BTW damit du dir darüber keine Gedanken machen musst: Faye wird sich wohl so nach drei Wochen bei Ryatt gemeldet haben, weil sie ungelöste Auseinandersetzungen hasst und ihr Harmonie ja so wichtig ist. Nachdem er dann zwei bis dreimal alles ignoriert, was von ihr kommt, rennt sie ihm aber auch nicht weiter nach weil fuck this. Und sie hat selbstredend auch nichts geplant für seinen kurzum anstehenden Geburtstag. LG aus dem Off. x'D ___________
Es gab wenig zu lügen - anfangs hatte sie noch übelst auf heissen Kohlen gesessen, nachdem sie ihre zwei Opfer irgendwo in der Nähe einer Strasse ausgesetzt hatten. Victor war zwar mehr oder weniger komplett weg und Faye ebenfalls sachte hinüber gewesen, aber das Risiko, dass einer der beiden am Ende doch bei der Polizei plapperte, war nicht gerade gering einzuschätzen gewesen. Natürlich hatten sie Verbündete bei den Cops, aber eben nicht nur. Sonst sässe Sean ja jetzt nicht im Knast und würde ihr bei jedem Besuch die Ohren vollheulen. Sie verstand ihn wirklich, seine Situation war beschissen und er gehörte da nicht hin und sie vermisste ihn zum Ende der Welt. Aber er malte ihr die ganze Sache mit seiner Befreiung und Rache für ihren Geschmack etwas zu leicht aus. Sie würde alles tun für ihre Familie und ganz besonders für Sean. Aber das war nicht so leicht, wenn ihre Eltern seine Ideen nicht mehr unterstützten. Seiner Meinung nach hätten sie Faye und Victor nicht verschonen müssen. Jedenfalls nicht beide. Er konnte das natürlich nicht so gut im Besuchersaal des Gefängnisses herausplärren, aber sie hatte es dennoch längst gemerkt. Und auch das verstand sie. Natürlich hasste er das Weib, das mitverantwortlich dafür war, dass er für mindestens dreissig Jahre einsitzen sollte. Und natürlich hasste er den Kerl, der ihn verpfiffen hatte, noch viel mehr. Ryatt Hayes, um das Kind beim Namen zu nennen. Wahrscheinlich hätten ihre Eltern sich gewünscht, sie würden die Sache nach ihrer kleinen unbewilligten Eskapade einfach ruhen lassen. Vielleicht wäre das besser gewesen für die Nerven und den Frieden der ganzen Familie. Aber das wäre Aufgeben, oder? Sie konnte Sean ja nicht einfach hinter diesen Gitterstäben verrotten lassen. Er hatte ihr in ihrer Kindheit so viel gegeben, hatte ihr und ihren Brüdern den Weg geebnet für alles, was sie jetzt taten - es war also nur fair, wenn sie ihm das nun zurückgaben und absolut berechtigt, dass er diesbezüglich Forderungen stellte. Selbstredend hatte Riley genau zugehört, als er ihr gesagt hatte, was sie zu tun hatte. Nicht in Form von Handlungsschritten, aber Sean wollte, dass sie Geld beschaffte. Viel Geld - viel mehr, als sie mit ein paar lächerlichen Einbrüchen zusammenkratzen könnte. Und Sean wollte auch, dass Ryatt auf ewig für die ganze Scheisse bezahlte, die er ihnen eingebrockt hatte. Unterwegs ins Grab konnte er sich gerne noch etwas nützlich machen - beispielsweise bei der Beschaffung besagten Geldes. Angesichts der Tatsache, dass Ryatt sich tatsächlich noch immer mit Faye herumschlug, würde es auch nicht so schwer sein, ihn für die Mithilfe zu begeistern. Auf Riley wirkte es wirklich selten dumm, dass die Brünette nach ihrem Klinikaufenthalt und der scheinbaren Trennung von Victor tatsächlich wieder Kontakt zu Ryatt aufgebaut hatte. Es spielte ihnen in die Karten, keine Frage, aber welche Frau machte sowas, nachdem sie fast gestorben war?? Noch dazu scheinbar von ihrem Freund verlassen wurde, denn von Victor fehlte seit einer ganzen Weile jede Spur. Der schien sich final verpisst zu haben. Irgendwie verständlich und ihr auch eigentlich relativ egal. Durch ihre Dummheit hatte Faye sowieso längst wieder die ganzen kurzzeitig aufgeflammten Empathiepunkte, die sie bei Riley aufgrund der bereits früher einmal durchgemachten Folter erzielt hatte, verloren. Das war jedoch ein Thema für einen anderen Tag. Nicht heute, über neun Monate nach der schicksalhaften Nacht, in der sie Faye und Victor offiziell zum letzten Mal gesehen hatte. Nicht heute, fast zweieinhalb Monate nach der kleinen Geburtstagsfeier in der Bar, die Faye allein mit Ryatt beendet hatte. Suspekt. Aber diese Art von Drama und Gerüchten war nicht ihr Metier und interessierte sie auch nicht so brennend wie andere Infos, die dieser Abend ihnen eingebracht hatte. Fayes Schwester war da gewesen. Eine wirklich spannende Figur auf dem Schachbrett, der bisher so gar keine Beachtung zugekommen war, die sich nun aber plötzlich zum Schlüssel zur Lösung entwickeln könnte. William J. Easterlin, hiess ihr Arbeitgeber. Ihr verdammt reicher Arbeitgeber. Ein Mann, der immer nach neuen Rekruten suchte, weil seine wohl zwischendurch zu Kanonenfutter wurden. Er hielt sich und seine Geschäfte gut versteckt, das musste sie ihm lassen. Aber am Ende fand man auch über ihn was man suchte, es dauerte höchstens etwas länger und war aufwendiger. Nichts, was sie wirklich effektiv abhalten würde, wenn sie einmal einen Gewinn geschnuppert hatten. Es war fast ein etwas feierlicher Akt, als sie Ryatt schliesslich die Textnachricht mit den Angaben zum Treffpunkt schicken konnten. Sie hatte sich immerhin noch nie bewusst mit ihm unterhalten, empfand genau dieses aus dem Schatten treten aber als unheimlich befreiend. Was er sich wohl in der Zwischenzeit so gedacht hatte? Dass sie ihn vergessen hatten? Dass die bereits gebrachten Opfer reichten und er niemals persönlich dafür zahlen müsste? Dass Faye und Victor seine Strafe bezahlt hatten und er sich hier was Neues aufbauen, die Vergangenheit hinter sich lassen und abschliessen konnte? Tja. Guess not. Sie hatte ihm die Eckdaten über ein Burner-Phone geschickt. Alles, was die Nachricht beinhaltete, war Zeit und Ort ihrer Verabredung, ein unmissverständlicher Hinweis auf ihre Identität und natürlich die sehr offene Drohung darüber, was passierte, wenn er nicht erschien oder jemanden über die Kontaktaufnahme informierte. Sie würden ihn ganz einfach unsanft holen, da sie ja offensichtlich bestens Bescheid über seinen Aufenthaltsort wussten und für weiterführende Konsequenzen würden sie auf Altbewährtes zurückgreifen. Er würde das schon verstehen, auch wenn er während der letzten Wochen leider auffällig wenig Kontakt zu seiner kleinen Freundin gepflegt hatte. Sie ging einfach mal ganz optimistisch davon aus, dass er diese Zeichen verstand und richtig zu deuten wusste. Und wenn nicht, wäre das halt schade für ihn. Heute hatten sie nämlich gar kein zu strenges Programm für ihn geplant, wenn er so mitspielte, wie sie sich das vorstellte. Ein bisschen unterhalten dies das... Es war kurz vor 22 Uhr an einem eigentlich sehr durchschnittlichen Donnerstagabend und Riley sass neben Mateo auf ein paar mässig bequemen Holzstühlen um einen mittelgrossen, runden Tisch. Der Boden des Raumes war mit rotem Teppich überzogen, das Licht leicht gedämmt - neben ihnen stand mit einem schwerer Billardtisch das einzige weitere Möbel im Zimmer, welches die Atmosphäre zugleich prominent unterstrich. Die Kugeln waren zum Spiel aufgestellt, aber es war fraglich, ob das hier heute irgendwen interessieren würde. Ryatt sollte sich um 22 Uhr vorne an der Bar melden und würde dann von Gil, der sich momentan ebenfalls noch dort tummelte und die ein- und ausgehenden Gäste im Auge behielt, zu ihnen ins Hinterzimmer begleitet. Die analoge Golduhr an Rileys Handgelenk zeigte ganz genau 21:59:49 Uhr an und tickte leise mit jeder weiteren Sekunde. Noch hatte sich Gil nicht gemeldet, es blieb also spannend, wie viel Wirkung Ryatt ihrer Drohung anrechnete. Sie sah dem Ganzen ziemlich entspannt entgegen und rechnete sich sehr hohe Chancen aus. Aber lange musste sie nicht mehr warten, um diese Einschätzung bestätigt oder dementiert zu haben.
Ich hatte es gewusst. Es war von Anfang an klar gewesen, dass die Sache mit Faye und mir nicht gut enden konnte. Tagelang quälte ich mich mit den Gedanken an das Chaos, das ich zwischen uns angerichtet hatte. Ich war mir nicht sicher, was am Ende mehr blutete - mein Verstand, weil ich offenbar so dumm gewesen war zu glauben, dass das schon alles noch irgendwie einen geregelten, tragbaren Verlauf nehmen würde oder mein Herz, weil ich ganz genau wusste, dass Faye nicht wollte, dass ich ging. Egal wie ich es drehte und wendete, ich fühlte mich schlecht und es passierte weit mehr als einmal, dass ich eine Nachricht an Faye begann oder ihren Kontakt im Adressbuch meines Handys anwählte. Doch ich schickte nie eine der Nachrichten ab und ich rief sie auch nicht an. Es war besser so. Vielleicht wäre es schöner gewesen, wenn wir uns vernünftig voneinander verabschiedet hätten. Aber irgendwie war einfach zu viel passiert, oder? Ich hatte sie geküsst und würde sie nie wieder wie vorher sehen. Vielleicht fühlte ich zu viel für sie und war deshalb nicht früher gegangen. Faye hatte einen Draht zu mir, den selten Jemand aus dem Schutt grub, den ich überall um mich herum zum Schutz aufgetürmt hatte. Ganz nüchtern betrachtet war es wohl kein Wunder, dass ich ihr zumindest einen Teil meines Herzens ausgeschüttet hatte. Es war fast unmöglich mir nicht für die kommenden Wochen fast täglich den Kopf darüber zu zerbrechen und es wurde nur langsam weniger. Natürlich hatte die zierliche Brünette in der Zwischenzeit versucht, den Kontakt wieder herzustellen. Bei jedem ihrer Anrufe hatte ich den grünen Hörer angestarrt, aber abgenommen hatte ich nicht. Es war besser so für Faye und ich wusste, dass sie genügend Menschen in ihrem Leben hatte, die sie auffangen würden. Sie bekam das hin. Von mir konnte man das nicht wirklich behaupten. Ich war deutlich zerstreuter und auch gereizter als gewöhnlich, seit sich unsere Wege getrennt und ich die Zugbrücke hochgezogen hatte. Mir blieb am Ende nichts anderes übrig, als eine Wohnung zu wählen, in der ich mich absolut nicht wohlfühlte. Vorübergehend nahm ich nach dem Abschluss der Sozialstunden mal einen Job in einem kleinen Supermarkt an, flog da aber schon nach ein paar Tagen wieder raus, weil ich mit einer unzumutbaren Kundin diskutierte, statt nett und freundlich zu antworten. Andere Bewerbungen verliefen gewöhnlich ins Leere und die Stunden in der Bar konnte ich zwar aufstocken, aber das reichte schlichtweg nicht zur Kostenabdeckung. Meinen völlig ins Wasser schlechter Laune gefallenen Geburtstag ignorierte ich weitgehend, überredete mich aber zumindest zu einem kurzen Anruf bei meinen Eltern. Nur um sie wissen zu lassen, dass ich noch lebte und alles soweit okay war, wenn man's so nennen wollte. Die Flashbacks wurden häufiger und ich hätte einmal beinahe einen in der Bar hingelegt - wäre Dylan nicht ebenfalls da gewesen und hätte mir hinten im Personalbereich ein Glas kaltes Wasser über den Kopf gekippt, wäre ich zum tausendsten Mal im Feuer verbrannt. Im Grunde war ich also auch noch drauf und dran, den Job in der Bar zu verlieren. Er hatte Verständnis dafür, aber wenn das öfter vorkam, wäre es einfach fahrlässig mich alleine mit den Gästen arbeiten zu lassen. Es war nicht kalkulierbar und inzwischen konnte ich das auch kaum noch an triftigen Auslösern festmachen. Es waren die winzigsten Dinge, die mich aus der Bahn warfen und nicht immer bekam ich dann die Kurve. Ich hätte aber auch wissen müssen, dass meine Fehltritte rund um die Angelegenheit mit Sean noch ihren Tribut fordern würden, als wäre der Rest meines beschissenen Lebens nicht schon schlimm genug. Es war zu einfach gewesen, da rauszukommen. Zu einfach, um wahr zu sein. Ich hätte gehen sollen, als ich noch die Chance dazu gehabt hatte - die Zeit dafür war mit der Nachricht von Riley endgültig verstrichen und wenn ich da noch drin hing, dann tat Faye es auch immer noch. Gott, wann war ich so naiv und unvorsichtig geworden? Wann genau hatte ich aufgehört, mich auf der Straße nach Verfolgern umzusehen und Jeden in meiner Umgebung genauer unter die Lupe zu nehmen? Für einen kurzen Augenblick dachte ich darüber nach, ein für alle mal zu verschwinden und dieses Drecksloch mitsamt den Hernandez