Meinerseits konnten wir absolut alles, was nicht wichtig war, wofür wir uns nicht bereit fühlten und worauf wir noch nicht akut Lust hatten, auf ein bisschen später verschieben. Wann auch immer das genau sein würde. Unsere imaginären Listen konnten noch auf uns warten und die Erwähnung allein reichte aus, um mich schmunzeln zu lassen. Wir waren wahnsinnig gut darin, uns Dinge vorzunehmen und sie dann wenig bis gar nicht umzusetzen. “Möglicherweise sollten wir die neue Aktivitäten-Liste an unsere noch nicht vorhandene Pinnwand heften, damit wir ständig dran vorbeilaufen und nicht wieder vergessen, dass sie existiert.”, schlug ich genauso ironisch vor, meinte das aber durchaus ernst. Vielleicht fand Faye ja ein Korkbrett oder Ähnliches und dafür wiederum einen passenden Platz an welcher Wand auch immer. Vielleicht im Eingangsbereich oder der Küche. Sie durfte sich bei der Innengestaltung völlig ungehindert austoben. “Mit beidem sollte ich klarkommen.”, konnte ich Entwarnung bezüglich der Schlafproblematik geben. Es war ja auch nicht erst seit gestern so, dass wir uns übermäßig oft gegenseitig versicherten, dass beim jeweils anderen alles in Ordnung war. Bevorzugt zwar nur noch aus Gewohnheit und weniger aus ernsthafter Sorge, aber das hatten wir uns noch nie aussuchen können. Wenn es mir auf der Arbeit mehr Ruhe gab und Faye dadurch besser oder eben wieder einschlafen konnte, sollten ein paar Textnachrichten zu viel kein Problem werden. Es durfte nur keine dauerhaft ungesunden Ausmaße behalten, aber wir würden es sicher auch aus dieser Phase wieder raus schaffen. Ich wusste gar nicht, ob ich die tieferen Ebenen des Hernandez-Themas lieber noch sein lassen, oder einfach gleich mit abhandeln wollte. Es fühlte sich wieder ein kleines bisschen wie der Fall auf den Boden der Tatsachen an, aber das würde zu späterem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht anders sein. Außerdem war es eigentlich nicht so schlimm, nur etwas unangenehm, aufwühlend. Ich hörte Faye zu, nickte zwischendurch einmal leicht vor mich hin und strich ihr eine kleine Strähne hinters Ohr, um mich physisch von den unangenehmen Tatsachen abzulenken – ohne vollständig davor wegzulaufen. “Ich versteh’ das, Faye. Dass ich direkt angerufen habe, als ich ein Lebenszeichen von dir hatte, war… eher ein Reflex, als auch nur ansatzweise gut durchdacht.” Als hätte ich in dem Moment sowas wie klare Gedanken fassen können. Völlig unmöglich. “Ich wollte deine Stimme hören, weil es mir schwer gefallen ist, zu glauben, dass es dieses Mal gut ausgegangen ist. Aber ich hätte mir trotzdem weiter Sorgen gemacht, so wie du geklungen hättest. Es war in dem Moment vielleicht nicht schön, aber es war wahrscheinlich richtig so.”, räumte ich mit nach unten abfallendem Blick ein und zuckte ein wenig mit den Schultern. Sie hatte explizit geschrieben, dass sie nicht sofort mit mir reden wollte und ich hatte mir leider sehr schwer damit getan, das einfach runterzuschlucken, weil ich zu jenem Zeitpunkt eine andere Meinung dazu vertreten hatte. “Ich weiß, dass ich dir nach unserer vorübergehenden Trennung Vorwürfe dafür gemacht habe, dass du mir die mögliche Gefahr nicht früher gebeichtet hast… es fällt mir offensichtlich manchmal schwer, das anzunehmen, aber manchmal weißt du besser als ich, was gut für mich ist. Auch wenn ich das erst irgendwann später merke.”, sprach ich weiter und sah erst danach zurück in ihre großen Augen, ein bisschen schief lächelnd. Indessen ließ ich auch die Hand sinken und spürte kurz darauf wiederum Fayes sanfte Finger auf der Haut. Bereitwillig wog meine Seele sich in dieser Zärtlichkeit und sie ließ sich auch durch die Frage der Brünetten nicht dabei stören. “Jetzt… wieder okay.”, war mein erstes, viel zu grobes Fazit. Ich brauchte aber noch einen Moment, um herauszufinden, womit ich anfangen wollte. “Es war auch dieses Mal nicht viel weniger als die Hölle, nicht zu wissen, ob du die Sache überstehst… ich kann von Glück reden, dass ich in der Nacht eine sehr ruhig Schicht hatte, weil das sonst echt schief gegangen wäre." So war es glücklicherweise nur ein etwas mit meinem emotionalen Ich überforderter Samuel gewesen, dem ich mich hatte stellen müssen. Übrigens noch ein guter Grund dafür, ihn nicht hierher einzuladen, bevor hier alle Anwesenden stabil wirkten. Er brauchte sicherlich keine Wiederholung davon. "Und ich hab weit mehr als ein paar Stunden Schlaf gebraucht, um irgendwie mit Alledem klarzukommen, obwohl ich dann eigentlich schon wusste, dass es dir… naja, eben den Umständen entsprechend gut geht. Ich hab mir Vorwürfe und Sorgen ohne Ende gemacht. Das Haus hier weitgehend einzuräumen hat mir dann ein bisschen dabei geholfen, auch mich selber wieder einigermaßen zu sortieren… so weit das eben möglich war, ohne dich in der Nähe zu haben.", seufzte ich leise und schloss für den nächsten Moment die Augen. Es waren halt auch wieder ein paar sehr hässliche, sehr anstrengende Tage gewesen, die ich zu all den anderen auf meinem längst übervollen Konto buchen konnte. Als würden die da überhaupt noch auffallen. "Ich weiß, dass es für mein eigenes Wohlergehen richtig war, Seattle vor dem Knall zu verlassen... und trotzdem wird es sich nie ganz richtig anfühlen, dich damit allein gelassen zu haben.", murmelte ich und schüttelte mit weiterhin geschlossenen Lidern kaum sichtbar den Kopf. Vielleicht siegte mein Verstand inzwischen, wenn es um das abschließende Fällen einer solch todernsten Entscheidungen ging. Das hieß nur nicht, dass mein Herz besagte Entscheidung daraufhin einfach so für immer stillschweigend akzeptieren würde.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
Seine Formulierung mit der aktuell ebenfalls noch nicht vorhandenen Pinnwand, liess Faye in Bezug auf die Listen noch breiter schmunzeln. "Eine imaginäre Pinnwand für unsere imaginären Listen... das ist wirklich eine tolle Idee", stimmte sie belustigt zu. Sie drehte sich kurz etwas von ihm weg, um ihren Blick durchs Wohnzimmer schweifen zu lassen, auf der Suche nach dem perfekten Platz für dieses kleine Projekt. "Notier' ich mir auf jeden Fall direkt auf der Liste mit Dingen, die ich hier drin in den nächsten Tagen machen möchte", wandte sie sich mit einem Grinsen wieder ihm zu. Auch wenn sie eigentlich ernst meinte, sich darum kümmern zu wollen, konnte sie die eindeutig ironische Formulierung ihrer weiteren Zustimmung nicht sein lassen. Selbstredend existierte auch diese Liste zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht. Was nicht hiess, dass das so bleiben würde, Faye war im allgemeinen ein grosser Fan von To Do Listen - oder allgemein von Listen aller Art. Passte ganz wunderbar zu ihrem allgemeinen Ordnungssinn. Sie könnte eigentlich wirklich eine Pinnwand dafür kreieren. Nicht nur für die Aktivitäten-Liste, sondern für alle anderen Listen auch, damit die dann endlich einen gesammelten Platz hatten. Dann aber vielleicht besser nicht für jeden gut leserlich im Eingangsbereich, sondern eher im hinteren Bereich des Hauses, wo nicht alle potenziellen Besucher vorbeispazierten. Oder sie bastelte gleich noch eine hübsche Abdeckung, die sich im Falle eines Besuchs ganz einfach über die Pinnwand ziehen liess. Mal sehen, sie hatte ja Zeit in der Entwicklung. Viel Zeit, wenn Victor erstmal auf der Arbeit war und sie nicht mehr auf seinem Schoss sitzen und seiner Stimme lauschen konnte, die mal mehr, mal weniger erfreuliche Sachen berichtete. Dass er ihr das eher zurückhaltende Verhalten der letzten beiden Wochen nicht übel nahm, gehörte hierbei zum erfreulicheren Teil. Genau wie er sie verstehen konnte, hatte sie natürlich auch seinen übereiligen Anruf längst so gedeutet, wie er ihn nun erklärte. Vermutlich hätte sie das Gleiche getan im Versuch, ein bisschen mehr Gewissheit zu schaffen, irgendwie das eigene blutende Herz zu beruhigen. Ihr rechter Mundwinkel spiegelte sein schiefes Lächeln, als er zugab, dass sie manchmal auf weite Sicht besser auf sein Herz aufzupassen wusste, als er selbst. "Liegt vielleicht daran, dass ich dich gar nicht mal soooo schlecht kenne...", meinte sie lächelnd mit falscher Bescheidenheit, die sie hier eigentlich keinem vormachen musste. Das Lächeln schwand bald schon wieder aus ihren Gesichtszügen, als seine Ausführungen ihren Lauf nahmen. Faye biss unbewusst auf ihrer Unterlippe herum, als er beschrieb, wie er sich gefühlt hatte. Sie wusste, dass sie das eigentlich nicht sollten, aber die Selbstvorwürfe fanden jeweils ganz schön schnell einen Weg in ihren Kopf. Es war aus verschiedenen Gründen wichtig gewesen, dass sie bis vor zwei Wochen in Seattle geblieben war. Und im Rahmen dieser Tatsache hatte sie die Möglichkeiten ausgeschöpft, die sie gehabt hatte, um die erneute Katastrophe zu verhindern. Trotzdem fragte sie sich auch heute wieder, ob sie irgendwas übersehen hatte. Den Kontrollblick ins Auto vor dem Einsteigen zum Beispiel... "Das glaube ich dir sofort... Es tut mir wirklich leid, dass du da nochmal durch musstest...", meinte Faye ehrlich, während ihre Finger wieder über seine Haut streichelten, als könnte sie das Leid damit nachträglich ein bisschen lindern. "Aber ich bin auch wirklich froh, dass du... nicht da warst. Aus diversen Gründen. Das wäre nicht gut für dich gewesen - wahrscheinlich auch nicht gut für uns beide", fuhr sie fort, musterte sein Gesicht, obwohl seine Augen noch geschlossen waren. "Du hättest nichts tun können, um das zu verhindern. Du hättest mich nicht schneller rausholen können, als die anderen das getan haben. Und... und ganz ehrlich, ich bin einfach nur froh, dass du ihnen nicht nochmal begegnen konntest.", eigentlich hatte sie etwas anderes sagen wollen. Eigentlich wollte sie auch jetzt noch mehr anfügen. Aber sie hatte sich mit dem letzten Satz vorübergehend selbstständig ins Timeout verabschiedet, weil sie nicht verhindern konnte, damit die Bilder dieser Höllenfiguren heraufzubeschwören. So fand sie sich ziemlich rasch an seiner Brust wieder, lehnte sich an ihn und lauschte seiner Atmung, versuchte damit ihren eigenen Herzschlag wieder an seinen Rhythmus zu erinnern. Sie wollte eigentlich nicht an die Hernandez denken. Ihr Punkt war ein anderer gewesen. Dass Victor nicht dabei gewesen war. Und dass das sehr gut war. Es reichte, wenn sie sich nochmal hatte verabschieden können, bevor das Elend hoffentlich für immer überstanden war.
