Dass ein anderer Gast Ryatts Aufmerksamkeit forderte, holte ihr eine kleine Schonfrist heraus, bevor er weiter auf ihr Gerede eingehen konnte. Das war eigentlich ganz gut, auch wenn sie gedanklich nicht besonders weit kam in dieser Zeit. Scheinbar hatte bis auf den Kunden an der Bar auch keiner mehr einen Wunsch offen, obwohl es der letzte Drink der Nacht sein würde. Faye und Alice schauten kurz auf und warfen sich einen fragenden Blick zu, waren sich dann aber scheinbar einig, dass sie so weit versorgt waren. Die Augen ihrer Schwester blieben noch einen Moment an Aryana hängen, bis diese ihr mit einem Lächeln versichert hatte, dass alles bestens war und sie sich noch die letzten paar Minuten Spass gönnen sollte, bevors nachhause ging. In der Zwischenzeit beschäftigte Ryatt sich mit den Drinks, händigte diese aus und kam daraufhin wieder vor ihr zu stehen. Seinen ersten Satz musste sie für sich wohl verneinen. Wenn sie nachgedacht hätte, hätte ihr klar sein können, dass Faye Aryanas Armyerfolge eben sehr bewusst aussen vorgelassen hatte. Wenn sie nämlich davon geredet hätte, hätte sie irgendwann auch sagen müssen, dass sie im gleichen Camp gewesen waren. Und das war einfach zufallstechnisch unmöglich. Auch wenn Aryana es monatelang vollkommen naiv einfach nicht hinterfragt hatte, weil sie vielleicht schon irgendwelche Vorahnungen gehegt hatte. Sie hatte damals einfach akzeptiert, dass Faye sich in ihr Camp gewünscht und das auf magische Weise von einem Einhorn erfüllt bekommen hatte oder so. Aber Ryatt als Veteran würde das wohl kaum hinnehmen und nicht zumindest für sich selbst hinterfragen. Und sie wollte ihrer Schwester nicht noch mehr unangenehme Details vorwegnehmen… Wahrscheinlich war das jetzt schon irgendwie zu viel gewesen. Aryana zuckte mit einem Seufzen erneut mit den Schultern und das allein machte wohl klar, dass es diese Gründe eben sehr wohl gab, auch wenn sie nicht näher darauf eingehen wollte. «Eigentlich würde das ja auch reichen an nahestehenden Personen in Kriegsgebieten, würd’ ich meinen…», sagte sie in Bezug auf Victor und Julian und die ganzen dunklen Geschichten, die die beiden umgaben. Faye hätte wirklich nicht auch noch ihre Schwester in Syrien gebraucht. Aber das Leben war kein Wunschkonzert und dieser Sache brauchten sie jetzt auch nicht mehr nachzutrauern, es war vorbei und lag Jahre hinter ihnen. Sie hatte es oft genug bereut und ein Teil von ihr würde es für immer bereuen. «Ich mach dir auch keinen Vorwurf – ich hätte ja nicht darüber reden müssen», stellte sie klar, dass sie auch sehr leicht die Klappe hätte halten können, wenn sie ihm nicht von der Army und ihr selbst hätte erzählen wollen. «Es ist schwer zu verstehen, weil kompliziert… Falls du das nicht schon gemerkt hast. Aber ich möchte da auch nicht weiter drauf eingehen. Ich denke, es ist Faye gegenüber nur fair, wenn sie dir erzählen kann, was sie für richtig hält…», führte sie aus, was er wohl schon erwartet hatte und ziemlich sicher auch verstand. „Und wie siehst bei dir mit Zukunftsplänen aus? Kannst du dein Pensum hier aufstocken, wenn die Sozialstunden abgearbeitet sind?“, spielte sie denn Ball zurück zu ihm und beäugte interessiert, wie er die Gläser in die Spülmaschine räumte. Sie verschränkte ihrerseits nun die Finger auf dem Tresen, da ihr das Spielzeug in Form des Shotglases leider abgenommen wurde.
Zwei waren eigentlich schon zu viele, es hätte weiß Gott nicht noch eine dritte kriegsgeschädigte Person in ihrem Leben geben müssen. Fayes eigenes Trauma kam schließlich auch noch dazu und mit allem davon erfolgreich umzugehen, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Dann kam ich noch zusätzlich ins Spiel. Der nächste Kriegskrüppel auf ihrem Weg, den sie nicht einfach hatte liegen lassen können, weil sie zu gut wusste, was das alles mit einem machte. Ich hatte natürlich auch nichts Besseres zu tun gehabt, als das für mich zu nutzen und ihr damit den nächsten totalen Nervenzusammenbruch zu bescheren - auch wenn ich das niemals bewusst so herbeigeführt oder gar für sie gewollt hatte. Eher von allen Menschen am allerwenigsten für Faye. Ich hatte mich vorher schon schlecht gefühlt deswegen, aber grade kam das wieder ziemlich unangenehm hoch. "Sind schon ein paar zu viele.", meinte ich ziemlich nüchtern. Nur keine einzige geliebte Person im Krieg war die richtige Anzah, das wusste ich aus eigener Erfahrung. Sobald Liebe - egal ob geschwisterlich oder anderweitig - in diese Thematik einflossen, hatte man in 99% aller Fälle verloren, weil das Schlachtfeld niemals fair war. Der Krieg und die Liebe zu anderen Menschen waren schlichtweg nicht miteinander vereinbar. Das dürfte den Coopers zügig aufgefallen sein. "Ja, natürlich.", nickte ich, als Aryana sagte, nicht weiter auf die ganze Sache eingehen zu wollen, weil das einzig Fayes Entscheidung war. Denn ja, die ganze Geschichte war sehr offensichtlich überaus kompliziert. Natürlich wollte ich sie gerne kennen und mir so ein besseres Bild davon machen, warum die zierliche Brünette nun so war, wie sie eben war. Vielleicht verstand ich sie dann insgesamt besser und das wollte ich gerne. Jedoch nicht, indem ich stur auf ihren offensichtlichen Grenzen herum trampelte. Also nahm ich den plötzlichen Themenwechsel von Aryana einfach so hin, wie er kam. Es war der richtige Zeitpunkt, um das heikle Thema zu beerdigen. "Ein bisschen auf jeden Fall, wir sind hier nicht viele und eigentlich sowieso zu wenige. Aber langfristig wird das zur Selbstfinanzierung trotzdem nicht reichen… deswegen suche ich noch nach einem Zweitjob, mit dem ich mich anfreunden kann und der möglichst gut zu den Nachtschichten in der Bar passt. Ich möchte das hier nicht für irgendeinen Vollzeitjob wegwerfen, den ich nicht leiden kann." Ich zuckte leicht mit den Schultern und warf Aryana einen kurzen Blick zu, bevor ich wieder ein paar Schritte hinterm Tresen machte, um auch die anderen beiden Shotgläser und zwei Biergläser einzusammeln, um sie in die Maschine zu stecken. Ich blieb wählerisch und würde eher aus finanziellen Gründen erneut eine Weile fasten, als mich mit Callcentern oder anderem Scheiß rumzuschlagen. Würde sich eine gute Gelegenheit bieten, die ich nicht ausschlagen sollte, würde ich die Bar natürlich trotzdem hinter mir lassen - das sah ich nur bisher nicht so kommen, weil das ein weiterer großer Zufall wäre. Als ich mich der Brünetten auf dem Barhocker gerade wieder zuwenden wollte, sah ich eine junge Frau nach mir winken. Ich nickte ihr zu, bevor mein Blick nach Aryanas suchte. "Schätze ich muss jetzt wieder ein bisschen arbeiten, bevor mir die Gäste ohne zu bezahlen abhauen.", meinte ich leicht sarkastisch, weil ich unsere vorher eigentlich ganz gute Unterhaltung jetzt nicht blöd enden lassen wollte. "Hat mich auf jeden Fall gefreut, dich zumindest mal ein bisschen kennenzulernen." Ich schenkte ihr ein kurzes, ehrliches Lächeln, bevor ich mich auf den Weg zu den zahlungsbereiten Gästen machte. Allzu viele waren es glücklicherweise nicht mehr, aber nachdem inzwischen sowieso keiner mehr etwas zu trinken bekam, war das mit dem Abkassieren jetzt sinnvoll. Ich löste mich also ziemlich endgültig aus dem Gespräch, um meine letzte Runde durch die Bar zu tigern und das teilweise noch ausstehende Geld einzusammeln.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
Ich hab mal wieder uuunglückliche Zuuuufälllleee zusammengedichtet hier... x'DD __________
Auch in dieser Hinsicht konnte sie ihm zustimmen. Jede Person im Krieg war eine Person zu viel - besonders dann, wenn einem die Person etwas bedeutete. Aber das wussten die führenden Köpfe der Army scheinbar nicht und auch sonst verstanden es meist nur die Menschen, die eben direkt von den Folgen des Krieges betroffen waren und nicht die, die dafür verantwortlich waren und die Grausamkeiten auch planten. Aber das hatten sie ja schon und für heute konnten sie das Thema getrost beiseitelegen. Da lauschte sie lieber Ryatts Zukunftsplanung, auch wenn die noch nicht wirklich stand. Er suchte also einen Zweitjob... War wohl nötig, wenn die Bar nicht für einen Vollzeitjob hinhalten konnte. Sie kam leider nicht mehr dazu, ihn zu fragen, in welche Richtung dieser Zweitjob denn gehen sollte, weil der Barkeeper von seinen anderen Gästen gebraucht wurde. Aryana lächelte und nickte kurz, bevor er sich abwenden konnte. "Mich auch und ich wünsch dir einen schönen Feierabend", verabschiedete sie sich von ihm, drehte sich mit diesen Worten von der Bar weg, um zum Tisch ihrer Schwester zurückzugehen. Unterwegs warf sie einen Blick auf ihr Handy und stellte dabei fest, dass sie in zehn Minuten einen Nachtbus hätte, der sie in zwanzig Minuten nachhause bringen würde. Mitch hatte schon gesagt, er würde sie bei Bedarf abholen kommen, aber wenn das nicht nötig war, war er sicher auch nicht traurig. Soweit sie wusste, wohnte Alice jedoch ebenfalls in ihrer Richtung, würde also auch diesen Bus nehmen, und darum wollte Aryana lieber nochmal kurz mit ihrer Schwester Rücksprache nehmen. Vielleicht wäre es diesbezüglich besser, wenn sie doch ihren persönlichen Fahrer rief, der sie dann alle drei nachhause stellte... Ihr war ja selbst nicht wirklich wohl dabei, Faye um drei Uhr nachts alleine zurückzulassen. Faye zögerte kurz mit ihrer Antwort, meinte mit Blick auf die Uhr aber, dass sie zwanzig Minuten später auch einen Bus hätte, der sie direkt von hier bis praktisch vor ihre Haustür brachte und sie das sicher schaffte, es etwas übertrieben wäre, Mitch ihretwegen herzurufen. Tagsüber liess sich die kurze Strecke problemlos zu Fuss zurücklegen, aber das kam weder für Faye noch für Aryana in Frage... Voraussetzung für die Busgeschichte war nur, dass Ryatt Faye etwas über die reguläre Öffnungszeit in der Bar sitzen liess, weil sie draussen ganz bestimmt nicht alleine auf einen Bus warten sollte. Das liess sich selbstredend am einfachsten damit abklären, dass Faye sich von ihrer Sitzbank schob, um nun ihrerseits zu Ryatt an den Tresen zu spazieren. Aryana wartete in der Zwischenzeit beim Tisch, während Alice sich auch noch für einen letzten Besuch auf die Toilette verkrümelte. "Hallooo", grüsste Faye Ryatt noch immer ziemlich gut gelaunt, wenn auch langsam etwas müde. Sie verschränkte die Finger und bettete beide Unterarme auf den Tresen, bis er ihr seine Aufmerksamkeit schenkte. "Aryana und Alice hätten in zehn Minuten einen Bus nachhause, ich aber erst in dreissig. Kann ich solange bei dir warten oder möchtest du lieber deine Ruhe? Ich kann dir auch beim Aufräumen helfen... Oder Aryana kann Mitch rufen, dann bringt er uns heim. Was dir lieber ist", kam sie für einmal sehr schnell auf den Punkt, formulierte die Frage möglichst neutral und unterstrich am Ende die Optionen mit einem Schulterzucken. Er sollte sich nicht verpflichtet fühlen, ihr hier über seine Arbeitszeit hinaus Asyl zu gewähren. Mitch hatte den Fahrdienst ja angeboten, also wäre es kein Weltuntergang, wenn er sie abholen müsste. Vielleicht wäre es sogar besser, dann müsste sie nicht alleine Busfahren... Andererseits waren das nur zwei Stationen - knapp fünf Minuten - das sollte sie wirklich alleine hinkriegen. Trotz Paranoia und psychischer Labilität.