hinter mir zu lassen. Doch das konnte ich Faye nicht antun - nicht das auch noch. Ich hatte keine Ahnung davon, was Seans Schwester von mir wollte, aber wenn sie es von mir nicht bekam, würde sie woanders weitermachen. Dementsprechend fiel die Entscheidung darüber, ob ich mich dieser Zusammenkunft stellen würde, ziemlich schnell, nachdem ich mein Handy an die gegenüberliegende Wand meiner Einzimmerwohnung geworfen hatte. Es lebte noch, hatte aber ungefähr tausend Risse im Bildschirm. Mit besagtem Telefon in der Tasche folgte ich jetzt also widerwillig dem Ruf der Nachricht. Google Maps hatte mich schonmal mental darauf vorbereitet, dass ich heute vielleicht im Hinterzimmer einer Bar aufgehängt werden würde, weil ich natürlich in das verhasste Viertel zurück musste. Den Teil der Stadt, in dem sich Kriminelle mit Abstand am wohlsten fühlten und die Polizei am präsentesten war - nicht, dass die viel ausrichten würde, aber der Schein musste natürlich gewahrt werden. Ich hielt vor der Eingangstür noch einmal inne, schüttelte kaum sichtbar den Kopf und atmete tief durch. Darum betend, dass ich heute hier nicht meinen Todesvertrag unterschreiben ging, trat ich schließlich ein und sah mich um. Ich entdeckte zuerst keine Altbekannten in der Bar, doch meine Augen blieben unweigerlich an Gil hängen, während ich auf die Bar zuging. Sobald sich unsere Augen trafen, lächelte er wissend vor sich hin und ich schloss zu ihm auf. Er ließ mich voran in einen schmalen Flur hinter der Bar eintreten, stoppte mich dann jedoch erneut, weil ich die Jacke ausziehen sollte, damit er mich ausreichend auf Waffen abtasten konnte. Als wäre ich blöd genug, hier in ihrem Zuhause einen Anschlag auszuüben. "Schön, dass wir uns jetzt doch nochmal richtig kennenlernen. Sean hat schon etwas zu viel von dir erzählt, man wird richtig neugierig." Sie hatten ihn alle vier, oder? Diesen selbstgefälligen Tonfall. Außer mit Sean hatte ich noch mit keinem der Hernandez-Geschwister so richtig gesprochen, aber Gil war seinem Bruder in dieser Hinsicht schonmal äußerst ähnlich. "Oh ja, die Freude ist ganz meinerseits." Mein Tonfall maß sich mit seiner Selbstgefälligkeit und einer guten Prise Sarkasmus, aber dabei blieb es vorerst. Durch die Schutzmaßnahme war es jetzt schließlich schon kurz nach 22 Uhr und man wollte ja den Zeitplan wahren, weil Verbrecher so unheimlich viel zu tun hatten. Ich machte die Tür zum nächsten Raum auf und im folgenden Zimmer waren die Lichtverhältnisse wieder deutlich spärlicher, als im Flur davor. Allgemein wirkte der Raum düster durch das dunkle Holz des Tisches und das ebenso dunkle Grün des Billardtisches. Würde das meine Todesursache sein? Gesteinigt durch Billardkugeln? Das machte wahrscheinlich trotz Musik in der Bar zu viel Lärm. "Hinsetzen.", hörte ich hinter mir Gils drängelnde Stimme, weil ich mich offenbar eine Sekunde zu lang umgesehen hatte. Ich tat wie mir befohlen und nahm ziemlich genau gegenüber Riley am Tisch Platz. Erst danach ließ sich Gil ebenfalls an den Tisch sinken, zur noch freien Seite seiner Schwester. "Was verschafft mir die Ehre..?" Ich hatte ein ungutes Gefühl quer im Magen liegen, allein schon durch die Anwesenheit der drei Pestbeulen. Genau deshalb wollte ich auch nicht unbedingt länger hierbleiben müssen, als unbedingt notwendig war - gleich auf den Punkt, bitte.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
Vielleicht war er um Punkt Zehn in der Bar gestanden... vielleicht aber auch nicht, je nach dem, wie viel Zeit Gil sich bis hierher gelassen hatte. Aber mehr als zwei Minuten Verspätung konnte Ryatt nicht gehabt haben, angesichts des Bildes, das das Zifferblatt ihrer Uhr zeigte, als die Tür aufging. 22:02:34 Uhr, um genau zu sein. Das allein reichte für ein triumphierendes Grinsen ihrerseits - zumindest innerlich. Äusserlich blieb ihr Gesicht bis auf ein nichtssagenden Lächeln natürlich ein kleines Pokerface. Aber scheinbar hatte die Drohung genau so gewirkt, wie sie das geplant hatten. Ryatt wäre nie im Leben freiwillig hier angetanzt, wenn er sich nicht vor den Konsequenzen eines Fernbleiben fürchten würde. Obwohl er Faye ihres Wissens nach also seit ein paar Wochen schon nicht mehr getroffen hatte, schien ihm das nette kleine Mädchen also nicht komplett am Arsch vorbei zu gehen. Wunderbar! Am Ende war es wohl doch nicht ganz umsonst gewesen, sie am Leben zu lassen. Um den Mehrwert von Victors Leben konnte man sich ja immer noch streiten... aber nicht heute. Riley musterte ihren Gast eingehend und ohne Zurückhaltung, liess ihren Blick über seine Erscheinung gleiten und antwortete selbstverständlich auch nicht besonders rasch, als er seine Frage stellte. Als würde er hier das Gespräch anführen oder so. "Guten Abend, schön hast du den Weg gefunden", waren die ersten Worte, für die sie überhaupt gelassen den Mund aufmachte. Viel mehr Show brauchte sie persönlich dann aber auch nicht, sie war selbst eher der Typ fürs direkte auf den Punkt kommen, alles andere war Zeit- und Energieverschwendung und drückte ihr auf den bekanntlich eh schon kurzen Geduldfaden. "Wir wollten uns mal mit dir über Vergangenes und Zukünftiges unterhalten", begann sie die Erklärung von unten her aufzurollen. "Soweit ich weiss, kennst du ja unseren netten Bruder Sean... Er lässt beste Grüsse ausrichten - ist leider verhindert, der Gute", wieder folgte eine kurze Pause, die Brünette legte den Kopf etwas schief und lächelte Ryatt absolut falsch mit dem fettesten Blaming You Ausdruck quer übers Gesicht geschrieben an. Ihre Augen funkelten kalt und gefährlich und Ryatt wusste sehr sicher auch ganz genau, warum das so war. "Wegen dir. Und darum bist du hier. Weil du Scheisse gebaut hast, Ryatt", ihre Stimme war gefühlt zehn Grad kälter geworden und damit auch die nette Atmosphäre in diesem Raum. Aber natürlich hatte sie damit nicht geschlossen, sondern war so freundlich, direkt weiter zu sprechen und das Kind beim Namen zu nennen. "Und weil du uns dabei helfen wirst, diese Scheisse wieder aufzuputzen. Es versteht sich von selbst, dass wir unseren Bruder nicht im Gefängnis verrotten lassen werden. Also müssen wir ihn rausholen. Der Plan dafür ist relativ simpel. Wir wollen keinen spektakulären Gefängnisausbruch und auch keinen Überfall, dafür sind wir zu... alt. Elegant. Zu wenig kriminell", wieder ein dezent platziertes Lächeln, das ihre Worte unterstrich. Ein Ausbruch war ein weiteres Verbrechen und damit einfach keine Lösung auf Zeit. Sie wollten ja nicht den Rest ihres Lebens auf der Flucht sein. "Also wird's die Kaution sein. Für die brauchts ne Menge Cash und du ahnst es schon, Ryatt... hier zählen wir voll und ganz auf deine Unterstützung", hier setzte Riley ihren ersten richtigen Punkt, liess die Worte ein paar Sekunden länger wirken, um Ryatt die Chance zu geben, das erstmal zu begreifen und kurz zu verarbeiten. Vielleicht hatte auch einer ihrer Brüder bereits das Bedürfnis, noch was anzufügen, auch wenn der Grossteil des Redens meistens an ihr hängen blieb. Fand sie auch gut, sie war ja die, die ständig mit Sean im Austausch stand.
Riley ließ sich erstmal ein bisschen Zeit damit, mich nochmal darüber ins Bild zu setzen, dass ich in ihren - und Seans - Augen absolut noch nicht frei von Schuld war. Nicht, dass ich tatsächlich etwas anderes erwartet hätte, aber es verstärkte den Druck im Magen und ich hätte den dreien mit Freude auf den Tisch gekotzt. Woher kam diese Angst, diese Unsicherheit? Ich hatte bei der Army früher schon öfter an ungleich aussehenden Verhandlungstischen gesessen, wenn versucht worden war, mit der Gegenseite ein friedliches Ende herbeizuführen. Beim ersten Mal hatten mir da vielleicht noch so die Nerven geflattert, wie es auch in diesem Augenblick der Fall war. Danach aber nie wieder. Vielleicht lag es daran, dass ich inzwischen nicht mehr so gerne sterben wollte, wie damals auf Lance' Couch, auch wenn ich schon lange grundsätzlich Frieden mit dem Tod geschlossen und keine Angst davor hatte. Oder es lag daran, dass ich wusste, dass ich absolut nichts gegen auch nur einen von ihnen in der Hand hatte. Ich saß hier vollkommen machtlos und egal worauf dieses Gespräch hinauslief - ich würde es hinnehmen müssen, weil die Konsequenzen davon nur hässlich werden konnten. Vielleicht hatte ich aber auch Angst davor, was das alles hier am Ende für Faye heißen würde. Ich hatte sie doch nicht zurückgelassen, um sie jetzt wieder mit in meine Scheiße zu ziehen... Dennoch zwang ich mich dazu, den Blick nicht aus Rileys Augen abzuwenden und erst als sie vorübergehend eine Pause in ihrer Ansprache einlegte, wanderten meine Augen zwischen den drei Geschwistern hin und her. Während die Frau im Bunde mit ihren Blicken zwischendurch immer wieder kleine Psychospielchen anzuzetteln versuchte, sahen ihre Brüder etwas neutraler in meine Richtung - vielleicht lag ihnen Kommunikation aber auch einfach nur nicht so gut oder sie fungierten hier nur als Wachhunde und Männer fürs Grobe. Es spielte auch keine Rolle, am Ende lag mein Blick wieder in Rileys und ich schnaubte fast stumm in mich hinein. "Hab ich euch nicht schon das letzte Mal ausreichend gezeigt, dass ich für die Geldbeschaffung nicht so wirklich gut tauge..?", stellte ich ihr eine trocken unterlegte Frage. Klar, Sean und ich waren schon irgendwie immer mit der Beute davongekommen, aber es hätte dabei durchaus Vieles glatter laufen können. Andernfalls hätte man uns das schließlich nicht anhängen wollen. Die Kaution des ältesten Bruders musste ohnehin wahnsinnig hoch sein, schließlich war das die Abkürzung für ganze 30 Jahre Haft. Wie zur Hölle sollte ich so viel Geld beschaffen? Ich hatte die im Gerichtssaal genannte Summe ehrlicherweise nicht mehr allzu genau im Kopf, weil ich diese Information als irrelevant eingestuft hatte - sie musste also so hoch gewesen sein, dass ich grundsätzlich nicht davon ausgegangen war, dass Irgendjemand so viel Geld nur für eine Freilassung in den Sand setzen würde. Wollten sie den Goldvorrat einer Staatsbank knacken oder was? Das war völlig utopisch. Mal ganz davon abgesehen, dass ich gar nicht wollte, dass Sean auch nur einen einzigen verdammten Schritt aus diesem Gefängnis machte. Nicht in noch fast 30 Jahren, nicht in einem Jahr und schon gar nicht in ein paar Monaten oder Wochen. "Und wieso sollte ich euch überhaupt dabei helfen? Ob ich jetzt hier gefoltert und hingerichtet werde, weil ich mich weigere, oder ob Sean mich endgültig absticht, wenn er wieder draußen ist, macht für mich leider echt keinen Unterschied." Ich bediente mich absichtlich keiner förmlichen oder anderweitig besonders respektvollen Wortwahl, auch wenn ich in ziemlich neutralem Tonfall über meinen theoretischen Tod sprach. Ich fürchtete längst zu wissen, was sie auf diese Frage antworten würde. Wenn sie mich tatsächlich immer wieder oder gar fast dauerhaft beschattet hatten, dann wussten sie ganz genau, dass ich noch Kontakt zu Faye hatte... gehabt hatte, bis vor kurzem. Sie würden wissen, dass sie mir nicht völlig egal sein konnte. Leider war die zierliche Brünette das einzige plausible Druckmittel, das mir einfiel und trotzdem hoffte ich weiterhin darauf, dass ich mich damit irrte. Dass Riley irgendeinen anderen bescheuerten guten Grund aus ihrem imaginären Hut ziehen würde, um mich dazu zu bewegen, ihren hochgradig durchgeknallten Bruder aus dem Knast zu holen. Man konnte mein Gefühl für Gefahr und Angst als mittlerweile völlig krank einstufen, weil ich mich in diesem Moment nicht vor drei bekannterweise gewalttätigen Kriminellen fürchtete, sondern nur darum, was ich dieses mal gezwungen zu tun war, nur um einen anderen Kopf aus einer Schlinge zu ziehen. Dem Seil, das sich von Anfang an eigentlich nur um meinen Hals hatte legen sollen. Das war es doch, was ich damals gewollt hatte, oder? Meinem traurigen Dasein mit dem Abstieg in die Kriminalität ein stumpfes Ende zu bereiten. Ich hätte schwer ahnen können, was ich damit am Ende anrichten würde.
