Sie hatte den Blick ihrer weit aufgerissenen Augen keine Sekunde von dem Mann abwenden können, der ihr immer weiter mit schmerzhaft viel Druck den Lauf der Waffe gegen das Brustbein drückte. Er schaute sich um. Sah, dass sein Verbündeter sich ziemlich langsam und schwerfällig von dem Schlag erholen wollte. Sah, wie Brian sich bewegte - was ihre Panik zugegeben noch steigerte, weil sie nicht verstand, warum er rückwärts trat, noch weiter von ihr weg. Jedenfalls verunsicherten Brians Schritte nicht nur sie, sondern auch den Araber, der nun wild mit der Waffe zu fuchteln begann, sofort noch mehr Panik in ihr schürte, weil er nur aus Versehen den Finger zu fest anziehen musste und sie wäre tot. Sie hatte das nicht getan, um zu sterben. Es war nur ein Reflex gewesen, weil das Messer Brian sonst in der Brust oder im Hals oder weiss Gott wo hätte treffen können. Ein unerwarteter Schuss, ein Knall, Blut spritzte und der Mann sackte in sich zusammen. Faye hatte die Augen zugedrückt, geglaubt, der Schuss wäre für sie bestimmt gewesen. Aber sie lebte noch. Begraben unter dem reglosen Körper des Mannes, der seinen Übermut soeben mit dem Leben bezahlt hatte. Die Brünette keuchte panisch auf, schob die warme Leiche mit Brians Hilfe zitternd von sich runter und starrte sie an, ohne zu begreifen, was soeben passiert war. Sie hatte nicht gesehen, wer geschossen hatte. Aber plötzlich war Victor bei ihr, begann schneller als sie denken konnte damit, die übel aussehende und vor allem stark blutende Wunde direkt über ihrem Ellbogen abzubinden. Und ihr absolut überforderter Blick klebte an seinem Gesicht, starrte ihn an, wanderte zu seinen Fingern, als wüsste sie nicht, was er da gerade machte. Ein Verband Faye, das ist ein Verband, weil du blutest, weil du stirbst, wenn du keinen Verband machst. Ihre Augen fanden die Leiche, die neben ihr im Sand lag. Er blutete auch. Aus seinem Kopf. Er war tot. Wegen ihr? Eine panische Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel, genau dann, als Victor ihren Kopf hob um sie anzuschauen, als hätte sie gerade sterben können und als würde ihn dieser Gedanke ganz plötzlich treffen. Nein, bitte, sie wollte ihm nicht schon wieder weh tun - wirklich nicht! "Es.. es tut mir leid! Ich hab das... Messer gesehen...!", hauchte sie atemlos zurück, griff reflexartig und ohne es wirklich zu wollen, nach seinen Fingern, die über ihre Wange strichen. Die sie so lange so vermisst hatte und die ihr sofort noch mehr Tränen in die Augen steigen liessen. Wieso war er zu ihr gerannt... Wieso legte genau er den Verband um ihren Arm... Wieso fragte er sowas und schaute sie so an, wenn er sie vergessen sollte..? Obwohl sie nicht sollte, liess sie sich von ihm auf die wackeligen Beine helfen, starrte wieder zu dem Toten und dem Blut auf dem Boden, dem Blut, das in feinen Spritzer auch an ihren Kleidern und in ihrem Gesicht klebte. Dem Blut an Brians Arm, der mittlerweile ebenfalls einen Verband trug. "Es... tut mir leid...", stammelte sie ein weiteres Mal, wobei sie nichtmal selber wusste, an wen das gerichtet war. An Victor, der es schon so oft gehört hatte? An den Toten, der vielleicht nicht hätte sterben müssen? An seinen Freund, der halb wütend, halb panisch an seinen Fesseln zog? An Brian, der blutete? Oder einfach an alle ein Bisschen...
Damit würden sie also nicht durchkommen. Gut zu wissen. Und wer würde sie daran hindern? Er, der gerade langsam verreckte? Oder sein Gefolge, das ihm so treu ergeben war - tagtäglich liebend gerne für ihn starb? Seine Kollegen aus der Chefetage, die ebenso dreckig handelten wie er? Nein, glaubte sie kaum. Der Plan war gut durchdacht. Niemand würde sie damit bremsen, ihnen den Erfolg klauen. Warren war so gut wie tot und das war ihr Ziel gewesen, also waren sie sehr wohl damit durchgekommen - wie auch Mitch's Stimme fröhlich verkündete. Aryana lehnte sich mit verschränkten Armen gegen das Auto, betrachtete, wie die einst so stolze Person des Lieutenants auf dem Boden vor ihnen herumkroch. Sie atmete tief durch, während sie mit absoluter Genugtuung zuschaute, wie Mitch dafür sorgte, dass Warren in seinen letzten Minuten auch ja noch begriff, welche Ausmasse seine Vergehen wirklich hatten. Und selbst wenn sie für eine Sekunde von irgendwelchem Mitleid befallen worden wäre - was absolut nicht der Fall war - bräuchte sie nur an Julis verschwendetes Leben zu denken. Oder daran, was dieser Hurensohn mit ihrer Schwester getrieben haben musste. Das allein liess sie ihre Hände wieder zu Fäusten ballen als sie dem Lieutenant eine Ladung Sand und Staub in die Fresse kickte, was ihm die Atmung weiter erschweren dürfte. "Widerlicher Abschaum", zischte sie dabei nur, während der Mann am Boden nun hustete und würgte. Erst dann seinen panischen, mittlerweile aber auch vollkommen wahnsinnigen Blick wieder anhob. "Ihr habt... das alle... nicht anders verdient... Du kleines... nutzloses... Weibstück... nicht... dein... Bastard... von einem.... Bruder nicht... und... die kleine... Hure... nicht... habt förmlich... um euer.... Schicksal... gebettelt... alle Drei...", röchelte er ihr zu und allein die Namen, mit denen er ihre Geschwister betitelte, lösten in ihr einen kaum zu widerstehenden Drang aus, ihm nicht nur Dreck sondern einen richtig fetten Felsen mitten in die hässliche Fresse zu kicken, der seinen hohlen Schädel ein für alle Mal einschlagen würde. "Und... deine... paar... Soldaten auch...", wandte er sich Mitch zu, ehe er zur Seite kippte, weil irgendein Teil seines Gleichgewichtsinns oder seiner Kraftverteilung einen gröberen Aussetzer durchlebte. Er hustete, spuckte Blut, röchelte und schrie und hustete wieder. Einfach nur erbärmlich. Aryana ging zu ihm hin, um seinen Arm zu packen und den zuckenden Körper regelrecht durch den Sand zurück zum Auto zu schleifen. "Steig brav ein du Pisser, wir fahren zurück und holen dir deine Medizin. Wenn du schnell bist, überlebst du vielleicht", meinte sie trocken, riss die Tür auf, um ihn tatenlos dabei zu betrachten, wie er tatsächlich versuchte, zurück ins Auto zu krabbeln. "Na mach schon, die Überlebensraten sind gering. Und wenn du schnell einsteigst und schwörst, keinem was von der nicht vorhandenen Schlange zu erzählen, versuchen wir es tatsächlich", log sie weiter munter vor sich hin. Ihre einzige Motivation dahinter war, dass sie soeben entschieden hatte, dass er selber wieder einsteigen durfte. Sie keine Lust hatte, den schon toten Körper auf den Rücksitz zu hieven. Und das Arschloch war tatsächlich dumm genug, zu glauben, dass sie jetzt zurückfuhren und er bis dahin noch leben würde. Röchelte wilde Versprechungen bis hin zu Beförderungen und Ehrungen und Gott weiss was, sie hörte nichtmal zu. Wie naiv konnte man denn bitte sein??
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Wieder entschuldigte sich die junge Frau. Musste sie im Grunde nicht. Sie hatte nur getan, was sonst keiner hatte tun können, weil sonst Niemand etwas von dem Messer gesehen oder geahnt hatte, dass der Kerl so plötzlich hervor gezogen hatte. Im Grunde war es richtig gewesen, einzugreifen... nur war es nicht gut ausgegangen. Weder für ihren Arm, noch für Brian, noch für mein ohnehin schon geschädigtes Herz. Faye würde mich noch irgendwann zum Herzinfarkt treiben, wenn sie so weiter machte, ehrlich. Dieses Auf und Ab in meinem Kopf war die reinste Achterbahnfahrt, die wohl auch nicht wieder ihr Ende finden würde, bevor die Wunde versorgt und ihr Leben gänzlich gesichert war. Sie aufhörte zu bluten und sich zu entschuldigen. Ich war mir nicht einmal sicher, wofür sie sich genau entschuldigte. Ob sich das auf die jetzige Situation bezog, oder wieder auf das davor, weil potenziell beides möglich war. Aber für den Moment war mir das auch vollkommen egal, schüttelte daraufhin ein wenig den Kopf und strich ihr nur noch behutsam den Großteil von dem Blut auf ihrer Haut mit dem Ende des ehemals hochgekrempelten Ärmels meiner Jacke aus dem Gesicht. "Nicht...", murmelte ich leise, bevor ich mich etwas von ihr abwendete, um Brian anzusehen. Er schien angeschlagen, stand wohl noch ein wenig unter Schock, wirkte sonst aber okay, weshalb ich ihm nur knapp zunickte. Ich deutete Faye mit sachtem Druck an ihrem Rücken, sich in Richtung des Fahrzeugs in Bewegung zu setzen, wobei Brian ziemlich nah neben ihr her ging. Ich hingegen forderte von dem - ziemlich unnützen - Wachposten den Autoschlüssel ein. "Sicher, dass du fahren kannst?", hakte er aber doch mit leicht zusammen gekniffenen, musternden Augen nach, als er den Schlüssel aus seiner Hosentasche kramte. "Wenn ich Jemandem in den Kopf schießen kann, kann ich auch Auto fahren, verdammt.", grummelte ich nur zurück, was er mit einem Augenbrauenhochziehen quittierte, mir aber die Schlüssel aushändigte. Sie waren daraufhin dann zwar zu fünft, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sie auch so alle Platz in einem Auto fanden, waren die Dinger an sich doch sehr geräumig. Er kommentierte nur noch mit den Worten, dass er die Basis über unsere Rückkehr informieren würde, bevor ich mich mit einem knappen Nicken abwandte und zum Wagen ging, in dem die beiden Verletzten sich bereits eingefunden hatten. Ohne Umschweife schwang ich mich hinters Lenkrad und ließ den Motor an, um den Wagen vom Baugelände zu lenken und schnellstmöglich den Nachhauseweg einzuschlagen. Dabei glitt mein Blick immer wieder rüber zu Faye, die ihr schmerzhaftes Dasein gerade auf dem Beifahrersitz fristete. Auch warf ich ein oder zwei mal einen Blick in den Rückspiegel zu Brian, um zu sehen, ob er den Umständen entsprechend wohlauf war. Auch er verlor einiges an Blut wegen des Einschnitts, war aber weiter geistig anwesend, weshalb meine aufgebrachten Gedanken sich wieder gänzlich auf die Brünette fixieren konnten - so weit, wie es mir beim Fahren eben möglich war. Aber sobald wir aus dem Dorf raus gefahren waren, fand meine rechte Hand doch ziemlich bald ihren Oberschenkel, musste ich auf dem Rest des Rückwegs kaum bis gar nicht mehr schalten, war die Landschaft hier doch sehr eintönig eben und die Straßen wenig kurvig. Ich hatte keine Ahnung, ob es wirklich was brachte, aber ich wollte einfach nur, dass sie hinter den einzelnen Tränen wieder anfing zu atmen, sich langsam zu beruhigen, weshalb meine Finger leicht über den Stoff der Hose strichen. Ich hatte hinter all meinem Ärger und der Enttäuschung nie gewollt, dass Faye Etwas zustieß, und jetzt das. Ich fühlte unmittelbar dafür mitverantwortlich, hatte die unangenehme Distanz zwischen uns womöglich zu einer Trübung ihres Verstands geführt, als sie eingegriffen hatte.
Er löste noch einmal mehr Wut in mir aus, als er immernoch so selbstgefällig vor sich hin redete, als würde es auch nur Irgendwas bedeuten oder an seinem Schicksal noch Etwas ändern. Es benötigte schon etwas Beherrschung meinerseits, ihm nicht auch noch den ein oder anderen Faustschlag als Folge seiner Worte zu verpassen, ihm das Leben noch weiter aus dem ohnehin sich jetzt selbst dahin raffenden Körper zu prügeln. Das letzte, was er von mir bekommen würde, war irgendwelche Beweise für Fremdeinwirkung zu liefern, auch, wenn es mich doch sehr reizte. Ihm zu zeigen, wie vollkommen machtlos er mit ein klein wenig Gift in den Venen und außerhalb seines Schneckenhauses war, dass es keine gottverdammte Seele auf diesem Planeten gab, die ihm jetzt helfen würde. Es erforderte ein tiefes Durchatmen meinerseits, aber ich beruhigte mich damit, zu wissen und zu sehen, dass er auch ohne weitere Prellungen durch Tritte oder Schläge unfassbare Schmerzen erlitt. Außerdem war es nur allzu amüsant, dass er Aryanas Worten tatsächlich Glauben schenkte. Dass der Lieutenant tatsächlich daran dachte, dass sie ihr Angebot ernst meinen und ihn doch noch vor dem Tod retten würde. Lächerlich. Entsprechend angetan begutachtete ich das Schauspiel, wie er - kaum noch fähig sich unter den Gifteinwirkungen überhaupt noch zu bewegen - verzweifelt mit letzter Kraft versuchte, sich auf den Sitz des Wagens zu ziehen. Er brauchte drei Anläufe und es trieb mir ein seliges Lächeln ins Gesicht, wie erbärmlich er uns dabei auch noch Dinge versprach, die unsere Meinung weiter beeinflussen könnten. Als ob. Unterstrich nur ein weiteres Mal, dass er eindeutig nicht zum intelligenten Anteil der Bevölkerung gehörte. Einfach nur gut überlebt und wenig dabei gedacht hatte. Wohin das in seinem Fall führte, war hier ja bestens ersichtlich. Als er dann schief auf dem Rücksitz saß, nicht mehr fähig, sich gerade an der Rückenlehne zu halten, war aber Alles, was erst einmal passierte, eine sich schließende Tür. Ich machte keine Anstalten dazu, loszufahren oder mich überhaupt erst schon auf den Fahrersitz zu schwingen. Alles, was ich in der Zwischenzeit seines langsamen Dahinsterbens tat, war die Motorhaube mit Schwung wieder zu schließen, was ihm da hinten nur einen unschönen Ruck versetzte, der zusätzliche Qualen auslöste. "Hast du für deine Dummheit eigentlich auch mal eine Auszeichnung gekriegt? Würd' mich echt wundern, wenn nicht.", schnaubte ich bloß, während Warren dabei war, den hinteren Bereich des Fahrzeugs mit Blut und seinem stinkendem Atem zu verpesten. Er würde schon noch ein paar Minuten brauchen, bis er zumindest ins Delirium kam und bis dahin durfte er ganz brav sein Dasein auf dem Rücksitz verbringen. Wieder fing er an zu fluchen und uns Dinge an den Kopf zu werfen - so gut er das jetzt halt noch konnte -, was ich ab diesem Zeitpunkt aber einfach nur noch ignorierte. Stattdessen durfte eine Zigarette wieder den Weg zu meinen Lippen finden. Ich hatte ja noch ein, zwei Minuten Zeit, bis das Arschloch endlich so weit war, uns Alle in Frieden und Ruhe weiterleben zu lassen. Vielleicht war es nicht die allerletzte Zigarette meines Lebens, aber eine ganz besonders gut schmeckende auf jeden Fall.
