Ich müsste ganz gewaltig lügen, um zu sagen, dass es mir nicht doch etwas unangenehm war, wie ausgiebig der Engländer die Narben eine ganze Weile lang musterte. Dazu hatte ich mich aber selbst entschieden, als ich das Shirt ausgezogen hatte und so ließ ich die Prozedur mit etwas flauem Magen einfach über mich ergehen. Es gab schließlich schlimmeres als nur angeschaut zu werden, wovon ich selbst ein Lied singen konnte. Dass Richard dann letztlich noch einmal seine Meinung über den Amerikaner offen kundtat, löste bei mir sofort ein Nicken aus. "Kannst du laut sagen... ich dachte grade ich seh' nicht richtig. Ich meine, es war zwar aus Cosmas Worten schon rauszuhören, dass ihre eigene Beziehung sicher nicht weniger kompliziert ist als meine, aber das... nein.", redete ich vor mich hin und schüttelte am Ende noch einmal zur Untermauerung meiner Worte den Kopf. Eigentlich war ich die letzte, die sich das Recht herausnahm über andere Beziehungen zu urteilen, wo meine eigene zu Iljah doch auch nicht gerade überall auf Verständnis stieß. So war Liebe eben - nicht immer erklärbar und auch nicht zu steuern. Trotzdem war mir wirklich schleierhaft, wie eine Beziehung mit Hunter funktionieren sollte. Ich konnte mir schlicht und ergreifend auch absolut nicht vorstellen, dass er überhaupt sowas wie Liebe empfinden konnte. Andererseits wollte ich vermutlich auch gar nicht wissen, auf welcher Grundlage sich die Beziehung der beiden aufrecht erhielt. Ich hatte mit meiner eigenen gerade schon mehr als genug Probleme und dachte just in diesem Moment auch daran, dass der Hitzkopf es vielleicht gar nicht mal so gut finden würde, wenn ich mich gut mit Cosma verstand. Außerdem traute ich es ihm durchaus zu, dass er versuchen würde den Kontakt zwischen uns zu unterbinden, wenn er sich irgendwelche guten Gründe dafür zusammenreimte. Dazu hatte er kein Recht, aber es war eben Hunter, von dem wir hier redeten. Er brauchte nicht sowas wie Einverständniserklärungen, Morddrohungen und eine Pistole reichten wohl aus. Aber ich verstand mich so gut mit der Rothaarigen und hatte eigentlich keine Lust, mich jetzt schon wieder nach einer neuen potenziellen Freundin umzusehen. Natürlich waren wir beide von einer innigen Freundschaft noch sehr weit entfernt, aber wir schwammen doch auf einigen Ebenen die selbe Wellenlänge und das war angenehm. Ich würde einfach gerne sehen wohin das noch führte und mich nicht von dem Choleriker davon abhalten lassen wollen. Er würde mich nicht umbringen, oder? Konnte er eigentlich nicht, wegen seinen Geschäften mit Iljah. Sich darauf zu verlassen wäre aber wohl auch sehr riskant - und provokant -, weshalb ich kurzerhand die Tasse bei Seite stellte und mir den Stoff wieder über den Kopf zog. Ich brauchte hier nicht halbnackt herumzustehen, wenn der Amerikaner wieder durch den Flur ging, um ihm sein Meisterwerk noch einmal zu präsentieren. Da war die Unterhaltung über Richards Freund doch weit angenehmer und ich angelte erneut nach der Tasse, um sie zwischen meinen Händen zu halten. Kubaner schien der gute Sam schonmal nicht zu sein, sondern stammte ursprünglich aus Italien. Auch ein eher sonniges, südlicheres Land, da war ihm die Anpassung sicher nicht so schwer gefallen. Zumindest vom Klima her eben und auch optisch würde er laut dem Engländer genauso gut nach Kuba wie in sein Heimatland passen. "Ist ja auch nicht so wichtig. Auf jeden Fall hatte er dann weniger Probleme mit der Umstellung als ich.", wimmelte ich ab. Woher genau aus Italien sein Freund kam war kein Detail, das ich kennen musste. Es war da auf jeden Fall wärmer als in Russland, wenn auch vermutlich nicht ganz so heiß wie hier auf der Insel. Auch schien jener Mann an sich ein eher ruhiger Zeitgenosse zu sein, was ich innerlich sofort willkommen hieß und mich noch etwas breiter lächeln ließ, als ich die Teetasse für ein paar Schlucke anhob. Danach ruhte mein Blick wieder auf dem Dunkelhaarigen. "Das klingt gut. Ich kann zwar ab und zu auch ziemlich aufdrehen", was ich gleich mal mit einem schiefen Grinsen begleitete, "aber ich bin ganz froh, dass es hier grade so ruhig ist. Wenn nicht grade Hunter hier reinspaziert zumindest..." Der machte halt doch irgendwie sehr viel der guten Stimmung hier kaputt, da brauchten wir uns nichts vorzumachen. "Wie wär's denn mit einer netten kleinen Runde am Abend irgendwann die nächsten Tage? Wenn's nicht regnet könnten wir die Terrasse ausnutzen. Falls er zu sowas Lust hat natürlich... ich kenn ihn ja nicht.", machte ich mit einem schwachen Schulterzucken und einem minimal verunsicherten Lächeln einen spontanen Vorschlag zu dem Ganzen. Zu viert wäre es kaum sowas wie eine richtige Party, aber ein bisschen zusammensitzen und sich unterhalten, nebenher ein oder zwei Gläser trinken... ich vermisste sowas. Konnte mich schon kaum mehr daran erinnern, wann ich zuletzt mal sowas wie entspannt mit Freunden zusammen gesessen hatte.
Ich versank nach all den einsamen Tagen, in denen mir überwiegend nur Ashton auf die Nerven gegangen war, so sehr in den zärtlichen Gesten der Rothaarigen, dass ich nach ihrem Nicken auf meine Frage schon gar nicht mehr sowas wie eine ausführlichere Antwort erwartete. Genoss stattdessen die liebevolle Streicheleinheit an Kinn und Wange, auch den Blick in ihre hellen Augen und wusste schon jetzt, dass es mir schwerfallen würde Cosma später wieder hier zurückzulassen, wenn es für mich Zeit war zu gehen. Deshalb würde ich das Ganze gut und gerne noch ein paar Minuten rauszögern, jetzt wo sie mir offensichtlich eine zweite Chance geben wollte, die ich eher nicht verdient hatte. Ich war mir wirklich nicht sicher damit gewesen, ob sie einknicken und mir die Unterstützung weiterhin - und vielleicht mehr als jemals zuvor - geben würde. Hatte daran gezweifelt, dass ich überhaupt Worte wie diese zu ihr sagen konnte, war das doch nicht gerade einer meiner Stärken. Perfekt war es sicher nicht gewesen, aber ich schien deutlich genug zum Ausdruck gebracht zu haben, wie sehr ich auf ihre Hilfe angewiesen war. Ich gestand mir das selbst nicht gerne ein, aber ich kam definitiv nicht ohne Cosma zurück auf den richtigen Weg. Ich wusste nicht genau was eigentlich jetzt plötzlich in meinem Schädel so kaputt gegangen war, aber irgendwo schien eins der Zahnräder zu klemmen. Es kam meiner aktuellen inneren Ruhe, die in letzter Zeit so nie existent gewesen war, allerdings nicht unbedingt zugute, dass der Name der verräterischen Serbin fiel. Mein Gesichtsausdruck wurde prompt wieder etwas nachdenklicher und meine Stirn legte sich bei den minimal nach unten gezogenen Augenbrauen in leichte Falten. Es kümmerte mich weit weniger, dass Richard mich nach wie vor nicht an Cosmas Seite haben wollte, als dass die Schwarzhaarige hier aufgeschlagen war, ohne dass ich darüber informiert worden war. Sie hatte es aber wohl auch geschickt gemacht, sich hier bei dem Engländer zu verkriechen, weil ich hier ganz bestimmt nicht öfter vorbeischaute, als ich musste. Außer eben wenn die Rothaarige jetzt hier war, das erklärte sich von selbst. Wo sie war, da war ich zwangsläufig auch. An und für sich war es gut, dass Richard meine Freundin hier gerne noch etwas länger beherbergen würde, aber Irinas Anwesenheit konnte ich wiederum nicht gutheißen. "Er wird aber damit leben müssen, dass ich hin und wieder vorbeikomme. Genauso wie Irina. Nochmal lass ich dich nicht so lang allein...", meinte ich weiterhin unbeeindruckt vom Unwillen des Engländers, die Beziehung zwischen Cosma und mir zu akzeptieren. War schlichtweg nicht sein Bier, sondern unseres und er konnte davon halten was er wollte, solange er mir damit nicht auf den Sack ging. Wenn er es doch tat, bekam er mindestens wörtlich wieder eins auf den Deckel. Was die mangelnden Massagen und den offensichtlich verspannten Nacken der Rothaarigen anging, huschte mir aber doch ein flüchtiges Lächeln über die Lippen und die Gedanken an Irina und Richard waren vorübergehend wieder Geschichte. "Für 'ne Massage musst du nicht erst wieder in die Villa zurückkommen.", teilte ich ihr mit, dass das durchaus auch schon früher ging, wenn ihr die billige Matratze und das sicher nicht allzu hochwertige Kissen Probleme bereiteten. Unterstrich meine Worte damit ihr noch einmal über den unteren Rücken zu streicheln, was ich kurzzeitig eingestellt hatte. Obwohl mich das ganze Gespräch doch innerlich - und leider sicher auch äußerlich gut sichtbar - aufgewühlt hatte, hätte ich wohl nicht mal ein Problem damit meine Hände gleich Hier und Jetzt an ihren Nacken zu legen, um verspannte Muskulatur zu lockern. Oder dann eben irgendwann in den nächsten Tagen, wenn ich wieder herkam. Die nächsten Male konnte ich mich dann auch guten Gewissens vorher mit einer Nachricht oder einem kurzen Anruf bei Cosma ankündigen, nachdem jetzt feststand, dass sie mich noch bei sich haben wollte und sie mich offenbar ebenso vermisst hatte, wie das umgekehrt auch der Fall war. "Wird wohl leider noch eine Ecke dauern, bis du mich wieder in vollem Ausmaß ertragen darfst.", stellte ich leise seufzend, wenn auch sarkastisch angehaucht fest. Es war einfach beschissen, dass wir vorübergehend mehr oder weniger zu räumlicher Distanz gezwungen waren. Aber bis dahin... "Was ich gesagt habe, als du gegangen bist, hab ich aber wirklich so gemeint. Trotz... allem.", wollte ich der jungen Frau noch einmal deutlich machen, dass ich trotzdem da war, auch wenn wir vorübergehend nicht zusammen wohnten. Dass sie sich trotzdem jederzeit melden konnte, wenn irgendwas war, auch wenn gerade alles ein bisschen schwierig war. Apropos schwierig und ungeklärt... einige schweigsame Sekunden später ergriff ich gleich nochmal das Wort: "Und ich... hab die Bar in den letzten Tagen von den Jungs regeln lassen, weil ich nicht wusste, wann du wieder da auftauchst. Das funktioniert gut, aber ich brauch das Geld ja nicht zwingend, also... wenn ich's lassen soll und sie dichtmachen sollen, bis du selber wieder Lust drauf hast, dann musst du's nur sagen.", klärte ich Cosma über die Umstände hinter ihrem Bartresen auf und sah fragend zu ihr hoch. Es hatte nur eine Übergangslösung sein sollen, bis sie dort wieder auftauchte und ich stand zu meinem Wort - es war ihre Bar und nicht meine, auch wenn ich ihr das Geld dafür zur Verfügung gestellt hatte. Wenn sie wollte, dass der Laden erstmal dichtmachte, dann würde ich das so auch in die Wege leiten. Es war zwar nicht ideal das schon gedruckte Falschgeld vorübergehend nicht weiter zu waschen und stattdessen einzulagern, aber möglich war's.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Hätte ich gewusst, dass Irina und Hunter sich bereits kannten und die junge Frau ebenso schlechte Erfahrungen mit dem Amerikaner gesammelt hatte, wie ein Großteil aller anderen auch, dann hätte ich sie vorab zumindest schon mal vorgewarnt, dass er hier sehr wahrscheinlich irgendwann nach seiner Freundin suchen würde. Da Cosma hier auf der Insel genauso wenig Freunde und soziale Kontakte pflegte, wie auch schon in Norwegen, gab es nur wenige Menschen, bei denen sie potenziell hätte unterkommen können und es lag nahe, dass sie bei ihrem ehemals besten Freund zuerst anklopfen würde, bevor sie einen der anderen Mitglieder des Suicide Squads um Hilfe bat. Aber gut, der Zug mit dem Vorwarnen war inzwischen abgefahren und für die Zukunft wusste Irina, dass der Amerikaner durchaus ab und an hier auf der Matte stehen würde, wenn die Rothaarige sich nicht dazu entschied, ihn heute final abzusägen. Je länger das Gespräch zwischen den beiden im Gästezimmer allerdings anhielt, desto mehr schwand meine Hoffnung darauf und ich vermutete, dass die beiden längst wieder zueinandergefunden hatten. Andernfalls wäre es kaum so ruhig und man würde vermutlich Gegenstände - die ich in meinem Wahn noch nicht zertrümmert hatte -, an der Wand zerschellen hören. Ich freundete mich also besser mit dem Gedanken an, die Rothaarige trotz guten Zuredens erneut an den Choleriker verloren zu haben, was mich schließlich leise und hörbar unzufrieden seufzen ließ. "Ich... verstehe es auch nicht. Also so überhaupt nicht. Weder, wie diese Beziehung zustande kam - die beiden haben sich anfangs nämlich auf den Tod nicht ausstehen können -, noch was sie aneinander finden und wie Cosma es mit diesem Choleriker aushält. Mal ganz zu schweigen davon, dass sie ihn offensichtlich ziemlich im Griff hat. So was seine Mordgelüste angeht, wenn man nicht nach seiner Pfeife tanzt, meine ich. Die Gute kann nämlich ganz schön anstrengend werden und wenn man nicht gerade mit einer Engelsgeduld gesegnet ist - von der Hunter meiner Meinung nach mehrere Millionen Lichtjahre entfernt ist -, dann kann einen das ziemlich wütend werden lassen. Trotzdem ist ihr bis vor Kurzem nichts Ernsthaftes passiert.", stellte ich nachdenklich fest, dass der Umgang des Amerikaners mit seiner Freundin sich grundsätzlich vom regulären Umgang mit dem Rest der Menschheit abhob und das war ganz einfach komisch. Aber gut, wie Hunter selbst mir vorhin vermutlich gerne eingeprügelt hätte, steckten wir in der ganzen Sache einfach nicht mit drin und konnten demnach auch nicht nachvollziehen, wie die Beziehung der beiden eigentlich genau funktionierte. Letztlich hatte uns das wohl auch nichts anzugehen, aber ich persönlich war schlichtweg neugierig und Irina machte mir ebenfalls den Anschein, als würde sie zumindest versuchen wollen, es zu verstehen. Ich bezweifelte allerdings, dass wir diese Tiefen jemals ergründen würden, wenn Hunter und Cosma es nicht explizit darauf anlegten und uns mit der Findung von Antworten unterstützten. Und da ich felsenfest davon überzeugt war, dass sie ihre Geheimnisse mit ins Grab nehmen würden, freundete ich mich wohl langsam damit an, in Unwissenheit über diese Beziehung zu sterben. Wo wir beim Thema Beziehungen waren, kam mir das Gespräch über meine eigene gerade ganz gelegen. Zu der konnte ich immerhin etwas Sinnvolleres beitragen, als bloß meinen Unmut und meine Abneigung Hunter gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Irina zustimmen, dass Samuele weitaus weniger Probleme gehabt hatte, sich mit den heißen Temperaturen hier anzufreunden, konnte ich zwar nicht, weil ich das schlichtweg nicht mit Sicherheit wusste, aber ich konnte es mir gut vorstellen, wo Italien doch insgesamt auch ein recht warmes Land in Europa war. Verglichen mit England, Russland und Norwegen in jedem Fall. Ich hatte auch erst mal eine gewisse Zeit gebraucht, mich mit dem Dauersommer anzufreunden, aber mittlerweile würde ich ihn nicht mehr missen wollen. Wenn es denn nicht gerade regnete - so wie in dem Augenblick -, dann lud das herrliche Wetter wirklich zum draußen herumsitzen ein. Die Serbin schlug deshalb wohl auch kurzerhand vor, sich binnen der nächsten Tage gemeinsam auf die Terrasse zu hocken, sich insgesamt näher kennenzulernen und den Waldblick zu genießen, auf den irgendwann, mehrere Meter weiter auch der Strand und das Meer folgte. Sammy würde das sicherlich auch gefallen und so nickte ich schließlich zustimmend. "Hört sich gut an, können wir gerne so machen. Ich frag Samuele mal, ob er darauf Lust hätte und geb' dir Bescheid, wann es für ihn passt. Anders als der Rest von uns geht er zumindest teilweise noch einer legalen Arbeit nach und kann seinen Tag dementsprechend nicht einfach nach seinem Willen planen.", ließ ich Irina schwach lächelnd wissen, dass der Italiener einer der wenigen war, die sich ihre Arbeit nicht immer so aufteilen konnten, wie ihnen das beliebte. Auch wenn er quasi der Chef des Cafés war, hatte er immer noch einen Vorgesetzten, dem er unterstellt war und mehrere Tage auf die Arbeit zu kommen und zu gehen, wie es ihm gerade passte, würde irgendwann ziemlich sicher auffallen. Dementsprechend musste Sam sich ein Stück weit nach seinen Arbeitszeiten richten und wenn er nach einem anstrengenden Tag eher keine Lust mehr auf soziale Interaktionen hatte, musste ich das wohl akzeptieren. "Bis dahin... würde ich gerne mal nach Cosma sehen. Irgendwie... ist mir das ein bisschen zu ruhig.", fügte ich murmelnd ein paar Worte hinzu, nahm dann noch einen Schluck Tee, ehe ich die Tasse schließlich zurück auf die Theke stellte und in Richtung Gästezimmer nickte. Irina stand es frei, mir zu folgen. Sie konnte natürlich auch hierbleiben, aber ich wollte ganz einfach sichergehen, dass Hunter meine beste Freundin nicht zwischenzeitlich erdrosselt oder anderweitig lautlos gekillt hatte. Bei ihm wusste man schließlich nie und in meinem Haus konnte man mir ja wohl kaum vorwerfen, dass ich in den einzelnen Räumlichkeiten nichts zu suchen hatte.