Das Kassieren dauerte nicht allzu lange und ich konnte mich hier und da noch über etwas Trinkgeld freuen, das ich gerne mit einem dankbaren Lächeln annahm. Auf dem Rückweg zur Bar nahm ich schon ein paar der noch herumstehenden leeren Gläser mit, aber was das anging würden noch ein paar mehr Gänge notwendig sein. Selbst wenn ich das Tablett nahm, passten da nicht unendlich viele Gläser drauf. Dylan sollte wirklich mal in einen dieser praktischen Küchenwägen investieren. Zumindest zu Feierabend wäre so einer Gold wert, auch wenn mich die paar Schritte mehr oder weniger nicht umbrachten. Ich war gerade dabei ein paar der noch fehlenden Gläser in die Maschine zu räumen, als Fayes Präsenz nach meiner Aufmerksamkeit verlangte. Schon im Augenwinkel wahrgenommen brauchte es gar nicht mehr unbedingt ihre Stimme, damit ich sie letztlich ansah. Schon die langgezogene, erneute Begrüßung wirkte so, als wollte sie noch Irgendwas von mir. Es war aber noch keine Verabschiedung, sondern eine Frage nach verlängertem Aufenthalt. Ich hatte nur bedingt damit gerechnet, was vielleicht daran lag, dass ich gar nicht weiter darüber nachgedacht hatte, ob sie vielleicht als einzige einen Bus in eine andere Richtung brauchte. Schließlich hatte ich keine Ahnung davon wo Alice und Aryana nun genau wohnten, ihr Nachhauseweg hätte sich also durchaus mit Fayes überschneiden können. Tat er offenbar aber nicht und sie hatte zwei Optionen, dieses Problem zu überbrücken. Ich hätte vielleicht abgewägt sie lieber mit privatem Service Nachhause fahren zu lassen, wenn ich nicht gewusst hätte, dass es bis zu ihr Nachhause von hier aus wirklich nicht weit war - ich hatte die Strecke ja selber schon zu Fuß zurückgelegt. Es war zwar mitten in der Nacht, aber ich hielt es für recht unwahrscheinlich, dass ihr auf so kurzer Strecke etwas zustieß. Sie sollte sich einfach nahe zum Busfahrer nach vorne setzen, dann überstand sie die Fahrt sicherlich ohne Zwischenfälle. "Du kannst gerne noch bleiben... ich bin ja sowieso noch ein paar Minuten länger hier.", meinte ich und hielt ihren Blick. Ich selbst ging im Gegensatz zu den Gästen ja nicht um Punkt 3 Uhr. Da musste hier noch was weggeräumt und da noch ein Tisch abgewischt werden - es zog sich oft länger, als mir lieb war. Ohne das ganze Gerede der Gäste konnte man die Musik zumindest ein bisschen besser hören, das erleichterte mir die Abschlussarbeit. "Du darfst mir natürlich auch gerne helfen, wenn du mir versprechen kannst, dass keine Gläser fallen... oder du zur Sicherheit lieber nur Tische abwischst.", grinste ich mit leicht schiefgelegtem Kopf. Eigentlich erwartete ich kein bisschen, dass sie mir hier tatsächlich mit der Arbeit half - davon abhalten würde ich sie aber auch nicht. Das abschließende Aufräumen war nicht unbedingt mein Lieblingspart an diesem Job. Ich musterte ihr Gesicht für einen Moment, um ihren Zustand zu definieren. Ihr Blick war zweifelsohne nicht so vernebelt wie damals im Club, was mich darin bestärkte, dass der alleinige Nachhauseweg für sie machbar war. Ein kleines Restrisiko blieb natürlich, aber ich könnte sie ja auch noch die paar Meter zur Bushaltestelle bringen und die Endhaltestelle war ja wirklich nicht weit von ihrer Haustür entfernt. Falls bis dahin hier alles fertig war, wovon ich schwer ausging, dann war das nicht mal ein Umweg für mich. Ich musste schließlich selber auch den Bus nehmen, wenn auch nicht Fayes Route.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
Ihr Lieblingsbarkeeper war bald bei ihr und Faye konnte sogleich ihr kleines Anliegen äussern. Scheinbar war das keine so grosse Sache, denn Ryatt willigte relativ rasch ein. Hatte sie auch ein bisschen erwartet, so wie sie ihn mittlerweile einzuschätzen wusste. Sie noch ein paar Minuten länger hier zu dulden, stellte einen eher geringen Aufwand für ihn dar und sowieso war er ihrer Meinung nach meistens sehr wohlwollend unterwegs und absolut der Typ für den ein oder anderen Gefallen unter Freunden. Trotzdem hellte sich ihr Blick mit einem ehrlichen Lächeln nochmal ein Stück auf, als sie ihm ein "Danke", entgegenbrachte. Hinsichtlich der Gläser war sie jedoch etwas kritischer. Ihr fehlte etwas die Energie für eine ernsthafte Risikoabwägung, weshalb sie den Kopf ein Stück schief legte. Sie hatte sich heute getreu ihrer Vorsätze nicht betrunken, aber zu hundert Prozent nüchtern war sie auch nicht mehr. Zusammen mit der Müdigkeit und leichten Trägheit, die ihr langsam - nicht zuletzt auch dank des Alkohols - in den Knochen steckte, war es schon möglich, dass sie unachtsam wurde oder stolperte. "Hmm... Du darfst mir nachher einen Lappen aushändigen. Aber ich muss Aryana und Alice zuerst auf den Bus schicken", eröffnete sie ihm die Ergebnisse ihrer kurzen gedanklichen Situationsanalyse, bevor sie sich nach einem weiteren Lächeln in seine Richtung wieder abwendete. Aryana nahm die Neuigkeiten mit einem prüfenden Blick in Richtung Bar und einem Nicken zur Kenntnis, so als wollte sie sichergehen, dass das für Ryatt wirklich in Ordnung ging. Oder dass er sie nicht doch plötzlich auf die Strasse stellte, bis ihr Bus eintraf. Auch Alice fragte nochmal sehr gewissenhaft bei Faye nach, ob das für sie wirklich okay war, bevor sie sich mit einer herzhaften Umarmung verabschiedete. Etwa sieben Minuten später hatten die beiden ihre Sachen gepackt und wurden von Faye zur Tür begleitet, durch die sie schliesslich nach draussen verschwanden, um ihren Bus nicht zu verpassen. Selbstverständlich erst, nachdem sie versprochen hatten, dass sie Faye eine Nachricht schicken würden, wenn sie sicher zuhause angekommen waren. Dafür verlangten sie natürlich das Gleiche, wofür die Brünette ebenfalls gerne ihr Wort gab. Die kühle Brise trieb die jüngere Cooper bald wieder ins Innere der Bar, wo die letzten Gäste nun ihre Jacken einsammelten, um sich auf den Heimweg zu machen oder zumindest ein Haus weiter zu gehen. Sie ging wie versprochen zu Ryatt zurück, um sich dort den Lappen einzusammeln, den sie brauchen würde, um die Tische abzuwischen, während er hinter der Bar sauber machte. Besagten Tischen widmete sie sich schliesslich auch und das ging relativ gut - war auch keine allzu grosse Herausforderung. Es hatte bloss auch zur Folge, dass sie sich etwas zu intensiv mit ihren Gedanken beschäftigte, während sie alleine mit dem feuchten Lappen war. Der Abend war sehr schön gewesen und sie hatte die Gesellschaft und die lockeren Gespräche sehr genossen. Was sie weniger genossen hatte, war das dumpfe Gefühl in der Magengegend, jedesmal, wenn sich eine ihrer Freundinnen und zuletzt auch Alice und Aryana verabschiedet hatten. Am liebsten mit der Aussage, dass sie nun nachhause zu ihrem Freund, Ehemann oder ihrer Partnerin mussten und konnten. Sie hatte nicht darüber nachdenken wollen heute, aber das Ende des Abends und die eingekehrte Stille, gepaart mit dem Alkohol und der Müdigkeit, zogen eine gewisse Melancholie nach sich, die sich schwer abwehren oder ignorieren liess. Die Melancholie der Einsamkeit, die sie so kalt und tröstend zugleich einlullte. Eigentlich hatte sie Ryatt wirklich beim Aufräumen helfen wollen. Aber ein Ecktisch verlangte mehr oder weniger von ihr, dass sie sich zum Putzen hinsetzte, um die ganze Tischplatte zu erreichen - und nach dem Hinsetzen wurde das Aufstehen irgendwie noch anstrengender. Da war es wesentlich anspruchsloser, die Arme auf dem Tisch abzulegen und den Kopf ins so gemachte Nest zu betten, die Augen kurz zu schliessen, um sich zumindest innerlich wieder zu erden. Oder aber sich in der Erinnerung daran zu verlieren, wie es mal gewesen war und irgendwann wieder sein würde... Das war einfacher. Übrigens auch einfacher, als nicht einzuschlafen.
Wahrscheinlich sollte eher ich der Brünetten danken als umgekehrt, falls sie tatsächlich bei den letzten Handgriffen der Nacht mit anpackte. Ich erwiderte ihr Lächeln trotzdem, auch wenn der Dank eher nicht notwendig war. Schließlich machte sie mir ja keine Umstände, wenn ich ohnehin noch ein paar Minuten hier war. Faye entschied sich tatsächlich dafür heute noch einen Lappen in die Hand nehmen zu wollen und ich nickte ihr mit einem "Ist gut." zu, als sie ankündigte, nochmal mehr oder weniger zu verschwinden. Einen Moment lang blickte ich ihr nach als sie zurück zu den anderen beiden jungen Frauen ging, widmete mich dann aber zeitnah wieder der Arbeit. Ein bisschen was zu tun war eben doch noch und es erledigte sich nicht von selbst. Ich hob zum Abschied nochmal die Hand, als Alice und Aryana an der Bar vorbei den Ausgang ansteuerten und mich auf unbestimmte Zeit verließen. Vielleicht sah ich sie irgendwann nochmal wieder, vielleicht aber auch nicht. Darüber machte ich mir keine Gedanken, während ich allmählich nach dem Einsammeln der übrigen Gläser auch den Rest der Gäste nach draußen bat. Besonders der Stammgast hielt sich wieder hartnäckig an der Theke, aber ich konnte ihn mit viel gutem Willen und dem Versprechen, dass die Bar ihn auch nächstes Wochenende ganz bestimmt wieder mit offener Tür empfangen würde, doch zum Gehen überreden. Als alle gegangen waren und nur Faye noch hier war, hingen noch drei Jacken an der Garderobe - es würde also mal wieder eine in die Kiste für Fundsachen wandern müssen. Jacken waren dabei allerdings selten, häufiger kamen Mützen oder Schals vor. Jetzt wo die kalte Jahreszeit sich langsam verdünnisierte, würde aber auch das weniger oft vorkommen. Als ich die Jacke nach hinten in den dem Personal vorbehaltenen Bereich gebracht hatte, machte ich Faye den Lappen mit etwas Spülmittel bereit. Wieder sah ich ihr einen Moment fast ungläubig nach, aber sie begann tatsächlich die Tische abzuwischen und so machte ich mit einem an mich selbst gerichteten Schulterzucken die volle, letzte Spülmaschine für heute an. Danach widmete ich mich der zeitintensivsten noch übrigen Aufgabe - ich kontrollierte den Betrag in der Kasse, was jedes Mal nervige Rechnerei war. Ich summte dabei ab und zu leise die Melodie des aktuellen Lieds mit, unterbrach das aber immer dann, wenn ich mich besonders konzentrieren musste. Nochmal von vorne anzufangen stand mir nämlich ganz und gar nicht im Sinn. Als ich mit dem Papierkram für heute fertig war und hinter der Bar alles rechtmäßig geordnet war, sah ich schließlich das erste Mal seit der Lappenübergabe aktiv nach Faye. Sie hatte ihre Aufgabe offenbar unterbrochen, um... ein kleines Nickerchen auf der Tischplatte einzulegen? Meine Augenbrauen zuckten kurz nach oben, unwissend wie lange sie nun tatsächlich schon so dort saß, weil ich auf die Zahlen konzentriert gewesen war. Ihrer Position nach hatte sie den Großteil der Tische aber schon abgewischt, wenn sie der Reihe nach vorgegangen war. Sie regte sich auch nach etwa dreißig Sekunden, in denen ich sie beobachtete, noch immer nicht. War sie so müde? Natürlich war es schon spät und bis sie letztendlich im Bett landen würde, war es wahrscheinlich schon beinahe 4 Uhr. Ein kurzer Powernap war nicht vollkommen abwegig, aber als sie mir den Lappen abgenommen hatte, war sie eigentlich noch nicht so müde rübergekommen. Natürlich konnte ich damit irren, also beschloss ich nach dem Rechten zu sehen. Das Buch zusammengeklappt und mitsamt Stift wieder an seinem Platz verstaut, umrundete ich den Tresen und schloss zu Faye auf. Mit der rechten Hand stützte ich mich auf den Tisch, auf dem ihr offenbar müdes Köpfchen gerade ruhte. "Du wirst mir doch jetzt nicht hier einschlafen, oder? Aus Erfahrung kann ich dir sagen, dass ein Bartisch kein guter Ersatz für ein Kissen ist.", rang ich wie so oft mit einer Prise Sarkasmus nach ihrer Aufmerksamkeit. Es dauerte einen zähen Moment, bis sie den Kopf angehoben hatte und mich ansah. Mit irgendwie wenig zum Spaßen aufgelegtem Gesichtsausdruck. War heute Abend was vorgefallen, das ich nicht mitbekommen hatte? Es lag mehr als nur Müdigkeit in ihren Gesichtszügen, aber es war schwer ihre Gemütslage nur anhand dessen genau zu definieren. "Alles in Ordnung?", hakte ich ruhig und neutral nach, ohne meinen aufmerksamen Blick von ihren großen, nicht unbedingt glücklich wirkenden Augen zu nehmen. War der Abend für sie nur oberflächlich gut gewesen?