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Nicht nur sein heutiges Auftauchen an sich, sondern auch seine Antworten auf ihre Fragen oder Feststellungen waren höchst vorhersehbar. War aber nicht schlimm, sie mochte Überraschungen sowieso nicht so gerne. Natürlich waren Ryatts nicht vorhandene Geldreserven nicht der Grund, weshalb sie an ihn gedacht hatten, wenns um die Beschaffung der Kaution ging. Er hatte ja gelinde gesagt wenig auf der Hand. Sie hatten sich auch eine Weile mit ihm befassen müssen, um nützliche Stärken zu finden, die sich tatsächlich einsetzen liessen. Aber auch hier waren sie offensichtlich fündig geworden, weil sie ohne Plan kaum hier sitzen würden. Sie brauchte keinen knapp nicht Obdachlosen zu erpressen, wenn sie wusste, dass es bei ihm nichts zu holen gab - auch dafür war ihr die Zeit zu schade. Aber Ryatt hatte etwas, das sie brauchen könnten. Etwas, womit sie bestenfalls an richtig fettes Geld rankamen. "Doch... Das hast du getan. Du hast uns gezeigt, dass du ein bisschen Hilfe beim Nachdenken brauchst und wies momentan aussieht auch auf der Jobsuche. Das mit dem Supermarkt war ein netter Ansatz, aber da wärst du ja nichtmal reich geworden, wenn du nicht gleich wieder rausgeworfen worden wärst... Da hättest du für die Kaution wohl so um die siebenhundertvierunddreissig Jahre ununterbrochen arbeiten müssen", ihre Stimme hatte wieder einen leicht verachtenden Tonfall angenommen, während sie ihm unverblümt einen weiteren Fetzen Information unter die Nase rieb, den sie seiner Meinung nach höchstwahrscheinlich eigentlich nicht haben sollte. "Darum haben wir diesen Teil für dich übernommen. Wir haben dir sozusagen was rausgesucht, du musst dich also nur noch anständig bewerben und schon stehst du auf fünf vor Millionär", sie erzählte es, als wäre es die einfachste Geschichte der Welt, als wäre es fast schon etwas peinlich, dass Ryatt selbst noch nicht auf die Idee gekommen war. Aber sie wollte ihm gar keinen Vorwurf machen, manche Leute brauchten eben diesen Anstoss von aussen. Manche Leute brauchten ihn auch zweimal unmittelbar hintereinander, so wies aussah, denn selbstverständlich kam gleich die nächste bescheuerte Frage. Eine, die Riley etwas müde eine Augenbraue hochziehen und ihr Gegenüber einen Moment lang schräg anschauen liess. "Stell dich nicht dumm, Ryatt… Wir haben sie genauso wenig vergessen wie du. Wir werden dich nicht umbringen und Faye auch nicht, das steht nicht auf unserer Agenda und wird dort auch nicht auftauchen. Und für dich macht das vielleicht keinen Unterschied, wie du so schön sagst. Für Faye möglicherweise schon. Vielleicht möchtest du sie ja wenigstens zuerst fragen, ob es ihr denn wirklich egal wäre, wenn Gil sie bei Gelegenheit besucht. Vielleicht nach den Narben schauen kommt... oder ihr einfach etwas Gesellschaft leistet. Er vermisst sie manchmal...", etwas zu sehr, fügte sie gedanklich an. Es fiel ihr nicht so schwer, diese Drohungen verhältnismässig ruhig auszusprechen und sie konnte es ihrer Meinung nach ohne Gefühlsregung rüber bringen. Aber trotzdem wäre es ein bisschen gelogen, zu behaupten, dass das Verhalten ihres Bruders in der Nacht vor neun Monaten sie komplett kalt gelassen hätte. Allein der Gedanke daran widerte sie an, auch wenn sie sich zweitausendmal selbst eingeredet hatte, dass das nur Show gewesen war. Sie hatte nie mit ihm oder sonst jemandem darüber geredet, sperrte es lieber einfach weg und ignorierte die Erinnerung. Bis auf Momente wie den hier, wo sie so tat, als könnte sie sowas unterstützen. Als wäre es ihr vollkommen egal, dass sie sich nicht mehr sicher sein konnte, dass ihr eigener Bruder niemals eine Frau vergewaltigen würde. Dass das ein Niveau war, auf welches niemand in ihrer Familie je sinken würde. Schwieriges Thema und von ihr aus mussten sie hier auch nicht verharren, konnten lieber wieder zum Wesentlichen zurück, wenn Ryatt keine dämlichen Fragen mehr stellte.
Natürlich gab auch Riley besserwisserische Überheblichkeit zum Besten, ich hatte nichts Anderes erwartet. Das hieß allerdings nicht, dass es mich nicht trotzdem bis zu einem gewissen Grad reizte. Wenn ich es musste, dann konnte ich mich wirklich gut zusammenreißen, aber in Anbetracht der Umstände fiel mir das schwer. Ich behielt die neutrale Mine bei, krallte aber kurzzeitig die Finger in den Stoff der Jeans nahe meinen Knien. Schön unter der Tischkante versteht sich, während ich einmal tief durchatmete. Darüber brauchten wir nicht zu diskutieren, weil es schlichtweg sinnlos war. Es war ohnehin eine rhetorische Frage meinerseits gewesen und ich würde diesem brünetten Miststück nicht die Genugtuung geben, aus der Haut zu fahren. Auch wenn sie weder mein Privatleben, noch meine finanzielle Situation einen feuchten Dreck anging. "Weil ich ja super viele nützliche Fähigkeiten im Lebenslauf stehen habe.", meinte ich unterschwellig ungeduldig, weil sie auch einfach gleich hätte sagen können, um was zum Teufel es hier nun eigentlich ging. Wir waren schließlich nicht hier, um ein paar Tassen Tee zu trinken, sondern damit sie mir mal wieder drohen konnten und ich anschließend blöd dastand und keine andere Wahl hatte, als ihren Wunsch auszuführen. Was auch immer der dieses Mal sein sollte, ich hatte absolut keinen Schimmer. Was Riley danach ausspuckte, ließ mich nur umso mehr mit der Fassung ringen. Das einzige äußerliche Anzeichen dafür war ein kurzes Flackern meiner Lider, während das Adrenalin fröhlich weiter durch meine Adern rauschte und für kalten Schweiß in meinem Nacken sorgte. Mein Blick schwankte von der Schwester in der Mitte zu Gil, der mir mit einem vorfreudigen Lächeln entgegensah, das sich zunehmend zu einem zwanghaft schmal gehaltenen Grinsen entwickelte. Er war es also gewesen. Rileys Formulierung und Betonung reichte dazu aus diese Tatsache in meinem Kopf dingfest zu machen und so schnell ganz bestimmt nicht mehr zu vergessen. "Sie ist einfach eine schöne Frau... aber das weißt du ja." Er hängte seinen Worten ein Zwinkern an und es hätte nicht mehr viel gefehlt, damit ich über den Tisch gesprungen wäre, um ihn eigenhändig zu erwürgen. Das unruhige Funkeln in meinen Augen hielt sich für ein paar Sekunden, bevor es mit einem Schlucken zu einem kalten Blick erstarb. Ich schluckte all die Worte runter, die mir auf der Zunge lagen. Drückte auch die Wut und den Ekel wieder runter, um jetzt nichts Falsches zu tun und Faye damit schon vorzeitig in den roten Punkt des Visiers zu schieben. Das konnte ich nicht riskieren. Sie war nicht hier und doch bräuchte es vielleicht schon nur eine einzige falsche Geste, um Gil in ihre Richtung auszusenden. Die unschuldige Brünette durfte um keinen Preis ein weiteres Mal in diesen Schusswechsel geraten. Mein eisiger Blick schwankte mit mahlendem Kiefer zurück zu Riley. "Message angekommen.", war meine erste, bemüht sachliche Reaktion darauf. Dabei faltete ich die Hände auf dem Schoß zusammen, um die innere Unruhe in das Kneten meiner Fingerknöchel umzuleiten. "Wie genau soll ich die Kaution also beschaffen..?", bat ich sie indirekt darum, mir den Plan endlich auf dem Silbertablett zu servieren, damit ich mir danach überlegen konnte, wie zum Teufel ich dieses Mal aus dieser Sache herauskam. Ohne Faye noch mehr Schaden zuzufügen und bestenfalls ohne selbst den Löffel abzugeben.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
Oh, er hatte scheinbar gar keine Ahnung, welche Fähigkeiten im Leben alles nützlich sein konnten, wenn man sie nur am richtigen Ort vermarktete. Bei reichen Leuten mit sehr spezifischen Ansprüchen beispielsweise. Aber soweit waren sie noch nicht, weil scheinbar erstmal die Rahmenbedingungen geklärt werden mussten. Dauerte auch gar nicht so lange, weil Gil selbstverständlich ihre Worte nochmal unterstrich – sie hatte nichts anderes erwartet – und Ryatt damit endgültig klar machte, was Sache war. Innerlich verdrehte sie möglicherweise dezent die Augen, während sie ihrem Bruder zuhörte, äusserlich behielt sie aber natürlich das Pokerface bei, das Ryatt zu verstehen gab, dass sie absolut hinter dieser Aussage und der Handhabung des Problems durch Gil stand. Die funktionierte nämlich bestens. Die Gefühlsregungen in Ryatts Gesicht, selbst wenn unterdrückt, sprachen für sich und gleich darauf bestätigte er mit zwei eindeutigen Worten die Wirkung der Drohung in Richtung seiner Bekannten und sie konnten hier weiterarbeiten. Riley nickte knapp, rutschte auf ihrem Stuhl zurecht, auf dem sie sich für einen Moment zurückgelehnt hatte. «Gut. Ich muss zur Erklärung ein bisschen ausholen, aber ich bin zuversichtlich, dass du am Ende selbst erkennen wirst, wie simpel der Plan an sich ist», warnte sie ihn vor, bevor sie auf genau diese Weise mit der Eröffnung des weiteren Vorgehens begann. «Wir haben uns in den letzten Wochen und Monaten ein paar Gedanken gemacht und dazu ein paar Nachforschungen durchgeführt. Dabei hat sich herausgestellt, dass nicht nur Faye, sondern auch ihre Schwester spannende Figuren in und um dein Leben darstellen. Ich nehme nicht an, dass Aryana dir je von ihrem Arbeitgeber erzählt hat..?», die Frage war rhetorisch, weil das ganz sicher nicht der Fall war. Ausser wenn Faye irgendwas geplappert hätte, weil die theoretisch etwas wissen könnte – wenn auch nicht sollte. Riley wartete nicht lange auf eine Antwort, sondern fuhr fort, um zum spannenderen Teil zu gelangen. «Sie hat sich quasi einen Traumjob geangelt mit einem Gehalt, das allein schon durchaus vielversprechend klingen würde. Nicht genug, um Sean aus dem Gefängnis zu kaufen, aber für dich selbstredend nicht unattraktiv», sie zuckte mit den Schultern, als würde dieser Mehrwert Ryatt schon reichen dürfen. «William Easterlin hat Geld wie Sand am Meer und definitiv zu wenig Lebenszeit, um auch nur einen Bruchteil davon auszugeben. Was er auch hat, ist eine Privatarmee voller Army-Veteranen, die er in die verschiedensten Gebiete unseres Planeten losschickt, um seine bestens honorierten Aufträge auszuführen.», wieder liess sie die Worte ein paar Sekunden sacken, betrachtete Ryatts Reaktion dabei eingehend und versuchte zu erkennen, ob er die Zusammenhänge schon raffte oder noch etwas Hilfe brauchte. Die sie ihm selbstredend sowieso noch zusprechen würde. «Wie ich schon sagte, nutzen wir deine Fähigkeiten, die du scheinbar vergessen hast. Mir ist klar, dass kämpfen mit deinem Bein nicht mehr zu deinen Königsdisziplinen zählen dürfte… Aber ich bin mir sicher, dass Easterlin auch strategische Jobs zu vergeben hat. Du müsstest dich also nur gut bewerben, was mit deiner Army-Karriere nicht so schwierig sein sollte, und ich bin mir sicher, du bist drin. Wenn das erstmal der Fall ist, sorgst du dafür, dass du an Informationen kommst. Wie ebenfalls bereits erwähnt, reicht dein Gehalt eher nicht, um unseren Wünschen gerecht zu werden, also musst du dem noch etwas nachhelfen. Bist du erstmal tief genug drin, wird er uns nach und nach aber bestimmt freiwillig an seinem masslos übertriebenen Vermögen teilhaben lassen und an Ende bist du selbst weit besser dran als jetzt. Dank mir später. Soweit noch Fragen?», das war eine eher lange Kurzfassung geworden, aber hatte es halt erstmal gebraucht, sie wollte ja, dass Ryatt seinen Part verstand und es nicht am Ende noch daran scheiterte.
Der kleine Teufel mit den roten Lippen auf der anderen Seite des Tisches kam nach und nach endlich mal auf den Punkt. Sie erwähnte Aryana sehr bald in der Erklärung und das verstärkte den unguten Druck in meinem Magen noch weiter. Ich mochte keine besondere Beziehung zu der älteren Cooper Schwester haben, aber wenn sie jene nun auch beschattet hatten, musste ich wohl automatisch davon ausgehen, dass sie auch über sie schon zu viel wussten und das war gefährlich. Jeder, der nur ansatzweise in das Interesse dieses dummen Clans rückte, könnte potenziell irgendwann später von ihnen am Kragen herbeigezogen werden. Das sollte ihr nicht auch noch passieren. Für den Moment schüttelte ich aber nur kaum sichtbar den Kopf, weil Rileys Frage sowieso keine richtige Antwort verlangte. Sie machte weiter im Text und ich folgte ihren Worten aufmerksam. Es war zugegeben etwas viel auf einmal - Aryana hatte von einem privaten Sicherheitsunternehmen gesprochen und nicht von einer gottverdammten Armee. Wie war das überhaupt möglich? Wieso erlaubte der Staat das? Gerade wenn ein dermaßen reicher und damit auch mächtiger Mann dahinter stand? Vielleicht nur, weil er dementsprechend auch reichlich Steuern abdrückte. Trotzdem ergab das Ganze nicht wirklich Sinn für mich. Fayes ältere Schwester schien Krieg nicht viel abgewinnen zu können und verteufelte die Army, wieso also machte sie nun mit etwas Ähnlichem weiter? Und was zum Teufel würde sie denken, wenn ich dort jetzt plötzlich auftauchte? Dass ich ihr nachspionierte und ein gestörter Stalker war? Würde sie Faye davon erzählen? Faye würde sich wieder unnötig den Kopf darüber zerbrechen... Irgendwie schien meine Welt schon wieder ganzheitlich mit tausend Fragezeichen in sich zusammenzufallen und ich musste mich zusammenreißen, um meine Gesichtszüge trotzdem unter Kontrolle zu halten. Es war ja leider nicht so als hätte ich in dieser Sache wirklich eine Wahl. Ich würde also in eine unter dem Radar existierende Privatarmee schlüpfen, die sich offenbar ganz hier in der Nähe ausgezeichnet bedeckt hielt und mich wie eine Made durch William Easterlins System fressen, nur um Fehler darin zu finden und ihm jene Probleme dann unter die Nase zu halten. Mir war schon vorher klar gewesen, dass ich ganz bestimmt nicht Teil legaler Geldbeschaffung werden würde, aber einen angeblich stinkreichen Typen mit einer Privatarmee erpressen..? Solche Leute hatten doch Anwälte bis zum Abwinken, denen konnte man gar nichts. Ich müsste wahrscheinlich wahnsinnig tief graben, um überhaupt einen Ansatz zu finden und das würde verdammt lange dauern. Zugegeben - ein Schreibtischjob in einer Armee klang nicht grundsätzlich scheiße in meinen Ohren. Es waren leider die ganzen anderen hässlichen Rahmenbedingungen und das lästige Hernandez-Pack im Nacken, was mich kein bisschen mit Freude an die Sache rangehen lassen konnte. Ich hatte einen stillen Augenblick gebraucht, um das Ganze sacken zu lassen, bis ich mich jetzt schließlich dazu äußerte. "Ich soll also einen der wahrscheinlich reichsten Männer des Landes erpressen? Einen Kerl mit wortwörtlich einer Armee und wahrscheinlich tausend Anwälten im Rücken? Kann ja kaum schiefgehen.", schnaubte ich, schüttelte den Kopf und blickte einen Moment lang zur Seite weg. Diese Worte waren einzig Ausdruck meiner Frustration, weil schlichtweg nichts schiefgehen durfte. Ich musste auf Biegen und Brechen einen Weg dafür finden, erfolgreich mit dem verlangten Geld aus dieser Sache rauszugehen oder die Verfeindung mit den Geschwistern auf andere Weise absolut endgültig zu lösen. "Euch ist aber hoffentlich klar, dass sowas lange dauert? Sehr lange? Das ist mit zwei Monaten den Kugelschreiber schwingen nicht getan.", fragte ich indirekt danach, was Riley sich dabei bitte für einen Zeitrahmen vorgestellt hatte und sah anschließend wieder in ihre Richtung. Ich bräuchte wahrscheinlich vollstes Vertrauen des Geldhahns, um überhaupt erst mit dem Buddeln nach schmutzigen Geheimnissen anfangen zu können. Selbst wenn ich erfolgreich in seine Armee kam und auch meinen Job zu seiner vollsten Zufriedenheit erledigte, war das allein nicht ausreichend. Ich bräuchte schlichtweg auch seine Sympathie und Leistung allein reichte dafür nicht aus. Entweder hatte ich also Glück und er mochte mich tatsächlich, oder ich musste mal wieder meine inzwischen eingerosteten Schauspielkünste aus der Kiste holen. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr Haken tauchten an der Sache auf.
