen? Und trotzdem dankte sie fürs Essen und segnete die Mahlzeit. Vielleicht war es naiv. Aber Faye lächelte, fand es trotzdem schön. Als die Schüsseln mit dem Essen die Runde machten, füllte auch sie ihren Teller, bedankte sich selbstverständlich in allen Formen der Höflichkeit und begann schliesslich zu essen. Und es schmeckte wirklich vorzüglich - als hätte sie das letzte Jahr über (ich glaube, es waren mindestens 10-11 Monate, hab mal gerechnet. But idk - schon wieder vergessen.. Sagen wir ein Jahr... und sie sind immer noch gleich alt...xD) nur hartes Brot und Wasser zu sich genommen. Was sich im Grunde auch während dieses Jahres etwa so angefühlt hatte. Jedenfalls hatte Debby super gekocht und es führte Faye nur einmal mehr vor Augen, was sie alles für Abstriche machten, so weit von zu Hause. Man könnte meinen, wenigstens das Essen sollte gut sein, damit sie bei Kräften blieben. Aber nein... Die Gespräche während des Essens wanden sich gekonnt am Thema Krieg vorbei. Ausser Hazel, die die brennende Frage nicht unbeantwortet lassen konnte, wie zum Teufel man sich in dieser Hölle denn bitte verlieben konnte. Aber sonst wurde nicht über das letzte Jahr seitens Victor oder Faye diskutiert, was die junge Frau doch sehr schätzte. Immerhin waren sie zu Hause, um sich eine Auszeit zu gönnen, um ein paar Wochen zu vergessen. Oder dies zumindest zu versuchen. Stattdessen redeten sie also über die Arbeit seiner Eltern, über seine Verwandten, Hazels Studium, über alte Erinnerungen, die Debby gekonnt vor Faye auslegte, damit sie auch ja wusste, was sie sich für einen Mann angelacht hatte. Und Faye beantwortete die anfangs eher zurückhaltenden und dann doch eher neugierigen Fragen, die vor allem Victors Mutter ihr stellte. So wie sie sich an gewissen Themen vorbeidrückte, wurde schnell klar, dass ihr Sohn sie wohl vorgewarnt haben musste, keine Fragen zur Familie zu stellen. Dafür war die Brünette auch durchaus dankbar. Sie würde es vielleicht irgendwann erzählen, aber doch vorzugsweise nicht am ersten Abend, um hier direkt die heile Welt und die gute Stimmung zu zerstören. Von ihrer Schwester erzählte sie schon, machte Aryana doch einen nicht zu kleinen Teil ihres Lebens aus. Aber das wars dann auch. Nach dem Essen half sie kurzum dabei, das Geschirr wegzuräumen. Zumindest bis Debby sie aus der Küche scheuchte, weil Faye immerhin einen anstrengenden Tag gehabt habe und jetzt sicher nicht die Küche aufräumen sollte. Also ging sie zurück ins Wohnzimmer, setzte sich dort, müde wie sie jetzt nach dem Essen langsam definitiv war, kurzerhand auf Victors Schoss. Nur kurz. Sie würde hier keine Knutschnummer durchführen, solange die anderen auch noch irgendwo rumschwirrten. Aber ein kleines Küsschen brauchte sie trotzdem. So wie immer, eigentlich.
Okay, vielleicht war sie doch keine klassische Shoppingqueen und vielleicht kam sie sich hier, inmitten von mindestens dreitausend Läden, doch so ein Bisschen verloren vor. Und vielleicht war die Motivation, shoppen zu gehen, auch schon mit dem Betreten des Einkaufszentrum wieder verflogen. Es sah einfach so anstrengend aus... Schon aus der Entfernung. Wie sollte es dann erst werden, wenn sie die Kleider wirklich anprobieren musste? Ätzend. Das sagte wohl auch ihr minimal unbegeisterter, eventuell etwas überforderter Gesichtsausdruck aus, als sie sich in Mitchs Richtung drehte, weil dieser an ihrem Shirt gezogen hatte. Wie ein kleines Kind, das unbedingt in einen Laden wollte, den Mami aber gerade nicht angesteuert hatte. Gut, dann war also die Entscheidung der ersten Kleiderhölle, die sie nun betreten würden, gefallen. Sie ging mit ihm in das Geschäft, welches immerhin so aussah, als würden sie hier sicher fündig werden. Hatte nämlich gefühlt eine Million Kleidungsstücke rumhängen, von denen sie nun aussuchen durften. Mussten. Aryana blieb kurz leicht überfordert bei Mitch stehen, als dieser sich schon nach Rechts gewandt hatte. Sie kratzte an ihrer Stirn, als würde ihr das die plötzlich sehr nötige Motivation bescheren, die sie schmerzlich vermisste. "Brauchst.... du Hilfe, oder soll ich mich um meine eigenen Probleme kümmern?", fing sie die Suche erstmal mit einer sehr systematischen Frage an, blickte den jungen Mann schief lächelnd an, als könnte sie ihm tatsächlich bei der Auswahl helfen. "Du musst wissen, in meiner Erstausbildung war ich Modeberaterin", fügte Aryana dann noch sarkastisch an, zog dabei auch schon wahllos ein sehr hässliches, blutrotes Shirt von einem Ständer, drückte es überzeugt an Mitchs Brust. "Das. In Kombination mit...", sie schaute sich kurz um, fand eine kurze, grüne Carohose (noch hässlicher als das Shirt), "dieser Hose, ist dein erstes Outfit. Damit wird dir keine mehr widerstehen können. Nie", erklärte sie, wobei der trockene Ton ihrer Stimme wohl vermuten liess, dass sie keine Ahnung hatte, was sie hier tat. Und noch bevor er etwas sagen konnte, seufzte sie ergeben, hängte beides zurück an die Stangen, liess den Blick schweifen und fuhr sich durch die Haare. Annnnnstrengend. Das würden sie definitiv nur einmal machen in diesen Ferien.
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Vermutlich machte ich mir im Vorfeld viel zu viele Gedanken darüber, was meine Mutter womöglich alles fragen konnte. Es war ja gar nicht so, dass sie gar kein Taktgefühl besaß. Sie hatte schon welches, es litt nur ab und zu mal ein wenig unter ihrer Neugier. Sie wollte nunmal wissen, wer an der Seite ihres Sohnes Platz genommen hatte und das war bei wahrscheinlich jeder Mutter so. Andererseits wiederum plauderte sie nur allzu gerne ein wenig aus dem Nähkästchen, wen Faye hier neben sich sitzen hatte. Musste auch die eine oder andere Kindheitsgeschichte auspacken, auf die ich persönlich lieber verzichtet hätte. Auch, wenn ich natürlich Nichts vor Faye zu verbergen hatte. War einfach so eine Sache, dir mir in manchen Fällen etwas unangenehm war. Das sättigende Essen tat aber gut daran, mich eine Weile davon abzulenken, bis ich letztlich den leeren Teller ein Stück von mir weg schob. Die Gespräche hielten noch ein paar Minuten an, bis sich schließlich einer nach dem anderen vom Tisch erhob und ich nur dabei half, ein oder zwei Schüsseln mit in die Küche zu tragen, bevor ich das Weite suchte, weil wir uns sonst früher oder später gegenseitig auf die Füße getreten hätten. Also ließ ich mich einfach erst einmal aufs Sofa sinken, atmete zum x-ten Mal heute ein wenig tiefer durch. Sehr anstrengender Tag, so gern ich meine Familie auch wiedersah. Damit sicher gehen konnte, dass auch Alle wohlauf waren. Zumindest im ganz engen Kreis, meine Tante Maggie ärgerte sich wohl leider nach wie vor mit dem Krebs herum, was meine Mutter aber nur beiläufig erwähnt hatte. Weil es immer wieder besser und dann doch wieder etwas schlechter wurde und mein Vater - war es doch seine Schwester, die betroffen war - natürlich nicht gerne darüber redete. Dennoch setzte ich es automatisch auf meine To-Do-Liste, sie zumindest für ein paar Minuten im Krankenhaus zu besuchen, wobei Faye aber keinesfalls zwingend mit musste. Wäre sicher eher anstrengend für sie. Apropos: Mein Blick wanderte ganz von selbst zu der jungen Frau, als sie auf mich zukam und letztlich auf meinen Schoß sank, was mich gleich wieder ein Lächeln entwickeln ließ. Ich nutzte die kurze Zweisamkeit postwendend dafür sie liebevoll zu küssen, während sich mein Arm ganz automatisch um ihren zierlichen Körper schlang. "Wir bleiben nicht mehr allzu lang...", murmelte ich Faye anschließend leise zu, was sich auf unsere Anwesenheit mit meiner Familie in den unteren Wohnräumen hier bezog, bevor ich ihr einen zweiten Kuss gab. Ich war selbst ziemlich müde, würde mich vielleicht höchstens noch einer kurzen Dusche widmen und dann ins Bett fallen. Dachte ich jedenfalls. Mein Vater hingegen war wohl eben im Keller gewesen und trug zwei Bierflaschen in der Hand. Eine davon für mich, die mir kurz darauf von ihm geöffnet und unfreiwillig in die freie Hand gedrückt wurde. Ich grinste etwas schief, war mir doch eigentlich gerade nicht wirklich nach Alkohol, aber ich tat ihm den Gefallen. Einfach weil das dieses Vater-Sohn-Ding war, das er jedes Mal durchzog, wenn ich lange weg gewesen war. "Aber nur das eine.", stellte ich dieses Mal gleich im Voraus klar, dass ich mehr schlicht nicht vertragen würde. Zum einen der Müdigkeit wegen, aber vor allem wegen der Tatsache, dass ich noch nie ein guter Trinker gewesen war. Nach der Abstinenz erst recht nicht mehr. "Jaja, ist gut. Darf ich dir auch was bringen? Sekt? Wein?", wandte er sich an Faye, lächelte vor sich hin, während mein eigener Blick dann ebenfalls zu der jungen Frau glitt. Sie sollte sich ja nicht dazu verpflichtet fühlen, in diese Schnapsidee - ohne Schnaps, ha, ha - einzuwilligen.