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
Ob er mitgekommen wäre heute Abend, wenn er nicht so weit weg wäre? Wahrscheinlich nicht, weil das ja offensichtlich ein Abend nur mit ihren Freundinnen gewesen war. Aber er hätte sie abgeholt. Würde jetzt vor der Tür stehen und auf sie warten, damit sie nicht alleine nachhause musste. Er wäre schon vor einer Viertelstunde hier gewesen, weil er sicher nicht zu spät gekommen wäre. Oder vielleicht hätte er sie auch gar nicht abgeholt. Er war ja jetzt in der Ferne dabei, sich von diesen krankhaften Ängsten und der Abhängigkeit zu lösen. Vielleicht war es ihm, wenn er denn irgendwann wieder hier war, auch egal, ob sie die zwei Stationen alleine zurücklegte, weil er in der Zwischenzeit lieber selber mit Freunden draussen war oder seinen wohlverdienten Schlaf genoss. Es war ja auch nicht gefährlich, sonst hätte Aryana sie nie im Leben hier zurückgelassen. Das hatte Victor nur bisher keine Rolle gespielt. Aber er war ja weg, um sich zu verändern. Was wenn er zurückkam und sie noch immer die Gleiche war? Was, wenn sie dann gar nicht mehr zueinander passten? Wenn sie ihm auf die Nerven ging, weil sie in der Zwischenzeit keine 180-Grad Wendung hingelegt und plötzlich eine unabhängige, starke Frau geworden war? Es war einfach gewesen, zu behaupten, dass das niemals passieren würde, als er noch neben ihr geschlafen hatte. Sie hatten sich gegenseitig sehr leicht davon überzeugt, dass diese Monate - oder Jahre? - der Trennung sie nicht auseinanderreissen könnten. Aber Faye tat, was sie, beziehungsweise leider nur ihr Kopf, sehr gerne tat... zu viel nachdenken. Die Zeit blieb ja nicht stehen, seit Victor ins Auto gestiegen und weggefahren war und er war mit der Absicht gegangen, sich zu verändern. Darüber hatte sie noch nicht so richtig nachgedacht, als er noch hier gewesen war, aber die Folgen waren nüchtern betrachtet unvorhersehbar. Es war nicht unmöglich oder bloss eine böse Fantasie, dass danach alles anders sein würde. Zumindest er und seine Weltansichten. Faye sollte wohl dankbar sein, dass sie in diesen Gedanken unterbrochen wurde, als sie Ryatts Stimme vernahm. Im ersten Moment fühlte sie sich aber hauptsächlich nicht bereit, jetzt noch ein sinnvolles Gespräch zu führen oder zumindest mit einem Spass auf seinen Hinweis zu reagieren. Entsprechend dauerte es auch einen trägen Moment, bis sie wusste, wie sie den Kopf anheben und ihn anschauen konnte. Ja, der Tisch war kein gutes Bett. Sie sollte sich echt noch kurz zusammenreissen, die paar Minuten bekam sie doch hoffentlich hin. Faye nickte und richtete sich wieder auf, rieb sich kurz mit einer Hand übers Gesicht und blickte auf den Tisch vor sich zurück, der eigentlich mittlerweile sauber sein sollte. "Ja... alles in Ordnung", bestätigte sie seine Frage etwas verspätet und dadurch auch eher nur so semi-glaubhaft. Da half das maximal halbherzige Lächeln, das sie den Worten nachschieben konnte, auch nicht gerade weiter. "Bin nur müde und...", sie zuckte mit den Schultern, suchte ein bisschen nach den richtigen Worten, die sie aber definitiv nicht fand oder kannte. "Vielleicht ein bisschen... naja vielleicht wäre ich besser vor einer halben Stunde nachhause gegangen", änderte sie das Ende ihres Satzes kurzfristig ab, da sie weder traurig noch einsam wirklich aussprechen wollte. Es klang beides etwas erbärmlich, nachdem sie einen Abend mit Freundinnen verbracht und die ganze Zeit gelacht hatte, erst seit knapp zehn Minuten oder so alleine hier war - und selbst das nicht wirklich, weil Ryatt ja neben ihr stand. Ihr Bus fuhr zu dieser Uhrzeit noch alle dreissig Minuten, es wäre eigentlich also nicht so schwer gewesen, vor Aryana und Alice das Weite zu suchen, um sich jetzt eben nicht in dieser Situation zu befinden. Hatte sie aber offensichtlich nicht bedacht. Faye seufzte leise, zuckte erneut mit den Schultern und versuchte sich an einem weiteren kläglichen Lächeln, bevor sie sich zurück auf die Füsse zwang und den Lappen wieder herbeiangelte. "Bin übrigens noch nicht ganz fertig, da fehlen noch zwei Tische", lenkte sie auf ihre eigentlich minimal aufwendige Aufgabe um, die sie jedoch nicht sonderlich gut machte.
Meine Menschenkenntnis mochte nicht immer perfekt sein, aber selbst ein Blinder hätte in diesem Moment hören können, dass eher nicht alles okay war. Ungefähr ihre gesamte Körperhaltung schrie förmlich danach, dass sie vielleicht wirklich besser schon den vorherigen Bus hätte nehmen sollen, weil sie hier gerade völlig versumpfte. Ich beobachtete dieses Phänomen mittlerweile regelmäßig. Es kam zwar nicht ständig vor, dass sich irgendwer alleine an meiner Theke einfand, aber wenn doch, dann war das meistens ein von unschönen Gefühlen und Gedanken heimgesuchter Gast. Jemand, der versuchte, seine Sorgen ein bisschen im Alkohol zu ertränken - für ein paar Stunden zumindest. Faye machte dasselbe, wenn sie sich mit Freunden traf, oder? Auch wenn dabei heute weniger Alkohol geflossen war, als das meistens bei meinen einsamen Besuchern der Fall war, fühlte sie sich jetzt wahrscheinlich exakt so, wie es besagte Betrunkene am nächsten Morgen nach ihrem Besuch hier taten - genauso wie vorher, vielleicht eher noch einen Ticken schlechter. Ablenkung war gut und zeitweise wirklich notwendig, aber sie beseitigte nicht die Ursache, sondern bekämpfte nur ein nervtötendes Symptom. Ich sah Faye dabei zu, wie sie tatsächlich wieder nach dem Lappen griff und dazu ansetzte, ihre vorherige Aufgabe erneut anzugehen. Fast so als wäre das der Grund dafür, dass ich gerade zu ihr an den Tisch gekommen war. Ich begann langsam den Kopf zu schütteln, nahm die Hand vom Tisch und griff nach dem Lappen, um ihn der zierlichen Brünetten ohne Hast abzunehmen und ihn demonstrativ an die Tischkante zu legen. "Die Tische laufen mir bestimmt nicht weg, Faye.", erinnerte ich sie allem voran daran, dass das hier nicht ihr Job war. Dass sie mir eher nicht weißmachen konnte, dass ein paar dreckige Tischplatten in diesem Moment ihre größte Sorge waren und dass sie gerade so ein Gesicht zog, weil sie glaubte diese Aufgabe nicht ordnungsmäßig für mich erledigen zu können. "Setz dich wieder hin... Kaffee oder Tee? Ich habe allerdings nur grünen, schwarzen oder Pfirsichtee da.", fragte ich und griff anschließend nach dem Lappen, um zumindest diese Tischplatte fertig zu haben. Danach schmiss ich das Ding weiter auf den nächsten Tisch, bevor ich abwartend zu der geknickten Brünetten sah und schonmal zwei Schritte rückwärts von ihr wegging. Der Pfirsichtee schmeckte im Grunde genauso wie Eistee, lediglich etwas weniger süß und natürlich warm. Nur sehr ungern würde ich Faye in diesem Zustand später alleine auf die Straße loslassen, also konnte ich nur versuchen, diesen offensichtlich eingekehrten After-Party-Breakdown einigermaßen grade zu biegen und bestmöglich einzudämmen. Eigentlich hatte ich nämlich nicht vorgehabt, den Umweg über ihre beiden Stationen zu fahren, nur um sicher sein zu können, dass sie wirklich gut Zuhause ankam und nicht tatsächlich lieber zu Fuß ging, um weiter in trübsinnigen Gedanken baden zu können. Das ging bei einsamen Spaziergängen bekanntlich am besten. Aber es ging wieder um irgendein Thema, über das sie mit mir nicht gerne sprach, oder? Sie versuchte schließlich drum herum zu schippern. Ich kam kurz darauf mit ihrem vielleicht etwas aufgezwungenen Getränkewunsch zu ihr zurück und setzte mich neben sie, nachdem ich die durchsichtige Tasse samt Getränkedeckel vor ihrer Nase abgestellt hatte. "Willst du drüber reden? So von Gast zu Barkeeper..." Ich rechnete da eher mit einem recht entschiedenen Nein, aber Seelenklempnern war in diesen vier Wänden sowieso mein Neben-Neben-Job. "...abgesehen davon kann ich dir sonst wohl nur noch 'ne Umarmung anbieten.", murmelte ich. Es folgte noch ein kaum sichtbares Schulterzucken, ich war etwas ratlos. Für manche Dinge war ich seitens Faye einfach nicht der richtige Ansprechpartner und das war schon okay so, weil das ihre Entscheidung war. Das änderte aber nichts daran, dass es nie angenehm war, wenn diese totgeschwiegene Distanz zwischen uns im Raum stand.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
Tja, war wohl nichts mit Tische putzen und tun als wäre alles in Ordnung. Sie wusste ja, dass sie eine dezent miserable Lügnerin war, aber in diesem Moment fand sie das mal wieder extra beschissen. Sie wollte Ryatt ja nicht unbedingt anlügen, aber das war einfach keine Thematik für ein Gespräch zwischen ihnen. Erstens nicht, weil er sich damit nicht beschäftigen musste, zweitens nicht, weil sie ihn damit nicht nerven wollte und drittens auch nicht, weil er dafür sicher keine Lösung haben würde. Dafür konnten nur Victor und sie selbst eine Lösung schaffen - mit Victor redete sie jedoch selbstverständlich auch nicht über diese Gedanken, weil sie kein Interesse daran hegte, ihm von aufkommenden Zweifel zu berichten. Oder davon, dass sie sich etwas zu oft dabei erwischte, wie sie wütend auf ihn wurde, weil er gegangen war. Sie verstand es ja, wusste rational betrachtet, dass die Trennung auf Zeit nötig und wahrscheinlich die einzige Möglichkeit gewesen war, ihre Beziehung zu retten. Das hatte sie gedanklich oft genug durchgekaut. Aber es gefiel ihr trotzdem absolut gar nicht, heute mal wieder noch weniger als sonst auch schon immer. Es wäre wohl besser gewesen, wenn sie jetzt Tische geputzt hätte, als hier sitzen zu bleiben und sich auf ihre zögerliche und doch etwas ergebene Antwort hin einen Pfirsichtee liefern zu lassen. Für Kaffee und Schwarztee war es etwas zu spät, eigentlich wollte und sollte sie ja schlafen gehen. Wenn sie hier nicht gerade lieber Ryatt auf Trab halten und mit schlechter Laune unterhalten würde. Sie rutschte auf der Eckbank etwas zur Seite, um ihm Platz zu machen, als er zurückkam, und bedankte sich leise für den Tee, auf dem ihr Blick im Anschluss selbstverständlich kleben blieb. Kaum hatte sie die Hände um die Tasse gelegt, folgte nämlich die erwartete Frage auf die sie sehr gerne mit einem überzeugten Nein, danke geantwortet hätte. Aber das wäre wirklich nicht nett und auch nicht so fair gegenüber Ryatt, der sich hier mit ihrem plötzlichen Stimmungssturz konfrontiert sah. Das Problem war nur, dass sie eben tatsächlich nicht drüber reden wollte. Sie wollte Victor nicht in ein schlechtes Licht rücken und sie wollte nicht zugeben, wie sehr sie trotz der bereits vergangenen Zeit weiterhin unter der Trennung litt. "Vielleicht wirklich besser eine Umarmung...", war ihre Antwort, die ein bisschen sarkastisch klang, aber irgendwie trotzdem ihren Gemütszustand widerspiegelte. Das war indirekt ja genau, was sie brauchte: Nähe und Zuneigung. Vielleicht nicht in erster Linie von Ryatt, aber da sie allgemein zu wenig davon bekam, könnte auch eine Umarmung von ihm schon ein gutes bisschen helfen. Normalerweise bat sie aus bekannten Gründen definitiv nicht ihn um solche Zärtlichkeiten - gerade war die Auswahl an Alternativen nüchtern betrachtet jedoch nicht besonders gross und er hatte sich bereits freiwillig angeboten. So suchte ihr Blick nun wieder nach seinem, als würde sie um sein tatsächliches Einverständnis bitten, bevor sie die Hände wieder vom Tee nahm, um stattdessen die Arme für die eingeforderte Umarmung um ihn zu legen. Sie hatte Ryatt auch schon umarmt... aber vielleicht noch nie so richtig. Also so wie jetzt. Vielleicht hatte sie sich dabei noch nie so einsam gefühlt. Aber es tat gut. Sie hatte nicht erwartet, dass es wirklich etwas bringen würde, aber ihr Herz schien sich wieder ein Stück weit zu fangen, als es feststellte, dass sie möglicherweise doch nicht komplett alleine war. Sie wusste nicht, was für eine Umarmung er ihr eigentlich angeboten hatte, ob er dabei an zwei Sekunden oder fünf Minuten gedacht hatte - nach zwei Sekunden war sie aber ganz sicher noch nicht bereit, ihn wieder loszulassen. Auch nicht nach zwanzig. Eben die typische Gast zu Barkeeper Situation und so. "Es ist das Gleiche wie immer", nuschelte sie irgendwann vor sich hin, um Ryatt den Bruchteil eines Kontextes zu bieten... Auch wenn sie es nicht weiter auszuführen plante, wie sie auch gleich erklärte. "Und ich will dir damit echt nicht die Ohren vollheulen... Am Ende verpassen wir nur beide unseren Bus", sie hatte nicht vergessen, dass ihrer in wahrscheinlich fünfzehn Minuten oder so fahren würde und Ryatt irgendwann um den Dreh rum sicher auch einen erwischen wollte. Und ihr Drama sollte nicht der Grund sein, dass der gute Herr keinen Feierabend vergönnt bekam und hier noch bis sechs Uhr morgen rumsitzen musste...