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Er begriff die Faktenlage ziemlich gut wies schien. Aber sie hatte sich auch bemüht mit der verständlichen Erklärung. Ausserdem konnte Ryatt ja nicht allzu dumm sein, sonst hätte er es in der Army wohl nie so weit nach oben geschafft. Wobei... sein anschliessend sehr tiefer Fall sprach wiederum weniger für pure Intelligenz. Aber sie kannte jetzt auch nicht unbedingt die ganze Geschichte, liess sich also schwer beurteilen, woran das am Ende wirklich gelegen hatte. Für ihren Plan hier wäre es jedenfalls dienlich, wenn Ryatt ein überdurchschnittlich schlaues Köpfchen hätte. Alles andere würde ihren superreichen Geldhahn nämlich tendenziell zu wenig begeistern. Riley nickte langsam zur Bestätigung und das schwache Zucken ihrer Mundwinkel sprach für sich. "Bestens zusammengefasst. Es sei denn natürlich, du hast eine bessere Idee zur Beschaffung von ein paar Millionen Dollar innerhalb einer nützlichen Frist", hatte er sehr sicher nämlich nicht, weil er sonst finanziell gesehen selber besser dastehen würde. "Seine Anwälte und seine Armee sollten aber bestenfalls nicht involviert werden... Zu deinem eigenen Wohl", und natürlich nur deshalb und nicht, weil das alles auch ohne zusätzliche Player schon verdammt kompliziert und riskant war. Bezüglich seiner nächsten Frage, konnte sie Ryatt aber beruhigen. Die Idee war durchdacht, sie und ihre Geschwister waren ebenfalls glücklicherweise nicht dumm und Sean wusste, dass er sich wohl oder übel noch eine Weile im Knast vergnügen und Freunde suchen musste. Also konnte sie auch diesem Hinweis folgend nicken, bevor sie ihn über den zeitlichen Rahmen des Vergnügens aufklärte. "Ist uns durchaus bewusst und darum hast du ein halbes Jahr Zeit", meinte sie, offenbarte ihm damit jedoch maximal die halbe Wahrheit. Weder sie noch ihre Brüder erwarteten tatsächlich, dass Ryatt in einem halben Jahr bereits am Ziel war. Das war das Optimum und sehr wünschenswert - realistisch musste man aber von mindestens einem Jahr ausgehen und selbst Sean hatte sich damit abgefunden. Was nicht hiess, dass es nicht auch schneller passieren durfte, wenn Ryatt sich geschickt anstellte. "In dieser Zeit erwarten wir regelmässige Updates und werden monatliche Treffen abhalten, damit wir sicher sein können, dass du uns nicht vergisst. Wenn es Probleme gibt, lässt du uns selbstverständlich davon wissen, bevor sie unlösbare Ausmasse annehmen", auch wenn sie natürlich keine Probleme wollten. Riley dachte kurz nach und blickte auf die Mappe mit Papierkram vor ihr. Sie ging die Blätter durch, um Ryatt anschliessend drei davon über den Tisch hinweg zuzuschieben. "Da sind ein paar Eckdaten zu Easterlin und seiner Armee. Natürlich nichts, was irgendwie offiziell zugänglich wäre und ich empfehle dir nicht, mit diesem Wissen bei ihm anzugeben. Auf der letzten Seite findest du ausserdem Aryanas Kontaktangaben, falls du die noch nicht hast und nicht deine kleine Freundin danach fragen möchtest. Ich überlass' es dir, ob du über sie den Zugang suchst oder direkt bei Easterlin anklopfst...", die Brünette hob nochmal kurz gleichgültig die Schultern und betrachtete ihr Gegenüber so, als müsste sie darüber nachdenken, ob sie noch was vergessen hatte. Was im Grunde genau das war, was sie auch tat, bevor sie entschied, denn Ball diesbezüglich ihm zuzuschieben: "Hast du noch Fragen oder ist dein Auftrag klar?"
Nein, die hatte ich leider nicht. Andernfalls hätte ich Riley diese Millionen-Dollar-Idee in diesem Moment liebend gerne aufgetischt, nur um Faye schneller aus dem Fadenkreuz zu kriegen. Ob ich überhaupt wissen wollte, von was für Narben Riley vorhin gesprochen hatte? Seit dem Vorfall mit den Hernandez hatte Faye auch Narben im sichtbaren Bereich, die vorher zweifellos noch nicht da gewesen waren. Die waren inzwischen jedoch so schmal und blass geworden, dass man sie von Weitem gar nicht sah und eigentlich auch von Nahem nur dann, wenn sie wirklich direkt ins Blickfeld fielen. Ich kam nicht umher noch einmal zu Gil zu sehen, als würde er mir dann sagen, ob es noch mehr Narben gab. Außer die psychischen, natürlich... ich würde das rausfinden. Irgendwann. Wenn Faye es mir nicht sagen wollte, dann würde er es tun. Wobei die Brünette es mir sowieso nicht sagen konnte, wenn ich ihr den Kontakt zu mir quasi verbot. Konnte ich sie überhaupt guten Gewissens in Unwissenheit darüber lassen, dass mit meiner Person ihre Unversehrtheit stand oder fiel? Es änderte vielleicht nichts an den gegebenen Umständen, wenn ich es ihr sagte, aber vielleicht wäre sie insgesamt etwas vorsichtiger und würde sich öfter umsehen, wenn sie draußen alleine unterwegs war. Nur für den Fall, dass Gil zur Verdeutlichung der Drohung schonmal über ein paar Meter Entfernung Hallo sagen wollte oder anderweitig Psychoterror veranstalten würde. Ich traute den Geschwistern dank Sean Vieles zu. Andererseits würde Faye mich dann hassen, oder? Mich wieder wegschicken, kaum hätte ich mich entschuldigt und sie über die Lage in Kenntnis gesetzt... sie würde endlich merken, dass ich ihr nicht gut tat und in diesem Moment wurde mir klar, dass das scheinbar doch nicht das war, was ich wirklich wollte. Es brauchte Rileys Stimme, um meine kurzfristige Verwirrung aufzulösen und mich wieder auf das in diesem Moment Wesentliche zu fokussieren - erstmal heil aus dieser Verhandlung rauskommen, danach konnte ich dann nochmal in Ruhe und ohne Druck von außen versuchen, das Ganze zu verarbeiten und zu analysieren. Nach ihren neckischen Anmerkungen hinsichtlich Armee und Anwaltshorde kam das kleine Biest glücklicherweise aufs Wesentliche zurück. Beim genannten halben Jahr zuckten mir die Augenbrauen nach oben. Es in dieser Zeitspanne hinzukriegen wäre, mild ausgedrückt, sehr sportlich. Es müsste alles ausnahmslos reibungslos funktionieren, der reiche Schnösel müsste mir blind vertrauen und ich müsste Zugang zu so ziemlich allen Bereichen seines Imperiums haben - oder mindestens zu der Büroabteilung, die wahrscheinlich die schmutzigen Akten aufbewahrte. Ich hatte absolut keine Lust dazu, mich auch noch mit dem ganzen Büro anfreunden zu müssen. "Das ist immer noch reichlich knapp bemessen, aber... ich geb' natürlich mein Bestes." Ersteres wollten sie wahrscheinlich eher nicht hören, aber ich konnte verdammte Scheiße nochmal nicht zaubern. Hatten die selber jemals versucht etwas zu infiltrieren, das nicht infiltriert werden wollte? Mir graute es auch jetzt schon davor, mich wieder regelmäßig mit diesem gesellschaftlichen Abschaum treffen zu müssen. Ich sah ebenfalls auf das angehäufte Papier auf dem Tisch, als die Brünette begann irgendwas darin zu suchen. Meine Augen folgten den Blätter, als sie diese zu mir rüberschob. Natürlich würde ich erst einmal überhaupt zu einem Bewerbungsgespräch kommen müssen und das allein war an sich vielleicht nicht so sehr schwierig, weil Riley so nett war, mir dafür schonmal zwei Wege zurechtzulegen. Nur die Frage danach, wie ich auf Easterlin und seine Armee gekommen war, könnte mir dann möglicherweise auf die Füße fallen. War der Umweg über Aryana da hilfreich? Vielleicht schon. Andererseits würde mich das bei ihr dann in denkbar blödes Licht rücken. Egal wie ich es drehte und wendete, hatte die Sache also einen Haken - wie schön, dass die Entscheidung meine war. "Okay.", vermittelte ich knapp, dass ich verstanden hatte, bevor ich das Papier zu mir ran zog und schonmal sehr flüchtig den Inhalt überflog. Allein deshalb, weil das theoretisch neue Fragen aufwerfen könnte oder mir in der Zwischenzeit noch anderweitig welche einfallen könnten. Ich schüttelte jedoch langsam den Kopf. "Ich denke nicht.", erwiderte ich etwas langgezogen, bevor mein Blick abschließend über Aryanas Adresse schweifte und ich wieder zu Riley aufsah. "Und falls doch welche auftauchen, weiß ich ja, wo ich euch finde.", meinte ich mit geseufztem Atemzug im Abgang. Verbrecher besprachen Dinge halt grundsätzlich nicht gerne am Telefon und deswegen immer in Person auftauchen zu müssen, war einfach absolut nervtötend. "War's das dann..?", hakte ich abschließend nach. Sean hatte mir ziemlich schnell sehr eindringlich gezeigt, was passierte, wenn man früher aufstand, als man sollte. Zugegeben fand ich sowohl Gil, als auch Mateo rein optisch schon ein bisschen weniger angsteinflößend - von Riley ganz zu schweigen - aber man sollte per se nicht den Fehler machen, seine Gegner leichtsinnig zu unterschätzen.
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Sie hatte fast mit etwas mehr Widerstand bezüglich der sechsmonatigen Frist gerechnet. Aber es war sehr angenehm zu hören, dass Ryatt scheinbar bereits begriffen hatte, dass das keine gute Idee wäre. Liess sie durchaus optimistisch in die Zukunft schauen und mal schauen - vielleicht schaffte er das ja tatsächlich, wenn er sein bestes gab. "Wunderbar, dann wollen wir doch hoffen, dass das reicht", meinte sie mit einem weiteren künstlichen Lächeln. Weiterhin ohne die tatsächliche Frist auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Sie würden ihn schon zu gegebener Zeit darauf hinweisen. Also so in fünf bis sechs Monaten, wenn er glaubte, die Schlinge zog sich enger um seinen Hals, als sie das tatsächlich tat. Wenn sie ihm jetzt schon ein ganzes Jahr versprachen, würde er gar nicht erst anfangen. Ryatt hatte offenbar keine Fragen mehr, was dieses Gespräch insgesamt langsam in Richtung eines Ende führte. Sie nickte auf die Bemerkung bezüglich auftauchender Unklarheiten zur Bestätigung, hatte aber auch dazu nichts mehr anzufügen. Sie waren in dieser Bar bestens bekannt. Wenn er also hier nach ihnen fragte, würden sie das mitbekommen. Ausserdem würde sie sich ja wieder bei ihm melden fürs nächste Treffen und bis dahin hatte er eh alle Hände voll zu tun, musste sich erstmal um die Kontaktaufnahme und Anstellung kümmern, bevor alles andere kam. "Gut. Klingt so, als hätten wir uns verstanden. Und ja, von meiner Seite wars das... Vergiss bei allem was du tust einfach nicht, dass wir dich im Auge haben", beendete sie das Gespräch mit einer unverblümten Drohung, mit der er sicher schon gerechnet hatte. Daraufhin erhob sie sich nach einem Blick zu ihren beiden Brüder aus dem Stuhl, um gemächlich zur Tür zu spazieren. Sie hatte die Türfalle schon in der Hand, als sie sich nochmal an Ryatt wandte und ihn eines längeren Blickes würdigte. "...und komm' nicht wieder auf dämliche Ideen mit den Cops oder so. Das war schon sehr dumm und darauf hab' ich keine Lust. Sonst muss ich die Aussage mit wir töten keinen vielleicht doch nochmal revidieren", hielt Riley es für nötig, ihm noch mit auf den Weg zu geben. Eigentlich glaubte sie nicht, dass das sein bevorzugtes Vorgehen nach heute wäre, aber sie wollte auch lieber kein Risiko eingehen und das dem Zufall überlassen. Letztes Mal hatte Sean offensichtlich auch nicht damit gerechnet und dann war die Scheisse genauso passiert. "Viel Glück.", sie öffnete die Tür, um sowohl Ryatt als auch Gil den Weg nach draussen frei zu machen. Letzterer würde ihren Besucher freundlicherweise wieder zum Ausgang begleiten, während sie mit Mateo hier wartete. Blieb zu hoffen, dass sie sich klar genug ausgedrückt hatten und Ryatt hinbekam, was ihm aufgetragen wurde. Bislang sah es mit Alternativen zur Befreiung ihres Bruders nämlich eher schlecht aus und sie hatte weder Lust, ihn hier eine weitere Ewigkeit vermissen zu müssen, noch ihm weiterhin bei seinem Gejammer zuzuhören und sich von ihm bearbeiten zu lassen. Sie liebte ihn ja wirklich, aber je länger er das Gefängnis von innen unsicher machte, umso anstrengender und unausstehlicher wurde er. Dabei hatte er da drin scheinbar gar keine so schlechte Stellung. Zumindest nicht, wenn man berücksichtigte, dass er verhältnismässig noch nicht so lange einsass. Sie konnte auf jeden Fall nicht mehr für ihn tun als das hier.
