Was mit mir nicht stimmte? Was das anging sollte sich das rothaarige kleine Biest lieber ganz schnell mal an die eigene Nase fassen. Es war gar nichts passiert? Sah sie das so, weil dieses Mal Niemand gestorben war, als sie ihren Rausch ausgelebt hatte? Offenbar hatte Cosma absolut kein Verständnis dafür, warum Bullen auf meinem Grundstück ein ernsthaftes Problem waren. Dementsprechend unbeeindruckt zeigte ich mich auch davon, das sie gerne wieder aufrecht stehen können wollte und versuchte meiner Faust von sich wegzukriegen. Ich schnaubte verbittert, bevor ich meine Finger aus ihrem Nacken löste. Allerdings schlang ich gleich im Anschluss daran ihre langen Haar um mein Handgelenk, um sie so weiter im Griff zu haben. Ich zog sie an den Haaren zurück in eine aufrechte Körperhaltung, damit sie mich besser ansehen konnte. Natürlich nicht, ohne ihr dabei den Kopf grob und ziemlich ruckartig in den Nacken zu ziehen. "Es ist nichts passiert?!", wiederholte ich ihre Aussage knurrend als indirekte Frage. "Du hast sie zuerst ja sogar in deine Bar gelotst. Ich weiß nicht, ob du dich daran nicht erinnern kannst, weil du dir wieder weiß Gott was eingeschmissen oder reingezogen hast, aber du wäscht da mein verdammtes Geld. Es sollte also auch in deinem Interesse sein diesen Wichsern keinen Grund dafür zu geben, sich in der Bar mal genauer umzusehen. Steht schließlich dein Name in sämtlichen Verträgen und nicht meiner.", redete ich ihr weiter sehr energisch und eindringlich ins Gewissen. Natürlich hatte ich immer zwei Männer bei Cosma in, beziehungsweise hinten an der Bar postiert, um sicher damit zu gehen, dass sie im Notfall zumindest das hinten verstaute Geld schnell wegbringen konnten, damit im Ernstfall einer Durchsuchung nicht alles flöten war, sondern maximal der kleinere Anteil, der vorne an der Theke gegeben war. Die falschen Scheine waren zwar wirklich schwer von echten zu unterscheiden und würden demnach auf den ersten Blick vielleicht gar keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen - eine gewisse Summe Bargeld in einer Bar zu haben war ja vollkommen normal -, aber es war überflüssig zu erwähnen, dass ich vermeidbare Risiken auf den Tod verabscheute. Cosma müsste das inzwischen eigentlich auch wissen. Genauso, wie sie schon hätte ahnen können, dass ihr alleiniger Drogenkonsum ohne die Anwesenheit eines Aufpassers nie wirklich gut ausging. Mit dem Denken hatte sie es vorübergehend wohl mal wieder nicht so. "Und als wäre das an sich noch nicht schlimm genug, lässt du dich auch noch von den Bullen hierher eskortieren. Ist ja nicht so, als hätte ich ein halbes Waffenarsenal unten im Keller. Oder als hättest du hier nicht immer irgendwo Gras rumliegen." Gut, das waren in der Regel keine Unmengen, aber es ging mir ums Prinzip. Die Cops würden hier mehr als genug finden, um weiter nachzubohren oder eigene Schlüssel zu ziehen. Für die folgenden Worte kam ich ihr noch näher, war mit meinem Gesicht direkt vor ihrem. "Wir sind ja auch nur ganz zufällig wenige Wochen, bevor die Bullen Probleme mit plötzlich unverhältnismäßig viel Kriminalität gekriegt haben, hier eingezogen. Du brauchst echt ganz dringend mal eine Erinnerung daran, dass dein Gesicht in so einigen Datenbanken mit meinem verknüpft ist und du hier nicht einfach tun und lassen kannst was du willst, nur weil wir nicht mehr in Norwegen sind.", vollendete ich meine kleine Ansprache. Einen kurzen Moment lang sah ich noch wütend zu ihr runter. Spuckte ihr die Worte "Nenn' mich nicht so." ins Gesicht, verpasste ihr dabei auch noch einen harten Ruck an den Haaren. Keine Ahnung, was sie sich von diesem Kosenamen, der einfach nur vollkommen unangebracht war, gerade versprach, aber sie konnte ihn sich sonst wohin stecken. Danach distanzierte ich mich von Cosma, um sie neben mir her an den roten Haarsträhnen zur Kellertreppe zu schleifen. Dabei hielt ich ihren Kopf ganz bewusst etwas nach unten gedrückt, damit die junge Frau gebückt gehen musste. Gerade die Stufen abwärts sicher kein Spaß. Unser Weg führte mich zuerst allerdings mal zur Waffenkammer. Ich würde mir ein paar Kabelbinder zu Nutze machen, um ihr den künftigen Aufenthalt im Klimaanlagenraum so unangenehm und eingeschränkt wie möglich zu gestalten. Ihre wohlverdiente Strafe wäre schließlich nur halb so effektiv, wenn ihr nicht nach ein paar Stunden schon der Arsch vom Sitzen wehtun würde. Ich klemmte die Rothaarige mit dem Rücken zu mir zwischen dem Tisch in der Mitte des Raums und meinem eigenen Körper ein, als ich die Schublade rechts neben ihr direkt unter der Tischplatte aufzog. Ohne zu zögern zog ich zwei der schwarzen Kabelbinder aus einer schon offenen Plastiktüte, ehe ich meine andere Hand aus ihren Haaren löste und dann nach ihren Handgelenken griff, um sie ihr hinterm Rücken miteinander zu befestigen. Zwar würde das Blut sicherlich weiter durch ihre Adern fließen können, aber ich machte den Kabelbinder doch ziemlich fest. Eben so fest, dass es irgendwann schmerzhaft wurde, ihr die Hände aber nicht mangels Blutzufuhr abfallen würden. Sie brauchte die Finger zukünftig schließlich noch, um mir das Geld über die Theke hinweg zu waschen. Wann das sein würde wusste ich jetzt aber noch nicht. Wohl frühestens dann, wenn sie sich für diese Scheißaktion entschuldigte und mich mindestens ein bisschen darum anbettelte, sie wieder rauszulassen. Vermutlich konnte ich darauf etwas länger warten, aber das war schon okay. Der größte Teil meiner Blüten wurde schließlich in russischer Währung über Iljah gewaschen, so dringend war die Wiedereröffnung der Bar also nicht. Wobei ich theoretisch auch einfach die Jungs in der Zwischenzeit dort arbeiten lassen konnte, wenn ich welche frei hatte. Das würde ich mir zeitnah noch überlegen.
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Wenn der Aufriss hier nicht gerade einen ziemlich ernsten Hintergrund hätte, dann könnte man fast meinen, Hunter und ich praktizierten hier irgendwelchen seltsamen Rollenspiele. Unter anderen Umständen wäre ich nämlich gar nicht mal abgeneigt, ja vielleicht sogar angetan davon gewesen, dass Hunter etwas grober mit mir umging. An den Haaren ziehen und mich herumschubsen war an und für sich schließlich noch gar nicht so schlimm. Konnte ich gut mit Leben und wenn man mir vorab kommuniziert hätte, dass es darauf hinauslaufen würde, dass er mich flachlegte... meinetwegen. Dann durfte er mich gerne an den Haaren durch die ganze Villa ziehen, aber ohne eine nette Belohnung in Aussicht war sein Verhalten gerade absolut unangemessen und seine Nähe nichts als unangenehm. "Du tust mir weh...", jammerte ich kleinlaut, noch bevor Hunter dazu ausholen konnte, mir im Detail zu erklären, dass eben nicht Nichts passiert war, sondern ich sehr wohl Scheiße gebaut hatte. Dass ihn das kaum interessieren dürfte und ich mir die Luft hätte sparen können, war mir an dem Punkt ziemlich egal. Mein Gott, okay - ja, dann hatte ich mich halt falsch verhalten. Hatte das Auftauchen der Cops provoziert und eventuell auch nicht mehr daran gedacht, dass die abrupt ansteigende Kriminalität in Kuba durchaus mit unserem Einzug hier auf der Insel in Verbindung gebracht werden könnte, aber musste er deshalb gleich so grob werden? Ich sah den tätowierten Choleriker aus glasigen Augen an, als er gerade im Begriff war, mich vor sich her in Richtung des Kellers zu stoßen, woraufhin ich mich stolpernd und der Haltung entsprechend unbequem in Bewegung setzte. An den Treppen angekommen tastete ich rasch nach dem Geländer, um keinen Abflug zu machen, weil mir bedingt durch die Kopfschmerzen und der Übelkeit sowieso schon schwindelig war. Dass ich mit dem Kopf nach unten lief machte es da nicht besser und selbst mit dem nötigen Halt an meiner Seite rutschte ich fast zwei Mal auf einer der Treppenstufen ab. Ich war deshalb ganz froh, als wir im Keller angekommen waren, auch wenn ich mir nicht erklären konnte, was genau Hunter hier unten plötzlich mit mir vor hatte. Ich verstand momentan sowieso nur Bahnhof und bekam meine Gedanken kaum sortiert. Deshalb ließ ich wohl auch noch die Kabelbinder wortlos über mich ergehen, die mir lediglich ein leises Zischen entlockten, als Hunter sie meines Erachtens nach zu fest zu zurrte. "Hunter, bitte... was... was ist los mit dir? Ich... verstehe es einfach nicht. Ja... ich... ich hab Mist gebaut, aber was soll das Alles hier?", gab ich einerseits offen und ehrlich mein Fehlverhalten zu, das mir langsam einzuleuchten begann. Zwar würde ich einen Teufel tun, mich dafür zu entschuldigen, weil ich mir dafür schlicht und ergreifend zu stolz war, aber vielleicht konnte ihn ein wenig Einsicht ja besänftigen. Andererseits erkundigte ich mich mit der Frage sehr indirekt nach dem Warum. Ich konnte und wollte nämlich wirklich nicht verstehen, warum es notwendig war, plötzlich in alte Verhaltensmuster zu verfallen. Hatte er all das, was zwischen uns gelaufen war, in Russland vielleicht auch verdrängt und vergessen, so wie ich es im Begriff gewesen war zu tun? Möglicherweise. Vielleicht hatte er sich aber auch irgendwas eingeschmissen oder mal wieder zu tief ins Glas geschaut. Zwar roch ich auch bei Hunter keine Fahne, aber das musste nichts heißen - genauso wenig wie die Tatsache, dass er noch gerade laufen konnte. Gab immerhin ausreichend Mittel und Wege unschöne Gerüche zu neutralisieren und Jemanden, der regelmäßig viel Alkohol konsumierte, fiel es irgendwann auch gar nicht mehr schwer, eine gerade Linie zu laufen. Wieder sah ich den jungen Mann nur ratlos an, weil ich nicht wusste, was ich sonst noch tun sollte. Mich zur Wehr zu setzen würde mir aktuell nichts bringen, stattdessen wollte ich lieber herausfinden, was es mit dem plötzlichen Sinneswandel meines Geliebten auf sich hatte. Aber bis auf die geweiteten Pupillen, die an und für sich auch bloß eine natürliche Reaktion auf das gedimmte Licht in den Kellerräumen sein könnte, fiel mir an Hunters Gesichtszügen eigentlich nichts weiter Außergewöhnliches auf. Es war nur... irgendwie nicht er. Aber ihn einfach darauf anzusprechen käme sicherlich ziemlich blöd. Machte bestimmt auch nur begrenzt Sinn, aber was sollte ich denn bitte sonst tun? "Was... ist was passiert? In Russland?", fragte ich nach einem kurzen Augenblick der Stille. Vielleicht irgendetwas, das ich wissen sollte? Hatte er etwas erfahren, dass er besser nicht hätte erfahren sollen? War er deshalb sauer auf mich? So viele Fragen, aber auf die Beantwortung dieser könnte ich sehr wahrscheinlich noch eine Ewigkeit warten.
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Gut so. Sollte es ruhig ordentlich wehtun. Worte konnten Cosma nämlich sehr offensichtlich nicht zur Vernunft bringen. Andernfalls hätte sie kaum schon wieder den selben Fehler gemacht wie vor nicht langer Zeit schon einmal. Ich hatte ihr eigentlich auch schon damals sehr unmissverständlich gesagt, was ich davon hielt, wenn sie sich - und damit im Regelfall zwangsweise auch mich - in Gefahr begab, nur weil sie sich mit Drogen volldröhnte und ihr Handeln dadurch absolut nicht mehr einzuschätzen wusste. Wenn Kommunikation nicht funktionierte, dann musste es eben die Peitsche sein. Vielleicht erinnerten sie die Schmerzen ja endlich daran, in welchen Kreisen sie sich bewegte und dass in meinem Umfeld ganz einfach andere Regeln herrschten. Dass die Konsequenzen für Fehltritte andere waren und man es sich deshalb sehr gut überlegen sollte, ob man wirklich Scheiße bauen wollte oder es nicht doch lieber sein ließ, weil es die schmerzhafte Resonanz niemals wert war. Da half Cosma auch ihre viel zu späte Einsicht jetzt nicht mehr, die sie gerade so über die Lippen brachte. Schließlich machte das Nichts ungeschehen und die Cops hatten nach wie vor ihre aufgenommenen Personalien. Ich konnte es förmlich schon riechen, wie die lächerlichen Beamten in naher Zukunft immer wieder mit ihrer Streife an meinem Grundstück vorbeifahren würden. "Die Sache ist ganz einfach, Cosma... wer Scheiße baut, der muss dafür bezahlen. Ich hab es ganz einfach satt, mir von dir auf der Nase rumtanzen zu lassen. Eine Warnung hast du das letzte Mal gekriegt, jetzt gibt's eine Strafe.", antwortete ich zynisch, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Dann streckte ich die Hand erneut nach der Schublade aus, um zwei weitere Kabelbinder aus der Tüte zu nehmen. Sie müsste doch mindestens so gut wie Tauren wissen, dass es bei mir nicht viel brauchte, damit es knallte. Immerhin war sie es gewesen, die ihm damals die Schnitte im Nacken versorgt hatte. Warum die Rothaarige mir die folgende Frage stellte, verstand ich ehrlich gesagt nicht. Was hätte denn im kalten Moskau passieren können, das Auswirkungen auf mein jetziges Handeln gehabt hätte? Ich war doch immer so und es war bei weitem nicht das erste Mal, dass wir beide auf unangenehme Weise aneinander gerieten. Unfähig dazu meinen eigenen schizophrenen Sinneswandel wahrzunehmen, zuckte ich bloß mit den Schultern und nahm sie am Ellbogen. Begann sie neben mir her wieder aus der Waffenkammer zu ziehen, während ich zu einer Antwort ansetzte. "Was soll in Russland passiert sein? Ich kann mich nicht dran erinnern, wann ich das letzte Mal so viel Spaß hatte. Das war wie Weihnachten, ich hab einem ganzen Kartell die Schädel weggepustet.", schnaubte ich nur amüsiert. Natürlich ging mir die Beziehung zwischen Irina und Vahagns Bruder weiterhin auf die Nerven, aber mit dem Denkzettel an die Schwarzhaarige hatte ich zumindest etwas Genugtuung gefunden. Abgesehen davon war Moskau herrlich gewesen. Ich hatte den Rausch aus Adrenalin und Endorphinen mehr als ein bisschen genossen. Das war wie in den guten, alten Zeiten gewesen. Die Verletzungen, die das Spektakel mit den Sorokins mit sich gebracht hatte, waren natürlich ein Stück weit nervig, ließen sich aber gut mit Alkohol oder Schmerzmitteln betäuben. Oder mit herrlich weißem Schnee natürlich. "Bis du mit den Bullen heimgekommen bist hätte meine Laune eigentlich nicht besser sein können. Ist einzig und allein deine Schuld.", teilte ich Cosma mit, dass sie sich meinen aktuellen Gemütszustand schlichtweg selbst zuzuschreiben hatte, ehe ich sie schwungvoll vor mir in den Raum mit der Klimaanlage stieß. Zwar war auch der Raum mit der Luftfilteranlage klimatisiert, aber es war hier trotzdem spürbar wärmer und auch stickiger, als in den übrigen Kellerräumen. Das rührte ganz einfach von der Wärme, die das Gerät an sich zwangsweise während des Betriebs abgab. Abgesehen von der Anlage war der Raum ziemlich leer und ich hoffte doch insgeheim, dass die nicht ganz angenehme Luft hier drin die Sache nur zusätzlich unangenehm für das kleine Miststück machen würde. "Setz dich hin.", forderte ich die junge Frau murrend und absolut unmissverständlich dazu auf ihren Arsch auf dem harten Betonboden zu parken. Schließlich mussten ihre Knöchel auch noch Bekanntschaft mit den Kabelbindern machen, sonst machte die Lektion ja nur halb so viel Spaß. Alles, was ihr den Aufenthalt hier unten so unangenehm wie möglich machte, war mir gerade herzlichst willkommen.