Wie bereits erwartet schied das Gespräch von vornherein aus, ohne dass es überhaupt versucht wurde. Irgendwie hatte ich aber auch nur wenig damit gerechnet, dass die zierliche Brünette sich tatsächlich die Umarmung abholte. An und für sich war das vielleicht nicht wirklich abwegig - wir umarmten uns schließlich öfter mal, für gewöhnlich zur Begrüßung oder zum Abschied. Trotzdem war das nicht wirklich vergleichbar mit der Umarmung, der ich mich in diesem Moment bereitwillig hingab. Ich streckte meine Arme ebenfalls nach Faye aus, überließ ihr aber gänzlich das Ruder. Drückte sie weder übertrieben an mich, noch schob ich sie aus eigenen Stücken nach kurzer Zeit wieder von mir weg. Mein Kopf war relativ leer, als ich für ein paar wenige Sekunden die Augen schloss - bis die Brünette leise den Grund dafür bekannt gab, dass sie nun trotz allem wieder etwas mehr nach meiner Nähe suchte. Die Nähe, von der wir eigentlich beide wusste, dass sie ein bisschen gefährlich werden konnte. Andererseits war es nicht verwunderlich, dass es passierte, oder? Ich war selbst nicht wirklich weniger einsam, als Faye es war. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sie auf Jemanden wartete und ich nicht. Wobei ich irgendwie im Grunde auch auf Victor wartete, so ganz nüchtern betrachtet. Damit die Brünette dann sah, wie unrealistisch es war, dass wir beide ab jenem Zeitpunkt weiter befreundet blieben. Solange ihr Freund weg war und Faye sich in der Zwischenzeit mit seiner Abwesenheit quälte, hing ich was das anging noch in der Luft und ich hasste das. Natürlich könnte ich mich theoretisch stattdessen auch jetzt von ihr verabschieden, aber das stand nicht zur Debatte. Unabhängig davon, dass ich die Freundschaft mit Faye einfach genoss, konnte ich es auch gar nicht. Nicht, bevor der Schmerz zum Bleiben nicht zu groß war... was normalerweise schnell passierte, weil ich dahingehend gar nicht mal so viel aushielt. Ich kannte die zierliche Brünette mun aber schon zu lange und zu gut, um sie leichtfertig zu den zahlreichen anderen, unwichtigen Gesichtern, die ich irgendwann mal im Leben getroffen hatte, in die Akten zu legen und die Mappe nie wieder aufzuklappen. Wessen Gedanken hier gerade wohl reger kreisten? “Wäre jetzt auch nicht das erste Mal, dass ich den verpasse.”, stellte ich ziemlich gleichgültig fest. War ja nicht so, als würde im Wohnheim Jemand auf mich warten oder als müsste ich morgen wieder früh aus den Federn. Manchmal blieb ich aus völlig freien Stücken alleine in der Bar sitzen. Mit einem Whiskey, den ich in den meisten Fällen bezahlte. “Aber ich bin wohl sowieso nicht der Richtige für Ratschläge in diesem Bereich.”, hängte ich nachdenklich murmelnd noch ein paar mehr Worte an, bei denen ich Faye unbewusst ein wenig mit dem Daumen über den Rücken streichelte und auf die braunen, gewellten Strähnen sah, die über ihre Schulter fielen. Weder konnte ich selbst mit einer langen Beziehung glänzen, noch würde ich mich jemals für Monate vertrösten lassen. Das kam für mich einem sofortigen Todesstoß gleich. Auch in Hinblick auf Bekämpfung von Einsamkeit war ich nur ein Amateur, obwohl ich es durch den langen Militärdienst besser können sollte. Seit meinem Austritt und dem damit einhergehenden Verlust fühlte ich mich damit allerdings noch deutlich unwohler als zuvor. "Ich kann dir nicht mal 'nen guten Tipp gegen Einsamkeit geben… dabei sollte ich nach all den Jahren bei der Army eigentlich Profi darin sein.", seufzte ich, sprach insgesamt eher leise. Ich suchte nach allen möglichen Punkten an ihr, an denen ich mich kurzzeitig mit dem Blick aufhängen konnte. Alles, bloß nicht ihre Augen, die aufgrund der Umarmung leicht zu meiden waren. Vielleicht war ich exakt so nutzlos für Faye, wie es sich in diesem Moment anfühlte, weil sie hier eher nicht die Einzige war, die sich in ein Paar Arme flüchtete. Vielleicht war ich mir mitunter deswegen auch so sicher, dass das mit uns keinen Bestand haben würde. Außerdem wollte sie nichts von dem, was ich den einsamen Frauen bei der Army gegeben hatte, womit ich wiederum immer auch vorübergehend meine eigene Einsamkeit ertränkt hatte - entweder weil sie mich tatsächlich nicht verlieren wollte, oder weil sie das einfach nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte. Wahrscheinlich beides. Sie konnte sich mir auch nur teilweise anvertrauen, aus Gründen. Wofür genau war ich dann als Freund eigentlich gut? Nur fürs ab und zu Lachen? War ich doch einfach nur ein schlechter, stark abgespeckter Ersatz für ihren Geliebten? Möglicherweise konnte ich was das anging das Offensichtliche einfach nicht sehen, weil ich es nicht verstand. Die Umarmung war für meine eigenen Gedankengänge scheinbar auch einfach ungünstig.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
Victor hatte immer die Arme ausgestreckt, wenn es ihr nicht gut gegangen war. Er hatte immer gesagt, sie solle herkommen und dann hatte sie sich an seiner Brust verkrochen. Es war nicht so, als würde eine Umarmung irgendwelche Probleme lösen, aber es hatte sich trotzdem immer so angefühlt, als wäre zumindest dort die Welt noch für einen Augenblick in Ordnung. Wenn nicht wirklich die ganze Welt, dann doch zumindest ihr kleiner Teil davon. Aber das konnte sie jetzt nicht mehr. Und es war wohl eher nicht in Ordnung, dass sie nun das Gleiche bei Ryatt suchte. Er war nicht Victor und ein Teil von ihr würde sich wahrscheinlich immer so fühlen, als würde sie ihn mit solchen Aktionen ausnützen. Sie war nur offensichtlich trotzdem nicht stark genug, immer davon abzusehen. Nicht in Momenten wie diesem. Nicht in Momenten, in denen sie sich im Idealfall eben bei Victor verkrochen hätte. Das Loch, oder eher der Krater, in ihrem Herzen, den er hinterlassen hatte, war riesig. Wenig erstaunlich, dass ihre taumelnde Selbstbeherrschung zwischendurch die steilen Klippen an dessen Ränder abwärts rutschte. Ungünstig, wenn sie dabei andere Menschen mit sich riss. Vorzugsweise Ryatt, der von ihr immer mal wieder etwas zu nahe an den Krater herangeführt wurde. Mit ein paar Pirouetten, bis ihnen die Drehungen zu viel wurden und sie eine Bruchlandung ins Nichts hinlegten. Vor fünfzehn Minuten hatte sie noch gelacht… Wie anstrengend konnten Gefühle bitte sein? Sie wusste nicht, was sie auf die Feststellung mit dem Bus sagen sollte. Natürlich gab es noch spätere Verbindungen und sie könnten wohl beide auch erst in 45 Minuten oder zwei Stunden nachhause. Stellte sich nur die Frage, wie sinnvoll das wäre und ob es ihr dann wirklich besser ging. Oder ihnen, Ryatt klang im Anschluss nämlich auch nicht mehr so unbeschwert glücklich. Kein Wunder, wenn sie hier in seinen Armen im Selbstmitleid versank und ihn daran erinnerte, dass sie beide auf verschiedenen Ebenen mit einem ähnlichen Problem kämpften. Es gäbe natürlich eine vorübergehende Lösung, die ihnen beiden guttun könnte. Aber sie wäre eben nur vorübergehend. Ihr könnte das theoretisch egal sein, weil sie ja dann hoffentlich Victor zurückbekam. Aber es war ihr nicht egal und darum versuchte sie auch vehement, jeden Gedanken in diese Richtung abzuwehren. Das mental gar nicht erst als Lösung anzuerkennen. Denn Tatsache war, dass es verlockend war – jedes Mal, wenn sie wieder in Einsamkeit versank. War ja nicht so, als hätte Ryatt keine Anziehung auf sie. Es war nicht vergleichbar mit dem, was sie für Victor empfand, sonst wäre sie schon lange schwach geworden. Aber ganz so leicht, wie sie das gerne hätte, liess es sich leider nicht ignorieren. Was sicherlich mit ein Grund war, warum sie jetzt gerade so hier sassen – auch wenn er nicht der Richtige war für Ratschläge und auch wenn er manchmal selbst nicht wusste, wie er mit dem Alleine-Sein umgehen sollte. «Das ist okay… Was soll es auch für Tipps geben ausser Ablenkung oder Aushalten, bis man sich wieder besser fühlt…», murmelte sie, auch wenn das keine zufriedenstellende Faktenlage war. Die Lösung lag darin, jemanden zu finden, der einem dabei half, die Leere zu beseitigen. Wenn dieser jemand gefunden, aber gefühlt unendlich weit weg oder verschwunden oder tot war, wurde das alles schwieriger. «Einsamkeit ist grausam…», stellte sie gemurmelt fest, was er längst wissen dürfte. Er durchlebte dieses kalte Gefühl schliesslich schon viel länger als sie und wenn sie nicht wüsste, dass sie ihm dabei auf Dauer nicht helfen konnte, würde sie ihn allein darum noch viel enger und viel länger an sich drücken. Aber das war Symptombekämpfung, oder? Und eigentlich hing sie schon viel zu lange in seinen Armen fest. War jedoch nicht so leicht, sich von ihm zu lösen und ihre allgemeine Müdigkeit und der Restalkohol machten das selbstredend nicht besser. Sie schaffte es gerade mal, ihre Arme sinken zu lassen und ihm so mehr oder weniger zu signalisieren, dass er sie loslassen durfte, wenn er denn unbedingt wollte. Aufrichten tat sie sich noch nicht, hing weiterhin wie ein Schluck Wasser in der Kurve an seinem Oberkörper und schlug langsam die Augen auf, die zwischenzeitlich geschlossen gewesen waren. Erstmal nur, um noch ein bisschen vor sich hin zu blinzeln, bis sie schliesslich den Kopf anhob, um in Ryatts Gesicht zu blicken. Sie wollte irgendwas sagen, sich dafür entschuldigen, dass sie ihn schon wieder irgendwie ausnutzte. Aber Entschuldigungen hatten ungefähr ab der dritten bis sechsten Wiederholung langsam einen lauen Beigeschmack, wenn sie keine Taten folgen liess. Und danach sahs hier schwer nicht aus, so unfähig wie sie war, sich von ihm loszureissen und die Einsamkeit wieder alleine auszuhalten.
Jajaja, das hast du wieder guuut hingekriegt. Wenn mir nix Sinnvolles zu Sagen einfällt hab ich ja jetzt irgendwie keine andere Wahl gehabt, als dir die Entscheidung abzunehmen, duuuuu...!!! XD ______
Wahrscheinlich gab es für die grausame Einsamkeit wirklich keine bessere Lösung, als sie irgendwie auszuhalten, bis sie vorbei war. Der Mensch war schlichtweg nicht dafür geschaffen, um alleine umherzuwandern. Erst recht nicht Faye, die schon ein paar zu viele Menschen hatte gehen lassen müssen und die von dem ihr wichtigsten Individuum permanent vertröstet wurde. Mit einem läppischen Telefonat alle paar Wochen, das sich für mich eher nach Gift anhörte. Selbst wenn es Victor damit besser ging als Faye, paralysierte es sie am Ende beide. Er konnte seinen Heilungs- oder Selbstfindungstripp sicherlich nicht zu hundert Prozent durchziehen, weil er mit ein paar Gehirnzellen immer bei der zierlichen Brünetten blieb - erst recht weil er inzwischen längst wusste, dass ich bei ihr war - und Faye wiederum legte wahrscheinlich jedes Mal wehmütig den Hörer beiseite, weil sie das Warten schon von Tag Eins an leid gewesen war. Die Distanz tat ihr tagtäglich weh, also endete sie schließlich trübsinnig und traurig auf einem Tisch in meiner Bar, nur um wenig später fast wie gelähmt in meinen Armen zu hängen. Schon nur, weil ich selbst nicht weniger nach einem Hauch Wärme lechzte, als sie es tat. Sei sie auch noch so flüchtig und vergänglich, tat die Zuneigung zu gut, um sie auszuschlagen. Ich wusste es eigentlich besser. Das hier war, als würde man versuchen mit Klebeband einen Rohrbruch zu flicken - das ging für eine kurze Zeit vielleicht sogar gut, aber es zog unweigerlich die nächste Tragödie mit sich. Erst recht dann, wenn wir uns gegenseitig die Klebestreifen anbrachten, weil wir beide mit blutendem Herzen hier saßen. Bei Faye war die Sache auch noch deutlich akuter, als bei mir. An den meisten Tagen dachte ich eigentlich, dass ich diese Phase hinter mir hatte. Dass der Verlust inzwischen so weit zurücklag, dass er mir nicht immer noch in den Knochen hängen konnte. Doch das stimmte ganz einfach nicht. Als die Brünette sehr halbherzige Anstalten dazu machte, sich aus der Umarmung zu lösen und sich meine Arme ebenfalls ein wenig lockerten, traf mich die Erkenntnis so unverblümt, wie zuletzt in der tragischen Silvesternacht. Denn während Faye trotzdem an mir hängen blieb, ließ ich sie genauso wenig richtig los. Meine Finger weigerten sich den Stoff ihres Oberteils endgültig loszulassen, obwohl ich meine Arme einfach nur noch das letzte Stück hätte zurücknehmen müssen, um sie freizugeben. Es ließ sich schön damit rechtfertigen, dass das kleine Häufchen Elend noch immer an mir hing, als hätte die Umarmung gar nie wirklich aufgehört - also beendete ich sie auch nicht, obwohl das für uns beide wahrscheinlich besser gewesen wäre. Mein abwesender Blick klebte schon an Fayes im gedimmten Licht schimmernden Haaransatz und rutschte allzu leicht in ihre Sicht, als sie nach einigen endlosen Sekunden schließlich den Kopf hob. Meine Augen trafen ihre dabei so offen, wie noch nie zuvor und eigentlich wartete ich nur darauf, dass sie mir wieder einen Finger auf die Brust legte und sagte, dass ich sie nicht so ansehen sollte und dass das nicht gut für uns war. Aber das war nichts hiervon und sie schwieg weiter, weil sie für für dieses eine Mal scheinbar selbst keine Worte für das fand, was hier passierte. Es brauchte nur diese vier stummen Sekunden, damit ich unsere instabile Freundschaft ein nächstes Mal schwungvoll ins Wanken brachte und dieses Mal ließ ich Faye auch keine Zeit, um wieder die Flucht anzutreten. Hier würde uns kein auslösender Blitz unterbrechen und ich war von den zwei Shots nicht so unzurechnungsfähig geworden, dass ich später beteuern könnte, der Alkohol wäre der Grund für meine Tat gewesen. Faye war mir schon so nahe, dass ich mich ihr lediglich etwas mehr entgegenlehnen musste, während meine Finger nun doch vom Stoff an ihrer Taille abließen. Ich zögerte nicht mehr, ließ meine Augen zufallen und meine Lippen vorsichtig auf ihre treffen. Fast im selben Augenblick legte sich mein Daumen an Fayes Wange und strich sanft über ihre Haut. So als müsste ich sie noch zusätzlich beruhigen und davon überzeugen, dass uns das hier nicht umbringen würde und das schon okay so war - zumindest jetzt, in diesem Moment. Dass wir Morgen gerne so tun konnten, als wäre das hier gar nicht passiert, weil das eines der Dinge war, die ich inzwischen perfektioniert hatte. Weil mir anschließendes Überkleben und Verdrängen so viel leichter fiel, als mich einfach zusammenzureißen und Nein zu ihrem einsamen Herzen zu sagen, das gerade nicht zum ersten Mal nach Aufmerksamkeit schrie.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
DAS WAR ZWAR GERADE ABSOLUT NICHT MEINE ABSICHT UND ICH HATTE MICH SCHON !!FAST!! (!!!) ENTSCHIEDEN, BUT OK. X‘D Danke and we love a good change of plans I guess... x'DD ____________