Im Grunde genommen brauchte ich Hilfe, ja. Nur wohl eher nicht von Aryana, die mir kurz darauf sehr deutlich vor Augen führte, wie sehr sie ebenfalls keine Ahnung davon hatte, welche Klamotten denn nun taugten und welche nicht. Oder gar wie man das Ganze dann noch ordnungsgemäß kombinieren sollte, womit sie ja ebenfalls kläglich scheiterte, wenn auch vermutlich sehr absichtlich. Konnte mir zumindest nicht vorstellen, dass sie freiwillig gerne einen Kerl für zwei Wochen an ihrer Seite hatte, der Caro-Shorts trug. Mit farblich unpassendem Tshirt dazu auch noch. Ich schüttelte fast ein wenig verdutzt den Kopf, was meine eigene Unbeholfenheit wohl sehr deutlich unterstrich. "Wenn wir nicht nach der Reise von der Army auf 'nen Wanderzirkus umsatteln und ich nicht irgendwann vor Enthaltsamkeit sterben will, kannst du mir fürchte ich nicht helfen, du Fashionista.", meinte ich sarkastisch und warf ihr mit hochgezogener Augenbraue einen Seitenblick zu. Normalerweise kümmerte ich mich nunmal eher darum, wie mein Körper nackt aussah. Mit Tattoos unter der Haut kannte ich mich aus, ja, aber wenn dann Etwas jene Haut verdecken und einen guten Look abgeben sollte? Schwierig, wenn man jahrelang tagein, tagaus in den gleichen Klamotten rumgelaufen war. Sechs verdammte Jahre mit nur minimalen Unterbrechungen, die jetzigen zwei Wochen waren die eindeutig längste. Aber gut, wenigstens meine Größe wusste ich noch so grob über den Daumen geschätzt. Andererseits war ich noch ein klein wenig gewachsen seit meinem Einzug in die Armee, war ich doch noch sehr jung und nach wie vor im Wachstum gewesen. Es wurde also nicht einfacher. "Aber hey, wenn's dich tröstet... ich kann dir wohl auch höchstens mit der Unterwäsche helfen.", konnte ich mir die nächste, unnötige Bemerkung mal wieder nicht verkneifen, worüber ich aber auch gar nicht traurig war, weil sie meine Stimmung zumindest ein klein wenig aufhellte. Mich weiter grinsen ließ, während ich doch die ersten zwei Shirts vom nächsten Kleiderständer nahm, die auf den ersten Blick ganz gut aussahen. Irgendwo musste ich ja anfangen. "Kann ich euch helfen?", drang mir ein paar verzweifelte Minuten später seitlich eine unbekannte, recht helle Frauenstimme zu Ohren. Ich drehte meinen Kopf zu der Verkäuferin, die uns fröhlich anlächelte. Hatte wohl sonst Nichts zu tun. Eigentlich war ich nicht unbedingt motiviert zu einer Konversation mit einer fremden Frau, nur um sie über mein nicht vorhandenes Modebewusstsein aufzuklären. Aber wenn ich den ganzen Mist allein auf mich nahm, dann würden wir vermutlich noch ungefähr zehn Mal so lang brauchen, als wenn ich mich ein bisschen beraten ließ. Oder besser wir beide. Sie war jung, wohl kaum älter als 25 und als normaler Mensch hatte sie sicher unheimlich viel Zeit, um sich mit dem Thema Mode auseinanderzusetzen. Würde sonst bestimmt auch nicht frohen Mutes hier arbeiten, schien ihre Laune doch außerordentlich gut zu sein. "Wär' nett, ja... wir haben beide absolut keine Ahnung von Klamotten.", lenkte ich also zähneknirschend ein, woraufhin die Verkäuferin - Annabelle, wie mir das kleine Namensschild verriet - nickte und dann ihren Kopf noch einmal wegdrehte, um nach einer "Mary?!", zu rufen, die kurz darauf ihren Kopf hinter der Kassentheke hervor streckte. Dann ebenfalls auf uns zukam, um sich Aryana anzunehmen, die sich dem jetzt mehr oder weniger zwangsweise ebenso hingeben musste. Es würde uns vermutlich zwar beiden furchtbar auf die Nerven gehen, aber so war die Sache an sich ganz bestimmt schneller erledigt. Sofern die Brünette nicht wirklich 2-3 Stunden beim Anprobieren pro Tshirt brauchte zumindest.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Da war es ja auch schon - das Küsschen, welches sie gesucht hatte. Sie erwiderte die Zärtlichkeiten natürlich ebenso liebevoll, lächelte gegen seine Lippen, als er ihr versicherte, dass der Abend sich nicht mehr zu lange hinziehen würde. Das war gut. Nicht, weil sie seine Familie nicht mochte, sondern einfach, weil sie müde war und weil das alles doch sehr anstrengend für ihre Seele war. Die alten Gefühle, die das Wiedersehen in ihr aufgeweckt hatte, geisterten weiterhin pausenlos in ihrem Kopf herum, mischten sich mit der Freude der Rückkehr und der Erleichterung, dass sie sich bisher tatsächlich sehr wohl fühlte bei Victors Verwandten. Alles in allem herrschte in ihr ein sehr ermüdender, dauerhafter Wechsel zwischen traurig und fröhlich, den sie so gut wie möglich für sich zu behalten versuchte. Reichte ja absolut, wenn sie damit zu kämpfen hatte. Aber genug davon, sie wolle sich wirklich nicht beklagen - wegen gar nichts. Lieber liess sie zu, dass ihre Augen bei einem weiteren, sanften Kuss erneut zufielen, ihr Freund mal wieder erfolgreich dafür sorgte, dass sie für einem Moment an gar nichts anderes als ihre unendliche Liebe zu ihm dachte. Viel Zeit alleine blieb ihnen aber nicht mehr, wie Jose sie gleich darauf vermerken liess, als er mit zwei Bier bewaffnet den Raum betrat. Eines davon ging kurzum an Victor über, während Faye sich gleich darauf mit der Frage konfrontiert sah, ob sie ebenfalls noch was wollte. "Ich weiss nicht, ob das eine gute Idee ist.. Ich bin nicht unbedingt trinkfest und das letzte Jahr hat dem wohl kaum positiv zugesetzt", meinte sie lächelnd, schüttelte etwas den Kopf, womit sich Papa Rivera dann auch zufrieden in seinen Sessel sinken liess. Allerdings hatte sie damit die Rechnung ohne die beiden Damen des Hauses gemacht, die schon wenige Minuten später wieder zu ihnen stiessen. Hazel - obwohl selbst noch nicht mal alt genug, um legal Alkohol trinken zu dürfen - balancierte auf einem weissen, mit pastellfarbenen Blumen verzierten Serviertablett eine Flasche Sekt begleitet von drei glänzenden Gläser in die Stube. Sie sparte sich die Frage auch direkt, streckte Faye mit einem breiten Grinsen nur Sekunden später ein gut gefülltes Glas entgegen. Die Brünette zögerte zwar kurz, nahm den Sekt dann aber mit einem leisen "Danke - aber bitte komm nicht auf die Idee, das Glas noch einmal zu füllen", doch entgegen, lächelte Hazel dabei warnend an. Das Bisschen Alkohol würde sie hoffentlich nicht direkt ins Jenseits befördern. Auch wenn Faye sich sicher war, dass es trotzdem nicht ganz spurlos an ihr vorbeigehen würde. Wie gesagt - sie war wirklich nicht trinkfest. Aber wenns zu viel war, würde sie sich wohl oder übel in der Hälfte schon wieder vom Glas trennen müssen. Sie hatte immerhin echt nicht vor, sich hier zu betrinken.
Ach was. Spürte sie hier eventuell leicht mangelhaftes Vertrauen seinerseits in ihre Fähigkeiten? Dabei hatte sie dem jungen Mann doch zweifellos auch schon den Arsch gerettet, also wie konnte er ihr dann bitte nichtmal die Wahl eines Shirts für ihn zutrauen? Gut, eventuell war das nicht ganz dasselbe Metier, nicht unbedingt ihr Fachgebiet. Aber trotzdem. "Ich dachte, Wanderzirkus und Enthaltsamkeit entsprächen genau deinen Wünschen", zuckte sie sarkastisch mit den Schultern, blickte sich erneut absolut planlos um. Auch seine nächste Bemerkung entlockte ihr höchstens ein Augenrollen. Unterwäsche. Ganz toll. "Das ist wohl die einzige Sache, die ich wirklich selber schaffe - danke", meinte sie trocken, wobei sie dann doch nochmal innehielt und sich mit einer hochgezogenen Augenbraue erneut ihm zuwandte. "Obwohl es mich natürlich brennend interessieren würde, wofür du dich entscheiden würdest, Schatz", fügte Aryana in lieblichem Tonfall an. Er hatte ja nichtmal den Ansatz einer Ahnung, was sie für eine Grösse brauchte. Höschen waren einfach, das konnte Mann noch relativ einfach ihrer Figur ableiten. Aber BHs? Viel Spass damit. Gleich darauf hatte sich die Frage aber auch schon erübrigt, weil eine der Modefreaks, der wahren Fashionistas den Weg zu ihnen gefunden hatte. Und ganz ehrlich: das Letzte, worauf Aryana gerade Lust hatte, war eine Modeberatung. Das sagte auch ihr Blick aus, mit dem sie Mitch fast schon verstört anschaute, als er die Verkäuferin tatsächlich dazu anhielt, ihnen zu helfen. Verdammte Scheisse, als ob sie sich mit so nem Modetussi unterhalten möchte..! Da kam sie auch schon angewatschelt, Mary, ebenfalls zwischen 25 und 30 Jahre alt, silbergrau gefärbte Haare - wtf an dieser Stelle - und ein fettes, verdammt gefaktes Grinsen, welches ihr beim Gehen fast das aufgeschminkte Gesicht zerriss. Aryana ging minimal unmotiviert hinter ihr her zu den Damenabteilung wo sie ziemlich bald all das aufzählen konnte, was sie ganz sicher nicht tragen wollte. Nach gefühlt sieben Jahren ausgiebiger Beratung - denn wie zu erwarten lebte Mary für diese Kleider, hatte also auch zu jedem Stück zwanzig Facts aufzuführen, die nicht vergessen bleiben sollten - war der Stapel dann komplett und Aryana eindeutig der Meinung, genug Kleidung für die ganzen zwei Wochen zusammen zu haben. Es waren auch keine hässlichen Stoffstücke, sie hatte schon dafür gesorgt, dass sie sich in dem Zeug dann wenigstens wohl fühlen würde. Also war der Einkauf am Ende wohl ein Erfolg. Wenn auch ein sehr zeitraubender, äusserst nervenaufreibender Erfolg. Die Sachen wurden über den Scanner gezogen, die Brünette drückte die Karte aufs Terminal und wenig später konnten sie den Laden mit vollen Einkaufstüten endlich verlassen. Was Aryana mit einem erledigten "Halleluja", quittierte. Alles, was sie jetzt noch brauchte, war ein Bikini, da dieser Laden diesbezüglich wenig bis gar nichts zu bieten gehabt hatte. Und genau das liess sie ihre Begleitung mit einem Seitenblick nun auch wissen. "Ich brauch noch einen Bikini. Und dann will ich wirklich, wirklich baden gehen", falls er andere Pläne hatte, sollte er das besser jetzt gleich äussern. Auch wenn sie nicht wirklich bereit war, noch was an ihren Wünschen und Vorstellungen des restlichen Tages zu ändern.