Vielleicht war er ihr doch nicht böse, sondern nur besorgt... Sie konnte es nicht wirklich deuten, aber das erste Mal seit über zwei Wochen strahlten seine Augen was anderes als die viel zu tiefe Verletzung aus, welche sie in sein Herz gerissen hatte. Noch immer waren da nicht unbedingt positive Gefühle - jedenfalls würde sie die Sorge und Angst kaum als positiv einstufen - aber er war zu ihr gekommen und er schaute sie an. Und zwar länger, als in der ganzen Zeit, seit sie bei Warren gewesen war, zusammengezählt. Das löste unweigerlich einen noch grösseren Sturm in ihrem Kopf ein, als dass er sowie schon geherrscht hatte, seit sie hierher gekommen war. Faye begann ohne ein weiteres Wort zum Auto zu gehen, den rechten Arm um ihren Körper und den Verband an ihrem linken Arm geschlungen. Brian folgte ihr dicht, öffnete ihr die Autotür, als wäre sie dazu selbst nicht mehr im Stande. Naja - war vielleicht auch so. Bevor er sich dann aber selber dem Einsteigen widmete, legte er eine Hand auf ihre Schulter, damit sie ihn anschaute, als er ein noch relativ heiseres "Danke...", von sich gab. Mehr Worte wollten ihm nicht einfallen, weil er wohl selber noch kaum verarbeitet hatte, was gerade passiert war. Aber seine Blicke sprachen Bände, bevor er sachte ihre Tür schloss und sich auf den Rücksitz begab. Victor stiess gleich darauf zu ihnen, startete den Motor und schlug schnellstmöglich den Rückweg ein. Ihr Arm pochte. Das Blut floss noch immer und tränkte den behelfsmässigen Verband. Aber die Schmerzen waren nichts im Vergleich zu dem heillosen Chaos in ihrem Herzen. Der tote Mann, das Messer, die Pistole, die Schreie, die Panik und immer wieder Victors Blicke, Victors Berührungen. Er hatte seine Hand auf ihr Bein gelegt, strich langsam über den Stoff. Und sie wollte nicht weinen, sie wollte nicht, dass er glaubte, etwas falsch zu machen. Aber sie hatte seine Nähe so vermisst, war sich je länger je mehr so sicher gewesen, ihn nie wieder zurück zu bekommen, ihn für immer vertrieben zu haben. Und so drängten sich die Tränen weiter aus ihren Augen, während Fayes rechte Hand sich zögerlich auf seine Finger legte. Als sie das Camp erreichten, waren ihre Tränen endlich versiegt, wenn der Sturm ihrer Gefühle sich auch noch keineswegs gelegt hatte. Würde auch erstmal nicht passieren, nach einem solchen Tag. Nun galt es aber erstmal, die Wunde zu nähen, die an ihrem Arm klaffte und allen Stoff, der damit in Berührung kam, in der Zwischenzeit mit ihrem Blut getränkt hatte. Und das war viel. Faye rutschte von ihrem Sitz nach draussen, stütze sich einen Moment am Auto ab, um dem einsetzenden Schwindel entgegen zu wirken. Sie wollte eigentlich nicht zum Arzt. Und noch weniger wollte sie, dass Victor sie begleitete. Weil sie zwingend ihre Jacke ausziehen müsste. Es war nicht ihr linker Unterarm, der von den zarten Linien überzogen war, welche sie die letzten Wochen über gemalt hatte, sondern der Rechte. Aber auch wenn sie sich sehr geschickt anstellte, konnte sie nicht mit Sicherheit verhindern, dass jemand es bemerken würde. Und sie wollte sich nicht erklären müssen, sie wollte sich nicht noch mehr Schwäche geben, sie wollte die Blicke nicht spüren, wenn klar wurde, dass auch diese feinen Wunden noch so frisch waren. "Du musst nicht... mitkommen...", wandte sie sich also leise an Victor, noch bevor er den eindeutigen Gedanken, ebendas zu tun, überhaupt fassen konnte. "Danke, dass du uns zurück gebracht hast", fügte sie ebenso tonlos an, setzte sich dann langsam in Bewegung, um mit Brian den Arzt aufzusuchen.
Sie kam in keinster Weise auf die Idee, dem Arschloch auch nur einen Finger zu reichen, damit er einsteigen konnte. Nicht, nach allem, was er getan hatte. Nicht, nach allem, was er gesagt hatte. Was er weiterhin sagte, obwohl er sich den Atem besser sparen würde. Aber nichtmal in seinen letzten Minuten schien er auch nur einen einzigen Funken Reue zu verspüren, nichtmal jetzt merkte er, wie viel Scheisse er gebaut hatte. "Tut mir leid, ich habe vergessen, dass wir gar nicht nach Hause fahren können... Unglücklicher Motorschaden...", zischte sie ihm voller Bedauern zu, hob entschuldigend die Hände. Aryana betrachtete ihn die ganze Zeit, wandte nicht ein einziges Mal den verachtenden Blick voller Genugtuung von diesem Stück Scheisse ab. Weniger, um sicher zu gehen, dass er keine Scheisse baute, als einfach, weil sie den Anblick genoss. Weil es die Rache war, die sie sich so lange erträumt hatte. Es tat ihr wirklich leid, erst jetzt diesen Schritt gemacht zu haben. Vielleicht hätte sie Faye vor seinen Fängen retten können. Und so viele andere Soldaten, die nicht hätten sterben müssen, wenn sie Warren früher ins Jenseits befördert hätte. Aber dazu wars jetzt zu spät. Immerhin hatten sie die gerettet, die noch gefolgt wären und hatten die gerächt, für die die Hilfe zu spät kam. Mehr konnten sie in diesem Moment auch nicht mehr tun. Warren fluchte und schrie noch immer und das ganze Schauspiel zog sich weiter in die Länge, weil er gewiss nicht gewillt war, zu sterben. Aber seine Schreie wandelten sich langsam zu einem Ächzen und sein Fluchen zu Betteln. Plötzlich begann er sogar damit, um einen erlösenden Schuss ins Herz zu bitten. Aber Aryana verdrehte nur die Augen. "Mit dir wird keiner je Erbarmen haben, so wie du es nie verspürt hast. Also stirb leise", meinte sie trocken, auch wenn sie bezweifelte, dass er sie überhaupt noch recht verstand. Nach weiteren Minuten des gefühlt endlosen Rumheulen, wurde es still. Bis auf ein zwischendurch hörbares vereinzeltes Stöhnen. Er lebte also noch, aber das war ihr egal. Aryana riss die Tür wieder auf, hinter der er hockte, packte mit gezückter Nadel grob sein Bein, auch wenn sie wirklich kein Bedürfnis verspürte, ihn zu berühren. Immerhin hatte sie davor Handschuhe angezogen, denn ganz ehrlich - anders wollte sie seine Haut ganz sicher nicht unter ihren Fingern spüren. Aber es musste sein, wenn sie sich nicht eine etwas unglaubwürdige Geschichte mit einer Schlange, die nur noch einen Zahn besass, ausdenken wollten. Sie schob seine Hose hoch und betrachtete das Bein, das alleine schon aussah, als wäre es einem Horrorfilm entsprungen. Dann stach sie mit der Nadel einen täuschend echt aussehenden Schlangenbiss nach, stach natürlich auch in den Stoff der Hose ein zweites Loch. Und das musste dann reichen, denn länger wollte sie sich nicht mit seinem Fuss beschäftigen. Und es sah so aus, wie es aussehen musste - dessen war sie sich dank genügend Recherche doch ziemlich sicher. Also liess sie ihn los, liess seine Tür zurück ins Schloss fallen und packte die Nadel wie auch die Handschuhe zu der Spritze weg. Zufrieden durchatmend, trat sie nun zu Mitch, wobei ein kleines, erlöstes Lächeln in ihren Gesichtszügen lag. "Ich denke, wir habens geschafft...", meinte sie leise. Nicht, dass sie daran gezweifelt hätte. Aber das Gefühl, ihn endlich los zu sein - darauf hätte sie wohl keiner vorbereiten können. Sie fühlte sich zehn Jahre jünger. Hundert Kilo leichter. Tausend Kilometer freier.
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Ihre Tränen konnte ich nicht sofort stoppen, aber immerhin schien sie den Berührungen nicht abgeneigt zu sein, was mir nur ihre Finger zeigten, als die junge Frau diese an meine legte. Zwar überwiegten weiterhin die Sorge und die Unruhe in mir, aber dennoch zeigte mir diese kleine Berührung noch einmal deutlich, wie sehr ich Faye wirklich vermisste. Dass ich nicht falsch in der Annahme lag, dass die letzten Wochen sie ebenso sehr gequält hatten, wie mich selbst. Es wirkte auf mich zwar nicht mehr so vertraut, wie es das noch vor etwas mehr als zwei Wochen getan hatte, aber... es war ein Anfang. Ein Anfang, den ich auch nutzen wollte. Am Camp angekommen stieg die verletzte junge Frau mit Brian aus, als ich meine Hand zu mir zurück gezogen hatte und mein Blick folgte ihr bei jeder wackeligen Bewegung, die ihr der vehemente Blutverlust bescherte. Dann sagte sie mir, dass ich nicht mitzukommen brauchte. Bedanken tat sie sich auch, aber das war eher weniger der Satz, der meine Gedanken beeinflusste. Denn eigentlich wollte ich schon mit. Wollte sicher gehen, dass der Arzt auch ja jeden noch so kleinen Stich an ihrem Arm präzise setzte und keine Scheiße bei der Arbeit baute, weil es nicht eine x-beliebige Person war, der er den Arm flicken musste, obwohl er gefühlt sicher schon eine Million Mal Wunden zusammen genäht hatte. Weil es Faye war. Ich nickte nur leicht auf ihre Worte hin, bevor sie sich abwendete und sich mit dem Dunkelblonden in Richtung Krankenzelt abwendete, um zu gehen. Um sich verarzten zu lassen. Dann ließ ich mich mit einem erschöpften, gestressten Seufzen für einen Moment lang tiefer in den Fahrersitz sinken, starrte für einige Sekunden das schwarze Lenkrad an. Atmete das erste Mal, seit die Brünette das Messer in ihrem Arm stecken gehabt hatte, wieder richtig durch. Versuchte, mich zu sammeln, zu sortieren, aber auch jetzt wollten sich die kleinen Abers und Wenns noch nicht beruhigen lassen. Was, wenn sie mir doch wieder weh tat, obwohl es ihr so schrecklich leid tat? Wenn sie noch einmal so sehr vor Etwas Angst hatte, verzweifelt war, dass sie mich mit einer Tat überging? Ich wusste nicht, ob mein ohnehin schon so kaputter Verstand das ein zweites Mal mitmachen würde, ob ich mich ein zweites Mal abfangen konnte. Aber was war die Alternative? Für den Rest der Zeit in der Army, in der ich mich für diese Station verpflichtet hatte, Faye meiden zu müssen, was noch mindestens 2 Jahre waren, sofern der Krieg nicht frühzeitig sein Ende fand? Jedes Mal einen weiteren Pfeil in meinem Herz landen zu lassen, wenn ich ihre Blicke ignorieren und ihre Nähe umgehen musste? Ich kappte den Gedanken so gut es ging ab und fuhr den Wagen wieder an, um ihn zu den anderen auf den Parkplatz zu stellen, ihn wieder in die Reihe der Fahrzeuge einzugliedern. Erst da stellte ich den Motor ab und stieg aus, wonach mich meine Beine fast automatisch in Richtung des Sanitäterzelts führen wollten... und ich ließ sie einfach gewähren, folgte damit mehr dem Gefühl in meinem Bauch, als einem vernünftigen Gedanken. Auf dem Weg wurde ich jedoch noch einmal von Anthony abgefangen. Anthony Gray. Er hatte meistens die Aufgabe den Funk zu überwachen, wenn von den leitenden Personen - Lieutenant und Sergeant in unserem Fall - keiner anwesend war. Er hatte also den Funkspruch vom Brunnen aufgefangen und uns offenbar bereits erwartet. "Wie geht's ihnen?", fragte er mich fast etwas hektisch, dringlich. "Den... Umständen entsprechend. Ist aber nichts Lebensbedrohliches.", teilte ich ihm die Lage mit bemüht ruhiger Stimme mit, nickte kaum merklich, wobei ich nicht wusste, ob diese Meldung nicht auch gleichzeitig für mich galt. Konnte man auch an gebrochenem Herzen sterben? Hatte sich in letzter Zeit so angefühlt. "Gut, ich geb's weiter. Hab' bisher Niemanden erreicht... sind sicher nur beschäftigt.", redete er nachdenklich mehr mit sich selbst, als mich dabei anzusehen, wendete sich noch während seiner letzten Worte ab und ging Irgendwas vor sich hin murmelnd wieder weg. Einen Moment lang sah ich ihm noch nach, bevor ich mich doch langsam wieder in Bewegung setzte. Vielleicht wollte Faye mich nicht in ihrer Nähe, aber ich musste zumindest sehen und wissen, was der Arzt zu dem Messerstich sagte.
Eine erlösende Kugel? Ha, konnte er sich lange wünschen, schön weiter davon träumen. Das Arschloch würde so lange weiter vor sich hin betteln, bis ihm die Kraft dazu fehlte. Was auch schon sehr bald der Fall war, als er immer weniger sagte und schließlich gar Nichts mehr, was mein Herz doch glatt einen Freudensprung machen ließ. Ich trat ein wenig näher heran und sah Aryana über die Schulter, während sie dabei war unseren Plan in den letzten Zügen zu perfektionieren. Dabei war ich absolut nicht neidisch auf sie, sah Warrens dickes, blau angeschwollenes Bein doch wirklich unappetitlich aus. Zwar war ich nicht zimperlich, was Verletzungen anging, aber da war mir jede Schuss- oder Stichwunde lieber, als mir dieses eklige Ödem anzuschauen oder es gar anzufassen. Demnach war ich auch ein bisschen froh, als sie das Ekelpaket wieder ins Hosenbein hüllte und es nach außen hin nicht mehr sichtbar war. Das war's. Während die letzten atemlosen, erstickten Laute des Lieutenants im Hintergrund wie Musik in meinen Ohren waren, ich die letzten Züge meiner Zigarette genoss, war sein Schicksal besiegelt und kein Arzt auf dieser Welt könnte mit noch so viel Antiserum dafür sorgen, dass er diese Scheiße doch noch überlebte. Es war ein wirklich angenehmes Gefühl von Macht und auch eine unfassbare Erleichterung, seine Symphonie aus leisem Röcheln und ächzenden Lauten zu hören, die immer leiser wurde. Wie ein Sturm, der nach jahrelangem Tosen endlich zum Erliegen kam und von da an Niemandem mehr schaden würde. Wun-der-schön. Würde ich noch aktiv Musik machen, könnte ich glatt einen Song drüber schreiben. Ich ließ die Zigarette mit einem lockeren Grinsen auf den Lippen gerade in den Sand fallen, als die junge Frau die Tür wieder zumachte und ihr Wort an mich richtete. "Ja, sieht ganz so aus.", stimmte ich ihr hörbar guter Laune zu und nickte leicht, trat die Zigarette aus und schob noch etwas Sand drüber. Nicht, dass etwas in der Nähe hätte brennen können, aber ich hatte mir das hier wohl einfach in der Zeit angewöhnt, als ich noch hinter den Luftschächten am Rauchen gewesen war. Ich sah erst Aryana an, dann warf ich an ihr vorbei noch einen Blick auf das vor sich hin sterbende Elend auf dem Rücksitz, das wenige Augenblicke darauf ohnmächtig zu werden schien, während ihm das Blut weiter über die Lippen lief. Wir hatten einige Minuten Rückweg, ziemlich genau achtzehn. Fünfundzwanzig, wenn ich mir im Gegensatz zum Hinweg viel Zeit ließ... und das würde ich. "Fahr'n wir zurück, oder?", stellte ich ihr so halb eine Frage, die gleichzeitig eher eine Feststellung war. Wir brauchten theoretisch nicht mehr zu warten, auch, wenn der Fettsack jetzt noch nicht tot war. Viel Zeit hatte er nicht mehr, ein paar Minuten vielleicht. Er war dabei innerlich zu verbluten und je nachdem, was stärker befallen war, würden entweder seine Gedärme oder sein Gehirn zeitnah so von Blut überschwemmt sein, dass er endlich auch zu atmen aufhören würde. Ich zog die Fahrertür in aller Ruhe auf, machte es mir dann ganz entspannt wieder hinter dem Lenkrad bequem. Normalerweise hätte ich mir die Hände abgewischt, aber es war nur gut, wenn ein wenig von dem Öl und anderweitigem Schmutz aus dem Motorraum daran kleben blieb. Musste ja so aussehen, als hätte ich Etwas reparieren müssen. Ich drehte mich dann aber doch noch einmal etwas nach hinten, um zufrieden zu sehen, dass der Körper des Lieutenants nur noch unregelmäßig zuckte, weil die Schmerzen an seinen Nerven nagten, sich sonst aber nicht mehr regte. Ein Bild, das ich wohl Niemals vergessen würde und wollte.