Sie hätte den früheren Bus nehmen können. Sie hätte einfach vor einer halben Stunde schon denken sollen. Das alles hier hätte nie passieren müssen, wenn sie einfach für einmal fünf Minuten in die Zukunft gedacht hätte. Wenn sie Aryana einfach darum gebeten hätte, doch Mitch herbei zu rufen. Wie hatte sie sich bitte nichts dabei denken können, alleine hier bei Ryatt in der Bar sitzen zu bleiben? Um drei Uhr nachts, mit Alkohol im Blut und vor allem eben mit dieser penetranten Einsamkeit auf der Seele? Wahrscheinlich war genau die der Grund, dass sie nicht aufgestanden und früher gegangen war. Zuhause wartete niemand auf sie. Sie wäre gefühlt nur noch einsamer gewesen. Ihr Herz hatte gewusst, dass sie hier nicht ganz alleine war. Es hatte gewusst, dass Ryatt sie in dieser einen Sache besser verstand als jeder andere Mensch aus ihrem Freundeskreis. Hatte ihr Herz auch gewusst, wohin ihr verlängerter Aufenthalt in der Bar führen würde? Hatte sie die Annäherung unbewusst vorausgesehen? Gewollt? Herbeigesehnt? Nein, sie hatte... sie hatte das eigentlich nicht geplant, oder? Sie hatte eigentlich nur ihren Geburtstag feiern wollen - mit ihren Freundinnen. Der Besuch in der Bar war einer spontanen Eingebung auf ihrem Ausflug in den Kletterpark entsprungen. Da konnte man kaum von einem Plan reden, oder? Das waren definitiv zu viele Gedanken, die in Lichtgeschwindigkeit durch ihren Kopf wirbelten, als sein Blick auf ihren traf. Anders als je zuvor. Er hatte sie noch nie so angeschaut und sie sollte sich wünschen, dass er es auch nie getan hätte. Das ist kein Blick, mit dem man Freunde anschaut, Ryatt. Das ist nicht gut. Das sollten wir nicht tun. Damit machen wir alles kaputt. Die Worte lagen ihr auf der Zunge, sie hatte den Mund schon einen winzigen Spalt breit aufgemacht, um sie ihm ein weiteres mal mit dezenter Dringlichkeit näherzubringen. Sehr paradox, während sie noch immer an seiner warmen Brust hing und sich keinen Millimeter lösen konnte, weil sie dazu viel zu gebannt an seinen Augen klebte. An seinen Augen... und gleich darauf an seinen Lippen. Natürlich. Ein halb erschrockener, halb protestierender, vielleicht aber auch halb ergebener oder halb erleichterter Laut kam von ihr, wurde von seinen Lippen gedämpft. Seinen verdammten Lippen! Und sein Daumen strich über ihre Wange, als wäre das in Ordnung. Und ihr Herz schlug Purzelbäume, feierte ein Fest, weil es scheinbar bekam, wonach es sich so verzerrte. Ein Teil ihres Herzens jedenfalls. Der andere Teil schrie entsetzt auf, kreischte Victors Namen und hatte scheinbar vor, sie mit Herzrasen direkt in die Bewusstlosigkeit zu entsenden, damit sie sofort damit aufhörte, sich nicht von Ryatt zu lösen. Aber Victor hatte gesagt, dass das okay war. Und Victor hatte sie verdammt nochmal hier sitzen lassen. Und Victor hatte ihr schon einmal verziehen, als sie richtig fett Scheisse gebaut hatte, damals in Syrien mit... Gott sie wollte gar nicht dran denken, das war nicht das Gleiche! Und doch hatte es diesen Gedanken gebraucht, um sie aus ihrer Verkrampfung zu wecken - dieser Gedanke, den sie so unbedingt ersäufen musste, weil sie ihn hier und jetzt nicht ertrug. Nicht mit diesen Lippen auf ihrem Mund, nicht mitten in einem Kuss, den sie nicht gut finden sollte und trotzdem, nach ewig langen, zähen Sekunden der Starre, erwiderte. Nur sehr zögerlich streckte sie sich ihm entgegen, aber es wäre gelogen, zu behaupten, sie hätte es nicht getan. Ihre Lippen lechzten nach mehr und die Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Nähe übernahm das hart umkämpfte Ruder. Nur kurz, bevor ein Bruchteil ihrer Selbstbeherrschung wieder anklopfte, bevor irgendeiner dieser penetranten Victor wird dich hassen-Gedanken so unausstehlich wurde, dass sie sich am liebsten die Haut vom Gesicht gekratzt und ihr Gehirn ausgehölt hätte, um dieser Scheisse endlich zu entkommen. Ihre Hand lag noch auf seiner Brust, auch nachdem sie die Lippen wieder ein paar wenige Zentimeter von seinen zurückgerissen hatte. Auch wenn ihre Finger sich zur Faust ballten, weil sie die Kopfschmerzen hasste. Ihre ganze Gefühlslage, ihren Beziehungsstatus... Ein bisschen Victor, ein bisschen Ryatt. Faye wich noch ein Stück weiter zurück, bis sie wieder mehr oder weniger neben ihm sass und ihn komplett durch anschaute. Das Chaos war perfekt. Sie wusste nichtmal was sie sagen sollte. Das Glitzern ihrer Augen verriet deutlich, dass sie überhaupt nicht klar kam, aber sie hatte keine Ahnung, ob sie schimpfen oder schreien oder sich entschuldigen oder weglaufen sollte. Oder hierbleiben und weitermachen. "Das... das...", die Worte kamen kaum verständlich gehaucht über ihre Lippen. Brachte aber auch nichts, wenn er sie verstand, weil sie gar nichts aussagten. Am liebsten hätte sie um hochprozentigen Alkohol gefragt. Viel. Auch wenn sie nicht viel brauchen würde. Aber sie konnte sich jetzt nicht betrinken, wenn sie wusste, was sie dann tun würde. Dann konnte sie es nicht auf den Alkohol abschieben, weil sie den ja mit Absicht konsumiert hätte. Frische Luft? Jetzt schnell nachhause? Kurz aufs Klo einen weinen oder schreien gehen? "Ryatt wir... sollten nicht...", daran hatten sie sich ja gerade bestens gehalten. Und spielte es jetzt noch eine Rolle? Hätte es denn mal eine Rolle gespielt, wenn es das jetzt nicht mehr tun würde? Wollten sie, dass es eine Rolle spielte? Warum sah man tagsüber keine Sterne und nachts keine Sonne? Warum war Pluto kein Planet mehr und wann war sie bitte so komplett verloren gegangen?
Die tausend Ausrufezeichen machens auch total glaubwürdiiiig! x'DDD und ja, idk. Ich wusste wirklich nicht, was ich tun soll, wenn mir nix zu sagen einfällt, aber Ryatt würde sich in so einer Situation halt safe nicht einfach abwenden - das wär untypischer gewesen als Satansanbetung in der Kirche... ^^" Vielleicht durchkreuze ich auch einfach gerne Pläne, die ich gar nicht kenne, nur damit dir die Augen rausfallen oder so. XD _____
Ich hatte nicht erwartet, dass Faye nicht wieder zögern würde. Es war allzu vorhersehbar, dass sie noch einen Moment reglos im Durcheinander ausharrte, weil sie einfach nicht wusste, was sie machen sollte. Ich wiederum wusste, dass das meine Schuld war. Sie wäre wahrscheinlich nicht nochmal auf die Idee gekommen, mich zu küssen, nachdem der letzte Beinahe-Kuss so ein unangenehmes Gefühl in ihr ausgelöst hatte. Für mich galt das aber nicht und so tat ich das, was ich immer tat - mir alles nehmen, was in Erreichbarkeit lag. Es ließ sich darüber streiten, ob es okay von mir war, dass ich mich in diesem Moment, der sie offensichtlich verwundbar zeigte, noch ein kleines bisschen tiefer in ihr Herz zu schleichen versuchte. Wenn auch nur für jetzt und nicht für immer, das spielte nur eine sekundäre Rolle. Vielleicht war ich was das anging absolut unfair Faye gegenüber. Aber wie schlimm war es tatsächlich, wenn sie den Kuss doch erwiderte, statt mich umgehend von sich zu schieben? Wenn sie mich ihre süßen Lippen schmecken ließ, deren Geschmack ich nie wieder vergessen würde? Erste Küsse waren immer schön, obwohl sie niemals perfekt waren. Bei diesem hier flatterte mir das kribbelnde Herz noch mehr als sonst, weil die Chance auf Zurückweisung hoch war. Faye enttäuschte mich jedoch nicht, sondern ließ mich einen Hauch Zweisamkeit spüren. Für einen kurzen Moment erstickte sie die eisige Einsamkeit, der ich allzu gerne noch deutlich länger entflohen wäre. Doch es blieb ein kurzer Kuss und der bittere Nachgeschmack folgte schnell. Die zierliche Brünette distanzierte sich von mir und verkrampfte sich, was mich die Finger instinktiv wieder von ihrer weichen Haut nehmen ließ, obwohl ich es eigentlich nicht wollte. Mit einem tonlosen Schlucken schlug ich die Lider nur langsam auf, weil ich schon vorher wusste, dass mir nicht gefallen würde, was ich sah. Dass sie mich wieder so ansah, als wäre ich einer der schlimmsten Fehler ihres Lebens… was vielleicht sogar stimmte, allein schon wegen Sean. Wahrscheinlich sollte ich mehr als dankbar dafür sein, dass sie mich überhaupt so nahe an sich rangelassen hatte und doch war es alles andere als schön, wie sie mich nach dem Kuss ansah. Ich blickte nur so lange in ihre Augen wie sie Worte vor sich hin stammelte, weil ihr völlig aufgewühlter Blick unangenehm für mich war. Mit einem tiefen Atemzug, der in fast stummem Seufzen endete, sah ich anschließend auf ihren Schoß. Trotzdem wendete ich mich dabei nicht von ihr ab, weil ich keinen einzige Grund dafür hatte, ihr Abstand und Ablehnung zu zeigen. Ich wollte nicht, dass sie mir wieder weglief, weil sie Angst hatte. Die brauchte sie nicht zu haben. "Vielleicht nicht.", murmelte ich, während sich ein unangenehmer Druck in meiner Magengegend ausbreitete. Leeren Blickes musterte ich für einige Sekunden die Fasern ihrer Jeans, die in diesem Licht gar nicht mal so gut erkennbar waren. Danach wanderte meine Augen langsam an ihr nach oben, bis sie schließlich wieder in ihren lagen. "Bevor du mich so angesehen hast, als hätte ich gerade versucht dich zu vergiften, hat sich's nur nicht falsch angefühlt..." Ich zog den rechten Mundwinkel ein bisschen nach oben, aber das einseitige Lächeln erreichte meine Augen nicht. Es tat mir schon ein bisschen leid, dass ich ihr das alles zumutete, nur weil ich zu schwach war, um meine Nähe für mich zu behalten. Aber sie machte es sich selbst in meinen Augen trotzdem noch immer viel komplizierter, als es eigentlich war. Wenn sie Momente wie diesen nicht wollte, dann sollte sie nicht bis zum Morgengrauen in meiner Bar sitzen und mich umarmen, als gäbe es kein Morgen mehr, während sie sich parallel darüber ausheulte, dass sie einsam war. War ich auch, verdammt nochmal. Selbst wenn es nur unterbewusst war, respektierte Faye ihre eigens gesetzten Grenzen nicht gerade konsequent und ich war bestimmt nicht derjenige, der die Bremse zog oder sie zurück auf den in ihren Augen rechten Weg schubste. Das wusste sie auch. Ich hatte keine Angst davor, entscheidende Schritte wie diesen zu machen - unabhängig davon, ob er nun richtig oder falsch gewesen war.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
Hab ich mir gedacht, darum stehen sie da.XD Und jaaa, dafür sind RPs ja gut, für Überraschungen. Gibt Gründe warum ich nicht gerne nur mit mir selbst schreibe, das wäre halt langweilig. XD Und sorry, dieser Beitrag ist evt. ein bisschen schäbig… bin bisschen gestresst und nicht so bei der Sache aber besser wirds nicht mehr… :‘) __________
Sie fühlte sich beschissen. Und zwar gleichermassen wegen Victor als auch wegen Ryatt. Weil sie wusste, das Victor nicht unbedingt Ryatt gemeint hatte, als er ihr „erlaubt“ hatte, sich die Nähe, die sie so dringend brauchte, woanders zu holen. Weil sie diesen Freifahrtschein ungenutzt hatte zurückgeben wollen. Weil sie ihm hatte beweisen wollen, dass sie auf ihn warten konnte, dass er alles und der Einzige war, den sie jemals noch wollen und brauchen würde. Gleichzeitig wollte sie auch, dass Ryatt endlich fand, was er verdiente. Sie wollte ihn nicht enttäuschen und nicht verletzen. Sie wollte für ihn auch keine hübsche Seifenblase sein, die fröhlich vor ihm herumtanzte, verlockend im Sonnenlicht glitzerte, nur um in ein enttäuschendes, klebriges Nichts zu platzen, sobald er sich danach ausstreckte. Sie wollte ihn küssen und sie wollte seine Nähe. Sie wollte, dass er sie berührte und ihre Wange unter seinen Fingern glühte. Zu gleichen Teilen wie sie es eben auch nicht wollte. Vielleicht nicht traf die Richtigkeit dieser Angelegenheit dabei sehr gut. Genauso gut wie vielleicht aber doch. Vielleicht wäre das nicht so schwierig für sie, wenn nicht Ryatt vor ihr sitzen würde. Wenn es irgendein Mann wäre, bei dem es ihr egal wäre, wenn sie ihn dann von sich schieben musste, wenn Victor zurückkam. Dem sie vollkommen unbeschwert den Laufschein in die Hand drücken könnte. Ryatt war aber schon lange nicht mehr nur irgendwer für sie. Das war das Problem. Er hatte vielleicht keine Hoffnung auf den Fortbestand ihrer Freundschaft nach dem symbolischen Cut durch ihre Wiedervereinigung mit ihrem Freund - sie aber bekanntlich schon. Sehr fest. Ausserdem kannte Ryatt sie bereits viel zu gut, wusste zu viele intime Details ihres Lebenslaufes und ihrer Persönlichkeit. Dieses Wissen baute ganz andere Hemmungen auf, die sich schwer benennen liessen. Auch wenn Ryatt scheinbar nicht der Meinung war, dass es sich falsch angefühlt hatte. Sie erwiderte den Blick in seine Augen für ein paar Sekunden, bevor sie den Kopf wieder etwas senkte, unruhig auf ihre Unterlippe biss und an ihren Fingern herumnestelte. Sie sollte nicht mehr hier sein... Andererseits konnte sie den Bus in zehn Minuten wohl eh abschreiben, weil sie jetzt ja nicht einfach davonlaufen konnte, ohne das hier zumindest im Ansatz zu klären. „Es wäre einfacher, wenn du mir egal wärst… Und wenn du nicht schon viel zu viel wissen würdest…", murmelte sie vor sich hin, ohne ihn wieder anzuschauen. Reden und in die Augen schauen war gerade eine sehr überfordernde Situation. So wie alles hier. Aber vielleicht stimmte das, was sie gesagt hatte, auch gar nicht. Natürlich, es wäre einfacher gewesen, wenn sie Victor irgendwann irgendwie schwammig und nebenbei erzählen könnte, dass da in der Zwischenzeit mal einer gewesen war und der vielleicht Gabriel geheissen hatte oder vielleicht auch nicht, und das wäre dann auch alles, woran sie sich erinnern könnte und was sie über diesen Mann wüsste, der vorübergehend ihre Einsamkeit gelindert hätte. Aber wenn sie - mal wieder - so darüber nachdachte, fiel ihr heute auch auf, wie absolut unrealistisch eine solche Geschichte war. Sie brauchte viel zu viel Vertrauen, um jemals Intimität zuzulassen und nicht sofort zurückzuschrecken, wenn ein Fremder auch nur in ihre Nähe kam, geschweige denn seine Hand (oder seine Lippen) nach ihr ausstreckte. Das hätte Victor eigentlich klar sein sollen. Bestimmt hatte er sich auch mal ein paar Gedanken dazu gemacht, bevor er ihr diese Worte zum Abschied zwischen Tür und Angel zurückgelassen hatte. Er hätte es einfach früher sagen können, dann hätte sie sich trotz der absoluten Abwegigkeit einer solchen Situation vielleicht noch mit ihm darüber unterhalten können, was genau er denn wirklich einigermassen okay finden würde. Jetzt konnte sie ihn schlecht kurz anrufen und fragen, was er von einem absolut hypothetischen Kuss mit Ryatt so halten würde. Abgesehen davon, dass sie sich bestens ausdenken konnte, was Victor denn davon hielt.
