"Naja, nein. Die Leiter brauchts, weil das Fenster im ersten Stock ist. Es ist jetzt nicht riesig, aber ihr solltet beide eigentlich problemlos durchpassen, solange ihr keine monströsen Rucksäcke rumschleppt.", erklärte ich mit einem schwachen Schulterzucken, um meine vorherige, möglicherweise zu ungenaue Schilderung noch einmal etwas eindeutiger darzustellen. "Mach ich.", willigte ich anschließend nickend ein, noch ein paar Dinge zu notieren, die mir auch unabhängig vom Fenster noch in den Sinn kamen. Bis zu meinem Dienstschluss würden mir hoffentlich noch mehr nützliche Sachen einfallen, die das Risiko auf einen Fehlschlag minimierten. Denn wenn wir ehrlich waren, stand der ganze Plan auf ziemlich wackeligen Füßen. Weil es hier nicht um irgendeine beliebige Person, sondern um Faye ging, mussten dringend noch ein paar Sicherheiten her - bisher war allerdings fragwürdig, ob das machbar sein würde. Eine Sicherheit war aber definitiv, dass Aryana ihre sehr wohl vorhandene Privatwaffe mit aufs Spielfeld bringen würde. Das nickte ich mit einem und Blick in ihre Richtung und einem "Sehr gut." ebenso ab, weil jeder Vorteil entscheidend sein könnte. Das war sicherlich auch der Grund für die abschließende Frage der Brünetten, auf die ich folglich erstmal tief durchatmete und die Zeichnung erneut musterte. Die Linien verrieten mir nichts über die Hernandez, sondern brachten mich nochmal auf die Lage des Gebäudes zurück. "Die Straße läuft hier lang…", sagte ich und nahm den Stift erneut auf, um die Straße am Rand des Papiers an der Erdgeschoss-Zeichnung aufzumalen. "...man kann euch also seitlich von dort aus sehen, wenn ihr am Fenster seid. Eine Holzleiter wäre demnach sinnvoller als eine reflektierende Aluminiumleiter… falls möglich. Nur für den Fall, dass trotz später Uhrzeit jemand vorbeifährt." Ich raufte mir seufzend die Haare. Dunkle Kleidung und keine eingeschaltete Taschenlampe oder Ähnliches verstand sich von selbst, das erwähnte ich nicht extra. Die Mine des Kugelschreibers fand ein weiteres Mal aufs Papier. "Die Lieferantenzufahrt führt an der anderen Stirnseite vorbei hinter das Gebäude… die Laderampe und die Tür, durch die ich hoffentlich gehen werde, sind also an der Rückseite.", zeichnete ich auch den schmalen geteerten Weg ein, der an der Halle vorbei zur Rückseite führte. “Es ist auch ein Zaun mitsamt Tor drum herum, aber ich denke nicht, dass letzteres zu sein wird, solange sie selbst da sind… und falls doch, haben wir immer noch die Leiter, sollte es mit sich gegenseitig drüber helfen nicht funktionieren." Damit schloss ich dann bezüglich der örtlichen Begebenheiten ab. Möglicherweise fiel mir auch dazu bis heute Abend noch mehr ein, aber fürs erste war ich damit fertig. Was die Hernandez anging, wusste ich im Grunde gar nicht, wo ich anfangen und wo aufhören sollte. Ohnehin kam mir das Klingeln eines Telefons zuvor und ließ mich auf die Uhr an meinem Handgelenk sehen. "Ich filter' bis heute Abend raus, wo ich mit diesen Arschlöchern auf die Schnauze gefallen bin." Dabei dürfte die eine oder andere Sache rauskommen. Sich im Verlauf des Tages Gedanken darüber zu machen, war auf jeden Fall effektiver, als hier und jetzt alle möglichen Beleidigungen mit einfließen zu lassen, die die beiden sich genauso gut selbst ausdenken konnten. Ich riss das Blatt Papier mit den Zeichnungen von Erd- und Obergeschoss vom Block, um es zu falten und Aryana hinzuhalten, die mit der anderen Hand schon nach ihrem Telefon tastete und folglich Mitchells Hand losließ. Ich konnte mir denken, wer da anrief… und ganz zufällig konnte ich bestens darauf verzichten, das Gespräch mit anzuhören.
Es schien mehr und mehr eine dieser Missionen zu werden, bei denen man etwas zu viel Glück brauchte. Sowas war jetzt schon weit öfter vorgekommen, als mir lieb war und ich war inzwischen Easterlins ach so sorgfältig durchgeplanten Aufträge gewohnt - wenn ich nicht so dumm war daneben zu schießen, dann passierte dabei nur selten etwas, das man absolut gar nicht hatte kommen sehen können. Bei dieser Rettungsmission gab es zu viele Unsicherheiten, zu viele Variablen. Unter anderem auch, dass es ein Fenster aufzubrechen galt. An und für sich war das nicht schwer, nur war jedes Fenster ein bisschen anders und es wurde wahrscheinlich nicht einfacher, wenn man dabei auf einer beschissenen Leiter stehen musste. Bestenfalls endete das mit einer wackeligen Holzleiter, weil der Untergrund uneben war. Ich musste zwangsweise einen Augenblick lang daran denken, wie ich damals als Jugendlicher in ein fremdes Haus eingebrochen war. Nicht aus der Not heraus, ich schämte mich dementsprechend dafür. Nur eine von vielen Schandtaten, für die Aryana mich nicht verurteilen würde. Ich war froh, ihre Hand noch immer nicht losgelassen zu haben. Trotzdem betete ich dafür, dass Ryatt bis zum Aufbruch heute Abend noch einige brauchbare Details mehr zusammenkratzte, weil das alles bisher verflucht dürftig war. Er wirkte für seine Verhältnisse unverhältnismäßig zerstreut, obwohl er es wahrscheinlich schon lange vor uns hatte kommen sehen. Als Ursache von Fayes und auch Victors Misere wollte ich ganz schwer für ihn hoffen, dass dieser Abschaum der jüngeren Cooper nicht mehr als ein Haar krümmte, bis wir dort ankamen. Sonst hatten wir drei hier nämlich ein sehr großes Problem. Erstmal verblieb der Fokus aber auf Fayes Rettung… oder auch auf der Beichte Victor gegenüber, die erneut fällig wurde. Unser Freund in L.A. schien ebenso alarmiert wie Aryana und ich, kaum hatten wir vorhin realisiert, dass Fayes letzter Sicherheitscheck mittels Nachricht fehlte. Die Zeit drängte ohnehin, weil unsere Pause schlicht nicht ewig anhielt. “Meld' dich mit einem Treffpunkt.”, gab ich dem Veteran eine letzte Aufgabe mit, bevor Aryana und ich Kehrt machten. Vielleicht hielt er es für keine gute Idee, vorher einfach zu uns zu kommen, falls er noch beobachtet wurde oder wir wiederum unter Beobachtung standen. War leider durchaus möglich, aber das konnte der Veteran möglicherweise besser einschätzen als wir beide. Ich würde rund um unsere Wohnung dennoch die Augen offenhalten. Ryatt nickte auch das ab und wir verließen das Büro mitsamt alarmierendem Handy, inzwischen ohne verschränkte Finger. Als Aryana den Anruf entgegennehmen wollte, griff ich im Gehen jedoch nach ihrem Unterarm, um sie daran zu hindern. “Überlass mir das, ich ruf ihn draußen zurück.”, bat ich sie darum, das Telefonat an mich abzuschieben. Weil ich ihr Einverständnis aber nicht sofort bekam, sondern mit ihrem Blick konfrontiert war, ließ ich Aryanas Arm wieder los und hängte an den Aufzügen angekommen noch eine Begründung an: "Du klingst so, wie du dich fühlst." Ich sah sie bei diesen Worten so ruhig an, wie die Situation es zuließ und machte ihr damit gewiss keinen Vorwurf. Es fiel ihr selbst wahrscheinlich nicht stark auf, aber für Jemanden, der jeden Tag mit ihr zusammen war oder sie schon sehr lange kannte, war es selbst übers Telefon wahrscheinlich so gut wie unmöglich, nicht herauszuhören, wie groß ihre Angst um Faye war. Ich sorgte mich selbst ebenso um den kleinen, gefühlt auf ewig flugunfähigen Vogel, der sich ihre kleine Schwester nannte, aber ich verhielt mich hier ähnlich wie damals in Syrien: Fungierte als Aryanas Stütze und gab mich mit aller Kraft nach außen hin ruhiger, als ich es im Inneren war. Behielt so gut es ging die Ruhe, weil Ryatt das offenbar nicht konnte und Aryana verständlicherweise auch nicht wirklich fähig dazu war, noch nicht in diesem Augenblick. Victor würde so oder so mindestens einen mittelschweren Nervenzusammenbruch erleiden, aber von meinen Lippen klang es wahrscheinlich weniger so, als wäre Faye schon halbtot.
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Ach... Sie hatte irgendwie damit gerechnet, dass eine feste Aussentreppe nach oben führen würde. Immerhin war oben auch noch ein Eingang und irgendwie musste man da ja hochkommen. Nur führte die Treppe scheinbar nicht weiter als nur bis zu diesem Eingang und es bestand kein praktisches Aussengerüst um den ganzen oberen Stock. Hätte sie sich theoretisch denken können, da Ryatt sowas wohl eingezeichnet hätte - aber es währe halt trotzdem ganz praktisch gewesen. Sehr viel praktischer als eine Holzleiter. Aber dass das hier kein Wunschkonzert war, hatte sie leider schon feststellen müssen. War ja kaum zu übersehen. Sie nickte schwach auf den Hinweis, ebenso auf die weiteren Ausführungen, denen sie mit den Augen auf dem Papier und dem Stift folgte. Wahrscheinlich mussten sie nach Feierabend noch Leiter-Shoppen gehen, da ihr Keller ganz bestimmt nichts Passendes bereithielt. War halt nicht so als würden sie entsprechende Einbrüche besonders häufig durchführen und ihre Wohnung bot auch eher keinen Bedarf einer so hohen Leiter. Sie würde sich auf jeden Fall zusätzlich noch über Google Maps oder Google Earth ins Bild setzen, um diesen Zeichnungen zumindest was die äusserlichen Begebenheiten anging noch etwas mehr Realität einzuhauchen. Bevor sie sich weiter irgendwelche Geländer zusammendichtete, die gar nie existiert hatten. Ihr Briefing wurde von ihrem Handy unterbrochen, welches bekannt gab, dass Victor scheinbar erneut der dringlichen Verzweiflung nachgegeben hatte. Ein Blick aufs Display bestätigte den Verdacht und Aryana warf Ryatt einen letzten Blick zu, als er noch ein paar Worte loswurde. Ein Nicken und ein Blatt Papier später, wandte sie sich ohne weitere Verabschiedung von ihm ab, um mit Mitch die Tür anzusteuern. Das Handy klingelte noch, während sie den provisorischen Plan behelfsmässig mit einer Hand nochmal gefaltet in ihre Jackentasche schob. Kaum war die Tür hinter ihnen wieder ins Schloss gefallen, hatte Aryana aber eigentlich nicht vor, Victor noch weiter warten zu lassen... Nur schien Mitch das etwas anders zu sehen und unterbrach ihr Vorhaben mit einer Bitte, die sie ihn im ersten Moment etwas verwirrt anschauen liess. Das erst draussen zurückrufen sah sie ja noch ein, aber eigentlich sah sie sich bestens in der Lage, Victor über die Faktenlage aufzuklären. Die sah ja am Ende genauso düster aus, wenn man sie in einer anderen Tonlage erläuterte. "Also beschissen.", stellte sie trotzdem trocken und mehr für sich fest, als er den Klang ihrer Stimme mit ihrer Gemütslage verglich. Sie atmete zweimal tief durch, schloss kurz die Augen und liess damit den nächsten Anruf ist Leere laufen. "Aber komm bitte nicht auf die Idee, ihn mit irgendwas zu belügen, okay..? Momentan ist hier gar nichts unter Kontrolle...", knüpfte sie eine Bedingung an die verlagerte Aufgabenverteilung, während sie in den Aufzug stieg und ihm drinnen nochmal prüfend in die Augen blickte. Trotz vorhandenem Widerwillen überreichte sie ihm während der Fahrt nach unten ihr Handy, damit er draussen den Rückruf tätigen konnte. Seins lag ja noch immer im Spind, weil sie nach einem Blick auf ihr Display keine Zeit mehr verloren hatten, um zu Ryatt zu kommen. Sie sah schon ein, dass es sinnvoll war, wenn nicht sie sich mit Victor unterhielt. Sonst hätte sie das Telefon nicht an Mitch abgetreten. Aber es gefiel ihr trotzdem nicht, weil sie viel lieber direkt mit dem Freund ihrer Schwester geredet hätte, um ihn dazu zu drängen, sofort hierher zu fliegen und am besten gleich in ihren Notfallplan einzusteigen. Inwiefern das eine gute Idee wäre, liess sich halt hier und jetzt kaum beurteilen.
Ja, dieses eine Wort beschrieb Aryanas Gefühlslage sicherlich auch treffend. Ich nickte also mit einem Schulterzucken. Man konnte die Umstände einfach nicht schönreden und deshalb hatte ich auch nicht vor, Victor dahingehend irgendeine erfundene Geschichte aufzutischen. "Was hätte das für einen Sinn?", stellte ich der Brünetten eine rhetorische Gegenfrage, als ich das Handy entgegennahm und mich anschließend an die Wand des Aufzugs lehnte. Mich beschlich das Gefühl, dass sie mich das nur fragte, weil es nicht meine erste Lüge wäre. Weil ich sie schon öfter als einmal belogen hatte, weil ich das für die vermeintlich schonende oder bessere Option gehalten hatte. Das hatte sich rückwirkend jedoch immer als falsch herausgestellt und inzwischen war ich auch willens, aus diesen absolut dummen Fehlern zu lernen. Es war berechtigt, dass sie diesbezüglich auf Nummer sicher gehen wollte – gut anfühlen tat es sich aber trotzdem nicht, weshalb mein Blick auf der Fahrt nach unten überall, aber nicht in ihrem Gesicht klebte. Als der Aufzug Halt machte, ließ ich Aryana den Vortritt und ging erst hinter ihr raus. Vorbei an den Securitys und an der Dame am Empfang, die nochmal etwas skeptisch in unsere Richtung lächelte, bevor wir unter freiem Himmel ankamen. Weil ich nicht Ryatt war und hier draußen heute nicht viel los war, stellte ich nach dem Wählen von Victors Nummer mit einem Seitenblick in Aryanas Richtung auch den Lautsprecher ein. Er ging nach gefühlt einer halben Sekunde schon ran und ließ mit der Frage danach, wo Faye war und warum sie sich nicht meldete, die Begrüßung aus. “Sie haben sie irgendwo auf dem Weg nach Hause abgefangen, Victor…”, blieb ich mit einem tiefen Atemzug am Ende ganz bei der leider recht offensichtlichen Wahrheit. Er antwortete darauf nach ein paar Sekunden immer noch nicht, weshalb ich fortfuhr: “Wir waren gerade bei Ryatt und wir wissen, wo sie ist. Er war dort schon mal. Wir können hier leider nicht vor Ende der Schulung weg… aber sobald wir hier fertig sind, bereiten wir uns vor und dann holen wir sie da heute noch raus.” Wie sehr wir uns damit ins eigene Knie schießen würden, sei an dieser Stelle mal noch dahingestellt. So gut wie Aryana und ich wusste aber auch Victor, dass potenzielle eigene Verletzungen uns nicht davon abhalten würden, Faye aus dieser Hölle zu holen – siehe Syrien, wo wir nicht mal einen Plan von diesem verdammten Termitenhügel gehabt hatten. Meine Schulter hasste mich bis heute für diese Selbstmordaktion. Victor reihte anschließend ein paar sehr wirre, teils zerhackte Fragen aneinander, die ich so schnell gar nicht beantworten konnte, weshalb ich ein paar Mal blinzelte und ihn dann schließlich in seinem extrem unkoordinierten Redefluss unterbrach: “Hör zu: Stand jetzt ist Faye wahrscheinlich nichts weiter passiert. Ryatt hat mit Gil telefoniert und er ist noch nicht bei ihr. Das ist keine Garantie für Irgendwas, aber Ryatt hat theoretisch noch immer bis zum 4. Dezember Zeit, um Geld vorbeizubringen. Sie haben keinen Grund dafür, sich mit Irgendwas zu beeilen, weil sie den Tracker offenbar nicht gefunden haben… Musst du arbeiten?” Man konnte zwischendurch hören, wie Victor die Nase hochzog und schluckte. Deshalb versuchte ich, ihn mit einer einfach zu beantwortenden Frage dazu zu animieren, nicht ganz den Kopf zu verlieren. ’Heute und morgen… Abend… nachts. Ich denke nicht, dass ich… so kurzfristig… tauschen und zu euch kann. Personalengpass.’ Das musste er auch nicht – meiner Meinung nach. Denn nüchtern betrachtet wäre Victor, sollte er es auf Biegen und Brechen mit einem Last-Minute-Flug bis heute Abend hierher schaffen, keine Hilfe. Er stand offensichtlich schon über tausend Meilen entfernt an der Kante zum Wahnsinn. “Das musst du auch nicht. Wenn Faye nicht alleine nach L.A. fahren möchte, werden wir sie begleiten." Das hatten Aryana und ich zwar so noch nicht besprochen, aber da wir noch ein paar freie Tage nach dieser beschissenen Schulung hatten, sprach nichts dagegen. "Ich will nur von dir, dass du auf dich aufpasst bis dahin, okay?” Victors Job mochte nicht so lebensgefährlich sein wie unserer, aber er barg ebenso die eine oder andere Gefahr und erforderte seinen mentalen Fokus. Es würde für Faye nur noch schlimmer werden, wenn sie sich für einen Zwischenfall bei seinem Job auch wieder die Schuld geben könnte. ’Ich… ich versuchs.’ Das war für mich in Kombination mit seiner gebrochenen Stimme nicht überzeugend genug. “Ich glaub's echt nicht, dass ich das jetzt sage, aber… ruf’ deinen Therapeuten heute noch an. Bitte.” Tja, wenn man erstmal den richtigen Seelenklempner gefunden hatte, wurde man auch als Ungläubiger recht leicht bekehrt. Es war kein Heilmittel, aber Niemand - außer Faye - kannte Victors Traumata so gut wie sein Therapeut. Wenn jemand ihn davor bewahren konnte, jetzt wieder alle Fortschritte der letzten Monate über Bord zu schmeißen, dann war er es. Seine Freundin hätte nichts davon, wenn sie bei einem erneut völlig zerstörten Freund in Los Angeles ankam. ’Mach ich.’, blieb er auch dieses Mal bei einer sehr kurzen Antwort. "Wir lassen sie bluten.", war das einzige Versprechen, das ich ihm zu diesem Zeitpunkt geben konnte. Ich war nicht unbedingt stolz auf meinen etwas zu ausgeprägten Sinn für Rache, aber in dieser Situation schien es mir angebracht. Victor schwieg einen Moment, bis er die abschließenden Worte 'Haltet mich bitte auf dem Laufenden.' los wurde. Kaum hatte ich ihm das bestätigt, legte er aber ohne jedes weitere Wort auf. Nach einem letzten kurzen Blick aufs Display gab ich Aryana ihr Handy zurück.