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Das machte doch von vorne bis hinten überhaupt keinen Sinn. Es war in Russland also nichts weiter passiert? Er hatte dort lediglich seinen Spaß daran gehabt, mal wieder mehrere Leute dem Erdboden gleichzumachen und kam dann rein zufällig vollkommen ausgewechselt nach Kuba zurück? So wirklich glauben konnte ich ihm das ehrlich gesagt nicht. Für einen kurzen Moment hätte ich dem jungen Mann beinahe eine Art posttraumatischer Belastungsstörung unterstellt, aber ich erinnerte mich schnell daran, dass es Hunter war, von dem wir hier gerade redeten. Er war vielleicht der Grund, dass andere Menschen eine solche Störung entwickelten, würde selbst aber wohl kaum darunter leiden. Ich war im Endeffekt also genauso schlau wie vorher auch, als er mich schließlich wieder neben sich her aus der Waffenkammer zog, um den nahegelegenen Klimageräteraum anzusteuern. Dort forderte er mich schließlich dazu auf, auf dem Boden Platz zu nehmen und einen Moment lang sah ich den Choleriker nur nachdenklich an, ehe ich seiner Aufforderung tatsächlich nachging. Es war mehr die Ratlosigkeit, die mich dazu bewegte, ihm gehörig zu sein, als dass ich jetzt wirklich Angst vor weiteren Handgreiflichkeiten des Amerikaners hatte. Ich konnte mir nur einfach nicht erklären, was los war und schien ihm deshalb lieber erst einmal keine Gründe mehr geben zu wollen, sich noch länger mit mir hier unten aufzuhalten. Stattdessen sollte Hunter besser gehen, damit ich anfangen konnte, meine Gedanken wieder ein bisschen zu sortieren. In Ruhe zu überlegen, was plötzlich in ihn gefahren war und das konnte ich gewiss nicht, wenn er mich weiterhin drangsalierte. Ich ließ also auch das nächste Paar Kabelbinder bis auf das vorher ebenfalls schon zu hörende Zischen unkommentiert über mich ergehen und sah bloß mit einer Mischung aus Wut und Irritation zu ihm rauf. Dass er mir für seinen Sinneswandel die Schuld in die Schuhe schieben wollte, konnte ich genauso wenig glauben, wie dass in Russland nichts Ausschlaggebendes passiert war, was seine überzogene Reaktion auf meinen Fehltritt rechtfertigen könnte. Aber gut, scheinbar konnte man sich - wenig überraschend - mal wieder absolut nicht mit dem jungen Mann unterhalten und so sollte er meinetwegen einfach abhauen. Obwohl ich mich gefreut hatte, ihn wiederzusehen, wünschte ich ihn mir just in diesem Augenblick wieder zurück ans andere Ende der Welt. Verfluchte ihn, wie in guten alten Zeiten, als wir beide einander absolut nicht hatten ausstehen können. Aber im Gegensatz zu damals hielt ich dieses Mal ausnahmsweise meine Klappe. Man konnte fast schon sagen, dass ich einfach nur sprachlos war. Nicht genau wusste, was ich dazu jetzt eigentlich sagen sollte, weil die Situation einfach mehr als nur ein bisschen skurril war. "Mit dir stimmt was nicht...", kam mir ein Gedanke in Form von Worten über die Lippen, der mir gerade so durch den Kopf gegeistert war. Dabei meinte ich nicht dieses sehr allgemein gehaltene, für Hunter absolut typische Etwas, das nicht stimmte, sondern... es war anders. Er war anders. Ich konnte nicht genau sagen, woran ich es letztlich festmachte, aber ich konnte einfach spüren, dass da etwas im Argen lag. Er vielleicht nicht Herr seiner Sinne war. Ob es jetzt nun mit einem eventuellen Drogenkonsum oder einem traumatischen Erlebnis zusammenhing - keine Ahnung, aber ich weigerte mich definitiv, zu akzeptieren, dass der Amerikaner ganz plötzlich all die großen Fortschritte, die wir gemeinsam in der Beziehung gemacht hatten, einfach wegwerfen wollte. Darauf würde es nämlich zwangsläufig hinausführen, wenn Hunter mir die Kabelbinder nicht bald wieder abnahm. Denn ich konnte mit so einigem schrägen Zeug umgehen, aber mich von meinem Freund verprügeln und wegsperren zu lassen... damit ganz bestimmt nicht. Ein fremdbestimmtes Leben zu führen stand mir nicht im Sinn und sollte er die Scheiße hier durchziehen. Mich hier in dem stickigen kleinen Raum länger festhalten und mir bot sich irgendwann eine Möglichkeit zur Flucht, konnte er sicher sein, dass ich ihn gnadenlos mit seinen kranken Gedanken alleine lassen würde. Da interessierte es mich relativ wenig, ob mein Gesicht mit dem seinen in irgendwelchen Datenbanken zusammen auf dem Monitor der Behörden auftauchte. Er wusste genauso viel Scheiße über mich, wie ich über ihn. Sollte er also auf schräge Gedanken kommen und mich im Nachhinein noch an die Justiz verkaufen wollen, um mich - wie von ihm gerade noch einmal extra betont -, dann im Knast abstechen zu lassen, konnte er sich sicher sein, dass er genauso in einer Zelle dahin vegetieren und mit mir zusammen in der Hölle landen würde.
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Ich kam nicht umher amüsiert in mich hineinzulachen, als Cosma für mich hörbar feststellte, dass bei mir Irgendwas nicht stimmte. Als wäre das irgendwie was Neues oder als würde ihr das gerade zum allerersten Mal auffallen. Als wüsste sie nicht sogar, woher die zahlreichen Sprünge in meiner Schüssel kamen. Als wäre sie nicht tatsächlich eine der wenigen Personen, der ich mal wortwörtlich aus freien Stücken erzählt hatte, warum ich so geworden war, wie ich eben jetzt war. Natürlich gab es auch andere Leute, die darüber etwas detaillierter Bescheid wussten - Ashton und Desmond zum Beispiel, weil sie meine mit Abstand engsten Vertrauten waren. Sie damals die vereinigten Staaten gemeinsam mit mir verlassen hatten, um anderweitig im kriminellen Metier Fuß zu fassen. Aber mit Cosma war das Ganze irgendwie anders gewesen und just in diesem Moment bereute ich es wahnsinnig, ihr das damals erzählt zu haben. Verstand gerade auch nicht, warum ich das überhaupt getan hatte. Verstand nicht, wie ich es sogar für eine gute Idee gehalten hatte, sie bei mir wohnen zu lassen, wo ich sie doch ohnehin nicht leiden konnte. Sah dafür keinen einzigen logischen Grund, außer der Tatsache, dass sie nackt gut aussah, was ich noch bestens aus der Zeit wusste, als sie nach unserer Geiselnahme bei mir rumgehangen hatte. Aber eigentlich reichte das nicht, weil es mehr als genug andere, weniger widerspenstige, schöne Frauen gab, die mir freiwillig auf den Schoß hüpften. Ich musste wohl schlicht und ergreifend vorübergehend mehr den Verstand verloren haben, als mir selbst lieb war. Gut also, dass ich jetzt vermeintlich wieder voll bei Sinnen war und meinen Spaß daran haben würde, sie für ihre naiven Taten büßen zu lassen. Der Kabelbinder war schnell an ihren Knöcheln befestigt und ich blieb aber noch einen Moment in der Hocke sitzen, während mir das alte, silberne Dogtag an der Kette um meinen Hals vor dem Oberkörper herumbaumelte. Ich hatte das Teil länger nicht getragen, obwohl es eigentlich sowas wie mein Glücksbringer aus guter, alter Zeit als Teenager war, wo ich mich noch vollkommen grün hinter den Ohren in gefährlichen Kreisen bewegt hatte. Ich musterte die junge Frau einen Moment lang, während ich nachdenklich die Worte "Das fällt dir ja wahnsinnig früh auf." vor mich hin murmelte. Irgendwas fehlte noch. Sie saß da so wahnsinnig schön gefesselt, war vollkommen ausgeliefert, aber das Bild war einfach noch nicht komplett. "Ah, jetzt hab ich's.", kam mir dann nach ein paar Sekunden der zündende Gedanke dazu. Ich griff ohne zu zögern nach dem Stoff ihres Oberteils, um es von oben nach unten mit zwei, drei ruckartigen Armbewegungen zu zerreißen. Danach trat ich mit dem nicht ganz geraden, abgerissenen Stück Stoff hinter Cosma. Drehte den Stoff noch ein und verpasste ihr dann unsanft auch noch den Knebel. Als ich mir sicher damit war, dass er fest genug saß, damit sie mich auch ja nicht mit irgendwelchem Geschrei in den Wahnsinn treiben konnte, griff ich mit der rechten Hand nach ihrem Kinn. Zwang sie mit festem Griff dazu den Kopf zu mir umzudrehen, so weit es dem menschlichen Körper eben möglich war. "Wir wollen ja nicht, dass du die Nachbarn aufweckst, hm?", grinste ich ihr noch ein paar selbstgefällige Worte zu, bevor ich ihr Kinn mit einem schwungvollen Ruck zurück nach vorne warf. Daraufhin richtete ich mich zurück zu voller Körpergröße auf und betrachtete sie noch einmal eingehend, als ich langsam an ihr vorbeiging. "Ach, wenn ich jetzt sowieso wieder so angenehm hellwach bin..." Ironie. "...dann kann ich eigentlich gleich mal Richard einen Besuch abstatten. Mal nachsehen, wie rein der Stoff wirklich ist, den ich mitgebracht habe... ich hätte dir ja gerne 'ne Nase angeboten, aber wenn man mit Drogen nicht umgehen kann, dann sollte man wohl einfach keine nehmen.", flötete ich förmlich beschwingt vor mich hin, sah dabei noch über meine Schulter hinweg zurück zu Cosma. Ich war zweifelsfrei nach wie vor stinksauer auf die Rothaarige, aber es erhellte meine Laune gleich wieder, zu wissen, dass sie sich mindestens für einige Stunden den Arsch wund sitzen würde. Je nachdem, für wie lange ich letzten Endes eben angebracht hielt. Und natürlich würde es auch unterhaltsam werden, dass ich unserem gemeinsamen Freund mit der hübschen Narbe im Gesicht gleich noch einen kleinen Überraschungsbesuch abstatten würde. Ich konnte sein entsetztes Gesicht quasi schon vor mir sehen, wenn ich dann plötzlich vor der Haustür stand, nachdem er mich monatelang nicht zu Gesicht bekommen hatte. Unser kleiner Samuele konnte mich im gleichen Zug ruhig auch mal wieder sehen, um daran erinnert zu werden, wen er besser nicht verarschen sollte. Angesichts der Tatsache, dass er neben dem Crystal dann auch bald das Koks mit über die Landesgrenze verschiffen sollte, konnte das ganz bestimmt nicht schaden. Ich drehte mich im Türrahmen mit der Klinke der Tür in der Hand noch einmal zu dem rothaarigen kleinen Teufel um, sah sie einen Moment lang an. "Schöne Träume.", wünschte ich ihr mit einem gehässigen Zwinkern noch eine gute Nacht, ehe ich sie gleich hinter abgeschlossener Tür zurücklassen würde. Als könnte sie auch nur theoretisch gut schlafen.
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Oh ja, das mit Abstand Wichtigste hatte Hunter natürlich vergessen: den Knebel. Damit ich auch ja nicht um Hilfe rufen oder - so formulierte es der Amerikaner mit seinen Worten - die lieben Nachbarn nicht wecken konnte. An und für sich hatte die Aussage natürlich einen wahren Kern. Hätte ich geschrien, wären davon sicher so einige Nachbarn wach geworden. Blöd war nur, dass hier in unmittelbarer Nähe zu der Villa kein Arsch wohnte und weil ich das selbstredend wusste so als Mitbewohnerin des Amerikaners, hätte ich mir die Luft schon von Anfang an gespart. Ab und an wäre ich ihm zwar sicher mit Absicht auf die Nerven gegangen, wenn ich denn dann wieder einen klaren Gedanken gefasst hatte, aber gut. In weiser Voraussicht musste leider eines meiner Lieblingsshirts dran glauben und ich konnte bereits binnen Sekunden, nachdem Hunter mir den Knebel verpasst hatte, spüren, wie dermaßen trocken mein Mund und meine Zunge von dem Teil werden würden. Ich funkelte den jungen Mann deshalb wütend aus sichtlich verständnislosen Augen an an, als er mich am Kinn packte und dazu zwang, ihn anzusehen. Am liebsten hätte ich ihm für seine selbstgefällige Art und den Bullshit, den er da von sich gab, gerne ins Gesicht gespuckt, aber bedauerlicherweise war auch das durch den Knebel leider nicht mehr möglich. Ich lauschte daher lediglich den weiteren Worten des jungen Mannes und schnaubte einmal leise, als er auf irgendwelche Drogen zu sprechen kam, die Richard offensichtlich für ihn analysieren sollte. Es war wirklich ironisch, dass ausgerechnet Hunter so große Töne spuckte, wenn es um die Selbstbeherrschung unter Drogeneinfluss ging. Ich erinnerte mich noch gut daran, dass auch er schon ein paar Mal einige fragwürdige Dinge getan hatte, die sicher nur deshalb ungesühnt geblieben waren, weil er es sich in Norwegen ganz einfach hatte erlauben können. Hier auf Kuba musste auch er aufpassen, wen er im Rausch abknallte oder wessen Auto er einfach mal so demolierte, weil er gerade Lust darauf hatte. Ich sah dem Amerikaner noch einen Augenblick lang nach, als er mein Kinn mit einem unsanften Ruck wieder freigegeben hatte, nur um dann fassungslos mit dem Kopf zu schütteln. Zu viel mehr war ich in der aktuellen Situation leider nicht im Stande und konnte deshalb nur noch dabei zusehen, wie Hunter kurze Zeit später die Tür hinter sich zuzog und mich in dem stickigen Raum mit unangenehm lauter Geräuschkulisse zurückließ. Außerdem war es hier drinnen stockdunkel, ich sah meine Hand vor Augen nicht, als ich versuchte, mir zumindest ein wenig Platz rund um die Handgelenke und Knöchel zu verschaffen, indem ich sie vorsichtig etwas bewegte. Blöderweise lagen die Kabelbinder derart eng an, dass es genau gar nichts brachte, außer dass ich vor Schmerzen leise auf Französisch vor mich hin fluchte. Mehr als ein undeutliches Murmeln war bedingt durch den Stoff in meinem Mund aber leider nicht zu hören, also versiegte auch das nur Sekunden später wieder. Resigniert stieß ich die Luft aus der Nase aus und rutschte dann vorsichtig auf meinem Allerwertesten nach hinten. Stets bedacht darauf, nicht seitlich umzukippen - machen wir uns nichts vor, ich wäre definitiv nie wieder von alleine hochgekommen -, suchte ich den Rückhalt an der Wand, um meinen Kopf, der sich aktuell enorm schwer anfühlte, dagegen zu lehnen. Die Worte des Amerikaners noch einmal Revue passieren zu lassen und auch wenn ich Richard nun schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen hatte und eigentlich so überhaupt nicht wusste, wie es ihm eigentlich ging und ob er überhaupt noch am Leben war, machte ich mir schon ein bisschen Sorgen, dass der aufgebrachte Choleriker sich auf dem Weg zu ihm befinden würde. Schließlich hatte ich nur beiläufig mitbekommen, dass Sabin ihn aus einen kalten Entzug gesetzt hatte, aber wie es aktuell um ihn stand wusste ich leider nicht.