Man müsste wohl beidseitig erblindet sein, um nicht zu sehen, dass die Erwähnung von Irinas Namen Irgendetwas in Hunter auslöste. Ich konnte mir nicht helfen, aber irgendwoher schienen sich die beiden bereits zu kennen, hatte doch auch die Schwarzhaarige vorhin reichlich merkwürdig auf das Auftauchen des Amerikaners reagiert. Das wiederum ließ mich ebenfalls etwas nachdenklich die Augenbrauen zusammenziehen, aber ich beschloss, erst einmal nicht weiter darauf einzugehen. Wusste ehrlich gesagt auch nicht, ob ich so genau wissen wollte, woher die beiden einander kannten. Hinterher würde mich das nur wieder wütend machen und wir hatten uns doch gerade erst wieder versöhnt, da wollte ich jetzt nicht gleich ins nächste Streitgespräch schlittern. Deshalb ließ ich die Sache nach den Worten "Offensichtlich gibt es da etwas, über das wir uns noch unterhalten müssen" und einem schwachen Lächeln vorerst auch einfach auf sich beruhen. Darüber könnten wir später noch sprechen, fürs Erste war es mir nur recht, dass Hunter ab und an vorbeikommen und nach mir sehen würde. Ich meinte meine Worte nämlich durchaus ernst, als ich sagte, dass ich ihn vermisst hatte. Zwar hatte ich das Richard gegenüber nie wirklich durchsickern lassen, aber unterbewusst war es mir einfach schwergefallen, den Amerikaner aus meinem Leben wegzudenken. Ich war also ganz froh, dass er heute hier aufgetaucht war und wir uns ausgesprochen hatten. "Wenn sich alle ein wenig zusammenreißen, kriegen wir das schon hin. Das heißt aber auch, dass du dich genauso zu benehmen hast, wie Richard und Irina auch, klar? Wir müssen keinen Kaffee zusammen trinken, aber ich möchte nicht schon wieder Tote verschwinden lassen müssen." Mit vielsagend hochgezogener Augenbraue und einem zur Mahnung angehobenen Zeigefinger erwiderte ich weiterhin den Blick des jungen Mannes, indem ich zu ihm nach unten sah. Hoffte in dem Punkt einfach darauf, dass er es mir jetzt nicht krumm nehmen würde, wenn ich ein Stück weit auch meinen besten Freund und meine neu hinzugewonnene Freundin in Schutz nahm. Außerdem schnitt ich am Rande noch etwas Vergangenes an, wobei ich selbst mit Hunter gemeinsam eine Leiche hatte verschwinden lassen und bei aller Liebe zu dem Amerikaner, würde ich das nur ungern noch ein weiteres Mal tun müssen. Ich war mir allerdings sicher, dass sich die zwei auch anständig mit dem Choleriker unterhalten können würden, sofern die Resonanz eben stimmte. Wenn Richard trotzdem ausfällig wurde, dann hatte Hunter von mir aber auch das Go, ihn in seine Schranken zu weisen. Wir alle wussten schließlich, dass es der Engländer manchmal schlichtweg nicht gut sein lassen konnte und weiter provozieren musste, er dürfte sich über ein entsprechendes Echo also nicht wundern. Hunter sollte mir zu Liebe aber wenigstens nicht derjenige sein, der den Streit anzettelte - er konnte sich nämlich benehmen, wenn er das wollte, das wusste ich. Was dann die Massage anging, ließ mich mein Liebster schon bald wissen, dass ich, wenn es nach ihm ginge, gar nicht so lange darauf warten müssen würde, bis die zumeist wohlwollenden Hände meine verspannten Muskeln bearbeiteten. Lieb fragen war wohl das einzige, was ich dafür tun müsste, damit Hunter sich gleich jetzt meinem Nacken annahm, aber ich wollte ihm gerade nur ungerne meinen Rücken zudrehen. Nicht, weil ich befürchtete, er könne doch die Intention haben mich zu verletzen, nein. Ich hatte ihn die letzten Tage nur überhaupt nicht zu Gesicht bekommen und sein Antlitz fehlte mir ganz einfach. Sein schönes Gesicht, diese fesselnden Augen, seine unzähligen Tattoos. Ich wollte mich jetzt nicht von ihm abwanden, ganz im Gegenteil. Von mir aus hätten wir jetzt noch eine kleine Ewigkeit einfach nur hier herumsitzen, beziehungsweise stehen können und es hätte mir absolut nichts ausgemacht. Auch dass Hunter auf den Zug aufsprang und nachfolgende Worte etwas sarkastisch anhauchte, um die Ernsthaftigkeit aus dem vorherigen Gespräch etwas zu übertünchen, kam mir sehr gelegen, freute mich und ließ mich schief grinsen. "Ich weiß gar nicht, was alle immer haben. Ich bin wirklich gerne in deiner Nähe. Deine Zerstörungswut hat irgendwie... etwas betörendes an sich.", philosophierte ich mit einem schwachen Kopfschütteln darüber, was genau eigentlich der Grund war, dass mir Hunters Nähe inzwischen überhaupt gar nichts mehr ausmachte und mich sogar positiv beeinflusste. Meine Laune anhob, wenn wir nicht gerade wieder aneinandergerieten. Gut, ich übertrieb vielleicht ein bisschen, wenn ich behauptete, dass seine dominante Art und die besagte Zerstörungswut Eigenschaften waren, die attraktiv auf mich wirkten, aber die Aussage hatte zumindest teilweise einen wahren Kern. Gewissermaßen hatte Hunter schon eine auf mich anziehend wirkende Ausstrahlung, weil ich es sonst wohl eher nicht länger, als ein paar Minuten mit ihm aushalten würde, aber ich glaubte jetzt nicht unbedingt, dass es sein Kontrollzwang oder eine seiner anderen vielen, wirklich negativen Eigenschaften waren, die mich ihn lieben ließ. Es war eher so, dass sie von mir eben wegen der Liebe zu ihm akzeptiert wurden. So oder so ähnlich zumindest. Jedenfalls kam Hunter vollkommen unerwartet noch auf etwas zu sprechen, über das ich mir die letzten Tage überhaupt keine Gedanken gemacht hatte - meine Bar. Irgendwie war das gute Stück, anders als die originale Smith and Wesson, etwas in den Hintergrund gerückt, als ich versucht hatte, wieder zu mir zu finden. Damals wäre mir das wohl nicht passiert, weil ich in Situationen wie diesen doch sofort dort gepennt und gelebt hätte, aber unterbewusst war es mir wohl einfach zu wahrscheinlich gewesen, dass Hunter mich dort zuerst suchen kommen würde. Eben weil ich einst mein halbes Leben hinter dem Tresen verbracht hatte. Vielleicht wollte ich die Bar unterbewusst aber auch ein Stück weit boykottieren, wo doch Hunters Blüten dort gewaschen wurden. Ob ich klammheimlich darauf gehofft hatte, er würde sie einfach geschlossen halten, damit ihm seine Aktion mehr oder weniger teuer zu stehen kam? Vielleicht, aber eigentlich hätte mir klar sein müssen, dass er die Smith and Wesson Reloaded auch in Eigenregie weiterhin am laufen hielt, auch ohne mich. Im Endeffekt freute ich mich aber ganz gleich, aus welchem Grund er die Bar weiter unterhalten hatte, weil sich die paar wenigen Stammkunden so hoffentlich gehalten hatten. Mein Grinsen schwächte sich wieder zu einem liebevollen Lächeln ab und meine Hand wanderte letztlich weiter über die Stoppeln auf seinem Kopf, bis sie schließlich wieder in seinem Nacken lag. Ich beugte mich etwas zu Hunter hinunter und war mit meinen Lippen den seinen ganz nah, als ich leise ein "Du bist der Beste... danke" murmelte. Dann ließ ich auch noch das letzte bisschen Distanz schwinden und küsste ihn, noch bevor er sich zu der ebenfalls eher verhaltenen Danksagung meinerseits äußern konnte. Nur beiläufig bemerkte ich dabei, dass sich in meinem Rücken die Tür einen Spalt weit öffnete. Zu vertieft war ich in das Gefühl und den Geschmack von Hunters Lippen, die ich in den letzten Tagen so schrecklich vermisst hatte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Der Engländer schien sich ziemlich genauso wenig wie ich zusammenreimen zu können, wie diese Beziehung langfristig funktionieren konnte. Vor allem dann, wenn die beiden sich zu Beginn ihrer Bekanntschaft nicht hatten ausstehen können, war es doch ziemlich mysteriös, wie sie sich jetzt lieben konnten. Meistens änderte man eine so abgeneigte Einstellung einem anderen Menschen gegenüber ja nicht mal eben so nebenbei, dafür musste es irgendwelche triftigen Gründe geben. Meine Augenbraue wanderte also doch sichtbar irritiert durch diese Information nach oben. Aber ja - irgendeine Art von spürbarem Einfluss musste die Rothaarige definitiv auf diesen Mann haben. Anders ließ sich ganz einfach nicht erklären, warum sie noch lebte, wenn sie so unausstehlich werden konnte, wie Richard mir das gerade mit Worten schilderte. Bisher hatte ich davon nichts gemerkt, was vielleicht aber auch einfach daran lag, dass ich hier nicht auf unangenehme Auseinandersetzungen aus war und vorerst noch lieber etwas kürzer trat, als einen Streit vom Zaun zu brechen. Ich hatte in Russland mehr als genug Stress gehabt und wollte hier nicht auch gleich wieder welchen. Jedenfalls konnte ich mir so aber durchaus vorstellen, dass zwischen den beiden häufiger mal ein unschöner Streit entstand. Immerhin war Hunter ja nun auch alles andere als leicht von seiner Meinung oder gar seinen Entscheidungen abzubringen. Wenn das auf beiden Seiten der Fall war... na dann gute Nacht. Zwar hatten Iljah und ich uns hier und da auch schon gestritten - was bei unserer Art von Differenzen und Erlebnissen sicherlich kein Wunder war -, aber wenn das noch öfter vorkommen würde als es jetzt der Fall war, würde ich schlicht wahnsinnig werden. Dass Hunter Cosma wohl bis auf die Ausschreitung vor Kurzem noch nie etwas getan hatte, ließ sich für meine Begriffe aber nur durch eine einzige Sache begründen. "Dann muss er sie wohl wirklich lieben... auf welche merkwürdige Art und Weise auch immer. Braucht bei ihm normalerweise ja nicht viel, um was zu kassieren, also ist das mindestens ein kleines Wunder.", stellte ich fest und zuckte schwach mit den schmalen Schultern. Zumindest fiel mir dafür so auf Anhieb kein anderer, guter oder gar besserer Grund ein. Womöglich hatte die junge Frau einfach irgendeinen Nerv bei ihm getroffen - im positiven Sinne. Was die Zusammenkunft mit seinem Freund anging zeigte Richard sich sehr offen für meinen Vorschlag, weshalb sich das zuvor noch unsichere Lächeln verfestigte. Ich freute mich schon jetzt darauf, obwohl ich Sam bis dato noch gar nicht kannte. Vielleicht war es ein bisschen waghalsig sich auf die Aussage des Engländers zu verlassen, dass wir beide uns wahrscheinlich ganz gut verstehen würden, aber in diesem Fall war ich liebend gerne blauäugig und glaubte das einfach mal. Es war ohnehin grundsätzlich besser mit einem positiven Gefühl in eine neue Bekanntschaft zu starten, als es von vornherein kritisch zu sehen. "Gut, mach das.", bestätigte ich dem Dunkelhaarigen noch mit ein paar Worten, dass ich verstanden hatte. Es wunderte mich aber doch ein bisschen, dass der Italiener noch einer der wenigen halbwegs normalen Menschen in diesem Umfeld zu sein schien. Zwar hatte sicherlich auch er irgendwo schon einen Zacken seiner Krone verloren, weil er sonst als eigentlicher Normalo bestimmt nicht mit dermaßen Kriminellen verkehren würde, aber es hatte einfach jeder sein Päckchen zu tragen. Ich selbst trug kein kleines mit mir herum und so machte ich mir einfach erst dann ein Bild von ihm, wenn er sich in ein paar Tagen irgendwann mal zu uns gesellen würde. Es war ohnehin besser Jemandem seine Fragen direkt zu stellen, statt sie über Dritte zu beantworten. Es war nie angenehm, wenn man das Gefühl hatte sein Gegenüber wusste schon die halbe Lebensgeschichte von einem. Fürs erste war es das jetzt allerdings erstmal gewesen, was die Unterhaltung mit dem Engländer anging. Er schien sich nach dem Wohl unserer Mitbewohnerin erkundigen zu wollen, was an und für sich bestimmt nicht verkehrt war, war Hunter doch ziemlich unberechenbar. Wenn er der jungen Frau vor Kurzem schon weh getan hatte, könnte er das jetzt theoretisch auch wieder tun. Auch wenn er vorhin auf mich keinen aggressiven Eindruck gemacht hatte. Eher im Gegenteil, aber gut - ich würde mich da jetzt nicht einmischen. Deshalb nickte ich dem jungen Mann nur noch einmal zu, bevor er sich von mir abwandte und mich mit seinem Tee stehen ließ, weil ich ihm nicht folgte. Ich würde mich zukünftig so weit es ging von Hunters Angelegenheiten fernhalten, weil ich ganz einfach keine Lust darauf hatte wieder angemault oder angeritzt zu werden. Sollte der Engländer sich also lieber allein in die Todeszone wagen.