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Naja was wusste sie, sie war ja auch der Meinung, dass er eben nicht lügen sollte. Hätte ja sein können, dass er Victor gewissermassen vor der Wahrheit zu schützen versuchen wollte - auch wenn eine entsprechende Mission sicher nicht sehr erfolgsversprechend aussehen würde. Victor war ja nicht bescheuert und Faye war nicht zuhause und beantwortete seine Nachrichten nicht, da gabs nicht mehr viel Spielraum, was denn genau vorgefallen sein könnte. Ihr fiel leider auch nicht auf, dass Mitch die Worte scheinbar falsch verstanden und weit mehr auf sich selbst bezogen hatte, als sie sie gemeint hatte. Entsprechend verpasste sie auch die Chance, das Missverständnis zu klären, um ihm dieses unnötige zusätzliche schlechte Gefühl zu ersparen. Es war leider unübersehbar und nicht zu lügen, dass sie gerade zu wenig Rücksicht auf andere Personen nehmen konnte, während ihre Welt mal wieder Kopf stand. Draussen angekommen, kam Mitch ohne Verzögerung seinen Worten nach und wählte Victors Nummer. Erfolgreich, wie eine schwer aufgewühlte Stimme kundtat, die sich direkt mit zwei Fragen meldete. Aryana schloss die Augen und legte eine Hand vors Gesicht, um sich mit sehr viel Druck die Stirn zu reiben, während Mitch Auskunft gab. Lieber hätte sie sich die Haut vom Gesicht gekratzt oder laut geschrien, aber das waren keine hilfreichen Optionen, so viel konnte sie gerade noch einschätzen. Mittlerweile konnte sie sogar bestätigen, dass es besser war, dass Mitch das Telefonat übernommen hatte. Sie wusste nicht, wie hilfreich ihre eigene Verzweiflung für Victors Sorgenparameter gewesen wäre. Eher gar nicht. Ihre Stimmung wurde auch nicht besser mit dem Wissen, dass Victor keine Möglichkeit sah, sich heute oder morgen hierher zu bewegen. Sie brauchten seine Hilfe für die Befreiung sicher - hoffentlich - nicht, aber wie schon vorhin festgestellt, würde sie es schwer bevorzugen, wenn er sich im Anschluss um ihre Schwester kümmern würde und nicht Ryatt. Für sein eigenes Gemüt war es sehr wahrscheinlich aber besser, wenn Victor in L.A. blieb. Weniger traumatisch, auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht nicht so schien. Sie wussten zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht, was sie erwartete. Auch wenn sie noch auf eine gesunde, praktisch unversehrte Faye hoffen konnten und sollten. Als Mitch aufgelegt hatte, schob sie das Handy nach einem stummen Blick ins Leere bedächtig zurück in ihre Hosentasche. Als das getan war, streckte sie die Finger ebenso langsam wieder nach Mitch aus. Sie griff nach seiner Hand und drückte diese nochmal etwas, während ihre Augen nach seinem Blick suchten. "Danke... war tatsächlich besser so...", meinte sie ehrlich. Zu Victor oder dem Inhalt des Gesprächs wusste sie nichts zu sagen. Ausserdem blieb ihnen auch nicht mehr wirklich Zeit für einen weiteren Austausch, die Pause dürfte nächstens um sein und sie hatten nichtmal gefrühstückt. Nicht als wäre ihr gerade schwer nach Essen zumute, aber wahrscheinlich fanden ihre Körper das im Anschluss nicht so toll. Die Schulung zog sich wie zähes Kaugummi und selbstverständlich war ihre Konzentration längst flöten gegangen. Irgendwo zwischen Aufstehen und Pause hatte die sich verabschiedet und somit trug Aryana todsicher genau null Mehrwert aus ihrer erzwungenen Anwesenheit. Ihre Gedanken kreisten selbstredend nur um Faye, was bestimmt nicht nur ihr selbst auffiel. Als der beschissene Arbeitstag sein Ende fand, stürzten sie beide sehr zielstrebig zum Auto, um zuallererst die für ihre Planung notwendige Leiter zu organisieren. Schon diese Mission war nicht so einfach, weil Holzleitern sich verdammt schlecht in einem normalen Kleinwagen transportieren liessen, da alle, die man neu kaufen konnte, nicht ausziehbar sondern fix waren. Und sie brauchten eine relativ lange, wenn sie damit in den ersten Stock einer Lagerhalle kommen wollten. Am Ende wurde es also wohl oder übel doch eine Aluminiumleiter, Weil das die einzige Option war, die für ihr Vorhaben letztendlich in Frage kam. War ja nicht so schlimm - nur ein weiterer Faktor, für den sie ein bisschen Glück benötigten. Und davon hatten sie ja bekanntlich immer sehr sehr viel... Ryatt wollte sie um 22:00 Uhr treffen, womit der zeitliche Horizont der ganzen Übung einen Start vor Ort um ungefähr 23:00 Uhr vorsah. Je früher umso grösser war das Risiko, dass sie im Industriegebiet noch auf andere Menschen trafen. Sie konnten aber auch nicht ewig bis in die Nacht hinein warten, da die Arschlöcher ja noch wach sein und auch nicht direkt Verdacht schöpfen sollten, wenn Ryatt so spät bei ihnen anklopfte. Ausserdem sah Aryana auch für Faye ein steigendes Risiko, je länger sie warteten. Es war nicht auszuschliessen, dass es da drin irgendwem plötzlich akut langweilig wurde oder ihre Schwester aus Versehen irgendwen verärgerte. Das Risiko bestand natürlich schon seit heute Morgen, aber Aryana war froh um jede Minute, die sie früher dort waren und die Gefahr schneller eindämmen konnten. Auf jeden Fall waren sie und Mitch bestmöglich vorbereitet und ausgerüstet, als sie ins Auto stiegen, um den Treffpunkt mit dem Veteran anzupeilen. Die Leiter war geladen, genau wie die Pistole, die Aryana wie versprochen bei sich trug. Sie hatten das Gebäude nochmal so ausführlich, wie das übers Internet möglich war, inspiziert und Ryatts Pläne verinnerlicht. Hatten beide genügend - spezifische - Waffen eingepackt und noch einmal sichergestellt, dass der rote Punkt noch immer an der gleichen Stelle auf der Karte leuchtete. Und jetzt waren sie unterwegs, um, sobald sie Ryatt aufgegabelt hatten, Faye ein zweites Mal aus einer sehr beschissenen Situation zu fischen. Nur diesmal hoffentlich unverletzt. Und diesmal auch mit einer nüchtern betrachtet wesentlich lächerlicheren Front von Gegnern. _____
Kleine Info/Bitte am Rande: Nimm bitte nie deine Signatur raus bzw. wenn dus machst, mach eine neue rein. Ich kann sonst die Posts nicht mehr so kopieren, wie ich sie kopieren muss, wenn ich sie im Word nicht mit grauem, nicht entfernbarem Hintergrund einfügen will. >.> Hatte zum Glück heute mal wieder Zeit zum Aufholen und das direkt festgestellt, nachdem ich meine Signatur erst vor ein paar Tagen rausgenommen habe. Jetzt steht da halt wieder irgendwas random Pseudo-Inspirierendes. xD
Das dürfte äußerst leicht zu bewerkstelligen sein, da ich meine Signatur maximal ändere und noch nie vorher entfernt habe... sollte mir das aber doch mal passieren, weil ichs vergessen habe bis dahin, sags mir einfach nochmal. x'D Post ist probably shitty, weil er sehr zerhackt über Tage hinweg geschrieben wurde, aber hab jetzt auch keine Ruhe zum noch drüberlesen, weil muss schon wieder ins Bett wegen kack Frühschicht. :'D ___________
Ich erledigte meine restlichen Tagesaufgaben ungefähr so konzentriert wie ein Tornado - gefühlt brachte ich mehr durcheinander, als ich schaffte. Die vorwurfsvollen Blicke hallten in meinem Kopf nach, während sich immer wieder allzu lebhafte Fantasien über all das, was in diesen Stunden allein schon passieren konnte, dazu gesellten. Die Ausgangslage war mit meiner daraus resultierenden Übelkeit also denkbar ungünstig für produktives Arbeiten. Sowohl was die Arbeit für Easterlin betraf, als auch meine verbliebene To-Do-List für die nächtliche Mission. Ich machte im Gegensatz zu sonst auffällig überpünktlich um exakt 15.30 Uhr Feierabend, nur um mich in mein Zimmer auf dem Gelände zu verziehen. Es lag am Ende eines ziemlich langen Gangs und dementsprechend war es dort wenigstens relativ ruhig, trotz teils anwesender Soldaten. Zwei Tabletten später schwand auch die Übelkeit langsam und es ging mental aufwärts. Ich gliederte die Stichpunktliste mit potenziell wichtigen Dingen in zwei Abschnitte - beim ersten handelte es sich noch um die Örtlichkeit, beim zweiten ging es um die mexikanische Pest in persona. Es fanden sich jeweils ein paar nicht zu vernachlässigende Punkte. Die Sache mit dem Fenster ließ ich dabei weg, weil ich nach kurzer Suche - erneut auf Google Maps - eine bessere Alternative zu einem Youtube-Tutorial oder einem stumpfen Merkblatt wiederfand. Ziemlich unauffällig gekleidet machte ich mich später am Abend auf den Weg zum Firmenparkplatz, um von dort aus das Gelände zu verlassen. Am Ausgang wurde wie üblich gescannt, bevor der Kombi (ich hab nicht gefunden, obs ein spezifisches Auto war und in deinen Notizen stand auch nix, also ja… XD) unter der Schranke durchrollen durfte. Mein Pokerface saß exakt so lange mit einem einstudierten Lächeln gut, bis ich die Schranke im Rückspiegel wieder runter schwenken sah. Ich machte einen großen Umweg - nur um sicher zu gehen, dass ich nicht schon wieder ungewollte Mitspieler im Nacken hatte - über einen Waffenladen. Nicht, um mir eine Schusswaffe zuzulegen, die ich außerhalb meines Arbeitgebers Reichweite sowieso nicht genehmigt bekam, sondern um ein paar Westen zum Schutz zu organisieren. Wenn ich Easterlins Geld auf meinem Konto jetzt nicht mehr zwangssparen musste, konnte ich es ja sinnvoll investieren. Schlimm genug, dass Faye bis hierhin wegen mir schon so viel zugestoßen war. Easterlins mit spezieller Technik und seltenem Material gepanzerte Westen für die Einsätze waren um Welten effektiver, als diese 0815-Dinger, aber alles war absolut besser als nichts. Ich wollte Schadensbegrenzung betreiben, wo ich nur konnte. Der Verkäufer sah mich schief an, aber nachdem ich nicht vorhatte, nächstens eine Bank ausrauben zu gehen, war mir das ziemlich egal. Ich war eine gute halbe Stunde zu früh am verlassenen Anwesen, das ich mir im Dunkeln vorab noch einmal allein von außen ansah. Es war eine bewölkte Nacht und dementsprechend musste ich doch mein Telefon aus der Hosentasche ziehen, um ein bestenfalls noch nicht ersetztes, einst von mir zerschlagenes Fenster wiederzufinden. Auf der Rückseite des Hauses mit bröckelnder Fassade und völlig vermoosten Ziegeldach wurde ich fündig - ich hatte damals erst versucht, es aufzubrechen und mich dann aus Kälte heraus kurzerhand für den Stein entschieden, der da drin noch immer zwischen einigen Scherben lag. Ich hätte auch beim Gedanken an meine obdachlosen Zeiten gerne gekotzt. Die verbleibenden Minuten sah ich mir im Auto sitzend wiederholt den Notizzettel an. Mir kroch die Kälte im allmählich ausgekühlten Wagen schon langsam unter die Klamotten, aber es gab Schlimmeres. Als ich die Scheinwerfer eines Autos in meine Richtung kommen sah, atmete ich tief durch, warf noch einen Blick auf die Uhr und stieg dann aus. Danach zog ich erst noch die zwei Schutzwesten von der Rückbank, ehe ich auf Aryana und Mitch traf.
Mein Blick wanderte erst auf unsere wieder verschränkten Hände und von dort aus weiter zu Aryanas Gesicht, bevor ich leicht nickte und angespannt die Mundwinkel hob. Dicht gefolgt von einem Kiefermahlen, was aber nichts mit der Brünetten zu tun hatte, sondern ausschließlich damit, dass ich gerade schrecklich unter Strom stand. Genau genommen für den Rest des Tages, weil die kommenden Stunden sich nicht weniger aufwühlend gestalteten. Es fühlte sich schräg an, einen solchen Plan in zivil durchzuführen und es wurde auch mit der Zeit nicht besser. Nicht als wir die Leiter bezahlten, nicht beim expliziten Begutachten der Lagerhalle mittels Satellit und auch nicht, als wir uns letztendlich der Situation entsprechend anzogen und das eine oder andere Hilfsmittel einpackten, um final aufzubrechen. Mal ganz zu schweigen von der Angst um Faye, als meine selbst auserwählte, nicht blutsverwandte Schwester. Gefühlt pochte mein Herz pausenlos ein paar Takte zu schnell, seit wir heute Morgen die Handys im Spind verriegelt hatten. Dass Aryana genauso nervös war, half mir nicht unbedingt, aber das war zu erwarten gewesen. Ich ließ sie fahren, weil es sicherheitstechnisch wahrscheinlich keinen allzu großen Unterschied machte, wer von uns beiden mit seinen unruhigen Hände das Steuer hielt. Während ich sie zu der von Ryatt geschickten Adresse navigierte, die sich ähnlich wie die Lagerhalle ziemlich abseits und sogar außerhalb fand, hielt ich immer wieder Ausschau danach, ob uns Jemand folgte. Doch es war kein auffälliger Wagen zu sehen, was mich fast ein bisschen skeptisch machte. Waren sie wirklich so leichtsinnig? Die letzten Meter führten uns von der Landstraße runter über eine einspurige, geteerte Straße. Am Ende war ein verwittertes Einfamilienhaus zu sehen und Ryatts - von Easterlin geschnorrter - Wagen stand dicht davor geparkt, während scheinbar in Reihe gepflanzte Bäume die wild wachsenden Wiesen drum herum schmückten. Obstbäume vermutlich, aber das war in der Dunkelheit unmöglich zu erkennen. Außerdem waren es arschkalte 5 Grad, als wir nach einem kurzen Blickwechsel ausstiegen und auf Ryatt zugingen. Ein kurzes, gegenseitiges Nicken reichte zur allgemeinen Begrüßung - wir waren offensichtlich alle endlos angespannt und es lag an dem Veteran, uns nochmal auf einen besseren Stand der Dinge zu bringen. Allem voran reichte er uns jeweils eine scheinbar gepanzerte Weste, mitsamt eher überflüssiger Erklärung: “Ich gehe nicht davon aus, dass sie sich im Kampf besser anstellen als ihr beide, aber zur Sicherheit…” Er zuckte mit den Schultern. An und für sich war es nicht verkehrt, wenigstens den Oberkörper vor Stichen oder gar Schüssen abzuschirmen. Ich würde die Weste aber erst am Ort des Geschehens, der etwa fünf Kilometer von hier entfernt in dem Industriegebiet lag, letztendlich anziehen und dafür die relativ eng anliegende Jacke im Wagen lassen - beides ging nicht, kein anständiger Soldat arbeitete freiwillig mit schlackernden Klamotten, die unnötigen Lärm produzierten. “Ich hab meine schon drunter. Natürlich geb’ ich sie aber Faye, auch wenn die Gefahr vermeintlich schon gebannt sein sollte, wenn wir rausgehen - die standardmäßige Sicherheitsvorkehrung bei Evakuierung eben.” Auch das brauchte er nicht weiterzuführen, weil wir leider schon mehr als eine politische Geisel für das reiche Arschloch hatten befreien müssen. “Hast du den Schraubenzieher?” Ryatt sah mich direkt an und ich nickte ein weiteres Mal knapp. Als hätten wir so ziemlich das wichtigste Werkzeug vergessen, damit wir überhaupt erst bis zu Faye durchkamen… dumme Frage. “Hol ihn, du kriegst ‘nen Testdurchlauf.” Er deutete mit einem seitlichen Kopfnicken auf das Haus im Hintergrund. Wollte ich wissen, wieso er wusste, dass ein beschädigtes Fenster hier Niemanden kümmern würde? Wahrscheinlich nicht. Trotzdem machte ich mit einem “Geht klar.” auf dem Absatz Kehrt zurück zum Wagen, um die Weste dort vorübergehend auf den Beifahrersitz zu legen, im Tausch gegen den Schraubenzieher im Handschuhfach davor. Als ich erneut zu den beiden aufschloss, drückte Ryatt meiner Freundin gerade einen Zettel in die Hand. “Kannst dir die Notizen ja schonmal ansehen… oder komm mit hinters Haus und sieh zu, wie du willst.” Sein Blick fiel wieder auf mich und ich folgte dem hinkenden Kerl mitsamt Schraubenzieher durch das unangenehm hohe, durch die Jahreszeit ziemlich nasse Gras. Theoretisch hätte sonst wer hinter diesem Haus auf mich warten können, weshalb ich das Werkzeug unbewusst gewissermaßen bereit zum Angriff in der Faust hielt. Meine Paranoia in Hinblick auf Ryatt, seine ständigen Probleme und seine völlig zwielichtige Art war erst gebannt, als ich das bereits kaputte Fenster schließlich sah und er um den Schraubenzieher bat, um mir das Prozedere einmal zu demonstrieren.
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Das ist gut, solltest du eben auch nicht.. xD _____________
Mitch war nicht der Einzige, der sich auf dem Weg zum Treffpunkt auffällig oft umschaute. Es war einfach suspekt, dass sie scheinbar genau jetzt nicht beschattet wurden, nachdem sie offensichtlich wochenlang beobachtet worden waren. Wobei Aryana an dieser Stelle auch offenkundig zugeben konnte, dass sie von der Beobachtung der letzten Wochen leider sehr wenig bis gar nichts mitbekommen hatten. Die Hernandez und ihre Hilfsmenschlein waren unglücklicherweise ziemlich geschickt in dieser unauffälligen Detektivarbeit... Es war also nicht auszuschliessen, dass bereits jemand registriert hatte, dass sie nicht mehr zuhause verweilten an diesem arschkalten, hässlichen Abend. Bis zum Treffpunkt im gefühlten Nirgendwo wurden sie aber nicht verfolgt, soviel war klar. Dafür stand das Haus zu einsam und weit und breit war nichts und niemand zu sehen. Bis auf Ryatt natürlich, der sich aus dem Schatten seines Kombis (nein, der wurde nie definiert xD) löste, kaum hatte sie ihren Wagen geparkt und den Motor ausgemacht. Rein theoretisch würde sie die Aktion noch immer viel lieber mit Mitch alleine ausführen - einfach dass das an dieser Stelle nochmal erwähnt wäre. Aber gut, auch ihr war bewusst, dass Ryatt ihre Chancen auf eine für sie alle möglichst folgenfreie Nacht beträchtlich erhöhte und darum versuchte sie sich auch möglichst gut zusammenzureissen. Dem Vorsatz der bestmöglichen Risikoeindämmung folgend, eröffnete der Veteran das Gespräch mit einem netten Geschenk an sie beide. Aryana nahm die Weste mit etwas hochgezogenen Augenbrauen entgegen, was aber nicht bedeutete, dass sie etwas dagegen hatte. Sie war mehr nur ein bisschen überrascht, so begrüsst zu werden, weil sie theoretisch ja auch selbst an ihren Schutz und entsprechende Ausrüstung hätten denken können. "Danke", bekam Ryatt damit das erste Mal an diesem verdammten Tag zumindest ein einziges gemurmeltes Wort in netter Sprache von ihr zu hören. Besser als nichts. Genau wie Mitch sah jedoch auch sie davon ab, das Schmuckstück schon hier umzuschnallen, da das Autofahren dadurch eher unangenehmer wurde. Es war zwar keine weite Fahrt mehr bis zum endgültigen Ziel, aber trotzdem. Auf seine Ausführung bezüglich seiner eigenen Weste, nickte Aryana knapp, bevor es dann langsam an die Klärung finaler Vorbereitungen ging. Scheinbar begonnen mit einer Übung bezüglich Einbrüchen durchs Fenster. Die Brünette drehte sich nochmal um, um auch ihre Weste im Auto zurückzulassen. Als sie sich wieder umdrehte, streckte Ryatt ihr ein Blatt Papier entgegen, dass sie zwei Sekunden betrachtete, bevor sie die Finger danach ausstreckte und es auffaltete. Trotzdem musste das genaue Studium der Notizen noch einen Moment warten, denn Aryana hatte nicht vor, hier zu warten, während Mitch mit Ryatt Fenster aufbrechen ging. Es war besser, wenn sie das ganze Vorgehen wenigstens mal beobachtet hatte. Vier Augen sahen mehr als zwei und es war nie gut, wenn eine bestimmte Aufgabe nur von einer einzigen Person ausgeführt werden konnte. Das liess sich bei einem zwei-bis-drei-Personen-Kommando natürlich schlecht ganz vermeiden, aber am Fenster sollte es nicht scheitern. Also warf sie für alle Eventualitäten ebenfalls einen Blick auf das Geschehen hinter dem Haus - nachdem das Auto gewissenhaft abgeschlossen war. Wusste ja keiner, was vor dem Haus passierte, während sie sich hier hinten vergnügten... Ryatt demonstrierte den ersten Teil ihrer heutigen Aufgabenstellung und sie waren mehr oder weniger zum Zuschauen und Lernen verdonnert, bevor Mitch im Anschluss selbst sein Können oder seine Aufmerksamkeit unter Beweis stellen sollte. Es war kein leichtes Unterfangen, aber Aryana versuchte trotzdem, gedanklich möglichst genau abzuspeichern, worauf spezifisch geachtet werden musste und was sie auf keinen Fall vergessen oder übersehen durften. Letztendlich überliess sie den Einbruch aber liebend gerne Mitch und seinen Fähigkeiten. Sie hätte drinnen noch genügend zu tun mit dem Rattenpack, das sie anhand von Ryatts Notizen nun noch etwas besser kennenlernen durfte. Wobei Einiges davon leider auch eher nur mehrbessere Hypothesen waren, da Ryatt bis vor einem halben Jahr noch so gut wie gar nichts mit Seans drei kleinen Geschwistern zu tun gehabt hatte, sie erst im Verlaufe der letzten Monate ein paar Mal überhaupt zu Gesicht bekommen hatte. Was jedoch bestens zwischen den Zeilen herauszulesen war, waren gewisse hässliche Charakterzüge, die eindeutig vom gleichen Abschaum zeugten, über den Faye ihr bereits ein paar zu viele verbotene Details erzählt hatte. Und je mehr sie sich damit konfrontiert sah, umso dringender wollte sie hier weg, um ihre Schwester aus dieser Hölle zu holen. "Gibt es sonst noch irgendwas, das wir wissen sollten..? Und auf welches Zeichen sollen wir achten, wenn du uns signalisieren wirst, wie viele von denen sich da aufhalten?", wollte Aryana nach dem Durchlesen des Zettels noch wissen. Geheimsprachen sollten besser vor Gebrauch ausgemacht werden, sonst brachten sie letztendlich leider nicht so viel. Von ihr aus konnte Ryatt jedes beliebige Zeichen definieren - es wäre nur eben gut, wenn sie wussten, welches es wäre.