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Mein Vater fand sich schnell und einfach mit Fayes netter Ablehnung ab, worüber ich sehr froh war. Mir bekam der Alkohol nach der langen Zeit ja schon nicht unbedingt gut, wie musste es da erst bei meiner zierlichen Freundin sein? Kaum besser auf jeden Fall. Sahen meine Mutter und meine Schwester aber wohl anders als ich. Auch anders als Faye, die gar nicht erst gefragt wurde, sondern sich einfach des Annehmens genötigt fühlen musste. Innerlich seufzte ich deswegen auch auf, behielt das aber für mich. Ich fand es schlicht nicht schön, dass Faye nun doch Etwas trinken würde, obwohl sie das gar nicht wollte. Musste einfach nicht sein. Ich fand mich dennoch mit der Situation ab, als Jose auch schon seine Bierflasche anhob, um ein paar Worte zu sprechen. "Darauf, dass ihr beide heil zurück gekommen seid... und es hoffentlich immer werdet.", sprach er einen nur knappen Toast aus, der auch einen kleinen Wermutstropfen in sich hatte, bevor wir die Gläser und Flaschen aneinander klirren ließen. Obwohl der Spruch eben nicht nur Positives in sich barg, sondern mich gleichzeitig auch ein wenig zum Nachdenken anregte, betrachtete ich ihn als schön. Vermutlich, weil er damit einschloss, dass Faye hier ebenso willkommen war wie ich selbst. Im Grunde erwartete ich nichts Anderes, weil sowohl meinen Eltern, als auch meiner Schwester bereits aufgefallen sein musste, wie gut mir die junge Frau tat. Dass sie es schaffte, zumindest einen Teil meines früheren Ichs aus dem Schutt des Traumas zu bergen. Dass nur sie es überhaupt erst möglich für mich machte, dass ich mich endlich wieder lebendig fühlte und nicht mehr so, als würde ich jeden Tag ein Stück mehr von der schon schwachen Lebensenergie abgeben müssen. Trotzdem war es schön, auch noch einmal wörtlich zu hören, dass mein Vater sie bereits akzeptiert und in den Familienbund mit eingeschlossen hatte. So nahm ich den ersten Schluck doch mit einem sichtbaren Lächeln aus der Flasche. Im ersten Moment war der Geschmack des Alkohols wirklich sehr ungewohnt, aber nicht unangenehm. An sich mochte ich den Geschmack herben Biers auch ganz gerne, nur den Effekt davon eben nicht. Es war nicht angenehm für mich, wenn meine Sinne beeinträchtigt waren, obwohl Faye womöglich einen fast identischen Effekt auf mich hatte. Tatsachen gerne mit ihrer bloßen Anwesenheit verschleierte. Zum Beispiel eben die Tatsache, dass wir Glück brauchen würden, um weiterhin heil aus dem Krieg nach Hause zu kommen. Aber das war jetzt echt keine Sache, von der ich mir das Beisammensein noch vermiesen lassen wollte. Letzten Endes zog sich der Abend doch noch fast eine ganze weitere Stunde hin. Es war am Anschluss an den Toast eine recht lockere Unterhaltung, die von leiser Musik aus dem Radio der Stereoanlage im Hintergrund begleitet wurde. Hazel war einfach ein Mensch, der 24/7 Musik um sich herum brauchte, wenn es denn die Möglichkeit dazu gab. Durch den Alkohol, den ich nur langsam und schluckweise zu mir nahm, wurde ich doch irgendwann immer müder. Es war nur ein einziges Bier und dennoch fühlte ich mich leicht beschwipst, was mich nur weiter in dem Vorhaben bestärkte, schlafen zu gehen. So verabschiedete ich mich, als ich aufgestanden war, nur noch mit einem "Schlaft gut.", vom Rest meiner Familie, die Selbiges erwiderte und reichte Faye noch im gleichen Zug meine Hand, um meine Finger wieder mit ihren zu verschränken. "Ich geh' wohl doch erst morgen früh duschen..", murmelte ich vor mich her, als wir auf dem Weg nach oben waren. "..aber du kannst auch jetzt noch, wenn du möchtest.", fügte ich recht unnötig an, weil die Brünette sicher wusste, dass sie damit keineswegs an meine Pläne gebunden war. Natürlich duschte ich gern mit ihr zusammen - wobei das dann natürlich nicht nur die Körperhygiene einschloss, konnte ich meine Finger für gewöhnlich doch nur schwer von ihr lassen -, aber es war ja nicht so als würde die Zeit drücken. Es gab jetzt zwei Wochen lang mehr als genug Möglichkeiten dazu.
Zirkus war absolut meins, ja. Die ganzen bunten Lichter und lächerlichen Kostüme, die oft eher dem Karnival glichen... nein, danke. Brauchte ich wirklich nicht. Auf die Enthaltsamkeit brauchte ich wohl gar nicht einzugehen. Dass sie mit ihrer Unterwäsche allein zurecht kam, hatte ich bereits befürchtet. Aber hey, den Versuch war es wert gewesen - oder so. Ich wäre Aryana aber tatsächlich dankbar dafür gewesen, hätte sie die letzte Bemerkung sein lassen, führte sie doch unweigerlich dazu, dass sich mein in dieser Hinsicht furchtbar unausgeglichenes Hirn Gedanken dazu machte, wofür ich mich denn entscheiden würde. Umso dankbarer war ich dafür, dass die Verkäuferin mich im Anschluss ziemlich intensiv beriet und damit gekonnt ablenkte, wenn man das so sagen konnte. Die Sache mit den Farben, die ich nicht wollte, war zumindest recht zügig geklärt, aber der weitere Weg gestaltete sich wie erwartet holprig. Bei manchen Dingen konnte ich mir einfach nicht vorstellen, wie sie letztendlich an mir wirkten und so gab es doch einige Dinge, die ich nach dem Anprobieren getrost wieder verwarf. Das allein frustrierte mich schon unheimlich, aber ich versuchte trotzdem so wenig wie möglich meiner knurrigen Gemütseinstellung an der guten Annabelle auszulassen. Mit der einen oder anderen genervten Antwort musste sie trotzdem leben. Am Ende war ich aber dennoch relativ zufrieden, was meine Wahl anging. War ja nicht so, dass die junge Verkäuferin keine Ahnung von dem hatte, was sie mir zu erklären versuchte. Sie wusste schon was sie tat, daran hegte ich keine Zweifel, aber das änderte Nichts an der blöden Situation. Am Ende, als ich bereits ein paar wenige Minuten mit gepackten Taschen an eine der Säulen im Mittelgang gelehnt auf Aryana wartete, war ich doch wirklich froh, den Laden endlich verlassen zu können und schloss mich ihrem Gang aus dem Geschäft ungeniert an. Die beiden Verkäuferinnen waren sicher auch froh drum, uns wieder los zu sein. Einfache Kundschaft war bestimmt was Anderes. "Hab' ich mir irgendwie weniger... nervig vorgestellt.", stellte ich leicht seufzend auf den 'Ausruf' der Brünette hin fest. Lauschte anschließend ihren folgenden Worten, die sofort ich mit einem Nicken abtat. Ja, das kühle Meereswasser klang mir jetzt durchaus sympathisch, um die erhitzten Gemüter ein wenig zu beruhigen, war die junge Frau neben mir doch ziemlich sicher genauso angespannt wie ich nach dieser Einkaufsmission. "Ja, sind wir schon zwei.", pflichtete ich Aryana auch noch einmal wörtlich bei, bevor wir weiter gingen und nach dem nächsten Geschäft Ausschau hielten, das entsprechende Kleidung im Sortiment hatte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Auch das Gesicht der jungen Brünetten wurde von einem ehrlichen Lächeln erhellt, als sie die Worte von Victors Vater vernahm. Es erwärmte tatsächlich ihr Herz, wie er sie in seine Aussage einschloss, wie er, seine Frau und seine Tochter sich so viel Mühe gaben, damit sie sich hier Zuhause fühlte. Victor natürlich auch. Aber von ihm war auch kaum was anderes zu erwarten gewesen, so wie sie ihn kannte. Faye genoss die leise Musik der Stereoanlage im Hintergrund, lauschte immer wieder den zahllosen Liedern, die sie nicht kannte, weil sie ein Jahr lang so gut wie keine Musik gehört hatte. Jedenfalls keine Neue und davon gabs ja Tag für Tag endlos viel. Den Sekt trank sie in kleinen Schlücken und sehr langsam, weil alles andere einfach dumm gewesen wäre. So spürte sie nach einer Stunde zwar den leichten Schwindel im Kopf und die weiter gestiegene Müdigkeit, aber konnte sich immerhin noch genauso an den Gesprächen beteiligen wie zu Beginn des Abends. Jedenfalls theoretisch, wenn sie nicht wirklich langsam während dem Reden wegpennen würde. Wenig später wurde die Runde dann aber sowieso aufgelöst, da der allgemeine Drang zu schlafen das Bedürfnis, sich ewig zu unterhalten, schleichend aber immer mehr übertrumpfte. Faye nahm Victors Hand, verabschiedete sich mit einem müden aber dennoch warmen Lächeln ebenfalls von den anderen. Seine Worte liessen sie nochmal kurz nachdenken. In seinem Zimmer angekommen, suchte sie kurz ihre Kleider durch, ehe sie sich mit einem Bündel davon zur Tür aufmachte. "Ich denke, ich geh doch noch kurz jetzt. Schlaf nicht ein, bevor ich zurück bin", murmelte sie ihm zu, bevor sie sich mit einem Luftkuss verabschiedete und ins Bad huschte. Etwa zwanzig Minuten später kam sie sauber und mit frisch geputzten Zähnen zurück, hängte die kaum angebrauchten Klamotten über den Stuhl vor dem Schreibtisch und begab sich dann auf direktem Weg zu ihrem Freund unter die Decke in seinem Bett. Und kaum lag sie auf dieser gefühlt endlos breiten und endlos weichen Matratze, entwich ihr ein vollkommen angetanes Stöhnen. Sie drehte sich träge zu Victor, legte einen Arm um ihn und zog sich näher zu ihm hin. "Ein Bett... Ein echtes Bett... Wie toll ist das denn bitte??", nuschelte sie an seine Brust. Sowas sollten sie aus dem Urlaub mitbringen dürfen... Ein verdammtes Bett!