Nicht zwingend. Ich war schließlich nicht derjenige, der was die Sache zwischen Irina und mir - und Iljah - anging Scheiße gebaut hatte. Es war Irina, die sich was das anbelangte erklären sollte und eher nicht ich. Außerdem wäre es für mich wohl auch einfach interessant zu wissen, ob die Serbin meiner Freundin was all das anging die Wahrheit sagen würde. Ob sie irgendwas auslassen oder gar Tatsachen verdrehen würde, nur damit sie am Ende nicht ganz so hinterhältig dastand. Ich traute das dem Miststück durchaus zu, sonst hätte sie kaum ein entsprechendes Souvenir von mir bekommen. Die meisten Menschen, die sich gerne in eine derartig große Lüge verstrickten, neigten dazu auch weiterhin fröhlich zu lügen, wenn es die Umstände erforderten. Ich war mir nicht ansatzweise sicher damit, dass die junge Frau ihre Lektion in Russland ausreichend gelernt und begriffen hatte. Das würde nur die Zeit zeigen. Bis ich was das anging Klarheit hatte würde ich scheinbar auch die weiße Flagge oben halten müssen, was Cosmas Wohngemeinschaft hier anging. Es entlockte mir ein leises Seufzen, weil ich es immer als wahnsinnig anstrengend empfand mein Temperament dem Besserwisser gegenüber zügeln zu müssen. Irina war was das anging eher kein Problem. Schließlich kuschte die zierliche Schwarzhaarige von ganz allein, dafür brauchte ich nicht den Mund aufzumachen. Sie böse anzuschauen war nach dem Denkzettel vollkommen ausreichend. "Schätze was Mord angeht brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Die haben zwangsläufig beide sowas wie eine Lebensversicherung.", stellte ich etwas trocken und ironisch fest. Richard eigentlich nur wegen Cosma und vielleicht ein bisschen, weil er in Sabins Schuldenberg mit drin hing, den ich gerne endlich mal erledigt hätte. Irina wiederum hatte Iljah im Rücken, auch wenn der nicht hier war. Ich hatte ehrlich gesagt absolut keine Nerven dafür jetzt mit noch mehr Russen irgendwelche Kriege anzufangen und außerdem bekam ich Geld dafür, dass ich das durchtrieben Biest weiter atmen ließ. Stillschweigend hoffte ich trotzdem darauf, dass sie irgendwer an meiner Stelle umlegte, weil sie nochmal Scheiße baute. "Aber ja... ich geb' mir Mühe.", lenkte ich auch ab von dem vorhandenen Welpenschutz der beiden ein. Sie nicht umzubringen hieß schließlich nicht zwangsläufig auch mich zu benehmen, auch wenn das bei mir hin und wieder eigentlich ein und das selbe war. Mein Leben verlief eben in etwas anderen Bahnen. Die folgenden Worte der Rothaarigen hoben meine Laune allerdings gleich wieder ein bisschen an. Ich schnaubte belustig in mich hinein, wenn auch nur leise, senkte dabei grinsend den Kopf und machte die Augen kurz zu, bevor ich meinen Blick wieder zu der Rothaarigen anhob. "Du kriegst sie ja auch nie so ab wie andere, wenn sie frech werden... und ich glaube du bist auch einfach fast genauso lebensmüde wie ich.", stellte ich fest und legte den Kopf dabei etwas schief, wobei frech hier und da durchaus eine Untertreibung für Cosmas Verhalten war. Sie war aber auch die einzige, bei der ich je freiwillig eine defensive Position einnehmen würde, wenn es zu einem Streit kommen könnte, wenn ich es eigentlich gar nicht wollte. So wie jetzt gerade eben, wo ich ihr hier auf der Bettkante sitzend doch eindeutig signalisierte, dass mir gerade kein bisschen im Sinn stand sie einfach unterzubuttern. Im Gegenzug fürchtete ich mich bei ihr aber auch nicht davor, dass sie auf mich losgehen würde, wenn ich derartig viel aufrichtige Reue zeigte. Sie konnte besser als jeder andere Mensch einschätzen, dass ich diesen Schritt von meiner sonst meistens sehr dominanten Haltung nur wegmachte, um ihr zu signalisieren, dass ich wusste, wie falsch das alles gelaufen war. Ihr zu zeigen, dass ich wusste, dass es nun an mir lag mein Bestes dafür zu geben, dass sowas nicht mehr vorkam und ich wirklich etwas ändern musste, wenn ich uns nicht beide ins Grab schicken wollte. Was die Bar anging schien sie mir den Aufrechterhalt des Geschäfts nicht übel zu nehmen und darüber war ich doch etwas erleichtert. Sie dankte mir sogar noch dafür und gab mir einen neuen Ehrentitel, was ich nicht unbedingt hatte kommen sehen, aber ich nahm das gerne so hin. Ich lächelte ein wenig in den Kuss hinein, erwiderte ihn ohne zu zögern. Cosmas weiche Lippen waren in diesem Moment alles, was noch zur Untermauerung unserer Versöhnung gefehlt hatte. Deshalb erwiderte ich ihn innig mit all den Gefühlen, die sich in den vergangenen Wochen angestaut hatten und nahm die Hand von ihrem Rücken, um sie stattdessen an ihren Hals zu legen. Ich nahm mit meinem scharfsinnigen Gehör sehr wohl wahr, dass die Tür kurz darauf aufging, aber ich ignorierte es gekonnt. Wollte mir den Moment nicht kaputtmachen lassen, während ich mit dem Daumen den Kiefer der Rothaarigen entlangstrich. Außerdem ahnte ich schon, dass es Richard war, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass Irina dermaßen dreist hier reinplatzen würde. Deshalb legte ich dann auch kurzerhand beide Hände knapp unterhalb von Cosmas Arsch an ihre Oberschenkel, um sie auf meinen Schoß zu heben, beziehungsweise zu ziehen. Eine Mischung aus beidem eben, ich trainierte schließlich nicht umsonst und sie war nicht schwer. Der Kuss war dadurch zwangsläufig kurz unterbrochen, aber ich wollte sie einfach gerne noch näher bei mir haben. Nur noch für ein paar Minuten, bevor ich wieder aufbrach. Während die linke Hand wieder an ihrem Oberschenkel liegenblieb, verirrte sich die andere erneut zu ihrem Gesicht. Eine ihrer Strähnen hatte sich durch den kurzen Ruck verirrt, als strich ich sie zuerst lächelnd aus Cosmas Gesicht, bevor ich erstmals einen Blick zur Tür warf. Wen ich durch den Spalt sah, wunderte mich kein bisschen. Allerdings sagte ich zu dem Kontrollbesuch des Engländers absolut gar nichts, weil das für mich die einfachste Version davon war, ihm nicht an den Kragen zu gehen, weil er mit Glück dann auch einfach nichts sagte und sich schweigend wieder vom Acker machte. Ich sah ihn lediglich für drei oder vier Sekunden vielsagend an - à la du kriegst sie gleich unversehrt zurück, also verzieh dich gefälligst -, bevor ich meine Augen wieder von ihm abwandte und mein Gesicht in Cosmas Halsbeuge vergrub. Im selben Atemzug legte ich auch den rechten Arm noch um Cosmas schlanken Körper und hauchte einen Kuss an ihren Hals. Richard und Irina waren wohl zwei der wenigen Menschen, bei denen es mich schlicht und ergreifend nicht kümmerte, ob sie mich in einem ruhigen oder gar verletzlichen Moment sahen. Es bräuchte bei beiden kaum mehr als einen Wimpernschlag, um sie auszulöschen. Ich sah sie nicht im Entferntesten als Bedrohung und musste ihnen längst nicht mehr beweisen, dass ich in der Nahrungskette weit über ihnen stand - bei Leuten wie Sabin, Vahagn oder Iljah beispielsweise war das anders. War es bei meinem durchweg defensiven Verhalten dann zu viel erwartet, dass der Engländer mir diesen einen Moment Ruhe mit meiner Freundin noch gönnte, bevor er mir spätestens beim Verlassen seines Bungalows wieder auf den Sack ging?
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Gut, dann hätten wir das ja fürs Erste geklärt. Zwar war mir ein Stück weit schleierhaft, was für eine Art von Lebensversicherung Irina besaß, aber auch das würde ich in einem weiteren Gespräch mit Hunter sicherlich herausfinden. Vorerst war es für mich vollkommen ausreichend, dass Hunter mir versicherte, sich Mühe zu geben, Mord und Totschlag zu vermeiden. Damit war auch das vorerst letzte, etwas ernstere Thema vom Tisch und der guten Laune stand damit quasi nichts mehr im Weg. Die nachfolgenden Worte des Amerikaners, also seine Antwort auf meine philosophische Feststellung, war wie zu erwarten durchweg amüsant, auch wenn sie zu einem großen Teil ebenfalls der Wahrheit entsprungen waren. Denn ja, Hunter verhielt sich in Streits oder kleineren Reibereien mir gegenüber normalerweise nie dermaßen aggressiv, wie beispielsweise seinen Männern oder Fremden gegenüber - mit Ausnahme natürlich vom letzten Mal. Bevor sich die Bilder von dem Vorfall jedoch ein weiteres Mal vor meinem inneren Auge abspielten, versuchte ich den Gedanken an Hunters Faust in meiner Magengegend und die Tage im Keller einfach mit einem leisen Lachen im Keim zu ersticken. Anschließend rollte ich grinsend mit den Augen, denn Recht hatte er ja. Gewissermaßen musste ich ein Stück weit lebensmüde sein, weil ich sonst kaum mein Lebtag mit dem cholerischen Amerikaner verbringen wollen würde. Wenn einem noch etwas an seinem Leben lag, dann suchte man nämlich schnellstmöglich das Weite, sobald man einmal Bekanntschaft mit dem jungen Mann gemacht hatte, der im Augenblick kaum handzahmer hätte sein können. Auch Richards Kontrollbesuch schien dem defensiven Verhalten meines Freundes keinen Abbruch zu tun. Er animierte ihn lediglich dazu, dem Engländer mehr als offensichtlich zu signalisieren, dass er am besten direkt auf dem Absatz Kehrt machen und uns in Ruhe lassen sollte, weil wir von einem Faustkampf, einem Streit ganz einfach meilenweit entfernt waren. Mehr nur kurz davorstanden, übereinander herzufallen - aber eben im positiven Sinne. Ich drehte mich gar nicht erst zu Richard um, als ich schließlich hörte, dass sich in meinem Rücken etwas regte, denn dafür war schlichtweg überhaupt gar keine Zeit. Nachdem sich Hunter bedauerlicherweise schon bald von meinen Lippen gelöst hatte, nachdem er mindestens genau so viel Sehnsucht in den Kuss hatte fließen lassen, hob er mich nämlich prompt auf seinen Schoß und hätte den Hausherren damit kaum effektiver provozieren können. Es war nicht so, als würde ich es nicht genießen, wie sehr Hunter mich gerade vereinnahmte, um seinen Standpunkt Richie gegenüber klarzumachen, aber mein bester Freund tat mir in gewisser Hinsicht auch ein klein wenig leid. Er machte sich sicherlich nur Sorgen und wollte uns mit seinem Besuch bestimmt nichts Böses. Dann mit ansehen zu müssen, wie ich ihn nicht eines einzigen Blickes würdigte, sondern schlichtweg die Handgriffe und Berührungen Hunters genoss hätte nicht unbedingt sein müssen. Aber es war nicht so, als hätte mir nur der Amerikaner an sich gefehlt. Ich saß seit unserem letzten derart eskalierten Streit auf dem Trockenen und wären wir hier nicht zu Gast bei Richard, wäre meine aktuelle Position eine wirklich gute Ausgangslage gewesen, um über den Tätowierten herzufallen. Vorerst blieb mir aber wohl nichts anderes übrig, als all die prickelnden Emotionen lediglich in mich aufzusaugen, bis wir wieder ungestört und unter uns waren. Dennoch kam ich um ein leises Seufzen nicht drum herum, als Hunters Lippen ihren Weg an meinen Hals fanden. Da lag wohl einfach mein Schwachpunkt und ich schmiegte mich davon absolut angetan noch etwas enger an den Oberkörper meines Freundes, indem ich mich mit den Armen um seinen Nacken etwas an ihn zog. Von der Tür aus war dann nur noch ein abwertendes Schnauben zu hören und ich bildete mir ein, Richards Kopfschütteln sehen zu können, obwohl ich meine Augen gerade geschlossen hatte und zudem in die der Tür entgegengesetzten Richtung sah. Ich öffnete die Lider erst wieder, als ich besagte Tür zurück ins Schloss fallen hörte und die warme Hand des Amerikaners an meiner Wange spürte, die mir darauffolgend eine verwirrte Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Das lüsterne Funkeln ließ sich allerdings nicht ausradieren, als ich kurze Zeit später mit meinem Blick den meines Freundes suchte. Er hatte mir in vielerlei Hinsicht wirklich gefehlt und ich hoffte einfach darauf, dass er sich schnell wieder einigermaßen in den Griff bekam. Ich wieder in die Villa zurückkehren können würde, weil mich mit Richard zusammenzuwohnen auf kurz oder lang sicher wahnsinnig machen würde. Zudem barg jeder Besuch des Amerikaners hier in dem Bungalow immer ein gewisses Risiko einer Konfrontation, auf die ich gut und gerne verzichten konnte. Hunter tat sich also gut daran, wenn er seinen Arsch schnellstmöglich an die Wand bekam, damit unser Leben wieder in verhältnismäßig gerade Bahnen verlaufen konnte. So gerade, wie sie bei Kriminellen nun mal verlaufen konnte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Die ins Schloss zurückfallende Tür war nicht weniger als reine Musik in meinen Ohren. Der hörbar unzufriedene Abgang des Engländers hätte kaum besser für mich verlaufen können. Mein Plan war aufgegangen und er verzog sich wieder, ohne mich - beziehungsweise uns - weiter mit seiner Anwesenheit zu behelligen. Ich hatte ihn ohnehin nie gerne um mich herum, aber gerade noch weniger als sonst immer. Der Moment hier gehörte Cosma und mir, er hatte da schlichtweg nichts zu suchen. Wenigstens schien er diese eine Message verstanden zu haben. Er war aber auch einfach selbst schuld daran, dass er das jetzt gerade hatte sehen müssen. Mochte ja vielleicht sein Haus sein, aber er müsste schon ziemlich dämlich sein, um nicht bereits vorher ahnen zu können, dass er hier im Raum gerade alles andere als erwünscht war. Deswegen brauchte er jetzt auch nicht schon wieder das bockige Kind zu spielen, das mal wieder nicht bekommen hatte, was es wollte. Damit würde er sich langsam aber sicher ganz einfach abfinden müssen, wenn er seine Hoffnung auf eine Trennung von Cosma und mir nicht immer und immer wieder im Kein erstickt haben wollte. Meine Mundwinkel hoben sich unweigerlich ein weiteres Mal durchweg zufrieden an, als ich merkte, wie die Rothaarige mir insgesamt mit ihrem Körper noch näher kam und das nur wegen eines Kusses an ihrem Hals. Natürlich wusste ich inzwischen bestens, wie empfänglich sie dort für sinnliche Berührungen war. Wie leicht es war, sie auf diese Weise mit meinen Lippen aus der Reserve zu locken, selbst wenn sie mal kurz so tat, als würde sie es mir schwer machen wollen. Umgekehrt war es aber nicht anders. Wir mochten erst verdammt spät das erste Mal miteinander geschlafen haben - dank so einiger ungünstiger Umstände -, aber seitdem hatten wir einander auf sexueller Ebene sehr gut kennen gelernt. Mild ausgedrückt. Wenn wir uns noch kurz davor gestritten hatten konnte es da ziemlich drunter und drüber gehen. Das hieß aber nicht, dass ich nicht inzwischen auch anders konnte. Es lag wohl nüchtern betrachtet ganz einfach daran, dass ich Cosma aufrichtig liebte, dass ich auch beim Sex nicht mehr partout die Überhand wollte. Dass es nicht immer rau zur Sache gehen musste, sondern ich auf ihren Wunsch auch das Ruder mal abgeben oder verhältnismäßig sanft mit ihr umgehen konnte. Zumindest was das anging war unsere Kommunikation ausgezeichnet, auch wenn die zumeist eher durch Körpersprache ausgetragen wurde. Aber ich schweifte ab - sollte besser gar nicht erst darüber nachdenken, dass ich auch diese intime Zweisamkeit nun schon unangenehm lange missen musste. Zwar hätte ich eher kein Problem damit dem Engländer so sehr auf der Nase herumzutanzen, dass ich sogar hier und jetzt mit der rothaarigen Schönheit schlief, aber dann war wohl endgültig Sense und ich konnte wirklich gut darauf verzichten, dass er dann auch dabei nochmal reinplatzte. Cosmas Blick, der mich empfing, als ich meine Augen wieder in ihre richtete, machte es aber leider auch nicht gerade einfacher zu dem Ganzen Nein zu sagen. Ich kannte diese Sorte Blick inzwischen mehr als gut und es war jedes Mal aufs Neue hypnotisierend, wenn sie mich so ansah. Es war für die junge Frau wirklich nicht schwer mich in ihren Bann zu ziehen, was gerade doch ein gewisses Risiko barg. Wenn auch weniger für mich und mehr für Richard. Ich hielt sie mit dem rechten Arm weiterhin eng bei mir, hob nun stattdessen den linken an und strich ihr mit dem Daumen über die sinnlich volle Unterlippe. Sah dabei auch auf jenen Finger hinab, bevor ich bedauernd seufzte. "Schau mich nicht so an... du weißt, dass ich nicht Nein sagen kann.", tadelte ich Cosma nur spielerisch, weil sie mich von mir aus gerne noch deutlich länger so hätte anschauen können. Ich legte die Hand dann unten an ihr Kinn und vereinte meine Lippen für einen weiteren Kuss mit ihren. Damit hätte ich sicher ewig weitermachen können, hielt mich aber bewusst zurück und löste mich bald wieder von ihren Lippen, damit ich hier nicht doch noch etwas tat, das ungute Folgen haben würde. Am Ende versuchte der Engländer wirklich noch spontan mich aus der Wut heraus mit einer Pfanne zu erschlagen oder warf ein Küchenmesser nach mir, was ich dann eher nicht auf mir sitzen lassen konnte. Auge und Auge, wie es so schön hieß. Zwar leisteten Kissen in der Regel relativ gute Abhilfe dabei, wenn es beim Sex mal leiser zugehen musste, aber es ließ sich nie alles restlos ersticken, also war es das Risiko eher nicht wert. Laut der Rothaarigen zumindest, die gerne wollte, dass ich den nervigen Engländer nicht mehr provozierte als notwendig war. Dass ich das grundsätzlich ganz anders sah, brauchte ich wohl kaum noch zu erwähnen und auch mein bestes Stück war wenig bis gar nicht dieser keuschen Meinung. Ewig würde die junge Frau wohl nicht auf meinem Schoß sitzen bleiben können, ohne dass das Folgen haben würde... was ich so vorher nicht bedacht hatte. Eigentlich hatte ich sie wirklich nur näher bei mir haben und nochmal so richtig umarmen wollen, nur war das so halt jetzt nicht passiert.