Vielleicht sollten wir beide uns diese Pinnwand auch mal irgendwo “aufhängen”... x'D _______
So wie Faye meine Idee nochmal wiederholte, klang es wirklich so, als hätten wir nicht mehr alle Tassen im Schrank. Was nüchtern betrachtet den Gegebenheiten entsprach, wenn auch eher nicht in Hinblick auf Halluzinationen. “Bin schon gespannt, wo ich sie schlussendlich entdecke.”, stellte ich abschließend mit leicht angehobener Augenbraue fest. Vielleicht würde die Pinnwand gar nicht plötzlich da sein, sondern stattdessen in meinem Beisein aufgehängt werden. Das hing von Fayes ebenfalls noch nicht wirklich detailliert existenter Planung der nächsten Tage ab. Das ließ ich also einfach mal auf mich zukommen. “Besser als jeder andere Mensch, um genau zu sein.”, korrigierte ich Faye unnötigerweise, weil wir das ohnehin beide wussten, in ihrer weit untertriebenen Aussage. Ich war zwar ein relativ geselliger Mensch, aber den meisten zeigte ich ja doch nicht, was alles in mir begraben lag. Es war einfacher, den Victor zu präsentieren, der auf Anhieb sichtbar war – ein Kerl in Großformat, der anhand von erkennbaren Narben möglicherweise schon einiges durch hatte, sonst aber ziemlich normal war. Deswegen musste Faye sich mit all den noch nicht abgeschlossenen Baustellen in mir herumschlagen… und natürlich auch deswegen, weil sie leider oft ein Teil davon war. Es war uns beiden kein Geheimnis, dass unsere Traumata eng mit uns als Paar verwoben waren. Ich glaubte noch immer gerne daran, dass uns das am Ende stärker machte, auch wenn es sich häufig wie das Gegenteil anfühlte. Es war nicht meine Absicht, mit meinem Lagebericht dafür zu sorgen, dass die Brünette sich unwohl fühlte. Leider war das unumgänglich gewesen, als wir das Thema angeschnitten hatten. Es half uns nicht, wenn ich es schön redete oder sie gar anlog. Ganz unabhängig davon, dass ich sowieso ein schlechter Lügner war. Faye sagte, dass es ihr leid tat und ich schüttelte fast sofort den Kopf. Ich war vielleicht nicht unbedingt begeistert von ihrer Freundschaft zu Ryatt, aber sie hatte die Länge dieses elenden Rattenschwanzes nicht vorhersehen können. Sie hätte bei diesem letzten Durchlauf kaum noch mehr tun können, als sie ohnehin schon versucht hatte. Ihr musste das nicht leid tun und eigentlich waren wir beide froh, dass ich diese letzte Runde durch die Hölle nicht mitgedreht hatte. Eigentlich. Bevor ich darauf antwortete, legte ich jedoch meine Arme instinktiv um Fayes schlanken Körper, als sie sich wie so oft bei mir zu verkriechen versuchte. Ich hielt sie fest, setzte einen sanften Kuss auf ihr Haar und stützte dann vorsichtig meinen Kopf auf ihren. “Ich weiß… es hätte nichts zum Guten geändert, wäre ich da gewesen.”, hauchte ich leise, weil diese Erkenntnis auf ihre Weise schmerzhaft war. Ich konnte diese Machtlosigkeit nicht leiden. Es hätte schon irgendwas geändert, wäre ich in Seattle gewesen, nur nicht zum Positiven. Vielleicht hätte ich sogar irgendwas dummes, leichtsinniges unternommen, weil ich nicht bis in die Nacht hinein hätte warten können, wenn Faye doch eigentlich so greifbar und in Gefahr war. Darauf hatten alle Beteiligten wirklich gut verzichten können, inklusive meiner eigenen Person. Meine bessere Hälfte jedoch nicht einmal im Anschluss an die Befreiung in die Arme schließen zu können, war Stoff für Alpträume gewesen. Die Gedanken daran, womit Aryana und Mitchell sich nun herumschlugen, machten all das überhaupt nicht besser. Eigentlich wollte ich nicht danach fragen, wie es um die beiden stand, weil ich die Antwort wahrscheinlich lieber nicht hören wollte und weil es Faye wieder weh tun würde, an ihre zurückgelassene Schwester zu denken. Bis jetzt antwortete Mitch auf meine ohnehin spärlichen Nachrichten an ihn jedoch nur sehr knapp oder gar nicht, was zwangsweise zu weiterer Besorgnis und auch mehr Schuldgefühlen führte. “Wie geht’s den anderen beiden..?”, fragte ich leise nach, ohne die Augen bis jetzt wieder geöffnet zu haben. Streichelte wieder über Fayes Rücken, im Versuch, ihr den Rest dieses unangenehmen Themas irgendwie erträglicher zu machen.
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Vielleicht kann man das irgendwann, wenn jemand sehr viel Lust hat, dem anderen Dokument anfügen… x‘D ________
Ja, sie auch, denn aktuell hatte sie noch keine zündende Idee betreffend der Platzierung ihrer Pinnwand. Dazu musste sie sich erst noch ein paar Mal in Ruhe umschauen und entscheiden, was sie sonst noch so an die Wände hängen möchte. Es musste jetzt nicht unbedingt alles voll werden, sollte am Ende ja auch nicht erdrückend wirken. Aber der ein oder andere Akzent fehlte definitiv noch und darum würde sie sich in den kommenden Tagen kümmern. Was er sagte um ihre untertriebene Behauptung zu korrigieren, liess sie kurz nachdenken, auch wenn sie eigentlich wusste, dass er es ernst meinte und es somit der Wahrheit entsprechen musste. Er konnte ja wohl am besten beurteilen, wer ihn wie gut kannte und wem er wie viel von sich preisgab. Und es stimmte schon. Seine Familie kannte ihn nicht mehr besser, als sie ihn mittlerweile kannte, denn seine Familie hatte die letzten Jahre nicht annähernd so nah mit ihm verbracht, wie sie das getan hatte. Sie wusste natürlich nicht alles von den Wochen, die er letztes Jahr bei ihnen verbracht hatte. Aber ob sie dabei das vollumfängliche Update über sein Leben und seine Gefühlswelt wie sie sie kannte bekommen hatten, war eher zu bezweifeln. Das war ja umgekehrt bei ihr nicht anders. Es waren diesmal nur ein paar wenige Wochen gewesen, aber trotzdem wurde ihr sofort wieder bewusst, wie sehr sie das vermisst hatte, als seine Arme sich enger um ihren Körper legten. Das wäre der einzige Vorteil gewesen, wenn er eben doch in Seattle geblieben wäre: Sie hätte nicht so ewig lange auf den Trost warten müssen, den auf diese Weise einzig und allein seine Arme ihr spenden konnten. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass sie sich selbst hatte heilen müssen und selbst zu trösten versucht hatte. Aber es war nie das Gleiche wie mit ihm. Es würden immer seine Arme bleiben, die sie auf eine Weise beruhigen konnten, die sie nur von diesem Ort kannte. Von diesem Menschen, den sie damals nicht weniger kaputt zwischen Kugelhagel und Bombeneinschlägen gefunden hatte, der im heissen Sand unter der gleissenden Wüstensonne zu ihrem Zuhause geworden war und es für immer bleiben würde. Ein paar Atemzüge lang blieb sie still, weil er die Tatsachen bereits ausgesprochen hatte. Faye wollte aber nicht auf einem ganz so dürren Ast sitzen bleiben, bevor das Gespräch die nächste unschöne Abzweigung nahm. "Wahrscheinlich nicht. Aber es hat sicher geholfen, dass du hier gewesen bist und alles vorbereitet hast. Dass ich wusste, dass die Zukunft wartete und sie diesmal anders werden würde. Dass ich wusste, dass ich bald wieder bei dir sein würde und ich das hier zurückbekomme", rundete sie die Sache mit seiner Abwesenheit ab, die in diesem Fall vermutlich wirklich mehr Vor- als Nachteile gehabt hatte. Eben auch, dass er in der akuten Phase nach dem Drama nicht bei ihr gewesen war, damit sie die Möglichkeit gehabt hatte, alles ein bisschen aufzuschieben und zu verdauen, bevor sie vertieft mit ihm darüber redete und ihre Wortwahl und ihre Emotionen dabei besser verstand und kontrollieren konnte. Egal wie sehr sie seine Nähe dabei vermisst hatte. Die Frage, die er stellte, half auf jeden Fall dabei, den Fokus von seiner Abwesenheit wegzulenken. Inwiefern Mitch und Aryana heute das weniger schmerzvolle Gesprächsthema wurden, war aber leider fraglich. Sie hätte wirklich sehr, sehr viel darum gegeben, ihre Schwester und ihren... manchmal fühlte es sich ein bisschen an wie ihr Adoptivbruder - nur für sie natürlich, für Aryana nicht - mit nach L.A. zu nehmen. Und im gleichen Zug noch ihre Seelen zu heilen oder von ihr aus auch die Erinnerung an diese Nacht zu löschen. Am besten für alle Beteiligten. Die Hernandez durften sonst auch gleich alle Erinnerungen an Ryatt, Mitch, Aryana, Victor und sie verlieren. Faye atmete tief durch, was in einem schweren Seufzen endete, das wohl schon fast Antwort genug war. "Nicht gut... Leider wesentlich schlechter als mir", rückte sie schliesslich leise mit ihrer Einschätzung raus, als würde die Lautstärke ihrer Stimme das Elend dieser Nachricht regulieren können. "Sie reden natürlich nicht drüber. Ich weiss auch nicht genau, was sie getan haben... Aber sie waren länger dort als ich und als sie nachhause gekommen sind, wollte Aryana mich nicht sehen, bis sie geduscht hatte. Und nach der Dusche hat sie auch nur knapp mit mir gesprochen. Ich habe nie nachgefragt... Weil beide nie so ausgesehen haben, als möchten sie darüber sprechen. Vielleicht auch, weil ich es lieber nicht wissen will. Es reicht ja auch völlig, zu sehen, was es mit ihnen gemacht hat... Wofür ich mir die Schuld geben kann. Egal wie sehr ich das nicht sollte - es ist verdammt schwer, das nicht zu tun, wenn sie es offensichtlich für mich getan haben.", fasste sie die Situation ihrer letzten Tage in Seattle zusammen, spürte dabei deutlich, wie sich der Kloss in ihrem Hals bildete. Einer, der sich mal wieder eher schlecht mit ein paar tiefen Atemzügen wegblasen liess. Vielleicht hätte sie andere Worte gewählt, wenn ihr irgendwann mal irgendwer gesagt hätte, dass Aryana und Mitch ihren Rachefeldzug nicht ganz allein geplant hatten. Wenn sie gewusst hätte, dass das Bedürfnis nach Vergeltung nicht zuletzt von Victor kam.
Ich nickte zäh vor mich hin. Es stimmte schon, Faye hatte Recht damit. Ich half ihr auch damit, dass ihr hier in Los Angeles ein paar der allerersten schweren Schritte erspart blieben, weil ich beispielsweise unser neues Heim schon grob fertig eingerichtet hatte. Damit, dass ich mich hier zumindest schon ansatzweise ein bisschen auskannte. Damit, ihr den Einstieg so leicht wie nur möglich zu machen. Es half auch nichts, wenn ich mir ewig weiter Gedanken darüber machte – der Zug für Veränderung in dieser Sache war ohnehin abgefahren und wir konnten jetzt nur noch das Beste daraus machen. “Ja, das… glaub’ ich dir gerne.”, war aber alles, was ich am Ende noch dazu sagte, mit einem kaum merklichen Lächeln auf den Lippen. Es war wichtig zu wissen, dass Faye keineswegs ein Übel darin sah, dass ich nicht bei ihr gewesen war. Trotzdem würde ich wohl Zeit brauchen, um mir darüber eine gesündere Meinung zu bilden. Außerdem rauschte kurzerhand der nächste Zug aus dem Bahnhof: der Rachefeldzug. Ich hätte einfach die Klappe halten und nicht fragen sollten. Würde Faye nicht auf meinem Schoß sitzen, hätte ich vermutlich damit angefangen, betreten auf dem Sofa rumzurutschen. Oder eines der Kissen angehoben, um den Kopf darunter zu verstecken. So hingegen war meine erste Reaktion ein hörbares Schlucken, dicht gefolgt von einer noch schraubstockartigeren Umarmung. Es war nicht so, als hätte ich nicht längst geahnt, dass die beiden mächtig mit den Spuren der angerichteten Zerstörung zu kämpfen hatten. Als wäre das nicht ersichtlich allein aus der Tatsache, dass sich keiner von beiden so richtig bei mir meldete. Es war auch vorhersehbar gewesen… umso schlimmer, dass ich nicht wenigstens noch versucht hatte, zurückzurudern. Als ich Aryana vor einigen Wochen darum gebeten hatte, gemeinsam mit Mitch nichts als puren Schmerz an die Hernandez auszurichten, war es mir schlecht gegangen. Wirklich schlecht. Es war mir auch hier alleine in L.A. noch nicht wirklich gut gegangen. Das war aber eine verdammt bescheidene Ausrede, die nicht mal bei mir selbst zog. Es war leider auch fragwürdig, inwieweit es überhaupt eine andere Option als heftige Vergeltung gegeben hatte. Mit Gesprächen kam man bei diesen Mexikanern, wie wir alle wussten, ohnehin nicht weit. Sicher auch in dieser Sache nicht. Vielleicht änderte meine Bitte an die ältere Cooper nichts oder zumindest nicht viel am Resultat dieser desaströsen Nacht, von der ich wahrscheinlich nicht mal selber genau wissen wollte, was passiert war. Nicht mehr, als ich schon ahnen konnte. Umso schlimmer, dass es in den Köpfen unserer beiden Freunde – die viel mehr auch für mich längst Familie waren – schlimmstenfalls irreparablen Schaden angerichtet hatte. Ich schwieg länger, als Faye das zuvor getan hatte. Die weitreichende Verspannung meines Körpers machte deutlich, wie mies auch ich mich damit fühlte. Dass ich mir schwer damit tat, dafür überhaupt irgendwelche Worte zu finden. Mein Kopf kreiste vehement um die Frage, ob ich Faye den Tag mit der Eröffnung dieses Details wirklich versauen sollte. Doch Schweigen war nicht viel besser als Lügen. Irgendwann kam sowas raus und es war auch einfach nicht richtig. Meine eben noch erleichterten Schultern trugen binnen weniger Sekunden gefühlt wieder die Last der ganzen letzten 10 Jahre, zusätzlich zum Gewicht meiner noch nicht wieder vollständig funktionsfähigen Beziehung zu Faye. Trotzdem atmete auch ich schließlich mit bebenden Lungenflügeln tief durch, bevor ich den Kopf anhob und über Faye hinweg in den Raum sah. “Das ist nicht wahr, Faye. Es ist…” Gott, ich wollte das nicht sagen. Wirklich nicht. Es brauchte weitere, träge Sekunden der Überwindung. “Es ist wahrscheinlich mehr meine Schuld, als deine.”, murmelte ich. Man konnte den Druck an meiner Kehle förmlich hören. “Erinnerst du dich an die Tage, nachdem Ryatt bei uns auf der Matte stand? Nach uns gesehen hat, weil die Hernandez ihm Druck gemacht haben… an das Gespräch, das ich kurz darauf mit Aryana geführt habe, als du arbeiten warst?” Ich hatte Faye damals darüber informiert, dass ich mich mit ihrer Schwester treffen würde, um mit ihr zu reden. Um was es dabei gegangen war, hatte ich aber nie wieder angeschnitten, weil mir alles davon absolut unangenehm war. Jeder noch so kleine Brocken. “Ich hab sie darum gebeten… Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Rache zu üben für das, was sie dir und mir angetan haben, sollte dir wirklich nochmal etwas zustoßen…” Meine Arme um Faye lockerten sich mehr und mehr. Nur für den Fall, dass sie gleich weglaufen wollte, weil sie angewidert davon war, zu welch bösartigen Wünschen mein kaputter Schädel mittlerweile fähig war. Ich bereute den Wunsch nach Rache auch noch immer nicht, sondern nur, wem ich damit geschadet hatte. “Ich hab noch gesagt, dass sie das nicht machen sollen, wenn das zu viel verlangt ist… aber du weißt, wie Aryana ist… wie Mitch ist...” Meine Stimme wurde immer dünner, je länger ich sprach und ich kniff die Augen ein bisschen zu. Es bildeten sich Falten auf meiner Stirn und ich rieb die Lippen aneinander. Weil ich mir das nicht vor Augen halten wollte, aber noch viel weniger ins Fayes Gesicht blicken konnte. Die ältere Cooper hatte sicherlich selbst schon Vergeltung üben wollen und meine Bitte war ihr dann sowas wie gelegen gekommen. Sie hatte mich nie für meinen Rachewunsch verurteilt und ihr Komplize würde nicht viel Überredung gebraucht haben, um bei dieser Sache mitzumachen. Die Befreiung verstand sich aufgrund der Vergangenheit schon von selbst und die Folter hätte Mitch seine Freundin sicherlich auch nie alleine übernehmen lassen. Ich hatte also kurzerhand entschieden, das blöde Feuerzeug zu nehmen und es auf den Zunder zu werfen, der ohnehin schon kleine Funken sprühte.