Creepy but true - Fenster sind actually ziemlich leicht aufzuknacken, solange es keine Sicherheitsfenster mit speziellen Einbauten sind. Man muss die legit nur “raushebeln”, weswegen ich wohl nur noch ungerne irgendwo ins Erdgeschoss einziehen werde. Manchmal find ichs wirklich nicht gut, was ich so alles fürs RP google. :’) Ich hoffe, ich vergess’ es wieder. x’D ________
Es klang im ersten Moment komplizierter, als es eigentlich war. Ryatt sprach von den Beschlägen im Rahmen des Fensters und dass man sie gezielt aushebeln musste. Da jedes Fenster ein bisschen anders war, hatte ich dazu später in der akuten Praxis nur einen groben Anhaltspunkt. Das Aushebeln an sich jedoch sah erstaunlich leicht aus und in meiner Jugend hatte ich dafür definitiv länger gebraucht, als Ryatt hier und heute. Er demonstrierte das Unterfangen selbst innerhalb weniger Sekunden, was mir kurz die Augenbrauen nach oben zucken ließ. Als ich selbst das Ganze nachahmte, hatte ich natürlich die bereits vorhandenen Einbruchsspuren zur Hilfe, versuchte jedoch mich davon nicht zu sehr beeinflussen zu lassen. Ich hebelte auch testweise an anderen Stellen des Rahmens, nur um den Unterschied zu merken – das zerbrochene Fenster lieferte, je nachdem, unterschiedlich viel Widerstand. Zugegeben beruhigte mich diese Praxisübung zumindest in Hinblick auf die Fensterangelegenheit ein bisschen. Schwieriger würde es da mit den Gegnern aus Fleisch und Blut werden: Nachdem wir alle durchs Gras zurück zu den Autos gestiefelt waren, nahm ich Aryana die Notizen ab und warf ebenfalls noch einen Blick darauf, nachdem ich bis dahin nur schräg aus ihren Händen mitgelesen hatte. Ich war also noch mit Durchlesen beschäftigt, als Ryatt inklusive kurzer Denkpause auf ihre Frage antwortete: “Ich… ich rufe Fayes Namen, bevor ich das Zeichen gebe… je nachdem wer alles da ist, schaff ichs möglicherweise sogar, die Anzahl in Sätze zu schachteln… aber falls nicht, achtet einfach auf meine Hände. Dann muss es das standardmäßige Army-Zeichen werden.” Er atmete schwer durch und seufzend wieder aus. Ja, falls er die vorhandenen Gegenspieler irgendwie in Worte packen könnte, wäre das wohl einfacher. Schon nur, weil wir dann nicht so nahe an die Kante zum offenen Geländer hin müssten, um ihn sehen zu können. Andererseits mussten wir im Grunde sowieso immer nahe an der Sichtgrenze pokern - wir konnten ja nicht riskieren, ihn gänzlich aus den Augen zu lassen, für den Fall, dass wir seine dumme Hand für das Zeichen sehen mussten. Und Ryatt wiederum musste die Möglichkeit haben, uns zumindest für einen kurzen Moment sehen zu können, weil er sonst ja gar nicht wusste, dass wir da waren. Zumindest nicht, wenn wir mal vom Idealfall ausgingen, bei dem wir möglichst lautlos agierten. Der Plan hatte mehr undichte als dichte Stellen. Ryatt sah noch immer so aus, als würde er nach einer Antwort auf Aryanas zweite Frage suchen, als ich das Papier wieder faltete und ihn musterte. “Lass gut sein.”, meinte ich mit einem angespannten Räuspern, dicht gefolgt vom Mahlen mit den Kiefermuskeln. Er sah vom ohnehin ziemlich dunklen Boden auf und direkt zu mir. “Na wenn’s dir den ganzen Tag über schon nicht eingefallen ist, tut’s das jetzt wahrscheinlich auch nicht mehr.”, ergänzte ich mit einem Schulterzucken und schob den Zettel dabei in die Jackentasche, ebenso wie beide Hände. Auch die Arme legte ich enger an den Körper, weil mir langsam kalt wurde. “Möglich.”, erwiderte der Veteran murmelnd. Er schien nicht zufrieden damit – oder mit sich selbst – zu sein, aber weitere Zeit zu vergeuden sollte genauso wenig in seinem, wie in unserem Interesse liegen. “Am besten fahren wir leicht versetzt, ist unauffälliger… ich fahr vor. Falls sie doch Jemanden draußen postiert haben sollten – auch wenn ich das nicht glaube – dann schlägt der sicher so oder so Alarm. Sollten sie dann auf die dumme Idee kommen, eine Verfolgungsjagd anzetteln zu wollen oder anderweitig auf Konfrontation gegen, seid wenigstens ihr beide dann nicht gleich mit weg vom Fenster.”, erwähnte er weitere Eventualitäten wieder so ganz am Rande. Auch an dieser Stelle konnten wir bloß darauf hoffen, dass er mit seinem elenden Bauchgefühl recht hatte und wir nicht schon draußen auf dem Gelände begrüßt wurden. Mir fiel der möglicherweise unbeabsichtigte Wortwitz auf, aber nach Lachen war mir nicht zumute. “Dann los..?”, fragte ich abschließend und sah zwischen Aryana und Ryatt hin und her. Letzterer nickte leicht. “Ich schreib euch, wenn ich da bin und die Luft an der Halle rein ist.”
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
Eiiiin bisschen Bildung für alleeeeeee! x‘D Aber sag mir das nicht, wenn ich gerade sehr fest mit dem Gedanken spiele, nächstes Jahr in eine Erdgeschosswohnung zu ziehen! xD Und ich hoffe, dass wirs jetzt beide wieder etwas regelmässiger hinkriegen mit Schreiben, weil es schon echt harzig ist, jedes Mal nach einer Pause wieder einzusteigen.. >.> ___________
Die Angelegenheit mit dem Fenster stellte sich als wahrscheinlich kaum die grösste Hürde in ihrem ganzen geplanten Unterfangen heraus. Das war auch gut so, es gab genügend andere Punkte, an denen sie scheitern könnten. Angefangen mit einem verschlossenen Tor oder einer unerwarteten Sicherheitsschranke, weiter über eine reflektierende Leiter bis hin zu zu vielen Gegnern... oder einer fehlenden Faye, denn sie wussten streng genommen überhaupt nicht, ob ihre Schwester wirklich da war, wo der rote Punkt auf der Karte leuchtete. Das könnte genauso gut auch eine Falle sein. Nur sollte sie darüber nicht nachdenken, sondern besser darauf vertrauen, dass es nicht so war. Mit bösen Vorahnungen retteten sie Faye leider auch nicht effektiver. Dafür hoffentlich mit einigermassen guter - bestmöglicher - Planung. Ryatt tat abschliessend kund, wie er ihnen mitzuteilen plante, wie viele Gegner im Raum waren. Und dass es scheinbar in seinem Vorwissen nichts mehr gab, was ihnen abgesehen von den Notizen auf dem Papier nützlich sein könnte. Jedenfalls nichts, was ihm jetzt noch einfiel, aber Mitch hatte schon recht... Wenn es bis jetzt nicht gekommen war, würde es eher nicht das entscheidende Stück Information sein, das ihnen den Kopf rettete. Zumal Aryana sich auch eher keine Sorgen um ihr eigenes Leben und ihre Unversehrtheit machte. Oder um Mitch. Oder um Ryatt. Es gab immer ein gewisses Risiko, aber das war hier nicht grösser als in ihrem Arbeitsalltag auf irgendwelchen dämlichen Einsätzen. Sie schätzte sowohl Mitch als auch sich selbst als geschickt und erfahren genug ein, um heute Nacht keine gesundheitlichen Abstriche zu machen. Bei Ryatt konnte sie das nicht wirklich einschätzen... aber dass sie sich um ihn sorgte, wäre wohl auch ein bisschen weit von der Wahrheit entfernt. Wenn er sich nicht sehr dumm anstellte, dürfte ihm keine zu grosse Gefahr drohen. Er war immerhin bekannt für sein Rede- und Verhandlungstalent, war für seine heutige Rolle also wie geschaffen. Aryana bestätigte den Vorschlag mit der versetzten Anfahrt mit einem klaren Nicken. Klang zielführend und hatte keine Nachteile, da er sowieso vor ihnen zur Tür musste. Auch die geplante Textnachricht nickte sie ab, bevor sie nach einem letzten nachdenklichen Blick in Ryatts Richtung zurück zu ihrem eigenen Auto trottete. Sie startete den Motor, kurz nachdem Ryatt zurück auf die Strasse gerollt war. Was vielleicht nicht nötig war, da sie ihm doch etwas mehr als eine halbe Minute Vorsprung gewähren sollten. Sie war nur offensichtlich minimal ungeduldig und angespannt. Das verriet auch der Blick, den sie Mitch zuwarf, während der Wagen noch still stand. "Ich hoffe echt, dass das das letzte Mal ist, dass wir eine solche Nummer durchziehen dürfen...", murmelte sie unterlegt mit bitterem Sarkasmus, der deutlich zeigte, wie wenig amüsiert sie sich von den Umständen fühlte. Ihre rechte Hand suchte dabei bereits wieder nach seiner, nur um seine Finger noch ein oder zwei Minuten zu halten, bevor das Auto dann doch ins Rollen kam. Natürlich warteten sie Ryatts Nachricht ab, bevor sie am Ort des Geschehens auftauchten - das mussten sie aber nicht in fünf Kilometer Entfernung tun. Die drei Minuten dürften schon reichen, um ihm auf diese Distanz ausreichend Vorsprung zu bieten. Es wurde Zeit für ein bisschen ungefragte Action und die spielte nicht hier bei einem einsamen Haus im Nirgendwo.
oh, well… I’m sorryyyyy. x’DDD Ich geb’ mir wirklich Mühe, aber eine Garantie kann ich nicht guten Gewissens aussprechen. v.v __________
Ich begleitete Aryana zum unweit entfernten Wagen und fand mich auch dieses Mal auf dem Beifahrersitz ein. Der angelassene Motor sorgte zügig dafür, dass es im Auto wieder warm wurde. Die stumpfe Warterei zerrte an meinen Nerven und nur Aryanas Finger zwischen meinen gestalteten die Situation einen Hauch erträglicher. Ich unterdrückte den Impuls, wieder mit dem Bein zu wippen – vor allem meiner Freundin zuliebe. Faye schien eine stark ausgeprägte Begabung dafür zu haben, ihren Hintern an die falschen Leute zu verwetten. Zum Leidwesen ihrer älteren Schwester. “Es muss das letzte Mal sein.”, murmelte ich zurück, den Kopf dabei an die Lehne gestützt, jedoch in Aryanas Richtung gedreht. Vor allem um Fayes und Victors Willen, musste diese Misere ein für alle Mal enden und durfte dann auch nirgendwo anders nochmal von vorne beginnen. Der Mensch und auch zwischenmenschliche Beziehungen konnten extrem viel aushalten, wie ich aus erster Hand wusste. Irgendwann war trotzdem eine spürbare Grenze erreicht. "Für Faye und Victor, aber auch für uns.", hängte ich ein klein wenig später noch an und ließ den Kopf zurück in Ausgangsposition kippen. Aryana und ich verdienten es genauso, nicht mehr ständig in unfreiwillige Karussellfahrten hineingezogen zu werden. Egal ob absichtlich oder nicht. Im Grunde mordeten wir ständig zusammen, da kam es auf ein bisschen Folter mehr oder weniger auch nicht mehr an. Vermeintlich. Ich konnte die Dämonen, die im Anschluss auf mich warten würden, schon jetzt wieder aus der Ferne sehen. Wie sie frohlockend aus der Kiste krabbelten und sich einfach auf die Mauer setzten, die ich sorgfältig zwischen uns aufgebaut hatte. Ich streichelte noch ein letztes Mal über Aryanas Handrücken, bevor ihre Finger aus meinen rutschten und die Mission unweigerlich in den Fokus rückte. Während der Fahrt drehte ich den Schraubenzieher immer wieder in der einen Hand und hielt gleichzeitig das Handy in der anderen. Zwischendurch wechselte ich auch schon den Sicherheitsgurt umschiffend von der Jacke in die Weste, um nachher Zeit zu sparen. Denn Ryatts Nachricht kam – in Form eines simplen, aber ausreichenden Emojis – und so bogen wir ein letztes Mal ab, um in der Straße des Grauens anzukommen. Einige der Hallen waren mit Graffitis besprüht und sahen generell ungepflegt aus, nur leider nicht alle. Die späte Uhrzeit schien also gerechtfertigt. Ryatts Wagen stand ein kleines Stück weiter die Straße runter, außerhalb der Sichtweite unseres Zielobjekts. Er war schon ausgestiegen und checkte seine Jackentaschen, als wir gerade erst hinter ihm parkten. Die Blinker des Kombis leuchteten auf und der Veteran suchte durch die Frontscheibe noch einmal Blickkontakt zu uns, bevor er an uns vorbei zum Ziel ging. Ich lehnte mich rüber zu Aryana und gab ihr einen letzten Kuss, dicht gefolgt von einem kurzen, aber tiefen Blick in ihre dunklen Augen. Ein kleines Ritual vor jedem Einsatz, das sich etabliert hatte – nur für den Fall, dass einer nicht mehr zurückkam. Hier und heute würden wir sicherlich nicht sterben, aber nonverbaler Zuspruch war dennoch angebracht. Wir würden das hier durchstehen und Faye mit so wenig Blessuren da rausholen, wie nur möglich war. Danach ging es aber fast schon hastig aus dem Auto, denn die Uhr tickte. Ryatt konnte sie nicht ewig hinhalten. Während Aryana noch ihre Weste anlegte, ging ich selbst schon zum Kofferraum, um die komprimierte Leiter rauszuholen. Möglichst ohne dabei klappernde Geräusche auszulösen, weil es hier verflucht ruhig war. Also genau richtig, um Geiseln festzuhalten oder besagten Peinigern eine einschneidende Lektion zu erteilen, die keiner mitbekommen sollte. Die schwarze Cargohose verstaute längst alles an Hilfsmitteln, die ich bei mir tragen musste - dahingehend waren die vielen Taschen ziemlich praktisch. Im Gegensatz zu Aryana ging ich ohne Schusswaffe in diesen Kampf, was mich jedoch tatsächlich eher ein bisschen beruhigte. Eine Pistole würde ausreichend sein, um sie wenn nötig auf Abstand zu halten und so konnte mir der Finger nicht ausversehen ausrutschen. Aryana hatte nicht viel weniger Temperament als ich, aber sie wusste es meistens besser zu kontrollieren, wenn es einem höheren Zweck diente. Hoffentlich auch dann, wenn es um ihre kleine Schwester ging. Als wir beide startklar waren, ging es mit der Leiter – die dank des Alus angenehm leicht war - zum Tor, das wie gewünscht offen stand. Gerade als wir die geteerte Zufahrt erreicht hatten und uns zur anderen Seite des Gebäudes schlichen, war das Hämmern an einer Tür zu hören, dicht gefolgt von zweierlei Stimmen. Eine davon war ziemlich sicher Ryatts, die andere konnte ich nicht definieren. Sicher war aber, dass die Metalltür danach zurück ins Schloss geworfen wurde. Hoffentlich mit unserer Ablenkung auf der anderen Seite. Das einsame Fenster im ersten Stock war leicht auszumachen und wir lehnten die ausgeklappte Leiter behutsam an die Mauer. Ich atmete noch einmal tief durch, ehe ich mit Adrenalin im Handgepäck die Stege erklomm. Ich konnte das Blut in meinen Ohren leise rauschen hören, als ich oben angekommen über meine Schulter einen prüfenden Blick zu Aryana warf. Sie musste die Leiter unten stabilisieren, solange ich mit dem Schraubenzieher hantierte. Wenigstens sah das Fenster auf den ersten Blick nicht so aus, als wäre es schon jemals ausgetauscht worden, als ich nach einem weiteren tiefen Atemzug zum Einbruch ansetzte.
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Das sollte auch kein Vorwurf o.ä. sein, eher eine Feststellung oder so... bin momentan leider selber nicht viel besser - besonders nicht in Anbetracht der Tatsache, dass ich Mitte Monat mal wieder in den Urlaub fliege... <.< Und Faye schaff' ich hier und jetzt leider auch nicht mehr, weil ich bin super müde und sollte schlafen - sie stösst dann nächstes Mal dazu oder so, hat ja zum Glück noch nicht viel zu tun. x'D ______________
Ja, so konnte man das sicher auch ausdrücken. Sie hoffte schon ein bisschen, dass Faye mit Ryatts Bekanntschaft gelernt hatte, nicht blind jedem zu vertrauen und direkt alle in ihr Leben einzuladen, wo gewisse Menschen einfach nicht hingehörten. Es war natürlich schön, dass ihre Schwester stets ans Gute im Menschen glaubte. Aber vielleicht wäre ein gesundes Mittelmass zwischen ihnen ein bisschen gesundheitsfördernder und zukunftsorientierter. Und eben auch realistischer. Auch wenn man fairerweise sagen musste, dass man beim letzten Mal, als Mitch und Aryana Faye aus dem Vorhof der Hölle gefischt hatten, eher nicht von selbstverschuldetem Elend sprechen konnte. Das war einfach fettes Pech und eine zur falschen Zeit am falschen Ort Situation gewesen. Aber jetzt waren sie hier und diese Mission dürfte für sie beide wesentlich einfacher als ein Termitenhügel in Syrien werden. Zumindest was die Gegner anbelangte. Die Entwarnung via Textnachricht traf ein und es galt, keine Zeit mehr zu verlieren. Aryana lenkte den Wagen, in der Strasse ihres Zielobjekts angekommen, zum Strassenrand, parkte ihn hinter Ryatts Kombi und schaltete den Motor aus um nicht unnötig Krach zu machen. Der Veteran machte sich bereits auf den Weg und sie würden es ihm - nach einem einzigen, zärtlichen Kuss und ein paar Sekunden Blickkontakt - gleich tun. Aryana schob sich mit einem tonlosen Schlucken aus dem Auto, wechselte an der Seite des Wagens zügig in die Sicherheitsweste und kontrollierte routinemässig ihren Waffenhaushalt in den entsprechenden Taschen und Halterungen. Besonders viel war da gar nicht, sie brauchte immerhin nicht mehr Waffen, als dass eine Person alleine bedienen konnte. Plus etwas Reserve im Falle der Fälle - aber das betraf wie immer eigentlich nur Messer, die im Eifer des Gefechts etwas zu schnell abhanden kommen konnten. Nicht heute, hoffentlich, sie hatte denkbar wenig Lust auf ein Gerangel im Nahkampf. Ein Klicken und Aufleuchten der orangen Lichter machte deutlich, dass die Zentralverriegelung ihren Teil zum Gelingen der Nacht beitrug und so konnten sie definitiv losziehen. Vom Timing her schienen sie soweit sehr gut im Plan zu sein, wie das Hämmern und die anschliessenden Stimmen verrieten. Diese Stimmen gaben auch bekannt, dass tatsächlich jemand zuhause war und das liess mit relativ viel Sicherheit darauf schliessen, dass das Signal des Senders sie nicht verarscht hatte. Sonst würde Ryatt entweder sehr schnell wieder um die Ecke biegen oder es hätte gar niemand geantwortet, wie das in einem Industriegebiet bei einer - vermeintlichen - Lagerhalle so üblich war in der Nacht. Ryatt trat aber nicht in ihr Sichtfeld und es drang kurzfristig auch kein Geschrei nach draussen, was sie beide dazu ermahnte, sich mit ihrem Teil des Plans zu beeilen. Ihre dunklen Augen hafteten hochkonzentriert auf Mitch, während sie die Leiter hielt, um ihm möglichst viel Stabilität und Sicherheit zu bieten, während er sich ums Fenster kümmerte. Es blieb einfach zu hoffen, dass Ryatt sie erfolgreich ablenkte und sie nicht jedes kleinste Geräusch mitbekamen, dass sich bei einem Einbruch schwer vermeiden liess. Und dass sich niemand von diesem Gesindel im Büro hinter dem Fenster aufhielt. Ersteres schien vorerst nicht der Fall zu sein und Letzteres konnten sie ausschliessen, als das Fenster aufschwang und ihnen tatsächlich Einlass gewährte. Beziehungsweise erstmal Mitch, sie selbst musste zuerst noch möglichst lautlos die Leiter erklimmen. Die Leiter, von der sie nur hoffen konnten, dass auch während ihrem Aufenthalt hier niemand mit besonders aufmerksamem Blick hier vorbeikam und Alarm schlug. Es sah nämlich schon maximal verdächtig aus - diese Leiter zu einem Fenster im Nichts. Aber gut. War nicht der letzte Punkt, der Glück erforderte und momentan nicht ihr Hauptaugenmerk. Das lag nämlich auf dem Inneren dieser Halle und zu ihrem Erstaunen stand die Bürotür dorthin sogar offen. Wahrscheinlich, weil sich kurz davor jemand hier aufgehalten hatte. Dass liessen jedenfalls auch die warmen Heizungen vermuten. Ob die Person möglicherweise von einem Klopfen aufgescheucht wurde..? Aryana blickte sich nur kurz nach Mitch um, um sich zu versichern, dass bei ihm soweit auch alles in Ordnung war. Dann ging sie zur Bürotür, blieb aber noch drinnen stehen, um kurz zu lauschen, bevor der grosse Showdown startete und sie sehr schnell handeln mussten. Ryatt war tatsächlich drin, sie hörte seine Stimme. Dann eine andere, die nicht sehr amüsiert klang. Zuerst dachte sie, dass es das wäre, aber gerade bevor sie nach draussen in den offenen Bereich treten wollte, war da auch noch eine dritte Stimme zu hören, wenn sie sich nicht täuschte. Zwei Männer und Ryatt. Oder noch mehr, je nachdem, ob noch wer schweigend daneben stand. Das würde sich gleich zeigen, wenn Ryatt ihnen hoffentlich das versprochene Handzeichen lieferte und damit Klarheit schaffte.
