Jaaa also mit dem Urlaub/Freischicht hab ichs sehr überdurchschnittlich gut und weiß es auch echt sehr zu schätzen. Aber das ist ja auch frech: 4 Wochen sind schon sehr arg wenig für ein ganzes Jahr mit 52 Wochen... :') ________
Deborah War es das nun endlich gewesen? Nein? Deborah hatte darauf gehofft, weil sie dieses Gespräch nach wie vor gar nicht führen wollte. Sie war nicht aus dem Wohnzimmer gegangen, um dann woanders damit weiterzumachen. Im Grunde wusste sie das alles ja schon. Sie hatte, seit ihr Sohn vor einiger Zeit das letzte Mal hier gewesen war, kaum noch mit ihm gesprochen, weil er sich in etwa so stur anstellte wie sie selbst. Doch Victor telefonierte in relativ gleichmäßigen Abständen mit José oder schickte ihm zumindest mal eine Nachricht, wenn er wenig Zeit für ein ausgiebiges Telefonat hatte. Es war ein weiterer Grund, warum sie dachte, dass das alles zu viel für ihren Sohn war – sein neuer Job schien zuweilen sehr stressig zu sein und die Schichtarbeit machte das ganz bestimmt schlimmer. Dazu noch der gefühlt hundertste Umzug, diese ewig wackelige Beziehung zu Faye… er lud sich zu viel auf, da war sie sicher. Es kam ihr vor, als wollte er gar nicht durchatmen. Sie schüttelte abermals den Kopf und drehte ihre gereizten Augen blinzelnd für einen Moment Richtung Decke. Es war eigentlich schon zu viel für alle, wenn sie weinte – sie sollten besser nicht beide heulend im Flur stehen oder gar weinend ins Wohnzimmer marschieren. Sie wurden sich hier und heute sicherlich nicht einig, das merkte sie schon. Deswegen hatte sie auch von vornherein nichts von diesem unnützen Gespräch gehalten. “Es ist nicht so, als würde ich dich für einen schlechten Menschen halten, Faye… ich denke nur, dass ihr euch viel zu ähnlich seid.”, stellte sie klar. Dass sie mehr als nur ein bisschen Therapie in Angriff genommen hatten, wusste sie schon. Doch auch das: Eher nicht ausreichend, um sie von ihrem steifen Glauben abzubringen, dass das junge Paar keine sichere, schöne Zukunft vor sich hatte. Es veränderte ihre Persönlichkeiten selbst schließlich nur sehr bedingt und ein Umzug war vielleicht nicht grundsätzlich verkehrt, löste jedoch nicht einfach so alle Probleme. Aber wer war sie, das zu beurteilen, wenn sich nach wie vor geweigert wurde, ihr endlich mal zu erzählen, was zum Teufel in Seattle überhaupt passiert war. Sie atmete stoßartig aus, als die zierliche Brünette auf Victors Entscheidungsfähigkeit zu sprechen kam. “Wirklich schwer zu sagen… bemessen an den letzten, für ihn sehr verheerenden Jahren.”, war alles, was sie stumpf erwiderte. Genau so blickte Deborah ihr gegenüber auch an: Als bräuchte sie gar nicht zu versuchen, sie davon abzubringen, dass ihr Sohn noch immer geblendet von Liebe oder weiß der Himmel sonst noch was durch die Welt marschierte. Würde sie mal genauer hinsehen, würde sie vielleicht merken, dass er inzwischen auf dem ungemütlichen Boden der Tatsachen hockte. Doch das tat sie nicht – dafür saßen die schmerzlichen letzten Jahre, in denen sie immer wieder um das Leben ihres Sohnes hatte bangen müssen, deutlich zu tief.
Das ist schön – ist ja auch verdient, wenn dafür jeden Tag die Pausen wegfallen. Ich weiss. Aber rate mal, welche arbeitswütige Stimmbevölkerung im Jahr 2012 mit 66.5 Prozent eine Volksinitiative für 6 Wochen Ferien abgelehnt hat……… :‘) Only in Switzerland… Aber ich nehme mal an, dass da bald mal wieder was geht – ist ja jetzt doch schon 12 Jahre her und all die Gen Z’s, die jetzt abstimmen dürfen, würden da sicher hart ins Gewicht fallen. x’D Und glücklicherweise ist es mittlerweile schon eher Regel als Ausnahme, dass zumindest 5 statt 4 Wochen gewährt werden. ______________
Deborah schien ihr hier und heute eher keine faire Chance geben zu wollen. Das hätte Faye eigentlich auch nicht erwarten dürfen, aber ein bisschen Hoffnung war vielleicht doch noch dagewesen, bevor sie sich das erste Mal direkt mit der Gemütslage von Victors Mutter konfrontiert gesehen hatte. Tatsächlich schien es aber leider mehr und mehr so, als möchte Deborah lieber überhaupt nicht zuhören und sicher auch nicht die Korrektheit ihrer Meinung in Frage stellen. Aber hey, immerhin hielt sie Faye nicht für einen schlechten Menschen. Das war doch schonmal was. Was sie stattdessen als Problem sah, mochte was Wahres haben, sie und Victor sahen sich in der Tat in vielen Punkten ähnlich. Aber nicht in allen. Und abgesehen davon konnte Faye auf die Schnelle auch nicht nachvollziehen, warum das überhaupt ein Problem darstellte. Deborah konnte ihr nicht glaubhaft weiss machen, dass Victor und sie nicht zusammenpassten, denn das taten sie. Es gab andere Argumente, die tatsächlich gegen diese Beziehung sprachen, aber nicht ihre Ähnlichkeiten oder ihre Charakterzüge oder was auch immer es war, das hier angekreidet wurde. Die Antwort, mit der Deborah auf ihre letzte Frage reagierte, war wesentlich nachvollziehbarer für Faye. Hatte sie auch in etwa so erwartet, weil das gedanklich auch ihre erste Empfindung gewesen war. Ihr war aber damals schneller bewusst geworden, dass das eine dumme Antwort war, als dass sie es hätte aussprechen können. Entsprechend war von ihr dann eher eine längere Denkpause anstelle von einer wörtlichen Reaktion gekommen, die Deborah mit viel Glück vielleicht später noch einbauen konnte. Würde Faye ihr jetzt nicht direkt nahelegen, weil sie sonst wohl mit Geschrei rausgeworfen wurde, aber wünschenswert wäre es trotzdem. „Das kann ich verstehen. Ich habs ihm ja selbst lang genug nicht zugetraut. Aber aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es sehr anstrengend ist, wenn andere Menschen denken, deine Entscheidungen übernehmen zu müssen und besser zu wissen, was gut für dich ist. Victor ist dreissig. Selbst wenn er die falschen Entscheidungen trifft, selbst wenn er sich für mich entscheidet und sich das irgendwann als katastrophalen Fehltritt herausstellen sollte – es ist trotzdem seine Entscheidung.“, und mehr gab es dazu seitens Faye auch nicht mehr unbedingt zu sagen. Zumindest nicht zu dieser Frage. Deborah hatte gesagt, was sie von Victors Partnerwahl hielt, mehr lag kaum in ihrer Macht zu tun. Es war nun ihre Sache, wie sie mit dem Urteil ihres Sohnes umgehen wollte. Ob sie seine Beziehung zu Faye akzeptieren konnte oder stattdessen zwangsläufig weiter ihren Kontakt zu Victor riskierte. Tatsächlich war hier auch Fayes Handlungsspielraum stark eingeschränkt, weil Victor, wie sie soeben mitgeteilt hatte, dreissig war und seine eigenen Entscheidungen traf. Faye schob sich langsam von der Wand weg, blieb etwas unschlüssig stehen, ehe sie sich doch noch für ein letztes Statement entschied. „Ich will wirklich keinen Streit mit dir, Deborah.“, sagte sie, legte ihren Blick dabei offen direkt ins Gesicht der Angesprochenen. „Und wenn es irgendwas gibt, das ich tun kann, um diese Situation zu lösen, irgendwas abgesehen von einer Trennung von deinem Sohn, dann lass es mich wissen. Ich glaube nicht, dass ich dir das sagen muss, aber ich liebe Victor wirklich mit meinem ganzen Herzen. Ich verdanke ihm – und auch dir, weil du ihn grossgezogen hast und er so viele Grundwerte, die ihn heute ausmachen, aus eurem Haus mitgenommen hat – unglaublich viel. Victor verdient das beste Leben und alles Glück der Welt… bitte lass diesen Konflikt jetzt nicht die nächste Hürde sein, die sich ihm – uns – in den Weg stellt.“
Deborah Faye hätte einfach im Wohnzimmer bleiben sollen. Dann säße sie zwar noch immer dort bei Victor und war Deborah weiterhin ein Dorn im Auge, aber das hätte ihnen beide immerhin dieses sinnlose Gespräch erspart. Sie konnte nicht aus ihrer Haut, Victor beschützen zu wollen. Ihr Sohn schien seine Entscheidung ohnehin längst getroffen zu haben: Faye wirkte nicht so auf sie, als hätte sie den geringsten Zweifel daran, dass er sie für den Rest seines bisher ziemlich kaputten Lebens, trotz allem, an seiner Seite haben wollte. Anders konnte Debbie sich nicht erklären, warum die junge Frau ihr so vehement einzureden versuchte, dass sie falsch lag. Mit anscheinend allem, was sie dachte und für ihren Sohn wollte. Dass er alt genug war, sein Leben selbst mit allen Konsequenzen zu leben — das wusste sie, eigentlich. Selbst seine jüngere Schwester war unheimlich selbstständig und brauchte sie gefühlt gar nicht mehr in ihrem Leben, abgesehen vom Dach über dem Kopf… und irgendwie konnte sie das alles einfach nicht. Denn Faye konnte nichts tun und sich, mindestens für heute, wirklich jedes Wort sparen. Vor allem dann, wenn sie sich nicht streiten wollte, weil Deborah hatte wirklich genug von Allem, schon seit die Brünette durch die Haustür reingekommen war. Sie wollte genauso wenig eigenhändig Steine in Victors Weg legen, wie sie wollte, dass er sich an irgendwelchem Ballast festklammerte. Es vergingen ein paar stille Sekunden, in denen nur Deborahs trockenes Schlucken zu hören war, bis sie letzten Endes den Kopf schüttelte. „Ich kann das hier gerade wirklich nicht.“, stellte sie das eigentlich Offensichtliche für Faye hörbar fest, bevor sie die verschränkten Arme voneinander löste und sich zur Treppe begab, ohne sie nochmal anzusehen. Sie konnte nicht länger mit Faye sprechen, die ihr mehr zu denken gab, als ihr lieb war und genauso wenig wollte sie in diesem Moment zurück zu ihrer Familie, die sie mindestens teilweise vorwurfsvoll anschauen würde. Deshalb warf sie auch keinen Blick in den Wohnbereich, als sie daran vorbeiging, sondern verkrümelte sich schnurstraks nach oben. Solange sie die Unterhaltung im Flur ertragen hatte, waren auch die Stimmen ihrer Kinder und ihres Mannes leise im Hintergrund zu hören gewesen. Eine weitere Konfrontation konnte ihr gestohlen bleiben.
Im Anbetracht der Gesamtsituation war das durch und durch nachvollziehbar. Entsprechend nickte Faye nur noch knapp, bevor sie Deborah aus dem Weg ging, damit diese die Flucht nach oben antreten konnte. Sie selbst blieb damit ziemlich deplatziert im Flur stehen und hatte akut definitiv keine Lust mehr, hier zu sein. Sie wollte Deborah in ihrem eigenen Haus bei ihrer eigenen Familie nicht verscheuchen, vor allem nicht heute. Nicht wenn sie mit Sicherheit gerne an Joses Seite wäre. Sie wollte aber auch Victor nicht einfach sitzen lassen. Oder Joses Einladung auf diese Weise sozusagen nachträglich ausschlagen. Egal was sie machte, es würde sowieso bei mindestens einer Person falsch oder zumindest ungünstig ankommen. Faye seufzte angestrengt, zog sich dann ihrerseits ins Bad zurück, um ein paar Minuten durchzuatmen und runter zu kommen. Sie versuchte, Deborahs Worte in ihrem Kopf ein bisschen nach hinten zu rücken, weil sie nicht weiter darüber nachdenken wollte. Hoffte zugleich, dass Victors Mutter nicht das Gleiche mit ihren Worten tat - sie einfach verdrängte. Wobei Faye für ihren Teil wenigstens sehr genau wusste, dass sie alles nur temporär beiseite schieben konnte. Spätestens heute Abend im Hotelbett wäre alles wieder sehr präsent. Bis sie es final durchgekaut und ihren Frieden damit geschlossen hatte, dass Victors Mutter sie lieber nicht an seiner Seite sehen würde. Glücklicherweise waren das keine Neuigkeiten, aber wehtun und sie belasten durfte es ja trotzdem. Besonders jetzt. Als sie nach ein paar Minuten sicher war, dass ihr glasiger Blick nicht sofort sein Comeback feierte, sobald sie das nächste Mal den Mund aufmachte, verliess Faye das Bad, um zurück zum Wohnzimmer zu gehen. Glücklicherweise waren die drei übrigen Mitglieder der Familie Rivera noch immer hier versammelt und Faye warf ein leicht bedrücktes, schwaches Lächeln in die Runde, bevor sie zu Victor trat, um schräg vor ihm stehen zu bleiben. "Können wir kurz reden?", bat sie ihn um ein kurzes Gespräch, streckte ihm dabei bereits eine Hand entgegen. Ein bisschen, weil sie dringend etwas zusätzliche Sicherheit brauchte, ein bisschen, um ihn hochzuziehen, damit sie gemeinsam möglichst zeitnah das Wohnzimmer verlassen konnten. Es tat ihr wirklich leid für Jose - und für Victor und eigentlich für alle Anwesenden - aber sie konnte diese dämliche Situation nicht lösen. Und wenn es keine Lösung gab, dann musste eben die nächstbeste Alternative hin. Die sehr schwer zu beantwortende Frage war bloss, wie genau sich diese Alternative bitteschön gestaltete.