Korrekt, korrekt... das hier findet ja aus gutem Grund statt, lel. x'D Und nicht schliiiimm, kann ich durchaus was mit anfangen. Ich möchte auch trotzdem nochmal ganz freundlich darauf hinweisen, dass du dich nicht völlig gestresst zu einem Post aufraffen musst, sondern auch einfach mal Pause machen darfst. Oder dich bei mir auskotzen, if needed. :'D <3 Zumal ich ja eigentlich auch noch einen anderen Post offen habe, auf den ich antworten sollte, der mir nur grad nicht so leicht von der Hand geht. -.-" Vielleicht ist die Nachtschicht da heute ergiebig. _____
Ich ahnte schon, was Faye sagen würde, bevor sie den Mund aufmachte. Es war nicht das erste Mal, dass mir dieser paradoxe Satz zu Ohren kam und ich wusste gerade nicht, ob ich innerlich darüber lachen oder doch eher weinen sollte. Die zierliche Brünette, die gut erkennbar durch den Wind war, sagte mir ein weitere Mal, dass ich ihr zu wichtig war und dass ich zu viel wusste. Sie wollte mich nicht abschreiben müssen, weil sie den Verlust nicht erleben wollte und ich konnte ihr nicht klipp und klar ins Gesicht sagen, dass das trotzdem passieren würde. Ich war oft kühl und schmiss gerne mit Fakten und Tatsachen um mich, aber Situationen wie diese hier schienen zu meinem Kryptonit geworden zu sein, was das anbelangte. Es ging Faye viel zu nahe, als dass ich ihr jetzt wieder hätte sagen können, wie unrealistisch ein Fortbestand unserer Freundschaft war. Ich wollte nicht, dass sie anfing zu weinen und ich war mir nicht sicher, wie weit diese Schwelle entfernt lag. Wie viel ich sagen konnte, ohne den Damm willentlich mitzureißen. "Komisches Paradoxon, oder? Jemanden zu sehr zu mögen, um ihn an sich ranzulassen...", sprach ich murmelnd einen Bruchteil meiner Gedanken aus und musterte sie dabei ein weiteres Mal, obwohl sie mich nicht ansah. Normalerweise küsste man sich, weil man sich verbunden fühlte - außer vielleicht, wenn man sich sturzbetrunken in einem Club an eine beliebige Seele verlor - und das in körperlicher Zuneigung ausdrücken wollte. Der Kuss war hier nicht so jäh geendet, weil Faye mich nicht mochte. Er hatte keinen Fortbestand, weil sie mir schon zu sehr vertraute. Weil ihr ganzes beschissenes Leben ihr beigebracht hatte, Menschen, die sie mochte, niemals loszulassen, weil sie nie wissen konnte, wann ihr die Hand ohne Vorwarnung entrissen wurde. Weil sie den Schmerz des Verletzt Werdens scheinbar mehr fürchtete, als alles andere. Ich hatte das eigentlich schon vorher gewusst und mir doch immer eingeredet, dass sie noch merken würde, dass sie sich an mir einfach nicht festhalten sollte, weil es schlichtweg nur schmerzhaft enden konnte. Tat sie aber nicht und ich verstand es einfach nicht. Was sah sie in mir und warum sah sie nicht, was ich schon jetzt in ihrem Leben angerichtet hatte? Oder sah sie es und es war ihr ganz einfach egal, weil sie mit der Selbstsabotage nicht aufhören konnte? Es lag aber doch wohl nicht etwa daran, dass ich ihr damals in der Silvesternacht gesagt hatte, dass sie mich nicht hängen lassen sollte, oder? Ich hätte das niemals sagen sollen. Mit einem leichten Kopfschütteln stand ich auf und versuchte zumindest einen Teil der hartnäckigen Gedanken loszuwerden, aber sie hielten sich eisern. Es gab so viele Fragen, die ich Faye gerne stellen würde, damit sie endlich damit aufhörten in meinem Kopf herumzuspuken. Der Großteil davon war jedoch schwere Kost, die sie in meinen Augen gerade nicht vertragen konnte. Mit welcher Intention genau ich zur Bar ging, wusste ich nicht, aber das folgende Gespräch konnte nur unangenehm werden. Alkohol machte das erträglicher, auch wenn er gleichzeitig vielleicht ungut meine Zunge lockern würde - anders bekam ich ja offensichtlich nichts raus. Also nahm ich mir den Whiskey und angelte ein Glas aus dem Regal, bevor ich zu Faye zurückkehrte. Sie sollte besser nichts trinken, das wussten wir beide. Ich würde sie aber auch nicht daran hindern nach meinem Glas zu greifen, wenn sie es tat. Durch die kurzzeitige Distanz hatte ich wenigstens einen Moment lang durchatmen können und sank gefühlt ein klein wenig gefasster wieder neben ihr auf die Sitzbank, nur um anschließend die Flasche aufzuschrauben. Vielleicht wäre es für ein Gespräch dieser Art besser gewesen, ich hätte mich an die andere Tischkante gesetzt, aber das widerstrebte mir. Vielleicht deswegen, weil ich nicht wollte, dass sie sich jetzt wieder so heftig von mir distanzierte wie das letzte Mal. Ironischerweise merkte ich aber nicht mal, wie widersprüchlich alles von dem war, was ich hier tat. "Warum spielt es so eine große Rolle für dich, was ich schon über dich weiß..? Weil du nicht genug über mich weißt, um dich damit wohlzufühlen?", begann ich die wahrscheinlich unangenehm werdende Fragerunde, während die bernsteinfarbene Flüssigkeit ins Glas floss. Dabei sah ich Faye auch ganz bewusst nicht an, weil ihr das unangenehm war. Der Alkohol beschäftigte meine Augen zu ihrem Glück gerade ja anderweitig.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
Das ist nett und weiss ich schon. Wenn ich keine Zeit habe, dann schreibe ich (meistens xD) auch nicht. So wie gestern Abend, da hatten wir Weihnachtsessen. xD Aber manchmal hilft es, wenn ich eben gestresst bin, weil es doch sehr ablenkend ist. So wie heute morgen. :') Ich hoffe sehr sehr fest, die Sache hat sich bis Ende nächster Woche geklärt. Bin auf Stellensuche fürs nächste Praktikum (ab August 2023) und da unsere Schule immer zu wenige Stellen für die Anzahl Studierende ausgeschrieben hat, belastet mich das sehr, obwohl ich bereits 5 Einladungen zu Vorstellungsgesprächen habe lel. Heute hatte ich allerdings eins für eine meeega tolle Stelle, die ich unbedingt möchte. Und jetzt hoffe hoffe hoffe ich, dass ich die bekomme und das weiss ich eben bis Ende nächster Woche glaub ich. :) Und ja, viel Glück mit dem Schreiben auf der Nachtschicht. ^.^ _____________
War es komisch? Vielleicht tatsächlich. Sie war sich nicht so sicher, ob ihre eigenen Worte Sinn ergaben. Übrigens schon länger nicht mehr, aber das dürfte keinen erstaunen, der dieses Szenario beobachtete oder miterlebte. Offensichtlich war ihr Kopf mal wieder unfähig zu denken, wie das so ungefähr jedes Mal vorkam, wenn ihre Emotionen zu hoch kochten. Ihre Therapeutin hatte das schon tausend mal mit ihr durchgespielt und ihr Strategien mitgegeben, wie sie dagegen ankämpfen könnte. Aber einfacher wurde es leider irgendwie nie, weil Momente wie dieser so viel von ihr forderten. "Ich weiss nicht... Es ist nur weil... ich kann dir nicht geben, was du verdienst und was du vielleicht... auch brauchst. Ich werde am Ende nicht die Person sein können, die dich wirklich glücklich macht, weil ich das bereits für Victor sein möchte und irgendwann auch zu sein hoffe. Du verdienst keine Frau, die dich nur darum küsst, weil sie gerade verdammt einsam ist und auf ihren Freund wartet. Aber genau das wäre ich doch, rational betrachtet. Und das ist nicht fair", versuchte sie nochmal etwas deutlicher zu erklären, warum das mit dem Gerne mögen und Küssen in dieser Konstellation ihrer Meinung nach nicht miteinander zu vereinbaren wäre. Es fiel ihr schwer irgendwas davon auszusprechen, aber am Ende war es ja doch nur ein Grund mehr, warum sie sich hier so unmöglich kompliziert anstellte, warum sie sich einfach nicht auf dieser Ebene näherkommen sollten. Einer, der sich bestens in die Kolonne mit den anderen 352 guten Gründen einreihen liess. Faye hob den Kopf leicht an, als Ryatt sich erhob, um die Bar anzusteuern. Sie blickte ihm nach, solange er ihr den Rücken zukehrte. Der Grund für seinen Ausflug war nicht sonderlich überraschend, entkam dem gleichen Bedürfnis, dass sie selbst verspürte. Nur dass er das bisschen Alkohol wahrscheinlich eher verkraftete als sie. Das wusste er scheinbar auch, denn er kehrte mit nur einem Glas zurück und das war sicher eine gute Idee. Auch Faye hatte die zwei, drei Minuten genutzt, um ein paar tiefe Atemzüge zu tätigen - streng getreu den Instruktionen von Mrs White - und sich wieder etwas im Sitzpolster aufzurichten. Sie blickte auf das Glas vor ihm auf der dunklen, hölzernen Tischplatte, beobachtete genau wie er, wie die Flüssigkeit das Gefäss ein paar wenige Zentimeter hoch füllte. Dann war die Pause um und Ryatt stieg mit einer ersten, umfangreichen, schwierigen Frage in den zweiten Akt ihres persönlichen Bühnendramas des Tages ein, die sie selbstverständlich erstmal wieder in nachdenkliches Kopfzerbrechen versetzte. Dafür gab es nicht nur eine Antwort, glaubte sie. Denn das, was er ihr als Erklärung vorschlug, war definitiv nur ein Teil der Lösung. „Vielleicht hat es auch damit zu tun… ich glaube schon, dass du mehr von mir weisst, als ich von dir… aber vielleicht ist das auch nur persönliches Empfinden, weil ich annehme, dass du viele Dinge schon weisst, obwohl ich sie dir vielleicht gar nie gesagt habe…“, begann sie ein paar Worte zu formulieren, die zur Teilbegründung hinhalten konnten. Faye war aber noch nicht fertig, atmete nochmal tief durch und sprach nach einer kurzen Pause weiter: „Es ist aber sicher nicht nur das. Es hat auch damit zu tun, dass du weisst, dass ich einen Freund habe. Dass du weisst - zumindest teilweise und im Ansatz - was er und ich schon alles durchgemacht haben. Das du weisst, wie sehr er mir fehlt. Weil ich mich mit jedem Detail aus meinem Leben, welches ich bereits mit dir geteilt habe, verletzlich gemacht habe...", es folgte erneut ein kleiner Unterbruch, weil sie nicht unbedingt noch weiter abschweifen musste und stattdessen nochmal auf ihre Hände runter sah und dann sachte die Schultern zuckte. "Aber ja… ich will nicht lügen. Der Hauptgrund, warum ich das alles mit mehr körperlicher Nähe einfach auch von mir aus, ganz unabhängig von Victors Existenz, nicht kann… naja, liegt wohl noch immer in all den Dingen, die du eben nicht weisst. Aber die sind dunkel, Ryatt… Ich habe furchtbare Dinge getan… und… furchtbare Dinge erlebt... Ich weiss nicht, ob du mich jemals verstehen würdest. Aber diese Dinge lassen sich nicht ausradieren oder einfach vergessen. Offensichtlich. Und darum ist es einfach keine gute Idee, weiter zu gehen als jetzt eh schon...", sie sollte aufhören, ständig ihren Standpunkt zu rechtfertigen und besser mal damit anfangen, ihn auch wirklich zu vertreten, oder? Also so aktiv und mit Taten. Wie beispielsweise keine innigen Umarmungen um drei Uhr nachts, während sie sich beide in Einsamkeit wälzten.