Nene, dacht' ich auch nicht, alles jut... :D Wohin geht's denn schon wieder? :'D Mich hat es gestern Abend mit dem "supermüde" leider auch richtig hart erwischt... x'D ____
Meine Gedanken rasten die ganze Fahrt über. Hatte ich irgendwas vergessen? Irgendein wichtiges Detail, das Faye oder Aryana und Mitchell den Kragen kosten könnte? Meine schwitzigen Finger verkrampften sich die ganze Zeit über ums Lederlenkrad, als hätte mir das auch nur einen Hauch von Halt geben können. Jede noch so kleine Niederlage oder Enttäuschung, die ich in all den letzten Jahren verursacht hatte, zog im Zeitraffer auf Highspeed vorbei. Angefangen im Kindesalter bis hin zu Avery und später auch Faye. Das stechende Herz in meiner Brust fühlte sich genauso verspannt wie meine Hände an. Vielleicht war es aber auch die Lunge drum herum, denn ich bekam schlecht Luft. Eine Panikattacke war leider ungefähr das Letzte, das ich jetzt gebrauchen konnte. Ich drückte den Hinterkopf fest in die Lehne. Zusammenbrechen konnte ich irgendwann später, wenn Faye in Sicherheit, weit weg von diesem Rattenpack war. Trotzdem brauchte ich am Ort des Geschehens angekommen noch einen kurzen Moment. Der Wagen war geparkt und die Nachricht an meine Komplizen war raus. Also nutzte ich den folgenden Augenblick dazu, mit geschlossenen Lidern ein paar Mal sehr tief durchzuatmen - gedanklich vom Mantra begleitet - und schließlich bewusst für einige Sekunden die Luft anzuhalten, um meinen Herzschlag künstlich zu beruhigen. Es brachte mich weit genug auf den Teppich zurück, um aussteigen zu können, als ich das zweite Auto hörte und mit einem Blick in den Rückspiegel auch sah. Nach letzten kurzen Checks meiner eigenen Notfallausrüstung und einem abschließenden Blick zur treibenden Kraft dieser Aktion, begab ich mich auf direktem Wege zur Tür an der Rückseite der Halle. Mit dem Klopfen hielt ich mich nicht zurück, damit ich definitiv jedermanns Aufmerksamkeit hatte. Ich trat einen Schritt zurück und es dauerte nicht lange, bis sich das Schloss vor mir hörbar drehte - Mateo machte auf. Erst sah er mich entgeistert an, dann sanken seine Augenbrauen ins Bodenlose und er zückte sein Messer. “Was zur Hölle suchst du hier, Ryatt?!” Er spuckte mir förmlich ins Gesicht, während ich mich aufgelöst gab. In meinem Zustand war das glücklicherweise nicht mal schwer zu spielen. “Sie ist hier, oder? Bitte, ich… ich muss wissen, ob es ihr gut…” Mateo unterbrach mich: “Du musst gar nichts, außer mir erklären, wie du uns verfickt nochmal gefunden hast!” Mit einem Griff am Jackenärmel zog er mich energisch ins Innere, bevor er die Tür hinter mir mit derselben Hand zuknallte. Er drehte den Schlüssel wieder herum, ließ ihn aber stecken, bevor er erneut vor mich trat. “Schon nur weil du so dreist bist hier aufzutauchen, hätte ich wirklich große Lust, Gil die verdammte Tür aufzumachen.”, funkelte er mich wütend an, während ich mich nur nach Faye umsah, in der Hoffnung, sie irgendwo zu sehen. Konnte ich bis jetzt jedoch nicht – sie war laut Mateo aber wohl eingeschlossen, was meine Theorie mit dem Büro festigte. “Geht es ihr gut?”, hakte ich ein weiteres Mal dringlich nach und sah ihn wieder an. “Du solltest wirklich nicht hier sein.”, erinnerte er mich indirekt an seine Forderung. Ich stand weiterhin mit dem Rücken zur Tür, Mateo unweit vor mir. “GPS.”, lieferte ich ihm die erbetene Antwort. Er lachte bitter auf. “Diese dumme kleine Schlampe…”, fluchte er zynisch, die Tonlage gen Ende so scharf wie die Klinge in seiner Hand. Offenbar fühlte sein Bruder sich nun ebenfalls verpflichtet, mal nach dem Rechten zu sehen. Meine Augen schwenkten sofort zu Gil, als er oben am Geländer auftauchte. Er wirkte etwa ebenso irritiert wie eingangs Mateo. Letzterer lenkte meine Aufmerksamkeit wieder zurück auf sich, als das bisschen Abstand zwischen uns schrumpfte und ich die eisige Klinge am Hals spürte. Hier drin war es ungefähr so kalt, wie es ruhig war – abgesehen von Mateo, natürlich. “Hände aus den Jackentaschen… und sämtliche Gegenstände gleich mit.”, forderte er. “Ist ja gut.”, lenkte ich ein und nahm langsam beide Hände aus den Taschen. Ebenfalls raus kam mein Geldbeutel, irgendein Kassenzettel und ein eingeklapptes Taschenmesser. Ich ließ alles auf den Boden fallen. “Heißt das, ich darf jetzt doch rein?”, grinste Gil von oben runter, unweit der Treppe aufs Geländer gestützt. Sein Bruder schien auch diesbezüglich genervt: “Halt die Klappe und lass mich nachdenken, verdammt.”, schnauzte Mateo beiläufig, während er selbst nochmal jeweils mit der freien Hand in meine Jackentaschen griff und das Messer am Boden mit dem Fuß ins Nirgendwo schoss. Dabei ritzte er, wahrschenlich unabsichtlich, oberflächlich meine Haut an, was mich die Luft anhalten ließ. Ich konnte ohnehin schon von Glück reden, dass er nicht genauer nachfühlte und die Weste deshalb nicht bemerkte. Er wirkte mit der nicht einkalkulierten Situation überfordert, was mein klopfendes Herz Hoffnung auf einen glimpflichen Ausgang schöpfen ließ. “Ich besorge euch das Geld… dann zieh’ ich die Erpressung eben mit schlechtem Plan durch und geh danach an Seans Stelle in den Knast… das ist mir alles egal, solange ihr nur nichts passiert. Bitte… lass sie gehen, Mateo.” Die Klinge drückte unangenehm beim Sprechen und war definitiv ein weiteres Mal kurz vor Blut, doch das hielt mich nicht ab. Er rollte mit den Augen und trat wieder einen Schritt zurück, nachdem er auch meine Hosentaschen kontrolliert hatte. “Diese ganze schnulzige Liebesgeschichte ist echt unfassbar süß, aber es interessiert mich einen Scheißdreck, wie ihr euch dabei fühlt und ob du in den Knast gehst oder nicht. Mit leeren Versprechen zahlt man gar nichts, Ryatt, und offensichtlich hast du ja noch keine Tasche mit Scheinen dabei. Also haben wir hier jetzt ein dickes Problem.” Er hatte definitiv eines, ja. Denn ich konnte mit einem weiteren Blick zu Gil sehen, dass die Tür oben noch offen stand. Rein zufällig spähte da Jemand für eine winzige Sekunde in die Halle – Aryana und Mitch hatten es also erfolgreich rein geschafft, ohne dass Gil viel davon bemerkt hatte. Vielleicht war er auch einfach zu erpicht darauf, endlich die Gelegenheit zu bekommen, die ihm hier und heute todsicher verwehrt bleiben würde. Auch Faye konnte ich jetzt zum ersten Mal sehen. Sie schob sich am Fenster des unteren Büros in mein Sichtfeld und lenkte meine Augen damit instinktiv in ihre Richtung. Mir blieb der Mund leicht offen stehen und ich schluckte, als ich sie sah. Ich war drauf und dran, einfach in ihre Richtung zu sprinten und gegen diese gottverdammte Tür zu treten, obwohl ich wahrscheinlich der letzte in diesem Raum war, der sie mit dem verkrüppelten Bein aufbekommen hätte. “Denk nicht mal dran.”, knurrte Mateo und hatte damit meine Aufmerksamkeit wieder. Ebenso der Plan, der noch durchgezogen werden wollte. Es war nicht nötig, dass Aryana und Mitch Sichtkontakt hatten. Soweit ich das beurteilen konnte, waren nämlich tatsächlich nur Mateo und Gil hier. Andernfalls wäre wer auch immer inzwischen sicher längst aus seinem Loch gekrochen. “Faye hat mit Alledem doch überhaupt nichts zu tun, Mateo. Das weißt du… und du genauso, Gil. Ihr habt ihr doch schon genug weh getan, reicht das denn nicht?!” Ich brauchte auf diese Frage keine Antwort, auch wenn ich sie dringlich bittend stellte und mit einer aufgewühlten Handgeste untermauerte, während ich Mateo direkt ansah. Die Worte waren jedoch nur für Aryana und Mitch. “Nein, find ich nicht.”, meldete sich auch Gil wieder zu Wort, bevor er sich vom Geländer abstieß. Das kostete Mateo dann offensichtlich das letzte bisschen Geduld, weil er genervt aufstöhnte, sich halb zu seinem Bruder umdrehte und mich damit kurz aus den Augen ließ. “Ruf Riley an… ich weiß nicht, was ich mit ihm machen soll. Einfach wegschicken geht ja schlecht und es ist keiner da, der auf das Arschloch aufpassen kann, bis wir weit genug weg sind… es fährt keiner alleine mit Faye hier weg.” Das war unser endgültiges, extrem akutes 'Zugriff'. Deshalb nutzte ich auch die Gelegenheit und griff nach Mateos Handgelenk vor meinem Hals, bevor er sich wieder zu mir umgedreht hatte.
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Guti.^^ Fliege am 18. nach Athen und dann von dort aus am 22. nach Zypern bis am 29. :)))) Ja die Tage haben mal wieder zu wenig Stunden und du mit deinen Frühschichten bist verständlicherweise wohl immer müde. x'D __________
Es könnte quasi nicht besser laufen, oder? Gil war nicht bei Faye. Mateo auch nicht, weil der war bei Ryatt. Gil war sogar dumm genug, hier oben zu stehen und ihnen den Rücken zuzukehren. Das Einzige, was gefährlich werden könnte, war Mateo für Ryatt, wenn er sich gleich in die Enge getrieben fühlte. Aber eins nach dem anderen, das bereitete ihr noch keine zu grossen Kopfschmerzen. Musste nur mit einkalkuliert werden, dann passierte ihrem lieben Komplizen da unten schon nichts schlimmes. Sie lauschte dem Wortwechsel exakt so lange wie nötig - also bis das vereinbarte Zeichen von Ryatt kam. Was ein ganz guter Zeitpunkt war, denn spätestens mit Gils dämlicher Äusserung - und waren es nur vier Worte seiner wertlosen Meinung - wäre ihr der Kragen eh geplatzt und sie hätte sich nicht länger hier im Büro büscheln und stillhalten können. Ein letzter Blick zu Mitch und sie verliessen ihre Deckung, um mit ein paar zügigen Laufschritten zum ersten Elend aufzuschliessen. Gil war gerade dabei, auf dem Smartphone, das schon davor in seiner Hand geruht hatte, zu tippen, um Mateos Forderung zu folgen und Riley anzurufen. Da sie sich jedoch nicht mehr akut darum bemühten, sich ihm möglichst leise zu nähern, blickte er in ihre Richtung, bevor sie ihn ganz erreicht hatten. Noch immer deutlich zu langsam, um dem ersten Fausthieb auszuweichen, die Aryana mit sehr viel Vergnügen und ebenso viel Schwung an seine Schläfe setzte. Mitch konnte wohl froh sein, dass er damals in Australien jeweils nur Ohrfeigen und natürlich nie so viel Wucht kassiert hatte, denn Gil liess das Smartphone unkontrolliert fallen und schien allein durch den Aufprall ein paar Sekunden halb benommen um sein Gleichgewicht zu ringen, griff Halt suchend nach dem Geländer. "Das war schonmal für deine letzten vier Worte, zum Rest kommen wir später", spuckte sie ihm ins Gesicht, während sie es dann doch vor allem Mitch überliess, das lauthals fluchende Arschloch endgültig dingfest zu machen. Ein bisschen fragte sie sich schon, wie die beiden so dumm sein konnten… Ryatt stand hier und wusste offensichtlich, wo Faye war. Hatten sie echt auch nur ein paar Sekunden gedacht, dass er alleine aufgekreuzt kam? Mit einem Messer zu einer Schiesserei? Obwohl sie bestens wussten, wie besorgt auch Aryana und Mitch - nicht zu vergessen Victor - un Fayes Wohlergehen waren? Scheinbar schätzten sie Ryatts Intelligenz auf gleicher Ebene beschissen ein wie ihre eigene es in Wahrheit war… tja. Fehler passierten und für diesen hier würden sie gleich die saftige Rechnung kassieren. So von wegen Schiesserei... sie sollte wohl in die Gänge kommen. Mateo hatte die Überraschung mittlerweile überwunden und sich wieder Ryatt zugewandt, mit dem er sich nun ein nettes Gerangel gönnte. Nur war zu erwarten, dass Mateo mehr als nur das eine Messer mit sich herumtrug. Und sie brauchten Ryatt noch. Darum griff Aryana schonmal vorsorglich nach ihrer Waffe, ohne jedoch bereits zu zielen. Sie hielt sie einfach fest umschlossen aber der Lauf richtete sich auf den Boden. Sie hatte im Vorfeld nicht wirklich mit sich abgemacht, ob sie die Pistole benutzen wollte oder nicht. Aber zur Einschüchterung auf Distanz war eine Schusswaffe nunmal weitaus wirkungsvoller als ein Klappmesser. "Lass das Gezeter Mateo, wenn du ihm irgendwas tust, kannst du den Leichenwagen für deinen beschissenen Bruder gleich mit bestellen", forderte sie laut genug für alle Beteiligten, während sie nicht mehr ganz so gestresst die Treppe runter stieg. Wie zu erwarten schenkte ihr der Bruder des Opfers da oben noch nicht sonderlich viel Gehör, bis das Klicken der Waffe in ihren Händen deutlich machte, dass die Sicherung raus war und sie sich etwas mehr Aufmerksamkeit wünschte. "Und für dich", drohte sie ihm genauso unverblümt sein Ableben bei fehlender Kooperation an. Selbstverständlich war Mateos erster Instinkt, sich hinter Ryatt zu verstecken, um den Veteran als Schutzschild zu missbrauchen. Das führte jedoch höchstens für ein unwilliges Augenrollen seitens Aryana. "Sehr erwachsen... Passt zu eurem ganzen amateurhaften Gott-Spielen. Aber eigentlich sind wir hier, um mit dir zu sprechen, nicht mit Ryatt. Und wie gesagt: Dein Bruder würde es bestimmt begrüssen, wenn du dich etwas kooperativer zeigst. Mitch ist zu seinem Leidwesen kaum mit mehr Geduld gesegnet als ich. Also: Hände über den Kopf und gönn uns eine Pause von deinen geliebten Messern", versuchte sie es mit relativ deutlichen Worten, die er auch mit wenig Gehirn verstehen sollte. Mittlerweile zielte der Lauf der Pistole sehr deutlich direkt in seine - und Ryatts - Richtung und Aryana war, mittlerweile unten an der Treppe angekommen, etwa sieben Meter entfernt stehen geblieben. Ihr Blick verriet bestens, dass die Sache mit der fehlenden Geduld kein Witz gewesen war. Sie wollte lieber nicht schiessen - hauptsächlich wegen dem damit verbundenen Knall. Aber wenns anders nicht ging, würde sie den Abzug eben ziehen müssen. Obwohl sie sich sehr viel lieber umschauen, die ganze Halle auf den Kopf stellen und ihre Schwester in die Arme schliessen würde, um sicherzugehen, dass ihr bis hierhin noch nichts schlimmeres als die Entführung an sich zugestossen war.
Der Tag hatte so viele Stunden... So viel zu viele. Normalerweise sagte das keiner und sie sicher auch nicht. Normalerweise sass sie aber auch nicht all die ganzen Stunden eines Tages auf dem Boden eines praktisch leergeräumten Büros einer Lagerhalle. Mit gefesselten Händen und schmerzenden Gelenken. Alleine. Es war gut, dass sie alleine war und kaum Gesellschaft von Mateo, Riley oder gar Gil geniessen musste... Aber unter diesen Umständen stundenlang alleine sein war leider auch pures Gift für den fragilen Frieden ihrer Seele. Sie hatte fast die ganze Zeit hinter dem Schreibtisch an der Wand gesessen, da, wo sie von der Halle aus niemand sehen konnte und sie im Gegenzug auch niemanden sehen musste. Eigentlich war Faye nach der Nachtschicht und der ganzen Aufregung sehr müde gewesen, aber die Sache mit dem Schlafen hatte sich als hässliche Falle entpuppt. Die Alpträume brachen nach gefühlt drei Sekunden über ihr ein und auch sie kämpften unnachgiebig mit Pickel und Hammer gegen den Schutzwall an, den sie im Laufe des letzten Jahres um ihr Herz gebaut hatte. Es war schwer in Worte zu fassen, was ihr alles durch den Kopf ging. Aber es war nichts Gutes. Die Gedanken kreisten immer wieder um die gleichen Baustellen, über die sie nicht nachdenken durfte. Zumindest nicht so. Sie versuchte, sich damit abzulenken, an einem Fluchtplan zu basteln, der dann zum Einsatz kommen sollte, wenn das Worst Case Szenario eintraf und der Tracker nicht funktioniert hatte. Inwiefern das ihre Stimmung hob, sei jedoch dahingestellt... Mateo war tagsüber zweimal bei ihr gewesen und hatte ihr Wasser gebracht und sie im gleichen Zug aufs Klo begleitet. Tatsächlich schmiegten sich die Kabelbinder mittlerweile vor ihrem Körper um ihre geröteten, von den zu ambitionierten anfänglichen Befreiungsversuchen teils aufgeschürften Handgelenke, da sie davon abgesehen hatte, sich heute noch weiter mit ihm unterhalten oder streiten zu wollen. Folglich hatte sie ihn auch nicht wütend gemacht und damit dazu gebracht, ihr diesen minimalen Komfort - wenn mans denn so nennen wollte - nicht gönnen zu wollen. Riley hatte sie bei beiden kurzen Ausflügen auch gesehen. Sie schien zwar am liebsten gar nichts mit Faye zu tun haben zu wollen und aus den dunklen Augen blitzte ihr immer ein Funke Hass entgegen. Trotzdem überwachte Riley nicht besonders unauffällig und relativ akribisch, was Mateo machte. Zumindest bis sie irgendwann abgelöst wurde. Faye hatte gehört, dass der Schichtwechsel ihrer Aufpasser stattgefunden hatte. Und sie hatte es als Zeichen gewertet, sich noch unsichtbarer als davor zu halten. Es hatte ihrer Psyche absolut gereicht, Gils Stimme zu hören. Schweissausbrüche und oberflächliche Schnappatmung, diese unaushältliche Enge in der Brust, Schwindel und Zittern. Und Angst. So viel Angst. Die erste Panikattacke hatte sie durchgemacht, als die Tür der Halle zugefallen und Riley offensichtlich gegangen war. Gil hatte gut gelaunt und lautstark mit Mateo geplaudert. Und sie hatte auf dem Boden gelegen und versucht, nicht zu Ersticken, während die Tränen haltlos über ihre Wangen gerollt waren. Sie wussten nichtmal mehr sicher, wie sie sich wieder beruhigt hatte, da war irgendeine Lücke, als wäre sie tatsächlich kurz eingeschlafen oder auf irgendeine Weise weggetreten. Seit da war es nicht mehr wesentlich besser geworden. Mateo war noch einmal bei ihr gewesen, aber sie hatte zum Glück so wenig getrunken heute, dass sie bisher ohne weiteren Klobesuch auskam. Nur den Kopf geschüttelt hatte, um sich wieder in ihrer Ecke zu verstecken. Sie hatte nicht wirklich eine Ahnung davon, was für Zeit sie hatten oder wie lange sie schon hier sass. Aber scheinbar lang genug, um ihren Körper glauben zu lassen, eine weitere Panikattacke zu verkraften, als Gil plötzlich am Fenster zum Büro auftauchte. Nur für ein paar Sekunden, aber als er direkt nach drinnen spähte und ihre Blicke sich trafen, weil sie sich nirgends so gut verstecken konnte, dass er sie direkt vor der Scheibe nicht doch entdecken würde, brannten nachhaltig ein paar weitere Sicherungen durch. Sie hatte ihn angestarrt und er hatte zurück auf sie runter geblickt und gelächelt. Sie wusste ganz genau, was er hatte sagen wollen. Sie hatte es bestens verstanden, konnte die Augen wie hypnotisiert nicht von ihm reissen, bis Mateo ihn wieder von der Scheibe holte. Wie ein kleines Kind, das Nemo im Aquarium gefunden hatte. Überflüssig zu erwähnen, das die letzten Stunden sie psychisch mal wieder alles gekostet hatten. Mittlerweile waren ihre Augen wieder trocken, ihre Atmung ging flach aber normal. Sie schloss immer wieder die Lider, weil die Erschöpfung sie dazu zwang, obwohl sie nicht wirklich schlafen wollte oder konnte. Ein Poltern liess sie spätabends aus diesem Halbschlaf hochschrecken. Gleich darauf waren Stimmen zu hören. Faye verstand nicht wirklich was von dem Wortwechsel, die Bürotür war immerhin einigermassen dicht und selbstverständlich geschlossen. Aber jemand wirkte aufgeregt. Und natürlich hegte sie aufgrund des Trackers sofort ihre Hoffnungen. Kämpfte sich nochmal auf die Füsse, um möglichst unauffällig in die Halle zu blicken. Was sie sah, liess jegliche Unauffälligkeit sofort hinfällig werden und sie stolperte stattdessen an die Scheibe, um Ryatt deutlich zu machen, wo sie sich befand. Er hatte die Koordinaten des Senders selbst nicht empfangen. Aber es war klar, dass Aryana und Mitch bei ihm gewesen sein mussten. Genauso klar war, dass die beiden auch hier waren. Und es dauerte kaum drei Minuten, da bestätigte sich ihr Verdacht mit Aryana, die die Treppe abwärts gestiegen kam. Mitch sah sie noch nicht. Gil aber auch nicht. Also erübrigte sich die Frage nach dem Wo, während ihre grossen Augen auf Ryatt, Mateo und Aryana hafteten, die sie von hier aus sehr deutlich sehen konnte. Und umgekehrt auch, wie Ryatt bereits bewiesen hatte. Fayes Herz schlug zum wiederholten Mal Alarm der Endstufe. Pure Erleichterung, pure Aufregung. Solange nur niemand ihrer Schwester etwas antat. Oder Mitch. Mal wieder, während sie viel zu viel riskierten, um Faye aus der Scheisse zu holen.