Während eine meiner Hirnhälften konstant darum bangte, dass Deborah weitere Grenzen überschreiten und Faye nervlich hinrichten würde, versuchte ich gleichzeitig mit dem bisschen geistiger Restkapazität eine Idee zur Friedensstiftung zu finden. Eine Möglichkeit, meiner überfürsorglichen Mutter ganz klar aufzuzeigen, dass sämtliche Sorgen um mich ausnahmsweise wirklich mal vollkommen unnötig waren und sie endlich damit aufhören konnte. Sie hatte hier schon genug davon. Der inzwischen nur noch lauwarme Kaffee half mir nicht wirklich dabei und dass die Stimmen aus dem Flur bis ins Wohnzimmer drangen, ich gleichzeitig aber nichts davon tatsächlich verstehen konnte, setzte meine Nerven zusätzlich unter Spannung. Meine Mutter konnte durchaus auch mal lauter werden, wenn man sie nur weit genug bis an den Rand des Wahnsinns trieb, doch bisher schien es – den Umständen entsprechend – verhältnismäßig ruhig zu bleiben. “Du siehst schon aus wie Mom, wenn sie sich Sorgen macht.”, warf Hazel ein und als ich von meiner Tasse aufblickte, sah sie mich mit schief gelegtem Kopf an. Ich stellte den Restschluck Kaffee beiseite und rieb mir stöhnend übers Gesicht. Kam sie mir jetzt gleich noch damit, dass man Falten davon bekam, die Stirn zu runzeln? “Ich versuche nur, eine Lösung zu finden…”, seufzte ich angestrengt, weil ich mir von dem Gespräch der beiden Frauen bis dahin noch nichts erhoffte. Ich kannte meine Mutter und ich kannte Faye, es war schlicht nicht erfolgsversprechend. Heute würde sich hier wahrscheinlich keiner mehr einig werden und eigentlich wollte ich meinem Vater das gerne ersparen. Er sah angestrengt aus, als er sagte: “Und das wirst du bestimmt… wenn ihr beide euch beruhigt habt.” Okay, Message angekommen: Ich sah noch immer nicht so aus, als hätte ich den Ärger von vorhin vollständig losgelassen. Als ich Schritte hörte, drehte ich den Kopf automatisch in Richtung Türrahmen und sah meine Mutter daran vorbeigehen. Faye sah ich jedoch nicht sofort, was nicht gerade dazu führte, dass ich zurück auf den Teppich kam. Ich war dran und drauf aufzustehen und nach ihr zu sehen, als sie schließlich doch ins Wohnzimmer zurückkam. Ohne Umschweife musterte ich ihr Gesicht. Immerhin weinte sie nicht, aber ihr war doch anzusehen, wie verflucht unwohl sie sich fühlte. Umso nachvollziehbarer war ihr Wunsch danach, für einen Moment mit mir allein zu sein und ich nickte, ohne erst darüber nachzudenken. Griff nach ihrer Hand und stand auf, ohne sie im Anschluss wieder loszulassen. Unsere Schuhe standen im Flur, also war die Terrasse keine Option und so landeten wir nahe der Garderobe – weit genug weg vom Wohnzimmer, um sonst Niemanden mit in die Unterhaltung einzubeziehen. “Hat sie dich beleidigt?” Wehe ihr… mein Blick wanderte kurzzeitig zu den Treppenstufen nach oben.
Selbstverständlich liess er sich nicht zweimal bitten. Egal was Deborah sich so offenkundig wünschte, Victors Loyalität galt ungeachtet der Meinung seiner Mutter weiterhin Faye. Das fühlte sich gerade nur leider so gar nicht nach einem Sieg an... was niemanden überraschen sollte, denn wer nicht kämpfen wollte, konnte ja auch schlecht gewinnen. Faye liess Jose und Hazel ein entschuldigendes Lächeln zukommen, bevor sie sich von Victor zur Garderobe leiten liess. Hoffte inständig, dass diese durchgehend unangenehme Atmosphäre baldmöglichst ein Ende fand. Und vielleicht konnte sie sich auch nicht ganz zurückhalten, bei allem Verständnis zumindest innerlich ein paar unschöne Flüche in Richtung der Frau, der sie die Verantwortung für das ganze absolut überflüssige Drama zuschrieb, zu schicken. Auch wenn sie versuchte, das nicht zu tun. Victors Frage war nachvollziehbar, auch wenn Faye daraufhin sofort mit halb geschlossenen Augen den Kopf schüttelte. Innerlich hatte Deborah das bestimmt getan. Aber das war nicht der Grund, weshalb sie mit ihm sprechen musste. Darüber konnten sie sich von ihr aus auch erst später unterhalten. "Nein, keine Sorge... sie hält mich tatsächlich nicht für einen schlechten Menschen", konnte sie eine einzelne, zynische Bemerkung doch nicht zurückhalten. "...auch nicht gerade für das Beste für dich - aber das sind glaub ich keine Neuigkeiten.", hängte sie den offensichtlichen Haken an, ehe sie aber nicht weiter auf das zurückliegende Gespräch - wenn man es denn überhaupt so schimpfen durfte - einging. Faye hob den Blick, um in Victors Gesicht sowohl nach seiner aktuellen Gefühlslage als auch nach dringend benötigter Weisheit zu suchen. Sie seufzte tief, zuckte dann leicht verloren mit den Schultern. "Ich... ich denke, ich sollte vielleicht gehen... Ich - oder eher wir - müssen das natürlich mit ihr klären, aber ich glaube, jetzt ist kein guter Moment. Ich habe ihr gesagt, was ich sagen konnte, aber naja...", sie zuckte erneut mit den Schultern, was genug über Deborahs Empfang aussagen dürfte. "Und es ist auch nicht so fair, wenn ich das alles so super unangenehm für Jose mache. Und für sie. Nicht mit... allem anderen...", sie stockte wieder, was wundervoll ihren allgemeinen Zwiespalt widerspiegelte. "Aber ich will dich auch nicht im Stich lassen. Darum... weiss ich nicht, was ich machen soll.", kam sie zu ihrer logischen, ergebnislosen Schlussfolgerung, stiess dabei etwas frustriert Luft aus und lehnte sich an die Wand in ihrem Rücken, während ihr zerknirschter Blick in seinem Gesicht hängen blieb. Weil er ja sicher eine Lösung bereithielt. Weil er nicht genau wie sie hier festhing, in einem Konflikt, den er nie gewünscht hatte und den er nicht ausfechten wollte. Und Deborah wollte das ja offensichtlich auch nicht, wie sie vorhin so deutlich kundgetan hatte. Was also machten sie hier alle überhaupt und konnten sie nicht einfach kollektiv aufhören damit??
Faye verneinte ziemlich schnell, weshalb ich ihr glaubte. Meine Mutter schien durchaus unhöfliche Dinge gesagt zu haben, aber immerhin war sie nicht noch weiter unter die Gürtellinie gerutscht. Hätte ich ihr zugetraut. Es war ohnehin so schon schlimm genug. Wie ich erwartet hatte, schien Deborah nicht an ihrer Meinung rütteln zu lassen und so rutschte auch mir ein genervtes Seufzen über die Lippen. Als Faye sagte, besser gehen zu wollen, verspannten sich auch meine Gesichtszüge wieder. Natürlich konnte ich verstehen, warum sie lieber nicht hierbleiben wollte – dass sie Konflikte gerne mied, war mir schließlich nicht neu. Trotzdem hatte ich die Brünette nicht mitgenommen, damit sie bloß den halben Tag über darauf wartete, dass ich zurück ins Hotel kam. Dann hätte sie beinahe genauso gut Zuhause bleiben und anschließend meine Wunden lecken können. Die Situation war vermutlich nicht so hinzubiegen, dass alle damit zufrieden waren. Das war unterm Strich die Aussage, die Faye mit all ihren berechtigten Einwänden machte. Ich musterte sie, wie sie an der unschuldigen Wand Halt suchte. Danach richtete ich den Blick mit einem tiefen Atemzug auf den sehr schlichten Teppich im Eingangsbereich. Ich wusste überhaupt nicht, was ich sagen sollte, und nestelte leicht an Fayes Fingern herum. Meiner Mutter Recht zu geben lag mir fern, ich wollte die Liebe meines Lebens nicht einfach ins Hotel verbannen. Trotzdem galten der heutige und der morgige Tag meinem Vater. Schließlich war sein bedenklicher Gesundheitszustand der Grund dafür, weshalb wir überhaupt hergekommen waren und ich wollte ihn nicht noch mehr belasten. „Ich will nicht, dass du gehst.“, stellte ich allem voran murmelnd fest, hob den Blick jedoch nur kurz in Fayes Gesicht und verlor den visuellen Fokus daraufhin erneut, während ich fieberhaft über eine Lösung nachdachte. Eine vorübergehende Einigung, bei der Niemand völlig ausgegrenzt werden musste. Das war doch auch einfach nicht der Sinn einer Familie… aber wie schon zuvor im Wohnzimmer wollte mir nicht einfach urplötzlich etwas dazu einfallen, weshalb ich mir nach zwei stummen Minuten angespannt die Haare raufte. Die Strähnen lagen nicht mehr ganz so perfekt in Reihe, als ich schließlich sagte: “Das vorhin war schon anstrengend für meinen Dad… und ich will ihm nicht weiter zusetzen. Meiner Mutter nachzugeben ist trotzdem… nicht richtig.”, zog ich mein eigentlich relativ offensichtliches Fazit. “Ich weiß aber einfach nicht, wie ich… wie wir ihr beweisen sollen, dass das mit uns beiden mehr als nur irgendwie funktioniert. Ich kann sie ja schlecht 24/7 mit durch meinen Alltag schleppen.”, endete ich ironisch, hörbar frustriert und schüttelte verständnislos den Kopf. Es schien gefühlt unmöglich zu sein, es Deborah Recht zu machen. So, wie die Dinge gerade waren und wie sie sich verhielt, hatte ich eigentlich auch nur wenig Lust, sie überhaupt an meinem Leben in Los Angeles teilhaben zu lassen. Nur war es möglicherweise genau das, was sie brauchte. “Es ist grotesk, in Anbetracht der Umstände hier, aber vielleicht hilft es, wenn wir sie nach Los Angeles einladen..?” Ich wusste es selbst nicht, weshalb es mehr nach einer Frage und einem indirekten Vorschlag klang, als nach felsenfester Überzeugung. Natürlich nicht jetzt sofort – irgendwann dann, wenn mein Vater wieder fit war. Im Gegensatz zu Hazel, die noch jung war und sich das Geld sicherlich gerne sparte, würde meine Mom kaum auf unserem Sofa campieren wollen. Wenn sie also sowieso ein Hotel buchte, konnte sie ihre bessere Hälfte direkt mitnehmen. Vorhin erst hatte sie sich darüber echauffiert, dass sie gefühlt gar kein Teil mehr von meinem Leben war seit ewig. Da würde sie diesen Schritt in ihre Richtung – so schwer er mir in diesem Moment auch fiel, weil ich nach wie vor sauer auf sie war – gutheißen, oder? Dann konnte sie sich ansehen, wie mein Leben in Los Angeles aussah und sich dann vielleicht auch mal vernünftig mit Faye unterhalten, sie besser kennenlernen und dann waren alle zufrieden… im besten Fall zumindest. "Du kannst natürlich trotzdem gehen, wenn du gar nicht hierbleiben möchtest... ich versteh' das schon.", wollte ich Faye, ungeachtet allem anderen, trotzdem wissen lassen, dass es letzten Endes ihre Entscheidung war, ob sie weiterhin hier blieb oder lieber ins Hotel fuhr, um wieder runterzukommen. Ich konnte und wollte hier nicht weg, aber sie hatte eine Wahl.
Sie wollte ihn ja, wie bereits gesagt, nicht hier im Stich lassen. Es war nur einfach auch super unangenehm, wenn sie weiterhin in diesem Haus blieb. Für sie sowieso, aber auch für Deborah und wahrscheinlich alle anderen. Eine für alle passende Lösung würde es für diese Situation schlicht nicht geben, solange ein Familienmitglied hier anderer Meinung war als die anderen und ein Kompromiss aufgrund der Ausgangslage keine Option sein konnte. Wie genau sie Deborah vom Gegenteil ihrer Meinung - welche im Übrigen auf einer subjektiven Einschätzung von Fakten basierte, die über ein Jahr alt waren und eine akute Krisensituation widerspiegelten - überzeugen konnten, stand leider in den Sternen. Trotzdem machte Victor diesbezüglich einen Vorschlag, der vielleicht irgendwann einen Versuch wert sein könnte. Eine Einladung in ihre eigenen vier Wände würde vielleicht etwas bringen. Obwohl die Vorstellung, Deborah dann bei diesem Besuch auf Biegen und Brechen beweisen zu müssen, dass Faye und Victor in der Tat ziemlich gut klar kamen miteinander und ihr neues Leben gar nicht mal so beschissen lief, zugegeben ziemlich stressig klang. Es ging Faye eigentlich auch gegen den Strich, Deborah überhaupt irgendwas beweisen zu müssen, dessen Beurteilung nicht in ihrer Kompetenz lag. Aber es wäre das kleinere Übel als immer wieder das gleiche Drama, wenn sie hier war - oder weitere unnötige Belastungen auf den Beziehungen zwischen Victor und seiner Familie. Dahingehend liess sich der Rehazeit von Jose immerhin etwas Positives abgewinnen - so bald wäre eine entsprechende Reise sowieso nicht möglich und Faye bekam immerhin ein bisschen Zeit, um im neuen Job anzukommen und sich mental darauf einzustellen. Falls das Angebot denn überhaupt auf offene Ohren stiess. "Können wir versuchen...", erwiderte sie, wobei ihr Tonfall nicht viel mehr Überzeugung in sich trug als sein Vorschlag. Nicht unbedingt, weil sie dagegen war - eher weil sie doch ein bisschen daran zweifelte, dass Deborah sich darüber freuen oder wenigstens eine Chance darin sehen würde. "Aber vielleicht eröffnest besser du ihnen die Einladung", schob Faye mit einem schiefen Lächeln eine kleine, relativ naheliegende Bedingung nach. Die akute Problematik war damit leider nicht behoben und die Entscheidung, ob sie nun hierbleiben oder verschwinden sollte, konnte Victor ihr nicht abnehmen. So seufzte Faye erneut, brauchte wieder einen Moment zum Denken. Einfach das Haus verlassen wäre sicherlich die einfachste Lösung. Aber zugleich hatte Jose sie eingeladen, wie er vorhin nochmal explizit erwähnt hatte. Er würde es ihr bestimmt nicht übel nehmen, wenn sie ging, aber da er es war, der morgen unters Messer musste, sollte nicht Deborah entscheiden, wer heute auf ihrem Sofa sass, sondern Jose. Und Deborah könnte sich wenigstens einen Tag lang zusammenreissen und ihre Bedenken beiseitestellen - wenn nicht für Victor, dann bitte für ihren Ehemann. "Ich versuchs nochmal... vielleicht hat sie sich in der Zwischenzeit ja auch etwas beruhigt.", entschied Faye sich schliesslich, erstmal nicht ihrem Fluchtinstinkt zu folgen. Mehrheitlich Victor zuliebe, ein bisschen aber auch für Jose - und für sich selbst. Weil es nach dem vorherigen Gespräch eine sehr schlechte Idee wäre, hier einfach raus zu spazieren und die nächsten Stunden mit sich selbst zu verbringen. Die ziemlich direkte Anklage, Victors vergangene Abstürze wären ihr Verschulden gewesen und sie wäre sowieso nicht die richtige Frau für ihn, war nicht ganz so leicht verdaulich, wie sie sich das gerne vormachen würde. So folgte auch jetzt nochmal ein tiefes Seufzen, bevor sie einen Schritt auf Victor zuging, um ihn wenigstens für einen kurzen Kuss zu sich runter zu ziehen, bevor sie zurück ins Wohnzimmer gingen. Obwohl sie deutlich lieber noch ein bisschen auf dem Flur stehen und ihn küssen würde, um so zu tun, als würde sie sich hier tatsächlich ernsthaft wohl fühlen.