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Sie war nicht davon ausgegangen, dass ihn diese Neuigkeiten, die an sich eigentlich auch nicht mega überraschend sein dürften, ihn so treffen würden. Aber die Art, wie seine Atmung, seine Körperspannung und seine Umarmung sich veränderten, liessen in ihr automatisch ein paar verwirrte Alarmglocken schrillen. Sie streichelte mit ihren Fingern sachte über seine Haut beziehungsweise sein Shirt, im Versuch ihn ein wenig zu beruhigen. Und hätte er noch ein paar Sekunden länger geschwiegen, hätte sie ihn wohl gefragt, was denn genau los war, weil sie akut wirklich nicht verstand, warum er so reagierte. Doch Victor setzte letztendlich eigenständig dazu an, ein bisschen Licht ins Dunkle zu bringen. Zuerst sprach er in Rätseln und sie wusste nicht, warum er sowas plötzlich behaupten sollte. Sie blickte zur Seite, hatte sich noch nicht wirklich von ihm gelöst, zog dabei aber mit zunehmender Verwirrung die Augenbrauen ins Gesicht. Mehr seine Schuld als ihre machte keinen Sinn... nicht, bis all die stockenden Sätze über seine Lippen gekrochen waren. Nicht, bis die Worte plötzlich ein ganzes Bild malten. Eines, das sie in dieser Art wirklich nicht erwartet hatte. Das nicht mit ein paar Mal blinzeln begriffen werden konnte. Faye löste sich jetzt doch ein Stück weit von ihm, um ihn anzusehen - auch wenn er sie vielleicht gar nicht anschauen wollte. Ihre Blick wirkte ein bisschen überfordert - aber auch ein bisschen verstört. Ihre Hände legten sich links und rechts an seine Schläfen, die Daumen strichen wieder über seine Haut. Diesmal ein bisschen verloren, während sie zu verstehen versuchte, was er gerade offenbart hatte. War es schockierend? War es überraschend? Hätte sie es erwarten sollen? Änderte es überhaupt irgendwas an den Tatsachen? Hatte es für Mitch und Aryana überhaupt eine Rolle gespielt? Hätten sie das Gleiche getan, wenn Victor nie mit Aryana gesprochen hätte? Wenn sie Gleiches mit Gleichem vergelten sehr ernst genommen hatten, dann war alles, was Faye später aus den Augen ihrer beiden Retter hatte lesen können, schnell erklärt. Die Brünette gab einen dezent überforderten Laut von sich und lehnte ihren Kopf mit zugekniffenen Augen wieder an seine Brust, ohne ihre Hände von seinem Gesicht zu nehmen. Vielleicht wäre das alles nicht so schlimm, wenn sie wenigstens ein bisschen damit gerechnet hätte. Aber das hatte sie nicht. Weil sie mit Victor nie über Rachegelüste gesprochen hatte. Natürlich hatte sie der ganzen Hernandez'-Sippschaft den Tod gewünscht. Natürlich hatte sie sie aus ihrem Leben radieren wollen. Natürlich verspürte sie jetzt kein Mitleid, wenn sie sich ein etwas detaillierteres Bild dessen machen konnte, was noch alles in der Lagerhalle passiert sein mochte, nachdem sie mit Ryatt die Flucht ergriffen hatte. Sie wollte nur nicht, dass es jemand getan hatte, den sie kannte. Nicht nur kannte, sondern zu ihrer Familie zählte. Und sie hätte nie im Leben jemanden darum gebeten das zu tun, es auch selbst niemals fertig gebracht. Sie hätte sich einfach verpisst und gehofft und geglaubt, dass sie hier ihre Ruhe hatten. Entsprechend war es vielleicht sogar gut, dass nicht sie darüber entschieden hatte, was an Vergeltung ausgeübt wurde. Vielleicht war das nötig gewesen, um dem Ganzen ein Ende zu schaffen. Aber der Gedanke daran, dass Victor die Rache in Auftrag gegeben hatte, war... schwierig. Es machte deutlich, was sie in ihm kaputt gemacht hatten. Es war ein Teil von ihm, den sie nicht kannte. Ein Teil von ihm, von dem sie vielleicht auch gewünscht hätte, er würde niemals erweckt werden. Er würde gar nicht existieren. Faye löste die Hände von seinen Schläfen, um sie stattdessen um seinen Oberkörper zu schlingen und ihn nun ihrerseits in eine enge Umarmung zu schliessen. "Oh Victor... Das... das ist nicht gut...", waren ihre ersten leise gehauchten Worte, die diese neu erkannten Zusammenhänge betrafen. Welcher Teil davon nicht gut war, konnte sie nichtmal genau benennen. Mehrere, wahrscheinlich. Aber sie wusste nicht, was sie sonst noch sagen sollte. Mit welchen Worten sie diesem Desaster begegnen sollte. Sollte sie ihn zu trösten versuchen? Ihm sagen, dass Aryana und Mitch vermutlich auch ohne seine Bitte ungefähr das Gleiche getan hätten? Sollte sie ihn fragen, ob er noch mehr solche Gedanken hatte? Sollte sie ihn darauf hinweisen, dass er das dringend mit seinem Therapeuten besprechen sollte? Sollte sie ihm erklären, dass das schon okay war? Dass sie ihn verstand? Was, wenn das nicht so war?
Die Worte hatte ich irgendwie rausgekriegt. Jetzt musste ich es nur noch schaffen, Faye wieder in die Augen zu sehen. Mit der Scham und der nur halb vorhandenen Reue. Es war eigentlich überhaupt kein Wunder, dass die letzten Jahre ein paar Teile von mir zerstört oder stark verändert hatten. Vielleicht brachten sie auch nur hervor, was längst da gewesen war. Trotzdem wollte ich nicht, dass Faye das hören musste, dass sie es in meinen Augen lesen konnte. Sie nicht mehr ausnahmslos vor allem schützen zu wollen, gehörte zu den Dingen, die ich mir erst hatte beibringen müssen. Ich wollte aber um keinen Preis eines der Dinge sein, vor denen ich sie sowieso nicht schützen konnte. Nur mühsam erwiderte ich schließlich ihren Blick, mitunter auch wegen ihrer dirigierenden Hände, blinzelte aber auffällig oft und sah letztlich doch wieder nach unten weg. Ich ertrug den Ausdruck in ihren Augen nicht. Das Entsetzen, die Überforderung, während sie zu begreifen versuchte, was ich ihr gerade gesagt hatte. Das Schlimme war, dass ich das verstand. Dass ich sie nicht anders ansehen würde, wenn sie mir sowas offenbart hätte - weil ich es genauso wenig von Faye erwartete, wie sie von mir. Ich schluckte ein weiteres Mal, als die Brünette sich wieder an meiner Brust verkrümelte, weil ich nicht wusste, was ich davon halten sollte. Natürlich war ich froh darüber, dass sie nicht wie von der Tarantel gestochen aufsprang und mich verteufelte… aber sollte sie nicht wütend auf mich sein? Wenigstens ein bisschen, weil ich das einzige Mitglied ihrer Familie, das ihr geblieben war, zu dieser exzessiven Handlung animiert hatte? Alles, was Faye am Ende dazu sagte, war, dass es nicht gut war und das sagte so viel Nichts aus, dass es meine innere Unruhe ganz und gar nicht linderte. Die Umarmung fühlte sich auch nicht so an, als hätte ich sie verdient. „Ich hab gedacht, dass das verschwindet… wenn ich zurückkomme… wenn wir neu anfangen…“, murmelte ich leise vor mich hin, machte aber keine Anstalten dazu, die Umarmung meinerseits wieder zu vertiefen. Meine Arme lagen weiterhin eher locker um Fayes Körper. „Aber das ist es noch nicht. Ich fühl's noch genauso.“, gestand ich, den letzten Satz beinahe tonlos. Jetzt nur nicht mehr begleitet von derselben Wut und Hilflosigkeit wie damals im Gespräch mit Aryana. Die Rache selbst war in meinem Kopf auch nicht mehr präsent, sie war schon getan. Trotzdem wollte ich diese Teufelsbrut noch immer am liebsten tot sehen… und könnte ich es mir aussuchen, wäre es sicher kein schneller Tod. Doch vielleicht brauchte ich wirklich nur noch mehr Zeit. Einkehrende Ruhe und ein normales Leben, in dem ich wieder ich selbst sein konnte, weil keiner mehr hinter mir her war. Es blieb zu hoffen, denn ich wollte dieser Art von Dunkelheit eigentlich überhaupt keinen Platz in meinem Leben lassen. "Aber das wird schon. Ich... ich will nicht so enden.", versuchte ich ein bisschen sehr verzweifelt, noch einen Funken Optimismus in diese verlorene Konversation einzustreuen. Wie genau war eigentlich so? Wie Aryana und Mitch?
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Sie hatte echt keine Ahnung, was sie dazu sagen sollte. Was sie davon halten sollte. Sie wusste nicht, wie sie mit dem Wissen über seine Rachegefühle umgehen sollte, wie sie diese für sich bewerten und wie sie das in ihr Bild von ihm einfügen sollte. Sie wusste auch nicht, ob sie ihn dafür verurteilen sollte, dass er ausgerechnet Aryana um die Ausführung der Vergeltung gebeten hatte. Ob sie wütend sein sollte. Was Aryana getan hätte, wenn er sie nicht darum gebeten hätte? Sie und Mitch hatten ohne Frage schon genügend andere Probleme, waren erst seit Kurzem verhältnismässig stabil unterwegs gewesen. Ob sie riskiert hätten, wieder in ein Loch, dessen Tiefe sie vorher nicht wirklich abschätzen konnten, zu fallen, wenn Victor nicht explizit gefragt hätten? Wahrscheinlich hätten sie schon mehr getan, als Faye einfach aus der Lagerhalle zu fischen und zu gehen. Trotzdem wahrscheinlich weniger, als es am Ende geworden war, wenn sie Victors Bitte wirklich beim Wort ausgeführt hatten. Aber Aryana war auch keine Fünfjährige mehr. Sie und Mitch nahmen Victors Aufforderung oder Bitte oder was auch immer sicher nicht als Befehl entgegen. Konnten selber abschätzen, ob sie ausführen wollten, was er für richtig hielt. Der zusätzliche Ansporn hatte sicher nicht geholfen, aber was sie getan hatten, war nicht nur für Victor gewesen, sondern auch für Faye und auch für Mitch und vor allem Aryana selbst. Nach Julians Tod hatte sie sich extra lang bei der Army verpflichtet, um (unter anderem) Rache auszuüben für das, was man ihm angetan hatte. Nach ihrer Entführung in Syrien hatte sie Gott weiss wie viele Gegner getötet, um sie dort wieder raus zu holen. Gil und Mateo hatten längst auf ihrer Abschussliste gestanden. Nur vielleicht nicht so. Ob er aufhören würde, seine Seele mit Rachedurst zu verpesten, wenn sie ihn nur ein bisschen öfter sehr fest umarmte, um solche hässlichen Fantasien abzuwehren? Das war wahrscheinlich zu einfach, oder? Und wahrscheinlich war die Umarmung eher für ihre eigenen Nerven wichtig. Damit sie sich an ihn klammern und sich einreden konnte, dass er noch immer genau der gleiche Mann wie vor fünfzehn Minuten war. Sie hatte nur etwas Neues über ihn erfahren. Etwas, das eigentlich nicht passte. Etwas, das sie nun vielleicht zu viele Sachen in Frage stellen liess, die sich in Wirklichkeit gar nie geändert hatten. Ihre Umarmung lockerte sich nun ebenfalls wieder, da sie einen Arm zurückzog, um sich mit der Hand übers Gesicht zu reiben. Weil das immer so hilfreich war beim Denken. Den Kopf hob sie nicht an, als sie eine leise Frage stellte. "Gibt es... noch mehr solche Dinge, die ich vielleicht wissen sollte..?", erkundigte sie sich und hoffte einfach, dass er nicht mehr als ein paar Sekunden darüber nachdenken musste, weil die Antwort doch eigentlich ein klares Nein sein sollte. Würde sie sich jedenfalls wünschen. Zumindest dachte sie, dass sie sich das wünschte - kam natürlich auch darauf an, was die Wahrheit beinhaltete. Es hatte schon Gründe, warum es vielleicht nicht falsch war, dass sie nicht immer alles wusste. Dass sie das nicht gewusst hatte. "Und was genau ist das Ausmass von das..? Von dem, was du noch immer genauso fühlst?", folgte die zweite Frage, bevor er auf die erste hatte antworten können. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie seine Worte richtig interpretierte. Aber sie wollte kein Missverständnis, wollte wissen, was es war, das in ihm lauerte. Das er nicht behalten wollte und sollte, weil es ungesund war. Das ihn dazu verleitete, Aryana darum zu bitten, den Menschen, die er hasste, Buchstaben in die Haut zu ritzen und Körperteile zu versengen.