"Saaaame", murmelte Aryana noch beim Verlassen des Ladens. Ja, weniger anstrengend hätte das auf jeden Fall sein dürfen. Sie hatte das letzte Mal Kleider Shoppen vor heute auch nicht so schrecklich in Erinnerung. Aber lag wohl daran, dass sie damals noch gewusst hatte, was sie gesucht hatte - nicht so wie gerade eben. Aber gut, es war vollbracht, sie konnte sich gleich nach ihrem Strandbesuch in neue Klamotten werfen und sich fühlen wie so ne durchschnittliche Backpacker-Hippie-Roadtrip-Touristin. Also alles wunderbar. Genauso wunderbar war auch, dass Mitch ihr ohne Widerrede beipflichtete, was den Plan anbelangte, den sie soeben geäussert hatte. Ein guter Antrieb, jetzt möglichst schnell eben jenen passenden Bikini zu finden, den sie dann so bald wie möglich im Wasser schwenken könnte. Ein Laden hierzu war in einer Küstenstadt wie Perth schnell gefunden. Und Aryana hatte gar nicht vor, es hier irgendwie kompliziert zu machen, weshalb die Wahl doch relativ schnell auf einen einfach in schwarz gehaltenen Zweiteiler gefallen war. So sicher, dass sie sich mit derart wenig Stoff am Körper wohlfühlen würde, war sie sich zwar nicht mehr, aber jegliche Bedenken würden spätestens mit den Wellen weggespült werden. Sie hatte ja kein Problem mit ihrem Körper, wirklich nicht. Aber die letzten Jahre hatte sie nunmal eigentlich immer komplett eingepackt unter mehrheitlich Männer gelebt, weshalb das Zeigen nackter Haut doch nicht unbedingt zu ihren Hauptbeschäftigungen zählte. Aber wie dem auch sei. Mit den ganzen Tüten bewaffnet, befanden sie sich wenig später auf dem Rückweg zu ihrem Wohnmobil, wo die ganzen Sachen erstmal eher achtlos in den Wohnraum geschmissen wurden. Aryana liess Mitch diesmal wieder den Vortritt am Steuer, um selber den verlockendsten Strand rauszusuchen und den jungen Mann anschliessend zu genau diesem zu lotsen. Ihre Laune besserte sich auf dem Weg immer mehr, bis sie schliesslich, an ihrem Ziel angekommen, strahlend die Tür aufstiess um neben dem Auto stehend das nur noch wenige Meter entfernte Blau zu betrachten. Die Sonne glitzerte am fast wolkenlosen Himmel und die Temperaturen waren so ziemlich perfekt für einen Sprung ins kalte Nass. "Einfach. Nur. Geil", stellte sie begeistert fest, hüpfte zurück in den Campers, um sich erstmal im Bad einzuschliessen und ihre Kleidung gegen den Bikini einzutauschen. Sie wickelte sich erstmal auch direkt das ebenfalls neu gekaufte Tuch um den Körper, schlüpfte in die Schuhe und hüpfte zurück vor die Tür. Eindeutig hin und weg von dem, was sie hier sah. "Kommst du, Liebling?", zwitscherte sie ungeduldig ins Innere des Wohnmobiles, als würde sie hier auf heissen Kohlen stehen.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Faye schien noch einen Augenblick lang zu überlegen, entschied sich dann oben angekommen aber doch recht zügig dafür, doch noch schnell unters Wasser zu springen. Damit hatte ich wie gesagt auch kein Problem, nickte nur leicht lächelnd mit einem "Mach das.", bevor sie auch schon aus meinem Zimmer verschwand und ich mir nur noch das Shirt, die Jogginghose und die Socken vom Körper schob, bevor ich zum Bett ging, um die kleine Nachttischlampe anzuschalten, die hin und wieder einen Wackelkontakt hatte. Heute schien sie aber einen guten Tag zu haben, also ging ich noch einmal zum Lichtschalter neben der Tür und der Raum wurde schlagartig wesentlich dunkler. Das sorgte nur dafür, dass ich mich umso kampfloser der Müdigkeit hingab, als ich mich auf dem Bett niedergelassen und die Decke über meine Beine gezogen hatte. Eigentlich hatte ich mich gar nicht hinlegen, sondern nur am Kopfende hinsetzen wollen, rutschte aber in der Zwischenzeit mit dem Handy in der Hand immer tiefer ab und legte es schließlich bei Seite, um mich ganz hinzulegen. Eigentlich hätte ich vermutlich nochmal ins Bad gehen sollen, um mir wenigstens die Zähne zu putzen, aber ich hatte wirklich keine Lust, nochmal aufzustehen. Erst recht nicht mehr, als sich die Brünette schließlich zu mir unter die Bettdecke stahl und sich wie gewohnt ohne Umschweife an mich kuschelte. Nur nicht zwangsweise beengt so wie sonst, sondern doch auf etwas bequemere Art und Weise durch den größeren Spielraum. Nein, ich war mir wirklich sicher, mir würden nicht über Nacht alle Zähne ausfallen, wenn ich sie heute ausnahmsweise mal nicht putzte. Vermutlich würde ich, weil ich jetzt nicht mehr ging, sowieso irgendwann in der Nacht aufstehen, wenn das Bier wieder Adieu sagen wollte, also konnte ich das getrost dann nachholen, sofern ich es nicht vergaß. Oder ansonsten eben morgen früh. Die Faulheit und die Bequemlichkeit in Verbindung mit Fayes weicher Stimme gewannen gerade eindeutig den Kampf gegen das Gewissen. Ihre Worte ließen mich auch gleich ein wenig schmunzeln, als ich meinen Arm um sie legte und begann, ihr sachte über die Schulter zu streichen. Auch die Augen fielen mir langsam aber sicher immer weiter zu, war ich doch eigentlich nur noch wach geblieben, um die zierliche junge Frau noch im Bett empfangen zu können. "Ja... man wusste das vorher so gar nicht zu schätzen.", erwiderte ich leise, etwas undeutlich, weil meine Gehirnzellen bereits in den Schlaf abdriften wollten. "Ist echt der Himmel.", schloss ich diese Überlegung leise lächelnd ab, beugte mich dann noch einmal zu ihr runter, um sie sanft zu küssen, wonach meine Augen dann schon endgültig zu blieben, als ich zurück ins Kissen sank.
Ich war doch wirklich ein Stück weit dankbar dafür, dass wir uns mit dem Bikini nicht allzu lange aufhalten mussten und Aryana ziemlich zügig eine schlichte Auswahl traf. Reichte ja auch vollkommen, sie musste nicht herausstechen wie ein bunter Hund. So machten wir uns schon wenig später auf den Weg zu einem Strand, dessen Wahl ich ganz freiwillig der Brünetten überließ. Einfach weil ich nicht glaubte, dass es hier wirklich schlechte Strände gab. Hier waren viele Touristen zugange und die Stadt tat sicher gut daran, alle umliegenden Strände sauber zu halten und ausreichend zu pflegen, um ein einheitlich schönes Bild abgeben zu können. So ließ ich mich einfach von meiner weiblichen Begleitung zum Strand ihrer Wahl dirigieren und es bildete sich fast unverzüglich ein leichtes Grinsen auf meinen Lippen, als ich letzten Endes das Wohnmobil anhielt und prompt die Wellen durch die Frontscheibe erblickte. Ich sprang schon kurz darauf vom Beifahrersitz, um mich dem Innenraum des Fahrzeugs zu widmen und in den unzähligen Einkaufstaschen nach den dunkelblauen Badeshorts zu kramen. Als Aryana schon nach draußen gehuscht war, wechselte ich dann ebenfalls die Klamotten. Befreite mich von jeglichem unnötigen Stoff, schlüpfte noch in die Badelatschen und schnappt mir zuletzt eines des gekauften Handtücher, das ich mir getrost über die rechte Schulter warf. Noch die Sonnenbrille auf die Nase - ich konnte es nicht leiden, wenn mich das fast weiße Licht blendete - und ein Griff zur Wasserflasche im Kühlschrank, bevor ich ebenfalls locker nach draußen ging und anschließend den Camper abschloss. "Weiß nicht wovon du redest, ich warte nur auf dich.", grinste ich im Vorbeigehen, als ich bereits den weißen Strand ansteuerte und es dauerte gar nicht lang, bis ich den Sand unter und auch in den Schuhen hatte. Würde mich im Krieg mehr als Nerven, hatte ich dort doch auch den rötlichen Sand nur allzu oft an Stellen, wo ich ihn nicht haben wollte, aber gerade war es das absolut okayeste der Welt, dass mir ein paar Sandkörner am Fuß hingen. Ich suchte den Strand mit den Augen nach einer Stelle ab, an der nicht allzu viele Menschen herumlagen, wurde auch nicht allzu viele Meter weit weg fündig und legte da gezielt Alles ab, was ich nicht brauchte. Das waren in diesem Fall dann das Handtuch - in welches ich den Schlüssel des Wohnmobils sicherheitshalber gut einwickelte -, die Schuhe, das Wasser und die Sonnenbrille, die ich wohl erst brauchen würde, wenn wir letztendlich in der Sonne liegen würden. Dann drehte ich mich aber auch schon ohne länger zu warten dem nur noch wenige Meter entfernten, kühlen Wasser zu, das ich gezielt ansteuerte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das stimmte. Vorher waren diese Betten normal gewesen, vorher hatte jeder ein solches gehabt und es zwar genossen, aber nie so geschätzt wie jetzt, in diesem Moment. Nach Monaten auf Feldbetten, die weder in Breite noch in Bequemlichkeit und schon gar nicht in Anblick und Gemütlichkeit, auch nur annähernd an dieses Bett hier herankamen. Es war echt wie im Himmel. Die weiche Matratze, die leichte, seidene Decke, seinen Arm um sie, der sanfte Gutenacht-Kuss und das Wissen, dass sie und auch ihre Schwester in Sicherheit waren. So sollte es für immer bleiben. Und mit diesen Gedanken fielen auch Fayes Augen schliesslich zu und sie schlief trotz dem ganzen Chaos, das ihr Geist heute Nachmittag unbedingt hatte verbreiten wollen, sehr bald ein. War schlicht zu müde, um sich noch über irgendwas Gedanken zu machen. In der Nacht wachte sie kein einziges Mal auf. Und das war höchst atypisch für die schreckhafte Brünette, die ganz gerne zwischendurch - ziemlich häufig - auch nachts von ihren Gedanken und wilden Bildern dazu eingeholt wurde. Meistens beruhigte sie sich zwar relativ schnell wieder, sobald sie merkte, dass Victor neben ihr lag. Aber eben: wach wurde sie trotzdem. Nur heute nicht. So lange nicht, dass die Nacht mittlerweile schon vom Sonnenlicht abgelöst worden war, welches sich sanft durchs Fenster schlich. Faye blinzelte noch etwas verschlafen, als ihr Blick zu Victor wanderte, wobei sofort wieder das Lächeln seinen Weg auf ihr Gesicht fand. Wie lange sie wohl geschlafen hatte? Und das, obwohl sie das frühe Aufstehen doch mittlerweile problemlos ohne Wecker einstudiert hatte. "Guten Morgen Zuckerschnecki", flüsterte sie noch etwas heiser an Victors Hals, welchen sie nun mit ein paar sanften Küssen bedeckte. Dabei machte sie aber keine Anstalten, sich anderweitig bewegen zu wollen. Nein, wenn sie schon ein solches Bett hatten, sollten sie auch noch fünf Minuten liegen bleiben, um es zu geniessen. Oder auch zehn.