Zu sagen, dass der Tag nach der Nacht in der Bar ziemlich seltsam gewesen war, musste ich sicherlich nicht extra erwähnen, oder? Glücklicherweise - oder vielleicht eher bedauerlicherweise? - konnte sich Samuele noch ganz gut daran erinnern, was vorgefallen war und worauf wir uns bei einem Tanz unter dem Sternenhimmel auf dem Dach der Lagerhalle geeinigt hatten. Seitdem... war es irgendwie gleich doppelt komisch, mit dem Italiener unter einem Dach zu wohnen. Nicht, dass wir uns an der Stelle falsch verstanden - ich mochte Sam und versuchte wirklich, mich mehr auf ihn einzulassen. Nicht immer zusammenzuzucken, wenn er mich beiläufig berührte, während ich in der Küche Essen machte oder im Flur die Wäsche zusammenlegte, aber es war eben nun mal nicht gerade einfach für mich, den Schock einfach so herunterzuschlucken und positiv in die Zukunft zu schauen. Ich war quasi prädestiniert dazu, immer nur Schwarz zu sehen und das hatte sich seit der Sache mit Agnolo nur noch mehr verschlimmert. Besserung war zwar in Sicht, weil Sammys positives Wesen auf kurz oder lang unglaublich ansteckend und mitreißend war, aber es gab eben auch Tage, da wollte ich ohne ersichtlichen Grund gerne meinen Kopf in den Sand stecken. Mich vor meinen Mitmenschen verstecken und einfach nur meine Ruhe haben. Wenn der quirlige Italiener dann um mich herum tänzelte, war das irgendwie komisch und es brauchte mich eine Weile, bis ich nach der Achterbahnfahrt der Gefühle auf dem Dach der verlassenen Lagerhalle tatsächlich bereit dazu war, mich an meinen Teil der Abmachung zu halten - mich auf Sam einlassen. Zu versuchen zu akzeptieren, dass er mir nur helfen und überhaupt nichts Böses antun wollte. Als ich das nach ein paar Tagen Testlauf dann endlich geschnallt hatte, fiel es mir zumindest etwas leichter, die körperliche Nähe zu dem jungen Mann als angenehm zu empfinden und der Drang zur Flucht versiegte von Tag zu Tag und wich dem Bedürfnis, Sam nah sein zu wollen. Ich akzeptierte ihn nicht mehr nur, sondern sehnte mich aktiv nach ein paar Küssen oder Kuscheleinheiten. Und zwar so sehr, dass es ab dem Punkt keine zwei Tage mehr brauchte, bis ich mich des Nachts zu ihm ins Bett geschlichen hatte, weil es auf der Couch zum einen einfach unbequemer und ich zum anderen dort allein gewesen war. Es gab zwar auch Tage, an denen zog ich mich freiwillig ins Wohnzimmer zurück, aber das war inzwischen nicht mehr der Regelfall. Nur ab und an, wenn ich einen kleinen psychischen Rückschlag erlitt, scheute ich mich vor jeglichem körperlichen Kontakt und bestand auf meinen eigenen Schlafplatz inklusive Privatsphäre in Form der zugezogenen Wohnzimmertür. Heute - die Nacht in der Bar war inzwischen weiß Gott wie lange her -, ging es mir vom Kopf her nicht besonders gut, weil das Gespräch mit Sabin am Nachmittag mich einige Nerven gekostet hatte. Je mehr ich wieder zurück in die Spur fand, desto größer waren auch die Ansprüche des älteren Italieners an mich und es setzte mich gewissermaßen schon etwas unter Druck, dass der Einsatz in der Drogenküche nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Ich inzwischen wieder fit genug zu sein schien, mich dem Kochen von Drogen anzunehmen, ohne, dass in meiner symbolischen Mittagspause das ein oder andere Päckchen von der Ware einfach verschwand. Die gemeinsame, nervenaufreibende Nacht, als Sammy sich zum Drogenkonsum hatte hinreißen lassen, hatte mich zwar sicherer in der persönlichen Annahme werden lassen, dass ich durchaus schon wieder bereit dazu war, mit Rauschgift konfrontiert zu werden, aber auch in diesem Punkt waren es die leisen Zweifel des Unterbewusstseins, die mich zunehmend unruhig werden ließen. Aus genau diesem Grund hatte ich erst darauf bestanden, am Abend alleine auf dem Sofa zurückgelassen zu werden, aber weil ich nach zwei Stunden erfolgloser Versuche einzuschlafen immer noch wach lag, schlurfte ich müden Schrittes rüber ins Schlafzimmer von Samuele. Der junge Mann schnarchte schon leise vor sich hin, als ich mich vorsichtig auf der Bettkante niederließ, um mich kurze Zeit später zu ihm unter die Bettdecke zu schieben. Dabei war ich stets bedacht darauf, nicht unnötig viel Krach zu machen, damit ich ihn auch ja nicht weckte. Nur weil ich nicht in den Schlaf fand, musste ich Sammy ja nicht gleich seinen rauben. Aber auch neben meinem Ruhepol der letzten Tage war es schwer, die Augen zu schließen und sie letztlich auch geschlossen zu halten. Es zog etwa eine weitere Stunde ins Land und ich befand mich gerade so auf dem Sprung vom Dösezustand in den Tiefschlaf, als es plötzlich an der Tür klingelte. Mein Puls beschleunigte sich bereits, noch bevor ich die Augen wieder aufgerissen hatte und binnen Sekunden saß ich aufrecht im Bett. Verfluchte mich schnell dafür, weil ich Samuele durch die Bewegung ganz bestimmt geweckt hatte, wenn es der schrille Ton nicht bereits getan hatte. Mein Blick galt kurz dem vor sich hin murrenden Italiener neben mir, ehe sich mein Kreislauf nach der abrupten Bewegung langsam wieder stabilisiert hatte und ich mich aus dem Bett erhob. Meine Beine trugen mich zögerlich in Richtung Flur, wobei ich fortwährend darauf achtete, nicht allzu viel Lärm zu machen. Derjenige, der vor der Tür stand, sollte nicht sofort bemerken, dass Jemand im Inneren der Wohnung anwesend und wach war, weil ich gerne erst durch den Türspion schauen wollte. Ich konnte mir nämlich nicht erklären, wen es um diese Uhrzeit - es war ganz genau mitten in der Nacht -, noch vor Sammys Haustür verschlug und als ich auf leisen Sohlen an der Tür angekommen war, wollte ich es eigentlich auch gar nicht mehr wissen. Ich stand aber bereits nahe der Tür und meine Neugier überwog die Vernunft in dem Punkt dann doch ganz knapp, sodass ich wenig später durch den Türspion in den Hausflur sah. Der Anblick des tätowierten Freundes meiner - ehemals? - besten Freundin ließ mir mein Herz förmlich in die Hose rutschen und ich stolperte ganz automatisch unbedacht einen Schritt zurück. Weg von der Tür und hoffte indessen, dass Hunter mich nicht gehört hatte. Was machte er denn hier? Woher wusste er überhaupt, wo Sam wohnte? Okay, gut, das war eine blöde Frage, die Antwort lag auf der Hand, aber... was wollte er hier? Und warum konnte es nicht bis morgen früh warten, wenn Sabin auch hier war? Ich ahnte schon nichts Gutes, als ich ein stilles Gebet gen Himmel sandte, mit dem ich den aktuell amtierenden Gott darum bat, dass Hunter mich nicht gehört hatte und daraufhin einfach unvollendeter Dinge von Dannen zog.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Vor mich hin pfeifend ging ich zurück nach oben, nachdem die Tür abgeschlossen war. Zuerst verschlug es mich wieder auf die Terrasse, weil meine Waffe und mein Handy dort noch auf dem Tisch herumlagen. Von da aus trugen mich meine Füße dann nach oben ins Schlafzimmer, weil ich es doch bevorzugte wie gewohnt in Schwarz vor die Haustür zu gehen, wenn ich mich geschäftlichen Dingen widmete. In der Annahme, dass ich heute keinen Fuß mehr vor die Tür setzen würde, hatte ich meine Klamotten vorhin nach dem Pflichtanteil der Arbeit schon gewechselt. Aber gut, die Kleidung war ja schnell gewechselt und ich befestigte auch das Messer wieder an meinem Unterschenkel knapp oberhalb der Stiefel, die ich mir daraufhin unten im Flur anzog. Zwar hatte es auch nachts in Havannah nicht selten noch 20°, aber ich schmiss mir trotzdem eine dünne, schwarze Sweatjacke über das ebenso schwarze Tanktop. Es war grundsätzlich gut, wenn man von meinen Tattoos nicht viel sehen konnte. Auch, wenn es heute Nacht eigentlich keine Gründe für weitere Konflikte mit den Bullen geben sollte. Was das anging griff wieder die 'nicht mehr Risiko als nötig eingehen'-Regel. Ich zog noch meinen Geldbeutel von der Ablage an der Garderobe, griff mir meinen Schlüsselbund und dann trugen mich meine Füße auch schon weiter zur Garage. Ich genoss es jedes Mal aufs Neue, wenn ich mich in den weichen Ledersitz des alten Mustangs hinter den Fahrersitz sinken ließ. Obwohl die Sitze ebenso wie andere Dinge im Wagen erneuert worden waren, bevor er zu mir verschifft wurde, waren sie wahnsinnig bequem und mussten gar nicht erst eingesessen werden. Ebenso wohltuend war das Schnurren des Motors, als ich den Wagen anließ und schließlich ausparkte. Als ich das Tor der Auffahrt passiert hatte, hielt ich den weiter laufenden Wagen aber noch einmal am Straßenrand an, um es zu schließen. Ich würde darauf achten, dass es von jetzt an immer zu war, ganz unabhängig davon ob ich Zuhause war oder nicht. Schwor mir im gleichen Atemzug, eines installieren zu lassen, dass elektrisch funktionierte und mehr fernzuhalten fähig war, als das nicht allzu massive Metalltor, das eher nur nach Zierde aussah. Die Fahrt in die Stadt verlief genauso ruhig wie immer um diese Uhrzeit. Nachts waren die Straßen meistens sehr leer, innerhalb wie auch außerhalb der Stadtgrenzen. Ich konnte also ganz entspannt den Teer entlang schippern, während ich ein bisschen Musik hörte. Erst gegen Ende meiner Fahrt musste ich etwas genauer auf meine Umgebung achten, weil ich nicht gerade alle paar Tage bei Samuele und Richard vorbeischaute. Ich wusste, wo die Wohnung lag - hatte mich bestens darüber informiert, als unser kleiner Sammy zwangsweise mit ins Boot gekommen war -, hatte den Weg aber einfach nicht wirklich fest verinnerlicht. Dennoch fand ich die Straße sehr sicher, parkte den Wagen am Straßenrand und stieg ohne große Umschweife aus. Schloss das Auto ab und ging dann die wenigen letzten Meter auf dem Bürgersteig entlang bis zu dem kleinen Innenhof. Ich ließ meinen Blick dort einen Moment lang während der letzten Schritte schweifen, bevor ich klingelte. Eigentlich nur zum Test legte ich die Hand an die Klinke der Haustür, aber sie war tatsächlich offen. Sehr naiv, wie ich schnaubend feststellte. Aber mir machte es die Sache nur einfacher, also ging ich nach drinnen und in den ersten Stock. Nachdem ich Samuele als doch sehr gewissenhaften Menschen kennen gelernt hatte, ging ich mal nicht davon aus, dass er zu der Wohnung im Erdgeschoss gehörte, wo doch einiger unnötiger Krempel nahe der Haustür unordentlich herumstand. Kaum waren die paar Treppenstufen erklommen wurde auch ein kleines Schild neben der Wohnungstür sichtbar, das unmissverständlich klar machte, dass ich hier oben an der richtigen Adresse war. Allerdings erwartete mich noch Niemand an der Wohnungstür, was mich unweigerlich leise grummeln und den Gesichtsausdruck wieder verdunkeln ließ. Schließlich war aber doch etwas im Inneren der Wohnung zu hören und eigentlich ging ich davon aus, dass sich die Tür jeden Moment öffnen musste. Nur passierte das nicht, also klopfte ich mit der Faust noch einmal gegen die Tür. "Ich weiß, dass du da bist... also mach auf oder ich tret' die Tür ein.", murrte ich ungeduldig durch die Tür. Wer von den beiden nun direkt an der Tür stand wusste ich zwar nicht, aber das war im ersten Moment auch irrelevant. Es dauerte noch eine weitere, kleine Weile, bis die Tür sich dann endlich öffnete. Wider Erwarten blickte mir dann aber nicht nur ein Augenpaar entgegen, sondern gleich zwei. Samuele öffnete mir mit sichtlich beunruhigtem Blick die Tür, begrüßte mich im gleichen Atemzug und trat einen Schritt zur Seite, damit ich eintreten konnte. "Geht doch.", war alles, was ich patzig als Begrüßung von mir gab, als ich im Begriff war die Wohnung zu betreten. Sam bot mir - ganz der höfliche, zuvorkommende Café-Chef und Gastgeber - etwas zu trinken an, aber ich schüttelte nur den Kopf, ehe ich zu Richard sah. "Zieh dich an. Du hast lang genug nichts getan, Zeit zu arbeiten.", wies ich den Engländer unmissverständlich dazu an sich umzuziehen. Ich würde ihn zwar auch so mitnehmen, wenn er sich weigern wollte, aber ich hoffte jetzt erstmal auf seinen gesunden Verstand. Schließlich sah ich nicht so aus, als würde ich hier gerade Witze machen, während ich mich mit der Hüfte an die Kommode im Flur lehnte und die Arme vor der Brust verschränkte.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Zum Teufel mit Hunters geschärften Sinnen und meiner Unfähigkeit, mich auf leisen Sohlen wieder von der Tür zu entfernen. Natürlich war dem Amerikaner nicht entgangen, dass sich im Inneren der Wohnung etwas - nämlich ich mich - bewegt hatte und prompt folgte die weniger zivilisierte, für Hunter allerdings nicht untypische Form des Anklopfens. Gefolgt von einer Drohung, die bei dem jungen Mann durchaus ernst zunehmen war und weil ich kurzzeitig in eine Art Schockstarre verfallen war, hätte ich vermutlich wirklich darauf ankommen lassen, wäre da nicht Samuele gewesen. Der Italiener war von mir vollkommen unbemerkt ebenfalls in den Flur getreten und rettete seine Tür wohl in allerletzter Sekunde, indem er die Klinke nach unten drückte und dem Choleriker damit Einlass in seine Wohnung gewährte. Hunters Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hätte ich am liebsten zur Flucht angesetzt, wenn ich mir nicht vollkommen darüber im Klaren gewesen wäre, dass er mich mit seiner Waffe - die er definitiv am Mann führte - niederstrecken würde. Also stand ich lediglich wie angewurzelt und etwas verloren wirkend mit Boxershorts und Shirt bekleidet im Flur. Wartete darauf, dass das Unheil über mich hereinbrach, weil der Amerikaner wohl kaum mitten in der Nacht hier auf der Matte stand, um bei einem netten Gespräch einen Kaffee zu trinken. Es dauerte für Hunter einen außergewöhnlich langen Moment bis er in Worte fasste, dass ich mich gefälligst anziehen und arbeiten sollte. Weil ich nun wirklich nicht mit seinem Auftauchen und dann mit dieser Art von Aufforderung gerechnet hatte, sah ich den Lebensgefährten meiner besten Freundin kurzzeitig etwas irritiert an. Dann wanderte mein Blick zu Sammy, der einen recht verschlafenen, aber nicht minder verwirrten Eindruck machte und schließlich wieder zurück zu Hunter. Sabin hatte überhaupt nichts in dieser Richtung bei unserem letzten Treffen erwähnt, eigentlich wollten wir einen gemeinsamen Probelauf wagen, aber definitiv nicht heute Nacht. Und schon gar nicht im Beisein dieses Unruhestifters, dessen Anwesenheit mir nach der Sache mit Agnolo und den jüngsten Ereignissen zwischen uns persönlich ein Stück unangenehmer war. Mich unruhig werden ließ, obwohl ich vor noch nicht allzu langer Zeit auch Hunter gegenüber stets eine große Klappe gehabt hatte. "Ich glaube, dass das ein Missverständnis ist. Sabin hat nichts dergleichen erwähnt.", wagte ich es fast schon vorsichtig, mich mit Sabin als vorgeschobenen Grund aus der Verantwortung zu winden, auch wenn das bei dem aufbrausenden Temperamentbündel kaum auf Gehör stoßen würde. Weder in diesem, noch im nächsten Leben, denn wenn er etwas wollte, war es ihm schlichtweg egal, was andere davon hielten. Trotzdem schien ich mein Glück zumindest versuchen zu wollen und rührte mich auf die Aufforderung deshalb keinen Zentimeter vom Fleck. Allerdings vermied ich zumindest die provozierende Körperhaltung, indem ich meine Arme nicht von der Brust verschränkte, sondern lediglich nachdenklich mit den Schultern zuckte. "Außerdem... muss ich mich erst einmal wieder belesen. Ich... weiß schon gar nicht mehr genau, wie das Alles geht.", ergänzte ich noch eine Erklärung, warum es mir außerdem nicht möglich war, jetzt arbeiten zu gehen. So ganz stimmte die Aussage zwar nicht, weil Chemie in meinen Augen so ähnlich war wie die Sache mit dem Fahrradfahren. Wenn man einmal den Dreh raus hatte, dann verlernte man das auch nicht mehr so schnell, aber es ging mir hier mehr um das Prinzip, Hunter nicht begleiten zu wollen, als um alles andere. Sicher müsste ich hier und da vielleicht wirklich noch einmal nachblättern, wenn es um irgendwelche speziellen Formeln ging, aber die Basics hätte ich sicher selbst dann noch drauf gehabt, wenn das Methamphetamin meinem Gehirn den letzten Rest gegeben hätte. Weil ich aber wusste, dass Widerworte bei dem Amerikaner nichts als Zorn auslösten, versuchte ich ihn mit den nachfolgenden Worten präventiv zu beschwichtigen. "Ich denke, bis morgen Mittag hab ich das Ganze wieder verinnerlicht. Dann können wir uns mit Sabin zusammen auf dem Gelände treffen.", schlug ich bemüht um einen gefassten Eindruck eine Alternative vor, die mir zumindest ein kleines bisschen Zeit einräumen würde, um mich wieder etwas mit der Materie zu befassen und mich vor allem auch mental darauf vorzubereiten. Wie ich bereits erwähnt hatte, war es für mich absolut kein Problem, große Töne zu spucken und mir dabei sicher zu sein, dass das schon alles gutgehen würde, aber letzten Endes nahmen meine Beine ja doch die Konsistenz von Wackelpudding an. In dem Fall wäre es also vollkommen egal gewesen, wann ich zum Arbeiten abbestellt werden würde - das mulmige Gefühl blieb kontinuierlich das Gleiche. Ob heute, morgen oder übermorgen... vollkommen egal. Es sprach grundsätzlich also nichts einmal mehr etwas dagegen, Hunter jetzt einfach zu begleiten, aber zum einen wollte ich einfach nicht mit ihm alleine gelassen werden und zum anderen überrollte mich plötzlich die Müdigkeit, auf die ich inzwischen mehrere Stunden gewartet hatte.