Ich hasse es, mittlerweile bei gefühlt jedem Post schreiben zu müssen, dass ich WiEdEr Da BiN… x’D War leider echt so gestresst die letzten zwei Wochen über, dass irgendwann der Punkt erreicht war, wo ich dann gar nicht mehr schreiben konnte, weil ichs auch am Wochenende nicht mehr abbauen konnte… und dann kam halt einfach gar nix mehr, wenn ich den Bildschirm zum Tippen aufgeklappt hab, war ein super beschissenes Gefühl. :’) In der Theorie sollte ich jetzt aber zwei Wochen lang meine Ruhe haben, weil zum Glück keine Frühschicht mit drölf Zusatzaufgaben, und dann hab ich wie gewünscht zwei Wochen frei. x’D _______________
Faye wirkte nicht übermäßig überzeugt von meiner Idee. Damit ging es uns beiden ähnlich, sie stimmte aber dennoch zu. So war ein Besuch meiner Eltern in Los Angeles unsererseits beschlossen und ich musste nur noch hoffen, dass meine Mutter das nicht auch wieder irgendwie in den falschen Hals bekam. Es machte natürlich Sinn, wenn ich ihr - ihnen beiden - den Vorschlag unterbreitete und nicht Faye, weil ich in der besseren Position dafür stand. Konnte trotzdem schief gehen. „Ja, ist wahrscheinlich besser.“, stimmte ich Faye mit einem schwachen Nicken zu, ohne den nachdenklich angespannten Ausdruck aus dem Gesicht verloren zu haben. Es blieb anstrengend, absolut alles daran. Auch an dieser Stelle überschnitten sich unsere Gefühlswelten, das schloss ich aus Fayes tiefem Seufzer. Schweigend streichelte ich ihr mit dem Daumen über den Handrücken in der stillen Hoffnung, damit einen Funken Beistand liefern zu können. Die Brünette saß nach dem offenbar nicht so gut verlaufenen Gespräch noch mehr zwischen den Stühlen als ich selbst, und das tat mir wirklich leid. Ich hatte vergebens darauf gehofft, dass Deborah ihren Groll zumindest für ein paar Stunden runterschlucken konnte und nun musste Faye das zwangsläufig ausbaden. Das war absolut nicht meine Absicht gewesen. Mein Blick war zwischenzeitlich auf unsere verschränkten Finger gerutscht, bis sie schließlich sagte, dass sie nicht schon frühzeitig ohne mich aufbrechen würde. Meine Mundwinkel bogen sich zum Ansatz eines Lächelns nach oben. Einerseits, weil ich natürlich froh darüber war, wenn Faye weiter an meiner Seite klebte und andererseits, weil es mich immer so ein kleines bisschen stolz machte, wenn ich sah, wie sie eine Herausforderung - vor allem auf zwischenmenschlicher, aber auch auf jeder anderen Ebene - annahm und ihr nicht auswich. Ich ließ mich bereitwillig in den Kuss verwickeln und erwiderte ihn liebevoll, strich gleichzeitig ein weiteres Mal über ihre Hand. „Hoffen wir das Beste.“, murmelte ich im Anschluss leise vor mich hin, mehr für mich selbst, während wir schon den Weg ins Wohnzimmer eingeschlagen hatten. Dort begrüßten uns noch immer nur die Gesichter meines Vaters und meiner Schwester. Jose warf uns ein etwas entmutigtes Lächeln zu, während Hazel sich mittlerweile etwas angespannt auf der Unterlippe herum kaute und auf ihrem Handy tippte. Sie legte es erst auf dem Tisch beiseite, als Faye und ich uns aufs Polster des Sofas sinken ließen. Ich löste meine inzwischen leicht schwitzigen Finger von Fayes und legte meine Hand stattdessen auf ihren Oberschenkel. Offensichtlich war allen Anwesenden die Situation auf irgendeiner Ebene unangenehm. “Ist übrigens dein Pullover. Den hast du letztes Mal hier vergessen, hing’ noch über der Sofalehne.”, brach Hazel die Stille. Ich musterte das Kleidungsstück und stellte fest, es bis jetzt in keiner Sekunde vermisst zu haben – mir war ja nicht mal aufgefallen, dass es mir gehörte. Lag wohl daran, dass ich mittlerweile nur noch Zuhause auf dem Sofa so durchweg legere Kleidung trug. Mein Gesichtsausdruck spiegelte meine Gedanken offenbar etwas zu deutlich wider. “Es ist dir gar nicht aufgefallen.”, stellte meine Schwester fest und schob ihre Beine grinsend vom Sessel, um sich noch etwas Kaffee nachzuschenken. “Ich war zu sehr mit dem Gedanken beschäftigt, dass du jetzt einen Freund haben könntest, dem ich noch Beine machen muss, bevor ich wieder abreise.”, bediente ich mich einer offensichtlichen Lüge, die meine Schwester nur noch breiter grinsen ließ. “Ich könnte wetten, du hättest dabei noch immer denselben Gesichtsausdruck wie damals… auf dem Spielplatz, weißt du noch?” Ich war mir nicht sicher, ob sie auf einen bestimmten Ausflug anspielte. “Nein..?”, gestand ich zögernd und lächelte schief. Könnte an meinem mehrfachen Schädelhirntrauma liegen, oder aber auch einfach nur daran, dass das inzwischen sicherlich zwanzig Jahre her war. “Du hast oft auf dem Rand vom Sandkasten gesessen und auf mich aufgepasst… auf mich und Leah. Die Jungs hatten fast alle Angst vor dir und wenn sich doch einer daneben benommen hat, bist du sofort dazwischen gegangen.“, erzählte Hazel und fragte uns anschließend mittels Blickkontakt, ob wir mehr Kaffee wollten, weil sie die Kanne noch in der Hand hielt. Ich nickte daraufhin leicht. “Ich hab meine Rolle als großer Bruder eben ernst genommen, sei doch froh drüber.”, meinte ich schulterzuckend. Ein klein wenig entspannter, weil ich mich von Hazel in diese sehr schwammigen Kindheitserinnerungen entführen ließ. Das war viel angenehmer als die Sorge um das angeknackste Verhältnis zu unserer Mom oder die Krankheit unseres Dads. “Bin ich, mir hat wirklich nur selten jemand meine architektonisch bemerkenswerten Sandburgen zerstört.”, sprach sie ironisch weiter, während sie meine Tasse füllte. “Aber mittlerweile kann ich Männer selber in die Schranken weisen, weißt du.”, blinzelte sie mir mit lieblichem Lächeln zu. “Da bin ich mir sicher. Es schadet aber ganz bestimmt trotzdem nicht, wenn dein Zukünftiger weiß, wen du anrufst, wenn er dir das Herz bricht.”, lächelte ich gutmütig zurück, so als hätte ich tatsächlich irgendeinen winzigen Einfluss darauf, mit wem Hazel sich hier traf und wie diese Leute mit ihr umgingen. Der Gedanke daran war trotzdem ein bisschen beruhigend, merkwürdig angenehm und unbefangen. “Kommst du dann in einem dieser überseriösen Anzüge vorbei?” Noch bevor ich auf die Sache mit dem arbeitsbedingten, neuen Kleidungsstil antworten konnte, der sich auch vermehrt auf meine Freizeit-Garderobe ausgewirkt hatte, wandte meine Schwester sich an Faye. “Sei ehrlich: Du musstest dich auch erst dran gewöhnen, oder?” In den nächsten beiden Stunden blieben die Gesprächsthemen ebenso ungezwungen wie die Sandkastenerinnerungen. Irgendwann in der Zwischenzeit stahl auch meine Mutter sich vermeintlich dezent zurück ins Wohnzimmer. Sie sagte nichts, sah auch kaum Jemandem direkt ins Gesicht, setzte sich nur einfach wieder neben ihren Ehemann und schlang ihre Hände um seinen leicht angewinkelten Arm. Sie beteiligte sich kaum an der Konversation, aber ich war absolut zufrieden damit, dass sie nur einfach keine Situation wie die vorherige mehr auslöste. Hoffentlich deshalb, weil sie gemerkt hatte, wie überzogen das alles war. Gegen 17.30 Uhr ging sie wieder, wohl um das Abendessen in der Küche vorzubereiten. Es war Joses letzte Mahlzeit vor der morgigen Operation, da wurden sicher keine halben Sachen von ihr aufgetischt. Als sie schon ein paar Minuten weg war, sah ich zu meinem Vater: “Du würdest uns sicher auch gerne mal in L. A. besuchen, wenn du dich von der OP erholt hast, oder?”, fragte ich ihn gerade heraus. Jose zögerte nicht mit einem Nicken. “Natürlich. Vielleicht nicht unbedingt im Hochsommer, wegen der Hitze, aber prinzipiell sehr gerne.”, hängte er eine kleine Bedingung für seinen Besuch bei uns an, was absolut kein Problem war. Es war für alle Beteiligten angenehmer, eine Tour durch die Stadt zu machen, wenn die Sonne nicht den ganzen Tag über auf Hochtouren lief. “Das ist machbar.”, erwiderte ich entsprechend gelassen mit einem Schulterzucken. Ich hatte ohnehin nicht mit einem Nein gerechnet und mein Vater war auch nicht die Hürde bei dieser Angelegenheit. “Ich seh’ mal nach, ob sie Hilfe in der Küche braucht.”, entfernte ich mich selbst aus der kleinen Runde mit einem seitlichen Nicken gen Türrahmen. Trotzdem nahm ich mir erst noch die Zeit, Faye einen sanften Kuss auf die Wange zu setzen, bevor ich aufstand und mich auf den Weg zur Küche machte. Ich wusste, dass es Deborah angenehmer sein würde, wenn ich ihr diese tendenziell schon wieder für Aufruhr sorgende Frage nicht vor versammelter Mannschaft stellte. Es war wie immer an mir, wieder einen Schritt auf sie zuzugehen, so wie bei eigentlich jedem unserer Streits, weil das andersherum eher nicht passieren würde. Dafür brauchte sie erst einen gezielten, wohlwollenden Schubs in die richtige Richtung… und mit dem Rest meiner Familie konnte ich meine Freundin guten Gewissens für einige Minuten zurücklassen. Im Gegensatz zu meiner Mutter lehnten die beiden sie ganz und gar nicht ab.