Jaja, als ob. Sie liess hier ganz bestimmt niemanden auf sich warten, weshalb sie auch nur grinsend die Augen verdrehte und neben ihm her zu einem schönen Plätzchen im heissen Sand tänzelte. Dort wurde auch sie die Flipflops ebenso schnell los wie ihr Tuch und all den wenigen restlichen Ballast, den sie kurzum in den Sand kippte. Wasserflasche, Sonnenbrille und Sonnenmilch - ja, hatte sie vorhin auch noch in einem Laden mitgehen lassen, weil das in Australien Gerüchten zufolge relativ ratsam war. Da die Sandkörner eindeutig schon zu lange in der Sonne lagen, brannten diese aber zunehmend unter ihren Fusssohlen, die sich natürlich eher Kampfstiefel als Sandstrände gewohnt waren. Ein Grund mehr, sich zu beeilen, weshalb Aryana, kaum hatte sie ihre Sachen deponiert und sichergestellt, dass der Stoff des Bikinis (sowas in Schwarz) dort sass, wo er sollte, auch schon an Mitch vorbei in Richtung des Wassers stürmte. "Wer zuerst das Meer berührt, darf sich von dir was wünschen", rief sie ihm noch grinsend zu, wobei er diesen 'Wettbewerb' sowieso umgehend verlieren würde. Denn nur Sekunden später umspülte das Salzwasser ihre Füsse, die sie direkt noch ein paar Schritte weiter ins Meer hinein trugen, weil sie schlicht nicht vorher bremsen konnte. Und Aryana lachte vor sich hin wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal plantschen konnte, zum ersten Mal die unendlichen Wogen seine Haut streicheln spürte. Und in diesem Moment fühlte sie sich frei. Keine Last irgendeines Krieges, keine schmerzliche Erinnerung an alle, die ihr schon genommen wurden, keine Sorgen darum, weitere zu verlieren, keine Angst, hier etwas Falsches zu tun. Nein, denn hier war nur das Meer und Mitch und sie. Und keiner verlangte irgendwas von ihr, keinem musste sie irgendwas beweisen, keiner blickte sie kritisch an und keiner zweifelte an ihr. Und das war so wundervoll, dass sie direkt noch ein paar weitere Schritte ins kühle Nass machte, bis das Wasser ihre Beine schon fast bis hoch zu ihrer Hüfte umspielte. Ihr Blick ging zurück zu Mitch. Ohne ihn wäre sie nichtmal auf die Idee gekommen, nach Australien - oder überhaupt irgendwo - hinzufliegen. Und sie nahm sich vor, ihm später, in einem geeigneten Moment, dafür zu danken, dass er ihr diesen Moment geschenkt hatte. Die Möglichkeit, endlich wieder einmal Erinnerungen zu schaffen, die nichts mit Tod und Blut und Leid und Schmerz zu tun hatten. Einmal etwas beinahe Normales.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Einmal war ich ums Aufstehen in der Nacht nicht herum gekommen, weil eben besagtes Bier wieder anklopfte. Aber sonst schlief ich wirklich wie ein Stein, hätte man sagen können. Als ich mitten in der Nacht wieder zu Faye unter die Decke kroch, stellte ich zufrieden lächelnd fest, dass sie sich ohne aufzuwachen einfach wieder an mich kuschelte, als ich meinen Arm erneut um ihren Körper legte. Das war eine Art von Liebesbeweis, die unheimlich viel wert war, weil es nur das Unterbewusstsein war, dass sie steuerte. Das ließ mich unwiderruflich wissen, dass sie das Alles niemals spielte - nicht, dass ich das überhaupt glaubte -, sondern dass ihr Gehirn ihr schon ohne aktive Einwirkung von ganz alleine verriet, dass es das Beste war, sich wieder an mich zu schmiegen. Das wiederum führte auch unweigerlich dazu, dass ich ziemlich schnell wieder einschlief und die kurze Interruption nicht als störend empfand. Am Morgen waren es dann Fayes Stimme und auch die sachten Küsse am Hals, die mich sanft aus dem Land der Träume ins Hier und Jetzt holten. Zwar war ich nicht unbedingt ein strikter Befürworte für Spitznamen dieser Art, aber sie störten mich auch nicht weiter, solange die Brünette nicht der Meinung war, mich vor versammelter Mannschaft im Camp so nennen zu müssen. Hier bei meiner Familie, Zuhause, würde es mich wahrscheinlich gar nicht mal so stören. Die Einzige, die mich damit aufziehen würde, war Hazel, aber die fand auch ohne kitschige Spitznamen immer einen Weg dafür, mich auf den Arm zu nehmen, also war das in dieser Hinsicht auch gar nicht weiter relevant. "Guten Morgen, Kleines.", begrüßte ich Faye leise, wobei sich von ganz allein wieder ein unbekümmertes Lächeln auf meinen Lippen einfand. Dann lehnte ich mich zu ihr, um sie vorsichtig auf die Stirn zu küssen, ehe ich leicht gähnend eine leise Frage anhängte. "Wie hast du geschlafen?", wollte ich wissen. Zwar wirkte sie nicht so, als hätte sie eine furchtbare Nacht hinter sich, aber vielleicht schlief sie ja in fremden Betten oder Häusern ganz einfach nicht auf Anhieb gut. Gab durchaus Menschen, denen beim Schlaf ein neues Umfeld sauer aufstieß.
So schnell konnte ich kaum gucken, da war meine Reisebegleitung auch schon an mir vorbei auf dem Weg in Richtung Wasser. Rief mir dabei noch Irgendwas zu von wegen, sie dürfe sich im Anschluss was von mir wünschen. Zumindest war es das, was ihr Wortlaut zwangsläufig hervorbrachte, weil Aryana schon kurz darauf mit dem Füßen im Wasser stand. Ich hatte auch gar nicht erst zum Lauf angesetzt, sondern nur mit einem grinsenden Augenrollen reagiert und mein Tempo - zügig, aber gehetzt dann doch nicht - einfach beibehalten. Also machte ich kurz darauf ebenfalls die ersten Schritte ins kühle Nass. Es war schon recht frisch von der Temperatur her, aber nicht so, dass es bei den warmen Sonnenstrahlen auf dem Rest der Haut hätte unangenehm werden können und so zögerte ich selbst auch nicht, weitere Schritte ins Wasser zu machen und zu der Brünetten aufzuschließen, während sie fröhlich vor sich hin kicherte. Das war eine Seite von ihr, die ich so nicht kannte. Natürlich lachten wir immer wieder, das passierte allein schon wegen der ironischen Witze von ganz allein, aber das hier war anders. Basierte nicht auf Sarkasmus, sondern auf blanker Freude. Was jetzt nicht heißen sollte, dass es mir nicht gefiel, wenn sie so gute Laune hatte, ganz im Gegenteil. Viel mehr sorgte es dafür, dass sich die sonst immer so ernsten Gedanken, die sich in meinem Hinterkopf unaufhörlich weiter drehten, für den Moment mal wie weggeblasen waren. Mich ausnahmsweise auch mal abschalten und einfach nur den Moment genießen ließen, in dem das Wasser an meinem Körper mit jedem Schritt immer höher stieg. "Überleg' ich mir nochmal... vielleicht, wenn du ganz lieb fragst.", erwiderte ich erst jetzt vor mich hin grinsend auf ihre kleine Wette, warf ihr mit einmal nach oben zuckenden Augenbrauen einen Blick zu und verschwand dann für ein paar Sekunden lang in einem kurzen Tauchgang unter der Wasseroberfläche. Natürlich ließ ich die Augen zu, wäre das Salzwasser doch Nichts als unangenehm in den Augen, aber dass das Wasser so auch meinen Oberkörper und meinen Kopf erreichte, war pure Erfrischung und einfach nur angenehm. Als ich ein paar wenige Meter tiefer im Wasser wieder auftauchte, rieb ich mir erst einmal das Wasser aus dem Gesicht und strich im Anschluss meine Haare nach hinten, hatten sich ein oder zwei der minimal längeren Strähnen gekonnt auf meine Stirn verirrt. Erst dann sah ich wieder zu Aryana, grinste fast schon strahlend in ihre Richtung. Meine Laune hatte sich bereits komplett von der anstrengenden Shoppingtour erholt. "Na komm schon, du lahme Schnecke. Oder willst du da stehen bleiben?", neckte ich sie ein wenig, bevor mein tätowierter Oberkörper vorerst bis zum Hals im Wasser verschwand. Nicht, weil ich noch tiefer ging, sondern weil ich die Beine leicht anwinkelte, um das Wasser gänzlich meinen Körper umspülen zu lassen. Wellengang war nur wenig bis gar nicht vorhanden und Haie sah ich auch keine, obwohl es hier wohl schon welche gab. In derartiger Küstennähe aber selten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Hatte sie schon erwähnt, dass es für immer so bleiben sollte? Jedenfalls... sollte es für immer so sein. Dass sie neben ihm aufwachte, er noch immer seinen Arm um sie gelegt hatte und seine Stimme das Erste war, was sie am Morgen zu hören bekam. Es machte sie so glücklich, dass Faye auch jetzt nichts anderes machte, als selig vor sich hin zu grinsen. Rundum glücklich, rundum zufrieden und rundum verliebt. "Ich hab geschlafen wie ein Vögelchen auf einer Wolke auf der Durchreise in den Süden", seufzte sie lächelnd, auch wenn selbst der jungen Brünette durchaus klar war, dass nichtmal Vögel auf Wolken sitzen konnten. "Und du?", sie blickte wieder zu ihm hoch, musterte sein Gesicht, dessen Schönheit die leichte Verschlafenheit (ist das ein Wort? xD) absolut keinen Abbruch tat. Sie könnte ihn ewig so anschauen, ewig ihre Träume in seinen Augen betrachten, die sich allesamt erfüllen würden, wenn sie einfach bei ihm blieb. Fayes Hand wanderte unter der Decke hervor zu seiner Wange, strich liebevoll über die warme Haut und den Ansatz seiner kurzen Bartstoppel. "Hast du denn schon Pläne für heute?", wollte sie im Anhang neugierig wissen, ohne dabei den Blick und die Finger von seinem Gesicht abzulassen. Sie wusste nicht, ob seine Familie ein Programm zusammengestellt hatte oder zumindest Wünsche hegte bezüglich der Tagesgestaltung. Vielleicht würde sie sich auch irgendwann noch ein Bisschen selber beschäftigen, damit besonders seine Eltern ihren lang vermissten Sohn noch etwas für sich hatten. Es war jetzt nicht so, als würde sie sich akut als Störfaktor fühlen, aber vielleicht wäre es ja trotzdem schön für die kleine Familie, noch ein Bisschen Zeit nur für sich zu geniessen. Musste ja auch nicht gleich heute sein, sondern irgendwann im Laufe der nächsten Tage. Sie hatte die paar Freunde, die sie unbedingt zumindest für ein paar Stunden sehen wollte, alle auf die nächste Woche vorgewarnt, damit sie irgendwie Zeit finden würden, sich zu treffen. Also hatte sie wirklich absolut keinen Zeitdruck und keine Pläne für die nächsten paar Tage, die sie jetzt erstmal hier, bei Victors Familie bleiben würden.