Das würde es nicht. Ich konnte zwar durchaus optimistisch sein, was meinen Ehrgeiz und meinen Willen anging, etwas erfolgreich in kürzester Zeit durchzuziehen, aber ein halbes Jahr war in diesem Fall ein Ding der Unmöglichkeit. Eine Diskussion darüber schien mir mit einem so sturem Pack wie den Hernandez-Geschwistern sinnfrei - ich würde die Hölle also noch eine Weile herausschieben und sie erst kurz vor Ablauf der Frist darauf hinweisen, dass das nicht zu schaffen war. Zumindest sofern die drei Superhirne nicht selbst darauf kamen, aufgrund der ohnehin notwendigen monatlichen Berichte. Blieb also nur noch die Frage übrig, was mir dann blühte. Schlugen sie mir nur auf die Finger oder würde Gil sofort zur Tat schreiten? Ob Victor in einem halben Jahr zurück sein würde, um sie zu schützen? Eigentlich wollte ich ja gar nicht, dass er zurückkam, aber in dieser Hinsicht wäre es schon gut... wobei er das letzte Mal auch genau gar nichts ausgerichtet hatte, also war er womöglich völlig nutzlos. Mein Kopf schlug sekündlich mehr Purzelbäume und deshalb war es gut, dass die schwere Kost dieses Gesprächs bereits vorüber war. Riley brauchte sich keine Sorgen darum zu machen, dass ich sie vergessen würde - sie durften mich liebend gerne dabei beobachten, wie ich mich paranoid nach ihren Laufburschen umsah, um herauszufinden, auf welche Gesichter ich künftig aufpassen musste. "Ganz bestimmt nicht.", versicherte ich ihr mit trockenem Unterton, als ich mich ebenfalls vom Tisch erhob. Ich faltete die Papiere in der Mitte, damit der Text nach außen hin nicht lesbar war, weil die Rückseite des letzten Blattes keinen Inhalt mehr hatte. Während ich mich dem Ausgang näherte, formte die Brünette noch eine weitere unterschwellige Drohung. Ich hätte beinahe angefangen zu lachen. "Da kann ich dich beruhigen... hat mir letztes Mal ja offenbar nicht so viel gebracht, hm?" Ich warf ein kühles Lächeln in Rileys Richtung. Mit keinem Wort erwähnte ich Fayes damalige Warnung, den Bullen hier nicht mehr zu trauen, sondern berief mich in meiner Antwort einzig darauf, dass die Cops langfristig einfach keine Lösung waren. Damit wurde man vielleicht einzelne der hässlichen Gesichter vorübergehend los - siehe Sean - aber das wars dann auch. Der Rest feilte im Hintergrund schön weiter an der Rache und so gerne ich sie auch allesamt hinter Gittern sehen wollte, würde ich das niemals erfolgreich hinkriegen. "Glück ist was für Leute, denen die Ausdauer fehlt.", schnaubte ich in meinem Abgang durch die Tür und schüttelte den Kopf. All die negativen Gefühle drängten sich wieder nach oben, meine Beherrschung schien allmählich zu schwinden. Hatte ich das verlernt oder ging mir all das nur viel zu nahe? Möglicherweise beides... auf Glück konnte ich bei dieser Sache auf jeden Fall nicht bauen. Erst recht nicht, wenn es mir von Riley gewünscht wurde. Ich würde mir das ganze Konstrukt um Easterlin herum erst einmal ansehen müssen, um sowas wie einen Plan zu formen, bei dem es nicht auf ein Quäntchen Glück ankam. Gil geleitete mich in den vorderen Bereich der Bar zurück und ein oder zwei der anderen Gäste sahen schief in meine Richtung, was ich gekonnt ignorierte. "Bis bald, Ryatt!", flötete Gil mir hinterher, während er selbst an der Bar hängenblieb und ich mich zum Ausgang trollte. Ich konnte sein schadenfrohes Grinsen dabei überdeutlich hören, erwiderte aber nichts und setzte meinen Weg nach draußen stur fort. Ein weiteres Gespräch unter gegebene Umständen konnte nur schiefgehen, also flüchtete ich stattdessen in die kühle Luft. Wenig überraschend reichte frischer Sauerstoff aber absolut nicht aus, um meinen Kopf innerhalb der nächsten paar Minuten zu beruhigen.
Ich ließ mir 4 Tage Zeit damit, mir zu überlegen, welchen Weg ich gehen wollte. Ob es sinnvoller war bei Aryana anzuklopfen, oder zu versuchen direkt zu Easterlin durchzudringen. Beides war suboptimal, es mir mit dem Milliardär von Anfang zu verscherzen wog am Ende aber schwerer und ich konnte die Entscheidung auch nicht ewig lange rausschieben - schließlich hatte ich nur sechs Monate Zeit, da konnte nüchtern betrachtet schon eine Woche einen fatalen Unterschied machen. Ich war in der Zwischenzeit dennoch nicht völlig untätig gewesen. Es war schwer einschätzbar, wie ein Milliardär seine Bewerbungsunterlagen denn am liebsten hätte, aber seine Armee war an und für sich schon kein 0815-Unternehmen. Ich nahm mir bei der Anfertigung also durchaus ein paar sehr direkte Formulierungen heraus, schönigte aber Nichts und erwähnte noch nicht, warum genau ich am Ende meiner Army-Karriere so fatal gescheitert war - auf die Antwort durfte er warten, bis er mich zu Gesicht bekam. Die war nämlich sehr psychisch bedingt und ich hatte das bei meinen Aussagen während der Gerichtsverhandlungen so gut es ging vertuscht. Mein mentales Versagen war offensichtlich gewesen, ich hatte es aber auf zu hohen Leistungsdruck und nicht auf akuten Liebeskummer geschoben. Dass das eigentlich nicht stimmen konnte, war zwar relativ offensichtlich - schließlich hatte ich die hohen Anforderungen der Army in den vorherigen Jahren einwandfrei bewältigt - aber es hatte halt auch Niemand etwas anderes beweisen können. Avery war ja nicht mehr da gewesen, um auszusagen... selbst wenn sich Easterlin also Zugriff auf all diese Informationen beschaffen würde, konnte er nur mutmaßen, was da am Ende nun eigentlich genau passiert war. Jetzt jedenfalls stand ich um ziemlich genau 15 Uhr an der Schwelle zur Tür meiner künftigen Karriere oder Nicht-Karriere. Die beiden Nachnamen Cooper und Warwick standen auf der Türklingel, ich hatte schon zweimal die Hand gehoben und doch nicht gedrückt. Es war unvermeidbar mich unwohl damit zu fühlen, hier nur semi-gut vorbereitet Fayes ältere Schwester um ihre Hilfe und ihren guten Willen zu bitten. Sie hatte nüchtern betrachtet wenig gute Gründe dafür und ich würde mir wahrscheinlich den Mund fusselig reden müssen, um da was zu erreichen. Allein deswegen schon, weil ich offenbar ihre Adresse hatte. Die war zwar etwas weniger privat als ihre Handynummer, die ich noch unwahrscheinlicher selbst hätte rausfinden können, aber nun... wer nicht wagt, der nicht gewinnt und letzteres stand wegen Faye leider nicht zur Debatte. Riley hatte sich zu meinen Gunsten auch darüber informiert, dass Aryanas bessere Hälfte aktuell ausgeflogen war. Das war wahrscheinlich Easterlin zu verschulden, denn Mitchell war schon einen Tag vor dem Treffen mit den Hernandez abgereist und seitdem noch nicht zurückgekommen. Wahrscheinlich also ein Einsatz, in den nur er verwickelt war. Ich konnte demnach zumindest in dem Wissen klingeln, dass mir nicht zwei hochgradig misstrauische Augenpaare von Nicht-Ex-Soldaten gleichzeitig entgegensehen würden, sondern nur eines. Als Aryana sich über die Sprechanlage meldete, wurde es ernst. "Hey Aryana, hier ist Ryatt. Hör zu... ich weiß, dass es schräg ist, dass ich hier bei euch aus dem Nichts auftauche... aber ich hab ein paar Fragen und die kann mir nur einer von euch beiden beantworten." Es konnte mir nüchtern betrachtet nur zugute kommen, wenn ich so tat als würde ich nicht wissen, dass Mitch gar nicht da war. Sie alleine abpassen zu wollen wäre nochmal anders schräg. Aber nur an Aryanas Nettigkeit zu appellieren würde unter gegebenen Umständen nicht unbedingt fruchten, also streute ich noch ein paar mehr Brotkrumen. "Es geht um die Firma, für die ihr arbeitet. Ich muss wissen, ob an meiner Vermutung was dran ist... ihr oder du kannst auch runterkommen, wenn ich besser nicht hochkommen soll. Da gibt's ein Café um die Ecke, bin ich grade dran vorbeigelaufen... Ich weiß, dass das alles viel verlangt ist, aber es würde mir enorm weiterhelfen und es dauert auch wirklich nur ein paar Minuten." Ich fing gedanklich an zu beten, dass das ausreichte. Denn scheinbar sollte Aryana nicht über ihre eigentliche Tätigkeit reden und ich konnte nur darauf hoffen, dass sie so sehr von den Umständen getriggert war, dass sie der Sache trotzdem auf den Grund gehen wollte. Sei es aus Neugier, Misstrauen oder Ärger. Hätte Riley mir über Mitch nicht auch gleich ein paar Infos zuspielen können? Ich hatte noch immer keine Ahnung davon, wer dieser Kerl überhaupt war, weil er mir in den letzten Wochen im Kinderheim auch nicht über den Weg gelaufen war. Ich musste wissen, was es für Leute waren, die ich zukünftig unter Umständen in meine Gleichungen mit einkalkulieren musste - entweder als Mit- oder Gegenspieler. Was das anging war ich mir leider auch bei Aryana nicht sicher.
____ ich hab Mitch halt kurzerhand beseitigt, weil er es Ryatt noch schwerer machen würde als es eh schon ist... und ich obviously auch einfach keinen Bock habe beide zu schreiben, lel. XD
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Ach das passt schon, hab jetzt auch nicht damit gerechnet, dass Mitch hier auch noch Gesellschaft leistet. xD ____________
Ihre Schonfrist hatte noch etwa drei Wochen angehalten - dann waren die Schusswunden ausreichend verheilt gewesen, um sowohl sie als auch Mitch wieder zum Training zu verpflichten. Weitere zwei Wochen hatten sie in Amerika dem Wiederaufbau ihrer physischen Kräfte gewidmet und dann hatten die angedrohten zwei bis drei Monate Trennung ihren Anfang genommen. Die Übung war absolut beschissen - jetzt noch mehr als direkt im Anschluss an das Desaster in der Mongolei. Sie hatten sich in ihrer Genesungsphase vollumfänglich versöhnt, wenn man das so bezeichnen wollte. Hatten mittlerweile auch beide ihr jeweiliges Schlangentattoo. Wurde auch Zeit, nach all den Monaten und Jahren, in denen sie die Idee schon mit sich herumschleppten. Aryana hatte ihren linken Unterarm schmücken lassen und war mit dem Ergebnis (etwas in die Richtung) vollumfänglich zufrieden. Es zeigte selbstredend genau die Schlangenart, der sie - etwas plakativ gesagt - überhaupt erst zu verdanken hatte, dass sie sich und Mitch je eine Chance gegeben hatte. Eine Chance auf das, was sie jetzt hatten und was nun langsam endlich so wurde, wie sie es schon immer haben sollten und wollten. Wenn man mal von der Zwangstrennung auf Zeit absah. Ihre Beziehung und ihre Psyche würde folglich absolut keinen Vorteil aus dieser Massnahme ziehen, sie diente einzig und allein der Schikane durch ein reiches Arschloch, dem auf seinem Designerstuhl hinter dem Bürotisch etwas zu oft langweilig wurde. Trotzdem hatten sie keinen Spielraum, um sich weiter gegen Easterlin aufzulehnen und leisteten dem erneuten Aufgebot brav Folge. Seit knapp sechs Wochen zog sich das nun so hin und Aryana hatte die ersten vier Wochen davon auf einem Einsatz im definitiv noch immer zu kalten russischen Sibirien verbracht. Mitch hatte netterweise zwei kleinere Aufträge zu je drei Wochen aufgebrummt gekriegt, was hiess, dass er zwei Tage nach ihrer Rückkehr zum zweiten Einsatz hatte aufbrechen dürfen. Entsprechend hatte sie ihn in den letzten sechs Wochen ganze zwei Tage gesehen, was wirklich wundervoll war und wofür sie jeden Tag zwei bis zwanzig weitere Nadeln in ihre Easterlin-Voodoo-Puppe steckte. Immerhin war ihr so die Entscheidung, ob sie lieber mit Faye nach Denver flog oder Zeit mit Mitch verbrachte, abgenommen worden, da Letzteres gar nicht zur Auswahl stand. Sie waren ganze acht Tage in der Heimat gewesen und gestern erst zurückgekommen. Hatten ihre Verwandten besucht, aber hauptsächlich einfach sehr viel Zeit zu zweit verbracht. Sie waren bei ihrem alten Haus gewesen, da, wo sie aufgewachsen waren und wo nun schon seit vielen Jahren eine andere Familie wohnte. Sie waren zum Spielplatz neben der Schule gegangen, in der sie etliche Stunden ihrer Kindheit verbraten hatten, hatten beim gleichen Bäcker Brötchen geholt, der ihnen damals immer Süssigkeiten zugesteckt hatte, wenn sie mit ihren Eltern vorbeigekommen waren. Und natürlich hatten sie auch den Friedhof besucht, ihre Eltern und Julian. Das erste Mal seit dessen Beerdigung. Der ganze Ausflug war selbstredend unglaublich anstrengend und aufwühlend gewesen, sie hatten beide viel zu oft geweint - aber wider Erwarten auch sehr viele schöne Momente genossen und zusammen über alte und weniger alte Erinnerungen gelacht. Faye schien es ebenfalls gut getan zu haben, sowohl mal wieder weg zu kommen, als auch endlich in die Heimat zurück zu fliegen, um hier zumindest einen Teil des Schutts aufzuarbeiten, der sich über die Jahre angesammelt hatte. Sie hatten sich bereits vorgenommen, das wieder zu tun und vielleicht auch irgendwann Mitch und Victor mitzuschleppen. Irgendwann in den nächsten Jahren, wenn letzterer sich wieder zu ihnen gesellt hatte und sie es sich alle irgendwie einrichten konnten eben. Das war jedoch nicht Thema von heute. Heute stand eher Ausruhen auf dem Plan. Ein bisschen Wäsche waschen, entspannen, ein bisschen Sport... und eigentlich kein Drama. Dachte sie, bis es an der Tür klingelte. Es brauchte nicht viel mehr als einen Satz des Störenfrieds, um ihr klar zu machen, dass sie sich das mit dem Drama wohl ans Bein streichen konnte. Ryatt?? Das waren zu viele Fragen, die sofort in ihrem Kopf auftauchten. Was er wollte, natürlich, aber noch viel mehr wie zur Hölle er diesen Hauseingang und ihr Klingelschild gefunden hatte?! Kurz kam ihr ein Gedankenblitz, dass Faye etwas zugestossen sein könnte und er darum hier aufkreuzte. Nur hatte er seit zweieinhalb Monaten keinen Kontakt mehr zu Faye, wahrscheinlich weil sie sich geküsst hatten und ihre Schwester das nicht gutheissen konnte. Vielleicht auch aus einem anderen Grund, gemäss Faye hatte er den Kontaktabbruch nie abschliessend begründet. Auf jeden Fall erklärte das nicht sein plötzliches Aufkreuzen hier. Mit ein paar Fragen für sie beide. Er hatte Fragen an Mitch? Er kannte Mitch nichtmal..! Weiter brauchte sie nicht zu denken, da Ryatt noch ein paar Sätze anhängte, die die absolut unwillige Verwirrung quer über ihrem Gesicht noch einmal in Fett nachzeichnete. "Alter...", das Wort kam eher leise über ihre Lippen, drückte in sich aber schon ziemlich gut aus, was sie von diesem Aufzug hielt. Sehr sehr wenig. Klang nach Ärger - viel Ärger. Die Firma, für die sie arbeitete - wo zur Hölle wollte Ryatt Infos über diese Firma herhaben?? Sie hatte nichts weiter davon erzählt, sein aktueller Stand sollte noch immer ein mehr oder weniger harmloses privates Sicherheitsunternehmen sein und was könnte er dazu bitte für Fragen haben?? Aryana liess ein paar lange, stumme Sekunden verstreichen, fand eigentlich sehr viel Gefallen an der Idee, den Sprechhörer zurückzuhängen und die Tür einfach zuzulassen. Das Elend auszusitzen, bis der Bote des Übels sich von selbst wieder verzog und sie mit ihrem harmlosen, friedlichen Self Care Day weitermachen konnte. Am Ende wusste sie nicht genau, warum sie die Tür doch öffnete. Wahrscheinlich Faye zuliebe. Damit sie Ryatt, sobald er bei ihr angekommen war, gepflegt in den Arsch treten konnte, um ihm klar zu machen, dass er so nicht mit ihrer Schwester umgehen konnte. Und er sie eigentlich auch nicht zu küssen hatte, weil sie kein Drama mit Victor wollte. Vielleicht liess sie diesen Teil besser aus, weil nicht ihre Verantwortung... Mal sehen, wie sich das Gespräch entwickelte. Sie hätte sich wenn dann eigentlich lieber woanders als in ihrer Wohnung mit ihm unterhalten, aber wenn er wirklich über ihre Arbeit reden wollte - selbst wenn sie dazu nichts zu sagen hatte - war ihr das viel zu riskant. Darum stand sie in der Tür, bis sie ihn im Treppenhaus um die Ecke biegen sah. Zog die rechte Augenbraue hoch und blickte ihm zu hundert Prozent misstrauisch und dezent unfreundlich entgegen. Sie sagte nichts, trat ein Stück zur Seite, damit er eintreten konnte und sie die Tür hinter ihm wieder schliessen konnte. Dann verschränkte die Brünette die Arme vor der Brust und blickte ihn abwartend an, ohne ihn weiter in die Wohnung rein zu führen. "What the Fuck, Ryatt?", war die erste, sehr gepflegte aber wie sie fand auch absolut berechtigte Frage, die in seine Richtung schwappte. Und zwar im Bezug auf absolut alles.