Sie war froh, dass er nicht fragte und nicht darauf bestand, mitzukommen. Auch wenn sie es hasste, ihn hier zurückzulassen und auch wenn sie sich gewünscht hätte, seine Hand nie mehr loszulassen. Jetzt, wo sie sie endlich wieder unter ihren Fingern spüren durfte. Sie hatte Angst, dass es nur dieser kurze Moment gewesen war, dass er gleich wieder aufwachte und ihm bewusst wurde, dass sie leider kein neuer Mensch geworden war, nur weil sie ein Messer gefangen hatte. Dass sie ihn trotzdem betrogen hatte und dass sie trotzdem eine Schlampe war. All diese Gedanken liessen sich nur mühsam wieder aus ihrem schwerfälligen Kopf vertreiben, als sie schliesslich beim Sanitäterzelt ankamen, wo der Arzt bereits wartete. Brian bestand darauf, dass sie sich zuerst verarzten liess und auch wenn sie damit nicht ganz einverstanden war, hatte sie weder wirklich Kraft, noch Lust, mit ihm zu diskutieren. So setzte sie sich hin, biss auf ihrer Lippe herum und wartete den passenden Moment ab, in dem der Arzt sich seinen Instrumenten zuwandte und sie rasch aus der Jacke schlüpfen konnte. Diese legte sie sorgsam neben sich auf die Liege, auch wenn das Kleidungsstück vollkommen vollgeblutet war und keiner auf die Idee kommen würde, es nach der Wundversorgung wieder überzuziehen. Keiner ausser ihr, wahrscheinlich. Der Arzt hatte sich nun wieder ihr zugewandt, kaum hatte sie ihren rechten Arm so in ihren Schoss gebetet, dass die feinen Schnitte grösstenteils versteckt waren. Und für den Moment hatte keiner es bemerkt, weil die tief aufgerissene Haut ihres linken Armes doch ein Bisschen dramatischer aussah. Um die Blutung zu stoppen, entschied der Arzt, das Ganze erstmal zu nähen, bevor sie überhaupt prüften, wie viel das Messer in ihrem Arm kaputt gemacht hatte. Immerhin wartete auch Brian auf Versorgung und alles andere würde schlicht zu lange dauern. Das fand sie nur gut, denn solange die Wunde so an ihrem Arm klaffte, rann der rote Saft weiter nach draussen. Ausserdem wollte sie gar nicht daran denken, was alles kaputt sein könnte und was das bedeuten würde. Nach der Betäubung und Wundreinigung beschäftigte sich der Arzt (ich mags, dass der keinen Namen hat xD) mit Nadel und Faden und schon bald war ihr Arm wieder zu. Nicht geheilt, aber immerhin verschlossen. Kaum war der letzte Stich getan, öffnete sich auch der Zelteingang nochmal und gewährte Victor Einlass. Und Faye blickte ihm sehnsüchtig, wenn auch überrascht und weiterhin sehr unsicher entgegen. Eigentlich sollte er nicht hier sein. Aber da er es nun trotzdem war... Konnte sie die Erleichterung, die die Tatsache, dass er sie wieder anschaute, auslöste, auch einfach zulassen. Die Wärme, die seine blosse Anwesenheit in ihrem blassen Körper verströmte. [Sicher alles extrem realistisch, weil Queni extrem viel Ahnung von Medizin hat. x'D]
Fast schade, dass er nach gefühlt so kurzer Zeit von der Ohnmacht erlöst wurde. Aber auch gut, denn erstens stank er, zweitens hatte sie genug von seinen dahingelallten Beleidigungen, drittens war das Blut doch auch hässlich und viertens sollte er diese Welt nicht noch eine Sekunde länger mit seinem verdammten Leben beschmutzen. "Denke schon, ja", nickte sie auf Mitchs Frage, ging gemütlich zu ihrer Tür, um diese aufzumachen und sich auf ihren Sitz zu begeben. Als Mitch den Motor gestartet hatte, begaben sie sich nun also in einer Seelenruhe auf den Rückweg. Nach etwa zehn Minuten griff Aryana zum Funkgerät, um dem Camp von ihrem Notfall zu berichten, klar zu stellen, dass das nutzlose Gegengift auch ja bereit wäre, wenn sie in aller Eile die rettende Sanität erreicht hatten. Kaum meldete sie sich aber bei Anthony, überschwemmte der sie auch schon mit anderen Informationen, die sie jetzt, in diesem doch so freudigen Moment, bei Gott nicht hatte hören wollen. Aryana zögerte. Fluchte leise vor sich hin. Sie wollte nicht sagen, dass der Lieutenant von einer Schlange gebissen wurde. Sie wollte nicht, dass der Arzt alles vorbereitete um dem Drecksack das ausgehauchte Leben zu retten, das sowieso auf ewig verloren war. Denn dann würde er ihre Schwester sitzen lassen. Dann würde Fayes Verletzung in der Prioritätenliste zurückrutschen, weil sie weniger lebensbedrohlich war wie die, die Warren bis dahin eh schon umgebracht hatte. Anthony meldete sich wieder, nachdem sie wohl etwas zu lange ihre Antwort für sich behalten hatte. Und Aryana wusste, dass sie gar keine Optionen hatte. Wenn sie den Schlangenbiss nicht ankündigte, war das vorsätzliche Tötung. Mindestens. Also meldete sie ihren vermeintlichen Notfall doch, wenn auch mit äusserst nüchterner Stimme. Und zum Glück wurde ihr Gesichtsausdruck dabei nicht mit aufgezeichnet, sonst würde ihr keiner abnehmen, dass sie sich auch nur ein winziges Bisschen um das Arschloch gesorgt hätte. Als sie das Funkgespräch beendet hatte, schlug sie sich die flache Hand gegen die Stirn. "Verdammte Scheisse.. was muss sie sich auch ausgerechnet jetzt aufspiessen lassen?!", stöhnte sie ein Bisschen genervt und aber viel mehr besorgt. Anthony hatte gesagt, dass es ihr gut ging, dass es nicht lebensgefährlich war. Und trotzdem war sie verletzt. Jetzt, wo sie doch ein Freudenfest feiern und nicht sterben sollte.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
[ Haja, wir sind halt alle weder Soldaten, noch Mörder, noch Ärzte - ein bisschen unrealistischer Kram sei uns vergönnt x'D ]
Obwohl ich wusste, dass Faye unmöglich innerhalb der wenigen Minuten, in denen ich sie nicht gesehen hatte, hatte sterben können, war ich doch sehr erleichtert zu sehen, dass sie noch - mehr oder weniger - aufrecht auf der Liege saß. Dass sie nicht wegen des Blutverlustes in eine Ohnmacht abgedriftet war oder sonst irgendwas Schlimmes. Einfach Alles, was meine Augen jetzt nicht auch noch ertragen oder gar verarbeiten konnten. So lächelte ich der jungen Frau schwach entgegen, als ihr Blick den meinen auffing, obwohl es vermutlich trotzdem noch mehr schlecht als recht aussah. Nicht gezwungen, aber doch angestrengt wirkte, weil ich das ganz einfach war. Seit Wochen. Mein Blick rutschte demnach recht schnell zu dem Arzt, Harshall Wilson (sorry, jetzt hat er einen XD), der sich schon Brian zuwendete, weshalb ich ihn noch einmal kurz mit einem vorsichtigen Griff an seinem Oberarm in der Bewegung stoppte. "Irgendwelche Probleme..?", hakte ich mit einem Seitenblick auf Faye nach, was ihm wohl unmissverständlich klar machte, auf wen das bezogen war. Er zuckte erst einmal nur mit den Schultern, als ich ihn bereits losgelassen hatte. "Ich muss es mir später noch genauer ansehen... aber so schlimm ist es wohl nicht.", war Alles, was er mir an Auskunft geben konnte, womit ich eigentlich gar nicht zufrieden war. Es wäre schon gut zu wissen, ob Bänder und Sehen betroffen waren, oder ob es nur Muskeln waren, die das Messer zerschnitten hatte. Ich sah ihm unzufrieden nach, als Harshall auch schon anfing, sich Brians Arm zu widmen. Ich machte nur zwei Schritte auf Faye zu, bevor Anthony erneut meine sowieso nicht vorhandene Ruhe zerstören musste und vor mir vorbei förmlich ins Zelt rannte, um den Arzt wild mit den Händen fuchtelnd darauf hinzuweisen, dass ein anderer Notfall zeitnah eintreffen würde. Um was es dabei ging, stimmte mich persönlich aber nicht mal ein bisschen traurig. Sollte Warren an dem verdammten Schlangenbiss doch verrecken, dann war ich ihn wenigstens los und auch die Brünette müsste seinen Anblick nicht mehr ertragen. Mitleid war wohl das Letzte, was der Lieutenant von mir ernten würde. Trotzdem wendete sich der Arzt sofort von Brian ab, um stattdessen hastig damit anzufangen, Alles für die Ankunft des Arschlochs vorzubereiten. Ich versuchte mich nicht zu sehr von dem Gedanken einnehmen zu lassen, als ich meinen Blick nach einem kurzen Kopfschütteln wieder an Faye wandte, nahe bei ihr stand, mich aber nicht recht setzen wollte. Mir war nicht nach ruhig dasitzen, war ich innerlich doch vollkommen aufgekratzt. "Wie.. gehts dir?", fragte ich sie vorsichtig, eher leise, wobei mein Blick noch einmal auf die inzwischen genähte Wunde fiel, diese musterte. Sah auf den ersten Blick ordentlich aus, ich würde Wilson also nicht auf Fehler hinweisen müssen. Danach fanden meine unruhigen Augen wieder den Weg in ihre, während Brian seinen Verband noch enger schnürte, um die blutende Wunde einzudämmen.
Autofahren war keine Sache, bei der ich mich in meinem Alter noch wirklich konzentrieren musste, erst recht nicht bei derartig leeren Straßen, wie es in diesem Land meistens der Fall war. Waren hier überwiegend sowieso nur festgefahrene Dreck- und Sandwege, die sich Dank des gefühlt nie vorhandenen Regens auch nicht lösten, und keine festen Straßen, was lediglich in manchen angeblich zivilisierteren Regionen der Fall war. Hier jedenfalls nicht, waren wir nie nah genug an die Stadt herangekommen, um Teer unter die Räder zu kriegen. Jedenfalls verfolgte ich beiläufig den Funkspruch, der mich doch einen kurzen, prüfenden Blick in Aryanas Richtung werfen ließ. Sie sollte mir hier jetzt nicht den Kopf verlieren, weil ihre Schwester verletzt war. Wir mussten schließlich nicht nur dem Arzt die Situation schildern, sondern eigentlich auch zeitnah einen Bericht anfertigen. Gut, prinzipiell konnte ich solange einfach die Füße auf den Tisch legen und sie die Zeilen abtippen lassen, weil wir uns mit der Story an sich schon lange einig waren, müsste nur noch meine Unterschrift mit aufs ausgedruckte Papier setzen. Aber ich war nicht der Typ dafür, der sich blind auf Andere verließ. War lieber selbst mit von der Partie und sah zu, dass auch Alles in geregelten Bahnen ablief. "Sie wird schon wieder... sicher halb so wild.", war Alles, was ich vorerst dazu sagte. Was auch sonst? Ich kannte Faye wenig bis gar nicht, aber selbst, wenn sie so sehr aus Zucker war, wie sie auf den ersten Blick aussah, würde sie ein Messer im Arm nicht das Leben kosten. Vielleicht würde sie paranoid werden oder anderweitig traumatisches Verhalten zeigen, aber sie würde es überleben. Wir kamen dem Camp letztlich immer näher und nur die Meter, die vom Wachposten aus ersichtlich sein würden, schlug ich ein dann deutlich höheres Tempo an. Durfte ja nicht so aussehen, als wären wir gemütlich nach Hause getuckert. Als ich den Wagen letzten Endes nahe des Sanitäterzelt anhielt, kamen uns Anthony und der Arzt in weiser Voraussicht schon mit einer Trage entgegen. Wie gut, dass es auch noch einmal einige Sekunden kostete, den nur noch sehr flach atmenden Fettsack auf eben diese zu heben und dann in den ärztlichen Bereich abschieben zu können. Ich folgte, aber weniger, weil sie meine Hilfe brauchen würden - ich würde wahrscheinlich in jedem Fall nur im Weg stehen - und mehr, weil ich gespielt besorgt den Ablauf des Dramas verfolgen wollte, als Aryana schon dabei war Wilson zu Liebe die Geschichte grob zu schildern. Ein paar Meter weiter sah ich im Augenwinkel, dass Faye und Victor noch hier waren, ebenso der nervige Blondschopf, schenkte dem aber vorerst keine unnötige Beachtung. Wie gesagt, da starb ja gerade keiner.
Ja... mag sein... Aber wenn wir mal nen Gärtner schreiben würden, dann würd' ich echt aufblühen..! xD ______
Victor hatte offenbar nicht die Absicht, gleich wieder zu verschwinden und sie folgte ihm mit wachen Augen, während er auf sie zukam und sich bei Harshall (ist mir auch egal wie der heisst, ich hatte nur keinen Nerv, mir noch einen Namen auszudenken.. x'D) nach ihrem Wohlergehen erkundigte. Fast ein Bisschen süss... Sie liess den Blick sinken und biss auf ihrer Unterlippe herum, weil sie nicht schon wieder weinen wollte - nur weil er fragte, wies ihr ging und er das schon so lange nicht mehr getan hatte. Möglich, dass die Verletzung, der Blutverlust und die Erschöpfung mit dazu beitrugen, dass sie ein Bisschen übertrieben emotional wurde... Kurz blickte sie zu Brian, versuchte, ihm ein aufmunternd gemeintes aber kläglich gescheitertes Lächeln zu schenken, als der Arzt sich ihm zuwandte. Aber ihr gemütliches Kaffeekränzchen - nicht - wurde kurzum gestört, als plötzlich Anthony ins Zelt stürzte und völlig ausser Atem Worte vor sich hin keuchte, die auf einmal alles ändern sollte. Warren war mit Aryana und Mitch weg, ihre Schwester hatte es ihr gestern Abend bei ihrem täglichen Besuch erzählt. Was war passiert?? Anthony erwähnte keine weiteren Verletzten und wenn Aryana auch was passiert wäre, hätte er das zwingend sagen müssen. Trotzdem warf diese Nachricht nicht nur den Plan des Arztes sondern auch ihre gesamte Gefühlslage nochmal vollkommen ausser Bahn. Schlangenbiss... War das tödlich? Der Gedanke, dass der Lieutenant gleich hierher kommen würde, fand sie jedenfalls nicht beruhigend und Faye rutschte etwas unbehaglich auf der Liege herum. Bis Victor wieder ihre Aufmerksamkeit forderte und ihre Augen sofort seine fanden. "Es geht mir gut... Das... das ist nicht schlimm...", antwortete sie sofort, schneller, als sie sich wirklich eine wahrheitsgemässe Antwort hätte zurechtlegen können. Natürlich war 'es geht mir gut' eher ein Bisschen übertrieben. Aber es war zu kompliziert, ihre wahre Gefühlslage, die sie selber nichtmal beurteilen konnte, offen zu legen. Also gings ihr wohl zwangsläufig gut. Und ob die Verletzung schlimm war, das wusste sie noch nicht... Auch wenn sie wirklich, wirklich auf ein Nein hoffte. Wenn die Bizepssehne - die ziemlich genau dort liegen dürfte, wo das Messer eingedrungen war - durchgeschnitten war, dann musste sie operieren. Dann musste sie weg, zumindest vorübergehend. Und davor hatte sie - oh Wunder - Angst. Aber sie sollte nicht daran denken, strich mit ihrer rechten Hand stattdessen leicht über Victors Unterarm und seine Hand, nur um ihn zu berühren. Dann wandte sie sich aber erstmal Brian zu, der nun mit seinem Arm alleingelassen wurde, nur weil der verdammte Lieutenant nicht aufgepasst hatte. Es dürfte schwierig werden, weil sie mit Links ziemlich eingeschränkt war, aber ihn einfach so da sitzen zu lassen, war irgendwie auch keine Option. "Kannst du mir Handschuhe reichen? Und das Desinfektionszeug... Und Nadel und Faden", bat sie Victor, während sie schon dabei war etwas näher zu dem Blonden zu rutschen, um mit leicht verkrampfter Mimik dessen behelfsmässigen Verband zu lösen. Ihre Wunde war betäubt, was mit Sicherheit dazu beitrug, dass die Schmerzen in ihrem Arm sich dabei relativ gut aushalten liessen. Und kaum hatte sie ihre eigenen Hände desinfiziert und die Handschuhe angezogen, stürzte der angekündigte Trupp auch schon ins Zelt. Warren lag auf einer Trage, absolut nicht mehr bei Bewusstsein und ein einziger Blick in seine Richtung reichte, um eindeutig abschätzen zu können, dass seine Verletzung tödlich verlaufen würde. Fayes Blick fand nur noch kurz ihre Schwester, die aber wie erwartet wohlauf zu sein schien. Dann senkte sie den Kopf wieder, konzentrierte sich auf Brians Arm, während in ihrem Gehirn der nächste unhaltsame Sturm losbrach. Warren. Starb. Er war für immer weg. Aryana war dabeigewesen. Aryana hatte ihn gehasst. Sie wollte ihrer Schwester keinen Mord anhängen - aber wenn sie es doch getan hatte, dann hoffte Faye unendlich fest, dass sie es gut gemacht hatte, dass es nie, nie mehr als ein Unfall sein würde.
Konnte er schon sagen, ja. Und so wie Anthony es gesagt hatte, würde das auch der Wahrheit entsprechen. Aber Aryana fand es trotzdem höchst unpassend von ihrer Schwester, sich ausgerechnet heute zu verletzen, wo sie es doch die letzten Monate so erfolgreich vermieden hatte. Die Brünette schüttelte lediglich mit einem weiteren Augenverdrehen den Kopf auf Mitch's Worte. Die Fahrt zog sich nicht viel weiter in die Länge, während sie ständig mit Anthony in Kontakt blieb. Es verging höchstens eine Viertelstunde, seit sie ihre Rückkehr angekündigt hatte, da raste der Wagen auch schon aufs Tor zu und zum Sanitäterzelt. Wilson und Anthony kamen direkt angerannt mit einer Trage und Aryana hätte am liebsten einfach abgewinkt und ihnen gesagt, dass es sowieso nichts mehr zu retten gab. Würden sie aber auch gleich selber bezeugen können, also sparte sie sich den Atem. Wilsons Gesichtsausdruck, als er den überhaupt kaum mehr atmenden Warren vom Rücksitz zerrte, sagte alles. Er wusste es. Er wusste, dass das Arschloch sterben würde. Trotzdem tat er so, als würde er noch versuchen, etwas zu retten. Genau wie Aryana tat, als würde sie versuchen, zu helfen. Sie beschrieb ein weiteres Mal die Schlange, die sie gesehen hatten, beschrieb, was Warren bis jetzt laut ihrer freien Fantasie getan hatte. Und Wilson nickte auf dem Weg ins Zelt, nickte, während er den Deckel von der vorbereiteten Spritze mit dem Antiserum nahm. Er verschwendete das Gegengift nur, weil er sich davor fürchtete, sonst später angeprangert zu werden, weil er nicht alles versucht hatte. Denn einen anderen Grund gab es nicht. Warren hatte spätestens in zwei Minuten ausgelebt - so Aryanas fachmännische Diagnose. Und sie stand daneben, halb besorgt, halb nervös. Spielte die Rolle perfekt, die sie sich auferlegt hatte - auch als ihr Blick zu Faye und Victor und Brian glitt. Ihre Schwester war schon wieder am Krankenschwester spielen... So nahe am Sterben war sie also wirklich nicht - auch wenn ihre Gesichtsfarbe ziemlich ungesund aussah. Ein weiterer Grund, sich erstmal nicht darauf zu konzentrieren, sondern immer wieder ihre Hilfe anzubieten, während sie Wilson fragte, was er dachte, was passierte, ob Warren durchkam. Natürlich nicht. Dafür hatten sie gut gesorgt.