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Auch wenn Richard fürs Erste den Rückzug antrat, Hunter und mir damit noch ein paar Minuten alleine im Gästezimmer einräumte, war ich mir ziemlich sicher, dass der Engländer noch einmal auf die Aktion zurückkommen und mich fragen würde, ob ich inzwischen eigentlich endgültig den Verstand verloren hatte. Natürlich wäre das nur eine rein rhetorisch Frage, weil die Antwort meines Erachtens nach ganz klar auf der Hand lag und nichtsdestotrotz konnte ich mit absoluter Sicherheit sagen, dass ich mich rechtfertigen und erklären müssen würde. Dabei sah ich einen Streit zwischen Richard und mir schon bildlich vor meinem innere Auge, weil der junge Mann ganz einfach nicht verstehen können würde, was ich für Hunter empfand. Der Amerikaner blieb ihm dadurch weiterhin ein Dorn im Auge und er würde es ja doch nicht sein lassen können, mir die Beziehung zu ihm ausreden zu wollen. Dass er bei mir damit auf Granit biss und nur unnötig Streit provozierte war ihm zwar durchaus bewusst, aber vermutlich ziemlich egal. Anders konnte ich mir zumindest nicht erklären, dass mich das ungute Gefühl beschlich, Richard würde mich noch einmal darauf ansprechen, dass ich mich ihm gerade nicht einmal für den Bruchteil einer Sekunde zugewendet hatte. Dabei verhielt ich mich doch nicht so, weil ich ihm etwas Böses wollte oder um ihn absichtlich zu ärgern. Ich hatte diesen Mann, auf dessen Schoß ich gerade thronte, nur leider viel zu lange nicht mehr um mich herum gehabt und mittlerweile war es einfach kein Geheimnis mehr, dass ich Hunter aufrichtig liebte. Es mich deshalb nach seiner Aufmerksamkeit dürstete, ganz gleich ob es jetzt nur um eine Unterhaltung oder eben diese zärtlichen Berührungen ging. Und weil ich in dem knapp bemessenen Zeitfenster möglichst viele dieser Zärtlichkeiten abstauben wollte, schob ich den Gedanken an das bevorstehende Streitgespräch mit Richard erst einmal in den Hintergrund. Konzentrierte mich lieber auf den jungen Mann, der es mir wirklich schwer machte, mit meinen Gedanken nicht stattdessen in eine ganz andere Richtung abzuschweifen. Ich müsste nämlich ganz gewaltig lügen, würde ich behaupten, dass der Daumen an meiner Unterlippe und seine nachfolgenden Worte kein angenehmes Kribbeln in mir auslösten und ich gerne noch einen Schritt weiter gegangen wäre, anstatt tatenlos auf seinem Schoß herumzulungern. Aber das konnte ich einfach nicht bringen, auch wenn es Richard war, von dem wir hier redeten. Es... war ganz einfach komisch, in fremden Betten miteinander zu verkehren und hatte so auf die Schnelle auch nur bedingt seinen Reiz. Da wartete ich lieber noch eine kleine Weile, bis wir uns wieder durch die Laken unseres vertrauten Bettes wälzen können würden, wo uns niemand störte und wir alle Zeit der Welt füreinander hatten - die wir sehr wahrscheinlich auch brauchen würden. Alleine der Bruchteil des Gedanken daran war es schon wert, zu warten. Es war zwar nicht leicht, aber durchaus machbar. Das zweite, im Nachgang fast schon unzufrieden klingende Seufzen ging glücklicherweise in dem Kuss unter, in den Hunter mich verwickelte und den ich nur allzu gerne erwiderte. "Ich weiß, ich weiß...", murmelte ich anschließend an seine Lippen, als ich mich kurze Zeit später ein klein wenig von ihm löste. Nicht viel, konnte ich seinen Atmen doch weiterhin auf meinen Lippen spüren, als sich eine Hand auf Wanderschaft begab und aus dem Nacken des jungen Mannes ein Stück nach vorne an seinen Hals rutschte. Meine Finger folgten von dort aus ein kleines Stück der Halsschlagader, etwa bis zum Schlüsselbein. Von dort aus strichen dann lediglich noch Zeige- und Mittelfinger über den Knochen bis an die Spitze seiner Schulter und von da schließlich über den muskulöse Oberarm, der unter dem Stoff mit einer Menge herrlich anzusehenden Tattoos versehen war. Tattoos, die ich nach dem Sex so gerne nachzeichnete, wenn ich auf Hunters Brust liegend nach Luft japste. Es war einfach beruhigend, wenn mich sich erst einmal darauf konzentrierte und so langsam merkte ich wirklich, wie sich das Ganze hier gedanklich langsam wirklich in eine falsche Richtung entwickelte. Je länger ich darüber philosophierte, was bereits hinter verschlossenen Schlafzimmertüren passiert war und was noch passieren könnte, desto unruhiger wurde ich. Deshalb war es wohl besser, an der Stelle einen Cut zu setzen, sobald mir klar war, dass es Hunter vermutlich scheißegal wäre, wenn Richard oder Irina uns jetzt hören würden. Mir aber halt eben nicht und so kam meine Hand letztlich auf seinem Unterarm, mit dem er mich an sich hielt, zum erliegen. "Auch wenn ich das nur ungerne sage... ist es glaube ich besser, wenn du jetzt gehst.", ließ ich den Amerikaner mit einem schiefen, leicht verlegen wirkenden Grinsen wissen, dass ich wirklich nicht erpicht darauf war, ihn ernsthaft rauszuschmeißen, sondern es besser für alle Beteiligten war, wenn sich die Gemüter erst einmal wieder beruhigten. Dabei wollte ich eigentlich gar nicht aufstehen, wäre am liebsten einfach sitzengeblieben, aber wohin das führen würde, wollte ich mir jetzt wirklich nicht ausmalen.
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Ja, das wusste sie. Und wie gut sie das wusste - dennoch schien Cosma es nicht sein lassen zu können, ihre Finger noch einmal ausgiebig über meinen Körper wandern zu lassen und es damit zumindest kurzzeitig nur noch schwerer zu machen, sie wieder gehen zu lassen. Auch wenn es dieses Mal natürlich nicht für lange sein würde, hatte ich nach all den zärtlichen Berührungen gleich noch viel weniger Lust, sinnbildlich meine Sachen zu packen und wieder zu verschwinden. Schließlich hatte ich die Rothaarige gerade erst wieder zu mir zurückgebracht, da wollte ich sie nicht sofort wieder gehen lassen müssen. Für den Moment schloss ich die Augen, um den gezeichneten Weg ihrer zierlichen Finger ganz genau mit den Sinnen verfolgen und genießen zu können. Besonders klug war das vielleicht nicht, fokussierte ich mich so doch gleich noch viel mehr auf sie, aber es war auch nicht so als hätte ich das bewusst gesteuert. Das war so eines der Dinge, die ich an Cosma ganz besonders liebte - wenn sie da war, dann vergaß ich spielend leicht all die Dinge, über die ich mir kurz zuvor noch den Kopf zerbrochen hatte. All den Stress, ungestillte Rachegelüste, die Arbeit an sich... sie war nicht selten meine ganz persönliche Auszeit von absolut Allem. Das hieß nicht, dass ich in ihrer Gegenwart nicht trotzdem manchmal gestresst oder eben unausstehlich war, aber ich konnte in ihrer Nähe meistens ganz tief durchatmen und das, worüber ich mir vorher Gedanken gemacht hatte, danach dann nochmal etwas strategischer neu von vorne durchdenken. Und sei es nur deswegen, weil sie mir an den Kopf warf, dass ich mich schon wieder wie die Axt im Wald aufführte und mal runterkommen sollte. Apropos Wald - mein Ausflug zum Bungalow schien jäh beendet zu werden, als die Hand der Rothaarigen schließlich an meinem Unterarm zum Erliegen kam. Sie mir mit dieser Geste und ein paar unmissverständlichen Worten sagte, dass ich gehen sollte. Nicht, weil sie das gerne wollte, sondern weil es eben besser für alle Beteiligten war. Am ehesten für den Engländer, was ich nur zähneknirschend hinnehmen konnte, aber im Gegensatz zu ihm war ich inzwischen so weit, dass ich akzeptiert hatte, dass er wohl auf ewig Cosmas nervtötendes Anhängsel bleiben würde. Ich mich besser nicht dazu herablassen sollte, ihm auch die zweite Gesichtshälfte noch zu verkohlen, wenn er wieder deutlich zu dreist wurde. Was aber nicht hieß, dass er nicht zumindest gut gesetzte Schläge im Fall der Fälle einstecken müsste. Er hatte nur eine Lebensversicherung, keine Straffreiheit. Jedenfalls war es jetzt an mir, einmal tief einzuatmen und daraufhin beim Ausatmen leise unzufrieden vor mich hin zu grummeln. "Ich weiß, ich weiß...", widerholte ich Cosmas vorherige Worte ironisch, kurz bevor ich meine Hände beide sinken ließ und sie an ihren Hintern legte. Auch deswegen, weil ich es mir nicht nehmen lassen wollte ihn zumindest kurz in den Händen zu halten, aber hauptsächlich um die junge Frau gut im Griff zu haben, als ich gleich darauf mit ihr aufstand. Einen Moment lang hielt ich die rothaarige Schönheit noch fest, hauchte ihr einen flüchtig Kuss auf die Lippen und ließ sie erst danach widerwillig runter. Als Cosma wieder auf ihren eigenen Beinen stand sah ich gleich zu ihr runter, war sie doch ein gutes Stück kleiner als ich. "Ich meld' mich nächstes Mal ein paar Stunden vorher, wenn ich vorbeikomme. Dann haben alle hier Zeit sich mental drauf vorzubereiten.", ließ ich die junge Frau sarkastisch wissen, dass mein nächster Besuch wohl weniger spontan ausfallen würde. Dann konnte Irina nach Belieben ausfliegen, bevor sie hier vor Schreck in Schockstarre fiel und Richard konnte sich schon vorab schmollend ins Wohnzimmer oder wohin auch immer verziehen, ohne dass er mir wirklich richtig über den Weg laufen musste, wenn er das nicht wollte. Im Gegenzug erwartete ich dann aber auch, dass er das nächste Mal nicht wieder so vorlaut das Maul aufreißen würde, wenn ich hier aufschlug. Andernfalls bekam er dann eben das Echo. Jetzt erstmal beugte ich mich noch einmal zu der jungen Frau runter, um sie ein letztes Mal innig zu küssen. Ihr damit noch einmal zu zeigen, dass ich sie vermissen würde und wie viel mir das alles hier bedeutete. "Pass auf dich auf, ja?", bat ich sie zuletzt noch darum, keinen Mist zu bauen, solange sie nicht bei mir wohnte. Natürlich war ich nach wie vor nicht aus der Welt und konnte ihr im Fall der Fälle dennoch unter die Arme greifen, aber es war nun mal einfach etwas ganz anderes, wenn ich nicht mehr jeden Tag mit eigenen Augen sehen konnte, dass es ihr gutging, weil sie nicht mehr bei mir wohnte. Ich hatte bis jetzt jeden Tag an sie gedacht und würde das auch weiterhin tun. Nur mit dem Unterschied, das ich von nun an wohl jeden Tag zumindest übers Telefon ein kurzes Lebenszeichen von mir geben würde. Einfach nur, damit die Rothaarige wusste, dass ich auch dann an sie dachte, wenn sie nicht bei mir war und dass ich es mit der ganzen Sache wirklich ernst meinte, ich mich bessern wollte.
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Ich wollte Hunter nicht gehen lassen. Bereute schon kurze Zeit später, ihn dazu aufgefordert zu haben, den Bungalow meines besten Freundes zu verlassen, aber in Anbetracht der Tatsache, dass es uns auf kurz oder lang nur beide unnötig gequält hätte, wenn ich weiterhin auf seinem Schoß sitzen geblieben wäre, erschien es mir als sehr vernünftig, den Cut hier und jetzt gesetzt zu haben. Trotzdem war ich nicht gerade glücklich darüber, dass Hunter seine Hände nur an meinen Hintern legte, damit er darauffolgend mit mir aufstehen und mich zurück auf meine eigenen Beine stellen konnte. Der noch folgende Kuss war zwar eine absolut ausreichende Entschädigung dafür, dass er mich schließlich wieder auf meinen eigenen Beinen stehen ließ, aber ich wünschte mir wohl trotzdem, dass wir uns gerade nicht in Richards Gästezimmer, sondern im Flur unserer Villa befanden, die Schlafzimmertür nur noch ein paar Meter entfernt darauf wartete, förmlich eingetreten zu werden, aber nun gut. Es würde hoffentlich nicht allzu lange dauern, bis ich ins traute Heim am Strand zurückkehren konnte und das gab mir fürs Erste genug Kraft, den Amerikaner vorerst guten Gewissens verabschieden zu können. Ich ließ mich liebend gerne zu einem letzten, sehr innigen Kuss überreden, in den ich ebenfalls reichlich Gefühle meinerseits einfließen ließ, ehe wir uns wieder voneinander distanzierten. Mein Blick war weich, fast schon etwas wehleidig, als ich schließlich zu meinem Freund nach oben sah. Kurz darauf drangen dann auch schon seine Worte an mein Ohr, die mir ein durchweg belustigtes Grinsen auf meine Lippen zauberten. Wegen mir dürfte Hunter zwar gerne weiterhin bei den Überraschungsbesuchen bleiben, weil ich mich schlichtweg immer darüber freuen würde, ihn zu sehen, aber in Anbetracht der Tatsache, dass Irina und Richard wohl beinahe einen Herzinfarkt erlitten hatten, als der Amerikaner hier aufgekreuzt war, war es eine rücksichtsvolle Geste seitens des Cholerikers. "Mach das... aber lass' mich nicht zu lange warten, ja?", erwiderte ich grinsend und streckte meine Hand noch ein letztes Mal nach seiner Wange aus, um dort liebevoll über die Bartstoppeln zu streichen. Kurz darauf ließ ich die Hand aber auch schon wieder sinken. Quasi just in dem Moment, als Hunter mich darum bat, auf mich aufzupassen. Normalerweise hätte ich ihm an der Stelle jetzt sicher den ein oder anderen blöden Spruch reingedrückt, aber leider war es in der Vergangenheit bereits durchaus vorgekommen, dass ich mich in Schwierigkeiten gebracht hatte, wenn kein mahnendes Augenpaar im Rücken mich kritisch beäugte. Ich backte in der Hinsicht also lieber ganz kleine Brötchen und nickte bloß. "Ich versuche es zumindest.", versicherte ich dem Amerikaner, dass ich mich zumindest nicht vorsätzlich in die Scheiße reiten würde. Bedacht darauf war, Konfrontationen mit eventuell schwerwiegenden Konsequenzen ganz einfach aus dem Weg zu gehen, aber zu einhundert Prozent versprechen, dass nicht doch irgendetwas passierte, während er abwesend war, konnte ich ja doch nicht. Alleine aus dem Grund, weil ich vermutlich morgen oder sogar noch am heutigen Abend die Bar aufsuchen würde und Betrunkene bargen immer ein gewisses Risiko. Jetzt, wo ich wusste, dass mich vermutlich kein totaler Trümmerhaufen an der Smith and Wesson Reloaded erwarten würde, wollte ich durchaus mal nach dem Rechten sehen und vielleicht nahm ich Richard und Irina einfach gleich dorthin mit, hatte damit zumindest ein kleines Backup, das mich vor eventuellem Blödsinn sicherlich mit einem mahnenden Blick von was auch immer abhalten würde. Ich beschloss, dem Amerikaner diese Info noch gleich mit auf den Weg zu geben, falls er sich heute Abend wundern würde, warum seine Jungs plötzlich über Leerlauf klagten. "Vielleicht gehe ich später noch zur Bar, nur... damit du Bescheid weißt, dass deine Männer dann nur bedingt ausgelastet sein werden.", informierte ich meinen Freund also mit ein paar wenigen, dafür aussagekräftigen Worten darüber, wo ich heute Abend aller Wahrscheinlichkeit nach zu finden sein würde. Und er war herzlich eingeladen, dort vorbeizuschauen, falls er Lust auf das ein oder andere Getränk hatte. Ich vermutete zwar stark, dass er die letzten Tage wieder eindeutig zu viel Alkohol konsumiert hatte - langfristig sah man das Menschen leider ziemlich deutlich an -, aber wenn es nur wegen unseres Streits gewesen war, dann bestand ja kein Grund mehr aus Frust und Herzschmerz zu saufen, sondern eben, um die Reunion zu zelebrieren... so oder so ähnlich würde zumindest meine Ausrede lauten, wenn ich dann zur Flasche griff.