Dat klingt ned so guuuutttt.... :'/ Ich hoffe (zum tausendsten Mal I guess) für dich, dass es jetzt wirklich etwas ruhiger wird oder zumindest weniger stressig. Jedenfalls gut, wenn du bald noch die zwei Wochen frei hast. Auch wenn es genau die gleichen zwei Wochen sein werden wie ich und ich da - natürlich, wie könnte es auch anders sein - weg bin. x'D ___________
Das Beste zu hoffen, war auch irgendwie das Einzige, was ihnen in dieser Situation übrig blieb. Sie konnten Deborah immerhin nicht dazu zwingen, Faye wieder zu akzeptieren und aufzuhören, ihrem Sohn in dessen Liebesleben zu reden. Da musste sie schon selbst draufkommen - oder eben nicht. Aber Faye wollte wirklich versuchen, positiv zu bleiben und daran zu glauben, dass Victors Mutter sich im Verlauf ihrer Tage hier wieder etwas offener zeigte. Und dass die unnötigen Differenzen spätestens nach dem Gegenbesuch in Los Angeles aus dem Weg geräumt waren. Vorerst rückte das Drama etwas in den Hintergrund, weil sie sich zurück ins Wohnzimmer bequemten und Hazel dort mit anderem, weitaus angenehmerem Gesprächsstoff dienen konnte. Dass ihr Pulli mal Victor gehört hatte zum Beispiel. Auch Faye war das bisher definitiv nicht aufgefallen, aber vielleicht liess sich das noch ein bisschen darauf abschieben, dass die Zeit von ihrer Ankunft bis jetzt eher angespannt gewesen war und sie Hazels Kleidung zugegeben wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Victor konnte scheinbar ungefähr dasselbe behaupten, schien sich jedoch auch nicht weiter an der Tatsache zu stören, dass seine Schwester seinen Pulli annektiert hatte. Faye lauschte dem Gespräch lächelnd, ohne sich wirklich einzumischen. Stellte sich lieber die Sandkasten- Szene bildlich vor - was sie durchaus amüsierte. Sie hatte bereits ein paar Kinderfotos von Victor zu Gesicht bekommen, konnte sich die beschriebene Szene also in etwa ausmalen. Äusserlich hatte der kleine grosse Bruder von damals mit dem Victor, der nun neben ihr sass, wahrscheinlich nicht mehr viel gemeinsam. Zumindest ein paar besonders markante Charakterzüge, die er bis heute in sich trug, schienen sich aber schon im Sandkasten deutlich abgezeichnet zu haben. Er war ein guter Beschützer, damals für Hazel, später für sie. Genau genommen hatte er sich genau dieses Hobby mittlerweile zum Beruf gemacht - jetzt war er der Beschützer der Superreichen, die genügend zahlen konnten, um sich in seiner Gegenwart sicher fühlen zu dürfen. Um ihn in seinen überseriösen Anzügen beschäftigt zu halten. "Natürlich... Wäre er nicht mein Freund, hätte ich entweder Angst vor ihm oder müsste ihn akut nach seiner Nummer fragen", erwiderte sie grinsend auf Hazels Frage, begleitet von einem leichten Side-Eye zu Victor. Sie hatte ihm ihre Meinung zu den Anzügen schon am ersten Abend seiner Rückkehr nach Seattle deutlich genug kundgetan und daran hatte sich bis jetzt nichts geändert. Von ihr aus musste er sicher nicht immer in Anzügen leben. Aber wenn er es tat, hatte sie definitiv nichts dagegen einzuwenden und hatte sich längst sehr gerne an den Anblick gewöhnt. Im Folgenden drehte sich das Gespräch zuerst noch etwas gezielter um Hazels Liebesleben, weil Faye wissen wollte, ob Hazel irgendeinen Typ Mann bevorzugte. Damit sie in L.A. die Augen offen halten konnte, oder so. Vielleicht, wenn der Trip ein Date mit einem vermeintlich perfekten Mann für sie inkludierte, würde Victors Schwester ja schon früher bei ihnen vorbeikommen. Dann unterhielten sie sich über L.A., die Vor- und Nachteile ihrer neuen Heimat und über andere Updates, an denen es hier auf keiner Seite wirklich mangelte. Auch wenn Hazel und Jose - Deborah beteiligte sich eher nicht am Gespräch - nicht umgezogen waren und auf den ersten Blick alles beim Alten geblieben war, hatte Faye sie schon sehr lange nicht mehr gesehen und auch Victors letzter Besuch hier lag eine Weile zurück, Gesprächsstoff war also genügend vorhanden. Es blieb irritierend, dass Deborah anwesend war, aber kaum was sagte. In Anbetracht der vorgehenden Konversation war das durchaus unangenehm. Aber Faye tat ihr bestes, Victors Mutter ebenso zu ignorieren, wie diese es umgekehrt auch mit ihr tat und sich stattdessen auf den Rest der Familie Rivera zu konzentrieren. Als Deborah sich zum Kochen in die Küche verzog, stellte Victor schliesslich die erwartete Frage. Vorerst nur an Jose, der die Einladung ohne zu zögern annahm, aber als Victor wenig später ebenfalls in Richtung Küche verschwand, war klar, dass seine Mutter sich zeitnah die gleiche Frage anhören durfte. Und hoffentlich genauso ohne zu zögern einwilligen würde. Faye blickte ihm kurz nach, bevor sie sich wieder Jose und Hazel widmete. "Ist deine Schwester noch in Seattle oder sind sie ebenfalls in den Süden gezogen?", die Frage von Hazel kam etwas überraschend, weshalb Fayes erste Reaktion ein etwas zögerliches Kopfschütteln war. "Nein, bisher sind sie noch in Seattle... Aber sobald ihre Jobsituation es zulässt, werden sie wohl nachziehen. Hoffentlich bald", erwiderte sie versucht optimistisch und weiterhin lächelnd, weil sie hier lieber kein Besorgnis erregen wollte. Es wäre besser, wenn in diesem Haus niemand erfuhr, dass ihre Schwester einen nicht weniger turbulenten Lebensstil pflegte als sie. Auch wenn Deborah gerade nicht zuhörte, war das kein Detail, das heute besprochen werden musste. Glücklicherweise liessen ihre aktuellen Gesprächspartner sich ohne böse Gedanken wieder in eine andere Richtung leiten, wobei sie nochmal einen Schlenker in die Kindheit machten, weil Faye sich sehr gerne von lustigen Geschichten über Baby-Vicky unterhalten liess. Das Ganze endete damit, dass Jose ein altes Fotoalbum aus einem Regal holte, um den Geschichten zur allgemeinen Erheiterung ein paar bildliche Impressionen anzufügen. Faye verzichtete heute lieber darauf, in der Küche ebenfalls ihre Hilfe anzubieten. Somit sass sie noch immer neben Jose und Hazel auf dem Sofa und begutachtete Fotos, als scheinbar die Zeit fürs Essen gekommen war und Victor genau mit dieser Nachricht zurück ins Wohnzimmer trat. Mittlerweile waren sie beim etwa zwölfjährigen Vicky angekommen, der im Urlaub auf einem Pony sass und dabei nicht halb so entspannt und glücklich in die Kamera blickte, wie seine Schwester auf dem Pferdchen nebenan. Ihr Blick wanderte belustigt vom Bild in Victors Gesicht und zurück, ehe sie den Kopf etwas schief legte. "Ich seh' schon... dein Bammel vor Pferden war kein Scherz", meinte sie gespielt bedauernd, ohne dabei aber das Lächeln zu verlieren. Ob diese Abneigung beim abgebildeten Ritt ihren Anfang genommen hatte, wusste sie leider nicht, aber möglich wars schon. Sonst wäre er damals ja gar nicht erst aufs Pony gesessen. "Das ist schon begründet. Auf dem Foto sieht der Schimmel vielleicht brav aus, aber in Wahrheit ist er mit Victor durchgebrannt und ich habe kurz geglaubt, meinen Sohn am anderen Ende der Stadt wieder einsammeln zu müssen.", verteidigte Jose Victors Haltung, wenn auch die Erinnerung auf seinem Gesicht ebenfalls ein Lächeln provozierte. Er legte das Album beiseite, um sich vom Sofa zu erheben. "Jaja... Aber dann später auf Motorradfahren und eine Armykarriere umsteigen. Die Lebensführung klingt für mich persönlich jetzt nicht so konsequent vorsichtig", neckte Faye ihren Freund mit einer hochgezogenen Augenbraue, noch bevor sie den Esstisch und damit Deborahs Hörweite erreicht hatten. Die hatte sich heute schon genug über Unvorsichtigkeit und ähnliches unterhalten.
Hööör miiir aaauffffff, es gab ein riesen Drama… einer der Kollegen hat den Betriebsrat eingeschaltet aufgrund der chaotischen (und für viele Kollegen verständlicherweise sehr überfordernden) Umstände, der wiederum kam dann sofort vorbei und daraufhin wurde innerhalb von 1,5 Wochen super viel umstrukturiert. Das war nicht weniger anstrengend als vorher, aber theoretisch sollte dann alles bestens/fertig sein, wenn ich in zwei Wochen zurück auf die Arbeit komme… in der Zwischenzeit hatte ich ‘nen dezenten mental Breakdown, weil meine steinalte, 16jährige Katze einen Tumor (immerhin gutartig, also nicht schmerzhaft) und eine Schilddrüsenüberfunktion diagnostiziert bekommen hat und jetzt starke Medikamente braucht, die sie aber nicht so gut verträgt unds meinem Pony auch wieder kacke geht, seit die Temperaturen innerhalb eines Tages von 35° auf 15° gefallen sind, but that’s life i guess... Die werden halt beide nicht jünger, aber sowas nagt immer richtig übel an mir. Ich werde zumindest diese Woche auch noch viel mit der Planung der Hochzeit meiner Schwester beschäftigt sein, gestern war JGA und heute ist eigentlich der einzige Tag, an dem gar nichts mehr geplant ist… deswegen hab ich mir jetzt den Laptop genommen und mich damit auf den Balkon gesetzt, weil das grade der einzige Ort ist, an dem ich überhaupt noch schreiben kann. Bin weiterhin heavy blockiert im Kopf, ein suuuper Gefühl. x’D Dir aber wie immer ganz viel Spaß im Urlaub. <3 _______________
Faye hatte mich nie nach meiner Nummer fragen müssen – die hatte ich ihr damals allzu gerne zugesteckt – und sie hatte auch nie überproportional viel Respekt vor mir gehabt. Außer vielleicht im Hinblick auf meine Gefühlswelt, aber da waren wir beide gleich. Inzwischen war ich zwar gut darin, das Wohl anderer nicht mehr grundsätzlich über meines zu stellen, aber bei Faye musste ich da weiterhin akribisch aufpassen und mich manchmal daran erinnern, dass wir uns eigentlich immer genau auf Augenhöhe bewegen sollten, damit nicht wieder irgendwas aus den Fugen rutschte. Mit meiner Mutter war das ganz anders. Sie starrte die Zutaten auf dem Schneidebrett fast schon hypnotisch an, während sie das Messer auf und ab wippte. Inzwischen war mein Stolz wieder so groß wie ihrer und zu versuchen, den des anderen zu untergraben, war ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen. “Kann ich dir helfen?”, startete ich banal in die Situation und rüttelte sie damit aus ihren Gedanken. Sie zuckte leicht, als sie aufsah und mit dem Messer innehielt. Einen Moment lang schien sie abzuwägen, dann nickte Deborah langsam und überließ mir mit einer beiläufigen Geste das Messer. Zwiebeln – sehr ironisch. Während meine Mutter eine Pfanne auf den Herd setzte, besah ich mir die umliegenden Zutaten und machte mir schon einen eigenen Reim auf die anstehenden Speisen. Es dauerte ein bisschen, bis wir uns beide genug in der früher so gewiss nicht alltäglichen Situation verloren hatten, um etwas entspannter miteinander sprechen zu können. Vor meinem Alleingang nach Vegas war ich in der Küche meistens keine bereitwillige Hilfe gewesen. Als ich etwas später vom Tischdecken zurück in die Küche kam, schob Deborah gerade die gefüllten Auberginen zum Überbacken in den Ofen und ich lehnte mich unweit des Herds an die Theke. “Ich will dich wieder in meinem Leben haben… du fehlst mir auch.”, startete ich nach kurzem Zögern mit einem leisen Seufzen in die noch ausstehende, dringend nötige Unterhaltung. Debbie hielt in der Bewegung inne und erwiderte das Seufzen mit geschlossenen Augen. “Aber dafür gebe ich kein Leben auf, für das ich sehr lange gekämpft habe... weil ich es so wollte. Weil Faye und ich es beide so wollen.” Überflüssig zu erwähnen, dass es auch mir selbst lieber gewesen wäre, meine Freundin und ich hätten nicht dermaßen viele Talfahrten erleben müssen. Doch die Karten lagen nun alle so auf dem Tisch, wie wir sie ausgespielt und angenommen hatten. Damit mussten sich alle irgendwie arrangieren. “Ich… ich weiß.”, war ihre erste, sehr knappe Antwort. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie tief durchatmete und weitersprach: “Ich kann das alles nur nicht einfach so vergessen…” Ich lächelte noch etwas vorsichtig, als ich meine Hand nach ihrer Schulter ausstreckte. “Ich auch nicht.” Prägende, schmerzhafte Erlebnisse brannten sich so scharf ins Gedächtnis ein wie nichts anderes. “Aber ich hab’ einen Weg gefunden, damit zu leben. Ich bin glücklich in L.A., es geht mir dort mit Faye so gut wie ewig nicht mehr.” Bis zur verheerenden Nachricht aus der Heimat zumindest. “Wir haben das besprochen. Komm uns besuchen. Gönn’ dir und Dad eine Auszeit im Süden, lass dir die Stadt von uns zeigen und lern’ Faye dabei besser kennen. Du kennst sie viel zu wenig, dafür, dass du so hart über sie urteilst… was sicherlich auch meine Schuld ist, weil wir nie hier waren und ich eure Besuche abgelehnt habe… aber jetzt bin ich soweit.”, versuchte ich Deborah – beinahe anschuldigungsfrei – dazu zu bewegen, ihrerseits einen Schritt auf mich zuzugehen. Sie blickte meinen Arm entlang bis hoch in mein Gesicht und musterte mich einen Moment lang. Ihr standen wieder Tränen in den Augen, die sich jedoch zurückhielten. “Willst du sie noch immer heiraten?” Ich nickte sofort. “Ich zerbreche mir regelmäßig den Kopf darüber, wo, wann und wie ich ihr den Antrag machen soll.” Nicht deswegen, weil ich ihn am besten schon Morgen stellen wollte – es war schlichtweg nicht der richtige Zeitpunkt dafür – sondern weil er perfekt sein sollte. Es sollte keine Abstriche geben müssen und es durfte trotzdem nicht zu viel sein oder auf die falsche Art passieren. “Ich schätze… deinem Vater könnte ein kleiner Urlaub gut tun, nach der OP… und mir wahrscheinlich auch.”, murmelte sie und schüttelte den Kopf, ohne mich anzusehen. “Ich mach mir einfach nur Sorgen um dich, Victor… es ist schwer, das alles…”, stammelte sie. Ich schüttelte nur den Kopf, weil sie nicht weitersprechen musste, und nahm sie in den Arm. “Ist ja auch berechtigt… ein bisschen.”, meinte ich etwas leiser. Aber eben nur ein bisschen und nicht so extrem, wie meine Mutter es bis dato nach außen trug. “Faye nimmt diesen Neuanfang genauso ernst wie ich. Gib’ ihr bitte eine Chance, das zu zeigen.” Mit diesen Worten ließ ich sie wieder los und sah sie noch einen Moment an, bevor ich ihr ein Glas Wasser einschenkte. “Ich werde es versuchen.”, presste Deborah hervor, bevor sie den hörbaren Frosch in ihrem Hals mit Wasser ertränkte. “Mehr erwarte ich gar nicht von dir.” Solange es ein wirklich ehrlicher Versuch war, versteht sich. Wir blieben noch einen kurzen Moment in der Küche, damit wir beide nochmal durchatmen konnten und zwischenzeitlich kochte die Vorspeise erneut auf. Ich fand das Drei-Gänge-Menü dezent übertrieben, aber allseits bekannt war meine Mutter in der Küche nie zu bremsen. Während sie die Suppe im Topf zum Tisch brachte, schlug ich im Gegenzug den Weg ins Wohnzimmer ein, um den Rest der Familie ins Esszimmer zu trommeln. Offenbar waren alte Fotobücher aus den Regalen gezogen worden und ich verzog leicht das Gesicht, als Faye auf meinen gehörigen Respekt vor diesen vierbeinigen Überraschungstüten zu sprechen kam. Die dazugehörige Erzählung meines Vaters sorgte bei mir für ein inneres Schütteln. Noch so eine Erinnerung, die wohl nie schwinden würde. Dass ich danach trotzdem bereitwillig auf Motorräder gestiegen war, klang da im ersten Moment wirklich nicht logisch. “Der signifikante Unterschied ist, dass die Bikes keinen Dickschädel haben, okay? Die rennen nicht einfach los und setzen dich dabei fast im nächstbesten Graben ab, nur um dann das Maul in den höchsten Grasbüschel zu stecken…”, verteidigte ich mein damaliges Hobby, als ich an Fayes Seite den breiten Türborgen durchschritt. So mehr oder weniger effektiv, weil man auch mit einem Motorrad leicht im Straßengraben landen konnte. Jugendlicher Leichtsinn trug nicht unbedingt zu sicherer Fahrt bei. “Oh, geht es um das weiße Pony?”, fragte Deborah, die gerade den Deckel von der Suppe nahm und sich anschließend setzte. “Um Mephisto, ja… ihr hättet dem Namen mehr Aufmerksamkeit schenken sollen, der war offensichtlich kein Scherz.”, schnaubte ich und klang dabei selbst belustigt, obwohl ich mich bis heute nicht freiwillig nochmal in einen Sattel setzen würde. Hazel lachte, als sie sich auf den Stuhl neben meiner Mutter setzte. Faye und ich nahmen gegenüber Platz, Jose saß an der Stirnseite zu meiner rechten. “Ich finds’ immer noch lustig, dass du trotzdem gleichzeitig zu große Angst hattest, dann einfach abzusteigen, als er wieder angehalten hat.”, kicherte meine Schwester, die daraufhin nach der Schöpfkelle griff und anfing, die leichte Gemüsesuppe an alle Anwesenden zu verteilen. “Ich hab’ mich einfach nicht bewegt in der Hoffnung, dass er dann vergisst, dass ich noch da bin.” Meine Finger hatten eher aus höllischer Angst heraus dermaßen verkrampft am Sattelknauf geklebt, dass ich mich gar nicht bewegen konnte. “Hat funktioniert.”, grinste mein Vater und zuckte mit den Schultern, ehe er seinen Teller wieder entgegen nahm. Wir wünschten uns gegenseitig noch guten Appetit, bevor alle die Suppe kosteten. “Hast du auch schon im Sattel gesessen, Faye?”, fragte Jose, weil er der Stille offensichtlich nichts abgewinnen konnte. Bis die Hauptspeise – in Form der überbackenen gefüllten Auberginen und des dazu passend abgeschmeckten Couscous-Salats – etwas später auf dem Tisch stand, klinkte meine Mutter sich nur sehr dezent ins Gespräch ein. Ich erwischte sie aber öfter als vorher dabei, wie sie in Fayes Richtung sah und irgendwann, während einer kurzen Pause zwischen den Konversationen, meldete sie sich schließlich zu Wort: “Ich freue mich auf Los Angeles… ist ohnehin fast eine Schande, dass wir noch nie dort waren, die Flüge sind ja ein Katzensprung.” Sie lächelte noch eher verhalten, jedoch in Fayes Richtung. Ich konnte in ihren Augen lesen, wie viel Überwindung es sie kostete, nicht doch wieder einen Rückzieher zu machen.