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Gut also... wer's glaubt. Ihre gesamte Körperhaltung und ihre Mimik verrieten mir Etwas vollkommen anderes, aber eine bessere, ehrlichere Antwort würde ich hier und jetzt wohl nicht bekommen. Es sei der jungen Frau angesichts ihrer Lage verziehen und vielleicht wollte sie mir ihre Gefühlslage und vorhandene Schmerzen auch einfach nicht mitteilen, weil sie mich nicht weiter beunruhigen wollte. Die sanften Berührungen an meinem Arm ließen mich kurz die Augen schließen, lösten sie doch das angenehm warme Kribbeln aus, das ich so lang vermisst hatte. Unbewusst ein klein wenig lächelnd öffnete ich die Augen wieder, als Faye ihr Wort erneut an mich richtete. Sie wollte also wirklich schon wieder ihrer Arbeit nachgehen? Akzeptierte ich nur mit einem innerlichen Zähneknirschen, wäre es mir doch deutlich lieber, wenn sie den Arm absolut gar nicht bewegen und bestmöglich schonen wollte. Aber dabei kam wieder der aufopfernde Teil ihrer Persönlichkeit zum Vorschein, an dem ich die letzten Tage und Wochen immer wieder gezweifelt hatte. Machte mir noch einmal deutlich, dass ich mich nicht vollkommen in Faye geirrt haben konnte. Ich reichte ihr nach einem leichten Nicken Alles, wonach sie verlangte, wenn auch nur ungern. Dann fanden meine Augen automatisch zu dem hektischen Eintreffen des Lieutenants, wobei er selbst die einzige Person war, die ich mir genauer ansah... weil ich wissen wollte, ob er sterben würde. Ich war weder Arzt, noch hatte ich mich jemals mit Schlangen oder gar deren Gift auseinander gesetzt. Aber spätestens, als Harshall sich nach Abgabe des Antiserums das Bein genauer ansah, war mir absolut klar, dass ich seine hässliche Visage nie wieder sehen müssen würde. Warum war mir auch vollkommen gleich. Zwar hätte ich dem Mistkerl gerne noch die einen oder anderen Worte an den hirnrissigen Schädel geknallt, aber ich konnte damit leben, dazu keine Möglichkeit mehr zu haben. Während Faye mit Brians Arm beschäftigt war, musterte ich das rege Treiben um den eigentlichen Chef des Camps so lange, bis es schließlich nach zwei oder drei Wiederbelebungsversuchen sehr schnell sehr ruhig wurde. Weil er tot war. Weil er nie wieder auch nur einer einzigen Frau auf diesem Planeten jemals wieder zu nah kommen würde. Weil er die Luft endlich nicht mehr mit seinem stinkenden Atem verpestete. Ich konnte nicht anders, als mich über seinen Tod zu freuen, obwohl ich normalerweise wirklich kein rachsüchtigen Mensch war, aber er hatte es einfach nicht anders verdient. So drehte ich den Kopf mit einem schwachen, kaum sichtbaren Lächeln wieder zu der Brünetten, die gerade mit Brians Verletzung fertig geworden war. Der junge Mann hatte wohl ebenso gebannt wie ich zu den Anderen geschaut, bis er sich jetzt bei Faye bedankte und dann doch auch zeitnah das Weite, Ruhe suchte. Ich nahm der jungen Frau sämtlichen Kram ab, den sie benötigt hatte, räumte ihn für sie bei Seite, weil sie keinen Handschlag mehr als nötig tun sollte. Gar nicht mit dem Gedanken spielen sollte, sich in naher Zukunft um irgendwas Anderes als sich selbst kümmern sollte. Sie würde wohl noch eine Weile hier warten müssen, bis der Arzt wieder Zeit für sie hatte, nachdem er Warren jetzt abdeckte, sich erst einmal um dessen fachgemäßen Abtransport aus dem öffentlichen Zeltabteil hier kümmerte. Damit sie gar nicht erst dachte, dass ich sie jetzt alleine hier sitzen lassen würde, nahm ich demonstrativ neben ihr Platz, bettete nach kurzem Zögern vorsichtig ihren Kopf an meine Schulter, woraufhin ich auch die Augen wieder schloss und mich ganz von dem Gefühl ihrer Nähe einnehmen ließ. Vielleicht würde ich das Alles so schnell nicht vergessen können, aber sie verdiente eine Chance mir zu zeigen, dass ich mich nicht in ihr getäuscht hatte. Dass sie noch immer der Mensch war, den ich kennen und auch zu lieben gelernt hatte.
Nein wie tragisch. Ich hatte inzwischen ein wenig Abstand genommen, um eben Niemanden bei seiner Arbeit zu hindern - als könnte man da noch Irgendwas retten -, stand aber nach wie vor dicht bei dem heillosen Gewirbel um Warren. Bestaunte zufrieden, wie er seine letzten Atemzüge machte, auch die elektrischen Ladungen ihm nicht mal einen Funken Leben wieder einhauchen konnten, weil seine Organe den Kampf aufgaben und der Arzt ihn schließlich aufgab. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen war ihm schon vorher klar gewesen, dass der Fettsack es nicht mehr schaffen würde, und dennoch verkündete er seinen Tod ganz offiziell erst nach einem tiefen Seufzen. In meinem Kopf breitete sich das wohlige Verlangen nach einem Glas gutem Scotch oder Whiskey aus. Schön auf Eis, was das Brennen in der Speiseröhre beim Trinken minimal linderte. Wunschdenken, aber ich würde Alles dafür geben, es zu realisieren, wenn es möglich wäre. Einfach um darauf zu trinken. Nicht auf Warren, sondern auf seinen erlösenden Tod, der so vielen Menschen zukünftig das Leben retten würde. Aber zurück zum Hier und Jetzt: Ich half Wilson die Trage in den von Blicken abgedichteten Bereich zu schieben, weil der Kerl nunmal einfach schwer war. Er bedankte sich nur knapp für meine Hilfe, bevor ich den Bereich wieder verließ und mir im Vorbeigehen erst einmal Desinfektionsgel vom mobilen Ständer am Durchgang genehmigte. Auf das Alles, was an von ihm verursachten Bakterien an der Liege geklebt hatte, auch ja sofort weggebrannt wurde. Schön ausführlich rieb ich mir die Hände damit ein, bevor ich langsam wieder zu meiner Komplizin aufschloss, sie relativ neutral ansah, obwohl alles in mir nach einem triumphalen Grinsen verlangte. "Willst du den Bericht gleich schreiben oder erst noch..?", hakte ich nach, deutete mit den letzten Worten mit einem seitlichen Kopfschwenken auf ihre Schwester. Sie war nicht allein und scheinbar hatte sich der Ärger im Paradies vorerst ein wenig beruhigt, aber vielleicht brauchte Aryana trotzdem ein paar Minuten mit ihr. Einfach weil sie sich Sorgen machte, es ihre Familie war... dies und das eben. Kram, mit dem ich Nichts zu tun hatte, dem ich mich aber auch nicht in den Weg stellen würde. Ganz so schnell rannte uns die Zeit für den Bericht dann doch nicht weg... solange der innerhalb von ein paar Stunden erledigt war, dürften Alle damit zufrieden sein.
Sie konzentrierte sich krampfhaft auf Brians Wunde, betäubte die Stelle an seinem Oberarm, säuberte den ziemlich langen aber immerhin nicht so tiefen Schnitt gründlich und nähte die Haut sorgfältig wieder zusammen. Dann legte sie einen sauberen Verband an, wobei ihr unmöglich hätte entgehen können, wie im Hintergrund der Strom durch Warrens Körper schoss. Wie es dann still wurde. Weil er wie erwartet tot war. Durch das Gift einer Schlange. Welch Ironie... Faye atmete tief durch, um nicht zu zittern, fixierte den Verband und liess von Brians Arm ab. Sie legte mechanisch alle Instrumente auf die Liege, faltete sorgfältig ihre Hände in ihrem Schoss. Sie wollte sich nicht darüber freuen, dass jemand gestorben war. Aber die Erleichterung, die sein Tod in ihr auslöste, war nicht in Worte zu fassen. Faye blickte zu Victor, als er sich ihr zuwandte, erwiderte das schwache Lächeln auf dieselbe, kaum sichtbaren aber unendlich frohen Weise. Ihr entging fast vollkommen, dass Brian sich bedankte und ging. Aber es geschah, genau wie Victor beiläufig ihre Sachen wegräumte. Und dann setzte er sich zu ihr, liess sie ihren Kopf an seine Schulter legen und ihm so nahe sein, wie gefühlt ewig nicht mehr. Auch sie hatte die Augen geschlossen, atmete seinen Duft ein, liess die Wärme ihren Körper durchströmen. Faye legte ihre rechte Hand auf seinem Bein ab, strich über den Stoff seiner Hose, während die tausend Gedanken in ihrem Kopf langsam leiser wurden, nur noch er darin zu finden war und die hartnäckige, leise Gewissheit, dass alles irgendwie wieder gut werden könnte. Warren war tot. Was passiert war, konnte sie nicht ungeschehen machen und ein Teil seines Dreckes würde für immer an ihr kleben. Aber er würde es nie wieder tun, sie würde sich nie wieder darauf einlassen. Sie war frei von ihm und ihre Schwester war frei von ihm und das ganze Camp. Victor sass neben ihr. Freiwillig so nah, wie er es in letzter Zeit nur in ihren sehnsüchtigen Träumen getan hatte. Sie hatten noch nicht darüber geredet, was gewesen war und was sein würde. Aber sie würde alles dafür tun, um es nochmal zu versuchen, um ihm zu beweisen, dass sie besser war als die abscheuliche Hure, die sie ihm gezeigt hatte. Die sie nie wieder sein wollte. "Ich habe dich so vermisst...", hauchte sie leise, dass nur er es hören konnte.
Er röchelte. Und er röchelte nicht mehr. Wilson jagte Strom durch seinen Körper. Aber er röchelte noch immer nicht mehr. Es war vorbei. Warren würde nie wieder jemandem wehtun. Nicht ihrer Schwester. Nicht einem Soldaten. Nicht ihr selbst. Denn Warren war tot. Endlich. Aryana konnte die Genugtuung, die sich in ihr ausbreitete wie Licht in der Dunkelheit kaum fassen. Aber sie liess sich noch immer nichts anmerken. Die Erleichterung tarnte sie mit Fassungslosigkeit. Die Freude mit Schrecken. Das Wissen mit Resignation. Sie schaute tatenlos dabei zu, wie Wilson die Leiche abdeckte. Räumte den Defibrillator zur Seite, während Mitch dabei half, die Überreste des Widerlings abzutransportieren. Er sah schon schrecklich aus und Aryana war mehr als froh um das Tuch, das ihre Augen vor dem Anblick seiner hässlichen Visage bewahrte. Das Gift hatte ihn nicht unbedingt schöner gemacht, als er es vorher gewesen war. Und grundsätzlich ekelte sie sich sowieso vor allem, was jetzt auch nur noch teilweise an ihn erinnerte. Sie hoffte wirklich, dass wer auch immer ihn ersetzen würde, erstmal alles auswechselte, was dem Bastard gehört hatte. Unwahrscheinlich, aber hoffen war nicht verboten. Als Mitch langsam zu ihr zurückkam, wäre sie ihm doch tatsächlich liebend gerne mit einem 'wir habens geschafft!!!!' um den Hals gefallen. Und das, obwohl sie so gar nicht der Typ für Free Hugs und sowas war, lieber ein Bisschen distanziert ihren Abstand behielt. Aber normalerweise tötete sie auch nicht den Mörder ihres Bruders und Vergewaltiger ihrer Schwester. Und normalerweise hatte sie auch niemanden, der ihr dabei so entscheidend half. Seine Frage liess sie mit den Augen seiner Kopfbewegung folgen. Faye sass mit geschlossenen Augen an Victor gelehnt da. Und Aryana wusste, wie sehr die kleine Brünette ihren nicht mehr so geheimen Lover vermisst hatte. Wahrscheinlich würde sie es eher nicht so schätzen, wenn sie ihr diesen Moment mit ihm stahl. Also konnte sie auch später nach ihr sehen. Sie hatte vorhin Brians Wunde versorgt, was die Hoffnung wachsen liess, dass es sie doch nicht ganz so schlimm getroffen hatte... Aryana nickte leicht. "Wir können schreiben gehen. Ich werd später nach ihr sehen", bestimmte sie, trat zurück an die frische Luft, um mit Mitch los in Richtung der Büros zu gehen. Unterwegs hielt sie dann aber doch noch einen Moment im Schatten der Zelte an, wo keine Kamera und kein ungewolltes Augenpaar sie sah. Sie streckte die Arme in den Himmel, legte den Kopf in den Nacken und liess das Grinsen ihr Gesicht einnehmen, welches sie sich so schlecht hatte verkneifen können. "Tausend Mal Halleluja", murmelte sie leise vor sich hin, blickte nun zu Mitch und schüttelte leicht den Kopf. Viel reden sollten sie hier nicht. Aber einen Moment durchatmen, einen Moment die Gefühle fliessen lassen, die sie gleich wieder einsperren würde. An diesem so ziemlich besten Tag seit zwei Jahren.
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Vermissen war gar kein Ausdruck mehr dafür. Vermissen war eher ein Wort für Zeiten, in denen ich darauf hatte warten müssen, dass wir wieder ein paar ruhige Minuten für uns allein bekamen. Das hier war mehr, als sie nur vermisst zu haben. Besagtes vermissen war gepaart mit gleichzeitiger Enttäuschung und Angst, was es schon nach wenigen Tagen schier unerträglich hatte werden lassen. Aber jetzt musste ich sie nicht mehr vermissen... oder zumindest nicht mehr so sehr wie vorher. Sicher würden wir auch nicht für immer genau hier nebeneinander sitzen und uns in den Armen liegen, aber ich wusste jetzt, dass es wieder so werden konnte, wie es das vorher gewesen war. Oder erst einmal zumindest sehr ähnlich, bis ich die fiesen Hintergedanken in ihrer Nähe endlich ablegen konnte, was wohl noch ein wenig dauern würde. Aber vielleicht vergaß ich Alles auch schneller, als ich jetzt für möglich hielt. Ich wusste, welchen Einfluss Faye auf mich hatte und ich glaubte nicht, dass sich in der Zwischenzeit viel daran geändert hatte. Schließlich war ich nicht mehr wütend auf die junge Frau... noch immer ein enttäuscht, aber sie würde sicher auch das wieder vertreiben. Ich hatte ihr bis jetzt noch ein wenig übers Haar gestrichen, nahm jetzt aber meine Hand herunter und legte stattdessen vorsichtig meinen Arm um ihre Taille, im Versuch dabei auch ja nicht den verletzten Arm zu berühren. Schmerzen hatte sie sicher auch so genug, Schmerzmittel hin oder her, das war mehr als ein kleiner Kratzer. Ich erwiderte erst einmal Nichts, weil ich Anthony noch in unserer Nähe herumwirbeln und Irgendwas aufräumen sah, bis auch er schließlich erschöpft das Weite suchte und das Zelt verließ. So kehrte endlich wieder ein wenig mehr Ruhe um uns herum ein, die ich selbst auch wirklich gut gebrauchen konnte. Faye hatte meine Nerven vorhin ja gekonnt wieder strapaziert. "Du hast mir auch gefehlt..", erwiderte ich also erst nach etwas mehr als einer Minute, nuschelte Faye die Worte in ihre dunklen Haare, hatte mich ihrem Kopf mit meinem zugewandt. Ich öffnete die Augen langsam wieder, hob die freie Hand ein kleines bisschen zögernd an, um die Finger sanft unter uhr Kinn zu legen. Hob den Kopf der Brünetten damit leicht an, damit sie mich ansah, ich meine Augen in die ihren richten konnte. "Aber du... darfst sowas nie wieder machen, hörst du? ... nochmal verkraft' ich das nicht.", murmelte ich leise, ein wenig stockend zu der jungen Frau runter, wobei die letzten Worten wohl nur mehr ein tonloses Hauchen waren. Es war viel mehr auf die Warren-Geschichte bezogen, als auf den Stich in ihrem Arm. Aber es wäre mir doch auch recht, wenn sie es zukünftig vermeiden würde, sich abstechen zu lassen. War auch echt nicht gesundheitsfördernd für mein Herz.