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Ach, ein Missverständnis also? Seit wann war denn Sabin derjenige, der auf dieser Insel die wichtigen Entscheidungen fällte? Brauchte ich mittlerweile irgendwie seine Erlaubnis und hatte es nur nicht mitgeschnitten? Wenn man mich fragte, dann wurde Richard hier gleich schon wieder eine Spur zu dreist. Allein schon die Tatsache, dass er offenbar der Meinung war, dass es überhaupt eine Möglichkeit für ihn gab sich hier weiter vor seinen Verpflichtungen zu drücken, war wirklich die Krönung. Er hatte seit Monaten nur dumm auf seinem Arsch rumgesessen, während Sabin sich im Labor gefühlt tot arbeitete. Nicht, als hätte ich mit dem Italiener Mitleid - schließlich hatte er sich den Schuldenberg bei mir ganz allein selbst zuzuschreiben -, aber fühlte er sich deswegen eigentlich nicht mal schlecht? Fühlte er sich so wohl damit den ganzen Tag nichts zu tun, dass ihm alles andere scheißegal war? Vollkommen irrelevant, was genau der Grund für seine Heulerei war - es würde jetzt ein Ende haben. Seine Ausreden konnte er sich in den Arsch schieben, weil es mich schlicht und ergreifend nicht interessierte. So lachte ich leise in mich hinein, senkte dabei den Kopf leicht nach vorne. Danach stieß ich mich jedoch von der Kommode ab, um mit langsamen, zielstrebigen Schritten auf den Engländer zuzugehen und dabei meine linke Hand in meine Hosentasche zu schieben. "Oh, hat er nicht? Könnte daran liegen, dass er nichts davon weiß und mir das auch scheißegal ist. Er ist doch sowieso da, weil er für zwei arbeiten muss, also scheiß dir nicht in die Hose.", tat ich diese Aussage des Dunkelhaarigen stumpf ab, zog dabei gleichzeitig das kleine Klappmesser aus meiner Hosentasche. Es war längst nicht mehr das Gleiche wie das, das er damals glühend heiß im Gesicht gehabt hatte. Es würde aber doch sehr sicher dafür ausreichen, ihm klar zu machen, dass er besser spurte, weil meine Geduld für heute schon ausreichend von dem rothaarigen Miststück beansprucht worden war. Ich stand direkt vor Richard, als ich das Messer dann neben meinem Körper mit einem kleinen Ruck aufklappte. Meine Augen lagen dabei ununterbrochen leicht funkelnd in seinen, reizte er mich doch vollkommen unnötig. Er lernte aber scheinbar auch einfach nicht daraus, obwohl er schon weit mehr als einmal Zeuge davon geworden war, dass man meine Forderungen besser nicht zu untergraben versuchte. "Dann beles' dich auf der Fahrt zum Labor, Professor.", knurrte ich zu ihm runter. War dabei nicht allzu laut, klang aber doch sehr eindringlich. Er hätte schließlich schon längst wieder auf den idealen Bildungsstand kommen können, wenn er sich auch nur eine Sekunde lang mal freiwillig damit befasst hätte, wieder ins Arbeitsleben einzusteigen. "Außerdem sollst du gar nichts kochen. Du sollst mir nur ein paar Stoffe analysieren, damit ich weiß, was genau ich nach Mexico verkaufe... ist sicher auch im Interesse von unserem Sammy hier.", schilderte ich Richard seine Aufgabe genauer und sah danach dann einen Moment lang zu Samuele, der mit einigem Sicherheitsabstand zu mir im vermeintlich schützenden Türrahmen zur Küche stand. Er schluckte sichtbar, woraufhin meine Augen wieder zurück zu denen des Engländers fanden. Zwar machte mir das unter Druck setzen des jungen Mannes doch bis zu einem gewissen Grad Spaß, aber dafür war ich nicht hergekommen. Deshalb hob ich jetzt für meine letzten Worte auch das Messer an. "Wenn du stattdessen lieber die zweite Gesichtshälfte auch noch verlieren und danach an ein mexikanisches Kartell verkauft werden willst, ist das gar kein Problem. Du hast die Wahl.", ließ ich ihm Pseudo-Entscheidungsfreiheit und meine Mundwinkel hoben sich zu einem diabolischen Grinsen an, als ich ihm ganz flüchtig mit dem Messer an den Kiefer seiner unversehrten, rechten Gesichtshälfte piekte. Nicht mit Druck, vielleicht blieb seine Haut sogar unverletzt. Aber darum ging es auch gerade gar nicht. Ich wollte lediglich, dass er verstand, dass er jetzt lieber seine Beine in die Hand nehmen und sich fertig machen sollte, wenn er nicht wollte, dass ich auch das Feuerzeug noch zückte, um die Klinge wieder heiß zu machen. Bevor er dann wirklich nach Mexico wanderte, damit ich zumindest noch irgendeinen Funken Profit aus ihm schlagen konnte, wo er mich doch schon viel zu viel Zeit gekostet hatte. Meine Geduld war am Ende und wenn er das jetzt immer noch nicht verstand, musste es statt bitterem Zucker eben wieder die Peitsche sein.
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Es war absolut naiv gewesen, zu glauben, dass Hunter sich durch meinen verzweifelten Versuch, ihn davon zu überzeugen, dass ich noch überhaupt nicht arbeitstauglich war, davon abbringen lassen würde, mich nicht doch noch mit ein paar freundlichen Worten zu überreden. Wenn ich ehrlich sein sollte, blieb der Amerikaner für seine Verhältnisse tatsächlich ziemlich freundlich, aber das lag einzig und alleine wohl auch nur daran, dass er seinen Worten stattdessen mit einer Bedrohung in Form eines Messers den gewissen Nachdruck verlieh. Ich schluckte bereits, als sich der junge Mann von der Kommode abstieß und langsamen Schrittes auf mich zukam. Machte schon einen halben Schritt rückwärts, aber viel bringen tat der mir nicht unbedingt. Auf kurz oder lang wäre da sowieso nur noch die Wand in meinem Rücken gewesen und so blieb ich letztlich dann doch wieder stehen. Spannte mich lediglich nur noch mehr an, als Hunter das Klappmesser springen ließ, um mir eine letzte Chance zu geben, mich seinem Willen zu beugen. Dabei machte er mir unmissverständlich klar, dass ich besser nicht noch ein weiteres Mal versuchen sollte, ihn abzuwimmeln und stattdessen doch lieber in Hose und Schuhe sprang. Sabin schien von dem ganzen Aufriss hier also überhaupt nichts zu wissen - na, das erklärte so Einiges. So im Nachhinein betrachtet wunderte mich das aber ehrlich gesagt auch gar nicht, war Hunter doch nie wirklich der Typ Mensch dafür gewesen, mehr zu kommunizieren, als er das für nötig hielt. Trotzdem wäre es mir besser gegangen, wenn der Italiener zumindest gewusst hätte, dass sein Geschäftspartner vorhatte, mich einfach so ins kalte Wasser zu werfen. Grundsätzlich könnte man Hunter in dem Punkt nicht einmal etwas Böses unterstellen, denn vielleicht wollte er Sabin einfach nur ein wenig entlasten, indem er mir den finalen Arschtritt gab, aber zum einen glaubte ich nicht, dass Sabin das wirklich gewollt hätte, wo wir uns doch auch ohne Druck aktuell auf einem wirklich guten Weg in Richtung Zielgeraden befanden und zum anderen sprachen wir hier immer noch von Hunter. Einem Mann, der sich einen Scheißdreck um die Sorgen anderer kümmerte. Ich verstand ja immer noch nicht, was Cosma an diesem Typen eigentlich fand, aber wer war ich schon, darüber zu urteilen. Jedenfalls unterstrich besagter junger Mann seine Worte noch zusätzlich mit einer vielsagende Geste und meine Unterlippe bebte, als ich das kalte Metall der Klinge kurzzeitig am Kiefer der noch unversehrten Gesichtshälfte spürte. Es blieb jedoch bei dem einen unangenehmen Piekser und ich hoffte, Hunter durch ein gut sichtbares Nicken davon abhalten zu können, mir die andere Seite meines Gesichts auch noch zu verunstalten. Gut, okay, schön. Dann machte ich mich halt fertig und... kochte für ihn keine Drogen, sondern... analysierte sie nur? Er wollte noch nicht einmal, dass ich Sabin, der seinen Worten nach zu urteilen die Nacht durch im Labor Drogen kochte, unter die Arme griff, sondern nur eines seiner Konsumgüter genauer unter die Lupe nahm? Wieder sah ich ihn sichtlich irritiert an. So richtig beruhigen konnte mich das zwar noch nicht, weil der Kontakt zu Drogen nun mal der Kontakt zu Drogen blieb, egal ob ich sie mir ansah, kochte oder konsumierte, aber die Chancen standen dann doch recht gut, dass ich danach gleich wieder nach Hause konnte, oder? Nur schnell gucken, analysieren und dann wieder heim. Klang doch eigentlich gar nicht so schlimm, weshalb ich letzten Endes beschwichtigend beide Hände auf Höhe meines Kopfes anhob. Natürlich langsam und bedacht darauf, dem Amerikaner nicht doch noch irgendeinen belanglosen Grund zu liefern, mir das Messer durch das Gesicht zu ziehen oder in den Körper zu stecken. "Schon gut, okay. Ich... komm ja mit.", gab ich vollkommen unnötig klein bei. Eine andere Wahl hätte ich schließlich so oder so nicht gehabt, weil mir inzwischen doch langsam wieder etwas mehr an meinem Leben lag, als noch vor ein paar Wochen. Dabei sah ich mit einem resignierten Seitenblick in Samueles Richtung, als der Tätowierte noch einmal daran erinnerte, dass er nicht weniger in dieser ganzen Scheiße mit drin steckte, wie Sabin, Sydney, Cosma und der Rest des selbsternannten Suicide Squads. Und in jenem Augenblick tat er mir schrecklich leid. Sammy hatte meines Erachtens nach ein viel zu großes Herz, für das er es wirklich nicht verdient hatte, dermaßen durch den Dreck gezogen zu werden, aber etwas daran ändern konnte ich vermutlich weder in diesem Augenblick, noch in naher Zukunft. Also wanderte mein Blick bald schon wieder zurück zu Hunter, der mir definitiv viel zu nahe war. Ich nutzte die Gunst der Stunde - nämlich meine Einwilligung, dass ich ihn begleiten würde -, um einen weiteren Schritt nach hinten zu machen und mich seitlich, nach wie vor nur mit langsamen Schritten, an ihm vorbei zu schieben. Die Kommode anzusteuern, um mir aus dieser ein Paar Socken und eine Shorts zu angeln, in die ich binnen Sekunden hineinschlüpfte. Fehlten nur noch die Schuhe unweit der Haustür und es konnte losgehen. Gutes Aussehen spielte in dem Fall eher keine Rolle, weshalb ich auf den Gang ins Bad verzichtete. Zwar wäre ich gerne vorher noch mal auf Toilette gegangen, bevor ich mir im Laufe des Abends vor Angst doch noch in die Hose machte, aber dafür war angesichts Hunters unangenehmer Laune sicher keine Zeit mehr. Ich angelte mir lediglich noch das Handy und den Geldbeutel von der Anrichte, um beides in den Hosentaschen zu verstauen, bevor ich nach einer dünnen Strickjacke griff, um sie mir über die Schultern zu werfen. Kalt war es zwar nicht, aber ich fröstelte irgendwie trotzdem ganz schön. Für so viel plötzliche Müdigkeit war mir das definitiv viel zu viel Aktion hier.