Dat klingt ja traumhaaaaftttt... <.< Hoffe mal für dich, dass das mit der Arbeit sich tatsächlich positiv verbessert und eingependelt hat, bis du wieder da bist. Und für die Tierchen hoff' ich natürlich auch wie immer das beste... :3 Kann ich voll nachvollziehen, mit sowas komm ich auch immer gar nicht klar...
Und ich kann dir hier leider nicht so viel bieten, hab noch versucht, es besser zu machen, aber irgendwie…. Ist der Beitrag halt auf tiefer Qualitätsstufe geblieben. x‘D Wahrscheinlich zu wenig Drama um bei mir Peak Performance zu triggern. XD ______________
"Sie sind aber im Gegenzug nicht ganz so schnell und im Idealfall auch nicht primär auf befahrenen, geteerten Strassen unterwegs", listete Faye lächelnd zwei Punkte auf, die ihrer Meinung nach die Pferde wiederum in weniger risikobehaftetes Licht rückten als Motorräder. Strassen waren sowieso schon gefährlich - ohne Sicherheitsgurten und Airbags, dafür mit ordentlich Speed nur umso mehr. Zumindest für sie war ein Motorrad entsprechend nicht unbedingt der Inbegriff für Sicherheit und Faye war nicht gerade traurig, dass Victor dieses Hobby in den syrischen Sand gesetzt und nicht wieder aufgenommen hatte. Scheinbar war Mephisto eine kleine Berühmtheit in der Familie Rivera und alle kannten seinen Namen und erinnerten sich an die Show. Faye konnte sich dank des Bildes in Kombination mit ihrer blühenden Fantasie bestens vorstellen, wie das damals ausgesehen haben könnte und fühlte sich doch sehr erheitert von dem lockeren Gespräch. Es half auf jeden Fall dabei, dass sie nicht direkt wieder in der unangenehmen Anspannung versank, kaum war die Familie wiedervereint am Esstisch. Jose zog die Unterhaltung mit einer Frage noch etwas weiter und Faye nickte leicht. "Tatsächlich schon ein paar Mal. Ich hab zwar nie Karriere gemacht und auch nie wirklich Unterricht genossen, aber eine meiner besten Kindheitsfreundinnen wuchs auf einer Ranch auf und ich war oft bei ihr und den Pferden... Teile die Antipathie also nicht unbedingt, auch wenn ich mittlerweile schon seit Jahren auf keinem Pferd mehr sass", teilte sie eine Anekdote aus ihrer eigenen Kindheit, wo die Interaktionen mit Pferden aller Anschein nach etwas unbeschwerter abgelaufen waren als bei Victor. Das Essen war sehr gut, was sich Deborah auch von ungefähr allen Anwesenden - inklusive Faye, natürlich - anhören durfte. Es war offensichtlich, dass sie sich bemüht hatte und das Ergebnis konnte sich nicht nur sehen, sondern definitiv auch schmecken lassen. Wenig später wurde aber etwas durch die Blume offenbart, dass Deborah und Victor vorhin in der Küche tatsächlich nicht nur gekocht, sondern auch geredet hatten. Und dass das Gespräch erfolgreich ausgegangen war. Deborahs Einwilligung zu dem Besuch in L.A. war ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, ihre Äusserung am Tisch dann schon ein zweiter. Faye blickte etwas überrascht in ihre Richtung, als Victors Mutter scheinbar aus dem Nichts plötzlich die Reise in den Süden ansprach. Aber die Überraschung war diesmal angenehm und ihre Mundwinkel verzogen sich rasch nach oben, als ihr Blick auf Deborah traf. "Ich freue mich auch auf euren Besuch. Ist vielleicht sogar gut, dass wir bis dahin noch etwas Zeit haben, dann können wir zwischenzeitlich das perfekt auf euch abgestimmte Touristenprogramm zusammenstellen", ging die Brünette sehr gerne auf die angenommene Einladung ein, warf dann auch Victor ein Lächeln zu. Sie würde sehr sicher einiges an Zeit damit verbringen, Sachen rauszusuchen, die seinen Eltern gefallen könnten. War wohl klar, dass hauptsächlich er dann final entscheiden musste, welche Punkte auf dem Programm für seine Eltern geeignet waren und welche nicht, er kannte sie immerhin sehr viel besser. Aber zur Vorarbeit konnte sie genauso viel beisteuern. "Falls also irgendwas auf keinen Fall fehlen darf, habt ihr noch etwas Zeit, das anzumelden", zeigte sie sich grosszügig und blickte zurück zu Deborah und dann auch zu Jose. Natürlich könnte es auch anstrengend werden, mehrere Tage mit Victors Eltern zu verbringen - gerade solange die Wogen nicht wirklich komplett geglättet waren. Aber erstens musste sie ja nicht zwingend bei jedem Programmpunkt dabei sein und zweitens war es eindeutig eine Chance, die Faye nutzen wollte, um ihrer Beziehung zu Victors Mutter endlich ein gebührendes Fundament zu bauen. Damit künftig nicht jeder Sturm in dem hier endete.
Danke, hoff ich auch für mich. Die Arbeit an sich macht mir nämlich nach wie vor super Spaß, aber das ganze Drumherum ist halt wirklich Abf*ck momentan, durch diverse Umstände... sonst bin ich zur Not halt auch mal irgendwann zufällig ne Woche krank, wenns mir psychisch zu viel wird - das machen 2-3 Kollegen schon ständig und ich hab dieses Jahr erst ganze 5 Tage gefehlt und das nur wegen der Zahn-OP. Wenn ich das mit letztem Jahr vergleiche, wo ich, wie du sicherlich noch weißt, quasi 24/7 krank war, ist das also wortwörtlich gar nichts. x'D Bei dir auf der Arbeit noch alles fein, so als Zwischenfazit nach dem Neuanfang? :D
Ach kein Problem, für mich klingt eh alles von mir auch beschissen, da geben wir uns vom Gefühl her glaub ich grad echt garrr nichts. Wenn du willst, kannst du auch zum Hotel springen wenn sie später wieder gegangen sind oder irgendwo anders hin, wir müssen das Familiengeplänkel meinerseits nicht ewig weiter ausschreiben. Kannst dir gerne irgendwas suchen, was besser von der Hand geht, da bin ich nach so langer Pause gannnz bestimmt nicht streng. :'D ______
“Glücklicherweise bin ich ein vorsichtiger Fahrer.”, versuchte ich mit einem schiefen Grinsen zu retten, was in dieser Angelegenheit von mir noch zu retten war. Autounfälle waren keine seltene Todesursache und wenn man auf dem Motorrad erwischt wurde, war man ab einer gewissen Geschwindigkeit absolut sicher für den Rest des Lebens verkrüppelt bis tot. Ich war ein sicherer, recht gesitteter Autofahrer. Zwar kam auch ich ums Fluchen hinterm Lenkrad nicht immer ganz rum, aber ich hatte es selten übermäßig eilig, sondern fuhr stattdessen rechtzeitig los. Früher auf dem Bike war ich ehrlicherweise weniger vorsichtig gewesen, als ich es heute wäre. Änderte nur nichts daran, dass der Unfall nicht meine Schuld sein musste, um zu passieren. Faye schien ohnehin durch ihre eigenen, positiven Erlebnisse mit den großen Vierbeinern genauso wie ich vorbelastet in diese Unterhaltung zu starten. “Wir bleiben wohl beide einfach jeweils bei unserem eigenen ’Nicht-mehr-Hobby’.”, stellte ich leichthin zwischen den ersten zwei Löffeln der Vorspeise fest und schüttelte schmunzelnd den Kopf. Ohnehin hatte ich mich schon mit dem Gedanken angefreundet, mir irgendwann mal einen schickeren, sportlicheren Wagen zu leisten. Das bedeutete nicht zwangsläufig, dass ich nicht doch irgendwann nochmal auf ein Motorrad steigen wollen würde, aber momentan stand mir nicht der Sinn danach. Die letzten paar Jahre hatten mir genug Adrenalinkicks für ein halbes Leben mitgegeben, da war vorerst kein weiterer Bedarf. Im Augenwinkel sah ich auch meinen Vater vom Tisch aufblicken, als Faye auf das unterschwellige Zugeständnis meiner Mutter antwortete. Die Brünette auf dem Stuhl neben mir schien glatt etwas erleichtert zu sein und mir war es in der Küche vorhin ähnlich gegangen, obwohl ich wusste, dass meine Mutter deshalb längst noch nicht all ihre Vorbehalte fallen ließ. Das würde Zeit brauchen, aber schon das für jetzt begrabene Kriegsbeil war ein Teilerfolg. Deborah tat sich dennoch mit der Weiterführung des Gesprächs etwas schwer, weshalb ich der erste war, der aufs Fayes Worte einging. “...und sind bis dahin hoffentlich selber keine Touristen mehr.”, ergänzte ich ihre erste Aussage scherzhaft. Wir hatten uns durchaus schon eingelebt, aber Los Angeles war eine riesige Stadt. Ein halbes Jahr reichte nicht wirklich, um sich schon mit den Einheimischen vergleichen zu können. Meine Mutter nickte langsam, Jose antwortete an ihrer Stelle: “Wenn ich nach der OP Zuhause rumsitzen muss, haben wir mehr als genug Zeit, uns ein wenig zu informieren… da kommen bestimmt Wünsche auf.” Sein Lächeln wirkte noch eine Spur entspannter als vorher – jetzt, wo klar war, dass ich mir einen Ruck gegeben hatte. Es war trotzdem nicht so, als hätte ich vergessen, dass eigentlich noch eine aufrichtige Entschuldigung fällig war. Wenn nicht jetzt, dann in Los Angeles. “Kann ich trotzdem bei euch schlafen? Ich vermiss’ unsere Chips-Abende mit schlechtem Free-TV und unseren fachmännischen Eigeninterpretationen der unterbezahlten Schauspieler.”, stellte Hazel eine Frage und tränkte sie gleichzeitig mit weiteren Kindheitserinnerungen. “Ist bestimmt machbar, wenn dir das lieber ist.”, zuckte ich mit den Schultern. Meine Schwester grinste daraufhin und sah zu Faye. “Vielleicht können wir den Riesen auch einfach mal mit Mom und Dad losschicken und unseren eigenen Trip machen.”, meinte sie und deutete mit ihrer leeren Gabel beiläufig in meine Richtung. Ich rollte nur lächelnd mit den Augen und widmete mich weiter meinem Essen. Hazel und Faye könnten todsicher auch ohne meine Anwesenheit viel Spaß miteinander haben, sie hatten sich bisher immer gut verstanden. Und vielleicht, ganz vielleicht, so kam mir gerade in den Sinn, könnte mein Schwesterherz mir auch auffällig unaufällige Tipps für den Heiratsantrag besorgen.