Von Athen erwarte ich bitte gerne einen sehr ausführlichen Bericht. Meine Schwester verteufelt es nämlich und ich will da aber mal hin, hoffe du kannst mir was anderes erzählen. :D
Will ehrlich sein: Musste mich hier dezent abmühen, weil Kopf. Vielen Dank an mein dummes Pferd, das gestern mal wieder meine Psyche gecrasht hat. Steht schon wieder nur noch auf drei Beinen, selbe Sehne im Hinterbein nochmal zerfetzt… hab langsam das Gefühl er will unbedingt sterben. \._.\ Ryatt is jetz auch bisschen kürzer geraten deswegen, weil muss natürlich schon wieder ins Bett, wenn ich morgen nicht aufm Tisch einschlafen will. :') ___
Es hätte mich kaum noch länger als meine Freundin im Inneren des Büros gehalten. Unabhängig davon, dass dafür sowieso die Zeit abgelaufen war. Ein Anruf nach draußen würde uns die nötige Zeit für die anstehende Lektion nehmen. Ich nickte Aryana demnach sofort zu und trat hinter ihr aus dem Büro. Schon immer war ich froh darüber gewesen, dass die starke Brünette in 9 von 10 Fällen bestens auf sich selbst aufpassen konnte – jetzt aber ließ es mir bei Gils Getaumel die Mundwinkel hochzucken, auch wenn meine Gesichtszüge schnell wieder durchweg angespannt waren. Mit einem sehr flüchtigen Seitenblick übers Geländer war klar, dass Ryatt wahrscheinlich Hilfe mit der anderen Pestbeule brauchen würde. Bevorzugt von Aryana, weil sie das bessere Werkzeug dafür in petto hatte. Ich widmete mich also gezielt Gil, der zwar mit einer Hand noch am Geländer um sich zu schlagen versuchte, dank dem saftigen Dämpfer am Rechenzentrum aber ziemlich ineffektiv mit der Luft boxte. Ich kam bei Easterlins Einsätzen nur selten in Berührung mit Nahkämpfen, ging aber nach wie vor regelmäßig zum Kampfsport. Es war also nicht besonders schwer, seiner Faust auszuweichen und nach seinem Handgelenk zu greifen. Ich verdrehte ihm ohne Rücksicht auf Verluste den Arm, was ihn – noch lauter fluchend – dazu zwang, das Geländer loszulassen und sich zu drehen, wenn er nicht wollte, dass mit seiner Schulter Ähnliches passierte, wie mit Fayes. Also noch nicht. Gezielt zog ich ihm mit dem Stiefel noch ein Bein weg, was ihn schnell mit meinem Knie im Rücken zu Boden brachte. Ich schob gerade seinen Unterarm unter besagtes Schienbein, da zog Gil mit der anderen Hand ein Messer und holte nach hinten aus. Der Idiot hätte mich aber nicht mal erwischen können, wäre er fähig zum Zielen gewesen. Ich versetzte mein Knie also um einige Zentimeter in seinen Nacken und hielt seinen Arm am Rücken wieder fest. “Sei nicht so blöd, wie du aussiehst.”, mahnte ich ihn trocken. Leider wirkte das allein noch nicht, es wurde nur weiter gefuchtelt und geflucht. Also verlagerte ich noch mehr Gewicht auf seinen Nacken und verdrehte ihm den Arm stärker. Schließlich ließ er das Taschenmesser mit einem geknurrten Schmerzenslaut fallen und ich nahm mir seinen zweiten Arm. “Na geht doch.”, kommentierte ich seine inoffizielle Festnahme, als ich seine Handgelenke verknüpfte. Kabelbinder kostete im Baumarkt fast nichts, wie sicherlich auch unsere Vollzeitkriminellen bestens wussten. “Willst du mir das Genick brechen?!”, schnauzte er mit hochrotem Kopf atemlos in den Beton vor seiner Nase. “Querschnittslähmung würde dir ziemlich gut stehen, wenn du mich fragst.”, zischte ich. Dann sorgte ich zuerst dafür, dass er wirklich kaum noch Luft bekam, ehe ich mich seinen Beinen widmete. Während das Arschloch noch mit Luftholen beschäftigt war, kettete ich ihm auch die Fußgelenke mit zwei Kabelbindern aneinander, um zukünftige Tritte zu vermeiden. Auch dabei wehrte er sich nur mäßig effektiv. Indessen war Aryana schon die Treppe nach unten gegangen. Ich stand auf, zermalmte das Handy mit dem ohnehin schon gesprungenen Display mit der Ferse und derweil krümmte Gil sich am Boden. Mateo hatte Ryatt als rettendes Schutzschild vor sich platziert und sah erst nur zu Aryana. Bei Erwähnung meiner Person blickte er hektisch zwischen uns beiden hin und her. Um ihm die Entscheidung einfacher zu machen, schnappte ich mir die Fessel an den Füßen seines noch schräg auf dem Bauch liegenden Bruders und schleifte ihn zur Treppe. Dann ging ich gemütlich die Metallstufen runter, die jedes Mal einen dumpfen Schlag quer durch die leere Halle schickten, wenn Gil Ebene um Ebene runter rutschte. Bei jeder Stufe machte sein Genick die nächste Bekanntschaft mit Schmerz, weil sein Kinn immer wieder aufs Neue der letzte Punkt seines Körpers war, der von der harten Kante rutschte. “Es kann schlimm oder schlimmer enden.”, klinkte ich mich zwischen zwei metallischen Echos ein. Ein bisschen wimmerte Gil schon vor sich hin, als er hinter mir mit dem schon völlig zerkratzten Hals auf dem Beton aufschlug. Sein Kinn schmierte etwas Blut auf den Boden, als ich bei Aryana unweit des unteren Treppenansatzes ankam. Ich ließ den Kabelbinder los und Gil rollte sich krächzend auf die Seite, seine Atemnot dabei erneut sehr präsent. Mir rauschte das Adrenalin in den Ohren, wenn auch eher nicht aus Nervosität. Die Situation war leichter, als ich mir ausgemalt hatte.
Ich hasste sie wirklich. Jeden einzelnen dieser mexikanischen Drecksköter, die mir das Leben jetzt schon viel zu lange schwer machten. Ich konnte nicht einschätzen, ob Mateo seinem ältesten Bruder im Faustkampf ebenbürtig war, aber er hatte mehr Kraft als mir lieb war. Inzwischen war ich eigentlich wieder ziemlich fit, aber ich würde nie mehr denselben festen Stand wie früher haben. Als wäre es nicht schon demütigend genug für mich, dass ich ihn selbst mit Technik nicht auf genügend Abstand bekam, um ihm das Fressbrett zu polieren, spielte er natürlich Houdini und zog ein weiteres Messer. Kurzum hielt er mich absolut ausreichend beschäftigt nur damit, nicht wieder eine Klinge im Fleisch zu kassieren. Auch dann noch, als Aryanas Stimme den leeren Raum durchschnitt und noch weiter weg im Hintergrund vermutlich Mitchell mit Gil zu hören war. War nicht so, als hätte ich Zeit, mir mal eben über die Schulter zu gucken. Die Auseinandersetzung endete letztlich damit, dass Mateo mich als menschlichen Schild nutzte. Ein Arm lag dabei um meinen Hals, weshalb ich instinktiv danach griff, um mir Luft zu sichern. Fortan atmete ich ziemlich flach und verlor das Messer aus den Augen, hatte jedoch keinen Zweifel daran, dass er es noch festhielt. In den Lauf einer Waffe zu schauen, hatte ich wirklich nicht vermisst. Wie gut Aryana zielen konnte, wusste ich nicht… dass sie mich nicht leiden konnte jedoch schon. Mir wurde eine ganze Stufe mulmiger. Ich spürte die Klinge letztlich an meiner Seite – da, wo die Schutzweste unter der Jacke deutlich dünner war. Er drückte zu, was Mitchell wiederum dazu animierte, zu Gil zu marschieren und den Schuh auf seinen Hals zu stützen. Ich spürte Mateos hektische Atemzüge im Nacken, als er mehr Druck ausübte und die Jacke der Klinge nachgab. Er testete offensichtlich mal wieder eine Grenze. "Letzte Chance.” Mitchell legte den Kopf schief und Gil biss angestrengt brummend die Zähne zusammen. Der Rest seines Körpers wand sich zunehmend verzweifelt, dank der anhaftenden Gliedmaßen. Mateos Atemzüge stoppten und meine Lunge fühlte sich schon unangenehm eng an. Er fällte eine Entscheidung, nur nicht zugunsten seines Bruders – er rammte mir das Messer in die Seite, ließ mich los und sprintete zur Tür hinter uns. Ich taumelte schwer atmend ein Stück zur Seite, was gleichzeitig die Schusslinie freigab. Mit vibrierenden Fingern griff ich nach dem Messer, das ich nach kurzem Zögern rauszog. Ich spürte stechenden Schmerz, aber verglichen mit Seans Attacke damals nur ein schlechter Scherz: Die dicke Jacke hatte der ohnehin kurzen Klinge des Klappmessers noch mehr Länge geraubt. Den Rest erledigte die Weste, das Messer war fast blutfrei. Der Schock saß trotzdem noch für ein paar Sekunden verdammt tief und ich brauchte einen Moment, um die Schnappatmung in den Griff zu kriegen. Zur Hölle mit Flashbacks.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
Ich werde berichten! XD Was fand deine Schwester denn so schlimm? Ich stells mir eigentlich toll vor… einfach sehr touristisch, aber da kann man nichts machen.^^
Awww ._. Das arme dumme Pony! Ich kenn mich nicht so aus mit sowas, wie schlimm ist es? ._. Hättest dich eigentlich nicht beeilen müssen, ich war gestern den ganzen Tag an einem schönen Ort (Tattoos stechen lel) und dann super spät zuhause und heute musste ich noch Bachelorthesis planen (das war zumindest der Plan) mit meiner Schreibpartnerin… x‘D _________
Kurz fragte sie sich, ob das hier möglicherweise eine ganz beschissene Idee war in Bezug auf Mitchs Psyche. Ob die ihnen bestens bekannten Dämonen damit wieder geweckt wurden. Aber das hätte sie sich wohl früher überlegen sollen. Wobei fraglich war, wie sie das alles denn sonst hätte lösen sollen. Victor hatte zwar gewissermassen um diese Lektion gebeten - sie war aber auch einfach nötig, um zu verhindern, dass sich diese Pestbeulen auf ewig in ihre Leben einmischten. Und Mitch hätte sie nie alleine gehen lassen. Und jetzt war es zu spät für solche Fragen. Sie hatten angefangen und würden die Sache beenden und dass Mitch sie den Rest alleine machen liess, stand sowieso nicht zur Diskussion. So rückten diese Gedanken brav wieder aus dem Fokus und machten Platz für das andere Drama, das sich vor ihren Augen abspielte. Betreffend Ryatt und Mateo, der seine sinnlosen Spielchen spielte, als gäbe es hier noch irgendwas zu diskutieren. Der Lauf ihrer Waffe war sehr direkt auf ihn - auf Ryatt - gerichtet, sie verstand also beim besten Willen nicht, was Mateo im Anschluss zu erreichen versuchte. Im Gegenteil. Sie brauchte viel mehr dringend eine Erklärung dafür, wo genau hier jetzt jegliche Logik versteckt lag. Da waren diese beschissenen Geschwister - machten immer wieder solchen unnötigen und unverhältnismässigen Aufstand, weil ihr verdammter Bruder hinter Gitter sass. Wohlverstanden, er war nicht tot - nur akut verhindert für die nächsten paar Jahre. Aber wenns dann darum ging, seinem anderen beschissenen Bruder das Leben zu retten, indem er eben keinen so sinnlosen Fluchtversuch startete, schien Mateo dieses ganze Drama um den Familienzusammenhalt doch nicht mehr so nah am Herzen zu liegen. Aber Aryana war nicht hier, um etwas zu riskieren und die Waffe war geladen, der Fokus gesetzt. Sie drückte ab, kaum war Ryatt einen halben Meter zur Seite gerutscht und noch bevor das dumme Kind die Tür erreicht hatte. Und weil sie besonders lustig drauf war, schoss sie ihm auch ohne zu zögern von hinten ins linke Knie. Einfach um sicher zu gehen, dass er auch ja fiel und liegen blieb und sein Leben lang etwas davon haben würde. „Man sieht, dass du nur mit Messer, Feuerzeugen und ähnlichem Kinderspielzeug hantierst… sonst wüsstest du vielleicht, dass Weglaufen bei Schusswaffen nicht funktioniert. Dass ich treffe, wenn ich ziele, hättest du dir ja denken können“, wetterte sie vor sich hin, während sie mit zügigen Schritten auf den Neu-Invaliden zuging, der natürlich vor sich hin fluchte, während er noch immer - wenig effizient - die Tür anpeilte. Leider war er aber schon sehr nah dran, weshalb Aryana schlecht zwischen ihn und die Tür stehen konnte, solange er noch immer mit mindestens einem Messer bewaffnet war. "Lass das Messer fallen und Hände über den Kopf oder ich schiesse nochmal", versuchte sie auch vor dem zweiten Schuss mit einer Drohung an seine zwei Hirnzellen zu appellieren. Da diese aber mit Fluchen und zur Tür kriechen beschäftigt waren, passierte selbstverständlich erstmal nichts. Was wiederum auch Aryana einen leisen Fluch entlockte. Scheinbar machte sein Sadismus auch vor sich selbst keinen Halt... was man dann wiederum wohl eher als Masochismus bezeichnen würde aber gut - sie schoss erneut. Hatte davor ein paar Schritte zur Seite genommen, um aus sicherer Entfernung erneut zielen zu können. Der Schuss setzte sich in seinen rechten Unterarm, den er nach der Tür ausgestreckt hatte. Womit klar war, dass er mit dieser Hand eher keine Messer mehr schwingen würde. Dafür mit der anderen, nachdem er sich an der Tür hochgezogen hatte, um nochmal mehr oder weniger auf die Beine zu kommen und sich offensichtlich wutentbrannt und zugleich hilflos wie ein in die Enge getriebenes Tier ihr zuzuwenden. Ryatts Notizen hatten ihr aber verraten, dass Mateo Rechtshänder war. Darauf musste sie vertrauen, nachdem sie die Pistole weggesteckt und stattdessen ein eigenes Messer gezückt hatte. Sie sprang die letzten paar Schritte auf ihn zu, um seiner offensichtlich angedachten Gegenattacke zuvorzukommen und ihm erstmal mit einem schwungvollen Kick in den Bauch wieder die kaum vorhandene Balance zu nehmen. Und weil er dann schon so brav mit Straucheln beschäftigt war, sie dabei aber nicht nahe genug bei sich hatte, um mit dem fuchtelnden Messer erfolgreich gegen sie auszuholen, setzte sie gleich noch einen weiteren Tritt nach und dann noch einen, bis er endlich bäuchlings auf dem Boden lag, wo sie ihn wollte. Sie hatte sich umentschieden und ihr Messer nochmal weggesteckt, weil sie jetzt zuerst die Kabelbinder hervorholte - nachdem sie Mateo ebenfalls von seiner Klinge befreit hatte natürlich, was dank des Falls und der langsam schwindende Koordination seiner Gliedmassen relativ einfach ging. Irgendwie hatte sie sich das mit dem Fesseln schwieriger vorgestellt, da er definitiv stärker war als sie. Aber von der Kraft war akut nicht mehr viel übrig wies schien. Dafür war da etwas zu viel Blut, das die ganze Sache etwas schlüpfrig machte. Zwang sie dann leider auch dazu, die Kabelbinder extra eng anzuziehen, um ein Herausrutschen aufgrund des Blutes zu verhindern. Sehr schade für ihn... Aryana kniete noch immer auf seinem Rücken, als sie nun den Kopf anhob, um sich das erste Mal wirklich in der Halle umzusehen. Sie blickte zu Ryatt, der sich langsam wieder erholt zu haben schien. Sie hatte nicht wirklich mitgeschnitten, was er zwischenzeitlich gemacht hatte oder ob ihn das Messer tatsächlich verletzt hatte. Dann blickte sie zu Mitch und Gil unten an der Treppe. Und dann sah sie das Fenster zum unteren Büro, von dem Ryatt schon heute Morgen geredet hatte. Der Blick ihrer Schwester war irgendwas zwischen komplett verstört und nahezu panisch besorgt, soviel konnte Aryana selbst auf diese Distanz erkennen. Etwa drei Sekunden blieb sie stocksteif sitzen und starrte zu Faye. Eigentlich keine lange Zeitspanne, aber hier in dieser Halle in diesem Moment fühlte es sich nach ewig an. Sie hätte auch sicher noch länger gestarrt, wenn Mateo sich nicht so störend verhalten und sie damit zurück in die Gegenwart geholt hätte. Sie stieg von seinem Rücken, um ihn grob mit Füssen und Händen zurück auf den Rücken zu drehen. "Wo ist der verdammte Schlüssel??", forderte sie eine klare Information ein. Ein kurzer Blick zur Tür hatte schon verraten, dass da kein zweiter Schlüssel dran hing. Selbstverständlich bekam sie keine Antwort und selbstverständlich blieb es folglich ihr persönliches Vergnügen, seine Hosentaschen nach aussen zu kehren um alles darin nach draussen zu befördern. Sein Handy warf sie in hohem Bogen hinter sich ausser Sichtweite. Ein weiteres Taschenmesser folgte. Ein Taschentuch, das sie lieber nicht berührt hätte. Ein Feuerzeug, das sie kurz begutachtete und dann einsteckte. Zigaretten, die flogen. Und: der Schlüssel. Sie wusste, dass das nicht ihrem Part in der Aufgabenteilung entsprach, trotzdem verriet ein Blick zu Ryatt und ein Nicken in Mateos Richtung deutlich, dass er kurz den Wachposten übernehmen musste, weil sie umgehend auf die Füsse sprang und zur Bürotür hinüber eilte. Es war ironisch, dass sie jetzt kaum das Schlüsselloch traf und davor zwei bestens gezielte Schüsse genau da versenkt hatte, wo sie sie hatte haben wollen. Aber irgendwie kriegte sie es doch hin und riss die Tür auch, wollte nichts dringender als einfach nur sehen, dass Faye nicht verletzt, nicht kaputt, nicht tot war.
Das hatten sie schon einmal gehabt. Mit dem Unterschied, dass sie letztes Mal nicht hinter einer Scheibe gestanden und zugeschaut hatte. Und irgendwie bevorzugte sie die andere Version diesbezüglich auch. Sie wollte und vor allem sollte das nicht sehen. Eigentlich sollte sie einfach wegschauen. Sich umdrehen und warten, bis die Geräusche versiegten. Tat sie aber natürlich nicht, weil sie wie gebannt vom Schauspiel war, das sich in der Halle abspielte. Sie konnte nicht beobachten, wie Mitch Gil die Treppe runter beförderte, aber sie hörte die Metalltreppe und sie konnte ihn sehr wohl sehen, als er unten ankam. Sie konnte Gil sehen, der schon dezent lädiert aussah. Sie konnte Mateo dabei zuschauen, wie er Ryatt vor sich stellte und mit einem Messer bedrohte. Verstand zwar nicht, was Mitch oder Aryana redeten, aber sie sah den Lauf der Waffe. Bekam mit, wie Mitch Gil den Atem raubte. Sie sah den Schuss. Hörte auch den zweiten. Blickte auf das Blut. Ihre Schwester, die diese Pestbeule fesselte... Und plötzlich sah sie sie an. Und Faye starrte zurück. Ihr Kopf war wie leer gefegt und sie nicht mehr fähig, zu denken. Sie sollte froh sein, verdammt noch mal erleichtert. Stattdessen fühlte sie sich taub und elend. Aryana kam auf das Büro zugerannt, riss die Tür auf, kaum war sie entriegelt. Und nochmal starrten sie sich sekundenlang an, bevor Aryana nach drinnen kam und Faye in ihre Arme schloss. Faye wollte die Umarmung instinktiv erwidern, wurde jedoch von den Fesseln an ihren Händen daran erinnert, dass das aktuell keine Option war. Und so war ihre erste Reaktion nur ein atem- und tonloses "Danke". Ein einziges Wort, das so vieles bedeutet könnte. Das so vieles noch verbarg, während Aryana sich nochmal zurückzog, um sie erneut zu mustern, nur um dann endlich das Messer hervorzuholen und die Kabelbinder auf zu schneiden. "Komm, Ryatt bringt dich sofort weg von hier", das war eindeutig keine Frage und das wir reden später in Aryanas Worten war unüberhörbar. Faye wollte ihr eigentlich mehr sagen. Wollte Aryana bitten, auch mitzukommen. Wollte fragen, warum sie nicht mit ihr verschwinden konnte. Wolle ihr sagen, dass alles gut war und sich richtig dafür bedanken. Aber ihr Hals war so trocken und ihr Kopf nicht in der Lage zu denken, sodass sie sich fast kommentarlos aus dem Büro und durch die Halle führen liess. Ein einziger, kurzer Blick zu Mitch, ansonsten starrte sie vorzugsweise den Boden an. Schwer bemüht darum, nicht direkt wieder in den gleichen Gedanken zu versinken, die sie vor einem Jahr fast das Leben gekostet hätten. Aryana führte sie zur Tür, drehte den Schlüssel und schob sie nach draussen. "Wir kommen nach, Ryatt bringt dich in Sicherheit. Du kannst... ich weiss nicht... mach bitte nichts Dummes, ich bin wirklich bald bei dir", das war eine Verabschiedung - eine dezent überforderte Verabschiedung seitens ihrer Schwester. Aber selbst die wirkte nicht so überfordert wie Faye sich fühlte, während sie lediglich ein Kopfschütteln zur Antwort präsentieren konnte. "Passt... passt auf, Aryana... bitte", waren die einzigen leisen Worte, die sie gerade noch so zusammengebastelt bekam, bevor Aryana mit einem sachten Kopfschütteln wieder nach drinnen verschwand, um ihr wohl wie versprochen Ryatt nachzuschicken. Es war ein weiterer Moment in Aryanas Leben, in dem sie wunderbar feststellen konnte, dass sie nicht mit zu starken Emotionen umgehen konnte. Dass es einfacher war, sich wieder nach drinnen zu wenden und ein unberührtes Pokerface aufzusetzen, als sich hier und jetzt um ihre Schwester zu kümmern. Beinahe gut, dass das auch nicht ihre Aufgabe war. "Bitte räumt draussen noch die Leiter weg... die Schüsse haben sicher ausreichend für zusätzliche Aufmerksamkeit gesorgt", bat sie Ryatt ganz rational um einen kleinen Gefallen, während sie nach Mateos Handgelenken griff, um ihn auf die Füsse hoch zu ziehen, damit er endlich einen intelligenteren Abstand zur Tür aufbaute.