Ich konnte nicht mal sagen, was mir lieber war. Es war genauso unangenehm, schweigend mit Faye in den Armen hier zu sitzen, wie über diese schrecklichen Gedanken zu sprechen. Ich würde sie wahrscheinlich gar nicht erst teilen, wären wir damit nicht in der Vergangenheit auf die Nase gefallen. Heimlichtuerei funktionierte bei uns beiden nicht, vollkommene Offenheit war jedoch nicht immer die beste Wahl. Als Faye sich übers Gesicht rieb und mich anschließend fragte, was noch in mir schlummerte, musste ich ein weiteres Mal tief durchatmen. Es war eine schwierige Frage für mich. Große Teile meiner Gedankenmuster hatten sich in ihrer gesamten Struktur verändert, weil die vorherige mit dem ständigen Sorgen machen und grundsätzlich zu viel nachdenken ungesund für mich gewesen war. Meine Gedanken unterschieden sich also per se in sehr vielen Bereichen stark von denen, die ich vor unserer Trennung gehabt hatte. Aber es war nicht so, als würde ich weitere heimliche Rachegelüste mit mir herumschleppen, also tendierte ich zu einem Nein… Bis die Brünette noch eine beziehungsweise zwei Fragen anhängte und damit erneut meine Antwort ins Wanken brachte. Ich wollte wirklich nicht weiter darüber reden, aber andererseits brachte es nun auch nichts mehr, dieses Gespräch auf irgendwann später zu vertagen. Faye jetzt noch im Unklaren darüber zu lassen, wäre nicht fair und vielleicht war es das von Anfang an nicht gewesen. “Ganz ehrlich…”, seufzte ich und ließ den Hinterkopf an der Lehne andocken, weil dieser Schädel schon wieder viel zu schwer auf meinem – unserem – Leben lastete. “...könnte ich es mir ohne jegliche Folgen aussuchen, würde ich sie tot sehen wollen. Sie verdienen’s nicht anders für das, was sie in mir zerstört haben.” Ich sprach recht leise, aber es schwang trotzdem ein verbitterter Unterton mit und meine Miene verfinsterte sich. Denn genau das war es, was über die letzten Jahre Stück für Stück mit mir passiert war – Verbitterung, die sich auf vielen Ebenen durch meine Seele fraß. Das Resultat von Angst und Schmerz. Ich hatte die Vergangenheit überstanden, aber dass sie völlig folgenlos blieb, davon träumte ich schon länger nicht mehr. Ich mochte in mancher Hinsicht auch gerne mal naiv sein, aber in diesem Fall hatte ich damit abgeschlossen. „Versteh das nicht falsch: Ich würde niemals einfach so losziehen, um das in die Tat umzusetzen. Aber ich will keinem von denen je wieder begegnen, weil ich einfach nicht wissen möchte, was dann passiert.“, rückte ich meine Worte ins rechte Licht, damit Faye sie nicht falsch interpretierte. Meine Augen waren inzwischen wieder geschlossen. Auch das war einer von vielen Gründen gewesen, sofort zu verschwinden, sobald die Hernandez wieder aufzukreuzen drohten. Würden die Geschwister einfach wieder umdrehen und flüchten, wenn sie mich sahen, würde ich vielleicht keine Anstalten dazu machen, ihnen nachzurennen. Aber ich könnte kein gefühltes hundertstes Mal dabei zusehen, wie sie Faye bedrohten. Egal ob mit einem Messer, einer Pistole oder sonst irgendwas. Ich würde mich eher erschießen lassen, als tatenlos die Hände zu heben und noch einmal Jemandem dabei zuzusehen, wie er das Zentrum meines Lebens hinzurichten versuchte. Gefühlt hatte ich die ganzen letzten Jahre über nie etwas anderes getan, als die Finger zu kreuzen und still zu hoffen, dass das reichte… und das hatte es nicht, also sträubte sich in mir jetzt absolut alles dagegen, so weiterzumachen. „Ich schätze, ich… bin allgemein etwas rücksichtsloser geworden… etwas… kühler... vielleicht egoistischer. Das war, was ich meinte, als ich dir nach meiner Rückkehr gesagt habe, dass ich anders bin, wenn du nicht da bist… deswegen fällt dir das wahrscheinlich auch nicht so auf… zu dir könnte ich so nie sein.”, murmelte ich etwas wirr und rollte im Sinnbild eines Kopfschüttelns minimal den Kopf auf der Lehne hin und her. Faye hatte genauso wie ich im Laufe unserer Beziehung Fehler gemacht. Trotzdem würde sie immer mein Engel bleiben und niemand könnte jemals ihren Platz in meinem Herzen einnehmen. Außerhalb ihrer Nähe fiel mir hingegen immer wieder auf, dass ich anders reagierte als früher. Wenn mir etwas nicht passte, dann ging ich viel schneller auf Konfrontation und wo ich früher einem Streit aus dem Weg gegangen war, weil ich heftige Auseinandersetzungen eigentlich nicht leiden konnte, suchte ich ihn jetzt sogar manchmal fast schon gezielt. Als müsste ich mir selber beweisen, dass ich das überhaupt noch konnte. Ich hieß Fremde auch nicht mehr einfach mit offenen Armen willkommen. Hier in Los Angeles war das nochmal extremer, als vorher in Vegas - danke, Ryatt. Früher oder später würde sicherlich mal eine Situation entstehen, in der Faye erkennen könnte, wovon ich gerade gesprochen hatte. „Abgesehen davon bin ich aber… derselbe wie vorher.“, schloss ich nuschelnd und wagte erst danach wieder einen kurzen Blick nach unten zu Faye, ohne den Kopf anzuheben.
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Also kein sofortiges Nein. Liess sich das dann direkt in ein Ja übersetzen? Wahrscheinlich war die Sache nicht so einfach. Wahrscheinlich gab es hier nicht nur Schwarz und Weiss. Wahrscheinlich sollte sie aufpassen, dass sie in ihrer allgemein erhöhten Emotionalität nicht Dinge interpretierte, die nicht da waren und ebenso wenig stimmten. Es war nur kaum zu leugnen, dass sie zur Zeit noch nicht zu hundert Prozent genauso belastbar war, wie sie es üblicherweise war oder sein sollte. Dazu gehörte eben auch diese Überempfindlichkeit, die sehr sicher von der Angst her rührte, dass sich hier gleich die nächste Katastrophe anbahnen könnte. Ihr Kopf und ihr Bewusstsein brauchten erstmal eine Pause, um wieder Vertrauen in die Welt zu fassen. Um wieder damit aufzuhören, hinter jeder Ecke ein Drama und eine Gefahr zu erwarten. Egal wie sehr sie sich einredete - und auch glaubte - dass diesmal alles gut werden würde, war eindeutig noch nicht jeder Teil von ihr bereit dazu, nach dieser Erwartung zu handeln und zu denken. Victors Ausführungen waren verständlich. Grundsätzlich unterschieden sie sich auch nicht so stark von ihren eigenen Gedanken. Bis auf den Punkt, dass sie im Gegensatz zu Victor ziemlich sicher wusste, was sie tun würde, wenn sie ihnen nochmal begegnete. Nämlich rennen, aber schneller. Sie würde niemals auf Konfrontation oder sogar zum Angriff übergehen, weil ihre Angst noch immer jegliche Wut oder Rachegefühle überstieg. Aber es war nicht nur das. Selbst wenn sie gefesselt vor ihr stehen würden und ihr garantiert nichts tun könnten, würde sie wahrscheinlich rennen. Das war ein ähnlicher Teil von ihr, wie der, den Victor erwähnte, weil er sich bei ihm verändert hatte. Bei ihr hatte sich das nicht geändert und sie konnte sich trotz allem nicht vorstellen, jemals selber Rache auszuüben, selber jemanden zu verletzen, als Strafe dafür, dass diese Person im Vorfeld sie und/oder Victor verletzt hatte. Sie wusste nicht, was in diesem Fall der gesündere Charakterzug war. "Dass sie tot wären, hab ich mir auch oft gewünscht. Fände ich auch noch immer sehr in Ordnung, weil ich mir dann nie wieder Gedanken über sie machen müsste. Keine Fata Morganas an dunklen Hausecken mehr sehen müsste, wenn meine Paranoia mal wieder kickt. Keine Angst haben müsste, dass Mitch und Aryana sich mit ihrem Eingreifen nicht vielleicht doch ein bisschen zu weit in die Schusslinie vorgewagt haben.", kommentierte sie zuerst weiterhin eher leise nur die zwei Sätze, die sie voll und ganz teilte. Sie zögerte einen Moment, um sicher zu gehen, ob sie auch wirklich meinte, was sie weiter zu sagen plante. "Ich verstehe dich schon... Ich möchte nur nicht, dass es dich zerfrisst. Dass du zu oft darüber nachdenkst, jetzt, wo wir hier sind und sie ein für alle Mal hinter uns lassen wollten...", das war eine leichte Abänderung dessen, was sie ursprünglich hatte sagen wollen, aber es entsprach ebenso der Wahrheit und fühlte sich besser an. Zu den weiteren Änderungen seiner Persönlichkeit konnte Faye wenig sagen. Egoistischer war nicht zwingend schlecht... Aber die Adjektive, die er brauchte, klangen im ersten Moment trotzdem eher negativ. Wahrscheinlich war es aber sogar besser, wenn sie aktuell einfach gar nicht viel dazu sagte, sondern erstmal abwartete, inwiefern sie davon etwas mitbekam. Inwiefern es sie störte oder sie das Bedürfnis verspürte, tatsächlich vertieft darüber zu sprechen, ob das alles nun gut oder schlecht war, so hingenommen oder bearbeitet werden sollte. "Okay... ich... ich weiss nicht, was ich dazu sagen soll, ehrlich gesagt. Aber egal wie sich alles verändert hat, hoffe ich einfach für dich, dass du so glücklich sein kannst... Wir beide. Das ist es letztendlich ja, wofür wir hierher gekommen sind... Was wir genau genommen seit über dreieinhalb Jahren versuchen", es klang ein bisschen ernüchternd, wenn sie es so sagte - entsprach nur leider auch der Wahrheit. Aber dieser neue Versuch hier, der würde glücken. Musste auch irgendwie. Was sie beide bestens wussten.