Er hatte sie dann doch ziemlich bald eingeholt, während Aryana einfach nur im Wasser stand und die endlose Weite des Blaus betrachtete. Es war echt unendlich schön. So viel schöner, als sie es in Erinnerung hatte. So viel schöner, als sie es für möglich gehalten hatte. So viel schöner, als alles, was sie in den letzten Jahren gesehen hatte. Das kristallklare Wasser, in dem die Sonnenstrahlen sich glitzernd spiegelten, der weisse Strand der Küste, die Unendlichkeit der Wellen - es war wie Balsam für die Augen, für die Seele, für den Geist. Beruhigte ihre Gedanken, vertrieb die hässlichen Bilder, die sie sonst Tag für Tag verfolgten. Auch Mitchs Worte liessen sie nur noch einmal lachen, während sie den Blick von der Schönheit der Natur abwandte und auf den tätowierten Mann richtete. Für einen kurzen Moment sah sie nun auch zum ersten Mal die Zeichnung, die seinen kompletten Oberkörper bedeckte. Aber ihr blieb nicht viel Zeit für eine Musterung - noch nicht - da er gleich darauf abtauchte und erst im tieferen Wasser wieder den Kopf nach oben streckte. Und auch nur noch den Kopf. "Aber das war keine Frage, Mitch... Ich habe mir den Preis doch verdient!", rief sie ihm grinsend zu, wollte ihm gar nicht erst die Möglichkeit lassen, ihr den Wunsch, den sie sich irgendwann im Verlaufe des Tages ausdenken musste, abzutun. Sie wünschte sich doch so gerne was, war ihm das noch nicht aufgefallen? "Du bekommst im Übrigen dann auch endlich deine Spielzeugautos, wenn ich mal welche finde", schob sie nach, damit er vielleicht einen Anreiz mehr darin sah, sie glücklich zu machen. Die lahme Schnecke liess sie dann aber kaum mehr als eine halbe Sekunde auf sich sitzen, ehe sie ihm auch schon hinterher getaucht war und, dank den geschlossenen Augen und dem damit fehlenden Abschätzen der Distanz, kaum einen halben Meter vor ihm wieder auftauchte. Auch Aryana strich sich erstmal das Wasser aus den Augen und die Haare aus dem Gesicht, ehe sie wieder grinsend zu Mitch blickte. Und ihm selbstverständlich noch in der gleichen Handbewegung eine Ladung Wasser ins Gesicht spritzte. "Das war für die lahme Schnecke", rechtfertigte sie sich sofort fröhlich. Sie hätte es auch sonst getan. Aber das war ihnen wohl beiden klar.
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Ihre Beschreibung der vergangenen Nacht in ihren Augen ließ mich gleich ein wenig grinsen, übertrieb sie damit doch wie so oft ein wenig, bildlich gesehen zumindest. War aber eine amüsante Vorstellung, Vögel auf Wolken schlafen zu lassen. Der Sauerstoff war da oben vielleicht ein bisschen knapp, aber ansonsten konnte man sich das fast bequem vorstellen. Es veranschaulichte mir auf jeden Fall gut genug, worauf Faye hinaus wollte und ich murmelte ein zufriedenes "Sehr schön.", darauf, kurz bevor auch schon ihre Gegenfrage folgte. "Ja, auch sehr gut.", stellte ich wahrheitsgemäß fest, weil ich das kurze Aufstehen wirklich nicht als sonderlich störend empfand. Die kurze Runde zum Bad war Nichts im Vergleich zu den zahlreichen schlaflosen Nächten, die ich bereits hinter mir hatte. Es waren also wirklich nur Peanuts in der Schlafwährung, bei der ich für gewöhnlich eher pleite war. Aber nicht diese Nacht, hatte ich doch ebenfalls geschlafen wie ein Vögelchen auf der Wolke. Zumal die zierliche junge Frau sowieso immer dazu beitrug, dass ich deutlich besser schlief als ohne sie. Auf ihre nächste Frage hin zuckte ich kaum merklich mit den breiten Schultern, so weit wie es eben im Liegen ging. Selbst hatte ich nicht wirklich einen Plan vom heutigen Tag oder gar der ganzen Woche, was aber auch schlicht und ergreifend daran lag, dass ich erst in Erfahrung bringen wollte, wann und was meine Mutter womöglich schon im Sinn hatte. "Ich hab mir dazu noch nicht wirklich Gedanken gemacht... weil meine Mutter das gerne mal vorweg nimmt.", stellte ich leise seufzend fest. Ich war nicht immer begeistert davon, was Debby für Vorschläge brachte, war aber auch aus dem Alter heraus, in dem ich mich ihren Wünschen einfach gebeugt hatte. Ich richtete mich ein wenig auf und stützte mich seitlich auf einen Ellbogen, um Faye besser ansehen zu können, mich ein wenig über sie zu beugen und ihr die freie Hand an die Wange zu legen. "Aber keine Sorge, ich werd' sie nicht Alles für uns planen lassen... immerhin brauch ich auch noch ein bisschen Zeit allein mit meiner Prinzessin.", grinste ich ihr leise flüsternd an die vollen Lippen, bevor ich sie in einen Kuss verwickelte. Mir war egal, dass wir nächste Woche womöglich im Durchschnitt mehr Zeit füreinander haben würde als in der aktuellen. Das hieß schließlich nicht, dass ich eine Woche lang gänzlich auf meine und Fayes Wünsche verzichten wollte oder gar musste. Nach dem Kuss richtete ich meine Augen wieder in die ihren, strich ihr dabei eine der dunklen Strähnen zurück hinters Ohr. "Hattest du schon was Bestimmtes im Sinn?", hakte ich anschließend nach, ob sie selbst Etwas mit einbringen wollte. War ja kein Problem, auch darauf Rücksicht zu nehmen.