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Es ging doch. Warum nicht gleich so? Richard hätte uns damit wirklich unnötig verlorene Zeit ersparen können. Zeit war für mich aktuell zwar kein so kostbares Gut wie beispielsweise für Sabin, weil ich momentan hauptsächlich nur die Fäden im Hintergrund zog, das nach Bedarf auch von Zuhause aus machen konnte und mich an aktiveren Aufgaben nur noch selten beteiligte, wenn mir eben gerade mal der Sinn danach stand, aber das hieß im Umkehrschluss eben nicht, dass ich meine Zeit deswegen gerne mit einer sinnlosen Diskussion verschwendete. Dass Richard sich nun doch mit erhobenen Händen ergab machte deutlich, dass wir uns diese Sache wirklich gleich hätten sparen können, aber gut. Immerhin verschwendete er direkt im Anschluss keine unnötige Zeit mehr damit hier dumm rumzustehen, sondern ging schnurstracks zu seinen Klamotten. In der Zwischenzeit fiel mein Blick noch einmal auf Samuele. Wanderte an ihm herunter, bis mir schließlich der schwarze Kater ins Auge fiel, der sich so halb hinter Sams Beinen versteckte. Ich verstand nicht wirklich, was man an so einem unnützen Tier wie einer Katze finden konnte, weshalb sich meine Augenbrauen verständnislos nach oben zogen. Als ich dem jungen Italiener wieder ins Gesicht sah, fing ich kurzzeitig an das Messer zwischen meinen Fingern zu drehen. "Die Lieferung in zwei Tagen hast du auf dem Schirm..?", stellte ich ihm eine indirekte Frage. Er nickte ziemlich schnell. Viel zu hastig, um ruhig und gefasst zu wirken. "Ja, natürlich. Ich treffe mich morgen auch nochmal mit Sabin deswegen.", versicherte er mir leicht stammelnd, dass ich keine Nachlässigkeit zu befürchten hatte. Irgendwie passten die zwei Waschlappen hier ja schon zusammen. Zwar hatte Richard ab und an eine eindeutig zu große Klappe, aber im Grunde gaben sie sich nicht viel. Gefühlt einer nutzloser als der andere, wenn man ihnen nicht regelmäßig in den Arsch trat. Wobei selbst da Samuele die Nase vorne hatte. Ich nickte jedenfalls nur noch knapp und klappte das Messer zu, ließ es im direkten Anschluss zurück in meine Hosentasche wandern. Es hatte seinen Dienst für heute vermutlich erledigt, wenn der Engländer nicht auf weitere dumme Ideen kam. Besagter junger Mann schien jetzt auch bereit zur Abreise zu sein, weshalb ich mich erneut der Wohnungstür zuwandte. Ich sah im Augenwinkel, dass Sam seinen vorübergehenden Mitbewohner noch mit einem besorgten Blick bedachte, dachte mir jetzt im ersten Moment aber nichts weiter dabei und verschwand vorausgehend durch die Tür zurück in den Hausflur. Ich schlug ein energisches, nicht langsames Tempo auf dem Weg zum Wagen ein. Ging schon die Treppe mit zügigen Schritten nach unten und auch vom Innenhof bis auf die Straße sah ich immer wieder zur Kontrolle über meine Schulter hinweg, damit Richard mir da hinten auch ja nicht einschlief oder anderweitig Unfug veranstaltete. Ich hatte zwar Zeit, aber Geld grundsätzlich nie genug, obwohl ich theoretisch längst ausgesorgt hatte. Außerdem wollte ich diese einmalige Drogenfracht ganz einfach nicht länger als notwendig in meinem Lager und Besitz haben. Am Wagen angekommen schwang ich mich ebenso zügig hinters Steuer und machte den Motor schon an, noch bevor der Engländer die Beifahrertür zugemacht hatte. Kaum fiel jene in den Rahmen lenkte ich den Mustang auf die Straße und schlug den Weg zum Labor ein. Ich war selber nicht wirklich oft da, schaute eigentlich nur hin und wieder vorbei, um Sabin zu vermitteln, dass ich ihn nicht einfach so vergessen würde und er sich keine Pausen erlauben konnte. Auch, wenn ich eigentlich keine Zweifel daran hegte, dass der Italiener seiner Arbeit weiterhin so gewissenhaft nachkommen würde. Er war zu schlau, um mich ernsthaft in Frage zu stellen. "Der Schnee ist Koks, ich muss wissen wie rein das Zeug ist... und die Pillen könnten ungefähr alles sein, also find's raus.", setzte ich Richard schon bei der ersten Kreuzung, die wir im Begriff zu überqueren waren, darüber in Kenntnis, was er spezifischer für mich zu erledigen hatte. Das Problem mit den Tabletten war, dass sie absolut gar nicht gekennzeichnet waren. Sie hatten keinen eingesenkten Buchstaben oder sonst irgendwas, sondern unterschieden sich lediglich in der Farbe voneinander. Hätten genauso gut irgendwelche 0815-Tabletten sein können - bis auf die knallrote Variante vielleicht -, was angesichts der Tatsache, dass einer der Jungs schon in Moskau einen ziemlich miesen Trip auf eine der Sorten geschoben hatte, aber doch sehr unwahrscheinlich war. Zwar ließen sich die Nebenwirkungen und Auswirkungen relativ sicher auf LSD schieben, aber nachdem es an Drogen heutzutage weiß Gott was alles auf dem Markt gab und ständig Irgendwer der Meinung war, neue Varianten rausbringen zu müssen, wüsste ich doch sehr gerne genauer, um was es sich bei den drei unterschiedlichen Pillen handelte. Auch da waren wir wieder bei der Sache mit dem Risiko. Mir würde es beispielsweise nicht mal mehr im Traum einfallen, irgendwas zu schlucken, von dem ich nicht wusste, was es war. Dementsprechend sicher wollten sicher auch meine Kunden wissen, was sie da in die Finger bekamen und außerdem richtete sich auch der Preis danach. Richard machte seine Arbeit also lieber sorgfältig.
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Obwohl Hunter es relativ eilig gehabt zu haben schien, als er vor wenigen Augenblicken hier aufgeschlagen war, hatte er offensichtlich trotzdem noch genug Zeit, sich mit meinem Mitbewohner über irgendeine anstehende Lieferung zu unterhalten. Wirklich aktiv verfolgte ich das Gespräch der beiden allerdings nicht und schnappte nur beiläufig einzelne Wortfetzen auf, während ich nervös am Saum meiner Strickjacke herumnestelte und darauf wartete, dass der Amerikaner zum Ende kam, damit wir endlich los konnten. Es war meiner Vermutung nach nämlich vollkommen ausgeschlossen, dass Hunter irgendwann einfach abzischen und mich zurücklassen würde, wenn nur ausreichend viel Zeit ins Land gezogen war und da brachte ich das Ganze doch lieber einfach zügig hinter mich, um schnell wieder den Heimweg antreten zu können. Ich erwiderte den etwas besorgten Blick Samueles, als es letztlich so weit war, nur mit einem mühevoll geformten und etwas verkrampft wirkenden Lächeln. Ich würde das schon hinkriegen. Schließlich hatte ich mich bis bis jetzt doch ganz gut geschlagen, oder? Er musste sich keine Sorgen machen, Sabin war doch schließlich auch mit von der Partie und würde schon aufpassen, damit auch wirklich nichts schief ging. Für den Fall der Fälle war der Amerikaner sicherlich auch nicht weit und sollte er mitkriegen, dass ich aus der Reihe tanzte, konnte ich sowieso Abschied von meinem Leben nehmen. Also egal, was in dem Labor nun geschah, es gab entweder diesen einen, positiven Ausgang oder man würde mich ohnehin nur noch im Leichensack aus der Halle befördern. Andere Optionen sah ich da ehrlich gesagt nicht, wenn Hunter sich in unmittelbarer Nähe aufhielt. Sabin alleine war da doch deutlich umgänglicher. Menschlicher, aber auch er würde sicherlich ungemütlich werden, wenn ich es verbocken sollte. Fürs Erste versuchte ich mich jedoch an mein'Wird-schon-werden'-Mantra zu klammern und stiefelte deshalb kurze Zeit später mit leicht wackligen Beinen hinter dem Amerikaner die Treppenstufen nach unten. Dabei hatte ich Mühe, dem jungen Mann dicht auf den Fersen zu bleiben, weil er doch einen Zahn zulegte, sobald wir den Innenhof betreten hatten, aber er brauchte sich nicht darum sorgen, dass ich anderthalb Meter als ausreichenden Sicherheitsabstand klassifizierte, um bedenkenlos Reißaus nehmen zu können. Ich schob die Hände mit einem mulmigen Gefühl in die Jackentaschen und kam wenige Sekunden, nachdem Hunter bereits in sein Auto gestiegen war, ebenfalls an jenem an. Nur widerwillig, aber trotzdem ohne weiter zu murren, ließ ich mich in den ledernden Beifahrersitz rutschen und wäre am liebsten gänzlich in ihm versunken. Nur um auf der anderen Seite in einem besseren Leben zu landen. Natürlich passierte nichts dergleichen, woran mich Hunters Stimme schon sehr bald erinnern sollte, als er dazu ansetzte, mich darüber ins Bild zu setzen, was für die heutige Nacht meine Aufgabe war. Wenn man seiner Aussage Glauben schenken konnte, dann sollte die Arbeit zumindest hinsichtlich des Kokains ja schnell erledigt sein. Wenn er ausreichend Proben dabei hatte, würde ich einfach auf die gängigsten Extraktionsmittel testen und konnte anhand dessen den Reinheitsgrad schon relativ zweifelsfrei festmachen. Zumindest aber konnte ich bestimmen, ob das Zeug in einer Plastiktonne im Keller eines maroden Labors hergestellt wurde oder ob man sich zumindest Mühe gegeben hatte, den Reinheitsgehalt des Rauschgifts ansatzweise passabel zu halten. Was die Pillen anging könnte das Ganze schon etwas kniffeliger werden, weil ich nicht endlos viele Möglichkeiten hatte, auf die vermeintlichen Inhaltsstoffe zu testen. Deshalb würde ich sehr wahrscheinlich mit den gängigsten Szenedrogen anfangen, auch wenn ich mir gut vorstellen konnte, dass die Russen irgendeinen abgefahrenen Scheiß vertickten. Für mich und meinen Kopf hoffte ich es jetzt in vielerlei Hinsicht aber einfach mal nicht. "Okay.", murmelte ich als Zeichen der Kenntnisnahme leise als Antwort in Hunters Richtung, während ich bereits dabei war, in meinem Kopf den Inhalt etlicher Bücher abzufragen, welche die Herstellung von Drogen thematisierten. Damit war ich auch ziemlich lange beschäftigt. Ungefähr so lange, bis der Amerikaner die Karre auf einen geschotterten Parkplatz lenkte und der Knirschen des Kies unter den Reifen mich in die Gegenwart zurück katapultierte. Ich linste mit einem vorsichtigen Blick durch das Beifahrerfenster in Richtung des Ambientes, in dem Sabin aktuell ziemlich viel Zeit verbrachte, um den Schuldenberg bei dem Amerikaner Stück für Stück abbezahlen zu können. Seit meiner Ankunft hier auf Kuba hatte ich das Gebäude nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen und war entsprechend zurückhaltend beim Aussteigen und Voranschreiten. Ließ Hunter deshalb auch den Vortritt, weil ich nicht genau wusste, wo es denn nun eigentlich lang ging. Gedimmte Lichter, die recht unauffällig zumindest einen kleinen Teil vor dem Haus beleuchteten, ließen zwar bereits auf den Eingang schließen, aber was wusste ich schon, was sich hinten den einzelnen Türen nebst der Drogenküche noch alles verbarg. Also ließ ich den Amerikaner mit der Tür ins Haus fallen und folgte ihm auf leisen Sohlen, auch wenn das hier sicherlich keinen Arsch interessierte, wie laut oder leise wir hier einmarschierten. Es dauerte nicht lange, da sah ich auch schon Sabins Gesicht zwischen einigen Reagenzgläsern und Bunsenbrennern auftauchen. Mit einem verunsichert wirkenden Lächeln auf den Lippen begrüßte ich den Italiener, wandte mich kurz darauf aber auch schon meiner unangenehmen Begleitung zu. "Geb' mir einen Moment, ja?", bat ich Hunter murmelnd, mir zumindest fünf Minuten einzuräumen, dass ich mich wenigstens mit der Einrichtung kurz vertraut machen konnte. Sabin hatte hier zwar augenscheinlich alles genauso hergerichtet wie die Gerätschaften auch schon in Norwegen gestanden hatten, aber in erster Linie ging es mir vor allem darum, mich bei dem jungen Mann, der das Ganze hier betreute, zu erkundigen, wo ich bestimmte Lösungsmittel finden konnte, die ich gleich brauchen würde. Den Smalltalk über das Zustandekommen meines Auftretens würde ich auf später verschieben, mich einfach erst mal mit der fokussierten Arbeit ablenken, bevor ich während des Plausch zu viel Zeit hatte, in Gedanken zu versinken. Ich würde doch nur wieder in Panik geraten und das war definitiv nicht das, was Hunter sehen wollte. Er wollte Ergebnisse und die sollte er auch kriegen. Als ich durch den kurzen Informationsaustausch - mal ehrlich, Sabin hatte zwischen all dem Blubbern und Brodeln kaum mehr als zwei Minuten Zeit, sich zu unterhalten - alles Notwendige in Erfahrung hatte bringen können, kehrte ich zu Hunter zurück, um meine Hand nach ihm auszustrecken. "Ich... brauch die Proben. Wir können anfangen.", erklärte ich die Gestik und wartete dann nur darauf, bis er mir diese ausgehändigt hatte, um anfangen zu können. Noch war alles in Ordnung. Noch ging es mir gut, ich war... abgelenkt. Blieb nur zu hoffen, dass das auch bis zum Ende so bleiben würde.