„Es ginge so einigen Menschen besser, wären sie nicht mehr da.“, stellte ich leise grummelnd das Offensichtliche fest. Allem voran vor allem ginge es uns beiden besser, natürlich. Es war ja nicht so, als wäre ich meine eigene Paranoia schon losgeworden. Viel mehr blühte sie dank jüngster Ereignisse wieder fröhlich auf. Dass wir hier sehr weit weg von dieser Pest waren, würde dagegen hoffentlich helfen. Das hatte mir bis hierhin schon alleine einzuschlafen leichter gemacht und das würde es weiterhin. „Ich bin mir eigentlich sicher, dass das, genauso wie alles andere, mit der Zeit wieder verblassen wird, wenn nicht ständig... naja, neuer Mist desselben Themas dazukommt… oder zumindest hoffe ich das noch immer.“, zeigte ich mich dessen noch relativ optimistisch. Bis die Hernandez sich Faye erneut unter den Nagel gerissen hatten, bevor sie sich wieder in unser Leben gedrängt hatten, waren die Gedanken an ausgleichende Gerechtigkeit nur noch selten in mir aufgeflammt. Meistens nur dann, wenn mir aufgefallen war, was sie für einen langfristigen Einfluss auf mich haben würden. Das konnte ich nicht vollständig ungeschehen machen und das wiederum machte mich wütend. Abgesehen davon empfand ich Wut glücklicherweise jedoch nach wie vor nicht oft. Ich hatte auch Warren zum Teufel gewünscht, was mir ohne mein Zutun erfüllt worden war. Er würde nicht nur Faye, sondern gar keine Frau jemals wieder anfassen. Das hatte ich Aryana und Mitch zu verdanken – vielleicht hatte ich mir unterbewusst gewünscht, ihnen brannte auch dieses Mal die Sicherung durch. Aber das war nicht richtig, war egoistisch. Mitch würde eine Ehrenrunde in Gefängnis nicht überleben und ich wollte auch nicht herausfinden müssen, was das mit Aryana anstellte… ein Teil von ihr würde mit ihm sterben, so wie ich jedes Mal aufs Neue ein bisschen gestorben war, wenn die jüngere Cooper auf dem Silbertablett eines Unmenschen gelegen hatte. Nichts davon hätte je passieren sollen. Ich hob eine Hand an, um mir damit durchs Haar zu fahren. „Ich hoffe wirklich, dass es den beiden bald wieder gut… oder wenigstens okay geht…“, nuschelte ich vor mich hin, während ich mir einen Augenblick lang die Kopfhaut massierte. „Hat Ryatt was dazu gesagt? Wie er die Situation einschätzt?“, hakte ich nach, kurz bevor ich die Hand wieder sinken ließ. Ich konnte nur schwer einschätzen, ob Aryana und Mitch sich unter anderem auch deswegen so schlecht fühlten, weil sie Angst vor rückwirkenden Besuchen hatten, oder ob sie das vielleicht gar nicht tangierte, weil sie mit dem Rest schon ein riesiges Problem hatten. Sicher war für mich nur, dass diese Taten sie verfolgten und ich Mitschuld daran trug. Blieb also nur noch zu hoffen übrig, dass sie sich schnell erholten und es sonst keine Folgen haben würde. Was mich und mein eigenes Dilemma betraf, hatte ich die Hoffnung jedenfalls noch nicht aufgegeben. Dessen weigerte ich mich weiterhin kontinuierlich. „Wir werden glücklich, Faye. Dafür sind wir hier und genau dafür sind wir noch immer zusammen.“, gab ich mein abschließendes Fazit dazu ab. Trotz allem, was uns zugestoßen war und uns das Leben schwer gemacht hatte, hielten wir noch aneinander fest, um genau das endlich in die Tat umzusetzen – glücklich werden. Das gemeinsame Glück war uns schon viel zu oft vor der Nase weggeschnappt worden und das würde jetzt ein Ende haben.
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Die Wahrheit in diesen Worten liess sich an ihrer Stelle sehr schlecht abstreiten. Musste sie auch nicht. Wie gesagt wäre sie definitiv nicht Teil der Personengruppe, die diesen Kindern des Teufels nachtrauerte, sollten sie eines Tages endgültig ihrem Vorgesetzten in der Hölle Gesellschaft leisten wollen. Sie durften sich von ihr aus sehr gerne für immer verabschieden. Nur halt nicht durch die Hände einer Person, die sie kannte und liebte. Besonders nicht Victor, Aryana oder Mitch. Aber Faye bezweifelte, dass Victor an dieser Stelle weitere Zustimmung ihrerseits brauchte, weshalb sie zu diesem Thema erstmal schwieg. Auch seiner Zukunftsprognose hatte sie nichts mehr anzufügen. Sie hoffte natürlich mit ihm, dass das alles bald ein Ende fand, auch gedanklich. Die physische Verabschiedung dieser Familie mit geistiger Gesamtbehinderung hatte ihrer Meinung nach längst stattgefunden. Zumindest für sie. Aber sie wollte wirklich hoffen, dass es bei Aryana und Mitch bei dem einmaligen Aufeinandertreffen blieb und auch sie - und Ryatt - nie wieder was mit den Hernandez zu tun hatten. Was sicherlich eine der Voraussetzungen dafür war, dass es den beiden bald wieder gut gehen konnte. Nicht die Einzige leider, aber es wäre ein sehr guter Anfang. Seine nächste Frage musste sie leider verneinen. Beziehungsweise hatte Ryatt schon etwas dazu gesagt, aber eine wirkliche Einschätzung war eben schwierig bis unmöglich, da sie auf dieser Seite des Konfliktes nur Hypothesen aufstellen und raten konnten. "Ryatt wusste es auch nicht. Ich habe ihn nicht direkt danach gefragt, ob er denkt, dass Aryana und Mitch nochmal Besuch erwarten müssen. Aber wir haben uns darüber unterhalten, ob ich oder wir uns weiterhin Sorgen machen müssen oder ob wir hier zu hundert Prozent sicher sind. Ryatt hatte jedoch genauso wenig je wieder was von ihnen gehört wie wir, nachdem er Riley im Auftrag von Aryana in die Lagerhalle dirigiert hatte, damit keiner ihrer Brüder an den Folgen... der Rache drauf ging. Seine Einschätzung war, dass sie nicht dumm genug sein sollten, jetzt wirklich nochmal bei einem von uns vorbeizuschauen. Aber ganz sicher kann eben auch er nichts sagen, weil er nicht mit ihnen gesprochen hat. Und weil sie nicht tot sind.", Faye hatte während des Sprechens angestrengt die Augen geschlossen, weil sie sich lieber nicht an diesen Teil des Gesprächs mit Ryatt zurückerinnern wollte. Sie wollte sich nicht nochmal vor Augen halten, dass sie hier ein bisschen gutgläubig darauf vertrauten, dass jetzt sicher nichts mehr passieren würde, dass diese Idioten die Message sicher verstanden hatten. Sicherlich war das die realistischste Schlussfolgerung nach gegebenen Umständen. Aber es war eben nicht in Stein gemeisselt. Wäre es auch nicht, wenn Ryatt nochmal mit Riley oder auch mit ihren Brüdern gesprochen hätte. Denn aufs Wort dieser Arschlöcher konnte man bekanntlich nichts geben. Die einzige wirkliche Sicherheit lag hier im Tod, von dem sie froh sein sollten, wenn er nicht eingetroffen war, so sehr sie es sich auch wünschen mochten. Hätten Aryana und Mitch einen von denen tatsächlich umgebracht, wäre die Folge sehr sicher eine ewige Jagd gewesen... Und das hätte sie weder sich noch Victor verzeihen können. Schon der Gegenschlag im ausgeführten Ausmass war ein Spiel mit dem Feuer gewesen und sie konnten hier nur hoffen, dass die Hernandez ihre Lektion gelernt und sich auf ewig verabschiedet hatten. Zu eben dem Zweck, den Victor gleich nochmal betonte: Dem Glücklich-Werden, dass sie schon so lange anstrebten. Das Glück, das jetzt quasi in Reichweite lag und nach dem sie endlich greifen wollten.
Hallohohooo, ich lebe noch… Arbeit und Leben allgemein war bisschen sehr viel in letzter Zeit, aber hab jetzt ein langes Wochenende wegen dem Tattoo und dachte ich versuch’ jetzt nach einem themenmäßig passenden Film zumindest mal aus meinem gegenwärtigen KreaTief rauszukriechen - gebe allerdings keine Garantie für hochwertigen Lesestoff hier, fühl mich grade als hätt ich drei Jahre am Stück gar nix geschrieben, lel. x’D Womit machen wir nach der Szene eigentlich weiter, hattest du rEiN ZuFäLLiG schon was im Sinn? _________________
Es war nicht so, als hätte ich eine klare Ansage von Ryatt erwartet, was die Situation und die entsprechende Prognose anging. Sicher wäre auch das wieder etwas zu schön gewesen, um wahr zu sein. Ich sollte mich wohl darüber freuen, dass er überhaupt so weit gegangen war, zu sagen, dass er erneute Attacken der Hernandez für relativ unwahrscheinlich hielt. Bekanntlich war mir leider alles außer absolut sicher nicht sicher genug, nicht wenn es um Faye ging. Auch nicht für Aryana und Mitch, die möglicherweise ein leichteres Ziel als gewöhnlich waren, so als psychische Wracks… ich würde mir am liebsten die schändliche Haut vom Gesicht ziehen. “Das ist wohl die beste Prognose, auf die wir hoffen konnten…”, murmelte ich angestrengt und schüttelte kurz darauf für mich selbst ein klein wenig den Kopf. Es wurde nicht besser, je länger wir darüber sprachen und Faye würde ohnehin etwas Zeit brauchen, um für sich selbst zu eruieren, was sie von meinem Geständnis nun letztendlich tatsächlich denken sollte. Ich würde das Gespräch am liebsten schlagartig auf ein ganz anderes Thema verschieben, aber die Verdrängungstaktik funktionierte nur kurzfristig und war nicht zielführend. Deshalb suchte ich einen Moment lang schweigend nach irgendeinem positiven Funken, den ich dieser Sache beizutragen hatte. Irgendetwas, das sich in den letzten Tagen zum Guten gewendet hatte und im Gegensatz zu den Hernandez nicht nur für Kopfzerbrechen und Angst sorgte. “Wenn wir schon bei Ryatt sind…”, setzte ich an und räusperte mich dann erstmal leise, weil auch bei dieser Angelegenheit ein dicker Frosch auf meiner Kehle zu sitzen vermochte. Es war mir nicht weniger unangenehm als das vorherige Geständnis, aber wahrscheinlich genauso notwendig. “...über die hirnrissige Eifersucht bin ich weg, glaube ich.”, legte ich das nächste Geständnis ab. Ich zuckte kaum sichtbar mit den Schultern und suchte im Anschluss zögerlich nach Fayes Blick. Die zierliche Brünette hatte mich immer klar priorisiert und trotzdem war die Eifersucht da gewesen, weiß der Himmel wieso. Es hatte ja nur die nächste Beinahe-Katastrophe gebraucht, die mich an den Schultern packte und wachrüttelte, um aus diesem bescheuerten Film rauszukommen. Ich war zwar trotzdem froh darüber, jetzt erstmal eine lange Auszeit von Ryatts Präsenz genießen zu können, war mir im gleichen Atemzug aber auch sicher damit, dass ich ihn nicht mehr in meinen Träumen zusammen mit den Hernandez von einer Klippe schubsen wollte. Das war ein- oder zweimal durchaus vorgekommen, worauf ich ganz und gar nicht stolz war, weil er wirklich nicht in denselben Topf wie die Teufelsbrut gehörte. "Ich hab' zwar meine Zweifel daran, dass wir sowas wie gute Freunde werden, aber er trägt an diesen Gefühlen meinerseits weniger Schuld, als ich mir stur eingeredet habe. Das war halt nur am einfachsten.", fügte ich noch ein paar weitere Worte mit einem Seufzen an. Eigentlich war der Kerl einfach nur ein verdammter Pechvogel, der ständig zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein schien. Erst bei den Hernandez, dann bei Faye. Dass er meiner Freundin überhaupt erst so nahe gekommen war, ging mitunter außerdem auch auf meine eigene Kappe, was ich mir nur ungerne eingestand. Von jetzt an würde ich meiner besseren Hälfte nicht mehr von der Seite weichen und auch dafür sorgen, dass das mit uns beiden endlich mal so richtig funktionierte... angefangen mit der Aufarbeitung meiner offensichtlich vorhandenen, eigenen Defizite auf mehr als einer Ebene. Egal wie oft mein Therapeut mir vermittelte, dass das ein langer Prozess war und ich mir nicht immer erhoffen sollte, irgendwelche Risse in meinem Schädel mit Sekundenkleber zusammenkleben zu können, wurde es auch mit der Zeit nie wirklich einfacher. Es fühlte sich schon wieder so an, als würde ich von einem Selbstheilungsprozess in den nächsten stolpern und es nervte zunehmend.