Mir war schon bewusst, dass das wieder eine Forderung ihrerseits gewesen war und wenig bis gar nicht einer Frage glich. Aryana müsste inzwischen aber eigentlich auch bewusst sein, dass ich nicht der Typ Kerl war, der den Wünschen seiner Geliebten immer kommentarlos nachging und sie schnellstmöglich in die Tat umsetzte. Vermutlich wusste sie das auch, überging das nur ganz gekonnt mit ihrem eigenen Willen, der wohl nicht weniger stur als mein eigener war. "Kauf' mir lieber 'ne Gitarre, damit kann ich wenigstens war anfangen.", stellte ich scherzhaft und recht trocken fest, als sie gerade sehr knapp vor mir aufgetaucht war, wobei das Grinsen mir aber dennoch nicht aus den Gesichtszügen wich. War schon ziemlich knapp gewesen, die Distanzberechnung der jungen Frau. Aber vielleicht wäre sie wenigstens wieder rot angelaufen, wenn sie sich gänzlich verschätzt und an meinen Körper geraten wäre. Aber in den Genuss kam ich leider nicht. Stattdessen drehte ich reflexartig den Kopf zur Seite und schloss die Augen, weil mir zahlreiche Wassertropfen entgegen flogen. Um nicht zu sagen eine ganze kleine Welle, inklusive nerviger Spritzer. Ich hob mit verzogenem Gesichtsausdruck die Hand, um mir das Salzwasser wieder aus dem Gesicht zu streichen. "Das, meine Liebe, war keine gute Idee.", stellte ich noch vor meiner nächsten Handlung fest, als ich die Augen wieder öffnete. Funkelte sie dann für einen Moment lang noch mit einem breiten Grinsen im Gesicht an, bevor ich zügig dafür sorgte, dass sie nochmal tauchen ging. Mit einem Fuß zog ich Aryana ein Bein vom sandigen Untergrund des Meeres, legte gleichzeitig eine Hand an ihre Schulter und drückte sie nach hinten ins Wasser. Ich hatte in derartig tiefem Wasser allein schon den Vorteil, dass ich mit meinen paar Zentimetern mehr Körpergröße einen festeren Stand hatte. Auch mal davon abgesehen, dass ich ihr - im Wasser erleichterte Bedingungen hin oder her - körperlich natürlich weit mehr entgegen zu setzen hatte, als sie mir. Wäre ich ein untrainierter Looser, der gerne 24/7 vor dem PC saß, wäre das angesichts des regelmäßigen Trainings der jungen Frau vielleicht eine minimal andere Geschichte. Aber in meinem Fall spielte ihr Training nur eine geringe Rolle. Sie hatte womöglich ein paar gute Techniken auf Lager, mit denen sie mich für ein paar Sekunden unschädlich machen konnte, aber das war es dann auch. Weil ich hier aber keinesfalls Jemanden ertränken wollte - Aryana am Allerwenigsten - nahm ich meine Hand schon nach ein paar Sekunden wieder von ihr, damit sie wieder Luft schnappen gehen konnte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Hatte er also auch gut geschlafen. Das war wunderbar, wenn auch er für einmal von den unzähligen Alpträumen verschont geblieben war, die ihnen sonst beiden so oft den Schlaf raubten. "Gut. Dann sollten wir für immer hier bleiben, ich denke, dieses Bett ist gut für uns", lächelte sie, wobei der Gedanke allein schon viel zu verlockend klang. Was wohl passieren würde, wenn sie sich nicht rechtzeitig zum Dienst zurückmeldeten? Gab wahrscheinlich endlos hohe Geldstrafen. Und vielleicht auch mehr. Ob man sie zwingend würde, zurück in den Krieg zu ziehen, wenn sie das unmöglich wollten? Sie hatte sich nie darum gekümmert, weil es nie eine Option gewesen war. Auch jetzt nicht, natürlich, aber sie fragte sich trotzdem, was die Folgen wären. Seine Antwort zur Tagesplanung fiel auch noch eher unklar aus, hatte er wohl selber noch nicht wirklich einen Plan. Aber das war in Ordnung, sie konnte auch mit Überraschungen leben. "Und was plant deine Mutter denn normalerweise so?", fragte sie weiter, weil er vielleicht schon eine Ahnung hatte, in welche Richtung Debbys Ideen tendierten. Ein breites Grinsen zeigte sich auf ihrem Gesicht, als er ihr versicherte, dass sie sicher nicht zu kurz kommen würde. Nicht, dass sie wirklich Angst darum gehabt hätte, aber es war trotzdem schön, diese Worte zu hören. Und, dass er sie seine Prinzessin nannte. Was im Grunde alles war, was sie wollte. Eine Prinzessin sein und ihm gehören. Seinen Kuss erwiderte Faye natürlich sofort voller Liebe und Verlangen, zog ihn bereitwillig noch etwas in die Länge, weil sie von seinen Lippen, von ihm, niemals genug bekommen würde. Ihre Finger lagen weiterhin an seiner Schläfe, wanderten etwas weiter durch seine Haare in seinen Nacken, wo sie immer wieder über die warme Haut strichen. "Ich weiss es nicht... Ich will unbedingt, dass du mir all die Orte zeigst, die für dich deine Heimat ausmachen... Ich will sehen, wo du dich als Teenager mit deinen Freunden getroffen hast, wo du hingegangen bist, wenn du deine Ruhe gebraucht hast. Wo die Natur am Schönsten ist und wo die Aussicht dir verspricht, dass sie die Wertvollste der ganzen Umgebung ist. Wo du Kraft getankt hast, wenn du am Boden warst und wo du dein Glück kaum fassen konntest... Ich möchte dich endlich so kennenlernen, wie es immer hätte sein sollen...", flüsterte sie leise an seine Lippen, die noch immer nur wenige Zentimeter von ihren entfernt waren, sodass sie sich im Folgenden nur ein Bisschen strecken musste, um sie erneut zu küssen.
Eine Gitarre.. Wow, das war tatsächlich eine echt echt gute Idee, weshalb ihre Augen sofort noch freudiger - falls das in diesem Moment noch möglich war - leuchteten, als er diesen Vorschlag brachte. "Sehr sehr gute Idee, sobald wir uns irgendwann, in vielen Stunden, für Heute wieder von Wasser und Strand trennen können, kaufen wir eine Gitarre und dann singst du mich jeden Abend in den Schlaf. Und die Abende am Lagerfeuer werden endlich wieder von deiner Engelsstimme begleitet", rief sie begeistert aus, meinte das auch alles vollkommen ernst. Auch wenn die Engelsstimme in Verbindung mit ihm vielleicht etwas falsch klang - er wusste bestimmt trotzdem, was sie meinte. Nämlich, dass sie seine Musik und seine wirklich wirklich gute Stimme wirklich wirklich vermisste. Sie grinste weiter vollkommen unschuldig und fröhlich vor sich hin, während er sich das Wasser aus dem Gesicht wischte und ihr erklärte, dass wohl umgehend die Retourkutsche folgen würde. War dann nämlich wie erwartet auch der Fall, und weil Aryana trotzdem lachte und zappelte wie ein hilfloses Baby, schluckte sie beim Tauchen auch den ein oder anderen Mund voll Salzwasser. Was sie im Anschluss lachend und hustend wieder auftauchen liess. "Idiot", brachte sie irgendwo zwischen dem Husten noch über die Lippen. Als sie sich wieder soweit beruhigt, die nassen, klebenden Strähnen ebenfalls erneut aus dem Gesicht gestrichen hatte, ruhte ihr funkelnder, herausfordernder Blick wieder auf Mitch. Und wohl alles an ihren Augen verriet, dass ihr Gehirn angestrengt einen Racheplan ausheckte. Nur war es nicht so ganz einfach, ihn ebenfalls tauchen zu lassen. Sofern sie ihn nicht direkt anspringen und sich an ihn klammern wollte, bis er - mit ihr zusammen, wohlbemerkt - unter Wasser ging. Er war zwar nicht hässlich, was sie jetzt noch so viel besser beurteilen konnte als bisher, aber so leicht bekleidet wie in diesem Moment, wäre ihr das eeeventuell doch etwas zu viel direkter Hautkontakt. Was er bestimmt längst wusste. Aber sie war Aryana und Aryana war in den letzten fünf Jahren Meisterin der Selbstverteidigung geworden und hatte mindestens zweihundert Taktiken gelernt, um jemanden zum Stürzen zu bringen. Eine davon würde sicher auch im Wasser funktionieren. Sie zögerte auch gar nicht lange, liess ihm nicht die Zeit, sich wirklich zu überlegen, was sie genau vorhatte. Die Brünette griff nach seiner Hand, zog ihn daran in ihre Richtung, noch während sie seinen Arm verdrehte, ihren Fuss hinter seinem platzierte und sich eine halbe Sekunde später mit ihrem ganzen Gewicht seitwärts gegen seine Brust warf. Das bedeutete zwar, dass sie ihn durchaus berührte und ebenfalls gleich erneut mit ihm unterging... Aber das nahm sie jetzt wohl oder übel in Kauf. Hauptsache er genoss heute ebenfalls noch den Geschmack des Salzwassers auf der Zunge.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ich hätte gar nicht sagen können, wie unheimlich viel Wahrheit in Fayes Worten steckten. Ja, wir sollten zweifelsohne einfach hier bleiben und das normale Leben erneut für uns entdecken, während wir uns immer wieder zurück in das allzu bequeme Bett flüchten konnten, wenn uns danach war. Zwar hatte ich keinen blassen Schimmer davon, wie ich dann Geld rein schaffen konnte - ungeachtet von dem finanziellen Polster auf dem Konto, das nicht ewig halten würde -, aber das war auch gar nicht wichtig. Irgendein Weg würde sich diesbezüglich schon auftun und ich würde Faye nie wieder vor irgendwelchen wahnsinnigen Vollidioten mit Messer retten müssen. Würde nie wieder Angst darum haben müssen, dass mir Jemand das wehrlose Blümchen einfach so platt trat und auslöschte. Könnte mich zu jeder Tages- und Nachtzeit mit ihr in der Öffentlichkeit zeigen, ohne dass es auch nur eine Menschenseele kümmern würde. "Ich kann dir gar nicht sagen, wie gern ich das Feldbett gegen das hier eintauschen würde...", antwortete ich der jungen Frau fast ein wenig verträumt, hing dem Gedanken auch noch einen Augenblick länger nach, bevor ich mich wieder auf die Geschichte mit der Aktivitätenplanung auseinander zu setzen begann. "Das kann von simplem Abendessen im Restaurant bis zu einem Bootsausflug ungefähr alles sein.", merkte ich an und dachte darüber nach, was sie sich in der Vergangenheit schon Alles hatte einfallen lassen. "Sie ist da sehr kreativ. Um eine kleine Wandertour kommen wir vermutlich nicht rum, sie liebt das... aber die Wälder hier sind schön und auch das kleine Gebirge eine Stunde von hier ist ganz cool.", sinnierte ich weiter vor mich hin. Das Gebirge, das sich nur gerade so als solches schimpfen lassen durfte, beinhaltete lediglich eine weit gefächerte Landschaft mit ein paar tieferen Tälern und auch Seen dazwischen. Landschaftlich gesehen zweifelsohne schön, mit den Steigungen aber nicht immer ganz leicht zu genießen. Faye und ich taten uns damit dank dem regelmäßigen Konditionstraining der Army aber wohl bei Weitem nicht so schwer, wie es beim Rest meiner Familie der Fall sein würde. In den dann folgenden Kuss lächelte ich unweigerlich hinein, weil sich bei den vorherigen Worten der jungen Frau sofort wieder meine Mundwinkel gehoben hatten. Der Victor Rivera, der sein Leben hier genossen und auch gelebt hatte, lag schon unzählige Jahre zurück und unterschied sich sehr massiv von dem, den sie jetzt vor sich hatte. Damals noch so naiv, voller Elan und großkotziger Träume. Ein noch sehr junger Erwachsener - vom Kopf her teilweise sicher eher noch Jugendlicher -, der die Welt mit offenen Armen empfangen und jede Hürde im Sprint hingenommen hatte. Aber es würde mir sicher gut tun, Faye auch diese Seite von mir zu zeigen, die teilweise noch immer in mir schlummerte. "Das klingt nach einer sehr guten Idee.", stimmte ich ihr diesbezüglich nach dem Kuss leise zu, war ihren Lippen dabei mit meinen noch immer sehr nahe und nutzte eben jene Nähe sofort dazu, sie ein weiteres Mal zu küssen.