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Darum brauchte Cosma sich tatsächlich keinerlei Sorgen zu machen. Ich wusste selbst, dass ihre Mahnung sie nicht zu lange auf ein Wiedersehen mit mir warten zu lassen durchaus begründet war, weil ich gerade damals in Norwegen noch des Öfteren mal länger nichts von mir hatte hören lassen und auch ewig gebraucht hatte, um sie jetzt hier aufzusuchen, aber sie würde diesmal nicht lange auf meinen nächsten Besuch warten müssen. Das war etwas, das ich ihr mit Sicherheit und absolut ehrlich ins Gesicht sagen konnte. "Nein, ganz sicher nicht.", meinte ich also ehrlich. Wollte selbst auch nicht lange damit warten die Rothaarige wiederzusehen, weil ich ja gerade eigentlich gar nicht gehen wollte. Ich hätte, wenn es nur nach meinem Herzen gegangen wäre, gut und gerne noch den ganzen Tag einfach nur mit ihr irgendwo Rumsitzen oder Rumliegen können. Allerdings hatte ich tatsächlich auch noch ein bisschen was zu tun, nachdem ich mich in letzter Zeit etwas hatte gehen lassen, was die Arbeit anging und fast alles nur noch von Ashton und Desmond hatte regeln lassen. Es gab aber ein paar Dinge, die ich ganz einfach nicht in ihre Hände legen konnte, zum Beispiel weitere Verhandlungen und den allgemeinen Kontakt zu den Mexikanern, die Sabins Drogen abnahmen. Nur um mal eine der Angelegenheiten zu nennen, die ich in jedem Fall selbst erledigen musste. Jene Männer waren leider genauso wie ich kaum mit Geduld gesegnet worden und waren nicht weniger skrupellos als ich, ein Besuch von denen war also bestenfalls zu vermeiden. Cosma zeigte sich auch offen dafür, nach Möglichkeit in nächster Zeit erstmal keinen Ärger zu machen. Ich hoffte einfach, dass sie das auch wirklich ernst meinte, weil ich nur ungern noch mehr Trigger für meine offensichtliche Geisteskrankheit hätte. Ich fokussierte mich vorerst aber weniger darauf und mehr auf die Tatsache, dass die junge Frau scheinbar vor hatte gleich heute noch ihre Bar zu betreten. Das wiederum ließ mich unweigerlich lächeln. Ich bildete mir gerne ein, dass sie diese neu gewonnene Motivation daher hatte, dass zwischen uns jetzt die Wogen geglättet waren. Vielleicht war das nur teilweise wahr, was ich wiederum gern ausblendete. "Gut zu wissen, dann kann ich sie anders verplanen. Schreib' mir deswegen am besten kurz, wann du ungefähr da bist.", bat ich meine Freundin kurzerhand noch darum, mir was das anging einfach kurz Rückmeldung zu geben. Es reichte ja auch grob zu wissen, wann sie da war, damit ich einfach ungefähr wusste, ab wann die Jungs neue Pläne zum Verfolgen brauchten. Außerdem wusste ich vielleicht auch einfach gerne, wann sie da war, um bei günstiger Lage von Zeit und Arbeit möglicherweise einmal kurz vorbeizuschauen. Nur ein paar Minuten vielleicht, um wieder wett zu machen, dass ich jetzt gehen musste, ohne dass ich das wollte. Ich hob die rechte Hand an, um sie Cosma an den Hinterkopf zu legen und ihren Kopf sanft zu mir hinzuziehen, um sie auf die Stirn zu küssen. "Wir sehen uns... vielleicht später schon.", grinste ich an ihre Haut, setzte danach noch einen zweiten, gehauchten Kuss an die gleiche Stelle und wandte mich dann zögerlich von ihr hab. Schweren Herzens, aber es wurde eben auch nicht leichter zu gehen, je länger ich hier herumstand. Ich bedachte sie also nur noch mit einem kurzen Blick, bevor ich mich von der jungen Frau abwendete und den Weg nach draußen einschlug. Im Türrahmen des Gästezimmers hielt ich aber doch noch einmal kurz inne, legte eine Hand an das Holz und sah ein letzte Mal zu Cosma. Biss mir dann leicht grinsend auf die Unterlippe und tippte einmal mit der flachen Faust an den Rahmen, bevor ich mich endgültig abwendete und sie vorerst allein zurückließ. Ich warf vom Flur aus noch einen Blick in die Küche, blieb dafür aber nicht einmal stehen. Es gab gerade wichtigere Erledigungen zu machen, als Irina danach zu fragen, was zum Teufel sie hier zu suchen hatte. Dennoch konnte ich das so nicht lange auf sich beruhen lassen, so viel stand fest. Genau deshalb fuhr ich am nächsten Tag auch zu Vahagns Wohnung, bevor ich mich meiner Arbeit widmete. Es war gegen 16 Uhr, als ich den Mustang aus der Garage fuhr und mich auf den Weg zu der Russin machte. Es war bisher zwar blankes Mutmaßen, aber eigentlich war von vornherein ziemlich klar, dass sie in Irinas Reise nach Kuba mit drinhängen musste. Es wäre schließlich irgendwie ziemlich dämlich, wenn die Serbin einfach in ein normales Flugzeug gestiegen wäre, wo die Schwester ihres Freundes doch herrlich einfache Mittel dafür besaß, sie von A nach B zu bringen. So oder so gab es ein Hühnchen zu rupfen - entweder mit Vahagn und Iljah, oder nur mit letzterem. Ich wusste wirklich nicht, wann ich bitte mal den Anschein gemacht hatte, dass ich über sowas nicht informiert werden wollte. Eigentlich hätte er viel mehr danach fragen müssen, ob es in Ordnung ging, wenn er diese Schlange in mein Territorium schleuste. Leider war der Russe aber nicht hier und ich würde mich gerne vor einem Gespräch mit ihm darüber informieren, wie es überhaupt dazu gekommen war. Also hielt ich den Wagen ein paar Minuten später schließlich unweit der Wohnung, in der die Brünette wohnte. Mit dem Aussteigen ließ ich mir auch keine Zeit, ging danach dann schnurstracks zur Tür und der dort befindlichen Klingel. Unangekündigt, versteht sich. Ich hatte sowas nach wie vor nicht nötig und man bekam grundsätzlich die ehrlichsten Antworten, wenn man Jemanden ohne Vorwarnung mit etwas konfrontierte.
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Die Zeit verging meiner Meinung nach wirklich wie im Flug. Es kam mir vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass Sabin und Sydney den Sohn letzterer entführt und aus den Staaten nach Kuba zurückgekehrt waren. Seitdem war glücklicherweise nicht mehr ganz so viel passiert und ich empfand das erste Mal seit langer Zeit mal wieder so etwas wie Entspannung und innere Ruhe. Tauren war zwar zwischenzeitlich bei mir eingezogen, weil die frisch gebackenen Eltern den kleinen Noah nur ungerne den ganzen Verbrechern in Hunters Gemeinschaftsunterkunft zum Fraß hatten vorwerfen wollen und wenn ich ehrlich sein sollte, dann war ich davon alles andere als begeistert gewesen, ansonsten ansonsten? Natürlich war es nicht Taurens Schuld gewesen und grundsätzlich änderte sich für uns ja auch eigentlich nicht viel, weil wir ohnehin fast täglich ein Bett teilten, aber es nervte mich schlichtweg, dass erneut diejenigen, die am wenigstens mit der ganzen Scheiße am Hut hatten, mit in die Sache einbezogen wurden. Ich war es langsam wirklich leid, mir von ausnahmslos jedem hier auf der Nase herumtanzen zu lassen und für die Zukunft nahm ich mir vor, da ganz bewusst einen Riegel vorzuschieben. Es reichte ganz einfach. Inzwischen hatte ich dem Großteil des Suicide Squads einen Gefallen getan und das schienen vor allem Sabin und Iljah schamlos auszunutzen. Klar, ich wurde in Hinsicht auf das Geld angemessen honoriert, aber Wertschätzung meiner Arbeit und Dankbarkeit sah für mich auch unter der Prämisse, dass Kriminelle sowas normalerweise eher selten zeigten, anders aus. Aber gut, wem sagte ich das... interessieren tat es bis auf den armen Norweger, der meine Laune mittlerweile vierundzwanzig Stunden täglich ertragen musste, ja sowieso niemanden. Ich für meinen Teil hatte jedenfalls den Entschluss gefasst, im Bezug auf Gefallen künftig deutlich kürzer zu treten und wieder mehr auf mich und meine Geschäfte zu achten. Auf mein Leben, das in letzter Zeit leider verdammt oft fremdbestimmt worden war - nicht zuletzt von meinem Bruder und seiner blöden Freundin. Irina hatte Iljah aber offensichtlich bereits selber Bescheid gegeben, dass sie sicher auf der Insel gelandet war, denn der Russe hatte sich seither nicht mehr bei mir gemeldet. Weder um sich nach Irinas und meinem Wohlergehen zu erkundigen, noch um mir Danke zu sagen. So viel dann im übrigen zum Thema Familie. Aber auch das war mir erst einmal egal, weil ich vorerst genug zu tun hatte, um mich von meinem undankbaren Bruder und seiner Ollen abzulenken. Die Arbeit wurde - glücklicherweise - nicht weniger und in meiner Freizeit ließ ich gemeinsam mit Tauren die Seele baumeln. Außer heute. Heute hatte ich mir einen Tag frei genommen, um mich dem Papierkram nach einem Autokauf zu widmen. Es ging mir mehr und mehr auf den Sack, dass der Norweger mich ständig irgendwo hin karren oder ich Geld für ein Taxi ausgeben musste. Es hatte also ein günstiger Gebrauchtwagen hergemusst und nach kurzer, dafür ausgiebiger Suche hatte ich mich schließlich für einen Audi Q3 in einem dunklen Olivengrün entschieden, den ich geradewegs aus Russland einfliegen ließ. Es galt die Karre schließlich noch auf Kuba anzumelden und gerade, als ich in gemütlichen Gammelklamotten meinen Platz auf der Couch bezogen und die dafür notwendigen Unterlagen auf meinem Schoß abgelegt hatte, klingelte es an der Tür. Ich stöhnte genervt, legte dabei den Kopf in den Nacken und überlegte parallel dazu, ob ich für heute irgendwen eingeladen hatte, allgemein Besuch erwartete. Tauren hatte einen Schlüssel, müsste also definitiv nicht klingen und nach einem kurzen Moment der Überlegung war ich mir auch ziemlich sicher, dass ich niemanden mehr erwartete, also wägte ich ab, ob es mir der Weg zur Tür jetzt wirklich wert war. Hinterher wartete dort nur wieder Sabin oder ein anderes Mitglied unserer eigenen kleinen Mafia, um mir wieder auf die Nerven zu gehen und meine Laune war gerade verhältnismäßig echt gut. Ich wollte sie mir nur ungern kaputtmachen lassen, weshalb ich mir nicht erklären konnte, warum ich letztlich trotzdem aufstand, um den Flur und nicht zuletzt die Haustür anzusteuern. Ich legte die Stirn etwas nachdenklich in Falten, als ich mit der Hand die Türklinke herunterdrückte, aber als ich schließlich sah, wer vor der Tür um Einlass bat, entspannte ich mich schnell wieder. Ich konnte mir zwar nicht erklären, was Hunter von mir wollte, aber andererseits war ich mir auch keiner wirklichen Schuld bewusst, als dass ich mich vor dem Amerikaner fürchten müsste. Ich grüßte ihn also mit absolut neutralem Gesichtsausdruck und einem gut sichtbaren Nicken, bevor ich einen Schritt zur Seite machte und ihm damit Einlass in meine Wohnung gewährte. Seit wir in Sachen Irina auf einer Wellenlänge schwammen, war mir seine Anwesenheit deutlich weniger unangenehm. Der Feind meines Feindes war mein Freund oder wie hieß es so schön? Gut, Hunter und ich hatten immer noch so unsere Differenzen, aber ich wusste ja noch gar nicht, weshalb er überhaupt hergekommen war und mir stand es definitiv nicht im Sinn, direkt einen Aufstand zu machen, wenn ich noch überhaupt nicht wusste, was er von mir wollte. Also ging ich vollkommen unvoreingenommen an seinen Besuch heran und schlurfte zurück ins Wohnzimmer. "Ich gehe nicht davon aus, dass du hergekommen bist, um mit mir einen Kaffee zu trinken, also... wie kann ich dir helfen?", stellte ich erst einmal vollkommen neutral fest, dass wir nicht so etwas wie Freunde waren, die sich ab und an einfach gerne trafen, um zu quatschen. Der Amerikaner wollte mit ziemlicher Sicherheit irgendwas. Aber eins nach dem anderen. "Setz' dich ruhig, wenn du willst. Kann ich dir was zu trinken anbieten?", fügte ich noch eine Frage hinzu, als wir im Wohnzimmer angekommen waren. Dabei deutete ich mit einer Hand in Richtung der Sitzgelegenheiten. Wenn er keine Lust hatte, sich die Beine in den Bauch zu stehen, dann durfte er sich meinetwegen gerne setzen. Falls es die Couch werden sollte, müsste er nur die ganzen Papiere, mit denen ich mich dort niedergelassen hatte, zur Seite räumen.
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Irgendwie schien es in letzter Zeit jeder für eine gute Idee zu halten mich unnötig lange an der Tür warten zu lassen. Ich war schon kurz davor noch einmal energisch anzuklopfen, um vielleicht etwas deutlicher zu signalisieren, wer hier an der Türschwelle stand, aber das erübrigte sich dann glücklicherweise doch von selbst. Vahagn öffnete mir die Tür und wirkte tatsächlich ausnahmsweise nicht ganz so mies gelaunt, wie das so ziemlich die Regel bei ihr war. Sie nahm es verhältnismäßig gelassen hin, dass ich hier einfach so aufkreuzte, was ihr zumindest einen winzigen Pluspunkt einräumte. Dennoch erwiderte ich auf ihren ohnehin wortlosen Gruß nichts, sondern trat schweigend ein und sah mich wie gewohnt kurz um. Ich war allerdings nicht oft hier und hätte vielleicht gar keine Veränderung festgestellt, selbst wenn es eine nennenswerte gewesen wäre - beispielsweise der Tausch eines Möbelstücks oder Ähnliches. Zu seinem Glück war Tauren auch nicht hier, weil er ziemlich genau jetzt damit anfangen musste, seine ersten Aufgaben des noch frühen Abends anzugehen. Heute musste er ein bisschen früher anfangen als normalerweise, weil er eine detaillierte Lagebesprechung mit einem Teil der Männer auszuführen hatte. Normalerweise würde ich solche Dinge eher in Desmonds oder Ashtons Hände legen, aber das fiel momentan flach. Meine rechte Hand folgte mir während der Nacht auf mein Geheiß aktuell fast auf Schritt und Tritt, weil er mich schlichtweg im Auge behalten sollte. Desmond übernahm dafür einen Großteil seiner Aufgaben, also wurde Tauren ebenfalls mit einigen sehr wichtigen betraut. Zwar gab er mir keine Gründe mehr dafür an seiner Loyalität oder seiner Motivation für mich zu arbeiten zu zweifeln, aber ich blieb bei dem Jungen wohl einfach noch eine halbe Ewigkeit lang skeptisch. Ließ ihn das hier und da auch spüren, was ihn aber nicht weiter zu kümmern schien - in positivem Sinne, weil er seine Arbeit vollständig zu meiner Zufriedenheit ausführte. Hier und Jetzt war aber Vahagn diejenige, der meine Aufmerksamkeit galt. Ich folgte ihr ins Wohnzimmer, wobei sie mir schon die Frage nach meinem Auftauchen stellte. Mit ihrer Feststellung lag sie dabei ganz richtig. Bevor ich dazu ansetzte ihre Frage zu beantworten, stellte sie mir jedoch noch eine zweite und bot mir ganz vorbildlich eine Sitzgelegenheit an. Zwar wollte ich eigentlich nicht allzu lange hierbleiben, aber ich nahm dieses Angebot doch gerne an. Dem lag schlichtweg die Tatsache zugrunde, dass ich in der letzten Nacht nicht so gut geschlafen hatte. Woran genau das gelegen hatte wusste ich nicht, war der Schlaf doch seit Langem das erste Mal wieder traumlos verlaufen. Womöglich lag es einfach daran, dass ich von der Versöhnung mit dem rothaarigen kleinen Teufel noch etwas aufgewühlt war und gleichzeitig weiterhin ohne sie in dem großen Bett liegen musste. Ich steuerte also das Sofa an, das mich allerdings erstmal mit weißen Blättern begrüßte. Meine Augenbrauen wanderten deshalb kurz nach oben, als ich meinen Getränkewunsch aufgab. "Kaffee, Cola... irgendwas mit Koffein tuts." Ich kam nur noch schwer in die Gänge, seit ich versuchte dem Alkohol ganz abzudanken. Wahrscheinlich eher nicht für immer, aber sich mit neuen Medikamenten intus restlos zu besaufen war ganz einfach riskant. War ja kein mildes Antipsychotikum, das ich mir hatte besorgen lassen und eine körperliche Hirnschädigung brauchte ich nicht auch noch, mir reichte die psychische. Deswegen war es am gestrigen Abend auch bei einem alkoholfreien Bier geblieben, als ich Cosma für ein paar Minuten in der Bar besucht hatte. Ihr Blick bei dieser Bestellung war göttlich gewesen. Ich sammelte kurzerhand die Papiere auf dem Sitzpolster zusammen und legte sie auf dem Couchtisch ab. Stellte nur flüchtig fest, dass es dabei wohl um ein Auto ging und war daraufhin sofort desinteressiert daran. Meine Neugier war zwar fast grenzenlos, aber was für eine Karre Vahagn fuhr war mir dann doch wirklich vollkommen egal. Ich ließ mich also aufs Polster sinken und machte es mir schräg in der Ecke des Sofas sitzend bequem. Wartete ganz in Ruhe darauf, dass die Russin mit einem Getränk für mich zurückkam. Ich nahm es dankend entgegen und kam erst dann darauf zu sprechen, weshalb ich hier war. "Warum ist Irina hier? Und seit wann überhaupt? Hast du sie hergebracht?", stellte ich ihr die elementarsten Fragen ohne mit der Wimper zu zucken. Blieb dabei zwar an und für sich ruhig, aber mir war zweifelsohne anzuhören, dass ich absolut nicht begeistert davon war, dass dieses Biest jetzt hier in meiner Stadt kampierte. Vielleicht hätte ich mich eher damit anfreunden können, wenn sie am anderen Ende der Insel wohnen würde, aber ich wollte sie schlicht und ergreifend nicht hier in meinem Umfeld haben. Eben genauso wenig wie jeden anderen Verräter auch.