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Viel mehr als ein blankes Okay hatte ich auf meine knappe Ausführung seiner anstehenden Aufgaben auch nicht erwartet. Richard war kein Mensch, mit dem ich mich gerne mehr unterhielt, als für mich unabdingbar war, was sich in der Regel zur Gänze aufs Geschäft bezog. Wahrscheinlich war mir sogar Vahagn sympathischer und das auch schon bevor wir Irina als unsere gemeinsame Feindin befunden hatte. Das lag schlichtweg daran, dass die Russin im Gegensatz zu Irina oder eben auch dem Engländer hier noch nie auf die dumme Idee gekommen war, mich verarschen zu wollen und mir in den Rücken zu fallen. Zwar war ich nach wie vor nicht davon begeistert, dass sie unbedingt einen meiner besten Männer ficken musste, aber sei's drum, solange es damit zukünftig keine Konflikte mehr gab, was sich nach der Entzugszeit des Paars doch wohl hoffentlich in ihre Schädel eingebrannt hatte. Wenn man es sich bei mir jedoch einmal so richtig verscherzt hatte, dann war es das in der Regel auch gewesen. Man kam vielleicht mit Glück wieder auf einen etwas neutraleren Pfad, wenn man sich entsprechend bemühte, aber ein durchweg grüner Zweig war ziemlich ausgeschlossen. Einen kurzen Moment lang dachte ich wieder an Tauren. Fragte mich zum wahrscheinliche eine Millionsten Mal, warum ich was den norwegischen Jüngling betraf fast schon mit Engelsgeduld gesegnet war. Immerhin hatte ich meine Nachsichtigkeit mit ihm schon mehr als einmal bereut und genauso wie sonst auch kam ich nicht zu einer sinnvollen Antwort auf diese Frage, bis ich den Wagen schließlich vor dem unscheinbaren Gebäude anhielt, das nicht weniger als eine kleine Goldgrube war. Mit der Druckerei an einer anderen Ecke der Stadt verhielt es sich sehr ähnlich, nur war letztere um eine ganze Ecke größer. Fabrik-Größe eben, auch wenn ich den gesamten Platz eigentlich nicht brauchte. Lieber zu viel, als zu wenig Platz haben. Ich ging logischerweise vor Richard her in unsere private kleine Drogenküche - die eigentlich auch eher nur meine war, weil woher hätte Sabin das Geld nehmen sollen, auch wenn es quasi sein Geschäftszweig war? - und im ersten Moment sah der ältere Italiener so aus, als würden wir ihn mit unserer Anwesenheit zu Tode erschrecken. War wohl auch nicht so überraschend angesichts der Tatsache, dass er keinen Besuch erwartet hatte. Die Unruhe in seinem Blick legte sich aber in etwa genauso schnell, wie sie aufgekommen war und er widmete sich weiter seiner Arbeit. Der Engländer unterbrach unseren knappen Blickwechsel und zog meine Augen wieder auf sich, als er mich darum bat kurz zu warten. Weil es nur logisch war, dass er sich seinen Kram hier zusammensuchen und Vorbereitungen treffen musste, weil die sonst schließlich keiner für ihn machen würde, räumte ich ihm das auch mit einem kaum sichtbaren Nicken ein. Während der Dunkelhaarige sich dann aufmachte, um sich quasi einzurichten, ging ich zu einem der alten Werkstattschränke aus Metall an der Wand. Darin wiederum waren auf der linken Seite ein paar Schubkästen hinter den abschließbaren Türen und ich zog zwei Tüten raus, die ich schon vor einigen Stunden dort verstaut hatte. In einer war das Koks, in der anderen wiederum drei kleine Einzeltüten, die jeweils zwei Pillen der selben Sorte beinhalteten. Mehr als zwei Versuche durfte die Intelligenzbestie in unseren Reihen - die dafür aber auf zwischenmenschlicher Ebene etwas dumm war, wenn man mich fragte - also schlichtweg nicht brauchen. Sollte jeweils was übrig bleiben umso besser, wobei ich die Pillen dann wohl einfach einem der Jungs zustecken würde und das restliche Koks im Fall der Fälle mit nach Hause nehmen würde. Ich hatte zwar nicht vor abhängig zu werden, aber man wusste nie, wann man den kurzen Kick mal gut brauchen konnte. Spätestens bei der nächsten Feier fand ich bestimmt Verwendung dafür. Der Engländer kam auch kurz nachdem ich den Schrank geschlossen hatte schon wieder zu mir und ich drückte ihm die beiden Tüten in die Hand. Ich war schließlich der letzte, der ihn daran hindern würde die Sache anzugehen. "Wie lang brauchst du?", stellte ich ihm eine auf den ersten Blick simple Frage, die vielleicht aber gar nicht so leicht zu beantworten war. Nachdem Drogen nicht wirklich mein Gebiet waren, sondern sich der Vertrieb jener sich für mich eben nur hier und da mal ergab, hatte ich keinen Schimmer davon, was es für eine Zeitangabe alles zu berücksichtigen galt. Eine grober Richtwert würde mir in dem Fall reichen. Ich würde Richard mindestens die ersten Minuten über ohnehin bei dem beobachten, was er tat. Wenn es aber doch eine ganze Weile dauern würde den chemischen Mist in den Pillen zu analysieren, dann würde ich zwischendurch sicher ein paar Mal rausgehen oder hier und da ein Gespräch mit dem Italiener im Raum führen, wenn er Zeit dafür hatte. Zwar war er hier drin grundsätzlich immer schwer beschäftigt, aber es gab doch auch Phasen im Prozess, in denen er mal fünf Minuten durchatmen konnte. Andernfalls würde er diesen Scheiß hier wohl kaum so lange durchhalten. Wir hatten uns heute zwar schon mal über das Wichtigste unterhalten, aber es gab ganz bestimmt zusätzlichen Gesprächsstoff, wenn sich gleich herausstellte, dass Richard seiner Arbeit hier recht problemlos nachzugehen wusste. Das hieß dann nämlich, dass er liebend gern gleich morgen wieder damit anfangen konnte sich an der Produktion hier zu beteiligen, damit ich die Mexikaner zuverlässiger und vor allem häufiger beliefern konnte. Das Narbengesicht hatte Sabin damals zweifelsfrei gut angelernt, der Stoff war nicht ungefragt und der Italiener würde seine Schulden sicher gerne schnellstmöglich beseitigen, um auch mal wirklich was an seiner Arbeit hier zu verdienen. Zu zweit ging das alles eben schlichtweg besser und produktiver als allein, daran ließ sich nichts rütteln.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Hunter fackelte nicht lange und drückte mir die zwei Tüten, welche er zuvor aus dem Schrank hinter sich gezaubert hatte, kurzum in die Hand. Ich hielt seinem Blick noch einen Moment lang stand, dann aber wanderte er langsam nach unten auf die mir überreichten Drogen. Behutsam drückte ich das dem Schnee ähnelnde Rauschgift zwischen meinen Fingern zusammen und analysierte auch die Pillen mit einem akribischen Blick. Als könnte mir die nicht beschriftete Verpackung oder die Legierung der Tabletten bereits verraten, um welche Art von Drogen es sich handelte. Tat es natürlich nicht und so blieb ich letztlich mit den Augen bei der knallroten Pille hängen, woraufhin ich gedanklich abzuschweifen drohte. Es war dem Amerikaner zu verdanken, dass es gar nicht erst so weit kam, weil er meine Aufmerksamkeit binnen Sekunden wieder auf sich zog. Ich sah zu ihm auf und zuckte als erste Reaktion nur nachdenklich mit den Schultern, ehe ich dann etwa fünfzehn Sekunden später zu einer groben Prognose hinsichtlich der Dauer der Analyse ansetzte. "Schwer zu sagen. Minimum zwanzig Minuten würde ich sagen, aber ich schätze, dass es eher etwas länger dauern wird. Eine Stunde plus.", ließ ich ihn wissen, dass mich die Identifikation der Inhaltsstoffe mindestens mal zwanzig, eher noch dreißig oder vierzig Minuten brauchen würde. Zwar ließen sich bestimmte Bestandteile recht schnell durch einfache Proben nachweisen, aber gerade bei dem Kokain wollte Hunter ja primär wissen, wie sauber das Zeug jetzt eigentlich tatsächlich war. Da hielt ich eine Stunde für deutlich realistischer und um keine Zeit zu verschwenden, wandte ich mich noch während des letzten Satzes von dem Amerikaner ab, um meinen vorher hergerichteten Arbeitsplatz anzusteuern. Wenn was war, konnte er mich die paar Schritte schließlich geleiten und es war ja auch in seinem Sinn, dass wir die Sache schnell über die Bühne brachten, damit er wusste, woran er mit den Drogen war. Ich zögerte also nicht, mich zuerst dem Päckchen zu widmen, aus dem ich eine Probe entnahm und in ein Reagenzglas füllte. Auch ein Exemplar der verschiedenen Pillen wanderte jeweils in ein eigenes Behältnis und in einer dafür vorgesehenen Vorrichtung standen sie dann ganz von selbst, sodass ich beide Hände frei hatte, um mit den verschiedenen Lösungsmitteln zu hantieren. Ich präparierte dabei zuerst den Schnee, weil dieser mit am längsten brauchen würde, ehe ich mich den vermeintlich kniffligeren Pillen zuwandte. Zwei von den insgesamt drei verschiedenen Pillen waren schnell identifiziert. Einmal handelte es sich um das mit dem Methamphetaminen verwandte Speed, bei dessen Herstellung man eigentlich kaum etwas falsch machen konnte, während ich dem anderen Dragee die Inhaltsstoffe von Ecstasy nachweisen konnte. Etwa eine halbe Stunde war ins Land gezogen, als ich mich mit dem Befund schließlich an Hunter wandte. Ihm mitteilte, dass der Stoff bis jetzt ganz okay aussah. Passabel genug, es den Mexikanern anzudrehen jedenfalls, aber man konnte von Partydrogen dieser Art leider nicht allzu viel erwarten. Wie man an Sabin recht deutlich sah, bediente man damit nur eine kleine Nische zwischen all dem wirklich harten Zeug und dafür lohnte es sich ganz einfach nicht, aufwendige Verfahren mit den besten Zutaten zu betreiben. Er würde dennoch eine ganze Stange Geld dafür kassieren können und wegen der Qualität dürfte sich auch niemand beschweren. Meinen ersten Einschätzungen nach lag es ein Stück weit über der Durchschnittsqualität weltweit gesehen. Zumindest, wenn sich seit meinen letzten Recherchen diesbezüglich nichts mehr verändert hatte. Interessant wurde es dann allerdings circa eine Stunde später bei dem Koks und der mysteriösen roten Pille. Es hatte eine ganze Weile gedauert und von letzterem war sogar das Ersatz-Dragee zum Einsatz gekommen, um es zweifelsfrei identifizieren zu können. Inzwischen war ich mir nach einer Reihe Tests allerdings ziemlich sicher, dass sich in dem Reagenzglas eine wahre Rarität befand, die Hunter durchaus erfreuen dürfte. Fingen wir doch aber lieber erst bei dem weniger interessanteren, dafür aber lukrativeren Teil an. Ich legte meine Schutzbrille, die ich mir zwischenzeitlich zur Sicherheit auf die Nase gesetzt hatte, ab und distanzierte mich darauffolgend ein paar Schritte von dem Mikroskop, wo ich gerade das Pulver in natürlicher, unverdünnter Form unter die Lupe genommen hatte. Ich schüttete die keinesfalls verunreinigte Probe zurück in das mir von Hunter überreichte Tütchen zurück, ehe ich mit diesem in der Hand zu besagten Amerikaner aufschloss, der sich für einen kleinen Plausch zu Sabin gesellt hatte. Ich wartete noch kurz darauf, bis der Italiener seinen angefangenen Satz zu Ende gebracht hatte, um dann mit erfreulichen Nachrichten dazwischen zu grätschen. "Ich... bin fertig und habe - denke ich - ganz gute Neuigkeiten. Das Kokain weißt einen Reinheitswert von etwa 95% auf. Reiner geht es eigentlich kaum... die restlichen fünf Prozent bestehen aus Methanol und Benzoylchlorid, was zur Veresterung...", ich stockte, überlegte kurz und fuhr mit einer Erklärung der Begrifflichkeiten fort, nachdem ich mir vor Augen gehalten hatte, dass nicht jeder etwas mit den chemischen Fachausdrücken anfangen konnte. "Also zur Herstellung von Kokain benötigt wird. Das Zeug wurde also sicher nicht in irgendeiner Bruchbude hergestellt, wo es in einer dreckigen Badewanne tagelang vor sich hin geblubbert hat. Ich bin bei den Straßenverkaufswerten zwar überhaupt nicht mehr up to date, aber zu dem Zeitpunkt in Norwegen damals war es kontinental gesehen zwischen zwanzigtausend und fünfzundsiebzigtausend Euro pro Kilo wert. Dabei waren die Europäer deutlich geiziger als beispielsweise die Russen oder Kunden aus dem Balkan.", erklärte ich so vor mich hin, wobei ich weder Sabin, noch Hunter direkt ansah. Ich sprach mehr zu dem Tütchen in meiner Hand, während ich über den Wert philosophierte, weil es mir dabei deutlich leichter viel, all die gespeicherten Informationen aus meinem Oberstübchen abzurufen. Unter anderen noch einen recht interessanten Fakt. "Außerdem lässt es sich gut weiterverarbeiten wegen seiner Reinheit. Du kannst ziemlich viel draus machen. Durch Beigabe von Natriumhydrogencarbonat - also Backpulver - könntest du Crack herstellen. Aber man kann es auch verflüssigen oder zu einer Art Paste weiterverarbeiten, ohne dass es die Qualität groß beeinflussen würde." Ich schien wieder gänzlich in meinem Element zu sein, zeigte nicht wenig Begeisterung darüber, wie vielfältig man mit Chemie Kohle machen konnte. Genauso wie mit Kunst eben auch. Man musste in beiderlei Hinsicht nur unglaublich kreativ sein und wissen, was man tat. Damit hatte ich dann alle wichtigen Informationen hinsichtlich des weißen Pulvers zum Besten gegeben und drehte mich für die noch folgenden Worte etwas seitlich, um über meine Schulter hinweg auf die Reagenzgläser zu deuten, die vor wenigen Augenblicken noch über der Flamme eines Bunsenbrenners gehangen hatten. "Was die roten Pillen angeht... war es gar nicht so leicht, die Bestandteile herauszufiltern und richtig zuzuordnen, aber ich bin mir nahezu einhundert Prozent sicher, dass es sich um LSA handelt.", ließ ich die beiden Männer wissen, was ich herausgefunden hatte. Die fragenden Augenpaare animierten mich allerdings binnen weniger Sekunden, meine Erklärung weiter zu präzisieren. "LSA ist dem LSD gar nicht so unähnlich, wird im Volksmund aber eher Ergin genannt und ist im Gegensatz zu dem allgemein bekannten synthetischen Acid rein pflanzlich. Es ist quasi... wie soll ich das sagen...", ich fuchtelte nachdenklich mit der rechten Hand neben meinem Gesicht durch die Luft, um so symbolisch nach den richtigen Worten zu greifen. "Die Grundlage von LSD. Ein möglicher Ausgangsstoff für die Synthese von der sehr viel bekannteren Labordroge in Form von Samen. Hat aber im Prinzip die gleiche, teilweise sogar eine etwas stärkere Wirkung. Paranoia und Horrortrips sind zum Beispiel ausgeprägter, als bei normalem LSD. Ist definitiv kein schlechter Stoff, aber nicht sehr bekannt. Deshalb lässt sich der Preis nur schwer schätzen.", gestand ich offen, absolut keine Ahnung zu haben, wie viel man für die knallbunte Pille auf dem Markt eigentlich verlangen konnte. Außerdem wusste ich auch überhaupt nicht, ob es dafür Abnehmer gab, weil, wie ich bereits erwähnte, kaum einer wusste, woher das Zeug eigentlich stammte und was für eine Wirkung es auf den menschlichen Körper hatte. In der Herstellung war es jedenfalls ziemlich aufwendig, weil sich die Wirkung natürlicher Samen nur schwer in Form von Pillen konservieren ließ. Ob sich die Herstellung und der Vertrieb also rechnete, wagte ich stark zu bezweifeln. Jedenfalls hatte ich damit absolut alles, was mir gerade durch den Kopf geschwirrt war, ausgesprochen und hob nun seit ich angefangen hatte zu erklären das erste Mal wieder meinen Kopf an, um den Blick erst in Sabins, dann in Hunters zu legen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