Naja sie fand zum einen (obwohl Offseason) wirklich viel zu viele Touristen und zum anderen hatte Athen vor paar Jahren wohl auch ein seeehr starkes Drogenproblem. Überall Junkies, rumliegende Spritzen, etc... Ich hoffe jetzt, dass du mir im Anschluss sagen kannst, dass zumindest letzteres wieder besser ist. Hab nicht so Bock auf sowas, dafür kann ich auch einfach den Frankfurter Hauptbahnhof besuchen. x'D
Naja er kann das betroffene Gelenk mit den Sehnen nur noch schwer überhaupt durchdrücken, es ist extrem angeschwollen und heiß... also mindestens "schon etwas schlimmer". Ich bete, dass die kühleren Temperaturen beim zügigen Abschwellen helfen, bisher hat sich aber leider noch fast nix getan. :') Ums beeilen gings mir mitm Schreiben auch gar nicht, aber ich will die zeitliche Lücke zwischen den Posts nicht wieder so groß werden lassen, aus Gründen, die wir beide bestens kennen. Aber das verletzte Tier kostet mich jetzt natürlich auch wieder mehr Zeit als normalerweise... :'D WAS WURDE GESTOCHEN? Hallohooo, ich muss das wissen, so als tätowierte Kriminelle. <.< x'D _____
Ich bekam nur am Rande mit, was sich direkt hinter mir abspielte. Stattdessen blickte ich unregelmäßig atmend auf den Hauch von Blut an der Spitze der Klinge in meiner Hand. All das fühlte sich viel zu sehr wie ein Deja Vu an, das mein flatternder Brustkorb lieber nicht erlebt hätte. Glücklicherweise war Aryana keine Amateurin an der Pistole, andernfalls hätte mich leicht eine weitere Attacke erwischen können. Auch wenn ein einziger Knall allein nicht ausreichte, um Mateo davon zu überzeugen, dass er hier nicht wegkam. Der zweite Schuss ließ mich zucken und kurz die Luft anhalten, ehe ich mich aufrichtete und mit einem tiefen Atemzug all die Bilder wegblinzelte, die vor meinem inneren Auge aufgeflackert waren. Das Messer krampfhaft umklammert ging ich lieber noch zwei, drei Schritte weiter von Mateo weg. Mit einem kurzen Blick in seine Richtung konnte ich sehen, dass Aryana ihn im Griff hatte und das reichte mir für den Moment. Meine Augen wanderten daraufhin kurz zu Mitch, der Gil noch immer keine Luft zum Atmen gab – sein Röcheln wurde immer dünner, was mich jedoch nicht interessierte. Ähnlich wie Mitchs musternder, kritischer Blick. Faye hingegen war wichtig, weshalb meine Augen in ihrer Richtung hängen blieben. Es brauchte kaum mehr als einen kurzen Blick in dieses völlig verstörte Gesicht, um die nächste Welle Selbsthass in mir auszulösen. Ich würde mir das nie verzeihen. Nichts von Alledem. Ich ertrug ihren Anblick nicht lange, also konzentrierte ich mich dann doch auf das Spektakel unweit hinter mir. Mateo war inzwischen verschnürt und Aryana suchte nur noch nach dem Schlüssel, den er nicht rausrücken wollte. Auch dabei hatte er aber gar keine Wahl und ich nickte der älteren Cooper bloß flüchtig zu, bevor ich näher an Mateo herantrat, um ihren Posten vorübergehend zu übernehmen. Schusswunden verursachten leider meistens ziemlich viel Blut. Die roten Spuren um ihn herum waren das einzige, das mich davon abhielt, von dem Messer in der Hand Gebrauch zu machen. Er sollte besser nicht sterben, nur leiden – auch wenn das irgendwie nicht in meiner Hand lag. “Das wirst du bereuen.”, spuckte Mateo mir wortwörtlich vor die Füße. Ich sah einen Moment auf den nassen Fleck, bevor ich ihn direkt ansah und auf ihn zuging. “Ich bereue eine ganze Menge… aber das hier”, ich trat gegen sein angeschossenes Bein, “am allerwenigsten.” Erst schrie er auf, dann fluchte er wieder auf Spanisch. Mühselig setzte er sich auf, hielt dann aber still. Das Messer behielt ich trotzdem fest in der Hand, nur für den Fall. Erst als ich Aryanas und Fayes Schritte näher kommen hörte, sah ich wieder von Mateo auf. Ich war erleichtert, dass die zierliche Brünette verhältnismäßig unverletzt wirkte. Sie konnte gehen, sie krümmte sich nicht vor Schmerz, war nur überdeutlich erkennbar am Ende mit den Nerven. Nur. Mit einem trockenen Schlucken sah ich doch lieber zurück zu Mateo, während die Schwestern an uns vorbeigingen. Aryana kam kurz darauf zurück und schnappte sich das Arschloch, während ich mich schon im Rückwärtsgang der Tür näherte. “Mach ich.”, versicherte ich ihr auf halbem Wege und nickte. Noch ein kurzer Blick zu Mitch, der gerade den Fuß von Gils Hals nahm und dann drehte ich mich endgültig um, um dieses Rattenpack hoffentlich ein für alle mal hinter mir zu lassen. Ich zog die Tür zu und war erneut mit Faye konfrontiert – dem vollen Ausmaß meiner Sünden und Fehler. Sie sah kein bisschen wie sie selbst aus. “Wir müssen die Leiter noch holen, dann verschwinden wir.”, murmelte ich ihr zu. Lauter zu sprechen war nicht nötig, weil sie sich kaum von der Tür wegbewegt hatte. “Faye… wir müssen hier weg.", appellierte ich ein weiteres Mal an sie, als ich die Stufen schon nach unten gegangen war und sie mir nicht sofort folgte. Erst dann löste sie sich aus ihrer Starre und ich ließ sie zuerst aufschließen, bevor ich mich in Bewegung setzte und den Umweg um die Hallenseite mit dem Fenster nahm. Ich nahm das Teil von der Wand, mit einem Ohr und einem Auge gleichzeitig immer bei der deutlich wertvolleren Fracht. Die Leiter war relativ schnell zusammengeklappt und nach einem weiteren Blick zu Faye setzten wir unseren Weg fort. Am Zaun entlang bis zum offenen Tor und ich machte eintausend Kreuze, dass keine Schreie von drinnen zu hören waren. Zumindest bis jetzt nicht, wo wir bei dem Kombi ankamen und ich den Kofferraum öffnete. Ich sah wieder zu Faye, sämtliche Emotionen bestmöglichst runterschluckend. “Wasser und eine Decke liegen auf dem Beifahrersitz, falls dir….”, ließ ich sie wissen, vollendete den Satz jedoch nicht. Sie sah nicht akut unterkühlt aus, aber möglicherweise wollte sie sich dringend vor der Welt verkriechen. Inklusive mir. Deswegen beschäftigte ich mich lieber weiter mit dem Einladen der Leiter. Ich legte hastig einen Teil der Rückbank um, damit sie längs reinpasste und einigermaßen stabil drin lag. Danach stieg ich unverzüglich ein und ließ den Motor an. “Hast du den Schlüssel für die Wohnung?”, fragte ich Faye und fuhr noch nicht sofort los. Falls ihr Jemand den Schlüssel abgenommen hatte, war der vielleicht noch drinnen. Falls sie den gar nicht in der Jacke oder der Hose gehabt hatte, lag der vielleicht noch ganz woanders. In ihrem Auto beispielsweise, das nie Zuhause angekommen war. Ich hatte bekanntlich keine Wohnung mehr außerhalb Easterlins Mauern – die Wohnung des Paares war also die einzige Anlaufstelle für uns und irgendwie hatte ich die Schlüsselsache bis jetzt nicht bedacht. Aber kein Wunder, war ein Scheißtag.
Ich behielt sowohl Aryana, als auch die Kugeln im Blick, während Mateo eine äußerst dumme Idee verfolgte. Hatte er Ryatt jetzt umlegen wollen, weil er offensichtlich nicht mehr von ihm bekommen würde, was er und seine hirnrissigen Geschwister wollten? Dass er seinen Bruder unter meinem Gewicht einfach hätte ersticken lassen, wäre er mit dem Fluchtversuch durchgekommen, war ziemlich dicke Doppelmoral. Ich ließ Gil noch eine ganze Weile kaum Luft zum Atmen. Ziemlich genau so lange, bis ich sicher war, dass hinsichtlich Mateo alles in trockenen Tüchern war und ich an der Stelle nicht helfen musste. Ryatt wirkte kurzzeitig etwas abwesend und geschockt, wohl der Messerattacke wegen. Zu unser aller Glück fing er sich wieder – das war relevant dafür, dass er Faye gleich eskortieren sollte. Die Situation war insgesamt verhältnismäßig schnell unter Kontrolle. Aryana ging mit Faye nach draußen. Ich bemühte mich darum, das gereizte Funkeln in meinen Augen vorübergehend wegzufegen, als die jüngere Cooper mich ansah. Nickte ihr kaum sichtbar zu und blinzelte dabei langsam, aber selbst das vermochte sicher nicht gänzlich die Anspannung in meinen Gesichtszügen zu vertreiben. Ich merkte selbst, wie ich innerlich zurück in eine Spur kippte, die ich lieber für immer hinter mir gelassen hätte. Leider vertrug der neue Mitch diese Form von Gewalt seelisch deutlich schlechter als der alte. Insgeheim hatte ich die Hoffnung, die heutigen Erlebnisse später wieder mit den Dämonen auf die andere Seite der Mauer zu kehren. Dorthin, wo sie dem Frieden und der Ruhe, die ich weiß Gott am liebsten vor der ganzen beschissenen Welt – selbstverständlich exklusiv Aryana – haben wollte, nichts anhaben konnten. Aber das war vermutlich wie ein Pokerspiel mit gezinkten Karten, die nicht in meiner Hand lagen. Ryatt verschwand hinter Faye nach draußen, die Tür fiel zurück ins Schloss. Während Gil mit einem heftigen Atemzug nach Luft rang, kam Mateo unter Aryanas Einwirkung zurück auf die Beine. Ich griff nach Gils Arm, um ihn zum Fuß der Treppe zu ziehen. Er hustete und kaum hatte er genug Luft, wetterte er los: “Du hättest mich mit diesen Psychos alleine gelassen?!” Das richtete sich wohl an Mateo, was ich nur belächelte, ehe ich ihn auf die Füße zerrte und dann seine Handgelenke mit einem weiteren Kabelbinder an einer Querstrebe des Treppengeländers festmachte. Er wehrte sich auch dabei wieder ein bisschen. Wir hatten leider nur einen dieser netten Pfosten im Raum, da musste man improvisieren. Aber auch auf diese Weise brauchte man Gil nur die Füße nach vorne wegzuziehen, um ihm ein bis zwei Schultern auszurenken. “Ich wär doch mit Hilfe zurückgekommen, du Idiot.” Fraglich, wer jetzt hier der Dümmere von beiden war, aber das Gezanke hatte Unterhaltungspotenzial. “Wenn ich dann halbtot bin? Schon vergessen, dass ich ihre Schwester…” Ich ließ Gil nicht ausreden, sondern donnerte ihm mein Knie in den Bauch. Seine Überlebenschancen stiegen nicht, wenn er das nochmal aussprach und eigentlich wollten wir heute ohne weitere Morde auf dem Konto nach Hause gehen. Während das Stück Scheiße sich würgend nach vorne krümmte, so weit die Fesseln es ihm erlaubten, sah ich zu Aryana. “Welchen willst du?”, fragte ich sie grade heraus, weil ihre Verbindung zu dem Übel hier direkt vor mir doch nochmal ein Stück weit persönlicher war. Ich berücksichtigte ihre Präferenz da gerne, weil es für mich keinen Unterschied machte, wem von beiden ich nun wehtat. Wir sollten aber unser Zeitfenster hier nicht zu sehr provozieren, nachdem die Schüsse durch die ganze Nachbarschaft gehallt sein mussten. Also besser gleich zur Sache und solange ich auf eine Antwort wartete, knetete ich mir die Fäuste. Aufwärmen, keine eigenen Verletzungen riskieren und so.
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Na dann bin ich jedenfalls vorgewarnt, ich werde dich updaten.. xD Oh mann das arme Pferd... ._. Ich drück euch ganz fest die Daumen, dass es möglichst bald wieder gut wird! Kann mir echt vorstellen, wie stressig das ist... :/ Das ist natürlich gut und auch in meinem Sinne, ich bemühe mich ebenfalls. Aber es ist grad echt sehr zeitaufwendig mit zwei Charas parallel. x'D __________________
Sie liess Ryatt mit Faye ziehen und blickte ihm ein paar Sekunden lang nach. Mehr blieb ihr dazu nicht, da sie sich prioritär um ein anderes Problem kümmern musste. Ein für alle mal hoffentlich, damit nie nie wieder einer von ihnen auf diese beschissene Familie treffen musste. Sie half Mateo nicht besonders gerne dabei, wieder auf die Beine zu kommen. Aber das hier war sowieso insgesamt nur ein notwendiges Übel und definitiv kein Spass für irgendwen. Sie hätte lieber niemals Bekanntschaft mit Mateo oder Gil gemacht, aber das Leben war eben kein Wunschkonzert und da waren sie nun. Da Mitch nett genug war, ihr den Pfosten frei zu lassen, während er Gil am Geländer festmachte, brachte sie Mateo zu genau diesem Pfosten und band ihn dort an den Armen und Beinen fest. Nicht ohne Protest und mässig sinnvollen Verteidigungsversuchen. Die Tritte von vorhin hatten seiner Koordination aber doch mehr zugesetzt, als er sich wohl selbst eingestehen wollte und so sass er trotzdem ohne Frage am kürzeren Hebel. Mit seinen gebundenen Händen sowieso. Sein Bruder tat, kaum bekam er ausreichend Sauerstoff, damit er seinen beschissenen Mund nicht mehr nur zum nach Luft schnappen öffnen konnte, sofort seinen Unmut bezüglich des erfolglosen Fluchtversuches kund. An und für sich wäre es Aryana relativ egal, wenn die zwei sich hier angifteten, während sie wohl langsam aber sicher realisierten, dass sie mindestens knietief in der Scheisse steckten. Eigentlich. Wenn Gil nicht dumm genug wäre, ihre Schwester zu erwähnen. Allein für dieses halbe Geständnis erntete er einen Blick, der nichts als puren Hass in sich trug. Glücklicherweise war Mitch schnell genug, ihn beim Sprechen zu unterbrechen, bevor er noch mehr Bullshit von sich gab oder sie ihm aus Versehen die Hauptschlagader aufgerissen hätte. Zu Mateos persönlichem Pech führte ihre Wut unbewusst dazu, dass seine Fessel enger gezogen wurde, als das eigentlich ihre Absicht gewesen wäre. Allerdings ein verkraftbarer Kollateralschaden, wenn man sie fragte. Mitchs Frage erreichte sie, als sie gerade wieder hinter Mateos Rücken nach vorne in sein Blickfeld trat. Gar nicht so einfach, wenn er sie direkt vor die Wahl stellte... Instinktiv hätte sie sofort zu Gil tendiert, weil sie sich gerne persönlich für all das gerächt hätte, was er Faye angetan hatte. Aber vielleicht war das eine sehr schlechte Idee, weil sie nicht garantieren konnte, dass sie ihn nicht wirklich umbrachte, wenn sie erstmal angefangen hatte und sein Blut plötzlich ziemlich unkontrolliert floss. Das wäre schlecht. Sie hatten schon jetzt zu viele Spuren hinterlassen, um hier todsicher ungestraft mit Mord davon zu kommen. Aryana zuckte schwach mit den Schultern, was ihren Zwiespalt ausdrückte. "Vielleicht besser nicht das Schwein, wenn wir nicht riskieren wollen, dass uns heute Nacht tragischerweise einer verlässt... Auch wenns einer wäre, den die Welt nicht vermissen würde", sie nickte schwach in Gils Richtung, um Mitch deutlich zu machen, von welchem Schwein sie redete. Wesentlich besser war Mateo ja nicht, wenn sie Fayes Schilderungen der Nächte in der Scheune glaubte. Das Einzige, was Mateo von Gil abhob, war die Tatsache, dass er es scheinbar nie darauf abgesehen hatte, Faye für irgendwelche sexuellen Fantasien zu missbrauchen. Und sie war sich sicher, dass er jetzt sehr froh darum war, das nicht getan zu haben. "Tief durchatmen Kleiner, viel Zeit bekommst du dafür nicht", wandte sie sich mit einem sarkastischen Appell an Mateo. Dann trat sie nochmal von ihm weg, um zuerst die Tür von innen abzuschliessen, und dann die Treppe hoch nach oben zu gehen. Im Büro schloss sie auch das Fenster, welches bislang noch offen gestanden hatte, löschte das Licht in dem kleinen Raum und zog dann die Bürotür zu. Reine Vorsichtsmassnahmen. In erster Linie wollte sie verhindern, dass Faye, falls sie, aus welchem Grund auch immer, noch nicht vom Grundstück verschwunden war, irgendwas hiervon mitbekam. Aber es ging nicht nur um Faye, sondern auch um alle anderen Menschen, die potenziell in der Nähe waren. Sie brauchten keine Zeugen für allfällige Schreie. Genau genommen brauchten sie ganz grundsätzlich keine Schreie. Aber mal schauen, wie tapfer sich die beiden Brüder gleich schlagen würden - Aryana würde sich bei Bedarf sicher auch dafür zu helfen wissen. Gefesselte Menschen waren schnell stummgeschaltet. Zurück am Ort des Grauens konnte sie sich fortan ohne weitere Sorgen um ihre Leinwand zur Entfaltung ihrer persönlichen Kreativität kümmern. Wobei sie eigentlich gar nicht so viel Kreativität zu zeigen brauchte. Sie wusste ja ungefähr, was Mateo Victor angetan hatte und wofür er ebenbürtig büssen sollte. Plus ein bisschen was oben drauf, weil er sich gewagt hatte, Faye nochmal zu entführen und damit er nicht auf die Idee kam, sich nochmal in ihrem Leben blicken zu lassen. Die Schusswunden gehörten schonmal zu diesem kleinen Plus, aber die hatte er ausschliesslich seiner Dummheit zuzuschreiben. War sicher angenehm, mit einem durchlöcherten Knie an diesem Pfosten zu stehen. Aber das war nicht ihre Schuld, wenn er zu dumm war, um seine Fluchtchancen richtig zu kalkulieren. Aryana klappte das Messer auf, welches sie zwischenzeitlich aus ihrer Tasche geholt hatte. "Wie hast du damals nochmal angefangen...", redete sie andächtig vor sich hin, blickte ihm berechnend in die Augen, während die Klinge sich langsam seinem Gesicht näherte. Der Hass, der weiterhin unverkennbar in ihren Augen funkelte, verhiess sehr sicher keine Nachsicht. Und das war Mateo auch bewusst, so wie er an seinen Fesseln zerrte, als hätten Kabelbinder jemals wegen eines bisschen Gegendrucks in ihrem Dienst versagt. Das Messer traf auf seinen Hals und sie hatte keine Lust auf lange Spielchen. Das Blut quoll fast augenblicklich aus der neuen Wunde, die sie seinen Hals abwärts zu seiner Brust zog. Und weil das Blut so faszinierend war und sie immerhin davon absah, das Messer allzu tief in seine Haut zu drücken, stoppte sie nicht an seiner Brust, sondern zerschnitt auch sein Shirt - und die darunter liegende Haut - bis zum Bund seiner Hose. Victor und Faye hatten auch keinen Stoff am Körper getragen, der sie halbwegs sinnvoll vor der Brutalität ihrer Gegner geschützt hatte. Sie sah nicht ein, warum Mateo sowas verdienen sollte. Seine Flüche und Verwünschungen ihrer Person, die von verdammte Psychobraut bis zu scheiss Schlampe so ziemlich alles beinhalteten, trugen sicher auch nicht zu mehr Nachsicht ihrerseits bei. Das Messer wanderte vorerst zurück in ihre Tasche, nachdem sie die Klinge an seinem zerfetzten Shirt saubergemacht hatte. Stattdessen holte sie das Feuerzeug heraus, welches sie ihm vorhin abgenommen hatte. Sie hätte ein eigenes dabei, aber es gab keinen Grund, weshalb sie ihren eigenen Sprit für die Flamme aufbrauchen sollte, die er sich selbst zu verschulden hatte. Sein Gesichtsausdruck beim Anblick des Feuerzeuges zeigte überdeutlich, wie gut er sich an Victor erinnerte. Wie genau er wusste, was jetzt kam. Aber da war zu wenig Reue, kein Funken Schuldbewusstsein. Kein Grund für sie, die Flamme nicht an seine Haut zu führen. "Karma.", hauchte sie ihm zu, als sie das Feuerzeug vor sein Gesicht hielt und die Zündung drückte. Sie spürte die Wärme der Flamme, während sie diese langsam unter sein Kinn führte. Sie war sich noch nicht sicher, welches Körperteil sie ihm gerne verbrennen wollte - aber das Kinn war bestimmt ein guter Anfang. Hatte er in der Vergangenheit bestens bewiesen.