Also erstmal keine Familienintervention. War mir auch recht, hätte ich doch nicht wirklich gewusst, wie ich mir die Zeit bis zum Bericht dann hätte vertreiben sollen. Ich konnte schließlich nicht freudestrahlend durch die Gegend laufen und all die - ausnahmsweise durchweg positiven, was doch echt selten bei mir war - Gefühle, die Gedanken mit dem ganzen Camp teilen. Natürlich hätte ich im Zelt vor mich hin warten oder duschen gehen können... aber ersteres war langweilig und zweiteres tat ich für gewöhnlich erst später am Abend. Ich war ein Mensch, der seine Tagesabläufe nur selten änderte, sie lieber strikt koordiniert hielt, was laut meinem ehemaligen Aggressionstherapeuten auch besser so war. Ich folgte Aryana aus dem Zelt, hielt automatisch inne, als sie plötzlich stehen blieb. Weshalb sie das tat, lag zeitnah auf der Hand. Einmal kurz die angespannte Gesichtsmuskulatur lockern und den angestauten Druck entweichen lassen, der zwingend notwendig gewesen war. So tat ich es ihr gleich und ließ meiner Mimik freien Lauf, die den ernster Ausdruck sogleich gegen ein breites Grinsen eintauschte, meine Mundwinkel nach oben schnellen und die Augen funkeln ließ, bevor ich diese für einen Augenblick lang schloss und auch meine angespannten Schultern etwas lockerte. Es war fast so, als hätten wir unsere Freiheit zurückgewonnen. Auch, wenn ich mich dem Willen des nächsten x-beliebigen Lieutenants ebenfalls beugen müssen würde, konnte der schlicht nicht so schlimm sein, wie Warren es gewesen war. Das war einfach nicht möglich. Und wenn doch, dann würde ich das im Keim ersticken. Auf welche Weise auch immer. Nochmal machte ich diese Scheiße nur über meine Leiche mit. Sagen tat ich jetzt aber Nichts. Viel zu wenig verschlossene Türen und Wände, um ein Gespräch diesbezüglich zulassen zu können. Also genoss ich nur noch einen Moment lang meinen Gefühlen freien Lauf lassen zu können, bevor wir uns wohl ebenso gut getarnt wie noch eben im Sanitäterzelt auf den weiteren Weg machten. Es war schon anstrengend, so tun zu müssen, als hätte einen diese Nachricht und das Erlebnis zutiefst erschüttert, wenn einem eigentlich eher danach war, einen Freudentanz zu machen und eine fette Party zu schmeißen. Aber das würde ja nicht ewig so sein, also war das völlig in Ordnung. Mit einem die Anspannung noch etwas mildernden Seufzen schloss ich schließlich Aryanas Bürotür hinter mir. Mein Gesicht hing genau in der Kamera, wenn ich mich jetzt ihr gegenüber an den Schreibtisch fallen ließ. Nur für den Fall, dass irgendwer den leisesten Verdacht hegte, müsste ich also noch eine Weile weiterspielen müssen.
Erst jetzt, wo er so dicht bei ihr war und sie seine Hände wieder auf ihrer Haut spürte, wurde ihr bewusst, dass sie wieder atmen konnte. Nach der ganzen Zeit, die sie mit Beten und Bangen und Zittern und Hoffen, dass er sie nicht für immer verstossen hatte, verbracht hatte, war das nichts anderes als eine unendliche Erlösung. Sie schaute ihn an, als sie seine Finger an ihrem Kinn spürte. Und allein das Aber mit dem er seinen Satz begann, liess unweigerlich Angst und Unsicherheit in ihrem Blick aufflackern, die Panik davor, dass er sie doch nicht einfach zurückhaben wollte, nach allem, was gewesen war. Doch als er fortfuhr, schüttelte sie sofort den Kopf, schlang die Hand, die bis eben noch auf seinem Bein gelegen hatte, um seinen Körper und zog ihn noch näher zu sich. "Ich versprechs, Victor... Nie, nie, nie mehr...", schwor sie ihm leise und alles an ihr unterstrich diese bedeutungsschweren Worte. Sie würde es ja selber nicht verkraften, wenn er sie noch einmal so anschaute - oder eben nicht anschaute - wie an dem Abend, als er alles erfahren hatte. Wenn er sie wieder tagelang krampfhaft ausblendete, aussperrte, sie jede Nacht alleine in ihrem Bett liegen und sich durch Alptraum um Alptraum pflügen liess. Nein, auch sie würde das nicht nochmal durchstehen, zumindest nicht, ohne dabei definitiv wahnsinnig zu werden. Denn es war nicht nur Victor und sein Herz, dass sie jedes Mal aufs Neue brechen würde. Es war auch ihre Persönlichkeit, die sie damit untergrub, den Selbsthass, den sie schürte, die Verletzlichkeit, die sie sich gab. Nein. Warrens Tod war ein sehr guter Moment um damit abzuschliessen. Jetzt, wo keiner mehr hier war, der wusste, was sie getan hatte und es sich zu Nutze machen könnte. Faye hob etwas den Blick, um sich umzuschauen, aber noch fehlte von Wilson jede Spur. Sie hatten also mindestens noch ein paar Minuten, die sie alleine auf dieser Liege sitzen würden, weshalb die Brünette ihr Gesicht sofort wieder an seiner Schulter vergrub, während ihre Hand ständig seine Seite auf und ab strich. Dann hob sie den Kopf wieder, blickte ihn an und ihre Hand verschob sich von seiner Seite in seinen Nacken. Sie wollte ihn küssen, nur kurz, um zu wissen, ob es sich noch gleich anfühlte. Auch wenn sie Angst vor der Antwort hatte. Weil der letzte Mann, der seine Lippen auf ihre gepresst hatte, nicht Victor gewesen war. Egal, wie sehr sie es wollte. Egal, wie sehr sie sich wünschte, Warren wäre ihr niemals so nahe kommen. Er hatte es getan - und es war erst zweieinhalb Wochen her. Zweieinhalb Wochen, während denen sie sich regelmässig die Haut von den Knochen geschrubbt hatte. Aber diese Art von Dreck blieb für immer kleben... Darum zögerte sie auch jetzt. Weil sie Angst hatte, dass Victor es bemerkte. Dass er den Schmutz sah, die Spuren, die ein anderer hinterlassen hatte. Dass ihm gleich wieder bewusst wurde, dass er nicht sie, sondern das, was sie mal gewesen war, vermisste.
Sie hätte sich wirklich, wirklich gerne mit ihm unterhalten. So gerne, wie das vor drei Wochen niemals der Fall gewesen wäre. Aber damals hätte sie auch niemals gedacht, ausgerechnet ihn zu ihrem Komplizen zu machen, wenn es darum ging, ihren grössten Feind ein für alle Mal zu beseitigen. Damals hätte sie auch nicht daran gedacht, Warren ernsthaft zu töten. Aber jetzt war es doch passiert. Und verdammt - sie hätte es so viel früher tun sollen!! Sie hätte so vielen Menschen das Leben retten können! Viel mehr, als dass sie es im Alltag je schaffen würde! Aber gut. Darüber sollte sie wie gesagt nicht nachdenken, sollte besser froh drum sein, ihn jetzt endlich beseitigt zu haben. Und jetzt mussten sie sich erstmal darum kümmern, dass dieser Unfall auch sicher als Unfall in die Bücher einging. So begaben sie sich schliesslich in das kleine Büro der Brünetten, wo sie sich kurzum hinter ihren ordentlich aufgeräumten Schreibtisch klemmte und das Notebook aufklappte. Auch ihr war das Grinsen natürlich längst wieder aus dem Gesicht gefallen. Auch wenn es äusserst schade war, dass sie sich nicht freuen durften. Aber der relativ neutrale Gesichtsausdruck musste reichen - weinen musste sie ja nicht. Dass sie unendlich traurig sein sollte, den Lieutenant an eine Schlange verloren zu haben, schrieb schliesslich keiner vor. Aryana öffnete ein Protokoll, in welchem sie erstmal nur die groben Fakten wie das Ziel der Reise / Grund für das Verlassen des Camps, Begleitpersonen, Uhrzeit und all diesen Kram eintippte. Dann begann sie den ganzen Unfallhergang mit Mitchs Hilfe zu dokumentieren und alles genau so nieder zu schreiben, wie sie es vorgängig gefühlt tausend Mal besprochen hatten. Sie waren auf dem Weg in die Stadt, weil Warren mit den Einheimischen reden wollte. Von der Einladung, mit der sie ihn rausgelockt hatten, erwähnten sie lieber nichts - zu riskant, dass jemand das gefälschte Stück Papier sehen wollte. Jedenfalls kam dann die unglückliche Panne. Dann die Schlange. Dann war er gestürzt und hatte sich den Kopf gestossen, in der Panik seinen Funk ausgerissen. Sie hatte versucht, den panischen Lieutenant zurück ins Auto zu bekommen, während Mitch das Auto wieder zum Fahren brachte. Dann hatten sie den Notfall angemeldet und waren schnellstmöglichst zurückgefahren. Unterwegs war der arme Sack ins Komma gefallen und unter Wilsons Händen dann leider definitiv verstorben. Aryana fand ihr Endprodukt äusserst glaubwürdig und war sich sicherer denn je, dass hier nie jemand einen Betrug riechen würde. Darum nickte sie Mitch auch leicht zu, als sie fertig waren. "Noch was anzufügen oder kann ich das so abgeben?", fragte sie rhetorisch, da ihr vollkommen klar war, wie seine Antwort ausfallen würde. Und dann - dann würde sie erstmal dieses Büro verlassen und... ja, sie wusste gar nicht was dann. Eigentlich konnte sie das Büro gar nicht verlassen. Sie musste immerhin dafür sorgen, dass sehr bald ein neuer Lieutenant den Platz über ihr einnahm. In der Zeit, in der da Camp ihr gehörte, würde sie aber sehr gerne eine Party schmeissen. Mit Alkohol haha. Sie würde zweifellos zu denen gehören, die nach einem Glas unterm Tisch lagen - so lange, wie sie nichts mehr getrunken hatte. Aber das waren ziemlich wilde Fantasien.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ich hielt den Blick in Fayes Augen, weil ich sehen wollte, ob sie die Wahrheit sagte. Ob sie es wirklich ernst meinte. Dass ich ihr wichtig genug war, um nie wieder an dieses alte Verhaltensmuster - sofern man das so nennen konnte - anzuknüpfen und es ein für allemal loszuwerden. Aber Nichts in ihrer Körperhaltung oder ihrem Blick verriet mir etwas Gegenteiliges und so schenkte ich ihren Worten Glauben, ohne sie noch einmal zu überdenken oder in Frage zu stellen. Ich musste einfach darauf bauen, dass Faye wirklich die Person war, für die ich sie hielt, weil ich sonst an den ewig anhaltenden Zweifeln vermutlich ebenso kaputt gehen würde, wie es die beiden letzten Wochen der Fall gewesen war. Meine Seele konnte es sich schlicht und ergreifend zu diesem Zeitpunkt nicht mehr leisten, meinem Kopf zu viel Raum zu geben, weil sie sonst untergehen würde. Also nickte ich die Worte der jungen Frau ab, sagte dazu aber sonst auch Nichts mehr, weil es Nichts zu sagen gab, dass ich hier und jetzt in dieser Hinsicht noch hätte besprechen wollen. Viel mehr wollte ich einfach nur den ruhigen Augenblick genießen, solange er noch anhielt, würde er leider doch nicht mehr ewig anhalten. Ich senkte den Blick und auch die Hand an ihrem Kinn ab, während die Brünette es sich wieder an meiner Schulter bequem machte. Ohne darüber nachzudenken hielt ich mit dem leichten Streicheln an ihrer Taille inne, als sie sich erneut regte und meine Augen wanderten wie so oft ganz von allein zu den ihren, als sie mich wieder ansah und ihre Hand in meinem Nacken ablegte. Normalerweise hätte Faye in einer solchen Situation ihre Lippen längst auf meine gelegt, ohne überhaupt darüber nachzudenken... aber auch ich hielt erst einmal noch inne. Ich hatte keine Ahnung, ob das eine gute Idee war. Ich wollte die junge Frau hier neben mir wieder küssen, ja, das stand außer Frage. Jedoch konnte ich sehr schlecht einschätzen, ob es mir nicht doch unangenehm war, ob es nicht doch einfach noch viel zu früh dafür war. Ob es nicht besser wäre, es für heute nur bei der Versöhnung zu lassen und noch nicht wieder zu sehr auf Tuchfühlung zu gehen. Andererseits konnte ich nicht wissen, was richtig war, wenn ich es nicht ausprobierte. Deshalb ging ich nach einem kaum hörbaren Schlucken, das meine eigene Unsicherheit nur noch einmal deutlich unterstrich, das Risiko ein. Legte meine Hand an Fayes Wange und näherte mich ihr langsam, weit weniger zielsicher als normalerweise, bevor ich meine Lippen für einen nur kurzen, sachten Kuss auf die ihren legte. Danach hielt ich erneut inne, ließ es einen Moment lang auf mich wirken. Da waren immernoch Gedanken in der hintersten Ecke meines Kopfs, die mir weiterhin einreden wollten, dass ich mich dabei schlecht fühlen sollte, weil sie eben jene Lippen noch vor nicht langer Zeit jemand Anderem gewidmet hatten. Dass sie mich bei ihren letzten Küssen einfach ausgeblendet und bei Seite geschoben hatte. Dennoch spürte ich auch die altbekannte, wohlige Wärme in mir aufsteigen, die ich so schmerzlich vermisst hatte. Es dauerte noch ein paar schweigsame Sekunden, aber Letzteres wusste sich zu behaupten. Ließ das Bedürfnis nach Fayes Nähe und Zuneigung derartig hochkochen, dass der Rest einfach überschwemmt wurde - zumindest für den Moment, für jetzt. Deshalb setzte ich auch zu einem weiteren Kuss an, der schon deutlich weniger zurückhaltend ausfiel. Liebevoller, intensiver war, während ich sie festhielt und ihr sanft über die Wange strich. In diesem Moment hörte ich damit auf, mit Mistgabeln und Fackeln immer wieder die sehnsüchtigen Gefühle zurück zu drängen, ließ sie einfach zu.
Okay. Ja. Amen. War so gewesen. Ja. Viel mehr konnte ich dazu eigentlich auch gar nicht mehr sagen. Aryana wusste es, ich wusste es - ich musste nur noch Nicken und bejahen, weil sie die Story ja selbst ebenso gut kannte. Sowohl die echte, als auch die, die sie da gerade so schön ausformulierte und als täuschend echte Tarnung hinlegte. Es hatte keine Lücke, warf keinerlei Fragen auf und schilderte ganz klar, dass wir Nichts für diesen ach so tragischen Zufall konnten. Dass wir ihn nicht umgebracht und ihm eine Ladung Gift ins Bein gejagt hatten, um ihn loszuwerden. Das war, was dieser Text zweifellos klar und deutlich zum Besten gab. Was mich wie ein kleines Kind selig ruhig einschlafen lassen würde, nachdem ich zum Mörder geworden war. Natürlich hatte ich schon viele andere Menschen umgebracht, das brachte die Zwangsverteidigung und der ganze Krieg an sich leider so mit sich. Aber das hier war etwas Anderes. Ich hatte bewusst - wenn auch nicht allein - einen einzigen Menschen ganz gezielt ausgewählt und getötet. Mutwillig. Sogar mit ein bisschen Spaß dabei, weil ich sein Leid genossen hatte. War ich ein kranker Sadist? Vielleicht ein bisschen. Das änderte aber nicht meine Meinung über diese Straftat. Sie war und würde immer goldrichtig sein. "Ja, passt so.", willigte ich mit einem Nicken noch ganz offiziell für die schöne Kamera in einer der oberen hinteren Ecken ein. Dann löste ich mich aus der bisherigen, anspannt wirkenden Haltung und lehnte mich stattdessen nach vorne auf den Tisch. Faltete die Hände etwas ineinander, die ich mit den Ellbogen auf der Tischplatte abgestützt vor mein Gesicht hielt. So weit, dass mindestens meine Lippenbewegungen gut vor der Kamera abgeschirmt waren. "Du hast nicht noch zufällig irgendeine Aufgabe für mich?", hakte ich nach, wobei mein Gesichtsausdruck neutral bis ernst blieb. So, wie er es eben meistens war. "Wenn nicht verzieh' ich mich erstmal ins Zelt... wird langsam anstrengend.", verdeutlichte ich meine Intention hinter der Frage. Es war furchtbar nervig, das Schauspiel um Warrens Tod aufrecht erhalten zu müssen und nicht stattdessen wie ein breit grinsendes Honigkuchenpferd durch die Gegend zu spazieren. Also brauchte ich entweder etwas zu tun, wobei ich mich immerhin ein kleines bisschen geistig beteiligen musste, oder ein abgeschirmtes Areal. Meine Mitbewohner waren meines Wissens noch alle auf Einsätzen, ich hätte im Zelt also meine Ruhe und könnte so lange vor mich hin grinsen und mich freuen, bis sie zurückkamen, was noch ein oder zwei, vielleicht auch noch weitere Stunden dauern würde.