Sooooo ich bin dann auch mal wieder richtig am Start, as in zuhause und zurück im Alltag. :) Hoffe, du hattest ebenfalls eine schöne Pause (wenn ich mich recht erinnere, hattest du ja jetzt auch zwei Wochen frei..?) und heute einen guten Wiedereinstieg! :3 Und ja, auf meinem Job ists soweit gut. Jetzt kommt langsam die Arbeit für mich, also eigene Klientel, und dann wird's streng... Nach sechs Monaten ist man auf der vollen Fallbelastung (von der ich aktuell noch WEIT entfernt bin) und muss die entsprechenden Termine anbieten. Darum wird mir auch immer wieder versichert, dass es ganz normal ist, dass man so nach sieben/acht Monaten komplett überfordert und extrem im Scheiss ist... also ja, seh ich absolut kommen. Plus hab ich diesen Herbst / Winter noch zwei Fuss-OPs vor mir, für die ich je zwei Wochen krankgeschrieben werde. Sprich mir fehlt dann eigentlich ein Monat meiner Einführungszeit weil krank... Suboptimal, aber ja. Sind Hallux-OPs an beiden Füssen und auch wenn sie mich wirklich HEFTIG ankotzen, muss ich die jetzt mal machen, weil meine Füsse jeden Tag wehtun... :/ Und gut, ich mach dann hier mal einen Sprung. Vielleicht auch ein guter Zeitpunkt, da wir beide eh nicht wirklich in der aktuellen Szene drin sind. xD _______________
Der Besuch in Los Angeles war damit wohl beschlossene Sache und tatsächlich schienen sich im Grossen und Ganzen alle Anwesenden darauf zu freuen. Mitunter wohl aus unterschiedlichen Gründen, aber Faye wollte doch optimistisch bleiben und daran glauben, dass das eine gute Sache werden konnte. Mit ein paar entsprechenden Wünschen als Inspiration zur Planung würde auch das Programm sicher für alle etwas bereithalten und dann war irgendwann der letzte noch offene Punkt auf der Liste eine offizielle Friedensdeklaration zwischen Deborah und Faye. Und sie wollten jetzt alle mal ganz fest darauf hoffen, dass dieser Plan der richtige Weg zum entsprechenden Ziel war. Im Gegensatz zu ihrer Mutter schien Hazel diesen Frieden längst gefunden und auch nicht selbst wieder sabotiert zu haben. So weit, dass sie sogar gerne Zeit mit Faye alleine verbringen wollte. Was ein gegenseitiger Wunsch war, denn auch Faye hatte sich schon länger vorgenommen, den Kontakt zu Victors Schwester zu stärken. Um sie besser kennen zu lernen und auch, weil sie sich ziemlich sicher war, dass sie beide zusammen Spass haben konnten. Das Abendessen zog sich im allgemeinen Einverständnis etwas in die Länge, begleitet von weiteren lockeren Gesprächen. Faye machte sich anschliessend beim Abräumen und Abwaschen behilflich, bevor sich die versammelte Runde nochmal ins Wohnzimmer setzte, um den Abend ausklingen zu lassen. Und weil niemand wirklich bereit dafür war, sich zu verabschieden und damit den morgigen Tag näherrücken zu lassen. Irgendwann wurde es aber trotzdem Zeit und es war Jose selbst, der Müdigkeit kundtat und meinte, dass man wohl langsam schlafen gehen sollte, weil morgen ein anstrengender Tag sein würde. Wenig später verabschiedeten Victor und Faye sich, um langsam ihr Zimmer in dem kleinen städtischen Hotel zu beziehen. Der Abschied war wenig überraschend nochmal hochgradig emotional. Da Deborah ihren Mann morgen in aller Früh selbst ins Krankenhaus fahren würde, würden Victor und Faye ihn entsprechend erst nach erfolgter OP wiedersehen. Faye ging zwar fest davon aus, dass alles gut gehen würde, aber der Gedanke an das, was Jose bevorstand, war trotzdem nicht schön oder beruhigend. Eine Operation am offenen Herzen war immer schwierig, immer ein grosser Eingriff, immer ein Risiko. Im Auto war es mehrheitlich ruhig, weil sie beide mit ihren Gedanken beschäftigt waren. Faye hatte sich nochmal hinters Steuer gesetzt und den Mietwagen mit Unterstützung ihrer Handynavigation zum Hotel gelenkt. Das Check-in verlief problemlos und so traten sie wenig später ins gebuchte Hotelzimmer. Der Raum war eher klein, aber hübsch. Nichts Übertriebenes, aber doch ein gewisser Komfort, nicht komplett kalt, abweisend oder sogar schmutzig. Was auch gut so war, da aktuell wohl keiner von ihnen beiden den Nerv gehabt hätte, sich damit zu beschäftigen. Faye stelle ihren Koffer in eine Ecke, wandte sich dann aber, bevor sie sich mit Auspacken, Duschen oder ähnlichem beschäftigen konnte, nochmal Victor zu. Sie musterte nachdenklich sein Gesicht und schaute ihn dann fragend an. "Kann ich noch irgendwas für dich tun..?", wollte sie wissen. Sie konnte sich zwar ungefähr vorstellen, was in ihm vorging, konnte aber nur bedingt beurteilen, was ihm in dieser Situation am meisten helfen könnte. Was er wollte und was eher nicht. Darum fragte sie lieber, vertraute darauf, dass er, falls er einen Wunsch haben sollte, diesen ehrlich kommunizierte.
Aiii das klingt echt ungünstig. :/ Ist zwar “gut”, wenn man quasi schon vorgewarnt wird und man sich mental drauf einstellen kann, aber ändert halt doch nix dran, dass es nicht schön sein wird… ich wünsch dir jetzt schon mal gute Nerven für diese Phase. :’) <3 Die OPs on top sind natürlich auch echt mies und zum wohl ungünstigsten Zeitpunkt… ich cross die fingers, dass alles schnell verheilt. <.< _______________
Irgendwann im Laufe des Abends verschwanden die Gedanken daran, dass morgen bei der Operation etwas schief gehen konnte. Deborah versuchte sich Faye gegenüber nicht mehr ganz so abwehrend zu verhalten und auch wenn sie ihre Vorbehalte für jetzt sicherlich trotzdem noch beibehielt, half das ungemein dabei, mich ein Stück weit wie daheim zu fühlen. Mein Herz wohnte jetzt mit Faye im sonnigen Süden und ich hatte das kleine Haus dort schon lieb gewonnen, aber auch die Wände hier in Oregon sollten mein zweites Zuhause bleiben. Ich wollte wieder gerne hierher kommen können und nicht nur aufgrund einer schwierigen OP. Letztere rückte unmittelbar zurück in den Fokus, als der Abschied für heute anstand. Es dauerte deutlich länger als gewöhnlich, bis ich meinen Vater aus der Umarmung entließ. Ich brauchte den Moment, um die Tränen runterzuschlucken, damit sie sich keinen Weg nach draußen suchten. Erst als meine Schwester mir bei der darauffolgenden Umarmung ein paar unsinnige Worte ins Ohr flüsterte – sehr offensichtlich, um mich aufzuheitern – zupfte das ein klein wenig an meinen harten Mundwinkeln. Ein weiteres Mal überließ ich Faye auf der anstehenden Fahrt zum Hotel gerne den Platz hinterm Steuer. Es war unvermeidbar, daran zu denken, dass ich meinem Vater zum letzten Mal ins Gesicht gesehen haben und ihn schon morgen verlieren könnte. Menschen, die mir etwas bedeuteten, um ein Haar zu verlieren, war ein Gefühl, das ich jetzt nicht schon wieder durchleben wollte. Doch die Vergangenheit hatte mich zu sehr geprägt, um in dieser Sache positiv denken zu können, also krallte sich dieser altbekannte Strudel in der Stille erst recht sofort wieder um mein Herz. Das Hotel kannte ich nicht, obwohl ich große Teile der Kleinstadt wie eine Karte hätte aufmalen können. Ich wäre in diesem Moment jedoch ohnehin kein besonders zuverlässiger Navigator gewesen, ganz gleich ob ich nun wusste wo die Straße lag oder nicht. Als wir schließlich ankamen, erinnerte ich mich aber daran, dass früher etwas anderes in diesem Gebäude war. Im Grunde auch nicht verwunderlich – ich war die letzten Jahre schließlich nicht viel in der Stadt gewesen, es dürfte sich mehr als nur das geändert haben. Das Einchecken war schnell erledigt und ich hieß die Stille im Hotelzimmer nicht wirklich willkommen. Lenkte mich kurzzeitig damit ab, mir den Raum oberflächlich anzusehen, während ich mein Gepäck abstellte. Dann angelte Faye mit einer Frage nach meiner Aufmerksamkeit und mein müder Blick rutschte in ihren. Ich überlegte nicht lange, bevor ich träge den Kopf schüttelte. Wenn sie nicht zufällig einen Knopf zum Zeit vorspulen bunkerte, konnte sie mir nicht wirklich helfen - außer natürlich mit den alltäglichen Dingen, die sie sonst so tat, um meine strapazierten Nerven zu beruhigen. “Glaube nicht…”, murmelte ich, bevor ich die frei gewordenen Arme nach ihr ausstreckte und mir einen sanften Kuss abholte. “...außer den üblichen Dingen, die du sowieso immer tust, wenn ich ‘nen miesen Tag hatte.”, meinte ich weiterhin leise, versuchte mich trotz allem an einem kleinen Lächeln und sah sie direkt an. Mir abwesend durchs Haar oder über die Brust streicheln, kaum von meiner Seite weichen und mich, wann immer ich in ihr Gesicht sah, mit den großen Augen ansehen, als wäre ich alles, was sie je wieder anschauen wollte. Ich hob die rechte Hand und strich behutsam über ihre Wange. “Ich bin immer noch froh, dass du mitgekommen bist.” Obwohl Faye das sicherlich wusste, war mir wichtig, das nach dem Drama mit meine Mutter nochmal auszusprechen. “Auch wenns mir leid tut, dass du da vorhin durch musstest… ich hoffe, das wars mit unverhältnismäßigen Gefühlsausbrüchen für diesen Besuch.”, seufzte ich leise und hängte gedanklich noch für alle Beteiligten an. Bitte keine Streits, sondern nur noch ausufernde Freude darüber, dass mein Vater diese dumme Operation hoffentlich ohne Zwischenfälle hinter sich gebracht hatte.
Ja ist dann halt so, kann mich wenigstens schonmal mental darauf einstellen, da ich schon sehr oft vorgewarnt wurde... x'D Und vielen Dank, werd ich brauchen - heul dir dann zu gegebener Zeit sicher auch mal die Ohren voll. xD <3 Auch dafür danke, hoff ich auch... :')
Lass dir jetzt hier mal was Extrakurzes da... weils zur Szene passt und weils sich vielleicht auch sonst einfach grad gut anbietet. x'D
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Sie hatte nicht unbedingt mit einer anderen Antwort gerechnet, aber es hätte ja trotzdem sein können, dass ihm auf Nachfrage tatsächlich ein Wunsch einfiel. Scheinbar war sein Kopf aber mit anderen Dingen bereits zu überlastet, um sich für die nächsten paar Stunden wirklich noch über was anderes Gedanken machen zu können. Konnte ihm definitiv auch keiner vorwerfen. Sie trat an ihn heran und erwiderte den Kuss zärtlich, versuchte sich dann ebenfalls an einem kleinen, aufmunternden Lächeln, als sie mit einem schwachen Nicken zur Kenntnis nahm, was er gesagt hatte. Ihre Hand angelte derweil nach ihm, legte sich locker um seine Finger, wo ihr Daumen sofort begann, über seinen Handrücken zu streicheln. "Natürlich... du weisst, dass ich dich überall hin begleiten würde. Erst recht zu einem solchen Termin, auch wenn wir beide hoffen wollen, dass es der einzige seiner Art bleiben wird...", murmelte sie zurück, was sie in diesen oder ähnlichen Worten nun schon mehrfach gesagt hatte. Sie streckte sich ihm für einen weiteren Kuss nochmal entgegen, legte die bis Anhin noch freie Hand in seinen Nacken und streichelte auch da sanft über seine Haut. "Wie wärs mit erstmal warm duschen gehen und dann ab ins Bett, damit ich dir die bösen Gedanken auskuscheln kann?", schlug sie wenig kreativ vor, blinzelte ihn abwartend an. Es war nicht unbedingt eine Tageszeit, die noch zu wesentlich mehr Programm einlud und auch ihrer beiden Seelenzustand sprach absolut nicht für einen actionreicheren Rest des Abends. Vielleicht würde sie ihm noch eine kleine Geschichte erzählen, damit sein Kopf nicht in Dauerschleife irgendwelche wilden, negativen Szenarien rund um Joses Herz abspielte. Aber das würde sie entscheiden, wenn sie im Bett lagen. Hing von der allgemeinen Müdigkeit und von der Effizienz ihrer Kuschelattacke ab. Joses Gesundheitszustand war zwar nicht hoffnungslos und seine Diagnose nicht unheilbar, aber trotzdem konnte sie sehr gut nachvollziehen, wie Victor sich wohl gerade fühlen mochte. Auch wenn es mittlerweile schon bald sechzehn Jahre her war, seit sie um das Leben ihrer Mutter gebangt und gefleht hatte - die Emotionen, die sie damals durchlebt hatte, blieben für immer. Die Angst vor dem Ausmass des Schreckens, die Machtlosigkeit gegen das Böse, das einen Körper von innen zerstörte, das unaushaltbare Warten und Bangen und Hoffen und Sorgen... Sie konnte ihn verstehen. Auch wenn sie wirklich fest daran glauben wollte, dass es für Victor nur die paar Tage sein würden. Dass sein Vater anschliessend eine schnelle und vollständige Genesung hinlegte, dass bald wieder alles beim Alten war und dass er noch lange, lange Zeit nicht das volle Ausmass des Schmerzes fühlen musste, der mit dem Verlust eines engen Familienmitglieds einherging.