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Jaaaa das fühlt sich ungefähr nach einer gleich langen Schreibpause an hier, darum sorry wenns vong Vibe her nicht zu den letzten Posts passt und qualitativ ebenfalls shitty ist. x'D ______________
Da musste sie ihm leider zustimmen, auch wenn sie es schwer bevorzugen würde, wenn sie bessere Neuigkeiten diesbezüglich hätte. Wenn Ryatt ihr mit absoluter Gewissheit hätte versichern können, dass sie nie wieder was von der mexikanischen Pest hören würden. Faye nickte sehr langsam, während ihre Augen durch den Raum streiften und abwesend ihr neues Leben betrachteten. "Ja. Das Maximum, solange sie noch atmen, fürchte ich...", murmelte sie nüchtern, was sie beide schon wussten. Weil sie es vorhin auch schon gesagt hatte. Weil sie sich längst einig waren, dass die Welt die vier Geschwister nicht nötig hatte. Aber letztendlich brachte es auch nichts, weiter über deren Ableben zu philosophieren. Sie hatten sich mehr oder weniger bewusst dafür entschieden, sie nicht umzubringen. Sonst wäre Faye nicht mit Ryatt aus der Lagerhalle geflüchtet und Victor wäre nicht frühzeitig nach LA abgereist. "Aber wir sollten uns jetzt nicht weiter über sie unterhalten. Ich bin die Gedanken wirklich leid und wir sind beide nicht hierher gekommen, um dann mit dem Kopf weiter in der Vergangenheit zu hängen. Sie leben jetzt halt - wahrscheinlich - noch und wir müssen darauf vertrauen, dass Aryana und Mitch sich selbst soweit nötig zu schützen vermögen", versuchte sie einen bewussten Schlussstrich zu ziehen, um hier die Stimmung nicht komplett in Trübsal zu stürzen. Es liess sich nicht vermeiden, dass sie immer mal wieder daran zurückdenken würden, aber sie mussten es nicht übertreiben und sich immer auch bewusst bleiben, was die Gedanken mit ihnen machten. Und dass sie sich nicht zahllose weitere Tage davon vermiesen liessen. Scheinbar hatte ihr Freund aber noch ein anderes Thema auf dem Herzen, das er gleich darauf anschnitt. Sie brauchte auch nicht lange zu raten, was es war, das ihm eher unangenehm zu sein schien - er nannte das Kind im ersten Satz schon beim Namen. Kind war vielleicht das falsche Wort für Ryatt, aber das war irrelevant. Faye hatte ihren Blick schon zurück auf Victors Gesicht gelenkt, kaum hatte dieser die ersten Worte ausgesprochen. Ihr rechter Mundwinkel zuckte kurz, weil das doch gute Neuigkeiten waren. Nicht weil sie seine Empfindungen belächeln wollte, mit der Eifersucht hatte sie ja selbst ihre Erfahrungen gemacht. Es schien jedoch eine Tatsache zu sein, dass sie beide nur dann darunter litten, wenn die Lebensumstände sie mal wieder erdrückten und belastender waren, als ein normaler Mensch sie ohne emotionalen Tribut ertragen konnte. "Das freut mich für dich... für uns beide, eigentlich.", kommentierte sie zuerst nur, bevor sie sich etwas streckte, um ihm einen zarten Kuss auf die Wange zu hauchen. Weil der letzte schon wieder zu lange her war und weil sie stolz auf ihn war, dass er das hinter sich lassen konnte. Tatsächlich hatte sie zu diesem Thema jedoch noch mehr zu sagen, weil es hier bekanntlich Dinge gab, die sie nie abschliessend besprochen hatten. "Ich denke auch nicht, dass ihr gute Freunde werden müsst. Er ist sowieso in Seattle und wenn er da erstmal weg ist, wird er kaum ebenfalls nach LA ziehen.... Die Chancen, dass du ihn überhaupt je wieder siehst, sind also nicht besonders gross", begann sie, gefolgt von einer Pause und einem anschliessenden Seufzen. "Ich habe mit Ryatt darüber gesprochen, bevor ich mich von ihm verabschiedet habe... Weil wir uns beide nicht sicher waren, ob das ein Abschied für immer wird. Ich habe gesagt, dass ich das zuerst mit dir besprechen möchte, weil ich in keinem Fall wollte, dass er am Ende in irgendeiner Weise zwischen uns steht und weil ich ihm auch nichts versprechen wollte, das ich dann bereuen würde. Ich habe meine Prioritäten... Präferenzen, würd' ich mal behaupten", während ihr Blick beim Sprechen etwas abgedriftet war, schielte sie bei dieser Bemerkung jetzt wieder zu Victor hoch. Wo diese Präferenzen und Prioritäten lagen, brauchte sie wahrscheinlich nicht zu erklären, wenn sie ihnen genaugenommen direkt ins Gesicht blickte. "Aktuell stehe ich noch im Kontakt zu ihm. Und ich mag ihn auch, ich glaube, das ist kein Geheimnis... Aber die Distanz steht uns sowieso im Weg, weshalb ich realistisch betrachtet nicht glaube, dass die Freundschaft nochmal so intensiv werden wird, wie sie es mal gewesen ist...", auch abgesehen von dem unnötigen Kuss, den sie in ihrer Einsamkeit gebraucht zu haben schienen.
Ich mach jetzt mal ‘nen größeren ZS, weil bis zum Escape ja sowieso noch einiges an Zeit vergehen sollte und Victor seine sterbende Verwandtschaft auch nicht schon morgen besuchen muss. Und ja, auch Ryatt hat nochmal neue Bilder gekriegt, auch wenn ichs mir bei ihm möglicherweise so gut wie hätte sparen können… mein Monk lässt keine sich in der Form unterscheidenden Banner zu, ich kann mir nicht helfen. XD ______
Letztendlich hatte ich nach dem Abschied von Faye, der etwa drei Monate zurücklag, wahrscheinlich kaum mehr als drei oder vier Stunden geschlafen, wobei die Hälfte davon eher unter unruhiges Dösen fiel. Die Verabschiedung mochte im Guten vonstatten gegangen sein, aber das hatte es nicht weniger schmerzhaft oder das Gedankenkarussell weniger turbulent gemacht. Ich hatte mich noch früher als geplant aus den Laken gerollt, weil ich ohnehin nicht wieder hatte einschlafen können. Als ich das Zimmer später verließ, hielt ich auf dem Flur nochmal inne und ich hätte lügen müssen, um zu sagen, dass ich Faye nicht gerne nochmal aus dem Schlaf gerissen hätte. Ganz gleich wie egoistisch und sinnlos das war, brauchte es mich viel Überwindung, mit meinem Kram stattdessen den Flur runter und zum Frühstück zu gehen. Appetit war keiner vorhanden und so stocherte ich am Ende mehr im Müsli herum, als es zu essen. Ich schindete unbewusst nur Zeit damit, obwohl ich wusste, dass Faye erst später aufstehen und dem Essbereich des Hotels nicht beiwohnen würde, bevor ich los musste. Mein Fokus für Easterlins Geschäfte ließ noch stark zu wünschen übrig, als ich das Gebäude verließ und daraufhin mittels Taxi den ersten Checkpoint meiner Liste ansteuerte. Mein Ausflug nach Portland sollte dennoch Früchte tragen. Nicht sofort, weil der Kauf des auserwählten Grundstücks hinsichtlich diverser Genehmigungen auf militärischer Ebene noch eine ganze Weile in der Luft hing, aber sobald Easterlin alles hatte, was er dafür brauchte, gehörte ihm ein Strandabschnitt nahe der Staatsgrenze zwischen Oregon und Washington. Der Bau für diese Außenstelle seines Imperiums hatte mittlerweile begonnen, die Grundstücksgrenzen wurden dicht gemacht. Die Pluspunkte, die ich mit dieser Errungenschaft bei ihm gesammelt hatte, halfen mir aber trotzdem nicht dabei, mich wieder am Leben zu erfreuen. Ganz gleich wie wichtig sein Vertrauen in meine Person war, um Aryana und Mitch bestenfalls irgendwann aus seinem Würgegriff zu befreien, vermisste ich Faye. Es dauerte lange, bis ich nicht mehr ständig daran dachte, dass ich sie vielleicht nie wiedersehen würde. Dass Aryana und Mitch sich – verständlicherweise – sehr schwer damit taten, mich auch nur ansatzweise neutral anzusehen und mich nicht quer durch die Kantine mit Blicken zu ermorden, machte die Situation nicht erträglicher. Es ging ihnen nicht gut, das konnte selbst ich deutlich sehen. Ihre Leistung im Training und auf Einsätzen fiel zwar nicht massiv ab, aber das schrieb ich der Tatsache zu, dass sie die Sache mit dem einfach weiter funktionieren schon seit ewig perfektioniert hatten und das sehr lange durchziehen konnten, bevor etwas – oder eher Jemand – zu Bruch gingen. Mitch hatte auswärts schon einmal versagt und ich wollte nicht erleben, dass das einem der beiden noch einmal passierte. Wollte vor allem nicht auch noch Schuld daran sein, wenn Easterlin endgültig die Geduld mit ihnen verlor. Die Schuldgefühle zerfraßen mich, aber bisher hatte jede meiner Ideen hinsichtlich ihrer Entlassung entweder eine unumgängliche Sackgasse oder viel zu riskante Haken, als dass die Umsetzung auch nur zu versuchen ansatzweise sinnvoll wäre. Vor allem um die Weihnachtszeit herum hingen meine Gedanken ständig bei Faye fest, obwohl ich mit dem Besuch bei meiner Familie vermeintlich gut abgelenkt hätte sein sollen. Der erste Abend im Hause meiner Eltern war extrem aufwühlend. Sie fragten nicht nach, was denn alles in der Zwischenzeit passiert war, aber das Gefühl ihrer unterschwellig fragenden Blicke erschlug mich so sehr, dass es immerhin eine sehr oberflächliche Kurzfassung von mir über die vergangene Zeit in Seattle für sie gab. Die geschockten, wenn auch bemüht verhaltenen Reaktionen darauf machten das alles nicht erträglicher, aber damit war die Vergangenheit zumindest abgehakt und wir konnten neu starten. Sie würden mich wohl nicht einmal dann aus ihrem Leben verbannen, wenn ich dauerhaft vor der Polizei flüchten und sie damit zu Beihelfern und Mitwissern machen würde. Ich wusste nicht, womit ich das verdient hatte, aber ich würde von jetzt an versuchen, das auch wirklich zu würdigen und die noch holprige Beziehung zu meinen Eltern richtig zu kitten. Als meine Mutter danach fragte, ob sie Faye irgendwann vielleicht mal kennenlernen würde – weil sie ihr danken wollte, nahm ich an – betrank ich mich als verspätete Resonanz darauf am nächsten Abend bei vollem Haus mit ein paar Cousins, deren eintönige Erzählungen mich eigentlich überhaupt nicht interessieren. Die waren trotzdem besser, als an Faye und unsere verrückte weihnachtliche Clubnacht oder das Kekse backen zu denken. Auch das Snowboarden, das ich in den Tagen danach in die Tat umsetzte, half dabei den Kopf freizukriegen. Jedenfalls so lange, bis ich Faye ein Foto von der Piste schickte, damit sie sich im besten Fall so wenig Gedanken oder gar Sorgen um mich machte, wie nur möglich war. Wieder in Seattle angekommen empfing mich der gleiche Alltag, den ich zurückgelassen hatte. Ich verließ Easterlins Stützpunkt seit Fayes Entführung nur selten, obwohl meine mentale Gesundheit nur zusätzlich darunter litt, jeden Tag die fast identischen Wege zurückzulegen. Aryana und Mitch war bis dato zwar nichts passiert und es schien wirklich so, als hätten die Hernandez stillschweigend die weiße Flagge gehisst… aber das hatte ich schon mal gedacht und mich damit geirrt. Ich konnte den beiden nicht mehr aus Easterlins Armee helfen, wenn ich gekidnappt und zu Tode gefoltert wurde. Das wollte ich nicht riskieren, den beiden und Faye zuliebe, also hatte ich auch zu Dylan überwiegend lediglich übers Handy Kontakt. Nur zwei Mal hatte ich ihn in den letzten Monaten in der Bar besucht und beide Male war ich nicht alleine hingefahren, sondern hatte mindestens einen Kollegen mitgenommen, um nirgends auch nur einen Schritt alleine im Dunkeln auf der Straße zu machen. Selbst meine Einkäufe, die dank dem Entfall von Lebensmittelkäufen nur hin und wieder mal notwendig waren, versuchte ich immer mit denen anderer Kameraden zu verbinden – einer der Vorteile davon, auf dem Stützpunkt zu wohnen war, dass Irgendwer eigentlich immer Irgendwas brauchte. Ich hatte Faye versprochen, dass ich auf mich aufpassen würde und obwohl ich nie das Gefühl hatte, tatsächlich beobachtet oder verfolgt zu werden, wenn ich denn mal außerhalb der Mauern des Stützpunkts war, hielt ich mich strikt an dieses Versprechen. Schließlich galt es noch das letzte bisschen Verstand des geschädigten Paares zu retten… wie auch immer ich das letztendlich anstellen würde. Die Frage danach raubte mir nicht selten den ohnehin schlechten, von Alpträumen gespickten Schlaf. Oder den vermeintlich entspannenden Feierabend. Ich dachte oft während der meist entspannteren Arbeitszeit am Nachmittag schon darüber nach und schleppte die kreisenden Gedanken übers offene Feld bis in mein Zimmer. Heute wars besonders schlimm. Ich hatte das Gefühl, mir würde trotz des Kaffees, der meinen Blutfluss vermeintlich optimierte, gleich der Schädel platzen, während ich am Fenster stand und von meinem Zimmer aus das nur mehr spärliche Treiben draußen auf dem Platz völlig oberflächlich studierte, während mein Kopf ganz anderes verfolgte. Doch je verbissener ich drüber nachdachte, desto mehr verrannte ich mich meistens in den immergleichen ausweglosen Szenarien. Ich stellte also letztendlich mit einem schweren Seufzen die Tasse beiseite und wandte mich vom Fenster ab. In Hausschuhen ging ich zur Garderobe nahe der Tür und wollte gerade nach meinen Sneakern greifen, als es an der Tür klopfte. Ich hielt in der Bewegung inne und verengte die Augen, weil ich meines Wissens nach keinen Besuch erwartete. Zögerlich wendete ich mich der Zimmertür zu, statt mir Schuhe anzuziehen und öffnete sie, nur um geradewegs in Aryanas Gesicht zu blicken. Mir schossen die Augenbrauen nach oben. "Was... führt dich her?", fragte ich irritiert mit unguter Vorahnung nach, ohne sie wirklich ins Zimmer zu bitten.