Sie hatte den Kopf beinahe wieder senken wollen, weil sie die Unsicherheit kaum aushielt. Vielleicht war es zu früh und wenn sie es sich ganz fest einredete, war das vielleicht okay. Vielleicht brauchte er einfach noch etwas Zeit, wollte noch ein paar Tage - oder länger, was wusste sie - warten, bis er irgendwann mit dem Gedanken klar kam, was passiert war und was sie mit diesen Lippen getan hatte. Weil sie ihn damit betrogen hatte. Damit und mit allem anderen, was sie ausmachte. Sie hatte überhaupt kein Recht, auch nur das kleinste Bisschen Unverständnis diesbezüglich zu zeigen und das tat sie auch nicht. Sie verstand es vollkommen, weil sie den Dreck genauso spürte. Nur wurde es dadurch kaum einfacher. Doch wieder schien Victor eine Mauer einzureissen, die sie ganz alleine zwischen ihnen aufgebaut hatte. Sie sah, dass er zögerte, wusste, dass es ihm schwer fiel. Aber er küsste sie doch, wenn auch erstmal nur ganz kurz. Sie hatte die Augen geschlossen, holte mit einem angestrengten Keuchen Luft, als er sich wieder von ihr löste. Es tat so weh, aber es war so gut... Denn nur, wenn sie diese ganzen Wunden aufriss, ihre ganze Blösse und die ganze Sünde offenlegte, bestand die Chance, dass sie irgendwie wieder heilen würden. Sie - und er, zusammen. Nur wenn sie aufhörte, an das zu denken, was gewesen war. Ihr fiel das in dem Moment, in dem er seine Lippen wenige Sekunden später ein weiteres Mal auf die ihren presste, sehr leicht. Denn wie sollte sie an Warren denken, dessen Lippen sich nichts als grausam und gierig auf die ihren gepresst hatten, wenn Victor ihr hier pure Liebe entgegenbrachte? Gefühle, die sie so endlos vermisst hatte? Nach denen sie sich jeden Tag ausstreckte, weil sie seine Nähe so dringend brauchte? Faye erwiderte den Kuss, sanft, wenn auch nicht annähernd mit demselben Selbstbewusstsein wie früher. Aber alles an ihr sprach das Verlangen aus, den Wunsch, ihn endlich wieder zurück zu bekommen. Sie hätte ihr ich hab dich so vermisst nicht besser zum Ausdruck bringen können als mit diesem sehnsüchtigen Kuss, den sie mit seinen Lippen vollbrachte, während sie seine Nähe einatmete, ihre Hand über die Haut in seinem Nacken strich und sich die zerstreuten Stücke ihres Herzens unter der ständigen Wärme langsam wieder zusammenklebten. „Danke...“, hauchte sie, als sie nach einem weiteren Kuss ihren Mund wieder ein paar Millimeter von seinem trennte, ihre Stirn an seine lehnte. Da war noch so viel mehr als ein blosses Danke - aber im Moment reichte dieses Wort vollkommen aus.
Der Bericht war also fertig und wenn sich nicht einer von ihnen noch furchtbar dumm anstellte oder sie doch irgendwas vergessen hatten - was nicht der Fall war, dessen war sie sich doch sehr sicher - waren sie damit fein raus. Hatte ja auch keiner hier einen Grund, ein Verbrechen hinter Warrens Tod zu vermuten. Schlangenbisse waren unglückliche Begebenheiten, die man nicht voraussehen konnte. Ausserdem hatte Aryana sich schwer bemüht, zwei Tage nach der Katastrophe zwischen Warren und Faye, wieder normal mit dem Pisser zu reden. So zu tun, als hätte sie ihren Hass abgelegt und die Tatsachen akzeptiert, als wäre sie bereit, ein zweites Mal so zu tun, als wäre das nur eine weitere unglückliche Wendung dieses Krieges, als wäre alles in Ordnung. Er hätte sich denken können, dass es nicht so war. Aber so intelligent war er nicht, ausserdem war er sich seiner Macht so sicher gewesen, dass der Bastard wohl einfach geglaubt hatte, sie würde nochmal vor ihm kuschen. Ausserdem waren weder sie noch Mitch jemals in einem Büro oder einem anderen überwachten Gelände gegenüber dem Lieutenant ausgetickt. Also ja - sie war der Meinung, dass sie problemlos damit durchkommen würden. "Nein, ich denke, du kannst gehen. Ich muss mich erstmal um... die Auswirkungen dieses Tages kümmern", antwortete sie auf Mitchs Frage. Sie wusste wirklich nicht, wie er ihr dabei helfen sollte oder was er sonst noch tun sollte. Das Auto putzen, welches Warren versaut hatte. Haha. Nein, diese Aufgabe überliessen sie gerne einem anderen - taten in der Zwischenzeit so, als hätten sie das ganz vergessen. Trotzdem erhob sie sich erstmal, um den jungen Mann zur Tür zu begleiten, weil sie sich zwischendurch auch sehr gerne Mal von ihrem Stuhl erhob. "Bis heute Abend?", verabschiedete sie sich dort halb fragend, hob eine Augenbraue und liess ein minimales Lächeln zu, solange sie der Tür zugewandt stand und keiner ausser ihm diese kleine Regung in ihrem Gesicht hätte sehen können. Sie hoffte doch sehr, ihn wiederzusehen. Vielleicht waren ihre Charaktere grundlegend unterschiedlich und normalerweise herrschte so gar keine Harmonie zwischen ihnen. Aber sie würde sich schon was ausdenken, wie sie diesen Tag ordentlich feiern konnten. Heute Abend, ganz spät, wenn alle anderen sich langsam mit der Gewissheit einfanden, den Mann losgeworden zu sein, der so gerne Russisch Roulette mit ihren Leben gespielt hatte.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Danke, sagte sie. Ich wusste nicht recht, was ich von diesem Dank halten sollte. Obwohl ich wusste, dass es gerechtfertigt war, dass ich Abstand zu Faye gehalten und sie gemieden hatte, wusste ich auch, dass sie es nur aus dem Grund getan hatte, wieder zu Aryana und mir zurück zu kommen. Dass sie nur deswegen überhaupt wieder hier war und ich sie jetzt in den Armen halten konnte. Ein Auge auf die Brünette haben konnte, wenn sie sich mal wieder leichtfertig ins Gefecht warf, so wie heute - zumindest wenn ich mit von der Partie war. Ich wusste nicht, was schlimmer wäre. Faye für eine sehr lange Zeit nicht mehr sehen zu können oder der Betrug mit dem Ekelpaket. Beides war absolut beschissen und fühlte sich falsch an. Deshalb nahm ich den Dank einfach wortlos hin, weil ich nicht wusste, was ich dazu sagen sollte. Ich ließ es einfach so stehen, während ich der jungen Frau weiter über die Wange strich und versuchte, die negativen Gedankeneinflüsse wegzusperren. Nur die Nähe und ihren Duft Einfluss auf mich haben zu lassen, während wir im Grunde nur darauf warteten, dass Wilson unseren Moment zerstören würde. Und das tat er schon dreieinhalb Minuten später, als ich ihn wieder aus dem hinteren Bereich des Zelts kommen hörte. So löste ich mich ein klein wenig von Faye, um ihr noch einen sanften, mehr nur gehauchten Kuss auf die Stirn zu geben, bevor ich ein wenig von ihr wegrückte. Ich kannte mich mit dem medizinischen Kram nicht aus, hatte keine Ahnung davon, was sie noch Alles an ihrem Arm untersuchen, ausschließen und diagnostizieren mussten. Aber ich würde Harshall dabei keinesfalls im Weg stehen, würde ich doch selbst auch gerne wissen, wie es nun um Fayes Arm stand. "Ich... wart' einfach hier.", murmelte ich noch in Fayes Richtung, kurz bevor der Arzt bei uns ankam und sie zum Mitkommen aufforderte. Es sei denn natürlich, Irgendwer würde mich jetzt noch zum Arbeiten verdonnern, aber ich hoffte es einfach mal nicht. Mir würde ja doch nicht aus dem Kopf gehen, dass die Brünette mir - bei möglichen fataleren Folgen - im schlimmsten Fall doch schon wieder entrissen wurde.
Nochmal ein leichtes Nicken meinerseits, dann erhob ich mich von dem nur mittelmäßig bequemen Stuhl. So ein schicker Sessel wie dem Schreibtischinhaber war einem hier als Gast nicht vergönnt, aber das war wohl überall so. Auch in jedem vollkommen normalen Büro. Einer hatte immer den schickeren Stuhl. Jedenfalls ging ich mit der jungen Frau zur Tür, wo sie mir eine doch zugegeben unerwartete Frage stellte. Die auch nur halb eine Frage war, ihrem Tonfall nach zu urteilen. War sie sich so sicher dabei, dass ich sie jetzt gern in meiner Nähe hatte? Sicher, wir hatten uns die letzte Zeit im Gegensatz zu sonst wirklich gut verstanden. Einfach deshalb, weil wir einen gemeinsamen Feind und damit auch ein gemeinsames Ziel hatten. Jetzt, wo das abgehakt war, war die Wahrscheinlichkeit doch ziemlich groß, dass zumindest ich selbst wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen würde. Es war und blieb eben Aryana.. aber ich musste schon zugeben, dass sie sich einige Sympathiepunkte durch die Mordgeschichte geangelt hatte. Außerdem glaubte ich ehrlich nicht, dass sie die Absicht hatte mir heute noch die wirklich sehr gute Laune zu verderben und sich ihre eigene gleich mit dazu, also... wieso nicht. Wenn wir unsere Ruhe hatten, konnten wir wenigstens auch noch einmal offen miteinander reden. Jemand Anderen zu involvieren war in dieser Hinsicht absolut ausgeschlossen. "Klar.", willigte ich also ein, wenn auch mit nur knappen Worte und weiter neutralem Gesichtsausdruck. Dann verließ ich den Bürocontainer nach einem letzten Blick in Aryanas Richtung und machte mich auf den Weg zu meinem Zelt. Wo mich wie bereits erwartet Niemand erwartete, weshalb meine Mimik sofort wieder ganz andere Züge annahm, geschwind das Gleis von Ernst zu Freude wechselte. Auch, wenn ich jene Freude gerade mit Niemandem teilen konnte, kostete ich das Gefühl voll aus. Machte es mir so bequem wie es auf dem Feldbett möglich war und sinnierte über diesen ach so schönen Tag.
Er erwiderte nichts mehr. Aber das war vollkommen in Ordnung, denn für den Moment war alles gesagt. Sie bliebe ebenso still, dicht bei ihm, während sie langsam zu begreifen versuchte, was an diesem Tag alles passiert war. Ihr Arm war vorerst ausser Gefecht gesetzt und wenn sie Pech hatte, war die Sehne durchschnitten - oder Schlimmeres. Und dann war sie erstmal ein paar Wochen weg. Genau jetzt, wo Victor wieder bei ihr war und sie seine Nähe endlich wieder spüren durfte. Seinen Geruch einatmen und seine Lippen schmecken durfte... Dann war da noch die dritte Sache. Warren war tot. Und sie kam irgendwie noch auf gar nichts von diesen drei Dingen wirklich klar, wusste gar nicht, worüber sie sich zuerst den Kopf zerbrechen sollte. Diese Entscheidung wurde ihr allerdings wenig später abgenommen, als Harshall den Raum wieder betrat. Sie zog ihre Hand von Victors Rücken zurück, als dieser ein Bisschen zur Seite rutschte. Auf die Aufforderung des Arztes hin stand sie vorsichtig auf, hielt sich einen Moment an der Liege fest, um sich den Schwindel nicht gleich in Form eines Sturzes anmerken zu lassen. "Bis gleich...", murmelte sie Victor zu, ehe sie ein Bisschen wackelig hinter Wilson das Zelt verliess, um nebenan den Container mit all den medizinischen Geräten zu betreten. Harshall führte das Ultraschallgerät sorgfältig über ihren Arm und die fünf Zentimeter lange Narbe, die von dem Messerstich zeugte. Und Faye blickte zitternd auf die Bilder, die sich ihnen zeigten, auch wenn es eine Weile dauerte, bis sie wirklich erkennen konnte, welcher Schatten hier was bedeutete. Sie sah das Problem, noch bevor er es aussprach, wobei ihr Blick sofort zu Wilson sprang. Als möchte sie nicht hören, was er ihr gleich sagen würde, während er weiter konzentriert auf den Bildschirm starrte. "Er hat deine Bizepssehne abgetrennt...", rückte er schliesslich mit der Wahrheit heraus, nahm das Gerät von ihrem Arm und blickte sie ernst, mit einem Funken Mitleid, an. "Das muss operiert werden, Faye... Wenn du Glück hast, wird das unweit von hier im Krankenhaus gemacht und du bist in vier bis acht Wochen wieder hier. Aber ich kann das nicht entscheiden", erklärte er, schüttelte leicht den Kopf, während er langsam alles wieder aufräumte und ihr dann einen blendend weissen Verband um den Arm wickelte. Faye sagte nichts, weil sie ganz genau wusste, was seine Worte bedeuteten und dass es daran nichts zu ändern gab. Auch wenn sie es nicht akzeptieren wollte, war es eine Tatsache, der sie gegenüberstand - nichts anderes. "Wann.. muss ich weg?", fragte sie heiser, unterdrückte mühevoll die schon wieder rausdrängenden Tränen, während sie Harshall anblickte, ohne seine Antwort hören zu wollen. Doch nicht jetzt... Doch nicht jetzt wo endlich alles wieder gut werden könnte! "Voraussichtlich Morgen, ich werde umgehend die Vorbereitungen treffen und das Krankenhaus informieren... Es tut mir leid", erklärte der Arzt, reichte ihr eine Hand, um sie wieder aus dem Raum zurück ins Sanitäterzelt zu begleiten. Weil ihre Beine sich jetzt nochmal so viel schwächer anfühlten als davor, als hätte sie gerade eben erneut zwei Liter Blut verloren.
Seine Reaktion liess ihr Lächeln automatisch weiter wachsen. Aber erst, nachdem er sich abgewandt hatte, um zu gehen. Natürlich war ihr durch und durch bewusst, dass die gute Stimmung zwischen ihnen wohl nicht ewig halten mochte und sie sich ab Morgen schon wieder offiziell aus dem Weg gehen dürften. Noch ein Grund mehr, weshalb sie ihn heute Abend nochmal sehen wollte. Er war immerhin der Einzige, mit dem sie sich wirklich über den Tod des Lieutenants freuen durfte. Also auch nicht offiziell, aber eben versteckt. Der Einzige, der wissen konnte, was heute passiert war. Das wollte sie schon geniessen, sich nur einmal mit ihm über ihren Erfolg freuen, bevor sie beide wieder mehr oder weniger getrennte Wege gingen. So getrennt das in ein und demselben Camp eben ging. Zurück im Büro widmete Aryana sich erstmal mit einem tiefen Seufzen dem ganzen erschlagenden Haufen Papierkram, den sie dank Warren nun übernehmen durfte. Warrens Tod wurde eher nicht so gut aufgenommen von all denen, die sie dazu informieren musste. Aber war ja auch logisch, dass sich keiner ins Telefon freuen konnte, wenn sie solche Nachrichten übermittelte... Also nahm sie das relativ locker. Schon für Morgen wurde ihr ein neuer Lieutenant versprochen - am frühen Abend folgte dann auch sein Name, sein Gesicht und seine Akte. Er war ähnlichen Alters wie Warren - lediglich drei Jahre jünger. Aber das hatte sie schon erwartet, da man sich das Abzeichen eines Lieutenants auch nicht mit Zwanzig verdiente. Sein Name war Christopher Ragan und er schien dem Anschein nach fast mit dem ersten Flieger in diesen Krieg gestürzt zu sein. Was, so redete sie sich den neuen Lieutenant gerade selber schön, nur von Vorteil sein konnte. Aryana setzte keine Fuss in Warrens Büro, sah es schlicht nicht als ihre Aufgabe an, diesen Ort vor Ragans Ankunft sauber zu machen. Sie ekelte sich vor allem, was dort passiert war, vor dem Geruch, der noch immer an allem haftete. Vom Geist des Toten, der so schnell nicht aus diesen Wänden vertrieben sein würde und vor der Luft, die schon durch Warrens Lungen gegangen war. Nein, das liess sie schön bleiben. Sein Zelt war inzwischen geräumt worden, nicht von ihr, aber von denen, die dafür zuständig waren, all seine persönlichen Gegenstände mit der hässlichen Leiche zurück nach Amerika zu bringen. Seine Familie war die Einzige, die von ihr niemals einen Brief bekommen würde. Wobei das in diesem Fall bestimmt nur angemessen wäre. Welche Art von Ironie müsste sie denn bitte vertreten, wenn sie als seine Mörderin nun irgendwelche lieben Worte zu dem Arschloch niederschreiben würde?? Ausserdem hatte sie nichts. Keine Einzige Sache, die sie an ihm hätte loben können. Als der Nachmittag in Abend und der Abend in Nacht übergegangen war, hatte sie schliesslich geschafft, was zu tun gewesen war. Sie hatte irgendwann zwischen Nachmittag und Abend noch bei ihrer Schwester vorbeigeschaut, um sich einen Statusbericht einzuholen. Und es klang nicht gut, auch wenn Aryana sich umgehend bei Wilson über die Folgen einer Distalen Bizepssehnenruptur (ich bin jetzt Arzt, da nennt man das so.. x'D) informiert hatte. Die Chancen, dass sowas wieder komplett heilte, standen sehr gut. Wobei sie ihre Schwester wohl ein paar Wochen nicht mehr sehen würde... Aber immerhin wäre sie im Krankenhaus in Sicherheit. So sicher, wie man hierzulande eben sein konnte. Und da dieses Camp hier nicht derart gefährlich gelegen war, sie somit ziemlich sicher alle die Zeit der Trennung heil überstehen würden, konnte sich Faye vielleicht sogar ein Bisschen entspannen und endlich ihre angeschlagenen Nerven wieder aufbauen... Vielleicht. Wäre jedenfalls eine wünschenswerte Begleiterscheinung. Auch wenn es Faye noch ziemlich schwer fallen wollte, der Sache irgendwas Positives abzugewinnen, war Aryana sich sicher, dass die Erleichterung, nicht mehr kämpfen zu müssen, ihre jüngere Schwester kurzum doch einholen würde. Sie war etwa eine Stunde bei ihr geblieben und hatte ihr geholfen, die Tasche zu packen. Mal wieder... Dann, als Faye erstmal duschen ging, war Aryana nochmal arbeiten gegangen. Und jetzt war sie auch damit fertig, stattete den Duschen in Gedanken versunken selber einen Besuch ab, ehe sie sich auf den Weg machte, um wie abgemacht Mitch zu treffen.