I'm always mentally prepared fürs vollgeheult werden, also feel free zum gegebenen Zeitpunkt. x'D <3
Ich verzichte jetzt mal auf Victor weil wegen nicht wichtig. :'D
--- *ZS ~ 1,5 Monate* ---
Immer wieder ging ich ein um die andere Möglichkeit durch. Seit Aryanas verheerendem Besuch und den Schuldgefühlen, die mir jeden neuen Tag noch heftiger den Magen umdrehten, dachte ich an kaum was anderes mehr. Es fiel mir irgendwann sogar schwer, mich auf die Arbeit für Easterlin zu konzentrieren. Je näher die ultimative Frist rückte, desto weniger funktionierte mein Automatik-Modus. Was gefährlich war, weil ich eigentlich nicht auch noch auffallen durfte. Es reichte schon, dass es Aryana und Mitch… naja, nicht wirklich viel besser ging. Es hatte mich im ersten Moment erleichtert, dass sie es ihm gesteckt haben musste, weil er sich einen Tick anders verhielt als vorher, wenn ich die beiden zusammen sah. Außerdem sah Mitch mich nicht mehr so übertrieben hasserfüllt an. Leider wusste ich nicht, ob das aus meiner Hilfsbereitschaft resultierte oder ob er nur ein weiteres Mal gebrochen war. Möglicherweise beides. Sie sahen zwar nach der von mir genehmigten Auszeit, den paar freien Tagen, etwas besser aus als vorher, schienen die Zeit sinnvoll genutzt zu haben, aber keiner von beiden strotzte plötzlich vor neuer Lebensenergie. Wenn Faye mir gelegentlich eine Nachricht schickte, antwortete ich meistens nicht sofort. Ich vermisste sie, badete aber elendig in dem Gefühl auf allen Ebenen versagt zu haben. Als träte automatisch ein Fluch ein, wenn man die Nachnamen Cooper und Hayes in Verbindung brachte. Ich gab ein weiteres Mal ein Stück weit die Hoffnung in mich selbst auf. Vor dreizehn Tagen hatte ich zwei weitere Pläne in aussichtslose Sackgassen zerdacht und endete am selben Abend noch in Dylans Bar am Tresen. Ich hielt mich selber nicht mehr aus, zu Faye konnte ich nicht und der Barkeeper war der einzige außer ihr, der mich nie zu verurteilen schien. Auch dann nicht, wenn ich ihm die halbe Nacht die Ohren voll jammerte, wann immer er zurück hinter die Theke kam und schließlich nur noch wir beide in der Bar waren. Er räumte noch einige Gläser weg und wischte Tische, wodurch unser Gespräch abriss und die Gedanken voll Selbstvorwürfen sofort in meinen Schädel zurückkrochen. Ich stöhnte angestrengt und legte den Kopf auf den Armen ab. “Wie gewinnt man ein Spiel, das man nicht gewinnen kann?”, fragte ich ihn nach einer Weile. “Was?” Möglicherweise sollte ich das Gesicht aus den Armen nehmen. “Du bist doch Sportfan und immer irgendwie für die Underdogs…”, setzte ich erneut an, während ich mich aufrichtete und mich träge zu ihm umdrehte. “Wie gewinnt man ein Spiel, das man eigentlich nicht gewinnen kann?” Wir unterhielten uns nie über Sport. Also doch, schon, aber Dylan redete immer nur von Football und Eishockey und ich hörte zu, bis er es endlich wieder sein ließ, ohne selbst irgendetwas Erwähnenswertes beizusteuern. Die dicken Fragezeichen in seinem Gesicht kamen also nicht unerwartet. “Keine Ahnung, kommt drauf an… in neun von zehn Fällen verliert man solche Spiele wahrscheinlich einfach.” Ich ließ den Kopf in den Nacken sinken und machte die Augen zu. Irgendwie hatte ich auf eine super inspirierende Sportmetapher gehofft. “Eine Prise Glück… Teamgeist… die richtige Aufstellung, außergewöhnliche Strategien… Heimvorteil mit der größtmöglichen Fanbase… es gibt so viele Faktoren, die da mitspielen.” Keine Ahnung, warum mein mittlerweile recht benebeltes Hirn auf eine hilfreiche Antwort gesetzt hatte. Dylan hatte mir zwar schon mit vielen Dingen geholfen, aber sportliches Messen war nicht unbedingt mit meiner Situation zu vergleichen. Ich grübelte trotzdem darüber nach, als ich später mal wieder auf seinem Sofa landete – weil ich zu betrunken zum Fahren war – und genau deswegen zum hundertsten Mal nicht schlafen konnte, obwohl ich eigentlich todmüde war. Mit etwas Glück musste ich sowieso bei wahrscheinlich jedem Plan kalkulieren. Den Teamgeist würden Aryana und Mitch hoffentlich erfolgreich ausgraben, wenn sie einen ausschlaggebenden Lichtblick sahen. Die herausragende Strategie suchte ich noch vergeblich, den Heimvorteil konnte ich mir in die Haare schmieren und an der Aufstellung konnte ich nichts ändern, weil wir Niemandem außer uns selbst in dieser Sache trauen sollten und Easterlin die halbe Welt schmierte, wenn ers grade brauchen konnte… und dann trafs mich wie ein Schlag. Meine Augen weiteten sich und ich setzte mich langsam auf, blinzelte in das dunkle Wohnzimmer hinein. Ich angelte mein Handy vom Couchtisch und fing an, mir Notizen zu machen. Kryptische – aus Sicherheitsgründen. Am nächsten, von Kopfschmerzen geprägten Sonntag verließ ich nach einer schnellen Tasse Kaffee und einem überschwänglichen Dank – den Dylan offensichtlich nicht verstand – die Wohnung und machte einen kurzen Abstecher Zuhause. Ich sammelte meinen privaten, penibel verschlüsselten Laptop und ein paar Klamotten ein, weil ich Easterlins Netzwerk sicherlich nicht für diese Angelegenheit nutzen würde. Für die folgenden fünf Tage campierte ich in einem Hotel in der Stadt. Wenn Kollegen nachfragten, warum ich neuerdings gar nicht mehr auf dem Stützpunkt schlief, dann lag das an meiner imaginären Affäre mit einer verheirateten Frau. Es erklärte plausibel genug meine Schlaflosigkeit und Abgelenktheit in den letzten Wochen. Erst am fünften Tag meldete sich ein sehr guter, alter Freund aus der Army zurück. Ihn mittels E-Mail zu kontaktieren war am Montag mein zweiter Schritt gewesen – seine Nummer wusste ich beim besten Willen nicht –, weil ich nicht mit einer sofortigen Antwort kalkulierte. Er rief mich privat an, auf einem nur für diesen Zweck erworbenen Wegwerfhandy, das schon am nächsten Tag entsorgt wurde. Hatte die E-Mail – die, wie zu erwarten, in einem Spam-Ordner gelandet war – gelöscht, was ich ihn jedoch erst ganz am Ende des Telefonats fragte. Vorher sprachen wir stundenlang über ganz andere Dinge. Darüber, warum ich mich nicht früher gemeldet hatte. Wie es ihm ging, ob er immer noch bei der Army war. Ein allumfassendes Life-Update, wobei wir jedoch beidseitig große schwarze Tücher über unsere Arbeitssituation legen mussten. Über Easterlin durfte ich nichts sagen und Ezra genauso wenig über das, was bei der Army vor sich ging. Ich wusste jetzt jedoch, dass er immer noch fest im Ausland stationiert war – dort, wo ich ihn zurückgelassen hatte. Mehr brauchte ich nicht. Ezra begab sich unwissentlich in die Aufstellung fürs Spiel, ich hatte von da an seine Handynummer und ließ mir noch weitere von ihm geben, von diversen anderen ehemaligen Freunden bei der Army. Als Back-Ups, aber auch um die Glaubwürdigkeit zu stärken, ich würde den plötzlichen Kontaktabbruch von damals wieder gutmachen wollen... was gar nicht mal gelogen und ein schöner Nebeneffekt war. Ich klapperte auch alle anderen nach und nach ab, was mich irgendwann gar keine Überwindung mehr kostete. Es war ein bisschen wie bei Faye, Aryana, Victor und Mitch – wer irgendwann, und sei es auch vor Jahren gewesen, in einem solchen Drecksloch so eng zusammengeschweißt worden war, der würde immer verbunden bleiben. Ich hatte keinen einzigen durch meine Fehler verloren geglaubten Freunde tatsächlich verloren. Mit starkem Wind in den Segeln ging ich am nächsten Tag auf der Arbeit das erste Mal wirklich auf den in voraussichtlich circa eineinhalb Monaten anstehenden Einsatz im Süden Amerikas ein. Ich hatte das vor mir her geschoben, weil es mir auf der Landkarte zu nah am von mir verhassten Kolumbien war. Ironischerweise war genau das der Heimvorteil, den ich die ganze Zeit über vergeblich woanders gesucht hatte. Es war der einzige Ort, wo ich Menschen kannte, denen ich blind vertrauen konnte und die Easterlin definitiv nicht bestechen konnte. Ich holte mir allerhand Informationen ein, die ich über diese von Drogen, Waffen und Guerillas verseuchten Länder brauchte – unter dem Deckmantel meiner Arbeit für Easterlin, völlig konform. Am heutigen Freitag, einen einzigen Tag vor Ablauf der dreimonatigen Frist, ging ich um die Mittagszeit in der Mensa kurz zu dem Paar, das sich den Gesichtsausdrücken nach zu urteilen inzwischen schon wieder mit dem Tod angefreundet hatte. Ich hingegen fragte sie mit einem dezent hoffnungsvollen Lächeln, ob sie später nach Feierabend Zeit hatten, damit wir uns treffen konnten. Bei ihnen, weil bei mir zu reden nicht sicher war und ein öffentliches Treffen eher beobachtet werden konnte. Ich parkte den Firmenwagen wieder vor dem Hotel, das ich schon vorher mehrfach besucht und auch für die heutige Nacht wieder gebucht hatte, und ließ meine Handys darin zurück, als ich mit dem Bus weiter zu der Wohnung der beiden pilgerte. Mich von einem der Mobiltelefone im Nachhinein zurückverfolgen zu lassen, stand mir nicht im Sinn. Ich fühlte mich merkwürdig beschwingt, als ich klingelte, obwohl ich ganz genau wusste, dass der Ausbruch keine hundertprozentig sichere Sache war und eine weitere Tortur werden würde. Für alle Beteiligten. Ich hatte ihn gefunden. Dieses Mal würde ich weder Faye, noch Aryana und Mitch hängen lassen. Es mochte ein steiniger Höllenpfad sein, aber es war ein Weg. Jetzt musste ich also nur noch die zwei verlorenen Soldaten dazu kriegen, sich tatsächlich richtig aufzurappeln und aus ihrem seelenlosen Schlaf aufzuwachen, um Easterlin ein für alle mal hinter Gitter zu kriegen, damit er hoffentlich nie wieder mit irgendwem dieselbe Scheiße abziehen konnte.
Thenks, ich komme ziemlich sicher auf das Angebot zurück... x'D
btw ist mir gerade aufgefallen, dass wir zumindest gefühlsmässig echt viele Szenen geschrieben haben, in denen Ryatt irgendwo auf Besuch kam... Der Moment mit der Türöffnung kam mir jedenfalls gerade sehr bekannt vor. x'DD ______________
An wie vielen der einundneunzig Tagen, die seit ihrem verhängnisvollen Gespräch vergangen waren, sie wohl daran geglaubt hatte, dass Ryatt tatsächlich nach drei Monaten einen Plan bereit haben würde? Sie wusste es nicht genau. Auf jeden Fall hatte es aber keinen einzigen Tag gegeben, an dem sie nicht daran gezweifelt hatte. Auch wenn nicht jeder Tag gefühlsmässig so beschissen gewesen war wie der dritte März, konnte Aryana auch nicht behaupten, sich heute wesentlich besser zu fühlen als damals. Sie hatte viel Zeit mit Mitch verbracht. Das hatte sie im Grunde auch vorher schon getan, aber in den letzten drei Monaten hatten sie beide versucht, sich wieder bewusst Zeit füreinander einzuplanen. Die Gespräch waren aber nicht leichter geworden und sie hatten sehr oft auch einfach beide nichts gesagt weil es für das, was in ihren Köpfen und Seelen vor sich ging, auch jetzt noch keine annähernd zutreffenden Worte gab. Mitch hatte sich wirklich bemüht und sie teilweise umsorgt wie ein kleines Kind, wenn sie sich mal wieder durch einen ihrer ganz düsteren Tage gequält hatte. Sie hatte versucht, für ihn dasselbe zu tun. Aber zugleich waren diese Tage eben auch die Bestätigung für ihre konstante Lebensmüdigkeit, zeigten ihr so deutlich, warum sie schon lange nicht mehr konnte. Warum es so viel einfacher wäre, aufzugeben und zu springen. Was passierte, wenn Ryatt bis morgen keine Lösung und keinen Lichtblick präsentieren konnte, stand entsprechend trotz allseitiger Bemühungen in den Sternen. Weder Aryana noch Mitch hatten sich je überzeugend dafür aussprechen können, auch ohne Plan weiter zu machen, weiter zu kämpfen, weiter zu leben. Aryana vermied es jedoch auch sehr bewusst, über diese Option nachzudenken oder gar zu sprechen. Sollte Ryatt keinen Ausweg präsentieren können, wäre es vielleicht besser, wenn sie nicht schon einen fertigen Plan bereit hatte, wie genau sie das Ende ihres Lebens nun herbeiführen wollte... Auch wenn natürlich diverse Fantasien und Optionen durch ihren Kopf geisterten, wenn sie nachts wach lag und die Last vergangener Taten sie erdrückte und ihr jegliche Erholung verwehrte. Mit dem Gedanken, gemeinsam mit Mitch Suizid zu begehen, konnte sie sich im Übrigen auch nur wenig anfreunden. Vielleicht wollte sie auch darum nicht mit ihm über das Thema reden. Weil sie tief in ihrem Herzen eigentlich nicht wollte, dass er ebenfalls aufgab - zugleich aber wusste, dass sie ihn nicht davon abhalten konnte, wenn sie nicht mehr lebte. Es würde also kein Weg daran vorbeiführen, dass sie sich zu gegebener Zeit auch darüber nochmal unterhielten... Vor allem, weil sie sich in ihrer dunkelsten Stunde an einem Abend vor knapp drei Wochen gegenseitig versprochen hatten, dass sie nicht einfach gingen. Dass sie sich voneinander verabschieden würden und dass keiner von ihnen eines Tages aufwachen musste und die andere Bettseite wäre für immer kalt. Dieses Versprechen machte es de facto ziemlich unmöglich für sie, ohne Mitch zu sterben. Oder für Mitch, ohne sie zu sterben. Tatsächlich war es genau das, was ihr bei einem weiteren, lustlosen Mittagessen zum tausendsten Mal durch den Kopf ging, als ihr Blick das ausgelaugte Gesicht ihres Freundes schweifte und sie, ebenfalls zum tausendsten Mal, feststellte, dass sie ihn nicht umbringen wollte. Dass sie ihn nie so weit hatte runterziehen wollen. Dass sie sich auch für seinen desolaten Zustand verantwortlich fühlte und dass diese Schuld mit am meisten wehtat. Sie wollte seine Chance auf ein besseres Leben sein, auf eine glückliche Zukunft. Sein Glück, der Ursprung seiner Freude. Stattdessen entpuppte sie sich immer mehr als sein Todesurteil, ein weiteres Gift in seinem Leben - eines, das er nicht überleben konnte. Er hatte ihr so oft schon gesagt, dass sie nicht so denken sollte, dass das nicht stimmte. Aber sie fühlte sich etwas zu oft gar nicht mehr in der Lage, die Gedanken zu stoppen. Hatte keine Kraft und vielleicht auch keinen Willen mehr, ihren Verstand zu retten. Sie nicht... aber eine andere Person scheinbar schon. Das sagte jedenfalls das Lächeln auf Ryatts Gesicht, als er neben ihrem Tisch auftauchte und nach einem Treffen für diesen Abend fragte. Tatsächlich schaffte er es mit seiner guten Laune und der direkten Frage, einen Funken Interesse in ihrem müden Gesicht zu wecken und sie blinzelte ihn zweimal fast irritiert an, bevor ihr Blick kurz zu Mitch schweifte, bevor sie gemeinsam einwilligten. Auch hier hatte sie sich nicht wirklich vorgängig Gedanken darüber gemacht, ob Ryatt die Frist einfach sang- und klanglos verstreichen lassen oder tatsächlich noch einmal mit ihnen beiden über den Vorfall und ihr potenzielles Entkommen sprechen würde. Nun schien Letzteres der Fall zu sein und auch wenn Aryana es lieber vermeiden wollte, schien ihr Gehirn nur zu gern eine absolut eingestaubte Produktion ankurbeln zu wollen, damit sie nach Monaten wieder sowas wie Hoffnung verspürte. Aber dafür war es zu früh und sie nicht bereit. Sie blickte Ryatt einen Moment lang stumm nach, versuchte irgendwelche weiteren Informationen aus seinem Auftreten zu schliessen und Hinweise zu finden auf das, was er ihnen heute Abend sagen wollte. Aber letztendlich wusste sie es nicht und seine Geheimnisse blieben Geheimnisse, bis er sie lüften wollte und sie blieb hier sitzen, bis ihr Essen kalt war. Das Gute war, dass auch dieser Arbeitstag sein glanzloses Ende fand, sie sich mit Mitch ins Auto setzen und vom verpesteten Grund fahren konnte. Es war noch immer der gleiche Ford wie damals bei ihrem ersten Besuch hier, vor fast punktgenau zwei Jahren. Erstens erstaunlich, dass sie es so lange ausgehalten hatten, zweitens fast lustig, dass sie genau jetzt ihren endgültigen Austritt, auf die eine oder andere Art, definitiv planten. Sie hätte anfangs nicht gedacht, dass sie es überhaupt so lange überleben würden. Hatte ehrlich gesagt auch daran geglaubt, dass sie viel schneller ein Schlupfloch finden würden. Kleine Selbstüberschätzung an dieser Stelle - sowas konnte ihr heute auch nicht mehr passieren. Die Gespräche im Auto fielen gewohnt spärlich aus, auch wenn es diesmal noch andere Gründe als mangelnde Themen, schlechte Laune und schlicht keine Kraft zum Reden gab. Aryana war sich sicher, dass Mitch gedanklich gerade nicht weniger in Hypothesen über das versank, was Ryatt ihnen später zu sagen haben könnte. Glücklicherweise mussten sie sich nicht besonders lange gedulden. Er hatte den Besuch vielleicht bewusst erst heute Mittag angekündigt, um zu verhindern, dass sie ihn ansonsten bis dahin durchgehend terrorisierten. Ihr war in ihrem Loch - vielleicht zu seinem Glück - eigentlich auch kaum aufgefallen, dass er sich die letzten Tage über anders verhalten hatte oder dass er nicht mehr in Easterlins Nest nächtigte. Somit war sie bis heute Mittag nicht dazu gekommen, zu spekulieren und tat dies erst jetzt, wo sie bereits auf dem Sofa in ihrer Wohnung sass. Die Türklingel schellte pünktlich, kündigte ihren erwarteten Besuch an und Aryana zögerte nicht, sich in Richtung Eingang aufzumachen, die Türöffnung zu betätigen und anschliessend auch die Wohnungstür aufzuziehen. Als sie Ryatt im Treppenhaus erblickte, trat sie einen Schritt zurück und öffnete die Tür ganz, damit er an ihr vorbei ins Innere der Wohnung treten konnte, während sie die Tür wieder zumachte und den Schlüssel drehte. "Hey...", folgte eine irgendwie zögerliche und auch ungewohnt unsichere Begrüssung ihrerseits. Sie hatte nicht mehr wirklich mit ihm gesprochen, seit sie mehr oder weniger in seine Wohnung eingefallen war. Keine Sternstunde ihrerseits. Aber war nicht so, als würde sie sich wirklich noch dafür schämen. Neben all den Dingen, die sie in ihrem Leben mittlerweile bereute und für die sie Schuld empfing, war kaum mehr Platz für solche verhältnismässigen Kleinigkeiten...