Mitch sollte nicht hier sein. Aryana sollte nicht hier sein. Eigentlich sollte nichtmal Ryatt hier sein - genauso wenig wie sie selbst. Und doch hatten diese verdammten Schlangen es geschafft, sie alle hierher zu bringen. Faye starrte die Tür an, auch nachdem Ryatt diese sorgsam wieder geschlossen hatte. Auch als er mit ihr sprach. Auch als er sich langsam entfernte. Alles in ihr sträubte sich dagegen, Mitch und Aryana jetzt alleine mit diesem unberechenbaren Abschaum hier zurück zu lassen. Aber sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte. Weil sie nicht stark genug war, um selbst zu helfen und auch nicht stark genug, um sich alleine zu verteidigen. Ryatt sprach wieder mit ihr. Forderte sie dazu auf, ihm zu folgen. Es brachte keinem was, wenn sie hier stehen blieb... sie wusste es ja. Trotzdem wirkte sie keinesfalls sicher, als sie die Treppe nach unten stieg und dabei starr die Betonstufen anvisierte. Ryatt räumte noch eine Leiter weg auf der Seite der Halle. Wahrscheinlich die, die Aryana und Mitch gebraucht hatten, um plötzlich in der Halle aufzutauchen. Nach diesem Zwischenstopp trottete sie hinter ihm her zu seinem Auto, versuchte krampfhaft, ihren Kopf in den Griff zu bekommen. Mal wieder. Man könnte meinen, sie sollte das langsam auf Knopfdruck schaffen. Was nicht ganz der Fall war, offensichtlich... Erst jetzt, als er zum dritten Mal mit ihr sprach, hob Faye den Blick an, um Ryatt dabei anzuschauen. Sie nickte etwas verlangsamt, nahm den Hinweis als Aufforderung wahr und begab sich zum Beifahrersitz. Ihre Augen fanden nochmal die Halle, blieben ein paar Sekunden hängen, während sie innerlich betete, dass Aryana und Mitch so rasch wie möglich unversehrt wieder hier weg kamen. Viel mehr konnte sie nicht mehr tun, bevor sie die Tür aufzog um sich nach drinnen zu setzen. Sie hatte die Decke und das Wasser davor vom Sitz genommen und legte nun beides auf ihren Schoss, während ihre kalten Finger nach dem Gurt griffen, um sich anzuschnallen. Eigentlich sollte ihr nicht kalt sein. Das Büro war einigermassen warm geworden mit der Zeit und sie trug noch immer ihre Jacke. Zwischenzeitlich hatte sie auch geschwitzt, aber das war wieder ein paar Stunden her. Hier draussen war es kalt und so legte sie die Decke behutsam über ihre Beine, bevor sie mit ebenfalls langsamen, vorsichtigen Bewegungen die Flasche öffnete. Faye versuchte, sich ganz auf diese kleinen Tätigkeiten zu konzentrieren, auf das Trinken und den Geschmack des Wassers, als dieses ihre trockene Kehle befeuchtete. Es half ihr dabei, den Rest langsam beiseite zu schieben. Irgendwo nach hinten, wo sie sich später drum kümmern konnte. Irgendwann, wenn sie alleine und ihre Schwester und Mitch in Sicherheit waren. Ryatt setzte sich hinters Lenkrad, als sie bereits die halbe Flasche mit kleinen Schlucken getrunken hatte. Er stellte ihr eine Frage, die glücklicherweise relativ leicht zu beantworten war. Sofern sie sich richtig erinnerte jedenfalls. Sie schüttelte sie schwach den Kopf. "Nein... Ich... ich glaube, der ist in meinem Auto... also beim Krankenhaus...", setzte sie indirekt einen Zwischenhalt für die geplante Heimfahrt. Es wäre rational betrachtet sowieso nicht schlecht, wenn sie bei ihrem Auto vorbei gingen. Sie traute sich zwar nicht unbedingt zu, das Fahrzeug zu dieser Stunde alleine nachhause zu fahren, aber vielleicht konnten sie ja neben dem Hausschlüssel auch ihre Tasche und ihr Handy holen. Und den Autoschlüssel an sich, falls der tatsächlich stecken geblieben war und Mateo ihn nicht aus unerklärlichen Gründen mitgenommen hatte. Sie war sich leider nicht ganz sicher, da sie vom Verlassen des Autos nicht viel mitbekommen hatte. Faye schraubte den Deckel bedächtig zurück auf die Flasche, die nur noch maximal ein bis zwei Deziliter Wasser beinhaltete. Sie hätte sie auch austrinken können, aber vielleicht wollte sie lieber später noch ein paar Schlucke übrig haben. Beispielsweise dann, wenn sie ihr Auto wiedersah. Für den Moment verstaute sie die Flasche in der dafür vorgesehenen Halterung in der Beifahrertür. Sie wickelte ihre Hände in die Decke ein, um sie vor sich selbst zu verstecken. Und um ihren Kopf weiter im Moment zu halten, irgendwie zu beschäftigen, damit er nicht in die dunklen, ihr leider nur zu gut bekannten Gefilden der Selbstvorwürfe versank. "Danke, dass ihr gekommen seid...", hauchte sie nach ein paar Minuten leiser als beabsichtigt und ohne den Kopf anzuheben vor sich hin. Die Worte waren für Ryatt bestimmt und es war in diesem Fall sicher Glück, dass der Kombi sehr leise fuhr und ihre Worte nicht in Motorengeräuschen versanken.
Ja du der Zeitaufwand ist mir leider auch SEHR bewusst... Ryatt konnte ich jetzt auf der Arbeit schreiben, für Mitch hats nicht gereicht. Den schaff ich hoffentlich morgen Mittag noch vor der Arbeit, aber kann ich nicht garantieren, deswegen poste ich Ryatt schonmal. Wenn ichs nicht schaffe, kannst du dann immerhin schonmal heimlich still und leise Faye schreiben, bis ich den zweiten Chara fertig habe... x'D _______________
Sowohl die Decke, als auch die Wasserflasche hatten ihre Daseinsberechtigung bekommen. Ich checkte mit einem kurzen Blick, ob die Heizung im Wagen noch genauso weiterlief wie vorhin, obwohl das unnötig war. Wohl nichts davon würde ihre innere Unruhe nachhaltig stillen. Faye wirkte noch immer fast ein bisschen wie hypnotisiert, als sie mir auf die Frage antwortete. Nur insofern präsent, dass sie gerade so gedanklich mitkam. Ich nickte langsam auf ihre Worte, ehe ich das Auto vom Straßenrand weglenkte und den Weg zu Fayes Arbeitsplatz einschlug. Es war natürlich ein Umweg und ich hätte die zierliche Brünette lieber auf direktem Weg hinter vermeintlich sichere Wände gebracht. Ging nur schlecht ohne Schlüssel und außerdem wäre es auch gut mal nachzusehen, ob ihre Wertsachen denn noch alle da waren. Schon nur wegen dem Geldbeutel. Wenn Führerschein und andere Karten weg waren, dann müsste sie das neu beantragen und das war auch blöder, so mitten im Umzug. Der Gedanke daran, mich verabschieden zu müssen, war sogar noch schmerzhafter als ihre Präsenz. Ich sah beim Fahren immer wieder kurz zu Faye rüber, wenn die Strecke es mir erlaubte. Auch die paar Worte, die sie irgendwann so dahin flüsterte, dirigierten meine Augen in ihre Richtung. Ich schluckte stumm das innere trockene Lachen runter und atmete seufzend durch. Wünschte mir, sie hätte das nicht gesagt. Es fühlte sich absolut falsch an, Dank für eine Rettungsaktion anzunehmen, die ich überhaupt erst verursacht hatte. "Mir solltest du dafür nicht danken…", murmelte ich nach ein paar stillen Sekunden, begleitet von einem leichten Kopfschütteln. Ich wollte den Satz nicht weiter ausführen in der Hoffnung, dass es damit erledigt war. Auch wenn sie für Faye Familie waren und die beiden es wohl als sowas wie selbstverständlich ansahen, waren Aryana und Mitch die einzigen, die Fayes Dankbarkeit an dieser Stelle verdienten. Die restliche Fahrt zum Krankenhaus über vermied ich es, sie anzusehen. Was vielleicht ganz gut war, weil ich so mehr Zeit dafür hatte, in den Rück- und die Seitenspiegel zu sehen. Das Adrenalin waberte sicherlich noch immer durch meine Adern, aber ich nahm den feuchten Fleck unter dem Tshirt das erste Mal richtig wahr. Es konnte keine schlimme Verletzung sein, doch aufgehört zu bluten hatte sie scheinbar noch nicht – dafür bewegte ich mich schlicht zu viel. Ich würde trotzdem erst später danach sehen. Der Parkplatz war bald ohne weitere Zwischenfälle erreicht und ich sah mich nach Fayes Auto um. Schließlich hielt ich den Kombi direkt am Heck des Wagens an, womit ich streng genommen auch die beiden Parkplätze links und rechts davon blockierte. “Ich hol’ deine Sachen.”, ließ ich Faye mit einem kurzen Blick in ihre Richtung wissen, dass sie nicht aussteigen brauchte. Ich machte den Kombi nicht aus und ließ den Schlüssel stecken, als ich ausstieg. Meine Füße trugen mich gezielt zur Fahrertür und ich testete an, ob sie offen war – war sie. Erst sah ich mich noch kurz um, dann stieg ich mit einem Bein ein, um leichter an die Tasche auf dem Beifahrersitz ranzukommen. Ob alles drin war, konnte ich nicht beurteilen, aber unter dem Taschenlampenlicht meines Handys war immerhin ersichtlich, dass der Geldbeutel noch drin lag. Offenbar hatte in der Zwischenzeit tatsächlich Niemand bemerkt, dass der Wagen offen war. Fayes Telefon und ihr Schlüssel waren aber nicht in der Tasche, weshalb ich danach zu suchen begann. Es dauerte einen Moment, doch ich fand das Handy schließlich eingeklemmt in dem schmalen Spalt zwischen Mittelkonsole und Beifahrersitz. Das Display ging nicht an, der Akku war leer. Auch der bzw. die Schlüssel waren essentiell, aber danach musste ich nicht lange suchen, weil der Bund noch im Zündschloss steckte. Ich glaubte alles Wichtige gefunden zu haben, also stieg ich aus und schloss den Wagen ab, bevor ich zurück zu Faye ging. Ich hatte Handy und Schlüssel mit in die Handtasche, die ich der Brünetten reichte, kaum war ich eingestiegen und die Fahrertür hinter mir zugefallen. "Ich hab Ladekabel im Handschuhfach, falls du Victor gleich schreiben willst.", teilte ich ihr murmelnd und indirekt mit, dass dem Gerät der Saft ausgegangen war. Da mein privates Telefon mit Android lief und mein Diensthandy dank Easterlins Vorliebe mit iOs betrieben war, würde es am richtigen Anschluss nicht scheitern müssen. Mich hielt hier am Krankenhaus sonst nichts, also legte ich den Gang ein und fuhr den Wagen vom Parkplatz zurück auf die Straße. Das Fahren hielt mich beschäftigt und es graute mir schon jetzt davor, nicht mehr viel zu tun zu haben, sobald wir in der Wohnung angekommen waren… und die Wunde Ruhe gab. Ich würde nicht gehen, bis die anderen beiden Zuhause waren. Wusste halt nur keiner, wie lange genau sie dafür brauchen würden, diesen Idioten das Gehirn zu waschen.
Möglicherweise würde sie damit Recht behalten. Aryana hatte sich tendenziell zwar besser im Griff als ich, doch das war situationsbedingt zu betrachten – wenn sie Gil gegenüberstand, der für einen Selbstmordversuch ihrer Schwester verantwortlich war, dann würde ich nicht darauf wetten. “Vielleicht haben wir ja Glück und er bringt’s hiernach selbst zu Ende.”, gab ich Aryana indirekt Recht in ihrer Entscheidung und zuckte ebenfalls kurz mit den Schultern, während sie schon die Treppe nach oben ging. Zugleich hatte ich also selbst nicht vor, Gil mit Samthandschuhen anzufassen. Das sagte auch das hitzige Funkeln in meinen Augen, das ihm alles andere als sympathisch entgegen blitzte. Ich musterte die Schürfwunden an Hals und Kinn, die schon zu bluten aufhörten. “Wir können das anders klären.”, versuchte Mateo last minute zu verhandeln, was mich nur schnauben ließ. “Ich komm selbst von der Straße, falsche Adresse.”, ließ ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen und kurzem Blick in seine Richtung wissen. Ich erinnerte mich noch bestens daran, wie das Leben früher für mich ausgesehen hatte. Ganovenehre war selten, auf Worte wurde nichts gegeben. Keiner gab freiwillig nach und wenn doch einer nachgab, dann nur, weil er keine andere Wahl hatte, wenn er überleben wollte. Es war also höchste Zeit, diesen Arschlöchern mal ihre schwindend geringen Überlebenschancen aufzuzeigen, sollten sie Faye und Victor – oder uns – je wieder zu nahe kommen. Aryana war grade erst an mir vorbei zu Mateo gegangen, als ich ein Messer aus der Tasche zog. "Natürlich kenn' ich das exakte Ausmaß deiner Taten nicht, weil ich die Grenzen anderer Menschen im Gegensatz zu dir respektieren kann… ich werde also großzügig schätzen müssen, um ganz sicher zu gehen.", kündigte ich bedächtig die anstehende Rache an, als ich auf Gil zuging und schließlich vor ihm stehen blieb. Er versuchte, keine Miene zu verziehen, aber seine Augen schimmerten unruhig, als er die Schultern straffte. Ich hob das Messer und setzte hinter seinem Ohr an, zog die Klinge bis zum Halsausschnitt seines Pullovers und dann zuerst den rechten Arm runter. Er hatte Faye wohl damals nur die Träger auf den Schultern durchgeschnitten – sehr blöd für Gil, dass er kein Nachthemd trug. Dementsprechend stimmte er bald in Mateos Gefluche ein, während er sich unter der Klinge wand. Seine Ausweichversuche blieben erfolglos und als ich mir den zweiten Arm vornahm, lief das Blut von der Klinge bis zum Griff und damit auf meine Hand. Es war nicht das erste Mal, dass ich wortwörtlich fremdes Blut an den Händen hatte, aber ein gutes Gefühl war es nicht. Ganz gleich wie gut ich wusste, dass dieses Arschloch es nicht anders verdiente. Der Moment, in dem ich das blutige Messer nach dem Aufschneiden seines zweiten Ärmels – und Arms – deshalb musterte, war Gils einzige Möglichkeit, kurz durchzuatmen. Er knurrte vor sich hin, als ich den Kopf hob und erneut direkt in seine Augen sah. Mein Blick war kalt geworden, ziemlich emotionslos. "Erst die Hände oder die Schultern?", stellte ich ihm eine rhetorische Frage, während ich die Klinge grob an seinem nackten Bauch abwischte und damit ein Zucken seinerseits auslöste. Unglücklicherweise hatte das Abstreifen zwei weitere, aber nur sehr oberflächliche Schnitte zufolge. Es lohnte sich fast nicht, das Messer wegzustecken. "Es war bloß eine Hand und eine Schulter, verdammt nochmal!", zischte er mir wütend ins Gesicht. Der Pullover war der Schwerkraft folgend nach unten gerutscht, hing aber noch schief am Gürtel seiner Jeans fest. "Ist mir aber lieber, wenn du gar keinen Arm mehr richtig bewegen kannst." Ich tätschelte seine Wange, wobei die zweite Berührung viel mehr ein Schlag war. Dann ging ich von ihm weg, drei Stufen die Treppe hoch und setzte mich auf Höhe seiner gefesselten Hände hin. "Mit deinen Händen geht's mir ähnlich, wenn ich so drüber nachdenke.", gab ich ihm ein Versprechen, bevor ich meine Hände nach seinen ausstreckte. Man sagte immer, dass sich ein Finger ähnlich schwer wie eine harte Karotte durchbeißen ließ. Genauso wenig standhaft waren die kleinen Gelenke, wie ich kurz darauf unter Gils Schmerzensschreien feststellte. Fast schon lächerlich, wie leicht sich so ein paar Finger brechen ließen. Einer nach dem anderen knickten sie um wie Gänseblümchen und irgendwann wurden die Aufschreie eher zu einem Wimmern. Vielleicht war es ein bisschen übertrieben, ihm gleich alle Finger zu demolieren und das Knacken seiner Knochen in den eigenen Händen zu spüren war unangenehm. Aber lieber verkrüppelte ich ihm seine ekelhaften Hände für mindestens einige Wochen – je nachdem, wie gut eben der Arzt war, zu dem er ging und wie sehr letzten Endes die Nerven geschädigt waren – als zu riskieren, dass er jemals wieder auf die Idee kam, eine Frau ohne ihr Einverständnis anzufassen. Als ich schließlich aufstand, um wieder vor ihn zu treten, warf ich einen kurzen Blick in Aryanas Richtung, bevor mein Fokus zurück auf Gil fiel. Sein Körper zitterte unter dem Schmerz, aber da war immer noch ein Funke Widerstand in seinen Augen, der heute ausgelöscht werden musste. Ich tippte mit der Spitze der Messerklinge an seine leicht verschwitzte Brust. "Arschloch oder Vergewaltiger?" Ich sah ihn mit schief gelegtem Kopf an, als würde ich tatsächlich noch darüber nachdenken müssen, was für ein Wort er in die Haut geritzt bekam. Faye war nur sehr unwahrscheinlich die erste Frau, die unter Gil hatte leiden müssen und ich würde dem ein Ende setzen. "Fahr zur Hölle." Sein Hals musste schon trocken sein. Die Worte klangen dünn und kratzig, dicht gefolgt von einem kehligen Schlucken. Doch das ließ mich ihm nur geradewegs ins Gesicht lächeln, als ich den linken Unterarm auf Höhe seiner Schlüsselbeine ablegte. “Da komm’ ich doch grade erst her.” Direkt im Anschluss an diese Worte übte ich Druck mit dem Unterarm aus, um seinen Oberkörper mehr am Geländer zu fixieren und daraufhin die Klinge anzusetzen. Gefühlt sprengten mir so einige Geräusche, die nach und nach aus seinem Mund fast direkt neben meinem Ohr kamen, den gesamten Gehörgang. Faye hatte inzwischen ein Tattoo über seinem hässlichen Souvenir, das wusste ich. Ich hingegen würde dafür sorgen, das kein vernünftiger Tätowierer dieses Planeten freiwillig Tinte in die Narben auf Gils Brust stechen würde. Wegen dem Wortlaut selbst, aber auch weil sich manche Narben schlicht nicht mehr tätowieren ließen. Nicht nur, weil ich wollte, dass er sein ganzes Leben was davon hatte, sondern auch, weil das den Rest seiner kriminellen Karriere beeinflussen konnte. Vergewaltiger starben hinter Gittern als erstes. Nicht mal in dieser Hölle auf Erden wurde Abschaum wie Gil toleriert.