Ich hatte wohl mit einer Reaktion in dieser Richtung gerechnet. Ablehnung, Empörung, vielleicht auch ein Hauch Abscheu. Dank meiner Zeit auf der Straße war ich sowas bis zu einem gewissen Grad gewohnt und konnte es dementsprechend leicht herunterschlucken. Eben auch deswegen, weil Aryanas Reaktion durch und durch nachvollziehbar war - ich würde selber nicht anders reagieren, auch wenn ich Stalker dank den Hernandez tatsächlich zu meinem Leben zählen musste. Es war denen zuzutrauen, dass sie in diesem Moment wussten, was ich im Begriff zu tun war, obwohl ich eigentlich nichts Auffälliges in der Gegend rund um das Haus sehen konnte. Das war ja grade der Punkt - wenn man so verdeckt bleiben konnte wie deren Spitzel, brauchte man Harry Potters dämlichen Unsichtbarkeitsumhang definitiv nicht mehr. Aber das konnte der Brünetten am anderen Ende der Sprechanlage mehr oder weniger egal sein, weil sie im Gegensatz zu mir ja nicht wusste, dass sie manchmal ein bisschen beobachtet wurde. Trotz ihrer völlig entsetzten Reaktion ging die Tür jedoch auf und im ersten Moment verdutzte mich das vielleicht, weil das jetzt schneller gegangen war, als ich mir selbst ausgerechnet hatte. Natürlich schob ich trotzdem sofort den Fuß in die Tür, um die Chance nicht zu vertun. Vielleicht überlegte sie es sich in zehn Sekunden noch einmal anders, also erklomm ich schrittweise die Stufen bis ich ihr Gesicht sah. Auch in diesem Punkt überraschte mich Aryana nicht, weil sie mir insgesamt absolut ausladend entgegenblickte. Dementsprechend fühlte ich mich auch unwohl damit, mit einem sehr verhaltenen Lächeln die Tür zu ihrer Wohnung zu durchqueren. Da ging das Kreuzverhör dann nämlich postenwendend los. Ich behielt Jacke und Schuhe wohl lieber gleich an. "Ich weiß, ich weiß... ich sollte nicht hier sein. Es tut mir wirklich leid, dass ich einfach so hier aufkreuze.", wollte ich erst noch einmal signalisieren, dass ich ihre aufgebrachte Reaktion verstand. Im gleichen Atemzug legte ich den offenen Umschlag, den ich in der rechten Hand mit hergeschleppt hatte, auf einem Teil der Garderobe ab. Erst danach suchte mein Blick Aryanas, wobei meine Augen Ausgeglichenheit ausstrahlten. Reichte ja, wenn einer von uns beiden im Verlauf am Rad drehte. "Wenn ich meine Antwort anders kriegen würde, hätte ich das selbst gerne vermieden. Aber es lässt mir keine Ruhe, weil es mein goldenes Ticket sein könnte... von hier weg, meine ich. Langfristig gesehen." Ich machte eine läppische Handbewegung, welche die gesamte Umgebung einschloss. Dass ich damit kaum Aryanas Wohnung meinte, was selbsterklärend. Im gleichen Atemzug blickte ich mich noch flüchtig im Flur um, als würde ich darauf warten, dass noch Jemand kam. Ich blickte wieder der jungen Frau entgegen, als ich weitersprach. "Das Sicherheitsunternehmen, für das ihr beide arbeitet... ist nicht das, was es vorgibt, richtig? Ich hab zwar mehr als zwei Monate lang allen möglichen Scheiß durchwühlen und ein oder zwei Gefallen einfordern müssen, aber... man findet schon was über Easterlin, wenn man's sehr stark drauf anlegt. Scheint ein sehr einflussreicher Mann zu sein und die Technologie, mit der er sich hier und da öffentlich brüstet, ist beeindruckend.", faselte ich zur Überleitung erstmal ein bisschen um den heißen Brei herum. "Aber das sind teilweise Geräte und Software, mit denen ein normales Sicherheitsunternehmen schlichtweg nichts anfangen kann. Der Nachname kam mir von Anfang an bekannt vor und ich meine mich dunkel daran zu erinnern, dass ihm sogar mal ein Angebot von der Army auf den Tisch gelegt wurde, das er abgelehnt hat." Der letzte Abschnitt war blankes Mutmaßen. Es würde mich aber sehr wundern, wenn die Army davon absolut gar keinen Wind gekriegt und es nicht mindestens versucht hatte - egal als was Easterlins Armee nun genau beim Staat aufgeführt wurde, war sein Inventar zweifellos bekannt. Dagegen sahen die Gerätschaften der US Army stellenweise sehr alt aus, was ich dank Rileys grober Zusammenfassungen auf Papier und ein bisschen eigener gezielter Recherche wusste. Aryana konnte die Army-Aussage meinerseits jedenfalls nicht widerlegen, darum brauchte ich mir keine Sorgen zu machen. "Ins Ausland verkaufen kann er's ja aber auch nicht und in Kombination mit ein paar... ungeklärten militärischen Anschlägen, die oft ein ähnliches Muster haben, lässt das ein bisschen darauf schließen, dass er die Technologie selber nutzt. Sein Gelände hier in der Nähe ist ja auch nicht grade klein und komischerweise verpixelt auf Google Maps, was sehr dafür spricht, dass auch die Regierung nicht so gerne möchte, dass jeder weiß, was er da eigentlich tatsächlich macht..." Ich zuckte mit den Schultern. Natürlich konnte ich in dieser Version der Dinge so gut wie nichts absolut sicher belegen, aber ich musste mir irgendeinen Grund für mein Auftauchen aus der Luft greifen. Ich konnte nicht stumpf sagen, dass ich wusste für wen sie arbeitete und was genau sie tat. Das wäre noch schlimmer als meine erfundene Version. "Du darfst mir sicher nichts darüber erzählen, deswegen erwarte ich das auch gar nicht. Nur falls er wirklich sowas wie ein eigenes Heer vor der Haustür hat, dann... könnte er Jemanden wie mich gebrauchen, oder? Mehr militärische Erfahrung kann man ja kaum haben, ohne nach wie vor in der Army tätig oder schon pensioniert zu sein. Ich bräuchte also nur eine Möglichkeit, den Kontakt zu ihm zu kriegen..." Ich hörte gefühlt gar nicht mehr auf zu reden, was hauptsächlich daran lag, dass ich Aryana förmlich überfluten wollte, ohne dabei je den Blick von ihr zu nehmen. Damit sie mir nicht gleich an die Kehle sprang, sondern erst irgendwann später. Also für den Fall, dass Faye mit ihr geredet hatte, seit ich sie links liegen gelassen hatte. Davon war leider schwer auszugehen, so unter Schwestern. "Ist Mitch gar nicht da?", hakte ich aus dem Thema gefallen nach, als hätte ich keine Ahnung davon. Dass ich noch nicht beantwortet hatte, wieso ich überhaupt wusste, wo die beiden wohnten, war natürlich Absicht.
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Alles hier war mild formuliert unglaublich seltsam. Es gab in Wahrheit gar keine Worte, die beschreiben konnten, wie schräg dieser Auftritt war. Und sie wiederholte sich wirklich nur ungern, aber sie hätte Ryatt nach jedem Satz, den er etwas zu schnell über die Lippen brachte, erneut ein gepflegtes what the fuck zuspielen können. Das sagte auch ihr Blick. Und obwohl sie das eigentlich noch immer nicht wollte angesichts des Gesprächsinhalts, wandte die Brünette sich mit einem Kopfschütteln von ihm ab, um ihn hinter sich her ins Wohnzimmer zu winken. "Schuhe ausziehen", wies sie dabei noch an - sie wollte ja nicht ständig umsonst putzen. Dass unsichtbare Chaos, das er gerade im Begriff war anzurichten, reichte ihr schwer aus. Trotzdem wollte sie nicht weiter im Eingang stehen bleiben, weil sie jetzt definitiv auch eine Reihe von Fragen hatte, die sie nicht unbeantwortet duldete und die mindestens ein paar Minuten in Anspruch nehmen würden. Im offenen Wohnzimmer angekommen, setzte sie sich auf einen der vier Stühle um den schwarzen Esstisch, wartete nur kurz, bis Ryatt es ihr gleichgetan hatte und musterte ihn schon dabei mit forschenden, dunklen Blicken, die Augen leicht zusammengekniffen. "Dein goldenes Ticket von hier weg, denkst du. Da hast du dich mit der Recherche wohl etwas zu wenig angestrengt", wies sie ihn trocken, fast etwas verachtend darauf hin, dass eine Anstellung bei Easterlin absolut gar kein Gold in sich trug. Es war besser als 25 Jahre Gefängnis ja, das war dann aber auch das Einzige. Genau wie diese Aussage von Ryatt auch die Einzige gewesen war, auf die sie irgendwie ansatzweise leicht etwas hatte erwidern können. Ihr Kopf begann wohl nächstens zu rauchen, so angestrengt wie ihre Hirnzellen arbeiteten. Sie hatte Ryatt nie gesagt, dass Mitch im gleichen Unternehmen tätig war wie sie. Ungefähr genauso wenig wie sie ihm ihre Adresse mitgeteilt hatte. Oder irgendeine andere Information, die er ihr soeben entgegen geschmettert hatte. Man findet schon was über Easterlin, sagte er. Sie hatte den Namen in seiner Gegenwart nie auch nur im Entferntesten erwähnt. Ihm keinen einzigen Hinweis darauf gegeben. "Ach ja? Findet man auch seine ausgestellten Arbeitsverträge und alphabetische Listen seiner Mitarbeitenden oder wie zur Hölle willst du wissen, dass ich und Mitch für ihn arbeiten?", hier stank irgendwas - oder alles - ganz furchtbar zum Himmel und sie war nicht hier, um sich belügen und verarschen zu lassen. Entweder er hatte eine ganz ganz gute Erklärung oder Ryatt war ein verdammter Stalker. Sie tippte schwer auf das Zweite, weil sie echt keine Ahnung hatte, was diese Erklärung denn beinhalten sollte. Ausser Faye hatte was gesagt. Aber Faye wusste selber nicht sehr viel darüber, nicht mehr als nötig und sie wollte verständlicherweise auch nicht mehr wissen. Was man von Ryatt hier absolut nicht behaupten konnte. "Erzähl mir bitte nicht, dass du, nachdem du welche Technologien auch immer dafür missbraucht hast, so viel wie möglich über ihn oder mich herauszufinden, jetzt hier auf der Matte stehst, um eine Telefonnummer oder Adresse von Easterlin zu bekommen. Das ist lächerlich und merkst du selber, oder?", was war das überhaupt für ein Gespräch, das sie hier führte? Träumte sie? Warum sollte sie von Ryatts Fantasien, Easterlins Armee beizutreten, träumen? Und warum sollte Ryatt selbst davon träumen, dreckige Aufträge auszuführen und einem reichen Hund noch mehr Geld in die Taschen zu spielen? Hatte er bei seiner Stalkerei noch nicht gecheckt, dass Easterlin ein Drecksack war?? Seine Frage zu Mitchs Anwesenheit beantwortete Aryana im Übrigen einfach mal nicht, weil sie selbsterklärend war. Die Wohnung war nicht gross genug, als dass Mitch sie nicht hören würde und längst dazugestossen wäre, wenn er nicht weg wäre. Musste der unheilbringende Besucher wohl oder übel mit ihr allein Vorlieb nehmen.