Jup, ist mir auch aufgefallen… aber es ist irgendwie halt auch unvermeidbar, wenn Ryatt nie sowas wie eine tatsächlich eigene Wohnung hat und ständig so Gespräche oder Situationen mit ihm anstehen, die nix für die Öffentlichkeit sind. :’D Allerdings dürfte das mit die letzte Situation sein, die das erfordert – das Muster sollte also brechbar sein. x’D _______
Ich erinnerte mich noch gut an die letzten beiden Male, als ich diese Stufen erklommen hatte. Beides waren schreckliche Situationen gewesen. Erst die Erpressung an Aryana und danach die Eskorte für Faye… aber heute würde es anders sein und das war ein verdammt gutes Gefühl. Deshalb sah ich im Gegensatz zur älteren Cooper, die beim Öffnen ihrer Wohnungstür nicht gerade vor Energie und Motivation überkochte, vermutlich so aus, als würde ich nächstens wegen zu viel Selbstbewusstsein platzen. Die angehobenen Mundwinkel klebte mir förmlich im Gesicht fest, seit ich den Stützpunkt verlassen hatte. Selbst mein Hinken war nicht so übel wie sonst in letzter Zeit, sondern wirkte geschmeidiger – ich hatte meine Motivation fürs Training zusammen mit der Idee wiedergefunden und Bewegung war wichtig für mein lädiertes Bein – als ich an Aryana vorbei ging. “Hi.”, erwiderte ich ihre Begrüßung genauso knapp, was in der Situation nicht ganz passend wirkte. Sie schon im Flur mit einem Redeschwall zu überfallen wäre aber nicht besser. “Hättest du ein Wasser für mich?”, versuchte ich das Eis simpel zu brechen, als ich den dünnen Windbreaker auszog und an die Garderobe hängte. “Ich werd’s brauchen, wenn ich mir gleich den Mund fusselig rede.”, hängte ich mit einem schiefen, aber nicht weniger ehrlichen Lächeln an. Bereitete die Brünette so indirekt auf das vor, was ihr gleich bevorstand und wurde auch die Sneaker los, um hier nicht unnötig Dreck zu machen. Dann zog ich ein doppelt gefaltetes Papier aus der Jackentasche, das offensichtlich schon gelitten hatte. Ich folgte der jungen Frau in den offenen Wohnbereich, wo mein Blick auf Mitch fiel. Seine Augen verschleierten genauso wenig die konstante Abgeschlagenheit wie die seiner Freundin, und doch trugen beide Augenpaare wieder sowas wie einen winzigen Funken in sich. Wahrscheinlich nur Neugier, die ich bestenfalls nicht komplett platt trampelte, wenn ich sie gleich mit dem Plan überrollte. Der Tätowierte richtete sich träge aus seiner schiefen Sitzposition aus und nickte mir leicht zu. Ich erwiderte das Nicken mit anhaltendem Lächeln und ließ mich auf einem Hocker nahe des Couchtisch nieder – wohl eine Mischung aus Sitzgelegenheit und praktischem Stauraum für Decken. Ich fühlte mich damit irgendwie wohler, weil ich so minimal tiefer saß, als Mitch und Aryana, die das erwünschte Glas Wasser brachte. “Danke.” Ich nickte der Brünetten leicht zu und mein Blick folgte ihr, als sie sich neben ihre bessere Hälfte setzte. Wie aufnahmefähig das Paar tatsächlich war, ließ sich schwer abschätzen, aber ich hatte zweifellos ihre volle Aufmerksamkeit. Das war erstmal alles, was nötig war. Ich entfaltete das leicht zerknitterte DINA4-Blatt und begann dabei zu reden. “Als ich aus der Army geflogen bin, war ich in Kolumbien stationiert. Ein übles Loch, das ich lieber nie wieder auch nur auf der Landkarte anschauen würde… aber auch der einzige Ort, wo ich zweifellos mehr Verbündete habe, als Easterlin. Leute, die er in dieser Sache todsicher nicht bestechen kann.” Das Blatt lag auf dem Tisch und zeigte die Landkarte Südamerikas, farbig und mit erkennbaren Höhen und Tiefen, sowie allen Ländergrenzen. Außerdem waren darauf zwei Punkte mit einem Kreuz markiert und eine grobe Route von A nach B eingezeichnet. Der besseren Verständlichkeit wegen. “Easterlin hat schon vor einer ganzen Weile eine Anfrage der Regierung von Paraguay bekommen, die im Dreiländer-Eck – also Paraguay, Brasilien und Argentinien – ein ganz übles Problem mit Kriminalität hat. Vor allem Drogen- und Waffenhandel in großem Ausmaß. Die Army hat offenbar besseres zu tun und pausiert ihre Hilfe in dieser Sache aktuell.” Ich zuckte mit den Schultern. Warum genau die Army den Ländern an diesem üblen Knotenpunkt gerade nur mäßig oder gar nicht half, war mir egal und spielte auch keine Rolle. Ich zeigte mit dem Finger kurz auf den angekreuzten Punkt der Karte, den ich zu erklären begann: “Die Stadt Ciudad del Este liegt genau dort, wo sich die drei Landesgrenzen treffen. Da wird alltäglich alles Mögliche in sämtliche Richtungen geschmuggelt. Easterlin hat seine Unterstützung zugesagt und das Ziel ist, die größten Clans der Stadt auszuheben und die wichtigsten Köpfe rollen zu lassen, in Zusammenarbeit mit der örtlichen Spezialeinheit der Polizei…” Ich saß mit beiden Ellbogen auf die Knie gestützt nach vorne gebeugt, als ich eine kurze Pause machte und die beiden ansah. Die eingerosteten Zahnräder in ihren Köpfen schienen sich noch etwas mühsam zu drehen. “...bis wir einen genauen Termin für eine Übergabe haben, werden nur Teams zum Scouten und Sondieren der allgemeinen Lage rübergeschickt. Aber wenn es dann soweit ist, wird das von Easterlin ausgesendete Team einen großen Waffen- und/oder Drogenhandel abfangen… inklusive euch beiden. Das wird eine sehr hässliche, wahrscheinlich sehr unübersichtliche Mission und genau deswegen werdet ihr zwei dabei… naja, nennen wirs mal verloren gehen. Euch gezielt und bestenfalls absolut unauffällig vom Team spalten und tot stellen, weil unsere Leute in der hitzigen Lage sicherlich nicht lange nach euch suchen werden. Dafür haben sie zum gegebenen Zeitpunkt meiner Prognose nach keine einzige Minute übrig. Die Zielpersonen werden ihr Bestes geben, sofort zu verschwinden, sobald wir in Aktion treten. Das wiederum wird sicher eine Verfolgung auslösen und dazu führen, dass eure vermeintlichen Leichen in der begonnenen Schießerei zurückgelassen werden.” Ich musterte die beiden Gesichter gegenüber weiter und sah dabei gefühlt mehr Fragezeichen als Punkte. “Könnt ihr mir soweit noch folgen?”, hakte ich nach. Bisher verzichtete ich auf sehr viele kleine Details, weil es mir erstmal darum ging, dass sie überhaupt verstanden, wovon ich redete. Nicht weil ich sie für dumm hielt, sondern weil sie chronisch zu wenig schliefen und das die Denkfähigkeit bewiesenermaßen minderte.
Ist halt schon so, aber bisschen lustig ist es trotzdem, wie oft er jetzt schon irgendwelche Treppen hochgerannt ist. XD _______
Sein Gesichtsausdruck bestätigte, was sie heute Mittag bereits wahrzunehmen geglaubt hatte: Ryatt hatte irgendeine sehr ergiebige Quelle bester Laune gefunden. Sie musterte ihn flüchtig, kam aber zum Schluss, dass es auf den ersten Blick nicht so wirkte, als würde seine plötzliche Stimmungsaufhellung ihren Ursprung in irgendwelchem Substanzkonsum haben. Oder vielleicht schon. Sie roch es zwar nicht, aber möglicherweise hatte er sehr viel Gras geraucht... das trocknete die Kehle nämlich auch aus und zumindest sein sofortiger Wunsch nach Wasser würde für diese vage Theorie sprechen. Er begründete den bald einsetzenden Durst zwar anders, aber Aryana war in erster Linie ein bisschen verwirrt und weiterhin lieber nur sehr verhalten hoffnungsvoll. Sie konnte keinen erneuten Tiefschlag verkraften und der Gedanke, Ryatt könnte wirklich innerhalb von drei Monaten einen Plan geformt haben, war geradezu absurd. Genau wie sein ganzer Auftritt hier. Aryana machte sich an die Beschaffung des Wassers, holte ein Glas aus dem entsprechenden Küchenschrank, füllte es mit mechanischen Bewegungen am Hahn auf und trat dann ebenfalls ins Wohnzimmer, wo ihr heutiger Gast mittlerweile angekommen war. Sie stellte das Glas auf dem Couchtisch ab und setzte sich zu ihrem Freund, ziemlich dicht an seine Seite, weil sie irgendwie das Gefühl hatte, dass sie gleich seine Nähe als Stütze brauchen würde, um irgendwas von dem zu verstehen und zu verarbeiten, was Ryatt ihnen aufzeigen wollte. Mit der Entfaltung eines unscheinbaren Blatt Papiers begann gleich darauf ohne weitere Verzögerung und Spannungsaufbau die Darstellung des Ende ihrer Zeit in diesem Gefängnis ohne Mauern. Aryana wusste beim besten Willen nicht, womit sie gerechnet hatte - aber ein tatsächlicher Plan, der sogar schon auf Easterlins Zeit- und Einsatzplanung abgestimmt war, war es ohne Frage nicht gewesen. Sie hatte tatsächlich Mühe, Ryatts Schilderungen zu folgen - vor allem Anfangs, als ihr noch nicht klar war, warum seine Army-Vergangenheit in Kolumbien an dieser Stelle erwähnt sein musste. Warum sie zugleich auf eine bildliche Darstellung des südamerikanischen Kontinenten blickte. Was die beiden Kreuze und deren Verbindung bedeuteten. Warum sie über einen von Easterlins dreckigen Aufträgen informiert wurden - mal wieder einer, der definitiv auf der brandgefährlichen und etwas zu riskanten Seite für alle Vor-Ort-Beteiligten stand und bei dem sie scheinbar mit von Partie sein durften. Weil Ryatt sie einplanen würde - damit sie dann dabei verschwanden. Aryana blinzelte ein paar Mal, als Ryatt von der Karte auf und in ihre Gesichter sah, ihre Blicke sich deswegen trafen und er wohl erkannte, dass sie ein paar Sekunden zum Aufholen brauchte. Ihre Augen fanden zurück auf den Plan, nach dem sie sich dann kurzerhand ausstreckte, um das Papier etwas näher heran zu ziehen und für einen Moment in seiner ganzen Pracht zu begutachten. Noch waren sie nicht soweit, dass sie das zweite Kreuz und die Route dahin zuordnen konnte... aber die Verschnaufpause half ihr dabei, ihr Gehirn überhaupt soweit anlaufen zu lassen, dass sie im Anschluss das momentan maximale Ausmass an Aufmerksamkeit und Aufnahmefähigkeit aufbieten konnte. "Okay. Wir sind in Ciudad del Este und sind vermeintlich tot zurückgelassen worden, sollten aber - wenns gut läuft - vorzugsweise noch am Leben sein...", versuchte sie zusammenzufassen, was hängen geblieben war und ihr besonders relevant erschien. Aryana schob die Karte auf dem Couchtisch zurück in die Mitte, knetete dann kurz ihre eigenen Hände und schaute nochmal zu Ryatt. "Und dann schliessen wir uns ein paar organisierten Kriminellen an und verbringen den Rest unseres Lebens da, wo Easterlin uns nicht mehr sucht und sich keiner für unsere nicht vorhandene Niederlassungsbewilligung interessiert..?", versuchte sie sich an einer eher nicht so verlockenden Weiterführung des Plans. Es wäre eine Fluchtidee, ein Ausbruch aus Easterlins Gefängnis. Ryatt hätte seine Aufgabe innert Frist erfüllt, wenn das seine Idee war. Es wäre nur halt zugleich eine ziemlich schlechte Lösung. Wahrscheinlich keine, die ihm derart gute Laune beschert hätte, weshalb Aryana jetzt einfach mal nicht davon ausging, dass das wirklich die Version war, die er ihnen hier vortragen wollte. Passte auch nicht zu den Markierungen auf der Karte. Also mal sehen, wie er ihr gleich widersprechen würde - ihre ungeteilte Aufmerksamkeit hatte er sich mit dem Anfang jedenfalls bereits gesichert.