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Ja bestens, hab ich mir auch so gedacht. Und das Problem fühl ich leider, weil ich da noch den Banner von Riley im Anmeldethread habe und der passt überhaupt nicht zu den anderen, aber für sie muss ich definitiv keinen Neuen mehr machen und das ist jetzt sehr blööödddd. ;_; Ryatt kommt sicher irgendwann wieder, da mach ich mir nicht so Sorgen. x'D __________________
Tja, was gabs zu berichten zu den letzten drei Monaten..? Den Wochen und Tagen, die alle irgendwie miteinander verschwommen waren, seit Faye sich auf den Weg in den Süden gemacht hatte... und schliesslich - drei Kreuze an dieser Stelle - sicher bei Victor angekommen war. Dieser Gedanke war schön, beruhigend, erfüllte sie für ein paar Sekunden mit einem friedlichen Glücksgefühl, das sie sonst aktuell in keiner Situation je spürte. Sie hatte aufgehört, sich wirklich zusammenzureissen, nachdem Faye abgereist war. Für Mitch musste sie das nicht tun. Nicht nur, weil er - wie Faye - sowieso merken würde, dass sie etwas verbarg, sondern auch, weil er - im Gegensatz zu Faye - sehr genau wusste, was das war. Er teilte die Dunkelheit. Die völlige Schwärze. Die Alpträume. Die schlechte Laune. Das elende, plagende Gewissen, das sie von innen heraus zerfras. Dabei hatten die es doch verdient. Dabei hatten sie nur Vergeltung ausgeübt für etwas, das nie hätte passieren dürfen. Dabei hatten sie das nur getan, weil diese Pest keine andere Version dieser Nachricht verstanden hätte. Aber das änderte eben nichts daran, dass es Aryana und Mitch waren, die sich jetzt beschissen fühlten. Die in ein weiteres Loch gepurzelt waren, das zu tief war, um von hier unten den Himmel noch zu sehen. Es war nicht das erste Mal, aber das erste Mal auf diese Weise. Für Aryana zumindest. Mit Depressionen kannte sie sich aus, was mit all den Verlusten ihrer familiären Vergangenheit eher keine Überraschung sein sollte. Aber das hier war keine Depression. Es fühlte sich eher so an, als hätte sie in dieser gottverdammten Lagerhalle den Sinn verloren. Faye war in Sicherheit - dem grössten Mass an Sicherheit, das Aryana je für sie schaffen könnte. Mit Victor, der sie halten konnte und vor allem halten würde, egal was kam. Mitch irrte im gleichen Sumpf wie sie. Sie konnte ihn nicht rausführen, nicht rausziehen, sie konnte ihm nicht gut zureden, dass alles wieder gut werden würde, wenn sie daneben vor sich hin seuchte ohne Aussicht auf Besserung. Wenn Faye sie nicht mehr dringend brauchte und sie Mitch nicht helfen konnte, was war dann ihre Aufgabe? Warum tat sie sich dieses Elend dann noch an? Warum kreuzte sie weiterhin bei Easterlin auf, um diesem gottverdammten Milliardär weitere Münzen in den fetten Geldbeutel zu spülen, indem sie andere Menschen umbrachte, das fragile Gleichgewicht dieser Welt riskierte, um irgendwelche dämlichen Aufträge auszuführen, die sie mit keinem Millimeter ihres Körpers oder ihrer Seele wirklich zu Ende bringen wollte? An dieser Stelle wohl überflüssig zu erwähnen, dass sie mit ihrem Fluchtplan zurück auf Feld Null standen... falls sie je darüber hinaus gekommen waren. Es war rundum beschissen. So beschissen, dass es diesmal Mitch war, der sie daran erinnern musste, dass es Gründe für das Alkoholverbot zuhause gab. Dass jetzt ein verdammt schlechter Zeitpunkt dafür war, dieses aufzuheben. Half nur nichts. Am Ende sass sie doch mit der Flasche und dem Glas auf der Couch. Mehrmals. Weil sie ihren verdammten Kopf nicht mehr tragen konnte. All die schrecklichen Dinge, die sie in den letzten Jahren getan hatten, schienen mit dieser schicksalhaften Gräuelnacht zurück in ihr Gedächtnis gestürmt zu sein. Vermeintlich längst Vergessenes raubte ihr nachts den Schlaf. Und am Ende war das Einzige, was sie wirklich nie bereute, Warrens Tod. Er jagte sie nie, obwohl er auch hässlich gewesen war. Dafür gefühlt jeder feindliche Soldat, den sie je bewusst durchlöchert hatte. Jeder gefallene Freund. Jeder Stich in Mateos Körper. Jeder gebrochene Knochen. Jedes Stück verkohlte Haut. Sie hatte überhaupt nicht zugehört, als er gebettelt hatte. Genau wie er ignoriert hatte, was Victor damals gesagt hatte. Genau wie Gil das Flehen ihrer Schwester ignoriert hatte. Genau wie die Soldaten in den Hügeln die abflachende Atmung ignoriert hatten. Im Grunde war sie genauso wie die alle. Und dann war da noch der andere Teil ihrer kreisenden Gedanken. Sie hatten Gil und Mateo in der Halle zurückgelassen und waren abgehauen. Sie hatten Ryatt gesagt, dass er Riley anrufen sollte. Und das wars gewesen. Sie hatten nie wieder etwas von ihnen gehört, nie wieder einen von denen gesehen. Da war kein Abschluss gewesen. Sie wussten nicht, ob Gil und Mateo noch lebten. Sie wussten nicht, wie Riley darauf reagiert hatte. Sie wussten auch nicht, wie Sean darauf reagiert hatte. Sie wussten nicht, inwiefern sich Mateo und Gil erholt hatten. Sie wussten nicht, ob diese Pest noch immer nach Vergeltung lechzte. Und das raubte ihr fast genauso den Schlaf wie das furchtbare Gewissen. Sie brauchte irgendeinen Abschluss, einen Schlussstrich, die Gewissheit, dass sie nie wieder einem von denen begegnen würden und Ryatt auch nicht und Faye und Victor sowieso nicht. Und in ihrem Wahn war sie sich mittlerweile sicher, dass sie diese Gedanken nur dann zur Ruhe legen könnte, wenn sie sich diesen Schlussstrich selber holte. Entweder würden sie Aryana davon überzeugen, dass sie wirklich für immer verschwanden, oder - und das war realistisch betrachtet wahrscheinlicher - sie würde der Sache ein Ende bereiten, welches keine Fragen mehr offen liess. Sie hatte nicht mit Mitch darüber gesprochen. Oder gar mit Faye. Oder mit irgendwem sonst. Es war auch nicht so, als hätte sie tatsächlich schon einen handfesten Plan. Aber es wäre sowieso jeder dagegen... Wahrscheinlich. Bei Mitch war sie sich am wenigsten sicher, aber sie wollte ihn auch gar nicht mit reinziehen. Was wohl auch der Grund war, warum sie genau heute bei Ryatt antanzte, wo Mitch noch eine Stunde länger mit Sniper-Scheisse beschäftigt war. Eigentlich war das hier eher ein spontaner Entscheid gewesen, aber die Tagesplanung passte ihr bestens in den Kram. Sie hatte sich ein bisschen durchfragen müssen, um zu Ryatts Wohnung/Zimmer zu finden, aber letztendlich stand sie vor seiner Tür und klopfte an. Bereit, jeglichen schönen Feierabend, den er sich möglicherweise gerade machte, erfolgreich in Schutt und Asche zu legen - sollte er es denn nötig machen. Seine Frage, nachdem er die Tür geöffnet und damit ihre Befürchtung, er könnte gerade woanders sein, nichtig gemacht hatte, war verständlich. Es war nicht unbedingt ihre bevorzugte Feierabendaktivität, ihn zu besuchen. Aber er würde schon schnell genug wissen, was sie wollte, sie nahm in solchen Fällen selten ein Blatt vor den Mund. Stattdessen schob sie sich geschickt an ihm vorbei nach drinnen und schob die Tür hinter sich wieder zu. Aryana war nicht die Art von Frau, die eine Einladung brauchte, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. "Ich brauche etwas von dir und dachte, dass ich dich am besten direkt danach frage, statt unnötige Nachrichten zu verschicken", folgte eine knappe Einleitung, die aussagekräftig genug war, um zumindest die Motivation für ihr Herkommen zu klären. Der genaue Grund folgte mit ebenso wenig zeitlicher Verzögerung, denn was anderes als genau das, hatte sie mit Ryatt hier und heute nicht zu besprechen. Es interessierte sie aus diversen Gründen nicht weiter, wie es ihm ging und ihr Wohlbefinden stiess bei ihm wohl auf ebensowenig Interesse. Die seit Wochen permanent dunkler werdenden Schatten unter ihren Augen dürften ausserdem schon Auskunft genug geben. "Hast du mir eine Handynummer von Riley oder ihren Brüdern?", folgte das direkte Anliegen, das sie ohne mit der Wimper zu zucken rausrückte. Sie hoffte nur, dass aus ihrem Tonfall klar genug hervorging, dass er gar nicht erst danach fragen sollte, wozu sie die Nummer denn wollte.
Ihre Blütezeit ist schon verstrichen, jep... echt ungünstig für uns Monks. x.x Mal sehen, was seine Zukunft hier abgesehen des Escapes noch so bringt, lel. x'D _________
Aber natürlich, komm doch rein, möchtest du was trinken? Eine freundliche Begrüßung wie diese würde in diesem Leben wohl niemals zwischen Aryana und mir zustande kommen. Obwohl ich das eisige Klima zwischen uns längst gewohnt war und ich mir auch nicht sowas wie ein freundschaftliches Miteinander erhoffte, war es doch ziemlich dreist, wie die Brünette sich einfach Zugang zu meinen schlichten vier Wänden verschaffte. Nur, um mir im direkten Anschluss, kaum war die Tür ins Schloss gefallen, eine Forderung vor die Füße zu knallen. Normalerweise war mir der direkte Weg der Kommunikation tatsächlich lieber, als erst unnötige Nachrichten hin und her zu schicken, aber in diesem Fall wäre mir eine Vorwarnung gelegen gekommen. Ich blickte gerade noch mit einem etwas tieferen Atemzug auf die Tür, die ich lieber hätte offen stehen lassen, um hässliche Konfrontation der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – was offensichtlich nicht in Aryanas Sinn stand – als sie auch schon eine konkrete Frage an mich richtete, deren Antwort sie bereits kannte oder mindestens erahnte. Ich schluckte und sah das erste Mal, seit sie ungefragt den nur mehr oder weniger in verschiedene Bereiche unterteilten Raum betreten hatte, wieder in ihre Augen. In ihren gewohnt kalten Blick, der trotzdem leerer wirkte als sonst. Ich hatte ihr lange nicht mehr direkt gegenüber gesessen oder gestanden, aber von nahem sah die junge Frau noch eine gute Spur kaputter aus, als über etliche Tische hinweg am anderen Ende der Kantine. Natürlich hatte ich die Nummern der mexikanischen Brut noch. Nur für den Fall, dass sie die nicht wechselten und mich nochmal zu kontaktieren versuchten – damit ich vorgewarnt war, bevor ich den grünen Hörer drückte. Aber eigentlich musste Aryana doch klar sein, dass ich ihr die nicht guten Gewissens geben konnte, oder? “Theoretisch, ja.”, war meine erste, recht trockene Antwort. Ich musterte ihren Gesichtsausdruck noch einen kleinen Moment, bevor ich weitersprach. “Aber Faye würde nicht wollen, dass ich sie dir gebe.”, vor allem nicht in diesem Zustand. Ich konnte mir schon denken, weshalb sie die Hernandez kontaktieren wollte und ich verstand sie. Es war ein schrecklich folterndes Gefühl, nicht zu wissen, ob nicht doch noch irgendwo der nächste Racheakt lauerte. Das änderte nur nichts daran, dass ich Aryana nicht schon wieder mutwillig der nächsten Gefahr aussetzen würde. Erst recht nicht, solange kein akuter Grund bestand, der das auch nur ansatzweise rechtfertigte oder notwendig machte. “Und ganz unabhängig davon halte ich das genauso wenig für eine gute Idee.”, untermauerte ich meinen Standpunkt mit fester Stimme und klang nicht so, als würde ich mich zeitnah umstimmen lassen wollen. Ich bemühte mich trotz meiner eigenen, mäßig guten Laune um einen neutralen Gesichtsausdruck. Man stach nicht mit einem Stock in ein Hornissennest, von dem man sich nicht sicher war, obs noch bewohnt war. Wir hatten leider keine ansatzweise ungefährlich Möglichkeit dazu, besagtes Nest erst ein paar Tage vorab zu beobachten und es war viel zu riskant, einfach mal so den Kontakt zu suchen. Vielleicht nachzufragen, ob die Message denn angekommen war. Oder schlimmeres, was ich sowohl Aryana, als auch Mitch zutraute. Ich konnte der Brünetten nicht einfach die Nummer geben und ihr viel Glück bei was auch immer wünschen – das würde ich mir nie verzeihen und Faye würde es auch nicht.