Ich nickte und zog die Schuhe aus. Den Umschlag ließ ich vorerst auf der Garderobe liegen, in der stillen Hoffnung, ihn nicht mehr zu brauchen. Nur beiläufig sah ich mich um, während ich weiter in die Höhle der Löwin schritt und nein, mir war noch immer nicht wohl dabei. Allein deswegen schon, weil es sich hier um Fayes Schwester handelte. Wäre die Brünette hier eine beliebige Persönlichkeit, die mir von vorne bis hinten egal sein konnte, wäre mir verdammt viel von Alledem hier sehr egal. War nur leider nicht so und Aryana stellte ziemlich schnell unter Beweis, dass sie nicht allzu viel mit ihrer Schwester gemeinsam hatte. Kaum saß ich ebenfalls an dem Tisch im Wohnbereich und war eigentlich noch dabei, mir auch hier einen groben Überblick zu verschaffen, pfefferte sie mir Worte entgegen, die Faye so wahrscheinlich nie wählen würde. Letztere setzte in aller Regel bis auf wenige Ausnahmen auf milde Formulierungen und die ältere Cooper hier war unwahrscheinlich direkt. Von ihrem Tonfall mal ganz abgesehen. "Liegt im Auge des Betrachters, denke ich... wieso ist es für dich keins?", nutzte ich an dieser Stelle die Möglichkeit meine Neugier zu befriedigen. War ja eigentlich auch gar nicht mein goldenes Ticket, sonders Fayes. Wirklich herrlich, wie nützlich eine auf der Wahrheit basierende Antwort für all das hier wäre. Das würde Aryana zwar vermitteln, dass das kriminelle Pack mir noch immer an den Hacken hing, aber es würde mich sehr viel weniger als gestörten Freak hinstellen. In diesem Augenblick zweifelte ich akut daran, was mir lieber war. "Nein, die findet man nicht. Faye hat damals aber im Zuge des Arbeitsunfalls euch beide genannt. Ich zitiere: Meine Schwester und ihr Freund haben sich fast gemeinsam umgebracht... was auch gleich viel mehr Sinn ergibt, wenn man in einer Armee tätig ist. Passiert da leider deutlich häufiger, als in Sicherheitsunternehmen.", konnte ich ihr eine sehr sinnvolle und ausnahmsweise auch wahre Antwort darauf geben, warum ich wusste, dass auch Mitch bei Easterlin arbeitete. Was Aryanas Freund wohl für eine Karriere beim Militär hingelegt hatte? Riley hatte gesagt, der reiche Sack krallte sich nur Ex-Soldaten. Irgendwie schienen alle hier Glück mit ihrer Army-Romanze gehabt zu haben - außer mir selbstverständlich. Im Gegensatz zu Aryana hielt ich mich an einen recht neutralen und ruhigen Tonfall. In der stillen Hoffnung, dass sie das nicht erst recht reizte, auch wenn ich schlichtweg keinen Grund hatte, hier ebenfalls aus der Haut zu fahren. Das konnte meine Situation ja nur negativ beeinflussen. "Ich weiß nicht mehr über dich und deinen Freund, als du und Faye mir erzählt habt... bis auf die Adresse, weil die nun mal leider unverzichtbar war, um mit einem von euch beiden zu reden. Ich hab sie mir im Kinderheim abgeschrieben. Die haben Mitchs Besucherdaten wegen Josh, das machen die zur Sicherheit falls Irgendwas wäre. Hätte ich mir stattdessen lieber seine Telefonnummer notieren sollen?" Eine rhetorische Frage, die ich mit einer Prise unangebrachtem Sarkasmus und einem leisen Seufzen im Nachgang kommentierte. "Ich hätte auch Faye fragen können, natürlich... aber wir sind uns wahrscheinlich einig damit, dass ich sie besser nicht länger mit meiner Existenz behellige.", hängte ich ihr meine imaginäre zweite Option mit einem Schulterzucken an. Unabhängig davon, dass Faye mir vielleicht die Tür vor der Nase zugeknallt hätte, wollte sie aber sicher nicht noch Jemanden an die nächste Armee verlieren. Bei meiner Person fand sie das wahrscheinlich weniger schlimm als bei ihrer Schwester, aber ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie irgendwas davon guthieß. "Ich weiß, dass dich das kaum beruhigen wird, aber ich kann dir trotzdem versichern, dass ich absolut nicht vorhabe, hier zukünftig nochmal reinzuschneien. Alles was ich brauche, ist ein Fuß in der Tür." Worte, die ich mir wahrscheinlich sparen konnte, aber mein Wille zur Besänftigung war aktuell trotzdem noch vorhanden. Wenn das Gespräch weiter so holprig lief, würde der wahrscheinlich irgendwann schwinden. "Ich will dich also lediglich darum bitten, der Personalabteilung mit Nachdruck einen Wink mit dem Zaunpfahl zu meiner Person zu geben. Name und letzten Dienstgrad... halt einfach an der richtigen Ecke, ich hab schließlich keine Ahnung wie das da intern läuft. Den Rest sollte meine fast tadellose Karriere von selbst regeln." Blieb jedenfalls zu hoffen übrig. Aber alles andere wäre eigentlich ziemlich merkwürdig, aus schon genannten Gründen. "Ich kann mich leider nicht einfach bewerben, weil es wahrscheinlich nicht so gut ankommt, schon vorher von der Armee zu wissen. Vor allem dann nicht, wenn du die Bewerbung einschmeißt - ich will schließlich weder dich und Mitch, noch mich selbst damit belasten. Aber ich kann schlecht auf gut Glück ans Tor laufen, um mal nett zu klopfen und nachzufragen. Die knallen mich wahrscheinlich schon auf hundert Metern Entfernung ab, wenn's da tatsächlich so viel zu verstecken gibt." Was offenbar ja der Fall war. Vielleicht wurde man nicht ohne Umschweife erschossen, aber Aryana hatte bisher absolut keine meiner vorherigen Aussagen widerlegt oder abgestritten. Nicht, dass sie für Easterlin arbeiteten und auch nicht, dass es sich dabei um eine Armee handelte. Mir reichte die indirekte Bestätigung vorerst zur Beruhigung meiner sowieso stark strapazierten Nerven - ein Punkt weniger, über den ich mit ihr diskutieren musste.
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Es wäre ein wesentlich simpleres Gespräch geworden, wenn Ryatt einfach hergekommen wäre, um sich mit ihr über Faye zu unterhalten und darüber, wie er sich anständig bei ihr entschuldigen konnte für den dämlichen Abgang, den er vor zweieinhalb Monaten hingelegt hatte. Entschuldigen und dann doch für immer Verabschieden oder so, denn der nette Mann wurde ihr im Verlauf dieser Unterhaltung leider nicht gerade sympathischer. Sie würde ihm grundsätzlich gerne sehr genau erklären, warum Easterlin eine schlechte Wahl war und er die Finger von dem reichen Pisser lasen sollte. Aber die ganzen Umstände und alles andere, was hier gesagt und gefragt wurde, stellte diese Antwort etwas hinten an. Somit ging sie auch gar nicht weiter auf seine nächste Frage ein. Noch nicht. Denn Ryatt erklärte ihr zwar, woher er wusste, dass Mitch und sie sich den gleichen reizenden Arbeitgeber teilten - das beantwortete aber nur eine Hälfte ihrer vorangehenden Frage. "Gut. Aber Faye wird dir nicht gesagt haben, wo oder wie das passiert ist. Oder wer uns dorthin geschickt hat. Also schuldest du mir noch immer eine Erklärung dafür, woher du seinen Namen in Verbindung mit uns kennen willst. Soweit ich weiss, habe ich keine Urkunde ins Netz gestellt und er mit Sicherheit auch nicht", gab sie sich selbstverständlich noch nicht zufrieden mit dem, was er bisher über die Informationsbeschaffung offengelegt hatte. Es lag ja nichtmal nur daran, dass sein Auftauchen grundsätzlich suspekt war und sie sehr wenig Gefallen an dieser Spionage fand. Ryatt hätte auch einfach fragen können - hatte es aber nicht getan. Wieso hatte er überhaupt erst einen Verdacht gehegt, dass sie lügen würde, wenn er nach ihrem Arbeitgeber fragte?? Wie kam jemand auf die Idee, solche Nachforschungen anzustellen, obwohl kein Hinweis auf Lügen und Vertuschung gegeben war? Sie konnte sich wirklich nichts anderes vorstellen, als dass Faye etwas angedeutet hatte. Aber selbst dann war das alles vollkommen übertrieben. Zudem auch gefährlich, wenn scheinbar jeder mit ein paar entsprechenden Skills herausfand, dass sie für Easterlin arbeiteten. Dem würde das nämlich nicht gefallen und wenn sie etwas nicht brauchten, dann wäre das noch mehr schlechte Presse bei dem reichen Sack. Die Warnung klang noch immer laut und deutlich in ihren Ohren. Sie konnten sich überhaupt gar nichts mehr erlauben und Aryana war absolut nicht bereit, für Ryatt etwas zu riskieren. Die Geschichte zur Adressenbeschaffung klang halbwegs plausibel. Sie würde aber zur Sicherheit noch Mitch fragen müssen, ob das stimmen konnte. Ausserdem: Wenn Ryatt all die andere Scheisse auf dubiose Art und Weise erforscht hatte, brauchte sie eigentlich gar keine Erklärung mehr zur Adresse, die war dann wohl das Einfachste gewesen. Aryana stiess mässig amüsiert Luft aus, bei der Erwähnung eines Telefongesprächs mit Mitch. "Ja, vielleicht schon. Er hätte sich bestimmt noch mehr gefreut über ein entsprechendes Gespräch als ich", unterstützte sie den Alternativplan absolut sarkastisch. Mitch hätte einfach den Hörer weggelegt oder die unbekannte Nummer weggedrückt, bevor das Gespräch überhaupt begonnen hatte. Was Faye anging, beschloss sie nochmal ganz weise, einfach nichts zu sagen, um nicht noch ein weiteres Buch aufzureissen, das hier nicht auch noch Platz hatte. Ja, vielleicht waren sie sich einig darin, dass er ihre Schwester besser einfach in Ruhe liess. Was die Art seines Verschwindens anging, hätte sie aber doch ein paar Einsprüche. Schliesslich rückte Ryatt mit seinem eigentlichen Anliegen heraus, das für ihn wohl sehr simpel klang. Sie war sich nicht so sicher, ob es das wirklich war. "Schade, dass deine Recherche nicht ausgespuckt hat, dass ich und die Personalabteilung nicht so gut aufeinander zu sprechen sind...", wieder war es triefender Sarkasmus, der ihre Worte unterlegte. Dabei war das noch eine schwere Untertreibung. War nämlich nicht nur ein Ding zwischen ihr und der Personalabteilung, sondern eher zwischen ihr und der kompletten Organisation, für die sie arbeitete. Jedenfalls die obere Etage dieser Organisation. Wobei es für sie vielleicht gar nicht so schlecht wäre, wenn sie mal etwas ernster darüber nachdachte. Vielleicht würde es ihnen ein paar bitter nötige Pluspunkte einholen, wenn sie neue Rekruten einschleusten. Gerade wenn diese wirklich so toll waren, wie Ryatt es von sich behauptete. Für ihn selbst wäre es aber eindeutig kein Vorteil, von ihnen angeworben worden zu sein - er würde bestimmt doppelt und dreifach durchleuchtet werden. Easterlin wusste relativ genau, was sie von seinem Unternehmen hielten, sie hatten es ihm ja mehrfach deutlich genug an den Kopf geknallt. Wenn sie trotzdem Bekannte einluden, an ihrem Elend teilzuhaben, wäre das etwas suspekt. Liess sich in Ryatts Fall aber nicht allzu schwer begründen. Er war halt einfach für die Armee geboren, konnte jedoch nicht wirklich zurück zur offiziellen Army, hatte sonst wenig Interessen und Perspektiven und würde sich bei Easterlin auch nicht täglich in Lebensgefahr begeben müssen, weil die direkte Ausführung von Aufträgen mit Hinkebein eher ausgeschlossen war. Änderte aber noch lange nichts an der Tatsache, dass sie hier erstmal ordentlich nachvollziehbare Erklärungen brauchte, um auch nur einen Finger zu rühren. "Du rückst dich in kein besonders gutes Licht, wenn du für Easterlin arbeiten willst, Ryatt. Wie sieht's mit Moralvorstellungen deinerseits aus?", stellte Aryana eine ganz andere Frage, die ihrer Meinung nach an einem ehrlichen Bewerbungsgespräch bei Easterlin definitiv gestellt werden sollte. Und wer mit was anderem als Moral ist eigentlich nicht vorhanden antwortete, gehörte da nicht hin.