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Während ich wartete fing ich wieder an, mit dem rechten Bein zu wippen. Ich war leicht nach vorne gebeugt und stützte mich mit den Ellenbogen auf die Knie, weshalb mein ganzer Körper von der Beinbewegung mit beeinflusst und durchgerüttelt wurde. Noch immer schien der Strom in mir in Höchsttempo durch meinen Körper zu rasen und dabei die Gedanken in meinem Schädel nur noch mehr zu überkreuzen, zu verwirren. Obwohl ich diese wirklich nur darauf konzentrieren wollte, was nun bei Faye diagnostiziert wurde, fiel mir das schwer und es würde wohl auch noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis ich wieder halbwegs klar in ihrer Gegenwart denken konnte. Oder allgemein, denn um ehrlich zu sein glaubte ich nicht, dass sich der Sturm in meinem Kopf gänzlich legen würde, wenn wir getrennte Wege gingen. Dann kam die junge Frau vom Arzt begleitet wieder zurück in den für mich sichtbaren Bereich, wobei ich gleich aufstand und sofort aus deren Gesichtern lesen wollte, was denn nun mit Fayes Arm genau war. Eine wörtliche Diagnose bekam ich dabei noch nicht, aber Wilson schenkte mir ein schwaches, mitleidendes Lächeln, das mir schon verriet, dass es keine besonders guten Nachrichten für mich geben würde. Ich kam ihnen die letzten zwei oder drei Meter entgegen, löste damit die Aufsichtspflicht - konnte man nicht wirklich so nennen, aber ja - von Harshall ab und hakte meinen Arm in den unverletzten der Brünetten ein, um ihr ein wenig Halt zu geben, schien sie doch so gar nicht fest auf den Beinen zu stehen. Noch ein Anzeichen dafür, dass der Messerstich schwerere Folgen hatte und Faye bestätigte mir das auf meine Frage hin auch prompt. Die Bizepssehne war durchtrennt. Na großartig. Das hieß also, dass ich die neu zurückgewonnene Nähe zu Faye schon morgen wieder aufgeben musste. War nicht schön... aber andererseits hatte ich dann vielleicht die Möglichkeit, Alles besser zu verarbeiten. Es war schwierig, einen klaren Kopf zu bekommen, wenn Faye um mich herum war, ich sie jeden Tag sah. Warren musste ich von jetzt an auch nicht mehr sehen, auch der konnte meinen momentan fast durchgehend negativen Gedankenfluss also nicht mehr weiter verschlechtern. Wie dem auch sei - ich begleitete Faye noch bis zu ihrem Zelt, dann verzog ich mich erst einmal wieder. Um durchatmen zu können und zur Ruhe zu kommen. Auch verbrachte ich noch fast eine Stunde mit dem heute bisher noch nicht absolvierten Training, um meinem Kopf wieder mehr Raum zu schaffen. Funktionierte tatsächlich ganz gut, aber in der Dusche danach holten mich doch wieder ein paar unendlich lästige Gedanken ein. Das einzig Gute an der Geschichte war, dass ich durch den ganzen Stress mit Faye weniger an mein eigentliches Trauma dachte, es das momentan fast gänzlich ersetzte. Fast. Und schön war es trotzdem auch nicht. Seufz. Ich verbrachte noch ein wenig Zeit mit Kartenspielen und meinen Zeltkollegen, die mich ein wenig abzulenken wussten, bevor ich am späten Abend nach dem Schlafengehen das erste Mal seit langem wieder aus dem Zelt huschte. Zwar war mir nicht ganz wohl dabei, aber wenn das die vorerst letzte Möglichkeit war, noch einmal mit Faye zu reden, sie zu sehen, dann wollte ich das auch nutzen. Ganz gleich, ob ich dabei noch von einem unangenehmen Gefühl in der Magengegend begleitet wurde. So hielt ich doch noch einmal kurz an und atmete kaum hörbar etwas tiefer durch, bevor ich mich ins Zelt der jungen Frau stahl.
Meine geistesabwesende Freude war nicht von zu langer Dauer. Während ich knapp eineinhalb Stunden alleine vor mich hingesummt und mich gefreut hatte, unterbrachen Ashton und Tucker dann doch meine einsamen Momente und waren natürlich hochgradig neugierig. Sowas wie der Tod des Lieutenants sprach sich schließlich in Windeseile im ganzen Camp herum - außerdem war er ja offenbar auch nicht mehr da. Weg. Einfach so. Ich schilderte ihnen gespielt angestrengt den Hergang der Tatsache, ohne dabei auch nur ansatzweise von dem abzuweichen, was Aryana und ich in den Statusbericht geschrieben hatten. Tucker schnaubte und fing an zu grinsen. "Naja, jetzt sind wir den Fettsack wenigstens los.", meinte er dann letzten Endes nur schulterzuckend, als er es sich auf seinem Bett bequem machte und Irgendwas auf seinem Nachttisch herum kramte. "Karma halt.", warf der deutlich jüngere Ash dazu noch ein. Es war wirklich schön, dass keiner der beiden jetzt von mir erwartete, ihnen Trost zu spenden, weil sie ihn gemocht hatten. Zwar hätte ich sicher auch das noch irgendwie mit einer meiner Masken hinbekommen, aber es würde meine Laune doch ein Stück weit senken. So hingegen bestärkten sie mich nur weiter darin, dass ich mich für diesen Mord absolut nicht schlecht fühlen musste - mal davon abgesehen, dass ich das sowieso in keinem von beiden Fällen jemals getan hätte. Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile, bevor ich irgendwann die Duschen aufsuchte, um das letzte kleine bisschen von Warrens Existenz einfach wegzuspülen. Keinerlei noch so kleine Hautschuppen aus seinem Nacken klebten danach noch an meinen Händen und ich ließ als den Frust, den er die Jahre über bei mir angestaut hatte, einfach abfallen. Ließ es hinter mir und es fiel mir nicht einmal schwer, war ich einfach nur froh darüber, endlich meine Ruhe vor ihm zu haben. Der Rest meines Abends und Nachmittags verlief damit sehr ruhig, vollkommen entspannt, bevor ich sehr viel später wieder aus dem Zelt ging, um mich wie abgemacht mit Aryana zu treffen und noch ein wenig auszutauschen. Best Friends wurden wir sicher auch in naher Zukunft nicht, aber ich war ich dankbar für Alles, was sie getan hatte. Allein wäre ein Attentat nicht möglich gewesen und so hatte ich ihr doch einfach auch meinen Dank auszusprechen. Also kletterte ich wie so oft auf einen der Wachtürme, die nachts für gewöhnlich unbesetzt waren, sofern nicht Alarmstufe rot galt. War nicht so, immerhin war der Lieutenant ja ganz zufällig gestorben und nicht gewollt. Theoretisch jedenfalls. Meine Hand wanderte fast automatisch zu der Schachtel Zigaretten in meiner Hosentasche, aber ich ließ es doch bleiben und zog sie ohne Zigarette wieder raus. Ich hatte keinen Grund zum Rauchen. Ich war zufrieden und ein Stück weit glücklich, obwohl mich die Hölle des Krieges sicher schon sehr bald wieder einholen würde.
Sie wusste, dass es Schlimmeres gab als eine gerissene Sehne. Der Schnitt war sauber und es würde gut heilen, wenn es erstmal operiert war. Aber es war trotzdem scheisse. Sie wollte nicht weg. Auch wenn dieser Ort nicht halb so gefährlich schien wie das alte Camp, so war er noch immer im Kriegsgebiet und Dinge wie der Messerstich heute konnten immer passieren. Verdammt - sogar ein Schlangenbiss konnte immer passieren! Auch Aryana und auch Victor. Und selbst wenn es vollkommen irrational war, so fühlte sie sich, als könnte sie diese beiden Menschen irgendwie schützen, solange sie bei ihnen war. Als könnte sie sie vor Gefahren sichern, die sie nicht beeinflussen konnte und die weit grösser als die Brünette waren. Doch es gab nichts mehr zu sagen, sie würde morgen ins Krankenhaus fahren, egal was sie von diesem Plan hielt. Ihr Arm brauchte eine Operation, wenn sie ihn je wieder brauchen wollte wie zuvor. Faye ging mit Victor zurück zu ihrem Zelt, wo sie erstmal fast einen Liter Wasser trank, um die Blutproduktion ihres Körpers wieder anzukurbeln. Dann sank sie vollkommen erledigt aufs Bett und war innerhalb weniger Sekunden eingeschlafen - als würde ihr Kopf nicht unter tausend Gedanken und Sorgen dröhnen. Als sie wieder aufwachte, stand Aryana in ihrem Zelt, blickte besorgt auf die junge Frau runter und setzte sich zu ihr auf den Bettrand. Faye liess ihre Schwester erstmal alles wissen, was an diesem Tag passiert war - wirklich alles - bevor sie das Gleiche von Aryana forderte. Sie wollte wissen, ob sie es getan hatte. Sie wollte wissen, ob Warrens Tod kein Zufall war, wie sie es vermutete. Aber Aryana sagte nichts dazu. Was im Grunde Antwort genug war... Und Faye war ihr nichtmal im Ansatz böse. Auch wenn das bedeutete, dass heute nicht nur ein sondern gleich zwei Menschen mitunter wegen ihr getötet wurden. Wobei sie für Warren wirklich keinen Funken Mitleid heraufbeschwören konnte. Nur pure Erleichterung. Vielleicht auch Genugtuung. Freude? Aryana half ihr schliesslich, ihre ganzen Habseligkeiten zu packen, was wie ganz am Anfang noch immer sehr wenig war. Wie sollte es auch mehr werden, Zeit zum Shoppen hatten sie hier nunmal nicht. Wäre auch nicht unbedingt das, was ihr in ihrer Freizeit zur Beschäftigung einfallen würde. Nach dem Packen ging sie duschen, wofür die Kraft nun dank ihres Schläfchens gerade so reichte. Ein letztes Mal vor ihrer Wegfahrt.. Sie schüttelte den Kopf, ging zurück zum Zelt und setzte sich auf den Boden. Faye hatte das kleine, rege gebrauchte Tagebuch vor sich aufs Bett gelegt, begann damit, die Ereignisse eines weiteren, schwer in Worte zu fassenden Tages niederzuschreiben. Auch wenn das nicht besonders einfach war mit den Kopfschmerzen, die sie fest im Griff hatten. Und dem Arm, der eigentlich auch ohne den Kugelschreiber zwischen ihren Fingern wehtun würde. Besonders weit kam sie auch nicht mit Schreiben, bevor ihr Kopf auf die weissen Seiten sank und die Erschöpfung sie ein zweites Mal ins Land der Träume beförderte. Sie wachte nicht sofort auf, als Victor das Zelt betrat. Was ziemlich atypisch war, da hier wohl so gut wie keiner wirklich tief schlafen konnte und nicht bei jedem kleinsten Geräusch wach war. Aber jetzt schlug sie erst nach ein paar langen Sekunden die Augen auf, brauchte selbst da noch einen Moment, um sich irgendwie zu orientieren. Und als sie Victor schliesslich sah, zuckte Faye erstmal erschrocken zusammen, verzog das Gesicht, als ihr Arm sie dafür mit stechenden Schmerzen strafte. Rasch richtete sie sich auf, räumte das Tagebuch weg und erhob sich, um sich aufs Bett zu setzen. Oder um aufs Bett zu plumpsen, weil das schnelle Aufstehen eine ziemlich dumme Idee gewesen war. "Ich...", sie hustete leicht, um das Kratzen in ihrer Stimme zu beseitigen, "ich hab gehofft, dass du kommst", murmelte sie, auch wenn ihre Reaktion wohl eher nicht darauf hingedeutet hatte. Aber dass sie auf dem Boden im Sitzen geschlafen hatte, verriet wohl auch, dass das Nickerchen ungeplant gewesen war.
Sie hatte wirklich eine Liebe für diese Wachtürme entwickelt. Hatte sie immer schon gemocht, auch bevor sie angefangen hatte, Mitch regelmässig dort oben zu treffen. Und heute erklomm sie die Stufen mit noch mehr Elan als je zuvor, ehe sie sich oben in der langsam abkühlenden Nachtluft umschaute. Er war noch nicht da, aber das war zu erwarten gewesen. Sie war für ihre Verhältnisse relativ früh - das aber auch mit Absicht. Denn für sie war jetzt endlich der Moment gekommen, sich ganz zu entspannen, liess das selige Lächeln, welches sie seit ihrer Rückkehr ins Camp mühsam verdrängt hatte, sich fest in ihre Gesichtszüge einnisten, während sie über die Brüstung schaute. Das war ihr Lieblingsturm. Es hatte noch zwei andere, die selten gebraucht wurden und die Mitch und sie abwechselnd zu dem hier gebraucht hatten, um nicht plötzlich einen Verdacht heranzuziehen. Aber von diesem hier sah man keine Stadt, keine Strasse, einfach gar nichts. Nur die endlose Ferne des Landes, die Millionen von Sternen am Himmel, den unerreichbaren Horizont, so viele Kilometer von ihnen entfernt. Er war einsamer als alle anderen und damit noch beruhigender. Als wären all ihre Geheimnisse hier in Sicherheit, zumindest in der Dunkelheit und Stille der Nacht. Mehr als eine halbe Stunde nach ihr, hörte sie eine zweite Person die Leiter hochsteigen. Und sie wusste, dass es Mitch war, noch bevor er die Platform erreicht hatte. Nicht nur, weil sonst kaum je irgendwer auf die Idee kam, sie hier zu besuchen, sondern auch einfach, weil sie Mitch mittlerweile oft genug dabei zugehört hatte, wie er eine Leiter erklomm. Sie blickte ihm mit dem strahlendsten Grinsen entgegen, das er - oder dieses ganze Land - auf ihrem Gesicht wohl je gesehen hatte. "Guten Abend, kleiner Mörder", grüsste sie ihn leise. Sie wusste zwar, dass keiner sie hier hören konnte, aber schreien oder ein unnötiges Risiko eingehen, musste sie ja nun wirklich nicht. Sie hatte ja nicht vor, sich den Erfolg des Tages noch irgendwie zu verderben.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Vielleicht hätte ich doch wegbleiben sollen. Faye könnte die Ruhe - und vor allem den Schlaf, den ich gerade gekonnt unterbrach - vermutlich gut gebrauchen, wurde ihr Körper heute doch extrem in Mitleidenschaft gezogen. Aber jetzt war es wohl schon zu spät zum Umkehren, mehr oder weniger. Zwar hätte ich ihr anbieten können, einfach wieder zu gehen und sie weiterschlafen zu lassen, aber ihren anfangs noch leicht kratzigen Worten nach zu urteilen, würde sie das sowieso verneinen. Immerhin stahl sie mir mit diesen doch ein kleines, schwaches Lächeln. Ich ging einen zügigen Schritt nach vorne, als die zierliche junge Frau aufstand, weil ich das für keine so gute Idee hielt, aber sie landete glücklicherweise nur unsanft auf dem Feldbett, statt auf dem Boden. Sie hätte auch in die andere Richtung kippen können, war aber zum Glück nicht passiert. Weil ich jetzt auch schon fast direkt vor dem Bett stand, ließ ich mich kurzerhand einfach wieder neben sie sinken, machte es mir wie schon so oft bequem, wenn auch ein wenig zögerlicher als sonst. Ob ich hier bleiben würde, wusste ich um ehrlich zu sein noch nicht, aber das würde mir die Zeit schon zeigen. "Ich wollt' nochmal nach dir sehen..", murmelte ich leise, musterte Faye dann ein klein wenig. Sie wirkte nach wie vor recht müde, aber sie könnte angesichts der Wunde wohl trotzdem schlimmer aussehen. Ließ darauf schließen, dass die Verletzung zumindest bis jetzt nicht dabei war, sich zu entzünden. Wie gesagt - gut für Wilson. "Wie fühlst du dich?", hakte ich dann auch zusätzlich zu meinen Blicken noch mit einer wörtlichen Frage nach, ohne mit der Musterung an sich aufzuhören. Meine Augen hingen überwiegend an dem Einstich, wanderten kurz darauf aber doch weiter an ihrem Körper nach unten. Wie hatte mir das, was mir jetzt förmlich ins Gesicht sprang und meine Augen sich weiten ließ, heute Nachmittag bei Harshall nicht auffallen können? Da waren Schnitte. Nicht einmal wenige. Allein schon der fast präzisen Anordnung wegen konnten das keine zufällig passierten Kratzer - es war doch etwas mehr als das - sein. Ohne darüber nachzudenken nahm ich ihren Unterarm und drehte ihn ein klein wenig mehr in meine Richtung, um es mir besser ansehen zu können - was ich gleich wieder bleiben und ihn los ließ, weil der Messerstich das sicher nicht witzig fand, aber der war mir zu spät wieder in den Sinn gekommen. Das war meine Schuld. Mindestens zur Hälfte, wenn nicht mehr, weil ich sie mit unerbittlicher Ignoranz und Abstand gestraft hatte. Zumindest redete ich mir das gerade sehr gekonnt ein, während mein Blick sich nur schwer wieder von ihrem Arm lösen ließ, bevor ich die Brünette direkt ansah. Irgendwas aus ihren Augen zu lesen versuchte, was mir nur minder gelang. Ich hatte solche Schnittverletzungen in der Klapse, in der ich einige Monate verbracht hatte, ziemlich oft gesehen und wollte nicht recht wahrhaben, dass Faye das als Lösung für auch nur Irgendwas gesehen hatte. "..hast du das Messer noch?", war also die nächste Frage, die ich ihr zuschob, wobei ich mich doch ein wenig bemühen musste, den Tonfall dabei weiterhin ruhig zu halten. Auch, wenn es ihr jetzt, wo Warren sie nicht mehr belästigen würde und ich wieder ihre Nähe suchte - mehr oder weniger - vermutlich nicht mehr in den Sinn kommen würde, damit weiterzumachen... Nein, ich würde diesbezüglich kein Risiko eingehen. Wenn sie es noch hatte, wollte ich es haben und zwar sofort.