In der ersten Phase der Drogenanalyse entfernte ich mich nie weit von Richard. Wollte ihn mit meiner Präsenz schlichtweg nur zusätzlich kirre machen, wobei ich mir nicht sicher war, inwiefern ich damit überhaupt eine Wirkung erzielte. Denn egal, ob ich nun hinter ihm ein paar Schritte ging, ihm über die Schulter sah oder mich unweit von ihm auf einen Hocker mit Rollen an den Füßen setzte - er machte seine Arbeit für die Augen eines Laien sehr zielstrebig, schenkte mir nicht wirklich Beachtung. Dass er nach etwa einer halben Stunde auch schon mit ersten Ergebnissen um die Ecke kam, untermauerte diese Annahme meinerseits noch zusätzlich. Der Engländer hatte meine ungeteilte Aufmerksamkeit, als er mir sagte, dass es sich bei den ersten beiden Pillen recht sicher um Speed und Ecstasy handelte. Das waren zwei sehr gängige und bekannte Drogen, weswegen mich das schon mal nicht wirklich überraschte. Sollte beides aufgrund dessen auch nicht wirklich schwer loszuwerden sein. Manchmal waren irgendwelche neuen Drogenkonzepte zwar auch an sich nicht schlecht, aber man wurde unbekanntes Zeug grundsätzlich schwerer los. Allerdings waren die Pillen ohnehin in deutlich kleinerer Menge vorhanden als das Koks. Also selbst wenn ich nicht alles davon loswerden sollte - was ich zumindest in Hinsicht auf diese beiden Sorten allerdings für unwahrscheinlich hielt -, wäre es sehr viel weniger ärgerlich als bei einer großen Menge von verunreinigtem Kokain, auch wenn mir letzteres recht sicher beim Konsum vorhin schon aufgefallen wäre. War schließlich nicht das erste Mal, dass ich mir derartiges Pulver durch die Nase zog. Jedenfalls bekam Richard vorerst nur ein Nicken als Reaktion von mir, das auch lediglich dazu diente ihm zu signalisieren, dass ich ihm zugehört und verstanden hatte. Er machte sich daraufhin bald wieder mit den übrigen Proben an die Arbeit und ab diesem Zeitpunkt ließ ich den jungen Mann auch vermehrt aus den Augen. Warf zwar immer wieder für mehrere Sekunden lang prüfende Blicke in seine Richtung, um sicher zu gehen, dass er auch wirklich weiter arbeitete und mir nicht irgendwas von dem zeug inhalierte, aber überwiegend unterhielt ich mich mit Sabin oder ging zwischendurch an die frische Luft, weil der Geruch im Labor mir auf Dauer schlichtweg auf die Nerven ging. Natürlich hatte der Italiener dabei aber jedes Mal die Aufgabe, den Engländer für mich im Auge zu behalten, was er vielleicht ohnehin auch freiwillig ohne Aufforderung mittels eindeutigem Blickwechsel getan hätte. Irgendwas schien ihm ja an dem ehemaligen Kunsthändler zu liegen und da wollte Sabin mir wohl eher keine Gründe dafür nennen müssen, ihm den Kopf abzuschlagen. Zwischendurch nahm ich auch einen Anruf von Tauren an, weil er nach einer Entscheidung verlangte, die zum jetzigen Zeitpunkt noch außerhalb seines Ermessens lag und er heute alleine, nicht mit Desmond unterwegs war. Asthon hatte ohnehin erstmal ein paar Tage frei, die er sich in Russland mehr als verdient hatte. Allerdings war das Telefonat recht schnell abgehakt und so widmete ich mich dann auch wieder einer Unterhaltung mit dem anwesenden Italiener. So lange, bis der Engländer dann endlich mit Allem fertig zu sein schien und zu uns rüber kam. Sobald er freie Bahn zum Reden hatte - das Gespräch mit Sabin war nicht von wichtiger Natur, als ließ ich mich dabei gerne stören, wenn es um meine Drogen ging - legte Richard auch los und im Grunde war mir schon ziemlich egal, um was für eine Droge es sich bei der fast schon giftig roten Pille handelte, als er mir von der Reinheit des Schnees berichtete. Fünfundneunzig Prozent. Auch, wenn ich selbst absolut gar nichts mit dem Koks machen würde, außer es zu verkaufen - und einen verhältnismäßig winzigen Anteil zu behalten -, war es doch auch gut zu wissen, dass jene Reinheit dem Kunden noch mehr Möglichkeiten bot und ich damit nur noch mehr Gründe dafür bekam, mich nicht runterhandeln lassen zu müssen. Das allein ließ meine Mundwinkel bereits zu einem fast schon verzückten Grinsen nach oben wandern. Wenn die Mexikaner einen von mir veranschlagten Preis nicht zahlen wollten, na dann flog ich das Zeug halt woanders hin. Vahagn konnte den Auftrag sicher brauchen und potenzielle Abnehmer würde ich für das hochwertige Kokain mehr als genug finden. Als es dann um die roten Pillen ging folgte ich kurzzeitig Richards Hand mit meinem Blick, bevor ich ihm wieder ins Gesicht sah, auch wenn er meinen Blick ohnehin nicht erwiderte. Es schien sich dabei um eine Drogenvariante zu handeln, von der ich noch nie irgendwas gehört hatte. Es war also nur gut für den Engländer, dass er alsbald zu einer Erklärung ansetzte und damit nicht nur mich, sondern auch den nicht minder aufgeschmissenen Italiener in Kenntnis darüber setzte, was zum Teufel LSA oder Ergin sein sollte. Es ließ sich relativ plausibel von dem jungen Mann erklären, aber ich wusste am Ende noch nicht wirklich, was ich nun davon halten sollte. Wie schon gesagt waren unbekannte Drogen nur selten ein echter Verkaufsschlager, aber im Notfall ging das Zeug eben einfach billig weg. Ich hatte ja nicht sowas wie Herstellungskosten investieren müssen, also wäre das am Ende kein Weltuntergang. "Keine Ahnung, was ich von diesem Zeug halten soll...", stellte ich erstmal etwas nachdenklich fest, als mein Blick noch einmal zu Richards Arbeitsplatz glitt. "...aber ich schätze du hast dein Visum bei mir grade erfolgreich verlängert.", vollendete ich meinen Satz und legte meinen Blick am Ende erneut in Richards, untermalt von einem durchweg kalten Lächeln. Natürlich redete ich hier nicht von einem Kuba-Visum, weil er so eins schlichtweg dank gefälschter Papiere auch gar nicht brauchte, sondern von den imaginären Visa, die ich verteilte, um zu entscheiden, wessen Kopf noch rollen würde und wessen nicht. Der Engländer hatte zweifelsfrei auf der Abschussliste gestanden und sich erfolgreich mehr Zeit damit gekauft, mir die gestohlenen Rauschmittel zu analysieren. "Das heißt aber auch, dass du jetzt wieder arbeiten kannst. Du schwingst ab morgen also besser deinen Arsch wieder hier rein, ist das klar?", knüpfte ich meine vermeintliche Geduld mit ihm natürlich gleich wieder an die nächste Bedingung. Er hatte nun wirklich genug Zeit bekommen, um sich in Ruhe zu rehabilitieren. Wenn er es jetzt nicht wieder auf die Kette bekam zu kochen, würde er das auch irgendwann später nicht mehr hinkriegen. Er fing also jetzt an oder gar nicht mehr.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Es war schon irgendwie befremdlich, den amerikanischen Pitbull derart gut gelaunt zu sehen. Bis jetzt war Hunter in meinem Beisein immer sehr reserviert und kalt gewesen, was jedoch kaum jemanden wundern dürfte, der wusste, was zwischen uns bis jetzt schon so alles vorgefallen war. Vermutlich konnte ich von Glück reden, dass der Tätowierte mich nicht schon längst umgebracht hatte, denn Gründe hätte er definitiv genug gehabt. Gepaart mit seiner ohnehin kaum vorhandenen Geduld war es also ein echtes Wunder, dass ich in seiner Nähe überhaupt noch atmen durfte. Zwar spielte ich was Hunter anging grundsätzlich gerne mit dem Feuer, weil ich mich wegen der Beziehung zu Cosma in recht sicheren Tüchern wusste, aber aktuell begegnete ich dem jungen Mann mit für meine Verhältnisse überdurchschnittlich viel Respekt. Ich war im Nachhinein nämlich wirklich froh, die Kurve noch rechtzeitig gekriegt zu haben und hing wieder ein Stück weit an meinem Leben. Mit der Geduld des Amerikaners zu pokern stand mir daher zumindest für den Augenblick nicht im Sinn. Vielleicht würde sich das irgendwann noch einmal wieder ändern, aber sicher nicht in naher Zukunft. Ein schmales Lächeln zierte nach den Worten des Amerikaners meine Lippen und ich zuckte ein weiteres Mal nachdenklich mit den Schultern, als Hunter äußerte, dass er nicht so recht wusste, was er von dem Ergin letztlich eigentlich halten sollte. "Man könnte versuchen das Ergin durch Verseifung von dem synthetischen Schutzmantel zu spalten, um daraus gängiges LSD herzustellen." Mein Mund war in dem Fall schon wieder sehr viel schneller, als ich über diese Aussage hätte nachdenken können, denn sollte Hunter tatsächlich Interesse daran haben, dann lag es nahe, dass er sich mit dem Anliegen erneut an mich wendete. Zwar hatte ich den Vorschlag unterbewusst so formuliert, dass das jemand anderes machen würde, aber im Endeffekt würde es dann trotzdem auf meine Dienste hinauslaufen. Sabin war zwar inzwischen wirklich fit darin, das Meth zu kochen, konnte vermutlich nur leider nicht allzu viel mit Verersterung oder Verseifung anfangen. Es war sogar sehr wahrscheinlich, dass er vollkommen aufgeschmissen sein würde, wenn es bei der Produktion zu irgendwelchen Zwischenfällen käme, weil er die verschiedenen Schritte sicher nur auswendig gelernt hatte, nicht aber jeden einzelnen Zusammenhang der Reaktionen verstand. Das war noch nicht einmal böse gemeint, weil Chemie nun mal einfach eine Sache für sich war, an der man Interesse haben musste, um es gänzlich zu verinnerlichen. Wie bei Kunst eben auch. Jedenfalls erwiderte ich den Blick des Amerikaners mit einem neutralen bis teilweise müde wirkenden Gesichtsausdruck, ehe Hunter mir mitteilte, dass er mir ferner irgendein Visum einräumte, was mich ihn nunmehr irritiert ansehen ließ. Ich hatte nicht wirklich eine Ahnung, wovon er da sprach, aber im Grunde genommen war es mir auch egal und ich hielt mich mit Fragen diesbezüglich zurück. Falls dieses Visa wie von mir vermutet etwas mit meiner Lebensspanne zutun hatte, war es mir nur recht, wenn er es noch um eine gewisse Zeit verlängerte. Wirklich schmecken tat mir nur das, was dann noch folgen sollte, nicht. Mit der Analyse seiner Drogen hatte ich scheinbar zusätzlich noch einen kleinen Test bestanden, der mich dazu qualifizieren sollte, gleich schon morgen wieder hier im Labor zu arbeiten. Natürlich war es irgendwie naheliegend gewesen, dass es irgendwann so weit kommen musste, aber ich wollte nach wie vor nicht. Ja, Sabin tat mir leid, weil er sich hier den Rücken buckelig schuftete, aber ich hatte mich bei der Arbeit gerade nur derart auf die ganzen Abläufe, Prozesse und Tests konzentriert, weil es etwas vollkommen Neues war, für das ich ungeteilte Aufmerksamkeit gebraucht hatte. Vielleicht war ich die nächsten Tage, wenn ich mich in den Herstellungsprozess von Meth erst einmal wieder rein finden musste, noch ausreichend abgelenkt, aber danach - so befürchtete ich -, würde ich ziemlich sicher wieder in einen unguten Trott verfallen, in dem ich viel zu viel Zeit hatte, über die mich umgebenen Drogen nachzudenken. Allerdings schien mir hier ein einfaches Nein keine Option zu sein und so seufzte ich leise, nickte aber. "Ja... hab' ich verstanden.", murmelte ich alles andere als zufrieden, sah nach einem kurzen Seitenblick in Sabins Richtung auf den Boden. Es war mir deutlich anzusehen, wie unangenehm mir die Vorstellung war, gleich morgen erneut hinter all den Reagenzgläsern und Chemikalien zu stehen, aber ich hatte es mir ja auch irgendwie selbst zuzuschreiben, oder?