Das kenn ich wiederum auch allzu gut... weswegen ich am Ende aktuell wohl auch mehr schreibe als gut ist bei meinem Zeitplan, aber hey... wenn's einem die Nerven beruhigt, ist das schon ok, denke ich. :'D Iiich drück dir auf jeden Fall die Daumen für die Stelle! :3 Meine Schwester war mal während ihrer Erzieher-Ausbilung in sehr ähnlicher Situation, die saß auch sehr auf heißen Kohlen... der ganze Bewerbungsprozess für sich ist auch einfach irgendwie immer nervenaufreibend, finde ich. ^^" Hat natürlich nicht geklappt, weil ich - immer dann, wenn EIIIIINMAL ein entspanntes Produkt auf Nachtschicht ohne Chefs an der Anlage läuft - eine nicht voll funktionierende Anlage übergeben bekomme, bei der ich erstmal Drölfzig Sachen reparieren darf. Aber mit mir kann mans wohl so machen, denkt sich die Vorschicht... -.- Hab dementsprechend wenig Lust heute nochmal die Nacht durchzuarbeiten, aber gut - EIGENTLICH sollte alles laufen jetzt, nachdem nix mehr umgestellt wurde seit meiner Schicht. x'D _____
Sie konnte mir nicht geben, was ich verdiente? Das war wirklich eines der Dinge, mit denen Faye sich herum quälte? Auf jeden Fall war es die erste Aussage, die mich willentlich zum Glas greifen und einen großen Schluck nehmen ließ. Wie wollte sie wissen, was ich verdiente? Die Brünette wusste ja kaum Irgendwas über mich, das allzu pikant war und vielleicht war es deswegen wirklich Zeit, mal die ganzen hässlichen Dinge auszupacken, die ich so im Verlauf meines ach so glanzvollen Lebens bei der Army getan hatte. Da lagen ziemlich viele Leichen begraben, auch wenn ich bis auf eine alle davon nur im übertragenen Sinne getötet hatte. Bekanntlich war eine einzige Person leider ausreichend, um das ganze Leben zu verändern. Diese Person lag aber schon hinter mir und Faye würde keine davon sein. Das durfte sie ganz einfach nicht, weil sie sonst die nächste sein würde, die ich mit mir von der Klippe zog. Das verdiente sie nicht. Sie hatte auch so schon genug Scheiße durch. "Und was ist, wenn ich das eigentlich ganz gut so finde..?", fragte ich rhetorisch nach, als ich das Glas wieder abstellte. Meine Augen klebte trotzdem weiter am Alkohol. "Selbst wenn eine… innigere Beziehung das sein sollte, was ich langfristig brauche, bin ich dafür jetzt noch nicht bereit. Ich hab also wenig dagegen, wenn du mir in der Zwischenzeit einfach nur ein bisschen Gesellschaft leistest, bis die Frist dafür abgelaufen ist. Ich bin es sowieso mehr gewohnt, ausgenutzt zu werden - wie du es immer formulierst - als geliebt zu werden… und auch wenn das nüchtern betrachtet ziemlich traurig klingt, ist es das, womit ich mich momentan am sichersten und wohlsten fühle. Es ist angenehm für mich, dass ich weiß, dass wir beide unter keinen Umständen irgendwie zusammen enden werden.", kam ich was das anging auf den Punkt und zuckte ins Glas starrend mit den Schultern. Ich hatte mein gebrochenes Herz noch nicht ansatzweise verarbeitet und auch der Rest meines Lebens war längst noch nicht bereinigt. Keiner Frau auf dem Planeten wäre ein Gefallen damit getan, wenn ich mein Chaos jetzt zu ihrem machte. Wobei ich das streng genommen auch dadurch schon tat, mich überhaupt weiterhin in Fayes Leben blicken zu lassen. Schöne Doppelmoral. Ich hörte ihrer nächsten Erklärung aufmerksam zu und warf ein einziges Mal zwischendurch einen Blick in ihr Gesicht. Dass die Brünette sich mir gegenüber verletzlich gemacht hatte, ließ sich nicht leugnen. Ich hatte mich oft gewundert, warum Faye überwiegend mit relativ offenen Karten spielte, auch wenn sie mir die vermeintlich schlimmsten nach wie vor nicht offenbarte. "Du wirst aber auch nie rausfinden, ob ich's verstehen kann, wenn du das alles für dich behältst." Es war eine reine Feststellung, einfach weil ich sehr viele Dinge verstand, auch wenn ich vielleicht zu sachlich an sie heranging. Ich erwartete nicht wirklich, dass sie heute plötzlich alle ihrer dunkelsten Geheimnisse vor mir auf dem Tisch ausbreitete und mir erklärte, welches davon nun mit welchem ihrer Komplexe zusammenhing. Denn offensichtlich waren das ein paar Sachen, die Faye wiederum noch nicht verarbeitet hatte und meine Neugier gab mir nicht das Recht, jetzt darin herumzustochern. "Ich hab selber viele Dinge getan, die ich bereue, die wiederum schmerzhafte Konsequenzen hatten… entweder für mich, oder für andere. Ich meine, ich hab wortwörtlich lebendig gebrannt und die Person umgebracht, die mir am wichtigsten war. Wie viel schlimmer kanns sein, Faye?" Wieder eine rhetorische Frage, weil die eigene Hölle für jeden persönlich immer die mit Abstand schlimmste war. Dieses Mal war sie aber mit trockenem Sarkasmus unterlegt, weil ich es anders nicht aussprechen konnte. Anschließend lehnte ich mich nach vorne, um die Ellenbogen auf dem Tisch abstützen und mir mit der rechten Hand übers Gesicht reiben zu können. Nicht nur wegen all der unausgesprochenen Dinge, sondern auch, weil ich nicht wusste, was genau ich jetzt aus ihren Aussagen ziehen sollte. "Versteh mich nicht falsch, ich… weiß, dass ich diese Grenze respektieren sollte. Du hast sie mir ja schonmal mitgeteilt…" Ich stützte den Kopf noch immer mit der Stirn in die Handfläche und es sah wohl eher so aus, als würde ich mit dem Glas als mit Faye reden. "Ich bin nur echt leicht empfänglich für sowas und offensichtlich nicht fähig, mich zusammenzureißen, wenn du… naja…" Ich beendete den Satz nicht, sondern nahm die linke Hand vom Whiskey und machte eine ausschweifende Handbewegung in ihre Richtung. Sie wusste schon, was ich meinte. "Dass ich bei dir weiß, dass du mich nicht schief ansiehst, nur weil mein beschissenes Bein komplett vernarbt ist, macht's nicht einfacher. Frauen sind leider auch nicht weniger oberflächlich als Männer.", murmelte ich und ließ danach die Hand von meinem Gesicht rutschen, um den nächsten kleinen Schluck zu nehmen. Vielleicht würden einige der Frauen, die im ersten Moment geschockt über den Bartresen schauten, wenn sie erfuhren, wie großflächig mein Bein angeblich vernarbt sein sollte, es zwei Stunden später nicht mehr als so tragisch empfinden. Diese Zeit gab ich ihnen aber nie, weil für mich nichts unattraktiver war, als wegen einer der schmerzhaftesten Erfahrungen in meinem Leben einen bestürzten Blick zu ernten. "Aber am Ende sind das alles wohl irgendwie auch nur Ausreden, mit denen ich mir schönrede, dass ich nie gelernt habe, nicht das zu kriegen, was ich möchte... oder sinnvoll mit Gefühlen umzugehen, die ich nicht haben möchte." Bittere Worte, die den nächsten großen Schluck und erneut das leicht unangenehme Brennen in der Kehle einforderten. Wahrscheinlich hätte ich Hochprozentiges nicht dermaßen schnell trinken sollen, aber der Whiskey schrie förmlich nach mir und anders konnte ich den Redefluss nicht aufrechthalten. Ich war ja auch nicht blöd - die ganze Kiste hier war eigentlich viel zu kompliziert, um sie noch irgendwie genießen zu können. Das war sie schon, seit Faye mich das erste Mal beinahe geküsst hatte und ich seitdem nicht den Willen daran verloren hatte, diesen Kuss irgendwann nochmal durchzuziehen. All das wegwerfen, bevor ich es musste, wollte ich aber auch nicht. Der Verstand zog mich also in die vermeintlich sichere Richtung des Abschiednehmens, während ein anderer, ziemlich kaputter Teil von mir gerne noch mitnehmen wollte, was drin war, um wenigstens ein bisschen was von dem vor sich hin blutenden Herzen vorübergehend mit Panzertape abzudichten.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
It's called Ausgleich and it is important! xD Dankeee! :3 Ja, es ist wirklich anstrengend. Vor allem wenn man halt dringend ne Stelle braucht, weil sich sonst das Studium um ein Semester verlängert und darauf hab ich echt keine Lust. Will ja auch mal fertig werden. Aber ja, irgendeine von den fünf werd ich hoffentlich kriegen.^^ Ohoh, asozial... Ich drück dir fest die Daumen, dass es heute Nacht besser läuft... :3 _________
Der Alkohol blieb nicht lange unberührt und angesichts des Gesprächsthemas, konnte Faye das nur allzu gut verstehen. Es wäre halt alles wesentlich einfacher, wenn sie zumindest die gleichen Ansichten vertreten würde, was den weiteren Verlauf ihrer Freundschaft anging. Leider war dem aber nicht so, weshalb sie mal wieder gefühlt schwer verzweifelt nebeneinander über das Leben philosophierten. Dieses Gefühl wurde auch nicht besser, als Ryatt wieder zu sprechen anfing und auf ihre eigenen Worte reagierte. Es war leider ganz einfach so, dass sie ihn in diesem Belangen nicht verstehen konnte. Für sie klang körperliche Intimität ohne wenigstens einen Ansatz von Liebe oder Zuneigung relativ unmöglich. Also zumindest dann, wenn beide Beteiligten die Sache auch geniessen können sollten. Ausserdem klang das furchtbar nach einer Flucht vor dem, was er wirklich brauchen würde. Natürlich konnte sie das maximal ansatzweise einschätzen, aber wie sollte es sich für ihn sonst angenehm anhören, dass alles, was sie zusammen haben konnten, absolut vergänglich und befristet war? Sie wollte hier keine Hypothesen zu psychischen Störungen aufstellen, aber das klang schwer nach gestörtem Bindungsverhalten, Selbstschutz durch Abgrenzung und tiefen Verlustängsten, die sie selbst bestens kannte und dadurch wohl auch relativ zuverlässig einordnen konnte. Auf jeden Fall klang es nicht gesund und auf Dauer absolut unangenehm. Einsam noch dazu, um wieder beim eigentlichen Problem anzuknüpfen. "Dann... Dann bleibt immer noch der ganze Rest, Ryatt. Dann bin immer noch ich das Problem", erwiderte sie als Antwort auf seine erste, rhetorische Frage, weil sie nicht wusste, was sie zum Rest denn sagen sollte. Er hatte selbst schon erwähnt, dass das wahrscheinlich traurig klang, also war er sich dessen offensichtlich bewusst. Denn ja, es war traurig. Hörte sich ungesund und unschön an. Aber sie war nicht der Typ dafür, ihm jetzt unter die Nase zu reiben, dass er mal dringend Hilfe suchen sollte und das ja keine Art zu leben war. Er war erwachsen, er wusste, was er machte, was ihm gut tat und was nicht. Theoretisch jedenfalls. Ryatt hatte natürlich Recht damit, dass sie eigentlich nicht wusste, was er von ihren dunklen Geheimnissen halten würde. Ob er sie dafür verurteilte oder nicht. Aber das musste sie gar nicht unbedingt wissen - es reichte vollkommen aus, wenn sie wusste, was sie selbst davon hielt. Wenn sie wusste, dass sie sich nicht erneut mit diesen Dingen konfrontieren konnte, ohne sich mal wieder in Grund und Boden zu schämen. Sie sollte drüber hinweg sein, nach all den Jahren. Eigentlich hatte sie sich das alles auch mehr oder weniger verziehen, weil sie heute wusste, dass sie das alles damals nie wirklich freiwillig getan hatte. Sie hatte nie von sich aus Sex oder ähnliche Dienstleistungen angeboten, um etwas zu bekommen. Sie war verzweifelt gewesen und hatte Angst gehabt und das wurde auf hässliche Art und Weise ausgenutzt. Sie hatte zahllose Therapiestunden dafür aufgewendet, ihre Denkweise diesbezüglich in Frage zu stellen und anzupassen. Aber es würde sich wohl für immer grausam anfühlen, die Dinge auszusprechen. Es würde für immer im Herzen stechen, an Victors Gesicht zu denken, als er realisiert hatte, welchen Preis sie für ihre Stationierung bezahlt hatte. Genau wie es niemals aufhören würde, weh zu tun, an ihre Entführung in Syrien zurück zu denken. An die Folter und das Gefühl des absoluten Ausgeliefert-Seins, der puren Hilflosigkeit. Von den Ereignissen von letztem Herbst mal ganz zu schweigen. Vielleicht würde sie es ihm irgendwann anvertrauen. Aber ob das Erzählen allein ausreichen würde, um die Hemmungen aus dem Weg zu schaffen, war eher nicht zu erwarten. Faye hob den Kopf leicht an, um Ryatt einen Moment lang stumm zu betrachten, nachdem er so ganz nebenbei seine wohl traumatischste Erfahrung erwähnte. Er hatte die Person umgebracht, die ihm am wichtigsten war? Was? Deponierte er das jetzt einfach so im Nebensatz, damit sie gegenseitig damit protzen konnten, was sie schreckliches getan hatten? Super Idee. "Du wirst sie kaum mit Absicht und ohne guten Grund umgebracht haben, Ryatt. Hätten wir nur ein winziges Stückchen weniger Glück gehabt oder wäre die Rettung ein paar Minuten später eingetroffen, hätte Victor letzten Herbst auch den Löffel abgegeben - wegen mir. Wir müssen uns echt nicht darin messen, was wir Schreckliches