Kleiner Mörder. Ich war nicht klein, nicht mal ein bisschen. Das mit dem Mörder konnte ich aber wohl nicht verneinen. Konnte aber Niemand auf diesem Gelände, hatte jeder zwangsläufig schonmal Jemandem das Licht ausgeknipst. Aber wie schonmal erwähnt war das wohl kaum mit der Tat von Aryana und mir zu vergleichen, ein anderes paar Schuhe. Demnach entlockten mir ihre Worte auch ein nicht gerade spärliches Grinsen. Es war eigentlich nicht in Ordnung, sich über einen begangenen Mord dermaßen zu freuen, aber es war halt einfach schön, hatte ein riesiges - wortwörtlich fettes - Problem aus der Welt geschafft. "Wenn du ewig so weitergrinst, muss ich dich in ein paar Monaten an den Weihnachtsbaum hängen.", stellte ich doch schon ein wenig amüsiert fest, überstrahlte die junge Frau vermutlich Alles im Umkreis von mehreren Kilometern mit dem breiten Grinsen. Für mich selbst war Weihnachten aber nie ein Thema gewesen, war es auch jetzt nicht, zumal es hier im Krieg sowas auch einfach nicht richtig gab. Damals im Kinderheim war das zwar irgendwie schon gefeiert worden, aber wirklich dafür begeistern können hatte mich Niemand. Vielleicht deswegen, weil mir die kleinen Geschenke gerne wieder von den älteren und größeren weggenommen wurden, wenn keiner hinsah. Als ich älter und stärker gewesen war, war es dann einfach zu spät gewesen, meine Meinung darüber noch zu ändern. Ein wirklich schönes Weihnachtsfest hatte ich nie feiern dürfen und würde ich vermutlich auch nicht mehr. War aber halb so wild, machte ich mir aus diesem und allem anderen konventionellen Bullshit für gewöhnlich sowieso nicht viel. "Mit der Arbeit noch fertig geworden?", hakte ich nebenher nach, nachdem ich einen Blick in die dunkle Ferne geworfen hatte und meinen Blick langsam wieder zur Aryana drehte, ohne dass das Grinsen inzwischen wieder vollständig verschwunden wäre. Das war so einer der wenigen Vorteile als 0815-Soldat - man hatte keinen Papierkram und anderen nervigen organisatorischen Scheiß zu erledigen. Man konnte das getrost einfach die höher Gestellten erledigen lassen und sich um sich selbst... oder vielleicht auch Andere kümmern, aber letzteres traf bei mir eher seltener zu. Während ich ihre Antwort abwartete, lehnte ich mich einfach entspannt mit der Hüfte an die Brüstung und schob die Hände in die Hosentaschen - weiterhin ohne Etwas herauszunehmen -, während mein Blick weiter auf Aryana ruhte.
Mit seinen Worten entlockte er ihr kurzum ein versonnenes, wenn auch noch etwas träges Lächeln. "Das ist sehr nett von dir", erwiderte sie, wobei sie ihn nicht recht anschaute, weil der Schwindel in ihrem Kopf dank dem Aufstehen gerade eindeutig überhand genommen hatte. Sie kratzte gerade eine Antwort auf seine Frage zusammen, als Victor plötzlich von was anderem abgelenkt wurde und sie seine Hand an ihrer Haut spürte. Wäre sie bei der Sache gewesen und hätte sich konzentriert, hätte sie den Arm längst weggezogen. Dann hätte er die Schnitte nie gesehen, weil sie viel früher eine Jacke angezogen hätte. Aber sie war gerade eben aufgewacht und noch kaum dazu gekommen, soweit zu denken, als er ihren Arm auch schon gedreht hatte und ihr damit ein erschrockenes Keuchen entlockte. Und als ihr klar wurde, was er gesehen hatte, weiteten sich ihre Augen und sie zog sofort die Hand zurück. Versteckte sie am Shirt an ihrem Bauch unter den Fingern ihrer anderen Hand - als könnte sie noch irgendwas von dem verbergen was er nicht hätte sehen dürfen... Verdammt, sie machte damit direkt alles wieder kaputt was endlich hätte heilen können! Was würde er sich jetzt bitte schon wieder von ihr denken?! Faye hatte den Blick gesenkt, biss nervös auf ihrer Unterlippe rum und versuchte, irgendeine Erklärung zu finden, die die Situation wieder entschärfen könnte. Seine nächste Frage tat dies auf jeden Fall nicht, und auch ihre Antwort dazu würde ihn kaum glücklich machen. Denn natürlich hatte sie das Messer noch, weshalb sie erstmal zögernd schwieg. „Victor... jeder hier... hat dieses Messer...“, gab sie dann leise, widerwillig zur Antwort, wobei doch schon wieder eine ordentliche Portion Scham in ihrer Stimme mitschwang. So schwach... sie war so schwach und dieses Verhalten war so schwach. Sie war selber schuld an ihrem Leid und kam doch nicht damit klar - wie man bestens sah. Hatte die Selbstverletzung als Ausweg gesehen, obwohl sie eigentlich gewusst hatte, dass es auf Dauer keine Heilung bieten würde. Und jetzt sass sie hier wie ein geknicktes Blümchen und wusste nicht, wie sie sich erklären sollte. Langsam fischte sie nach der dünnen Jacke auf dem Boden, stets darauf achtend, dass er die Wunden nicht mehr sah. "Es tut mir leid... ich weiss, dass es dumm war...", murmelte sie in sich hinein, während sie sich in eine weitere Schicht Kleidung hüllte, um ihn vor dem Anblick zu bewahren. In acht Wochen wäre das alles mehr oder weniger verheilt... Es würden nichts als ein paar helle, schlecht sichtbare Narben zurückbleiben - wie bei allen anderen Wunden, die sie geschaffen hatte. Etwas blieb für immer und sie wünschte, sie hätte es nicht getan. Aber das meiste heilte und verschwand, solange man den Narben keine Beachtung schenkte.
Ihre Worte liessen sie tatsächlich hell auflachen. Weihnachten! Herrgott, das war vielleicht eine Zeit..! Als sie alle noch klein gewesen waren, stieg an Weihnachten immer die Party des Jahres. Mit tausend Verwandten, die man sonst nie zu Gesicht bekam und zu denen Aryana jetzt längst keinen Kontakt mehr pflegte. Und doch erinnerte sie sich liebend gerne an diese weitaus einfacheren Zeiten zurück. Als alles noch in bester Ordnung gewesen war und niemand je erwartet hätte, dass dieses kleine, süsse Mädchen mit dem unschuldigen Blick eines Tages unter ihren dunklen Locken einen Mord aushecken würde. Tja, die Zeiten hatten sich ordentlich geändert und auch wenn sie Einiges, was passiert war, lieber ungeschehen machen würde, so gehörte die Beseitigung des Lieutenants ganz sicher nicht dazu. Der hatte verdient, was geschehen war und gehörte schon lange dahin, wo die Geier ihm das verrottete Fleisch von den Knochen pickten. "Klar, ich werd immer fertig mit der Arbeit. Gerade dann, wenn ich mit so unglaublich viel Elan an die Sache rangehe, wie heute", erzählte sie fröhlich weiter, ehe eine kurze Pause folgte, bevor ihr Blick zurück zu ihm wanderte. "Hab auch schon nen neuen Lieutenant organisiert. Kommt morgen schon an, um Warrens Geist für immer ausm Büro und dem ganzen Camp zu vertreiben", fügte sie etwas ernster aber noch immer sehr gut gelaunt an. Wie gesagt - sie war guter Dinge, dass Ragan ein netter Mann sein musste und seine Arbeit gut machte. Besser als Warren auf jeden Fall, denn schlechter ging ja kaum. Schlechter wäre nur, wenn er die Waffe nicht nur im übertragenen, sondern auch im wörtlichen Sinne direkt auf seine Soldaten richten würde. Aber naja, das würde ihn schnell ins Gefängnis befördern, würde er also sicher nicht tun. Auch sie lehnte sich an die Brüstung, blickte sich wieder in der Dunkelheit um, ehe sie sich vom Rand abstiess, um etwas vom Boden in der Ecke zu holen. Gleich darauf reichte sie ihm mit einem fröhlichen Grinsen in einem feierlichen Akt eine Dose Cola. "Hab leider Gottes kein Bier gefunden, um diesen Tag zu feiern. Aber die Cola ist immerhin kalt", erklärte sie die unglaublich gutmütige Geste, während sie gegen das Alu ihrer eigenen Dose klopfte. "Auf unseren Erfolg und die Tatsache, dass wir die Welt von diesem Ekelpaket befreit haben.", ganz ehrlich, sie verdienten Champagner. Aber gabs hier halt leider nicht. Der einzige Alkohol im Camp diente der Desinfektion von Wunden - und den sollte man wohl eher nicht trinken.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Sie brauchte sich nicht zu rechtfertigen. Ich wusste ganz genau, wieso Faye das getan hatte. Oder zumindest wusste ich genug, um einschätzen zu können, dass sie bei Weitem nicht die Einzige auf diesem Planeten war, die sich in dieser Situation einen Ausweg im Schmerz gesucht hätte. Denn obwohl letzterer Dinge niemals auslöschte, sondern nur vertrieb, brachte er oft für ein paar Sekunden sowas wie Erlösung. Ließ einen für ein paar Sekunden wieder atmen.. Außer mich vielleicht. Chronischer Schmerz war wohl nochmal eine ganz andere Hausnummer. Aber die Brünette hier hatte auch das, was sie ihrem Arm da angetan hatte, aus blanker Verzweiflung getan. Deswegen nahm ich es ihr weiß Gott nicht übel, würde aber in keinem Fall das Risiko eingehen, dass sie in ihrer letzten Nacht hier noch auf dumme Gedanken kam. Warum auch immer. Vielleicht, weil ich unter Umständen eventuell wieder ging und sie alleine hier schlafen ließ und das in diesem Fall erneut an ihrem Geist nagen könnte. Es müsste für mich in keinem Fall nachvollziehbar sein, warum sie es tun würde - ich würde ihr aber keine Möglichkeit dazu lassen, oder zumindest nicht die einfachste Lösung offen hier herumliegen lassen. "Ja und ich werd' deins nicht hier lassen.", erwiderte ich daraufhin und streckte meinen Arm ein klein wenig aus, öffnete die Hand und machte nur mit den Fingern noch eine kurze Bewegung in meine Richtung, um zu symbolisieren, dass sie mir das Messer geben würde. Andernfalls war ich wohl gleich wieder weg. "Du brauchst es jetzt ja erstmal nicht mehr... ich will dir auch gar keine Vorwürfen machen oder dich verurteilen, Faye... ehrlich nicht, aber ich kann's nicht guten Gewissens hier rumliegen lassen, also her damit.", forderte ich weiterhin noch mit etwas mehr Nachdruck in der Stimme, wobei mein Blick aber deutlich mehr besorgt als verärgert oder dergleichen war, einfach nur offen legte, dass ich mir Gedanken um die junge Frau machte. Ich wollte ja einfach nur nicht, dass sie mit dieser Dummheit fortfuhr. Dass sie sich erneut selbst weh tat, weil sie die Folter in ihrem Kopf nicht mehr aushielt. Ganz gleich, was der Grund dafür wäre - es war in keinem Fall eine gute Idee zu versuchen ihn mit einem weiteren Einschnitt in ihrer sonst so glatten Haut zu vertreiben.
War doch recht angenehm, die sonst meist eher ernste und konzentrierte Brünette auch mal lachen zu hören. Gerade mir gegenüber. Klar, ihre gute Laune war mehr dem Tod von Warren zu verdanken, als mir und meiner schwierigen Persönlichkeit. War aber trotzdem eine nette Sache. Ihrer Arbeit war sie also auch bis zum Ende nachgegangen und hatte tatsächlich auch schon einen neuen Lieutenant aufgetrieben, der schon morgen hier eintreffen würde. Von da an wehte dann vermutlich ein etwas anderer Wind hier im Camp, hatte doch jeder von denen so seine Eigenheiten und für manche davon auch genug Freiheit, um sie umzusetzen, seine Crew nach seinen Wünschen zu formen. Aber mir blieb wohl nichts Anderes übrig, als mich einfach mal von dem Neuen und seiner Art überraschen zu lassen, so wie alle Anderen hier auch. Vielleicht hatten wie ja auch einfach mal Glück und er war ein aufrichtiger, nicht nur geldgieriger Mensch, der sein Amt sehr viel mehr aus Überzeugung, als des Geldes oder Ruhmes wegen machte. "Na dann hoff' ich mal, dass du uns da wen Gutes geangelt hast.", meinte ich diesbezüglich nur minimal nachdenklich und sonst weiterhin guter Laune, zuckte nur ein klein wenig mit den Schultern, während das Grinsen weiter Einzug hielt. Wenn es einen Grund dazu geben würde, dann würde ich mir in den kommenden Tagen immernoch den Kopf darüber zerbrechen und mich aufregen können. Für heute war entspannt den Tag ausklingen lassen angesagt - Aryana sah das offenbar genauso. Denn kaum hatten die Worte meine Lippen verlassen, drehte sie sich auch schon wieder weg und kam mit einer Dose zurück, die ich nicht erwartet hatte. Und ja, es war schade, dass es kein Bier oder gar etwas Hochprozentigeres war, aber die Geste war hier das, was zählte. Sie hatte sich umgesehen und wenn eine Cola Alles war, was sie hatte auftreiben können, dann war das nunmal so. War auch okay, immerhin würden wir beide des langen Entzugs wegen wohl kaum viel vertragen und beschwipst hier oben herumzulungern... naja, war vielleicht auch nicht ohne, wenn wir lauter wurden, uns weniger kontrolliert im Griff haben. War also vermutlich ohnehin besser so. Ich hatte die Dose dankbar entgegen genommen, kurz dagegen geklopft und öffnete sie dann erst einmal. "Ja. Chapeau an unsere perfekte Zusammenarbeit.", stimmte ich fast schon summend mit ein und prostete ihr zu - wenn auch vorsichtig, um die noch volle Dose nicht prompt zum Überlaufen zu bringen. Koffein um diese Uhrzeit war vermutlich auch nicht ideal... ach was, egal. Ich würde den morgigen Tag sicher auch mit ein paar Stunden weniger Schlaf aushalten. So nahm ich ohne zu große Bedenken die ersten paar Schlucke aus dem Metallgefäß, ehe ich wieder absetzte. "Und darauf, dass ich vermutlich nicht vor...", ich warf einen kurzen Blick auf die kleine Hängeuhr an einem der Eckpfosten. "... 2 Uhr einschlafen kann.", fügte ich etwas ironischer noch hinzu, bevor ich den nächsten Schluck nahm. Doch, die Cola schmeckte heute ganz besonders gut.