Natürlich bekam ich erstmal keine Antwort, was leider naheliegend war. Stattdessen wurde ich weiter in den Mörser gepackt und so gezielt zermalmt, dass ich bald nicht mehr wissen würde, wo oben und wo unten war. Die Brünette zwang mich hier exzessiv dazu einen um den anderen Bullshit aus meinem Hut ziehen zu müssen und ich hasste es. Allein deshalb schon, weil die Wahrheit mir eher eine Verbündete oder zumindest eine vorübergehende Unterstützung seitens Aryana gesichert hätte und ich mir diesen ganzen blöden Zirkus hätte sparen können. Ich wollte mich nicht mit ihr streiten und ich wollte natürlich auch nicht, dass sie Faye später von diesem schrägen Auftritt berichtete. Gegen beides konnte ich aber selbstredend nur wenig bis gar nichts tun. Machtlosigkeit war zweifellos eines der unangenehmsten Gefühle. "Ich fürchte an der Stelle greift leider die mündliche Verschwiegenheitserklärung, die ich für meinen Teil abgeben musste." Dafür gab's schlichtweg keine für mich annehmbare Erklärung. Natürlich könnte ich ihr sagen, dass ich ihr wie der größte Creep auf dem Globus hinterher geschnüffelt hatte bis zum geht nicht mehr. Das wäre gestört, aber plausibel. Scheinbar war das aber die Grenze, die meinem Inneren so sehr widersprach, dass ich sie nicht übertreten würde. Mochte schon sein, dass ich sehr aufdringlich und nervig werden konnte, aber ich war kein beschissener Stalker. Ob es besser war, stattdessen alles offen und unbeantwortet zu lassen, mal dahingestellt. Für die Dinge, die sich die Brünette im eigenen Kopf ausmalte, musste ich mich aber wenigstens nur bedingt selbst verantwortlich machen. Mitch und Faye konnten wir im weiteren Gespräch vorerst außen vor lassen, weil keiner von beiden hier gerade wirklich eine Rolle spielte. Was allerdings sehr wohl von Bedeutung sein könnte war, dass Aryana scheinbar nicht allzu beliebt auf der Arbeit war. Ich konnte mir schlecht vorstellen, dass das an mangelnder Leistungsbereitschaft lag, weil sie bei der Army ja offenbar gut abgeschnitten hatte. Außer natürlich, sie gab nicht ihr Bestes, weil sie eigentlich keine Lust auf den Job hatte, wonach ihr Gewetter zunehmend mehr klang. Warum arbeitete sie dann überhaupt für Easterlin? Gefühlt alle Informationen, die für mich interessant waren, hatte Riley mir nicht auf die dummen Notizen gepackt. Ich legte den Kopf schief und musterte Aryanas Gesicht eindringlicher. "Leistungsbedingt oder wegen demselben Temperament, dass du hier gerade unter Beweis stellst?", hakte ich nach, klang aber nicht verurteilend sondern lediglich interessiert. Dieses Mal gewiss nicht in dem Willen, mich wieder ohne Antworten abspeisen zu lassen. Wenn sie mir nur wenige bis gar keine gab, bekam sie halt an irgendeinem Punkt dann auch keine mehr von mir. Ich hatte ohnehin mehr und mehr das Gefühl, zum Ende hin eine unliebsame Ultimatumskarte ausspielen zu müssen, die eigentlich nur eine Notlösung war. Für den Fall, dass die ältere Schwester mir anders nicht in diese blöde Armee hineinhalf. Im Grunde hatte sie in dieser ganzen Sache genauso wenig eine Wahl wie ich, sie wusste es nur noch nicht. Was die ethische Seite dieser sowieso durchweg hässlichen Angelegenheit war, war mir tatsächlich relativ egal. Meine Anstellung dort war so befristet wie meine ganze Existenz, also machte das den Kohl wirklich nicht fett. Fand ich keine Möglichkeit dafür, Sean loszuwerden oder ihm final für immer aus dem Weg zu gehen, würden mich 6 Monate Arbeit für Easterlin auch nicht mehr in die Hölle verdammen, als mein ganzes Leben bei der Army. "Ich will nur seine Kohle haben, Aryana. Bei der Army hat man oft auch keine andere Wahl, als unmoralisch zu handeln und dafür, dass du mir das hier gerade vorhalten willst, bist du selber schon eindeutig zu lange in diesem Metier unterwegs. Die Lösung ist natürlich nicht optimal, vereinfacht gesagt, aber ich habe schlichtweg keine andere Möglichkeit in mehr oder weniger kurzer Zeit an viel Geld, sprich an ein sehr gutes Gehalt zu kommen. Ich brauche ein finanzielles Polster für meinen Neustart... möglichst weit weg von hier. Ich hab dich was das angeht nicht nach deiner Meinung gefragt, sondern nur nach einem Funken Unterstützung." Letzteres sagte ich nur deshalb, um die Diskussion darüber möglichst gleich wieder zu beenden. Sie war nicht relevant für mich oder meine Mission und sie kostete mich hier Nerven, die ich nicht hatte. Wenn wir das Thema also nicht begruben, um mir den unnötigen Aufwand zu ersparen, würde ich es anderweitig ausdehnen. In eine Richtung, die ihr nicht gefallen würde.
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Die mündliche Verschwiegenheitserklärung?? What the fuck? An wen? Das stank doch zum Himmel und zwar alles hier, was redete Ryatt bitte für einen Müll zusammen? Er konnte doch nicht mit einer solchen Bitte vor ihrer Tür auftauchen und dann trotzdem sehr gezielt davon absehen, sich zumindest in diesem Gespräch kooperativ zu zeigen? Zumindest nicht nach ihrer persönlichen Meinung, die er offensichtlich aber keineswegs teilte. "Es ist halt milde gesagt sehr sehr schräg, weil du nie auch nur versucht hast, mich einfach zu fragen. Welcher Mensch sorgt sich so sehr um den Arbeitsort eines anderen, ohne es je auf die leichte Tour versucht zu haben? Du konntest ja nicht wissen, dass ich dir darauf keine Antwort geben würde", wies sie ihn abweisend darauf hin, dass sein Besuch wesentlich mehr Fragen aufwarf als nur die nach der Informationsbeschaffung, die ja leider unbeantwortet bleiben würde. Wahrscheinlich hätte sie ihn besser nicht auf ihren Status innerhalb Easterlins Firma hingewiesen. Das verriet schon der etwas zu interessierte Blick, der ihr daraufhin entgegenfunkelte. Dauerte nicht lange und das Interesse wurde auch wörtlich unterstrichen, was ihr ein trockenes Schnauben entlockte. Tja, was ihr lieber Boss dazu wohl sagen würde? Die absolut einseitige Abneigung lag doch wohl kaum an ihrer liebreizenden Art. Die Leistungen stimmten aber auch. Darüber hatte sich noch nie jemand beschwert und damit sollten sie auch nicht anfangen, denn Aryana wusste, dass sie ihren Job gut machte. Immerhin das. Musste es also doch am Temperament liegen. What a shame... "Das kann dir grundsätzlich egal sein, Ryatt. Aber um mein bezauberndes Temperament zu unterstreichen: Wir sind jetzt nicht unbedingt dazu gemacht, prächtig zu harmonieren. Er mag leider einfach keine Menschen, die ihm mitteilen, dass er ein Stück Scheisse ist. Und ich mag keine Menschen, die keine Einsicht und Selbstreflexion besitzen und gerne andere unterdrücken", eigentlich hatte sie ihm nichtmal das sagen wollen. Aber vielleicht würde der erneute, etwas unsanftere Wink mit dem Zaunpfahl Ryatt ja dabei helfen, seine Zukunftsplanung nochmal zu überdenken. Es gab sicher Optionen auf dem Arbeitsmarkt, die nicht so beschissen waren wie Easterlin. Sie hatte sogar ihren Job im Transportunternehmen mehr geliebt als sich für diesen geldgeilen Idioten den Arsch aufzureissen. Da hatte sie wenigstens ihren Frieden gehabt und nicht länger unnötig Menschen getötet, mit denen sie eigentlich gar nichts zu tun haben wollte. Auch wenn sie dort natürlich einen Bruchteil dessen verdient hatte, was nun jeden Monat auf ihr Konto floss. Was brachte ihr das Geld, wenn sie hier gefangen blieben? Für mindestens sechs verdammte Jahre, wovon sie jetzt gerade mal eins geschafft hatten. Und Spoiler: Es war mit der Zeit kein Stück besser geworden als am Anfang. Trotzdem schien Ryatt nur - oder jedenfalls hauptsächlich - diese Motivation zu haben und einfach Geld zu wollen, um weg zu kommen. Viele Leute wollten viel Geld. Darum war das noch lange kein guter Plan, bloss weil er vielleicht schneller zu Ertrag führte als ein anständiges Studium für einen anständig bezahlten Job. Sie hätte ihm das gerne erklärt. Aber angesichts seines letzten Satzes, schien er nicht auf ihre Weisheit angewiesen. Aryana schüttelte den Kopf und verdrehte gleichzeitig die Augen. Irgendwie sahen die Vorteile, die hier für sie drin waren, doch nicht so verlockend aus. Und Ryatt gewann mit seiner Verschwiegenheit und den schwammigen Antworten auch nicht allzu viele Sympathiepunkte dazu, als dass sie ihm ohne Gewinn helfen möchte. Schon gar nicht, ohne vorher mit Mitch Rücksprache gehalten zu haben. Es war nichtmal so, dass sie derart selbstgerecht und gewinnorientiert wäre und keinem Menschen einfach so einen Gefallen tun wollte, sie war einfach der Meinung, dass Ryatt nicht wirklich wusste, was er sich hier potenziell einbrockte. Dass er nicht einschätzen konnte, wie tief das Grab war, welches er gerade für sich schaufelte. Sie würde ihm vielleicht helfen, wenn er eine vernünftige Idee aufgetischt hätte. Wenn er wirklich einen Job suchte oder sonstwo Unterstützung brauchte. Aber so? Sehr schwieriges Thema. "Du bekommst gar nichts von mir, bevor ich nicht mit Faye geredet habe. Findest du die Tür selbst oder muss ich sie dir zeigen?", okay, vielleicht war dieser kalte Ton und ihre Wortwahl nicht die feine Art, ein Gespräch zu beenden. Aber sie bekamen hier gegenseitig nicht das, was sie wollten, sie hatte noch immer genauso viele Fragen wie zu Beginn und ausserdem wollte sie echt keinen Ärger mit ihrer Schwester. Faye würde vielleicht nicht direkt wütend werden, aber es wäre trotzdem besser, wenn sie diese Entscheidung fällte oder zumindest davon wusste, bevor es zu spät war. Ausserdem hatte sie Ryatt ja nicht komplett abgewiesen. Mehr nur die Antwort vertagt. Und wenn er so lange ihren Arbeitgeber ausspioniert hatte, konnte er sicher auch noch ein paar Tage warten, bis sie seine Angaben weiterleitete. Musste er ja sowieso, weil sie erst nächste Woche wieder in die Hölle ging und sicher nicht extra dahin fahren würde, nur um Verstärkung anzupreisen.
Da erzählte sie mir leider auch nichts, was ich nicht schon wusste. Ich hatte halt nur leider keine Zeit dafür, jetzt erstmal einen Monat lang ihr Vertrauen zu erschleichen, damit sie mir irgendwann mit ganz viel Glück mal was dazu erzählte. Sie hatte - gerade seitdem ich Faye geflissentlich ignorierte - weniger als gar keinen Grund überhaupt Kontakt zu mir zu halten und ich glaubte auch ehrlicherweise nicht, dass wir beide besonders oft auf denselben Nenner kommen würden. Das Gespräch in der Bar war zwar ganz nett gewesen, aber gerade bei Frauen bevorzugte ich im Regelfall etwas gefasstere Gemüter. "Wieso hättest du mir das erzählen sollen? Weil wir uns so gut kennen? Weil du absolut sicher sein kannst, dass ich es niemals irgendwem erzählen würde, weil es dir andernfalls ja offensichtlich auf die Füße fallen könnte? Gerade nachdem ich Faye hab liegen lassen? Ich bitte dich." Jetzt war ich doch wieder dran mit der trockenen Ironie und womöglich rollte ich dezent übertrieben mit den Augen, aber ich war inzwischen wirklich genervt. Dafür konnte Aryana im Grunde überhaupt nichts, wobei ich wiederum auch nur bedingt etwas dafür konnte, dass ich ihr dieses dumme Gespräch antun musste. Die folgende Schilderung verdeutlichte nach und nach, dass die Brünette mit ihrem Boss oder dessen Untertanen - möglicherweise beides - absolut nicht auf einer Wellenlänge war, um es besonders mild zu formulieren. Das war sogar auch ohne nähere Information relativ gut nachvollziehbar, wenn sie sich unterdrückt fühlte und das Arbeitsklima dementsprechend wirklich schlecht war. Zumindest für sie und vielleicht auch für Mitch. "Ich hab nichts gegen dein Temperament, solange du's an der richtigen Stelle einsetzt.", wollte ich klar gestellt haben, dass ich mich nicht grundsätzlich an ihrer etwas aufbrausenden Art störte. Nicht, dass sie meine vorherigen Worte da jetzt irgendwie falsch aufgefasst hatte - auch wenn sie zweifelsohne aktuell nicht unbedingt angenehm zu mir war. War wie gesagt nicht so, als könnte ich das nicht verstehen, aber mir waren die Hände gebunden. "Klingt so, als könntest du Jemanden brauchen, der dir ein bisschen den Rücken freihält.", stellte ich abschließend für mich fest und ließ erst danach meinen Kopf zurück in Ausgangsposition kippen. Egal welche Position Aryana in Easterlins Heer erfüllte, würde sie in jedem Fall unter mir fungieren. So ziemlich jeder, wenn der unwissende Milliardär erstmal merkte, was er in mir eigentlich für einen Goldjungen hatte, was die Arbeit anging. Vorausgesetzt mein neuer Job würde mich nicht langweilen, aber davon ging ich eigentlich nicht aus. Mehr Papierkram als bei der Army konnte es kaum werden und es war mit Sicherheit eine Ecke abwechslungsreicher. Hoffte ich zumindest, damit der Job auch ansatzweise irgendwas Positives für mich parat hatte. Als Fayes Name dann doch nochmal fiel, kam ich nicht um einen tiefen Atemzug herum. Es machte keinen Unterschied, ob sie Faye fragte. Ich wägte auch nur einen kurzen Augenblick ab, ob ich das Aryana gleich mit auf den Weg geben sollte oder nicht. "Es spielt keine Rolle, was Faye dazu sagt." Ich stand nur langsam vom Stuhl auf und wendete die Augen dabei nur kurz von der älteren Cooper ab. "Und ich muss dir ans Herz legen, dir nicht zu lange Zeit zu lassen... die hab ich leider nicht und ich will keinen anderen Weg gehen müssen." Vielleicht war sie zu schlau oder zu paranoid, um in diese letzte Aussage nicht ungefähr tausend mögliche Gründe hineinzuinterpretieren, warum ich denn keine Zeit hatte. Aber das durfte sie ruhig, war ja nicht so als würde ich ihr irgendwann mal eine Antwort geben. Ich wollte ihr wirklich nicht so unterschwellig drohen müssen, aber es war am Ende das kleinere Übel. Nicht für mich, aber für Aryana und Mitch und damit auch für Faye. Ihre ältere Schwester würde mich jetzt noch unsympathischer als vorher finden, aber das war für mich okay, wenn ich sie dafür nicht im Nachhinein bei Easterlin anschwärzen musste. Schließlich konnte ich nicht im geringsten einschätzen, wie die Strafe für einen derartigen Vertragsbruch ausfiel - gerade dann, wenn sie es sich scheinbar ohnehin schon verscherzt hatte. Leider hatte ich keine anderen Namen von Angestellten zur Auswahl, die ich für das erfolgreiche und unbeschadete Reinkommen verpetzen konnte, wenn Aryana sich weigerte mir zu helfen. Sie durfte nicht Nein sagen und ich hoffte sehr, dass die paar Worte ausreichten, um ihr das unmissverständlich klar zu machen. Ich hielt den Blick in ihre Augen danach nur noch einen Moment lang, bevor ich den Stuhl zurück an den Tisch zog und mich abwendete, um die Tür selber zu finden.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