getan haben. Das ist kein Wettkampf, den einer von uns gewinnen möchte. Ausserdem ist das alles subjektiv und ich kann erfahrungsgemäss ebenfalls sehr viele Dinge sehr gut nachvollziehen und verstehen", meinte sie mit einem wesentlich bestimmteren Tonfall, weil sie sich in dieser Sache doch sehr sicher war. Stichwort Mitch - wäre sie so schlecht im Vergeben und Vergessen, hätte sie ihn wohl nie wieder angeschaut wie zuvor, nachdem sie erfahren hatte, was er in Syrien getan hatte, bevor die Lüftungsschächte umgebaut wurden. Viele Menschen taten viele Dinge, die andere nicht verstehen konnten, weil sie schlicht ihr eigenes Leben lebten, ihre eigene Geschichte im Rücken hatten, andere Dinge erlebten, anders auf Einflüsse reagierten, weil sie ein anderes Innenleben hatten. Und wer sich die Zeit dafür nahm, fand oft sehr viele gute Gründe für Taten, die anfangs vollkommen irrational gewirkt hatten. Sie hatte gerade die Hand nach ihrer Tasse ausgestreckt, die mittlerweile lange genug alleine vor sich hin vegetiert hatte, als Ryatt weitersprach und sie wieder etwas zerknirscht zur Seite blicken und mit der Bewegung innehalten liess. Wenn du dich mir in die Arme schmeisst und rumheulst, dass du einsam bist, obwohl du es nicht sein müsstest vollendete sie innerlich seinen angefangenen Satz, dank dem sie erneut auf ihrer Unterlippe herumbiss. Sie wusste es ja. Das war dumm gewesen, es würde immer dumm sein, wenn sie doch eigentlich wusste, wie schwierig die Ausgangslage zwischen ihnen bereits war. Auch ohne Umarmungen und Küsse. Blieb zu hoffen, dass sie das heute Abend ein für alle Mal gelernt hatte. Und dass sie es nicht wieder vergessen würde. Und dass sie und diese Freundschaft überhaupt nochmal eine Chance bekamen. Als Ryatt sehr unerwartet und für sie relativ zusammenhanglos plötzlich sein Bein erwähnte, war ihr Kopf jedoch bald wieder in seine Richtung gedreht und sie schaute ihn etwas irritiert an. Sie hätte ihn fast gefragt, was sein Bein denn bitte damit zu tun hatte - aber er erklärte es auch ohne ihre Frage deutlich genug. Und es war ein weiterer Punkt, über den sie sich definitiv noch nie Gedanken gemacht hatte. Dass diese Verletzungen auch Einschränkungen in diesem Bereich und nicht nur beim Gehen und Sport mit sich zogen. Es waren Narben... Brandnarben. Also Narben, bei denen man grundsätzlich nicht davon ausgehen konnte, dass er sie selbst zu verschulden hatte. Und selbst wenn, litt er doch eh schon genug darunter, warum sollte sie ihn deswegen auch noch schräg anschauen? Ihr ganzer Rücken war voller Narben - und es waren bei Weitem nicht die Einzigen auf ihrem Körper. Wäre also ziemliche Doppelmoral, wenn sie ihn aufgrund seiner Narben schräg anschauen würde, während sie sich im Alltag sehnlich wünschte, dass die Leute damit aufhörten, sie und ihre eigenen Narben schräg anzuschauen. Faye war froh, dass er weiterredete und sie auch dazu nichts sagen musste, die Narben mit einem schwachen Kopfschütteln und einem Schluck Tee verdrängen konnte. Jedenfalls bis sie hörte, was er dann noch von sich gab, weil das natürlich schon wieder schwerere Kost sein musste. Die Brünette stellte ihre Tasse wieder ab, schloss kurz die Augen und massierte sich mit der wieder freien rechten Hand das Nasenbein. "Was sind das für Gefühle, die du nicht haben möchtest? Manchmal hilft es, sie zu benennen... Auf jeden Fall gehen sie nicht weg, wenn du sie nur verdrängst...", da sprach wohl wieder Mrs White durch ihren Mund, aber es war eine der Passagen, die Faye zu hundert Prozent vertreten konnte, weil sie das ein paar Mal zu oft selbst erlebt hatte. Ihre Hände lagen wieder auf dem Tisch und ihre Augen waren direkt auf ihre Finger gerichtet, bevor Faye sich langsam wieder auf Ryatt konzentrierte. Erst für ein paar Sekunden nur auf sein Glas, dann aber langsam wieder in Richtung seines Gesichtes. "Und was ist es, was du so gerne haben möchtest, aber nicht kriegen kannst? Meine befristete Nähe? Sex? Oder die Illusion einer Liebe, die du vor langer Zeit verloren hast und von der du dir sicher bist, sie nie wieder auf diese Weise zu finden?", ihre Stimme war wieder leiser geworden, sachte und zurückhaltend, was nicht wirklich zu der Fragestellung passte. Vielleicht hätte sie die Reihe von Fragen besser dann gestellt, wenn ihr Blick nicht parallel dazu noch etwas zu aufmerksam auf seinem Gesicht lag. Möglicherweise war das unfair. Aber Ryatt wusste sich meistens schon sehr gut zu wehren, wenn er eine solche Meinung vertrat, oder? Er würde ihr dann einfach keine oder nur eine halbherzige, abweisende Antwort geben.
Yesssssss, we need it. So auf Zeitdruck bewerben müssen ist einfach nochmal anders unangenehm. :') Aber ich geh einfach auch mal davon aus, dass es sicherlich eine von den 5 werden wird. Die haben dich bestimmt nicht alle ohne guten Grund eingeladen, lel. xD _____
Kannst du nicht einfach aufhören, Probleme damit zu haben? Ein absolut dummer Gedanke, den ich nicht aussprach. Normalerweise hatte ich keine Schwierigkeiten mit Differenzen, weil ich für fast alles eine Lösung fand. Hierfür schien es nur einfach keine zu geben, die wir beide mochten. Klar, die Friendzone bot vermeintlich weniger Probleme in Fayes Augen - aber auch diese Meinung teilten wir nicht. "Du wirst es ihm aber schon sagen, oder?", fragte ich mit einem kurzen Blick in ihre Richtung neutral nach, ohne Victors Namen zu nennen. Das war eine Variable, die ich die ganze Zeit über fest einkalkulierte. Ich glaubte nicht, dass Faye ihrem Freund verheimlichen würde, was zwischen uns passiert war. Ein solches Geheimnis sollte man nicht begraben, wenn man einen gemeinsamen Neustart hinlegen wollte. Trotzdem wollte ich mich vergewissern. Ich schüttelte langsam den Kopf, als Faye auf meinen Verlust zu sprechen kam. Nein, ich hatte sie nicht willentlich umgebracht… und zu einem gewissen Teil war es einfach nur Pech, dass es Avery erwischt hätte. Glück, das wir beide nicht gehabt hatten. Doch sie war gleichzeitig trotzdem nicht bei der Sache gewesen, weil ich ihr weh getan hatte und das war meine Schuld. Denn der Grund dafür war genauso subjektiv wie der Rest der Umstände und das Trauma. Und nein, natürlich war das kein Wettkampf. Ich wollte mich zwar in grundsätzlich fast allen Dingen messen, aber diese eine Sache gehörte nicht dazu. "Wegen uns.", korrigierte ich Fayes letzte Aussage und warf ihr einen kurzen Blick zu. Ich hatte eindeutig meinen Teil dazu beizutragen, dass Victor beinahe gestorben war. Übrigens ein weiterer, sehr guter Grund dafür, warum es dem Dunkelhaarigen höchstwahrscheinlich widerstreben würde, mich in seinem Leben zu akzeptieren. Faye konnte er all das offensichtlich verzeihen, aber bei mir brauchte er das nicht zu tun. Ich spielte für ihn keine Rolle. "Andernfalls würdest du nicht hier sitzen, glaube ich… und ich würde nicht versuchen aufzumachen, obwohl ichs nicht wirklich möchte, wenn ich nicht wüsste, dass du nicht schnell verurteilst.", teilte ich ihr meinen nächsten Gedankengang mit, stierte dabei jedoch wieder in den Alkohol. Zu gleichermaßen unruhig wie nachdenklich, drehte ich das Glas in meiner Hand. Würde Faye nicht viele meiner Taten nachvollziehen können, hätte sie mir wohl nicht permanent so selbstzerstörerisch unter die Arme gegriffen, als ich mich mehrfach mit Vollgas auf den Boden geschmissen hatte. Sie hatte mich noch nie enttäuscht - ein Grund mehr dafür, schleunigst in Frage zu stellen, mich weiterhin in ihrer Nähe aufzuhalten. Ich merkte, wie zunehmend der Drang in mir aufstieg, aufzustehen und Faye zu sagen, dass sie jetzt zügig zum Bus laufen sollte, um ihn nicht zu verpassen. Es hatte sich nichts daran geändert, wie schwer ich mir damit tat, diese allzu persönlichen Dinge auszuspucken. Besonders dann, wenn sie so explizit nachfragte. Trotzdem zwang ich mich dazu auf der Bank sitzenzubleiben und tippte lediglich mit dem Zeigefinger am Glas herum, um den Fluchtdrang umzuleiten. "Alle, die… mich verletzen. Deswegen stoß' ich normalerweise sehr konsequent Jeden von mir weg.", murmelte ich leicht grummelnd vor mich hin. Leider schloss das sehr viele Arten von Gefühlen ein, denn es gab unzählige, die weh tun konnten. Liebe, Hass, Trauer, Wut, aber auch Angst. Natürlich ließen sie sich auch nicht vermeiden, wenn ich einfach versuchte sie komplett zu umgehen. Aber es funktionierte offenbar zu oft zu gut, um mich ihnen lieber entgegenzustellen. "Es gibt nicht viele Dinge, die mir Angst machen… aber Gefühle sind eins davon. Vor allem dann, wenn ich's mir nicht erklären kann…", dachte ich laut weiter nach, bevor ich das Glas wieder anhob und damit den letzten Schluck runterkippte. Noch so eine komische Gegebenheit - ich würde mich selbst schon als schlau bezeichnen, aber Gefühle verstand ich von allen Dingen auf der Welt am wenigsten. Wenn ich nicht nachvollziehen konnte, warum ich mich so fühlte, wie ich mich fühlte, konnte ich eben auch nichts dagegen machen. Das war vielleicht auch ein Teil der Antwort für Fayes nächste Frage, denn die fiel mir nicht leicht. Im ersten Moment reagierte ich im Grunde gar nicht darauf, sondern zog nur die Augenbrauen etwas tiefer, weil ich tatsächlich nicht wusste, was ich darauf antworten sollte. Ich würde natürlich nicht nein sagen, würde Faye es sich mit der Intimität nun plötzlich doch anders überlegen - aber selbst dabei ginge es mir nicht um den Sex an sich. Das war nie so. Als ich den Kopf in Fayes Richtung drehte antwortete ich noch immer nicht. Zuerst musterte ich einige lange Sekunden ihr Gesicht, als würde ich nach einem Hinweis auf die Antwort suchen, die sehr viel tiefsinniger enden würde, als für Irgendjemanden hier gut war. "Ich... funktioniere anders als du, Faye. Du versuchst zuerst mich kennenzulernen und zu verstehen, bevor du mich in deine Nähe lässt, damit du dir ansatzweise sicher sein kannst, dass ich es gut mit dir meine und du mir vertrauen kannst. Das ist auch absolut nachvollziehbar nach allem, was du erlebt hast, nachdem das scheinbar ja irgendwie damit zusammenhängt, dass du dich so vor körperlicher Nähe fürchtest." Ich sollte mich wohl auch mal fragen, warum ich trotz dieser Vermutung - denn wissen konnte ich es ohne Details aus ihrem Mund nicht mit absoluter Sicherheit - versuchte, Faye davon zu überzeugen, dass meine Nähe ungefährlich war. "Aber ich tue mir hingegen sehr viel leichter damit, mich Jemanden zu öffnen, wenn eine physische Basis da ist. Es ist für mich einfacher Jemandem auch mit dem Kopf zu vertrauen, wenn ich die verletzlichste Seite kenne..." Man war nie verwundbarer als in dem Moment, in dem Klamotten fielen und man sich damit vollständig offenbarte und öffnete. Zumindest war das in meinen Augen so. Ich war ein Mensch, der gezielt mit Worten verletzte. Es würde mir aber im Traum nicht einfallen, Jemandem auf intimster körperlicher Ebene Schaden zuzufügen. Trotzdem war das alles nicht wirklich eine Antwort auf die ursprüngliche Frage, sondern mehr eine Erklärung dazu, warum es mich so sehr an Fayes Lippen zog. Ich hatte sie geküsst und jetzt machte ich zumindest ein bisschen auf, also wollte ich ihr vielleicht einfach nur vollständig vertrauen können - Fall gelöst, oder? Höchstens teilweise. "Ich weiß nicht, was ich von dir will. Wonach ich bei dir suche..." Mein Blick wanderte langsam an ihr runter und wieder zurück in ihre Augen." ...aber bisher hab ich's offensichtlich nicht gefunden und das ist vielleicht einer der Hauptgründe dafür, warum ich mich noch nicht von dir abgekapselt habe. Vielleicht versuche ich dich zu verstehen, weil du in vielen Dingen so ganz anders bist als ich. Ich verstehe nicht, warum du glaubst mich zu brauchen, obwohl ich so viel Chaos in dein Leben bringe. Ich verstehe nicht, warum du tief drinnen solche Angst davor hast mir näher zu kommen und es dann trotzdem tust, nur um danach jedes Mal zurückzurudern... obwohl dir dabei nie wirklich was passiert ist. Und das sind nur zwei Dinge von einer sehr langen Liste." Ich versuchte in Fayes Gesicht zu sehen, was sie während all dieser Worte dachte. Klar, da war ihre Einsamkeit und die war auf jeden Fall ein Grund dafür, warum sie heute wieder in meinen Armen gehangen hatte. Trotzdem glaubte ich nicht, dass das der einzige war. Vielleicht war sie selbst auf der Suche nach ein paar Antworten.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