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Irgendwas mit Koffein also. Gar kein Problem. Wenn ich nicht das ein oder andere Softgetränk im Haus hatte, dann in jedem Fall Kaffee, wobei ich nun kaum eine Kanne für den Amerikaner aufsetzen würde. Er müsste sich mit einer Cola begnügen, die ich ihm nach einem kurzen Abstecher anbieten konnte. Mir selbst nahm ich lediglich eine gekühlte Flasche Wasser mit, weil mir momentan eher nicht der Sinn etwas Süßem stand. Alles in allem brauchte es mich keine zwei Minuten, bis ich von der Küche zurück im Wohnzimmer angelangt war und mich auf einen Sessel nahe des Sofas Fallen ließ, auf dem Hunter selbst Platz genommen hatte. Ich stellte die Glasflasche auf einen Untersetzen auf dem Couchtisch vor der Nase des jungen Mannes ab, ehe ich es mir selbst bequem machte. Ein Bein unter meinen Oberschenkel zog und mich entspannt an die Rückenlehne lehnte. Die Flasche Wasser schob ich zwischen mein Bein und der Armlehne, wartete dann in aller Seelenruhe darauf, dass Hunter auf den Punkt brachte, warum er hergekommen war und als er letztlich ein paar Fragen an mich richtete, die sich auf Irina bezogen... entlockte er mir damit ein schweres, im Abgang hörbar genervtes Seufzen. Er sollte mich nicht falsch verstehen, ich war nicht wegen ihm genervt - zumindest jetzt gerade nicht -, sondern weil es für mich gerade ungefähr eine Millionen anderer Themen gab, über die ich mich lieber unterhalten hätte, als über das serbische Miststück. Meine Laune sank also gleich ein ganzes Stück und mit ihr meine Augenbrauen. Jene zog ich tiefer ins Gesicht, sodass sich meine meine Stirn dadurch in gut sichtbare Falten legte und das erste, was Hunter von mir als Antwort bekam, war ein abfälliges Schnauben. "Versteh mich nicht falsch, Hunter, aber nur wegen ihr bist du jetzt hier?" Klar, wegen was oder wem auch sonst, blöde Frage eigentlich. Aktuell hatten wir ansonsten nicht viel miteinander zu tun. "Du hättest mich deswegen auch einfach anrufen können...", stellte ich weiterhin hörbar unzufrieden über sein veranschlagtes Gesprächsthema fest. Aber gut, jetzt war er halt da und Irina für mich nun auch kein Thema, bei dem ich mich zurückhalten musste. Hunter wusste schließlich, dass ich die Serbin ebenso wenig leiden konnte, wie er selbst das tat. Am liebsten hätte ich seine Frage lediglich mit drei Worten beantwortet - Iljah, eine Weile, ja. Im Grunde genommen wäre das nämlich alles gewesen, was der Amerikaner hatte wissen wollen, aber mit einer solch abgespeckten Form von Antwort wäre er sicherlich nicht zufrieden. Also setzte ich stattdessen zu ein paar ausführlicheren Worten an. "Warum Irina konkret hier ist kann ich dir nicht sagen, ich hab sie lediglich auf Iljahs Geheiß hergebracht, ja und das ziemlich genau an dem Tag, an dem Sabin und Sydney in die Staaten gereist sind.", informierte ich den jungen Mann mir schräg gegenüber über alles, was ich zum Thema der unausstehlichen Schwarzhaarigen wusste. Blieb dabei auch vollumfänglicher bei der Wahrheit und ließ ausnahmsweise auch - noch - nichts aus. Iljah hatte mir nämlich tatsächlich nie den genauen Grund dafür genannt, warum ich für Irina eine Bleibe suchen sollte und ehrlich gesagt war es mir auch komplett egal gewesen. Ich hatte gehofft, dass man mich mit der Schwarzhaarigen einfach nicht weiter behelligen würde, aber so wie es aussah, blieb auch das reines Wunschdenken. Sie war wie ein Fluch, der auf mir lag - ständig tauchte sie in meinem Leben auf und machte Ärger. Inzwischen stand selbst ich kurz davor, ihr unabhängig von Iljahs Beziehung zu ihr das Licht ausknipsen zu wollen, weil es ganz einfach nervte. Was hatte ich denn ständig mit der jungen Frau zu tun? Warum kam Hunter ausgerechnet damit zu mir und fragte Irina nicht ganz einfach selbst, wo er offensichtlich Wind von ihr bekommen hatte. Ungefähr eine kleine Ewigkeit, nachdem die junge Frau auf der Insel gelandet war. Woher er letztlich wusste, dass Irina ihr Unwesen auf Kuba trieb, wusste ich nicht, aber ich fragte ihn auch nicht weiter danach, weil es mich nichts anging und mein Interesse diesbezüglich sich ebenfalls stark in Grenzen hielt. Eine Sache war mir an der ganzen Sache jedoch schleierhaft. "Macht sie wieder Probleme? Oder warum die Fragen?" Schließlich könnte es Hunter doch ziemlich egal sein, ob Irina sich hier auf der Insel aufhielt oder nicht. Klar, optimal war das sicherlich nicht, barg zudem einige nennenswerte Risiken, aber wieso kam er denn gerade jetzt darauf, sich nach ihr zu erkundigen? Dafür müsste es doch einen Grund geben und in dem Fall war ich dann doch ein klein wenig neugierig. Vielleicht gab er mir ja ein paar gute Gründe, die Schwarzhaarige bei nächster Gelegenheit dann doch ganz einfach umzupusten.
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Wenn man mich fragte, dann konnte man das aber eigentlich nur falsch verstehen. Ja, theoretisch hätte ich sicherlich auch einfach anrufen können. Inzwischen sollte die Russin aber eigentlich wissen, dass ich viele Dinge sehr viel lieber von Angesicht zu Angesicht regelte, wenn ich die Möglichkeit dazu hatte. Einfach deswegen, weil man im Gesicht Dinge lesen konnte, die man am Telefon gar nicht mitbekam. Zwar musste ich eher keine Angst mehr davor haben, dass irgendwer sich in mein Handy hackte oder es abhörte, seit ich hier auf Kuba war, aber auch was das anging war ich weiterhin ganz genauso vorsichtig wie schon zuvor. Da wurde nie irgendwas wörtlich niedergeschrieben und meine gesamten Crew hielt sich weiterhin an bestimmte Codewörter und Zahlenkombinationen. Nummer Sicher war grundsätzlich immer besser als die Haltestelle Knast. "Versteh mich nicht falsch, Vahagn, aber inzwischen solltest du wissen, dass ich viele Dinge ganz einfach lieber persönlich abkläre, wenn's möglich ist. Deswegen bin ich jetzt hier bei dir, bevor ich deinen Bruder anrufe. Aber keine Sorge, ich hab nicht vor lang zu bleiben.", griff ich Vahagns Floskel sarkastisch auch selbst auf und schilderte ihr knapp, warum ich hergekommen war. Wenn ihr das so nicht passte, dann war das ganz einfach mal wieder ihr Problem und nicht meins. Ich wollte sie hier ja auch nicht Ewigkeiten lang mit meiner Anwesenheit behelligen und von ihrem Auto oder was auch immer sonst noch abhalten, sondern nur ein paar schnelle Worte wechseln. Während ich dann ihren folgenden Erklärungen mein Gehör schenkte, griff ich nach der Colaflasche und nahm einige Schlucke. Auch wenn Koffein bei meinem kaputten Körper langsam wahrscheinlich gar nichts mehr richten konnte, sondern mir höchsten fünf Minuten lang einen kurzen Energieschub verpasste. Jedenfalls schien die Russin selbst nicht wirklich zu wissen, warum sie Irina hierher hatte fliegen müssen. Zwar war das in meinen Augen nicht wirklich eine Entschuldigung dafür, dass sie es getan hatte ohne mich darüber zu informieren, aber gut - all das schien nicht auf ihren Mist gewachsen zu sein, sondern wie vermutet auf dem ihres Bruders. Der Zeitpunkt des Überflugs lag auch schon einige Tage zurück, also hätten zweifelsohne beide Geschwister lange genug Zeit dazu gehabt, mich mal darüber in Kenntnis zu setzen. Ein durchweg genervtes, angestrengtes Stöhnen war also meine erste, wenig begeisterte Reaktion auf die ganze Scheiße. Ich hielt die Flasche weiterhin in der linken Hand, stützte mich mit dem rechten Ellbogen auf der Rückenlehne ab und begann mir für einige Sekunden lang die Schläfen zu massieren. Nach wie vor plagten mich fast täglich Kopfschmerzen und die wurden nicht besser, wenn ich solche Dinge zu hören bekam. Dass Richard mir nichts von Irinas Auftauchen erzählt hatte erklärte sich genauso wie bei Cosma von selbst - keiner der beiden hatte die durchtrieben Schwarzhaarige vorher gekannt und sie konnten nicht wissen, dass ich sie nicht hier haben wollte. Ashton hatte sie auch nicht sehen können, weil er nur bei Sam die Information nach dem Aufenthaltsort der Rothaarigen eingeholt hatte. Nein, bisher machte Irina keine Probleme. Zumindest nicht, dass ich wüsste, aber offenbar gab es mal wieder so einiges, das ich nicht wusste. Obwohl ich es eigentlich wissen müsste, wohlgemerkt. Ich massierte mir die seitliche Kopfpartie am Haaransatz noch einen Moment lang weiter, bevor ich die Hand wieder sinken ließ und meinen Blick erneut in Vahagns Augen legte. "Noch nicht. Aber wenn du mich fragst, dann ist das eigentlich nur eine Frage der Zeit und ich kann echt gut auf sie verzichten. Dass sie mit Cosma unter einem Dach wohnt... warum und wieso ist dabei auch echt scheißegal, macht's nicht besser. Könnte sie Cosma genauso wenig leiden wie du würde es mich weniger interessieren, aber die beiden verstehen sich für meinen Geschmack bisher deutlich zu gut.", murrte ich vor mich hin, drehte dabei unbewusst die Flasche in meiner Hand. Es brauchte die Brünette hier nicht zu interessieren, warum meine Freundin momentan nicht unter meinem Dach wohnte und sie täte gut daran was das anging auch nicht weiter nachzufragen. Allerdings dürfte sie nachvollziehen können, warum es mir absolut missfiel, dass Irina sich gut mit meiner Liebsten zu verstehen schien. Zumindest hatte mir das die Szene auf dem Bett, als ich ans Zimmer gekommen war, so dargelegt. Sollten die beiden tatsächlich sowas wie Freundschaft in Erwägung ziehen, obwohl Cosma über kurz oder lang erfahren würde, was das Miststück verbockt hatte, dann gute Nacht. Ich konnte wirklich gut darauf verzichten, dass sie am Ende noch beabsichtigte die Serbin zu uns nach Hause einzuladen, wenn alles mal irgendwann wieder normal lief. Weder würde ich es der jungen Frau ausschlagen können unter der Prämisse, dass ich auch Vahagn ungefragt zu uns nach Hause geschleppt hatte, noch wollte ich dadurch anderweitig mit ihr streiten müssen. Irina war für mich nicht mehr als eine dreckige Ratte und dabei spielte es keine Rolle, ob Iljah nun mit ihr zusammen war oder nicht. Ich schätzte ihn als Geschäftsmann und das war der einzige Grund dafür, warum sie noch atmete. Das und natürlich das Geld. Trotzdem würde ich es nicht einfach so dulden, dass er seine Freundin aus welchen Gründen auch immer hier in meiner verdammten Stadt ablud, nur weil ihm das gerade so in den Kram passte. Er bräuchte schon verdammt gute Gründe, um mich von meinem Ärger darüber abbringen zu können.
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Ja, das wusste ich inzwischen tatsächlich ganz gut und doch kotzte es mich nicht weniger an, als es das vor Ewigkeiten schon getan hatte, weil ich den Amerikaner nun mal weiterhin verhältnismäßig ungerne in meiner Nähe hatte. Das würde sich vermutlich auch nicht mehr ändern, hatte er sich doch schon so einiges geleistet, das ich ihm einfach nicht verzeihen konnte. Weder jetzt, noch irgendwann in der Zukunft. Ich war in der Hinsicht genauso nachtragend wie er selbst, also würde er sicher verstehen können, dass sich meine Sympathie für ihn stark in Grenzen hielt. Aber gut, wie auch immer. Hunter versicherte mir noch, nicht mehr allzu lange zu bleiben und meine kostbare Zeit in Anspruch zu nehmen, bevor er schließlich meinen Worten lauschte und diese gen Ende hin mit einem genervten Stöhnen quittierte. Ich sah ihn weiterhin ausdruckslos an, sagte nicht weiter zu seiner Reaktion, bis Hunter selbst schließlich das Wort ergriff und es an mir war, ihm zuzuhören. Irina schien bis dato die Füße stillgehalten zu haben und sich in ihrem temporären Heim tatsächlich zu benehmen, was mich ein Stück weit wunderte, weil ich nicht damit gerechnet hätte, dass sie sich mit Richard - und offensichtlich auch mit Cosma, von der ich allerdings nicht gewusst hatte, dass sie sich ebenfalls bei dem Englänger Zuhause aufhielt - so blendend verstehen würde. Die beiden machten zumindest oberflächlich nicht unbedingt den Eindruck, als hätten sie sowas wie gleiche Interessen, die selben Hobbies oder sonst was. Verbinden tat sie einzig und alleine die Tatsache, dass beide gleichermaßen anstrengend im Umgang waren und deutlich mehr Rechte genossen, als ihnen eigentlich zustünden. Richard mochte vielleicht noch niemanden derart verraten haben, dass beinahe ein Menschenleben ausgelöscht worden wäre, hatte sich allerdings gerade Hunter gegenüber wohl schon so einige Male im Ton vergriffen und in dem Punkt war für mich offensichtlich, dass er seinen Platz in der Nahrungskette genauso wenig kannte wie die Schwarzhaarige den ihren. Nüchtern betrachtet und getreu dem Sprichwort Gleich und Gleich gesellt sich gern war es also vielleicht doch gar nicht so verwunderlich, dass die beiden so gut miteinander auskamen. Anders sah es da mit dem rothaarigen kleinen Teufel aus, die, wenn ich das jetzt richtig verstanden hatte, momentan wohl ebenfalls mit Richard unter einem Dach wohnte. Gab es Zuhause etwa Stress? Nicht, dass es mich etwas anging, wie die Beziehung zwischen Cosma und Hunter so lief, aber unter der Prämisse, dass auch diese Frau für mich ein absolutes Miststück darstellte, ließ mich das leise Kriseln in der Beziehung der beiden doch mit einem Anflug von Belustigung grinsen. Auch meine rechte Augenbraue hob ich vielsagend an, aber sagen tat ich diesbezüglich nichts weiter. Laut Hunter war es nämlich auch echt scheißegal, ergo - es hatte mich nichts anzugehen. Nachzuhaken würde aller Wahrscheinlichkeit nach also nur ins Leere laufen und so sparte ich mir die Luft gleich von vornherein. Stattdessen versuchte ich, dem Gedankengang des Amerikaner zu folgen, mit dem er dazu anregte, sich bildlich vorzustellen, zu was für einer Katastrophe es kommen könnte, sollten die beiden Weiber sich tatsächlich miteinander anfreunden. Auf kurz oder lang würde sich Irina im Leben der beiden immer breiter machen und ich konnte nachvollziehen, dass Hunter das nur wenig bis eigentlich gar nicht zulassen wollte. Irina war in unseren Augen schließlich nicht aus Lust an der Laune eine Verräterin - sie hatte sich diesen Ruf durch ihre Taten selbst zuzuschreiben und dass der Choleriker nicht wollte, dass sie sich Insiderwissen über ihn und seine Familie aneignete war da nur nachvollziehbar. Ich bezweifelte zwar stark, dass sie versuchen würde, Hunter auf die gleiche Art und Weise zu stürzen, wie sie das bei Iljah versucht hatte, aber sicher sein konnte ich mir da nun auch wieder nicht. Cosma müsste in dem Fall noch nicht einmal beabsichtigen, ihrer neuen Freundin etwas von den krummen Geschäften ihres Liebsten und seinem Leben im Allgemeinen zu erzählen. Es war vollkommen ausreichend, wenn sie nur am Rande an irgendwelche Informationen kam - auch das wäre schon zu viel. Ich war mir allerdings nicht sicher, was der Amerikaner in dem Fall jetzt von mir erwartete. Sollte ich sie einfach wieder in den Flieger setzen und zurück nach Russland schicken? Er konnte mir glauben, das würde ich verdammt gerne tun! Irinas Anwesenheit hier auf der Insel machte mich aktuell auch nur deswegen nicht so verrückt, weil ich tagtäglich ausreichend durch Tauren oder meine Arbeit abgelenkt war. "Jo, ich kann schon verstehen, dass dir das nicht schmeckt.", ließ ich ihn erst einmal wissen, dass es mich mindestens genauso sehr störte, die Schwarzhaarige hier auf der Insel zu wissen. Zwar stand in meinem Fall deutlich weniger auf dem Spiel als bei dem Choleriker, aber das spielte nur bedingt eine Rolle. Wenn Irina versuchen würde, Hunter auf welche Art und Weise auch immer von seinem Thron zu stürzen, wäre es nur eine Frage der Zeit, auch der Rest des Suicide Squads - mich eingeschlossen - daran glauben musste. "Aber bei mir bist du da leider an der vollkommen falschen Adresse. Wenn es nach mir geht, hätte ich sie schon längst mit einem Betonklotz am Bein vor der Küste Guantanamos im Wasser versenkt, aber Iljah scheint ihr weiterhin zu vertrauen und so langsam bin ich es einfach Leid mich in die Angelegenheit der beiden einzumischen." Es machte mich von Tag zu Tag einfach müder, gegen den sturköpfigen Russen anzureden und solange von Irina keine ernsthafte Bedrohung ausging, wollte ich mir um sie keine weiteren Gedanken machen. Wenn Hunter Zeit und Lust dazu hatte, bitteschön, ich würde ihn nicht davon abhalten, könnte ich doch verstehen, warum er es tat. Bei ihm ging es schließlich um weit mehr, als nur die Freundschaft zwischen der Serbin und Cosma.