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Ja ist grad eine etwas doofe Situation. Weil es macht wohl auch nicht so viel Sinn bzw. erleichtert uns das Schreiben wahrscheinlich auch nicht massiv, wenn wir zuerst Mitch/Aryana bis zur Heimkehr schreiben und dann Ryatt/Faye nachholen oder umgekehrt... Aber zwei Charas werd ich am Handy im Urlaub ganz bestimmt nicht schreiben. <.< Werd also wohl auch entweder immer beide einzeln posten oder es gibt halt wieder 1.5 Wochen Schreibpause oder wir sind bis dahin soweit durch oder Idk... _______________
Das wäre ihr selbstverständlich nur Recht, von ihr aus brauchten weder Gil noch seine Geschwister die Erdoberfläche noch länger mit ihrer Existenz zu behelligen. Es wären definitiv Tote, die sie ohne schlechtes Gewissen in Kauf nehmen konnte. Nur nicht unbedingt heute Nacht. Sie mussten sich schon noch so halbwegs lebendig nach draussen zerren können morgen, das hatten Victor und Faye auch getan. Und wie schon festgestellt, war es einfach unpraktisch, in Amerika irgendwo Leichen ohne Erklärung aber mit zu vielen Spuren zu hinterlassen. Mateo startete tatsächlich noch irgendeinen minderwertigen Verhandlungsversuch, der total dumm war, da er doch am besten wissen sollte, wie sie damals auf die Bitten und Worte ihrer Opfer eingegangen waren. Spoiler: Gar nicht. Und er würde hier nicht besser behandelt werden. Genau wie sein Bruder auch nicht, dem die Stunde der Wahrheit ein paar Sekunden früher blühte als das bei Mateo der Fall war. Während bei Gil gefühlt schon Blut in rauen Mengen floss, sah Mateo noch ganz schön unversehrt aus. Bis auf den einen Schnitt, der sein Shirt geteilt hatte und dank dem sich ihr sein Oberkörper nun auf dem Silbertablett präsentierte, war er noch gut beisammen. Da waren halt noch die zwei Schusswunden, aber sonst? Er war keine Metalltreppe runtergeschleift worden und trug zu seinem Glück trotz der eher frischen Temperaturen nur ein Shirt, das sich leichter entfernen liess als ein Pullover. Aber er würde schon noch auf seinen Geschmack kommen - und zwar genau jetzt, wie das Feuerzeug vor seinem Gesicht bekannt gab. Zuerst war es, wie damals bei Victor, nur sein Kinn. Aber sie würde ihm nicht gerecht werden, wenn sie es dabei belassen würde und das wollte sie nicht. Er reckte seinen Kopf längst in die Höhe als wüsste er nicht, dass er der Flamme so nicht entkommen konnte. Als könnte sie nicht einfach die Hand etwas heben und sie wären wieder gleich weit. Um sicher zu gehen, dass sein Bartwuchs zukünftig gleichmässig ausblieb, zog sie das Feuerzeug entspannt ein bisschen nach rechts und dann ein bisschen nach links, während der Geruch nach verbranntem Fleisch immer penetranter wurde. Es stank grausam und Aryana hoffte wirklich, dass sie sich nicht für immer an diesen Geruch erinnern würde. Aber das war eher unrealistisch. Sowas vergass sich leider schlecht. Zumal sie noch etwas mehr Zeit bekam, um sich den Geruch bestens einzuprägen. Seine Arme waren noch leichtere Ziele für sie als sein Kinn, da hier für ihn praktisch kein Bewegungsspielraum existierte. So liess sie die Flamme nach aussen hin seelenruhig an seiner Haut laben, von seinem Handgelenk zu seinem Ellbogen und von da weiter bis knapp unter seine Schulter... und dann alles wieder zurück. Immer wieder und selbstverständlich durchgehend begleitet von seinen Schreien und Schmerzenslauten. Verständlich, dass er schrie und gut, dass es wehtat. Sollte es nämlich auch. Damit er sich später mal überlegen konnte, ob das alles eine gute Idee gewesen war und ob er in Zukunft je wieder eine Unterhaltung mit ihr riskieren wollte. Nach ein paar Minuten war sie dann aber durch mit der Brandmarkung seines stinkenden Arms. Ihr war natürlich bewusst, dass die Narbe fast doppelt so viel Fläche einnehmen würde, wie die an Victors Unterarm. Das gehörte einerseits zu dem angesprochenen kleinen Plus und war andererseits ein Ausgleich dafür, dass sie ihm am Ende nicht den Kopf gegen den Pfahl brettern konnte. Jedenfalls nicht so, wie Victor das damals selbstständig getan hatte. Sonst würde Mateo den Morgen wahrscheinlich nicht mehr erleben, weil schon Victor das damals fast nicht überlebt hatte. Und die zwei hier würden mit Sicherheit etwas länger auf Rettung warten müssen. Nachdem die Nummer mit dem Feuerzeug abgehakt war, warf Aryana das Teil achtlos zur Seite weg und trat zurück in Mateos direktes Sichtfeld. Ihr Blick streifte ihn aber nur relativ kurz, bevor sie zu Mitch und Gil rüber schaute. Sie nahm den begonnenen Schriftzug auf seiner Brust mit einer gewissen Genugtuung wahr, zugleich aber auch mit purer Verachtung für die Taten dieses menschlichen Abschaums, die überhaupt erst zu einem solchen Titel geführt hatten. Erst nach ein paar Sekunden fanden ihre Augen zurück zu Mateo. "Dein Glück dass du schlau genug warst, diese eine Grenze zu wahren... Auch wenn du mehr als ein paar mittelgradige Beschimpfungen dafür verdienst, dass du einfach zugeschaut hast und nichtmal auf die Idee gekommen bist, einzugreifen", sie zückte wieder das zwischenzeitlich weggesteckte Messer. "...weil du zu beschäftigt damit warst, alles nur noch schlimmer zu machen. Was wiederum sehr, sehr dumm war", die Klinge stach durch die Haut an seinem noch unverletzten Oberarm, knapp unterhalb seiner Schulter. Sie hatte vorerst davon abgesehen, ihm genau wie er es damals getan hatte, das Messer in den Oberkörper zu rammen, weil das ein relativ heikles Spiel mit dem Feuer war. Ihre ganze Übung hier war an sich eine Gratwanderung, aber sie mussten es nicht riskanter machen als nötig. Mateo hatte schon die Schusswunden zu verbüssen und verlor über diese weiterhin fröhlich Blut, da musste sie nicht noch seine Lunge punktieren, weil sie unvorsichtig wurde. Dadurch, dass sie das Messer in seinem Arm nochmal drehte und dann wieder rauszog, entstand dort der nächste tropfende Blutfluss.
So ganz geheuer war ihr der Gedanke, jetzt zum Krankenhaus zu fahren, natürlich nicht. Aber das brauchte sie nicht unbedingt anzumerken, es würde ja doch nichts an der Tatsache ändern, dass sie dort vorbei mussten, wenn sie nicht auf Aryana und Mitch warten wollten, bis sie irgendwo rein konnten. Ein öffentlicher Ort wie ein Café oder ein Restaurant kamen um diese Uhrzeit eher nicht in Frage. Ganz abgesehen davon, dass sie da gerade noch weniger hinwollte als zu ihrem Auto. Ryatt lenkte den Wagen natürlich trotzdem in Richtung Krankenhaus, während sie eher damit beschäftigt war, auf die Decke runter zu blicken oder zwischendurch einen verstohlenen Blick durchs Fenster zu werfen. Bis auf die paar Worte, die sie für die knappe Danksagung verschwendet hatte, wusste sie nichts zu sagen, das ihr und/oder Ryatt die ganze Situation erträglicher gemacht hätte. Das Danke schien an sich auch nicht die beste Idee gewesen zu sein, jedenfalls wurde es von Ryatt umgehend abgelehnt. Darauf hatte sie nichts zu erwidern, bis auf ein sehr schwaches Schulterzucken. Selbst wenn man das hier als seine Schuld verbuchen wollte, hätte er gleichgültig zuhause sitzen bleiben und sie ihren langsamen Tod sterben lassen können. Oder was auch immer dann passiert wäre, sie war zu müde und zu aufgewühlt, um darüber nachzudenken. Jedenfalls fand sie schon, dass sie ihm danken konnte. Aber sie war kognitiv gerade so gut genug beisammen, um zu merken, dass sie darüber sicher nicht diskutieren mussten, weil sie sich niemals einig werden würden. Also konzentrierte sie sich wieder auf ihre Fingerspitzen unter der Decke und dem krampfhaften an-nichts-denken, das immer so gut funktionierte. Sie sollte sich normal verhalten. So wie immer. Normal atmen, denken und sprechen. Sonst machte sie alles nur noch komplizierter für alle. Und das wollte sie nicht - diesmal nicht. Das hier sollte nicht enden wie all die anderen Krisen der Vergangenheit. Ihr war nicht wirklich was passiert. Sie war in Sicherheit. Vor ein paar Stunden hatte Mateo ihr sehr offen ihren eigenen Tod prophezeit, falls Ryatt nicht rechtzeitig spurte... Aber es würde nie dazu kommen. Mateo war - für sie - Geschichte, Aryana, Mitch und Ryatt hatten schnell genug reagiert. Nur normal verhalten... Wie machte sie das? Was würde eine gesunde, ausgeglichene, zufriedene Faye jetzt tun? Nicht mit dem Kiefer mahlen, ihre Unterlippe malträtieren und unter der Decke an ihren Nagelhäutchen herumkratzen, wahrscheinlich. Nicht immer häufiger aus dem Fenster blicken, je näher sie dem Parkhaus des Krankenhauses kamen. Sie würde ruhig atmen. Entspannt bleiben. Sie würde geduldig im Auto sitzen bleiben, während Ryatt ausstieg, um zu ihrem eigenen Wagen zu gehen. Sie würde sich nicht so sehr ins Sitzpolster pressen im Versuch, diesem Ort und diesem Gefühl zu entkommen. Sie würde keine Tränen in den Augenwinkeln spüren. Sie würde nicht krampfhaft in die andere Richtung blicken. Gut, dass sie immerhin so genau wusste, was sie falsch machte. Faye versuchte, Ryatt nicht dabei zuzuschauen, wie er ihre Sachen holte. Sie versuchte, sich damit abzulenken, dass sie die Wasserflasche nochmal hervorholte und mit zittrigen Fingern den Verschluss aufschraubte. Das Trinken half dabei, den Kloss in ihrem Hals, der allmählich einen Schreikrampf hatte andeuten wollen, wieder runter zu schlucken, auch wenn es weh tat. Auch musste sie sich ziemlich konzentrieren, um nichts zu verschütten und sich nicht unabsichtlich zu taufen. Als Ryatt endlich alles gefunden zu haben schien und wieder auf den Fahrersitz seines eigenen Autos stieg, hatte sie die inzwischen leere Flasche bereits wieder in die Beifahrertür gesteckt. Sie nahm die Handtasche mit beinahe mechanischen Bewegungen entgegen und legte sie auf ihrem Schoss ab. Starrte ein paar Sekunden auf deren Inhalt und das Smartphone, auf welches Ryatt zu sprechen kam. Falls sie Victor gleich schreiben wollte... Ein weiterer Riss in ihrem schwachen Herzen. Sie spürte es längst. Dieses altbekannte Bedürfnis, sich zu verkriechen und Victor überhaupt gar nicht mehr zu schreiben. Ihn selbst realisieren zu lassen, dass sie auf ewig sein Gift bleiben würde. Aber sie waren jetzt weiter, oder? Sie erkannte die Gedanken. Sie wusste, dass sie toxisch waren. Sie würde es diesmal besser machen. Mühsam streckte sie die Hand nach dem Handschuhfach aus, um dieses aufzuziehen. In Zeitlupentempo suchten ihre Finger nach dem passenden Kabel, steckten dieses genauso verlangsamt in den Stecker und das Handy. Glücklicherweise dauerte es jeweils ein paar Augenblicke, bis ein leeres Handy wieder aufstartete, sie konnte es also gut nochmal zurück in die Handtasche legen und einen Moment warten. Warten und wieder nach draussen blicken. Würde die gesunde Faye jetzt irgendwas sagen? Tun? Würde sie zu Ryatt blicken? Sie versuchte tief durchzuatmen. Einmal. Zweimal. Dreimal. Sie konnte sich später Sorgen und Gedanken machen. Musste sich das nur immer und immer wieder einreden. Wenn sie alleine war, interessierte es keinen mehr, wie sie diesen Tag verarbeitete. Sie musste einfach nur noch ein paar Stunden durchhalten. Einfach nur ein paar Sekunden das zeigen, was sie jetzt ein Jahr lang gelernt hatte. Stark sein. Stärker als ihre Emotionen. Die Kontrolle behalten. Ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Ihr Schicksal steuern. Das war nicht der Zustand, an den Ryatt sich erinnern sollte, wenn sie umgezogen und nicht mehr da war. Ihre Augen fanden zurück zu ihm. Was wohl jetzt sein Plan war? Jetzt, wo hoffentlich keiner ihn mehr zur Arbeit bei Easterlin zwang? Wie er wohl mit allem umging, das passiert war? Er sah nicht wesentlich besser aus, als sie sich fühlte, wenn man das so sagen durfte… Aber ihr fehlten jegliche Worte, um dem Abhilfe zu verschaffen. Denn wenn sie eins am besten wusste, dann ganz sicher, dass Selbstvorwürfe und Selbsthass immun gegen liebe Worte und gut gemeinte Ratschläge von aussen waren.
Ja, das hab ich mir neulich auch schon gedacht... zwei Charas am Handy ist einfach paiiin. x'D Dass wirs bis zum 18. ganz geschafft haben kann ich bei unserem aktuellen Tempo fast nich glauben, aber machs dann einfach so, wie's für dich am angenehmsten ist. Ich hab nach wie vor Spätschicht, also ja, Zeitmanagement ist bei mir sowieso auch bisschen am Limit. Immerhin gehts dem Pony jetzt wieder etwas besser, also muss ich wohl nicht mehr ausnahmslos jeden Tag rüberfahrn. ^^" _____________
Die anhaltende Geräuschkulisse war am Ende wahrscheinlich die eine Sache, die mir am längsten im Gedächtnis bleiben würde. Die sich am tiefsten einbrannte, neben der Tatsache, dass ich fähig dazu war, einen Menschen für den Rest seines Lebens zu verunstalten, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Ich würde es gerne der Wut zuschreiben, mit der ich schon immer ein Problem hatte. Sie kam und ging, an manchen Tagen war sie sehr präsent und an anderen kaum spürbar, richtete sich mal gegen andere Menschen und mal gegen mich selbst – aber wirklich schlafen ging sie nie. Vielleicht hatte Gil jetzt also einfach großes Pech damit, dass er ein willkommenes Ventil für den ganzen Mist war, der sich über längere Zeit angestaut hatte. Vielleicht war ich aber auch einfach nur kaputt und mein ewiger Zorn spielte überhaupt keine Rolle dabei, dass ich Gils Taten mit verkrampfter Hand quer über die ganze Brust tief in seine Haut ritzte. Dass ich mich nicht schlecht dabei fühlte, obwohl gesunder Menschenverstand allein mich schon davon abhalten sollte. Der war flöten gegangen, irgendwo in den letzten Jahren. Der Geruch von verbranntem Fleisch hatte sich längst bis zu Gil und mir ausgebreitet. Jetzt, wo der hässliche Schriftzug fertig und ich einen Schritt von Gil weg getreten war, nahm ich es aber zum ersten Mal richtig wahr. Selbst der Bruder direkt vor mir, der stark schwitzend und wimmernd eigentlich genug mit sich selbst zu tun haben dürfte, sah für einen Moment zu Mateo rüber, als dessen Schreie nochmal richtig aufblühten. Grund dafür war eine sich in seinem Fleisch drehende Messerklinge. Einige Sekunden lang blieben meine Augen an dem Blut hängen, das daraufhin ungebremst seinen Arm hinablief. Das wiederum dirigierte meine Augen zurück zu Gil, dessen Brust ähnlich fröhlich vor sich hin blutete und den Pullover an seiner Hüfte tränkte. Ehrlicherweise fragte ich mich jetzt zum ersten Mal, wie lange er diese Art von Blutverlust überleben konnte, bis ihn jemand retten kam. Tiefe Schnittwunden waren allseits bekannt dafür, eine halbe Ewigkeit zu bluten, wenn man nichts dagegen machte. Seine Arme bluteten auch nach wie vor, der rote Pfad hangelte sich von seinen Handgelenken aufs Geländer und erst von da aus schlugen die Tropfen auf den Boden. “Wann kommt euch planmäßig Jemand besuchen?”, hakte ich mit deutlicher Stimme nach, drehte dabei unruhig das Messer zwischen den blutverschmierten Fingern. Sein nun doch sehr erschöpft wirkendes Gesicht behielt ich sehr genau im Auge, als Gil mich wieder ansah. Er könnte lügen. Bevor überhaupt ein Wort aus seiner Kehle kam, musste er sich jedoch gründlich räuspern. “Um 6… Riley.”, krächzte er. Einen Augenblick lang sah er mir noch matt in die Augen, bevor er das erste Mal an sich selbst runtersah. Er wirkte nicht, als würde er lügen – andererseits waren Kriminelle in 9 von 10 Fällen grundsätzlich unglaubwürdig. Ich mahlte nachdenklich mit dem Kiefer, das Messer zwischen den Fingern auf und ab wippend. Falls Riley wirklich erst in den frühen Morgenstunden hier aufkreuzte, war es gut möglich, dass bis dahin sowohl Gil, als auch Mateo ziemlich leblos in den Seilen hing. Obgleich sie den Tod in meinen Augen durchaus beide verdient hätten, mussten sie hier lebend rauskommen. Wenn nicht, war die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Verbrechen verfolgt wurde, möglicherweise um ein Vielfaches höher. Mir piepte noch immer ein Tinnitus im einst Gil zugewandten Ohr, als ich dem Abschaum eine kurze Pause gönnte und zu Aryana ging. Ich stellte mich halb vor sie, um nahe an ihr Ohr zu kommen, ihr gleichzeitig aber zu ermöglichen, Mateo im Auge zu behalten. “Betreiben wir später Schadensbegrenzung? Oder lassen wir Ryatt anrufen, sobald er weit genug von der Wohnung weg ist?”, stellte ich der Brünetten eine leise Frage, weil ich wenig Lust darauf hatte, dass die beiden Opfer im Hintergrund uns da reinzureden versuchten. Theoretisch hatte Mateo vermutlich auch ein Telefon, dass wir mit seiner Hilfe entsperren könnten, um dann seine Schwester anzurufen. Dann waren wir hier aber noch nicht weg, weil es mitzunehmen nicht infrage kam. Es wäre mir doch lieber, wenn wir schon einen gewissen Abstand zu diesem Desaster aufgebaut hatten, wenn Riley darüber informiert wurde, dass sie besser mal ihre zwei Brüder einsammeln gehen sollte. Sollte aus der Nachbarschaft irgendwer wegen der Schüsse die Cops rufen, waren wir möglicherweise sowieso am Arsch und konnten nur darum beten, dass es sich um von den Hernandez bereits geschmierte Bullen handelte. Da wars mir doch lieber, wenn das übrige Geschwisterlein in so einem Fall der Fälle schon vor Ort war und zur Not ein paar Polizisten abwimmeln – oder weiter schmieren – konnte. Derart blutige Verbrechen fielen für gewöhnlich nämlich eher nicht einfach so unter den Tisch und irgendwelche Beweise würden sie hier zweifelsohne finden, wenn die Spurensicherung erstmal loslegte. Wenn wir stattdessen dafür sorgten, dass die Blutungen weitestgehend gestillt waren, würden sie es möglicherweise beide bis morgen früh schaffen, wenn ihnen nicht aufgrund der Schmerzen der Kreislauf versagte und zu weit runterfuhr. Beide Optionen waren leider nicht ohne Risiko... war aber irgendwie auch nichts Neues.
Ich konnte gar nicht sagen, was mir am Ende tatsächlich unangenehmer war – das Wissen, dass es Faye jetzt wegen mir sicherlich wieder eine ganze Weile lang beschissen gehen würde oder doch eher das Schweigen, mit dem wir uns während der Fahrt gegenseitig straften? Ersteres würde mich wahrscheinlich noch länger verfolgen, wenn nicht gar für immer. Ich hörte zwischendurch bemüht kontrollierte Atemzüge vom Beifahrersitz, nahm im Augenwinkel ihre sich stärker hebende Brust wahr, doch auch dazu brauchte ich nichts zu sagen. Wir wussten beide, dass das, was passiert war, nicht einfach halb so wild war. Das Radio anzumachen wäre schlicht auf anderer Ebene unangenehm, also blieb es beim Schweigen und Fayes Kramen im Handschuhfach. Es war auch dann noch still, als ich irgendwann ihre Augen auf mir spürte und daraufhin gerne einfach aus der Fahrertür gefallen wäre, um diese gefühlsmäßige Misere endlich zu beenden. Schon nur wegen dem Druck auf der Brust, der sofort wieder stärker wurde und mich ebenfalls zum Durchatmen zwang. Als sich ein dicker Kloß im Hals dazu gesellte, folgte ein hörbares Schlucken. Irgendwann, ein paar Prozent Akku später, erreichten wir das Haus, das ich nicht mehr betreten hatte, seit ich Aryana einen hässlichen Besuch abgestattet hatte. Das holte mich zwangsweise gleich mit ein, als ich den Wagen an freier Stelle am Straßenrand parkte und der Motor verstummte. “Du kannst die Decke mitnehmen… oder da lassen… wie du möchtest.” Ja, das Gespräch ging mit genauso unangenehmen Gestammel weiter, wie es aufgehört hatte. Als ich mich der Fahrertür zuwandte, atmete ich im selben Zug ein weiteres Mal tief durch, kurz bevor ich ausstieg. Die Leiter würde im Wagen bleiben, weil ich nicht wusste, ob sie an der Hauswand vorhin Jemand hatte stehen sehen und ich würde hier kein Beweisstück mehr als nötig abladen. Ich wusste noch nicht wo, aber die Leiter würde irgendwo im Nirgendwo verschwinden, auf meiner Heimfahrt. Da, wo sie keiner suchte. Der stechende Schmerz in der Seite erinnerte mich daran, dass ich selber nicht ganz unversehrt war, weshalb ich am Heck des Wagens nochmal stehenblieb. Etwas vorsichtig öffnete ich meine Jacke und schmiss sie ebenso wie die Weste darunter in den Kofferraum. Ich wollte mein Blut so wenig wie möglich in der Wohnung oben verteilen und der Kofferraum war wenigstens mit einer Matte ausgelegt, die sich rausnehmen und saubermachen ließ. Einen Moment lang besah ich mir das Loch in der Weste, dann machte ich die Klappe zu. Anschließend ging ich zum Bordstein, wo Faye gerade ausstieg. Sie konnte die Tasche – oder den Schlüssel – ruhig an mich abschieben, falls sie das Tragen oder Aufschließen gerne loshaben wollte. Das implizierte aber nur mein leicht fragender Blick, Worte sparte ich mir an dieser Stelle. Sie wirkte – wenig überraschend – nach wie vor eher wackelig auf den Beinen. Von ein bisschen Wasser kam ihr Kreislauf nicht plötzlich zurück auf hundert Prozent, sie brauchte Ruhe. Deshalb behielt ich sie ununterbrochen im Auge als wir die Stufen nach oben gingen, verbot mir aber im gleichen Moment sie unnötig anzufassen, solange sie nicht akut stolperte oder mich danach fragte. Erst als wir drinnen hinter der Tür ankamen und von der Außenwelt abgeschirmt waren, wagte ich zögerlich erneut den Mund zu öffnen, noch bevor ich die Schuhe ausgezogen hatte. “Bist du… verletzt?” Nicht tödlich oder besonders schwer, das war offensichtlich. Faye war außerdem Sanitäterin und wüsste sehr viel besser als ich, was in welchem Fall zu tun war. Das hieß wiederum aber nicht, dass ich ihr dabei nicht helfen konnte. Der verhältnismäßig kleine Pieks an meinem eigenen Körper machte sich zwar bei jeder Bewegung des Brustkorbs bemerkbar, war mir für den Moment aber unfassbar egal.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