Jaaa... nein. Vermutlich würde ich mir eher nicht jeden Abend zig Lieder aus dem Ärmel schütteln, um die Madame in den Schlaf zu singen. Könnte durchaus vorkommen, dass ich zum gegebenen Zeitpunkt nämlich selber lieber schlafen würde. Es war nicht pauschal davon auszugehen, dass wir jeden Tag früh ins Bett gingen, weil wir momentan ja nicht früh aufstehen mussten. Der Schlafrhythmus durfte also durchaus ein wenig verschoben werden und wenn wir erst sehr spät ins Bett gingen, hatte ich vermutlich eher keine große Motivation mehr dazu, ihr Etwas vorzusingen. Es sei denn natürlich ich war vielleicht sowieso schon am Spielen, weil ich zugegeben doch ziemlich auf Entzug war, was das Musik machen anging. Den angenehmen Klang einer Gitarre musste ich jetzt schon eine halbe Ewigkeit missen und singen tat ich ohne jenes Instrument für gewöhnlich auch nicht, leises vor mich hin summen zählte ja nicht. Dieses Ventil, um meinen ab und an sehr aufbrausenden Emotionen wieder Luft zukommen zu lassen, fehlte also auch schon eine ganze Weile. "Naja... jeden Abend vielleicht nicht. Aber ein, zwei Mal sicher.", erwiderte ich also wahrheitsgemäß, dass sie durchaus Glück haben konnte, wenn sie wirklich vor hatte, das in die Tat umzusetzen. Wogegen ich absolut Nichts hätte, nebenbei bemerkt. Aryanas Beleidigung - die ich nicht ernst nahm, im Gegensatz zu früheren Zeiten - quittierte ich nur mit einem breiten Grinsen, freute mich wie ein Schneekönig darüber, dass sie gerade mit dem salzigen Wasser wortwörtlich innige Bekanntschaft geschlossen hatte. Allerdings schien es das wohl noch nicht gewesen zu sein, was mir allein schon der herausfordernde Blick in ihren Augen erzählte. Er glich in etwa dem vom vorherigen Abend, an dem sich die junge Frau partout um ihre Betthälfte hatte duellieren wollen, Irgendwas hekte sie zweifelsohne schon wieder aus. Dauerte auch gar nicht lange, da folgte das Echo auf meine vorherige Tat. Zugegeben war ich so gar nicht darauf gefasst, dass sie sich freiwillig förmlich auf mich schmiss. Mit Klamotten am Körper hätte ich das für möglich gehalten, ja, aber der Bikini den sie trug verbarg nicht wirklich mehr als das Nötigste. Das allein in Kombination mit dem doch ziemlich unangenehm verdrehten Arm führte unumstößlich dazu, dass ich jetzt ebenfalls tauchen gehen musste. Nachdem ich auch so absolut unvorbereitet darauf war, bekam ich den Mund wohl nicht mehr rechtzeitig zu, musste ebenfalls ein bisschen von dem viel zu salzigen Wasser kosten. Unter Wasser entriss ich ihr dann meinen Arm, nur um sie anschließend noch etwas tiefer ins Wasser zu stoßen, damit ich auf jeden Fall vor ihr oben wieder ankam, um ein oder zwei Sekunden Zeit zu haben. In besagten Sekunden konnte ich dann geradeso das Wasser von den Augen bekommen und die Haare von der Stirn beseitigen, bevor der Kopf der Brünetten ebenfalls wieder an der Oberfläche ankam. Sie sollte aber gar keine Zeit dazu haben, sich zu sortieren, weshalb ich sie mir einfach sofort packte und postwendend vor mir her tiefer ins Wasser trug, wobei ich sie mindestens fest genug hielt, damit sie nicht einfach so wieder aus meinen Armen rutschen konnte. "Ich glaube, ich verfütter' dich jetzt einfach an die Haie, Lahmarsch... die freuen sich ganz bestimmt.", redete ich süffisant grinsend vor mich her, während ich immer tiefer ging. So weit, dass sie nicht mehr stehen und ich gerade so noch meinen Kopf über der Wasseroberfläche halten konnte. Sie ebenfalls, was aber gerade lediglich daher kam, dass ich sie noch nicht wieder losgelassen hatte, während die leichten Wellen immer wieder mein Kinn streiften.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das hatte sie fast angenommen, dass er ebenso gerne hier bleiben würde wie sie. Natürlich waren sie beide freiwillig und nicht ohne Begründung in den Krieg gezogen. Und noch immer wusste Faye nicht, ob sie es wirklich schaffen könnte, Aryana wieder alleine zu lassen, falls sie ihre Schwester auch diesmal nicht zur Heimkehr überreden könnte. Aber das waren sowieso hypothetische Fragen, zu denen sie sich lieber keine Gedanken machte... Sie wollte doch einfach, dass Victor und Aryana in Sicherheit waren. Dass sie beide bei sich hatte und nicht mehr Tag für Tag darum fürchten müsste, dass einer der beiden der Nächste wäre, der oder die von einer Kugel durchbohrt oder von einer Granate getroffen wurde. Aber noch war ihr das nicht vergönnt. Für mindestens ein weiteres Jahr nicht. Je nach dem, ob sie nach zwei Jahren wirklich aus der Active Duty befreit wurde oder nicht. Und dann... Ja dann konnte sie sich die Frage stellen, ob Aryana endlich wieder mit nach Hause kam. Oder halt nach Australien ging, falls es ihr da besser gefiel - damit könnte Faye auch leben. Zwar nicht ganz glücklich, aber es wäre ein Kompromiss, den sie liebend gerne eingehen würde. Die Freizeitvorstellungen von Victors Mutter klangen durchaus interessant, mochten sicher auch lustig zu sein. "Dann bin ich gespannt, was sie vorschlagen wird, sobald wir uns zum Aufstehen durchringen", lächelte sie zu ihrem Freund. Gegen eine Wandertour hätte sie auch nichts. Genauso wenig wie gegen eine Bootsausflug oder eigentlich auch fast alles andere. Solange sie nicht zu einem Konzert oder ins Theater oder tausend Freunde besuchen wollte, wäre Faye wohl relativ leicht zu begeistern. Auch, dass er ihre eigene Idee für ein oder zwei Tagesprogramme guthiess, fand sie schön, denn die junge Brünette war doch neugierig darauf, zu erfahren, wer Victor mal gewesen war. Vor vielen Jahren halt, aber sie war sich sicher, dass er einen Teil davon noch immer in sich trug, noch immer lebte. Faye liess auch den folgenden Kuss noch ein Bisschen länger bestehen, zog ihn näher zu sich, während mittlerweile beide ihrer Hände in seinem Nacken und auf seinem Rücken lagen. Ihn einfach immer näher zogen, weil sie nie nahe genug bei ihm sein konnte. Jetzt, wo keiner sie dabei stören würde. Jetzt, wo diese Küsse nichtmal verboten waren, wo sie sich lieben konnten, ohne, dass sie in den Augen irgendeines Menschen eine Straftat begingen. Sie sollten diese Freiheit zweifellos ausnutzen. Und Faye würde das in jeder Sekunde dieser zwei Wochen tun. Vielleicht nicht dauernd vor seiner Familie. Aber vor den Augen jedes anderen Menschen dieser Stadt würde sie ihn küssen, immer und immer wieder, ihn verliebt anschauen und seine Hand halten, damit jeder es sehen konnte. Weil er ihr gehörte und sie ihm.
Selbst wenn es nur ein, zwei Male sein würde, würde sich der Kauf einer Gitarre zweifellos auszahlen. Immerhin würde das Instrument den Weg mit ihm zurück zur Arbeit auch finden, dafür würde sie dann schon sorgen. Und spätestens dann hätte sich jeder Cent gelohnt, den sie in die Anschaffung investieren würde. Wäre sie nicht ebenfalls tauchen gegangen, würde sie schon jetzt wieder lachen, weil sie dann mitbekommen hätte, dass er den Salzgeschmack nun auch erstmal eine Weile im Mund haben würde. So aber grinste sie nur mit zusammengepressten Lippen und geschlossenen Augen vor sich hin, spürte noch, wie er sie tiefer ins Wasser stiess, während sie eigentlich schon wieder dabei gewesen war, aufzutauchen. Dieses Vorhaben wurde damit zwar etwas verzögert, aber immerhin hatte sie diesmal die Luft besser angehalten als zuvor. War also in Ordnung und sie tat das Ganze trotzdem als Sieg ihrerseits ab. Als sie auftauchte, hatte er sich seine Rache allerdings schon zurechtgelegt. Sie konnte kaum die Hände heben, um sich nochmal das Wasser aus dem Gesicht zu streichen, da spürte Aryana auch schon - zugegeben ausgesprochen unerwartet - seine Hände an ihrem Körper. Sie schnappte erschrocken nach Luft und riss die Augen auf, begann selbstverständlich umgehend zu zappeln, als er sie soweit hochhob, dass ihre Füsse leer im Wasser hingen. "Mitch!!", rief sie halb empört, halb lachend, und weil sie nicht mehr stehen konnte, klammerte sie sich eher unbewusst als mit Absicht, an seine Handgelenke. Hatte sie schon erwähnt, dass sie nicht gerne dorthin ging, wo sie nicht mehr stehen konnte? Gut, das Wasser war auch hier noch nicht tief und sie konnte den Boden sehr gut sehen, was sie durchaus beruhigte. Aber selbst wenn sie sich strecken würde, wären ihre Fussspitzen oder ihr Kopf von Wasser umgeben. Nicht unbedingt ihre Komfortzone. "Lass mich runter, selber Lahmarsch! Die würden sowieso zuerst dich fressen, weil alle Haie auf Männer stehen!", motzte Aryana vor sich hin, während sie mit ihrer linken Hand seine Finger von ihrem Körper löste, sich mit Rechts aber weiterhin an seinen anderen Arm klammerte. Weil dieser Versuch so sicher von Erfolg gekrönt sein würde.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.