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Es lag wohl sehr stark im Auge des Betrachters, ob das hier die falsche Adresse für einen Unmut war oder nicht. Schließlich hing die Brünette unweigerlich in dieser Scheiße mit drin. Mir selbst lag an meiner Familie viel, auch wenn sie nicht vom gleichen Blut war. Ich mochte kein einfaches Familienoberhaupt sein, aber ich war immer fair und im Fall der Fälle ließ ich Niemandem im Stich oder gar auf der Strecke. Ich verlangte oft viel von meinen Brüdern, aber sie bekamen dafür auch etwas zurück. Also auch ganz davon abgesehen, dass ich keinen der Jungs schlecht bezahlte. Inzwischen konnte ich es mir leisten lieber ein paar Groschen mehr für sie springen zu lassen. Gut bezahlte Leute arbeiteten automatisch auch besser und fühlten sich eher wertgeschätzt. Also ja - Familie sollte füreinander einstehen, aber irgendwo sollte die Gutmütigkeit und die Loyalität dann auch ein Ende haben. Für mich war Irina eine solche Grenze, was Vahagn offenbar anders gesehen hatte. Vielleicht war Iljah ihr damit auch einfach so penetrant auf die Nerven gegangen, dass sie nur geringfügig eine Wahl gehabt hatte. Familie konnte eben auch scheiß anstrengend und nervtötend sein. Trotzdem befreite das die junge Frau nicht von ihrer Teilschuld an dieser Scheiße. "Dann mach's, statt nur drüber zu reden.", sagte ich trocken in bittersüßer Ironie und hob dann die Flasche erneut an, um noch einige Schlucke mehr zu trinken. Ich für meinen Teil hätte zumindest nichts dagegen, wenn die Brünette die Freundin ihres Bruders umlegen würde. Natürlich war das aber nicht so einfach, wie ich das gerade hinstellte. Es würde zwangsläufig passieren, dass Iljah es entweder ihr oder mir anhängen wollen würde. Wir beide waren zwangsläufig die erste Anlaufstelle für eine tote oder auch einfach nur spurlos verschwundene Irina, weil es dem Russen leider kein Geheimnis war, dass wir seine Geliebte auf den Tod nicht ausstehen konnten. Es stand für Vahagn daher ziemlich genauso wenig zur Debatte sich dessen schuldig zu machen, wie das auch bei mir selbst der Fall war. Allerdings dürfte auch aus meinen Worten recht deutlich heraus zu hören gewesen sein, dass ich das nicht wirklich so meinte. Es war eben mehr der Frust darüber, dass Irina jetzt die Insel für wie lange auch immer mit ihrem Antlitz verpesten würde und ich im Grunde nichts dagegen tun konnte, den ich dadurch loswerden wollte. "Außerdem ist es irgendwie schon mindestens teilweise deine Schuld, dass sie jetzt hier ist.", stellte ich auch diese Tatsache noch einmal für sie hörbar fest. Nur, damit sie wusste, dass ich ihr das sehr wohl ankreidete und es unweigerlich sicher wieder auf sie zurückfallen würde, sobald das Biest hier für mich zu einem richtigen Problem werden würde. Sie sollte also besser darum beten, dass die Schwarzhaarige ihre Füße weiterhin stillhalten und sich aus meinem Leben fernhalten würde, soweit das eben möglich war, wenn sie hier in der Stadt war. "Es sollte also in deinem Interesse liegen, dass sie hier jetzt keine Scheiße baut.", redete ich weiter, bevor ich noch ein paar Schlucke aus der Flasche nahm. Allzu groß war sie ohnehin nicht und ich gehörte tatsächlich zu der Sorte Mensch, die ihre Getränke bevorzugt ganz leer machte, bevor sie ein Haus wieder verließ. Auch auf die Gefahr hin, dass ich dann einen Zuckerschock bekam, weil ich sonst selten Zucker trank oder aß, was wohl ein ausschlaggebender Faktor für den Erhalt meines Körperbaus war. "Ich kann schon noch grade so drüber wegsehen, dass du sie hergebracht hast, weil ich weiß, dass es ganz sicher nicht deine Idee war. Was das angeht wird sich also dein Bruder verantworten müssen. Wenn du mir zukünftig aber weiterhin Dinge verschweigst, von denen du ganz genau weißt, dass sie mich interessieren und in denen du auch noch mit drinhängst, dann kriegen wir hier ein Problem. Ich bin eigentlich froh, dass es hier auf Kuba schön ruhig ist, aber ich hab auch kein Problem damit das zu ändern, wenn's mir zu bunt wird." Meine Stimme klang nach wie vor verhältnismäßig ruhig und ich fuhr auch innerlich nicht so schnell hoch wie sonst, wenn Vahagn irgendwas sagte oder tat, das mir nicht zu einhundert Prozent in den Kram passte. Ich verlieh meinen Worten lediglich durch entsprechende Betonung mehr Nachdruck. Meine etwas ausgeglichenere Art war ein Effekt, der sich absolut sicher den Medikamenten zuschreiben ließ, die mich allgemein ganz einfach mindestens zwei bis eher drei Gänge runterschalten ließen. Die meinen Kopf deutlich ruhiger hielten, als er das normalerweise war. Das hieß aber eben nicht, dass ich nicht trotzdem noch aus der Haut fahren konnte, wenn es nötig war. Schlafende Hunde sollte man nicht wecken, wie es so schön hieß.
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Manchmal stellte ich mir wirklich die Frage, für wie dumm Hunter mich eigentlich hielt. Wenn es genauso einfach gewesen wäre, wie sich darüber sprechen ließ, dann hätte ich es ja wohl schon längst getan. Es war zwar anhand der Stimmlage des Amerikaners offensichtlich, dass er wusste, dass ich das nicht mal eben so durchziehen konnte, aber es ließ mich trotzdem genervt mit den Augen rollen. Sagen tat ich dazu aber nichts, weil es mir schlichtweg überflüssig erschien. Warum hatte ich noch gleich gedacht, dass ein Gespräch mit Hunter ausnahmsweise mal durchweg angenehm verlaufen würde? Ich bereute schon längst wieder, die Tür für den Choleriker geöffnet zu haben und seine noch folgenden Worte machten es nicht unbedingt besser. Wie zu erwarten gewesen war, gab Hunter mir nämlich eine Teilschuld daran, dass Irina jetzt ihr Unwesen auf der Insel trieb und ganz grundsätzlich mochte diese ja auch berechtigt sein. Irina hatte sich in Russland schließlich nicht einfach in das nächstbeste, öffentliche Flugzeug gesetzt sondern war mit einer von meinen Maschinen hier nach Kuba gekommen. Nichtdestotrotz ließ ich es nur ungern auf mir sitzen, dass der Amerikaner mich mit seinen nachfolgenden Worten mehr oder weniger dazu verpflichtete, ein Auge auf Irina zu haben, weil ein Teil seines Zorns auch mich treffen würde, sollte sie Mist bauen und dass er im gleichen Atemzug auch noch eine indirekte Drohung aussprach, brachte das Fass für mich endgültig zum Überlaufen. "Ich glaube nicht, dass ich dir, was meine Arbeit angeht, Rechenschaft schuldig bin, Hunter. Weder jetzt, noch in der Zukunft. Ich kann Irina genauso wenig leiden, wie du selbst und bin mir über das Risiko ihrer Anwesenheit hier auf der Insel durchaus bewusst. Aber sie von Russland nach Kuba zu bringen, war ein Job wie jeder andere und hat dich damit eigentlich nichts anzugehen." Eigentlich, war hier im übrigen das Stichwort, denn sowohl mir, als auch Iljah war durchaus bewusst, dass es Hunter sehr wohl etwas anging, wenn dadurch seine eigenen Geschäfte potenziell in Mitleidenschaft gezogen wurden. Noch bevor der Amerikaner auf diese Aussage hin also zwei bis zehn Gänge hochschalten konnte, bat ich ihn darum, mir den Stapel Papiere zu geben, den er verräumt haben musste, kurz bevor er sich auf der Couch niedergelassen hatte. Eines der Papiere im unteren Drittel des Stapels drückte ich ihm nach kurzem suchen schließlich in die Hand. Ließ ihn drüber lesen und sobald mich ein fragender Blick empfing, setzte ich zur Erklärung an. Ebenso wie Hunter, behielt ich meinen neutralen Gesichtsausdruck und Unterton bei. Wie ich bereits sagte, war ich mir nämlich keiner Schuld bewusst. "Frachtpapiere. Ungeachtet der Tatsache, dass es über meinen Tisch ging, Irina hier nach Kuba zu holen, dachte ich, dass Iljah dich bereits über ihre Einreise informiert hat. Das ist laut CPT-Klausel nämlich seine Pflicht. Du kannst das Papier gerne behalten, hätte mir ja klar sein müssen, dass du bei mir auf der Matte stehst, weil er es offensichtlich nicht getan hat. Nimm es mit und wenn ihr euch das nächste Mal seht, sag' ihm einen schönen Gruß von mir, er soll seine Scheiße das nächste Mal direkt mit dir klären.", erklärte ich also ganz grundsätzlich, dass ich rein rechtlich - also laut kriminellen Recht sozusagen - fein aus der Sache raus war. Hunter als der Geschäftsmann schlechthin dürfte wohl mit am ehesten verstehen, dass Absprachen mit Vertragspartnern grundsätzlich bindend waren, weil es sonst ganz gewaltig krachte. Gerade er verlieh seinen Worten zumeist noch durch Taten Nachdruck, warum sollte das Recht jetzt nicht also auch für mich zählen? Ich war mir schon von Anfang an darüber im Klaren gewesen, dass der Amerikaner Fragen stellen und absolut nicht begeistert darüber sein würde, dass der Russe Irina in seinem Territorium abgeladen hatte und ich für meinen Teil wollte damit von Anfang an nur ungerne mit einbezogen werden. Hatte demnach darauf bestanden, Iljah alle Papiere unterschreiben zu lassen, die mich lediglich als einen Dienstleister - vollkommen unabhängig von der Art der Fracht - darstellten. Rückfragen und Beschweren würden also direkt an ihn umgeleitet werden, ich hatte damit nichts zu tun. Laut den Incoterms, die sich im illegalen Im- und Export etwas angepasst ebenfalls etabliert hatten, trug ich in der Sache die Verantwortung für Irina lediglich bei der Beförderung bis zum Bestimmungsort - also Kuba. Das Davor und Danach interessierte mich in dem Fall allerdings nicht, oblag das der Verantwortung meines Bruders. Er hätte von Anfang an mit Hunter abklären müssen, ob er die Ware überhaupt in das Land hätte verschiffen dürfen, die Androhung des Amerikaners war damit für mich vollkommen ungerechtfertigt. Ich hatte ungeachtet der Differenzen zwischen der Serbin und ihm, nach der Norm gehandelt und wenn er damit ein Problem hatte, dass ich mich an meine Prinzipien hielt, nur weil diese sich mit den seinen nicht deckten, dann war das ganz einfach nicht sein Problem. Er konnte mir in der Hinsicht also ruhig noch etwas öfter drohen, solange ich mich nur wenig bis gar nicht in der Schuld sah, würde mich das nur geringfügig interessieren.
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Ich kam nicht umher absolut verständnislos zu schnauben und den Kopf schwach schüttelnd kurzzeitig nach links abzudrehen, kaum hatte Vahagn mir gesagt, dass es mich nichts anzugehen hatte, was sie so mit ihren Geschäften trieb. Im Grunde genommen interessierte es mich nämlich nicht mehr als einen Scheiß, was ihre Meinung dazu war. Ich hatte die Russin trotz all unserer Differenzen deswegen gerne in Kuba sesshaft bleiben lassen, weil sie was Im- und Export anging eben hin und wieder schlichtweg nützlich für mich sein konnte. Was das anging hatte sie mich bis jetzt auch noch nie enttäuscht und deshalb machte ich auf dieser Ebene gerne Geschäfte mit ihr. Dennoch war sie wie wahrscheinlich jeder andere Geschäftspartner ersetzbar und ich war nicht zwingend auf sie angewiesen. Wenn sie hier auf Kuba also Scheiße verzapfte, die mir nicht schmeckte, dann war das ein Problem. Mein Größenwahnsinn kannte wie allseits bekannt eher keine Grenzen und in meinen Augen war Kuba nicht weniger als meine eigene Insel. Ich hatte noch nicht in jeder profitablen Ecke des Landes meine Finger im Spiel, aber früher oder später würde das so kommen. Einfach deshalb, weil es hier Niemanden gab, der mir zur Bedrohung wurde und ich meinen Arsch hier spielerisch leicht auf die ganze Insel ausbreiten konnte, um auf alles und jeden zu scheißen, der meinte hier auch ein Mitspracherecht zu haben. Vahagn saß hier in meiner Stadt und hatte sich zukünftig gefälligst an Vereinbarungen zu halten, die ich ihr auferlegte. Daran konnte auch das bisschen Papier nichts ändern, das sie mir wenig später unter die Nase hielt. Ich wandte mich ihr deshalb zwangsweise wieder zu und legte meinen Blick auf den Vertrag. An sich war der ja auch schön und gut - ich hatte vorhin bereits gesagt, dass ich es deutlich mehr ihrem Bruder ankreidete als ihr, dass die Schlange jetzt hier in meiner Stadt ihre Linien zog. Sogar von Anfang an in meinen eigenen Reihen, um genau zu sein. Das änderte halt aber in meinen Augen genau gar nichts daran, dass ich darüber in Kenntnis gesetzt werden musste, was hier auf meiner Insel abgeladen wurde. Was die Russin ansonsten mit ihrem Geschäft machte war mir vollkommen egal. Sie konnte von mir aus so viele blinde Passagiere von Kolumbien nach Europa einfliegen, wie sie wollte. Aber alles, was sogar auch noch hier in meinen direkten Radius in Havanna anfiel, das hatte ich mitgeteilt zu bekommen. Ich grummelte genervt vor mich hin, als ich mich nach vorne lehnte und ihr das bisschen Papier eher unsanft aus der Hand nahm, weil das Gespräch hier für mich schon wieder anstrengender war, als ich das ursprünglich angepeilt hatte. "Okay, dann formulier' ich es eben nochmal anders, damit du weißt, worauf ich eigentlich hinaus will: Ja, was Irina angeht werde ich deinen Bruder zur Rechenschaft ziehen. Das ändert aber absolut nichts daran, dass ich es nicht dulden werde, wenn so eine Scheiße nochmal passiert. Du hast dafür zu sorgen, dass ich von solchen Dingen weiß und zwar bevor sie hier landen, klar? Es ist mir scheißegal, um was es bei der Fracht geht, aber prügel' das deinen Kunden gefälligst ein, sonst komm ich auch das nächste Mal damit wieder zu dir und das weniger freundlich. Alles, was in meiner verdammten Stadt landet, hat bei mir vorher angemeldet zu werden, wenn's nichts Legales ist. Wenn dir das nicht passt, dann wander' aus, mach deine Geschäfte woanders und park einfach keinerlei Ware mehr hier auf Kuba. Ist das jetzt angekommen?", brachte ich mein eigentliches Interesse hinter dem Ganzen für meine Begriffe dieses Mal absolut unmissverständlich zum Ausdruck. War dabei weiterhin für meine Verhältnisse ruhig, aber es schlich sich doch ein verärgerter Unterton in meine Stimme. Sie würde für Aktionen wie diese auch mit Papierkram immer eine Mitschuld von mir kriegen. Es war an sich schließlich ihr Geschäft, also lag es zum Teil immer auch in ihrer Verantwortung, dass ihre Kunden ihren Arsch dazu hochbekamen mich über sowas zu informieren. Wenn sie ganz auf Nummer Sicher ging und sich selbst noch vor Einflug damit bei ihrer Kundschaft absicherte, dass ich auch wirklich informiert worden war, dann war zukünftig alles in bester Ordnung und sie konnte weiter ihre Flüge über die Weltkarte und auch durch Kuba ziehen. Sie hätte ihre Pflicht erfüllt und wenn ihre Kundschaft sie dann angelogen hatte, dann brachte ich halt die um die Ecke, statt Vahagn. Erst dann war sie aus der Sache fein raus und auch nur, wenn sie es mittels Verlauf ihrer Telefonate oder etwas anderem eindeutig beweisen konnte. Wenn sie es jedoch nicht fertigbrachte ihren Kunden unmissverständlich mitzuteilen, dass diese Insel nicht in ihren Händen lag, dann würde das früher oder später zu einem Problem für sie werden. Dabei spielte es auch keine Rolle, ob es sich nun um ihren Bruder oder irgendeinen vollkommen Fremden handelte.
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Aber ansonsten war bei dem Amerikaner noch alles okay, oder? War natürlich eine rein rhetorische Frage, weil wir, die mal mehr und mal weniger mit ihm zu tun hatten, natürlich wussten, dass das absolute Gegenteil der Fall war. Bei Hunter stimmte auf vielen verschiedenen Eben schon lange nichts mehr und auch wenn mir das bereits vorher klar war, gab er das mit Aktionen wie dieser hier noch einmal vollumfänglich zum Besten. Ich konnte eigentlich nicht viel mehr, als über sein Auftreten den Kopf schütteln. Was glaubte er denn eigentlich, wer er war? Der kubanische Zoll, bei dem jede Einfuhr anzukündigen war? So verhielt er sich zumindest und am liebsten hätte ich jetzt einfach laut losgelacht. Ihn gefragt, ob er noch alle Tassen im Schrank hatte, weil ich sicherlich nicht bei jedem Im- und Export um seine Erlaubnis betteln würde. Er hatte mir absolut gar nichts zu sagen, ich war nach wie vor mein eigener Chef. Ihm das so unter die Nase zu reiben würde jedoch nicht viel mehr, als gleich die nächste Diskussion lostreten und auf die konnte ich gerade wirklich bestens verzichten. Dann sollte er ruhig in dem Glauben leben, ich würde nach seiner Pfeife tanzen, wenn er damit des Nachts dann besser schlafen konnte. "Na, wenn es sonst nichts ist.", kam ich um den ironischen Unterton und ein weiteres genervtes Augenrollen nicht drum herum. Ich sollte mir beizeiten wohl wirklich überlegen, nicht einfach eine Insel weiterzuziehen und damit aus dem Radius des großkotzigen Amerikaners raus. Seine Einstellung war inzwischen nur noch anstrengend und wäre Tauren nicht, würde mir hier wohl auch nicht mehr besonders viel halten. Gab schließlich noch eine ganze Menge anderer warmer Länder und auch wenn ich Hunter gewissermaßen dankbar dafür war, dass er mir kurz nach dem Überfall auf den Firmensitz in Italien finanziell mit einigen Aufträgen unter die Arme gegriffen hatte, verhielt er sich mir gegenüber inzwischen ganz einfach zu großkotzig. Wollte mir hier ins Geschäft pfuschen, von dem er noch nicht einmal groß Ahnung hatte. Genau aus dem Grund strich ich Kuba gedanklich von meinen künftigen Handelsrouten, zumindest eben in Hinsicht auf den Flug- und Schiffverkehr. Es war mir ganz einfach zu blöd, dem Amerikaner ständig Auskünfte darüber geben zu müssen, wer wann und unter welchem Vorwand sein Land betrat. Es gab auch um Kuba herum noch ein paar kleinere Inseln, nicht zuletzt sogar ausreichend Festland, von wo aus sich Waren und Menschen ohne Stress umschlagen lassen würden. Und selbst wenn Aufträge über nennenswerte Sümmchen einen Direktflug nach Kuba voraussetzten, machte ich mir darüber kaum bis gar keine Gedanken. Mochte ja sein, dass Hunter in seiner Sparte des kriminellen Metier ein absolutes Ass war, sofort erkannte, wenn ihn jemand über den Tisch ziehen wollte, aber hätte er Lust und Zeit, sich auch noch mit Im- und Exporten zu befassen, dann würde er damit kaum immer wieder zu mir kommen. Und solange, wie er nur bedingt Ahnung von meiner Arbeit hatte, würde ihm nicht einmal auffallen, wenn plötzlich ein Kriegsverbrecher der arabischen Emirate plötzlich in der Sonne seines Kubas lag. Das mit Irina... war halt blöd gelaufen. Was die Sache mit Sabin und dem entführten Kind anbelangte, würde ich unter der Prämisse allerdings noch einmal ein Wörtchen mit dem Italiener reden müssen. War schließlich auch so eine Sache, die ich Hunter hätte mitteilen müssen, wenn es nach ihm gegangen wäre, aber ich hatte Sabin versprochen, es vorerst noch nicht zu tun. Kam jetzt nach dem Gespräch aber direkt raus, dass ich mir in den Augen des Amerikaner schon wieder einen Fehltritt erlaubt hatte, obwohl er mich doch so eindringlich gewarnt hatte, dann könnte ich mir die Radieschen wohl vermutlich wirklich von unten angucken. Da musste definitiv noch eine sehr gute Ausrede her. Fürs Erste verschwendete ich daran allerdings noch nicht besonders viele Gedanken, würde mich darum kümmern, wenn Hunter endlich von dannen gezogen war. "Wars das dann?", stellte ich abschließend noch eine Frage, die Hunter nicht deutlicher hätte signalisieren können, dass er sich jetzt bitte einfach verpissen sollte. Er hatte mich mit seiner Anwesenheit schon wieder viel zu viele Nerven gekostet, von denen ich froh gewesen war, dass sie sich innerhalb der letzten paar Tage wieder einigermaßen erholt hatten.