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Vielleicht nehm ich ihren Steckbrief einfach ganz aus dem Anmeldethread, wir haben ja noch das Dokument mit den Notizen und ich kann ihn auch da reinmachen... weil halt nicht weiter relevant hier. x'D __________________
Er schien schon schwer zu ahnen, dass sie keine gute Neuigkeiten brachte, bevor sie überhaupt den Mund aufmachte. Vielleicht lag das daran, dass sie noch nie eine normale Konversation geführt hatten, die nicht irgendwie mit viel bis sehr viel Ärger verbunden gewesen war. Oder weil er sich schon denken konnte, das sie irgendwas von ihm wollte - und wenn sie ihn um etwas bitten musste, das sie sich anders nicht beschaffen konnte, war das selten eine gute Sache. Sie waren leider leider noch immer keine Freunde und Aryana tat sich schon bei Leuten, die sie kannte und mochte, schwer genug, um Hilfe zu bitten. Somit lag er schon richtig mit der Vermutung, dass sie mehr von ihm brauchte als nur einen guten Rat. Wobei das relativ war. Eigentlich war es für ihn ja keine grosse Sache, die sie von ihm wollte. Trotzdem schien er keine Absichten zu hegen, ihr den Gefallen zu tun und mit der Nummer rauszurücken. Im Grunde war ihr das klar gewesen, als sie sich auf den Weg gemacht hatte. Natürlich gab er ihr keine Kontaktangaben von den Hernandez. Er war ja nicht komplett dem Wahnsinn verfallen... nicht wie sie. Aber sie hatte gehofft, dass er es doch tun würde. Jedenfalls ein Teil von ihr hatte das gehofft. Ein anderer Teil hatte das Gegenteil gewollt. Aber erleichtert fühlte sie sich in diesem Moment keineswegs. Nur genervt, weil er sie hier gerade bemutterte. "Richtig. Darum frag' ich ja dich und nicht Faye", war ihre stumpfe Antwort auf seine Aussage betreffend ihrer Schwester. Begleitet von einem gepflegten Augenrollen, natürlich. Faye war nicht hier, sondern in LA. Faye war in Sicherheit. Und Faye hatte nicht mehr viel mit dem zu tun, was hier noch passierte. Vielleicht war sie der Auslöser dafür gewesen, dass Ryatt überhaupt erst Aryanas Weg gekreuzt hatte, dass die Hernandez für sie relevant geworden waren. Aber ihr Auftritt in diesem Konstrukt war vorbei. Und darum war es Aryana gerade akut egal, ob Faye wollte, dass Ryatt ihr die Nummer gab oder nicht. Viel mehr reizte er sie mit dieser Aussage noch zusätzlich, weil er es sagte, als wüsste sie das nicht. Als würde er ihre Schwester besser kennen. Als wäre er hier Fayes zurückgebliebene Vertretung. Die scheinbar, wie er nun offenbarte, auch die gleiche Meinung vertrat. Nicht sehr schockierend... aber nervig. Auch die Art, wie er es sagte. Wie er es besser zu wissen glaubte. "...und darum habe ich zugleich auch nur nach einer Nummer und nicht nach deiner Meinung gefragt.", liess sie ihn wissen, dass ihr auch das eigentlich sehr egal war. "Ich bin alt genug, um Entscheidungen ohne deine guten Ratschläge zu treffen, Ryatt. Ausserdem ist es ziemlich dreist von dir, mir ihre Nummer nicht zu geben, nachdem du doch so gerne wolltest, dass Mitch und ich uns um sie kümmern. Was wir getan haben. Was der Grund ist, warum du jetzt in relativer Sicherheit hier leben kannst. Was der Grund ist, warum ich hier stehe.", was auch der Grund war, warum ihr die Sicherungen durchbrannten. Was der Grund war, weshalb Ryatt ihr bitte einfach geben sollte, wonach sie fragte, bevor sie nur immer wütender wurde. Sie hatte nicht vor, ihm hier an die Gurgel zu gehen. Aber ihr Geduldsfaden war aktuell nicht in gutem Zustand, wie der Rest von ihr auch nicht. Beides war offensichtlich, wie sie ihn gerade anschaute. Abwartend, aber nicht wirklich bereit, zu warten. "Also bitte..?", ihr Tonfall machte deutlich, dass das das einzige Bitte bleiben würde, das er von ihr zu hören bekam. Aber hey, immerhin.
Ja stimmt eigentlich, es würde sie wohl keiner im Thread vermissen. x’D ______
Meine Augenbrauen wanderten zusammengezogen nach oben. Aryana machte es sich hier gerade schon sehr einfach. So als wüsste sie nicht, dass ich Fayes Wünsche dennoch befolgen würde – ganz gleich, wie weit weg sie in diesem Augenblick sein mochte und wie wenig ihre jüngere Schwester hoffentlich von diesem Gespräch, das mehr und mehr einen unschönen Verlauf zu nehmen schien, rückwirkend mitbekommen würde. Meine Meinung darüber änderte sich auch nicht, nur weil sie für Aryana irrelevant war. So funktionierte die Welt nicht. Ich mahlte mit dem Kiefer und schüttelte den Kopf, als sie ihr Ziel zu erreichen versuchte, indem sie mir Vorwürfe und ein schlechtes Gewissen machte. Für etwas, das ich genauso gerne vermieden hätte, wie sie auch. Für etwas, das ich absolut gar nicht gewollt hatte. Aryana hatte wirklich ein Händchen dafür, in längst noch nicht verheilten Wunden herumzustochern, aber wenn sie mich damit aus der Reserve zu locken glaubte, musste ich sie auch damit enttäuschen. Sie war bei Weitem nicht die erste Person in den vergangenen 20 Jahren, die mich auf diese Weise zu manipulieren versuchte. “Meine Meinung ändert sich aber nicht, nur weil sie dich nicht interessiert.”, stellte ich erstmal klar, wobei ich mich von ihrem genervten Tonfall anstecken ließ. Sie ging mir hier nämlich nicht weniger auf die Nerven, als es umgekehrt auch der Fall war. “Und ich wollte überhaupt gar nichts davon, es gab nur offensichtlich unter dem vorhandenen Zeitdruck keine andere Option.”, folgte der nächste Fakt. Es war nicht so, als hätten wir viel Zeit dafür gehabt, uns eine bessere, für alle Beteiligten bessere Idee auszudenken. Eine, bei der bestenfalls Niemand beinahe sterben und auch Niemand traumatisiert werden musste. Außerdem war von Aryana und Mitch genauso wenig ein Plan B vorgeschlagen worden, wie von meiner Seite. Sie hatten sich die eigenhändige Befreiung ja quasi schon in den Kopf gesetzt gehabt, als sie in mein Büro geplatzt waren. Ich war mir nicht sicher, ob ich schon jemals eine an mich ausgesprochene Bitte von Aryana gehört hatte. Todsicher hätte ich sie aber unter anderen Umständen sehr viel mehr geschätzt. “Und so dankbar ich auch dafür bin, dass ihr das durchgezogen habt, bringt mir meine Sicherheit ziemlich wenig, wenn das hier”, ich machte eine flüchtige Handgeste in Aryanas Richtung, “der Preis dafür war. Was zum Teufel denkst du, wird passieren, wenn du bei diesen Wahnsinnigen auf der Matte stehst?” Ich hielt mich damit zurück, es ihr ins Gesicht zu sagen, aber sie schien wirklich den Verstand verloren zu haben. Während ihrer Zeit bei der Army war sie sicherlich mal eine gute Strategin gewesen, aber das Trauma machte sie noch kaputter, als ich befürchtet hatte. Aryana war verzweifelt und das war wirklich kein Zustand, den ich bei ihr erkennen müssen wollte. Verzweifelte Menschen taten nämlich leichtsinnige, hoffnungslose Dinge. Ich war selbst ein hervorragendes Beispiel dafür und würde der Brünetten gewiss nicht dazu verhelfen, sich in eine ähnlich ausweglose Situation zu verrennen, nur um am Ende umgelegt zu werden. Egal ob sie das hier wirklich alleine durchziehen oder Mitch da mit reinziehen wollte – so oder so würde er mit ihr fallen, auf die eine oder andere Weise. “Ich werd’ dir nicht geben, wofür du hergekommen bist. Das ist nicht nur deine Entscheidung, wir hängen da nach wie vor alle drin.”, teilte ich ihr endgültig mit und schüttelte ein weiteres Mal den Kopf, bevor ich die Hand an die noch in Reichweite liegende Türklinke legte. Aryana war umsonst mit ihrer Forderung hergekommen und konnte getrost wieder gehen, statt gegen die Wand in meinem Schädel zu boxen. Das tat uns beiden nur unnötig mehr weh und wir trugen sicherlich beide schon genug Schmerz für einige Jahrzehnte in uns herum.
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Ich werde mich irgendwann drum kümmern... xD ________
Und wenn Faye ihn darum bitten würde, würde seine Meinung sich dann ändern? Das war ein dummer Gedanke, Faye würde ihn niemals um sowas bitten... Trotzdem dachte sie für eine Sekunde darüber nach. Was nur einmal mehr sehr deutlich zeigte, dass sie wahnsinnig wurde und verzweifelt war. Beides kannte sie grundsätzlich aus der Vergangenheit... nur nicht in diesem Ausmass. Die Verzweiflung schon, aber die Kombination mit dem Wahnsinn war neu. Und selbst ihr in diesem Zustand war sonnenklar, dass das ungesund war. Dass sie irrational handelte. Sie wusste grundsätzlich, dass sie sich nicht bei den Hernandez melden durfte. Aber alles andere hatte nicht funktioniert, um ihren Kopf zu retten. Ihr kaputtes Herz zu reparieren. Langsam verfiel sie dem Glauben, dass der Grad des angerichteten Schadens weit hinter der zu reparierenden Grenze lag. Es war auch nicht so, als würde sie Ryatt wirklich die Schuld an dem Desaster geben. Auch hier war ihr bewusst, dass die Rettungsaktion nicht wirklich sein Wunschtraum gewesen war. Sie hatte das nur gesagt, weil sie gehofft hatte, ihn damit umzustimmen. Wenn sie wirklich denken würde, alles wäre Ryatts Schuld, würde sie sich nicht so abgefuckt fühlen. Dann wäre nämlich das Gewissen nicht so penetrant. Die Schuld an allem, was sie innerlich zerfrass und mehr als drei, vier Monate her war, konnte sie sowieso nicht Ryatt geben. Und das war eine ganze Menge... wie man sah und wie sie spürte. Seine Bemerkung zu seiner Sicherheit und deren Preis liess sie müde Luft ausstossen. Es tat ein bisschen weh. Aber nicht gerade fest im Vergleich zu allem anderen Schmerz, den sie die ganze Zeit spürte. "Dieser Preis ist ja normalerweise kaum dein Problem. Und ich würde dich auch nicht weiter beelenden, wenn ich nicht müsste, weil du mir nicht gibst, was ich brauche", erwiderte sie leise, fast trotzig auf seine Worte. Als wollte sie sich nicht eingestehen, dass selbst Ryatt merkte, dass ihr Verstand sich verabschiedet hatte. Eine Eigenschaft, die ihr schon so oft den Kopf gerettet hatte. Gefährlich, wenn sie sie ablegte. Aber sie sah keine anderen Optionen mehr. "Ich kann abschliessend sicherstellen, dass niemand je wieder etwas von ihnen hört. Dass diese Tortur nicht umsonst gewesen war. Das wird passieren.", beantwortete sie seine Frage, wobei ihr Tonfall unverändert blieb. Ob er hier jetzt Mord oder irgendwas anderes rein interpretierte, wusste sie nicht. Spielte aber auch keine Rolle, da er sich sowieso schon vorher seinen Teil gedacht haben würde. Ihre Bitte musste wirklich so wahnsinnig sein, wie sie befürchtet hatte. Ryatt schien nicht das Bedürfnis zu verspüren, weiter mit ihr zu diskutieren, sondern griff direkt nach der Türklinke, um sie unverrichteter Dinge zurück auf den Flur zu verbannen. Aber damit war sie wiederum absolut nicht einverstanden. Was würde sie dann tun? Zurück nachhause gehen mit Mitch, damit sie sich weiter in der pechschwarzen Suppe suhlen konnten, aus der sie keinen Ausweg fanden?? Es gab keine andere Option mehr verdammt! Sie fanden das Licht nicht wieder, das so kurz vor diesem Totalabsturz doch gerade erst so sanft zu scheinen begonnen hatte! Sie erinnerte sich noch, obwohl die Erinnerung in der ganzen Schwärze schwammig geworden war und sie sich nicht mehr sicher war, wie viel davon wirklich passiert war. Aber sie wusste, dass das Gefühl schön gewesen war. Auf dem Trip zu Jetman und in der Zeit, die dem gefolgt war. Sie hatten sich langsam gefunden, langsam war alles ein bisschen besser geworden. Ein bisschen friedlicher, ruhiger. Und dann? Atombombe. Sie hatte keinen Bock mehr auf dieses ewig drehende Karussell, diese gottverdammte Achterbahn, die ständig tiefer crashte als sie je hochgefahren waren. Die Kombination der letzten Jahre war zu viel und das wurde ihr jetzt, wo Faye endlich ihren Frieden im Süden finden konnte, nicht mehr auf ihren Schutz und ihre Stärke angewiesen war, sehr schmerzhaft bewusst. Aryana riss seine Hand unsanft von der Türklinke weg - was nicht so schwer war, wie sie befürchtet hatte, weil er wohl nicht ganz damit gerechnet hatte - und stellte sich direkt davor, starrte Ryatt mit leerem Blick direkt an. Musterte seine Gesichtszüge. Seine Augen. Irgendwas, ohne ihn wirklich wahrzunehmen. Dafür ziemlich lange. "Cool. Ich kann sie auch ohne deine Hilfe suchen gehen. Das Risiko, dass ich dann dabei sterbe, ist halt nur ein bisschen grösser... naja und es dauert länger. Aber das ist nicht so schlimm. Ich hab immer viel Zeit zwischen den Einsätzen. Viel Zeit, um sie zu finden. Also alles nicht so schlimm.", meinte sie auf einmal sehr plötzlich und zuckte mit den Schultern. Bewegte sich zwar nicht von der Tür weg, aber schaute ihn immerhin nicht mehr wütend an. Nur unendlich ausgelaugt. Mit einem Lächeln auf den Lippen, das den Wahnsinn in ihren Worten nicht gerade dämmte, ihre müden Augen aber nie erreichte.