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Es war kaum zu erwarten gewesen, dass Vahagn sich sonderlich begeistert von meiner Forderung zeigte. Sie war offensichtlich genauso unzufrieden damit wie sonst auch, was sich an ihrer Körpersprache mehr als deutlich erkennen ließ. Allerdings fiel die wörtliche Resonanz auf meine eigenen Worte ganz anders aus, als sie das normalerweise tat. Es blieb bei ein paar wenigen, schnippischen Worten und hörbarem Unmut, aber das war es tatsächlich fürs Erste. Woran das nun wiederum lag war für mich schwer zu definieren, weil ich der Russin nicht in den Kopf sehen konnte. Womöglich wollte ich das aber ganz einfach deshalb nicht weiter hinterfragen, weil sich die Unterhaltung damit vorerst im Sand verlief und ich nicht noch andere Mittel aufziehen musste. Ich jetzt keine weiteren Minuten an etwas verschwenden musste, auf das ich ohnehin nur bedingt Lust hatte. Gespräche mit der Brünetten waren zwar nicht gerade erst seit gestern grundsätzlich anstrengend, aber in meiner momentanen Verfassung ersparte ich mir das einfach gerne. Ganz allgemein tat ich bisher nur das Wichtigste an Aufarbeitung, was meine eigenen Geschäfte und Angelegenheiten anging, weil ich einfach so schrecklich... müde war. Quasi 24/7 ein bisschen betäubt, weil die Medikamente zu Beginn der Behandlung gerne mal ordentlich reinknallten, wenn der Körper sich noch nicht vollends daran angepasst hatte. Dann noch der Alkoholentzug und meine eigene Misere war quasi komplett. "Ja, das war tatsächlich alles, was ich wollte.", konnte ich die Russin mit doch etwas misstrauischer Stimmlage beruhigen. Mir war einfach ein bisschen schleierhaft, warum sie jetzt so verhältnismäßig schnell eingelenkt hatte, aber gut - solange sie mir nicht noch mehr Gründe dazu gab, aus dem gleichen Grund wie dieses Mal wiederholt bei ihr aufzutauchen, nahm ich das erstmal so ab. Meiner eigenen Nerven und Kopfschmerzen wegen. Ich kippte also nur noch die letzten paar Schlucke aus der Colaflasche runter, bevor ich sie auf dem Untersetzer wieder abstellte und noch fast im selben Moment stand ich vom Sofa auf. Nur einen Moment lang streckte ich die Schultern etwas durch, weil ich in letzter Zeit kaum weniger chronisch verspannt sein dürfe als meine Liebste, danach wandte ich mich mit den eher sarkastischen Worten "Viel Spaß mit deinem Auto." von ihr ab und steuerte den Flur an. Ich verließ die Wohnung wahrscheinlich gerade genauso gern, wie Vahagn mich loswerden wollte - was zweifelsfrei der Fall war - und unten im Wagen angekommen besah ich mir erst noch einmal kurz das Stück Papier in meiner Hand. Nur, um sicher zu gehen, dass ich Iljah hier nicht gleich irgendwas vorwarf, wo er seine Unterschrift gar nicht drunter gesetzt hatte, wobei auch das ihn kaum vor den Konsequenzen bewahren würde. Dann zückte ich auch schon mein Telefon und klingelte bei dem Russen durch, der mir ein paar zu viele Antworten schuldig war. Mitleid bekam er aber ganz sicher keins dafür, dass ich ihn mit dem Anruf mitten in der Nacht aus den Federn schmiss. Dass es in Moskau schon ein paar Stunden später war als hier auf Kuba kümmerte mich herzlich wenig, als ich ihm vorwarf mich mit der miesen Aktion einfach komplett übergangen zu haben und ihm sagte, dass wir das klären müssen würden. Am Telefon ließen sich die Differenzen aber nur schlecht aufrichtig bereinigen und ehrlich gesagt war ich damit auch schlicht und ergreifend absolut unzufrieden. Er lenkte ein ohnehin mal nach Kuba kommen zu wollen - wegen Irina natürlich, wozu auch sonst - und dass sich das dann ja problemlos miteinander verbinden ließ. Damit war mein Ärger darüber zumindest für den heutigen Tag gestillt und er wollte sich melden, wenn er wusste, wann genau er hier aufschlug. Das war dann tatsächlich auch nur sechs Tage später der Fall. Bis dahin konnte ich zähneknirschend noch warten, hatte ich doch wie gesagt noch etwas Arbeit nachzuholen und allgemein nicht allzu viel Energie für auch nur irgendwas übrig - außer für Cosma, bei der ich jeden zweiten Tag vorbeizuschauen versuchte, um mich auch ja an mein Wort zu halten. Es schien mir deshalb auch eine gute Lösung zu sein sich am frühen Abend, während die Sonne noch am Himmel, in einer Bar am Strand zu treffen. Da fiel es nicht auf, wenn ich eine Sonnenbrille trug, weil die Schatten unter meinen Augen kaum noch tiefer hätten werden können. Zwar gab es auf der Terrasse direkt am weißen Sand auch Schirme, die mich vor dem gleisenden Sonnenlicht geschützt hätten, aber sei's drum. Doppelt hielt einfach besser oder wie auch immer. Es passte auch mit Iljah Ankunftszeit auf der Insel so ganz gut, also ließ ich mich schließlich am reservierten Tisch draußen auf der Terrasse fallen, von wo aus man einen absolut perfekten Blick auf das türkisfarbene Meer hatte. Bestellte mir dann - auch, wenn ich es besser wusste - zumindest ein einziges Glas Whiskey auf Eis, das sich dann ja nur auf ein paar Schlucke zum Genuss begrenzte. Ich würde mich nicht betrinken, auch wenn die Versuchung schon nach dem ersten Schluck da war, mit dem ich nur hatte feststellen wollen, ob der Whiskey hier gut war - was ich bestätigen konnte. Deswegen blieb zu hoffen, dass der Russe gleich pünktlich sein würde und mich nicht warten ließ.
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Seitdem Irina sicher auf Kuba gelandet war und sich dem ersten Anschein nach auch gut mit ihrem neuen Gastgeber verstand - über den ich mir selbstredend bereits wenig später sämtliche auffindbare Informationen zu Gemüte geführt hatte -, konnte ich endlich mal wieder durchatmen. Zwar war es so, dass die Männer, die zuvor unermüdlich Jagd auf die Serbin gemacht hatten, nun teilweise an meinen Fersen klebten, aber damit konnte ich ganz gut umgehen. War mir allemal lieber, als dass sie sich an der wehrlosen jungen Frau zu schaffen machten. Ich fand in den Nächten, die auf Irinas Abreise folgten, also tatsächlich mal wieder ein paar Stunden traumlosen Schlaf, der wie Balsam auf meine Seele wirkte. Ohne die zierliche Schwarzhaarige an meiner Seite schlief es sich zwar nach wie vor nicht zu einhundert Prozent gut, aber wenigstens schon mal etwas besser als die Nächte zuvor. Mit der neu gewonnenen Energie ließ sich der Tag so ganz allgemein deutlich produktiver gestalten und geschäftlich wirkte sich das natürlich schnell auf die Zahlen aus. Ich hatte einen viel klareren Kopf für Gespräche mit Geschäftspartnern, schaffte insgesamt einfach mehr Arbeit als vor ein paar Tagen, wo ich hatte froh sein können, das Nötigste erledigt zu haben. Die Auftragslage beruhigte sich also schon sehr bald und ich trotz der zusätzlichen Arbeit in der Buchhaltung für Hunters Blüten, konnte ich hier und da trotzdem einen freien Tag einschieben, um die Seele baumeln zu lassen. Entweder ich ließ mich im örtlichen Massagesalon ein wenig durchkneten oder entschied mich spontan dazu etwas außerhalb von Moskau Winterbaden zu gehen. Ich fand nach der ganzen Scheiße rund um die Sorokins also endlich mal wieder ein Stück weit zu mir und es war eigentlich nur eine Frage der Zeit gewesen, bis mir wieder irgendetwas ganz gewaltig gegen den Strich gehen würde. In dem Fall war es wohl Hunter, der mich Wochen, nachdem Irina auf Kuba gelandet war, wutentbrannt und zudem mitten in der Nacht anrief, um mir mehr als deutlich zu machen, dass er die Schwarzhaarige nur äußerst ungerne auf seiner Insel tolerieren wollte. Kurzeitig war ich verleitet Hunter zu fragen, ob er inzwischen dement war, weil ich ihn doch angerufen und darüber in Kenntnis gesetzt hatte, aber noch bevor ich wach genug gewesen war, zu der Fragen anzusetzen, fiel es mir wie Schuppen von den Augen - ich hatte ganz vergessen, den Choleriker anzurufen, weil ich mit dem Kopf einfach ganz woanders gewesen war. Meine einzigen Telefonate an diesem Tag beschränkten sich lediglich auf das mit meiner rechten Hand und meiner kleinen Schwester. Irgendwie... ja, hm... hatte ich es wohl verschlafen, auch bei dem Amerikaner durchzurufen. Dabei hatte ich ihn ehrlich informieren wollen, wirklich. Alleine schon deswegen, damit er wusste, dass Irina auf mein Geheiß dort war und sich nicht eigens in die Höhle des Löwen gewagt hatte. Ich wollte ihm auch versichern, dass sie keinen Ärger machen würde, weil sie ohnehin eigentlich gar nicht dort sein wollte und es letztlich nur war, weil ich sie dazu verdonnert hatte. Auch ein Stück weit das warum und wieso hätte ich dem Amerikaner gerne erklärt, selbst wenn ich auf sowas wie Mitleid bei ihm eher nicht hoffte. Ich gab ihm trotzdem lieber eine Information zu viel, als zu wenig, wenn das hieß, dass Irina vorerst im Schutz seines seltsamen Suicide Squads stand. Und schon nicht aktiv, dann würde sich wohl trotzdem kaum jemand wagen, das Land zu betreten, auf dem Hunter Augen und Ohren überall hatte. Tja, aber der Zug war wohl abgefahren. Der Amerikaner war zu Recht sauer und ich bot an, das persönlich mit ihm zu klären, wenn ich mir das nächste Mal ein paar Tage freischaufeln konnte. Es war ohnehin langsam an der Zeit, die hübsche Serbin zu besuchen, einen Termin mit Hunter mit einzuschieben war überhaupt kein Problem. Und fast eine Woche später sollte es dann soweit sein. Nachdem ich etwas ratlos in den Tiefen meines Kleiderschranks nach den letzten kurzen Hosen gekramt hatte, die ich noch besaß und sie gemeinsam mit ebenso rar gesäten Kurzarmshirts in eine Tasche gestopft hatte, war ich kurze Zeit später mit einer Sonnenbrille am Kragen in den Flieger gestiegen und hatte mir dann über der Luft ein Hotelzimmer im Zentrum Havannas gebucht. Dort kam ich dann auch eine kleine Ewigkeit später endlich an und lag damit noch gut in der Zeit. Vom Flugplatz bis ins Hotel ging ich dann fast ein wie eine lausige Primel, weil ich das Wetter ganz einfach nicht gewohnt war und die wenig bis gar nicht klimatisierten Fahrzeuge machten es mir nicht gerade leichter, mich an die Temperaturen hier zu gewöhnen. Es war daher wohl auch gar nicht verkehrt, dass ich mir an der Rezeption des Hotels angekommen von der freundlichen alten Dame hinter dem Tresen nicht nur meinen Schlüssel, sondern gleich auch eine Tube Sonnencreme in die Hand drücken ließ. Letztere kostete mich auch nur einen minimalen Aufpreis in Form eines freundlichen Lächelns. Ich bedankte mich noch bei der Hausherrin, ehe ich auf mein Zimmer schlurfte und die erste Amtshandlung, als ich die Tür im Obergeschoss des lediglich zweistöckigen Hotels - was ich eher als ein großes Hauses mit eben nur zwei Etagen titulieren würde - hinter mir geschlossen hatte war, vollkommen dehydriert zu stöhnen und mich meiner langärmligen Klamotten zu entledigen. Ich schob noch eine kalte Dusche ein, weil die Hitze mich hatte schwitzen lassen und nachdem ich in die frischen Shorts und ein Shirt geschlüpft war, die Sonnenbrille auf der Nase geparkt und mich mit der Sonnencreme ausreichend gegen die UV-Strahlen geschützt hatte, machte ich mich schließlich auf dem Weg zum Treffpunkt, den Hunter mir genannt hatte. Zwar hätte ich vorher gerne einen Abstecher zur Bleibe von Irina gemacht, aber leider lag das Haus unseres ehemals drogenabhängigen Richards leider nicht gerade auf dem Weg, also würde das warten müssen. War vielleicht auch besser so, wenn ich erst einmal das sicher nicht gerade unangenehme Gespräch mit Hunter vorzog, dann konnte ich später noch ein bisschen die Sonne mit der Serbin genießen... oder eben die laue Sommernacht, je nach dem, wie lange Hunter mir das Ohr abkauen würde. Pünktlich zur ausgemachten Uhrzeit fand ich mich in der von Hunter ausgewählten Bar ein und ich musste gar nicht lange Suchen, bis ich den ebenfalls bis unter den Hals tätowierten Amerikaner auf der Außenterrasse vorfand. Ich grüßte eine der an mir vorbeilaufenden Kellnerinnen, die fragte, ob sie mir helfen könnte und winkte ab. Ließ sie wissen, dass ich zu dem jungen Mann ein paar Meter weiter weg gehörte und sie schenkte mir noch ein aufrichtig ehrliches Lächeln, ehe sie verschwand, um die umliegenden Gäste zu bedienen. Ich atmete noch einmal etwas tiefer durch, dann ging ich die letzten Schritte recht zielstrebig auf Hunter zu und ließ mich schließlich ihm gegenüber auf dem freien Stuhl fallen. "Man... ist das eigentlich immer so warm hier?", war meine Form der Begrüßung, als ich mich weiterhin kämpfend mit den heißen Temperaturen zu ihm unter den Sonnenschirm verkroch. Im Schatten war es zwar schon deutlich angenehmer, aber immer noch kaum auszuhalten. Die Nachmittagssonne war wirklich unbarmherzig. Noch bevor ich ihm allerdings die Möglichkeit einräumte, auf die rhetorische Frage zu antworten, schob ich gleich noch eine - meiner Meinung nach nur angebrachte - Entschuldigung hinterher, bereitete es ihm doch sicherlich hier und da Umstände, sich deswegen jetzt mit mir zu treffen. "Zuallererst sorry... ich hatte irgendwie ziemlich viel um die Ohren und hab einfach vergessen, dich anzurufen. Weil so lange nichts von dir kam, hab ich dann wohl auch partout nicht mehr dran gedacht. Ist soweit alles in Ordnung? Macht Irina Schwierigkeiten?" Meine Stimme war allgemein eher ruhig, passte sich damit der in der Bar vorherrschenden Atmosphäre an und noch sah ich auch überhaupt keinen Grund dazu, lauter zu werden. Konnte schließlich mal passieren, dass man etwas vergaß und dafür saßen wir ja jetzt hier - um die Differenzen zu klären. Solange Hunter sich also mir gegenüber noch nicht im Ton vergriffen hatte, sah ich keinen Grund dafür, warum ich ihm gegenüber einen anderen anschlagen sollte.
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