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Aha. Hatte ich danach jetzt gefragt? Nicht, dass ich wüsste. War zwar eine durchaus relevante Information, die Richard mir da fast schon beiläufig noch mitteilte, aber mir stand eigentlich nicht im Sinn auch nur irgendwas noch in diese Pillen zu investieren. Weder Zeit, noch Geld, war doch stark zu bezweifeln, dass für die Weiterverarbeitung hier schon alles herumstand. Meine rechte Augenbraue wanderte nach oben, erschloss sich mir doch auch nicht ganz, warum er das jetzt überhaupt losgeworden war. Schließlich war es absolut naheliegend, dass in jenem Fall er derjenige wäre, der das Zeug für mich zur beliebteren Version weiterverarbeiten müsste und ich glaubte nicht, dass er wirklich Lust auf diese Überstunden hatte. War dann zwar - wie so oft - nicht mein Problem und in diesem Fall auch schlichtweg seine eigene Schuld, aber vielleicht setzte er sich ja einfach gerne selbst unter Druck. "Ich habe eigentlich nicht wirklich Interesse daran mich mit dem Stoff mehr als nötig aufzuhalten.", stellte ich also erstmal recht trocken fest. War eben so. Ich hatte ja nur deshalb den Vorrat des einen oder anderen Sorokin-Lagerraums mitgehen lassen, weil ich es für schnelles und vor allem leicht verdientes Geld gehalten hatte, das mir die Reisekosten decken und noch Gewinn abwerfen würde. Mit dem Großteil der Beute war auch genau das der Fall, nur wollte ich wegen dem Ergin deswegen trotzdem keinen unnötigen Aufwand betreiben. "Aber falls ich das Zeug anders gar nicht loswerden kann, darfst du das gern für mich erledigen.", hängte ich ein paar Sekunden später noch ein paar Worte mehr an, die keine Fragen offen lassen dürften. Ich hielt mir einfach die Möglichkeit offen den Engländer auch dafür noch zu knechten, sollte ich es mir in naher Zukunft anders überlegen. Zwar würden die Jungs sich bestimmt drüber freuen größere Mengen von dem Zeug für umsonst zu kriegen, wenn es keiner haben wollte, aber es wäre eben doch eine verschwendete Einnahmequelle. Um zu wissen, ob sich der Scheiß mit der Weiterverarbeitung überhaupt lohnte, müsste mir das Narbengesicht die Menge ausrechnen, die am Ende dabei rauskam, damit ich wiederum sehen konnte, was ich dafür kriegen konnte. Für den Moment war das Alles aber noch gar nicht von Bedeutung. Deutlich wichtiger war, dass der Engländer verstanden zu haben schien, dass es nicht nur eine nette Bitte gewesen war, dass er morgen wieder hier aufkreuzen sollte. Ich hatte mich vorhin schon wiederholen müssen und würde es jetzt kaum tun, ohne auch eine bis zwei Fäuste mit einzubringen. War schließlich nicht so, als würde ich hier gerade Spanisch mit ihm reden. Englisch war seine, wie auch meine Muttersprache, auch wenn er da einen für mich schrägen bis nervigen Akzent mitbrachte. Er konnte mir in jedem Fall nicht weiß machen, er würde mich nicht verstehen. "Gut. Dann holt Sabin dich morgen ab.", stellte ich quasi beide anwesenden Männer vor vollendete Tatsachen, wobei mein Blick im Anschluss dann gleich zu dem Italiener glitt. Er nickte mir gut sichtbar zu, schien keine Einwände diesbezüglich zu haben und so wanderten meine Augen zurück zu dem Engländer. "Aber für heute bist du fertig, also räum' den Scheiß weg, damit wir hier wieder weg können... es sei denn, du willst auf seinen Feierabend warten.", forderte ich Richard dazu auf das Zeug, das er zum Arbeiten gebraucht hatte, wieder ordnungsgemäß zu verräumen und deutete gen Ende mit einer flüchtigen Handgeste auf Sabin. Schließlich wollte der Professor als oberpingeliger Perfektionist ganz bestimmt auch lieber alles sauber auffinden am morgigen Tag, da dürften wir uns ohnehin einig sein. Während er dann mit dem Wegräumen beschäftigt war, wandte ich mich noch einmal kurz an Sabin. Primär deswegen, um ihm zischend leise noch einmal unmissverständlich klar zu machen, dass er mich über jede Form von Versagen seitens des Engländers zu informieren hatte, falls morgen oder in den kommenden Tagen danach irgendwas hier im Labor schiefgehen sollte. Aber auch nach seinem glasklaren, ruhigen Bejahen meiner Worte war ich mir nicht sicher damit, ob er das wirklich tun würde und ich hasste das. Hasste es, dass er nicht genauso kalt war wie der Rest dieser italienischen Mafia-Pest, weil wir beide ohne diesen ganzen Zwischenmenschlichen Scheiß weit weniger Probleme miteinander hätten. War nicht so, als würden wir uns ständig streiten, aber er schien sich zeitweise noch immer nicht daran gewöhnen zu wollen, dass sein Platz in der Nahrungskette unter mir war. Vielleicht hatte er bei den Italienern die Nase einfach zu lange an der Front gehabt.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Gut, dann eben nicht. Sollte mir nur recht sein, wenn er in diesem Fall kein Interesse daran hatte, noch unnötig Ressourcen in die Aufbereitung, beziehungsweise Weiterverarbeitung des Ergins stecken zu wollen. Dann war ich fein aus dem Schneider, auch wenn es durchaus eine abwechslungsreiche Tätigkeit neben dem Meth kochen gewesen wäre. Ich riss mich aber jetzt nicht unbedingt darum, mir für den Amerikaner noch mehr die Finger schmutzig zu machen, auch wenn es wegen meines Großmauls mehr als einmal wirklich angebracht gewesen wäre, um ansatzweise wiedergutzumachen, was ich verkackt hatte. Aber wie gesagt, wenn kein Interesse bestand, dann halt nicht, ich würde ihn keinesfalls dazu überreden wollen, wo ich doch jetzt schon bereute, ihm überhaupt mögliche Perspektiven mit dem Stoff aufgezeigt zu haben. Sollte er schauen, wie er das LSA als solches an den Mann brachte und was er dafür verlangte - das war in dem Fall dann nämlich nicht mehr mein Bier. Absolut nicht mehr mein Themengebiet, Sabin war da inzwischen einfach viel tiefer in der Materie, wenn es um die aktuellen Schwarzmarktpreise und die Vermarktung von Drogen ging. Allerdings wäre es zu schön gewesen, um letztlich wahr zu sein, wenn ich mit meinem Plappermaul ein einziges Mal ungeschoren davongekommen wäre, hielt mir Hunter doch prompt unter die Nase, dass er eventuell zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal auf den Vorschlag zurückkommen würde und ich sollte diesen dann selbstredend für ihn in die Tat umsetzen. Ich seufzte in Gedanken leise, resigniert, aber zeigte es nach außen hin nicht. Schließlich war ich selber Schuld daran, konnte einfach meine Klappe wieder nicht halten und dass der gehässige Choleriker die Steilvorlage nutzt, war ihm kaum zu verdenken. Also nickte ich nur als Zeichen des Verständnis und wandte mich nach Hunters letzten Worten dann auch gänzlich wieder von den beiden Männern ab, um an meinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Ich besah mir kurz das kleine, kaum nennenswerte Chaos, welches ich angerichtet hatte und fing kurz darauf an, den Inhalt der Reagenzgläser in den Sondermüllbehälter zu entsorgen. Sie dann ordentlich zu spülen und alle Utensilien, die ich gebraucht oder verwendet hatte wanderten an ihren Platz zurück. Binnen einer Viertelstunde war das alles erledigt und so kehrte ich abschließend nach einem prüfenden Blick schließlich zu Sabin und Hunter zurück. Ich warf noch im Gehen ein zuvor benutztes Papierhandtuch in den Mülleimer und kam dann unweit der beiden Herrschaften zum Stehen. Schob die Hände in die Hosentaschen und murmelte ein müdes "Wir können...", vor mich hin und ein dicht gefolgtes, sehr ausgiebiges Gähnen dürfte wohl für sich sprechen, dass ich eher kein Interesse daran hatte, bis zu Sabins Feierabend zu warten, bevor es dann endlich wieder nach Hause ging. Mir war zwar auch nicht wirklich wohl dabei, wieder mit Hunter alleine gelassen zu werden, weil es nun mal immer noch der cholerische Amerikaner war, von dem wir hier redeten. Ich hatte ihm hier im Labor zwar keinen Grund gegeben, der es rechtfertigen würde, mir jetzt den Kopf abzuschlagen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass er den auch überhaupt nicht brauchte. Es einfach tat, wenn ihm der Sinn danach stand und das war einfach... unangenehm. Nichtsdestotrotz ließ ich lieber die paar Minuten Fahrt mit Hunter über mich ergehen, als noch mehrere Stunden auf den älteren Italiener zu warten. Ich wollte einfach nach Hause und so wie ich Sam inzwischen kannte, machte er sich sicher auch Sorgen. Ich würde mich also gerne zu ihm ins Bett kuscheln und ihm dann versichern wollen, dass alles in Ordnung war. Mir kein Finger oder das Ohrläppchen fehlte und mich dann im direkten Anschluss ins Land der Träume verabschiedete. Ich verabschiedete mich noch mit einer knappen Geste von meinem Freund, der sich noch eine Weile die Zeit hier im Labor um die Ohren schlagen würde und teilte ihm außerdem mit, dass ich mich auf morgen freute. So wirklich wahr war das zwar nicht, aber ich erhoffte mir von dieser Aussage einfach, dass meine Psyche sich austricksen ließ und dem Ganzen morgen etwas positiver entgegensah. Würde schon werden. Dann aber marschierte ich recht zielstrebig neben dem Amerikaner nach draußen und folgte ihm zum Auto. Noch bevor ich allerdings meine Hand an die Beifahrertür legte, hielt ich noch einmal kurzzeitig inne und sah ihn nachdenklich über das Dach hinweg an. "Wie... geht es eigentlich Cosma? Ich hab lange nichts von ihr gehört.", stellte ich ihm eine an sich recht simple Frage, die mir bei dem kurzen Spaziergang an der frischen, nicht ansatzweise so verpesteten Luft wie der im Inneren des Labor, durch den Kopf gegangen war. Schließlich hatte ich ja auch noch vor, die junge Frau selbst bald zu besuchen, um mich mit ihr an den Tisch zu setzen und über... Vieles zu reden. Es gab Einiges, was ich ihr zu erklären hatte und hier und da war sicherlich auch eine Entschuldigung mehr als angemessen. Zwar wusste ich jetzt nicht ganz, was ich mir durch die Frage an den Lebensgefährten der Rothaarigen jetzt eigentlich erhoffte, aber auch in dem Punkt war mein Mund mal wieder schneller als mein Gehirn gewesen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es dauerte nur ein paar Minuten, bis der Engländer mit dem Aufräumen soweit fertig war. Als er wieder in meine Richtung kam und auch wörtlich - mitsamt Gähnen - kundtat, dass es jetzt losgehen konnte, glitt mein Blick zurück zu Sabin. Ich verabschiedete mich nur knapp von ihm, so wie das bei uns beiden eben üblich war und wandte mich dann auch ohne Umschweife zum Gehen. Zwar war meine Zeit hier im Labor heute nur mehr oder weniger unproduktiv gewesen, weil mir eben doch daran lag selbst zu sehen, dass Richard so weit war wieder zu arbeiten, aber ich saß und stand eben nicht wirklich gerne untätig herum. War fast so als hätte ich über die letzten Jahre hinweg eine Allergie dagegen entwickelt, wo ich doch gefühlt immer 24/7 auf Achse war. Unser kleines Genie verabschiedete sich noch von Sabin, als ich schon die ersten Schritte machte und hielt sich damit aber zu seinem Glück gar nicht lange auf. Er schloss zeitnah zu mir auf und so erreichten wir den Wagen gleichzeitig, es konnte also losgehen. Eigentlich. Denn just in dem Moment, in dem ich die Fahrertür aufzog, wendete sich der Dunkelhaarige noch mit einer etwas zögerlichen Frage an mich, die ich weiß Gott nicht erwartet hatte. Allein schon deswegen, weil es ihn schon seit Monaten kein bisschen interessiert hatte, wie es Cosma ging. Warum jetzt dann plötzlich? Fing er an sich einsam oder schlecht zu fühlen? Meiner Meinung nach geschah ihm beides recht und eigentlich hatte ich auch absolut keine Lust dazu, ihn über das Wohlbefinden der Rothaarigen in Kenntnis zu setzen. Also auch ganz unabhängig davon, dass sie gerade in meinem Keller festsaß, weil sie einfach ein verlogenes Miststück war. Ansonsten war sie schließlich quicklebendig, im Grunde mehr oder weniger wohlauf und genauso vorlaut wie immer. Wenn man mich fragte, dann könnte es ihr eigentlich kaum besser gehen angesichts der Tatsache, dass sie den Platz an meiner Seite gar nicht verdient hatte. Dass mein Gesichtsausdruck sich innerhalb von zwei, drei Sekunden sehr gut sichtbar verdunkelte, während ich Richard über das Dach hinweg ansah, dürfte an und für sich schon sehr klar machen, dass ich wirklich absolut keine Lust dazu hatte mit ihm über Cosma zu reden. Das gut hörbare Schnauben, das mir noch über die Lippen kam, als ich den Blick von ihm abwandte und erst einmal hinters Lenkrad stieg, dürfte das auch nochmal recht unmissverständlich unterstreichen. Ich ließ mir mit der Antwort dementsprechend auch Zeit, bis Richard sich auf dem Beifahrersitz niedergelassen hatte und ich die rechte Hand mit dem Autoschlüssel ans Zündschloss hob. "Eigentlich hast du gar kein Recht auf eine Antwort, nachdem es dich die ganze Zeit nicht interessiert hat... aber ich kann dich beruhigen, sie kommt auch ohne dich bestens zurecht.", murrte ich vor mich hin, bevor ich den Wagen anließ und wendete. Wie so oft, wenn es um Cosma ging, befand ich mich im Zwiespalt mit mir selbst. Ich wusste, dass ich sie trotz dieser ganzen Scheiße liebte, aber der Hass ihr gegenüber wollte doch langsam gerne auf den obersten Thron kriechen, ihn der Liebe streitig machen. Und genau deswegen würde ich ihr auch ganz bestimmt nicht sagen, dass Richard nach ihr gefragt hatte. "Und alles andere geht dich einen Scheißdreck an.", stellte ich einige Sekunden später abschließend fest und warf ihm dabei einen kurzen, aber unmissverständlichen Seitenblick zu, der keine weitere Nachfrage duldete. Die Frage nach dem rothaarigen Biest ließ mich auch unweigerlich daran denken, dass ich eigentlich noch gar keine Lust darauf hatte, jetzt wieder nach Hause zu fahren. Zwar würde sie mich dort nicht wirklich aktiv mit ihrer Anwesenheit stören, weil ich sie ziemlich gut im Keller zusammengefaltet und verstaut hatte, aber ich wusste ja trotzdem, dass sie da war. Das allein konnte einem das gute Ambiente in Strandlage ziemlich leicht kaputtmachen und ich würde mich wahrscheinlich nur unnötig weiter hineinsteigern. Ich entschied mich also kurzerhand dazu noch einen Abstecher zu Ashton zu machen, sobald ich mein unliebsames Anhängsel hier im Wagen in ein paar Minuten an der WG abgesetzt hatte. Einen Whiskey oder Bier mit einem meiner wenigen, bedingungslos loyalen Freunde zu trinken schien mir eine gute Lösung zu sein und außerdem war regelmäßige Sichtkontrolle seiner Verletzung im Gesicht auch angebracht. Er wohnte zwar nicht allein in dem Haus, aber es konnte schlichtweg nicht schaden, selbst ein Auge darauf zu haben, dass der Schnitt von dem Glassplitter nicht wieder anschwoll. Außerdem langweilte der Ärmste sich vom Nichtstun ohnehin schon, so wie ich ihn kannte. Ashton und ich waren uns in vielerlei Hinsicht gleich und das war sehr sicher einer der ausschlaggebenden Gründe dafür, dass ich wusste, ihm immer vertrauen zu können. Er war im Grunde nicht weniger als mein eigener Schatten.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Ich wusste nicht so recht, wie ich Hunters Blick, den er mir über das Autodach zuwarf, jetzt eigentlich interpretieren sollte. Offensichtlich schien ihm meine Frage nach Cosmas Wohlbefinden zu stören, aber ich konnte mir nicht erklären, warum es das tat. Schließlich konnte es ihm im Grunde doch vollkommen egal sein, wie das Verhältnis zwischen mir und der Rothaarigen letztendlich war, weil sie sich wohl kaum die Augen bei ihm ausgeweint haben würde, nachdem ich ihr ziemlich deutlich ins Gesicht gesagt hatte, dass ich ihre Hilfe nicht brauchte, als es um das akute Drogenproblem ging. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits auf meinem neuen persönlichen Tiefpunkt im Leben angelangt und hatte sie damals ein gutes Stück mit dafür verantwortlich gemacht - wegen der Beziehung zu dem Mann, der mir das Gesicht sengt hatte und so. Ungeachtet dessen hatte ich aber auch jeden anderen mir einst nahestehenden Menschen von mir gestoßen, siehe Tauren oder auch Sabin. Letzterer war zwar ziemlich hartnäckig gewesen und hatte es dann tatsächlich geschafft, mich irgendwie wieder in die Spur zu bringen - oder bringen zu lassen -, aber ab einem gewissen Zeitpunkt spielte die gemeinsame Vergangenheit eine weniger große Rolle, als die Tatsache, dass mir alle helfen wollten, obwohl ich nach keiner Hilfe gefragt hatte. Inzwischen tat mir mein Verhalten damals wirklich Leid und nachdem ich mich bei Sabin und Tauren bereits entschuldigt hatte, bildete die zierliche Französin nun das Schlusslicht. Allerdings schien sich der amerikanische Pitbull diesbezüglich etwas aufzuspielen und wollte mir erst gar nicht sagen, wie es um meine ehemals beste Freundin stand. Das dachte ich zumindest, weil er sich doch eine ganze Weile Zeit ließ, mir auf meine Frage zu antworten. Ich dachte schon, dass sich das Thema ohne Weiteres einfach erledigt hätte, weil das Schnauben schon ziemlich endgültig geklungen hatte. Umso überraschter war ich, als Hunter doch noch einmal zum Reden ansetzte, nachdem ich die Beifahrertür zugezogen hatte und na ja... was sollte ich sagen. Seine Worte beunruhigten mich ein Stück weit. Dass er sauer zu sein schien, weil ich mich bei seiner geliebten Freundin so lange nicht gemeldet hatte war die eine Sache. Das konnte ich in gewisser Weise nachvollziehen, auch wenn mir es mir nicht schmeckte, dass er in dem Punkt Recht hatte, wo er behauptete, dass ich es nicht verdient hatte zu wissen, wie es Cosma ging. Dass mich der Rest einen Scheiß anging, war in meinen Augen aber ein anderes Paar Schuhe. Was sollte es denn seiner Meinung nach für wesentliche Veränderungen gegeben haben, die es mir vorzuenthalten gab? Vielleicht war es nur die früher auch schon so ausgeprägte, paranoide Ader, aber es klang für mich einfach seltsam. Nicht, dass das jetzt etwas neues bei unserem vollblütigen Amerikaner war, aber... na ja, es gefiel mir einfach trotzdem nicht. Ich beschloss also für mich, die junge Frau in den kommenden Tagen einfach mal anzurufen. Ich würde mich davor hüten, das Grundstück der beiden zu betreten, weil mir am Ende nur Hunter selbst die Tür aufmachen und mein Kopf sehr wahrscheinlich rollen würde, wenn ich in seinen Augen jetzt noch Besorgnis um die Rothaarige heuchelte, aber es war so oder so absolut notwendig, dass die junge Frau und ich uns mal wieder sahen. Ob sie mir bei einem Gespräch all die Fehlschritte verzeihen und mir wieder einen Platz in ihrem Leben einräumen konnte, würde sie ja wohl selbst für sich entscheiden können. Vielleicht hatte sie ja bereits die ein oder andere Macke ihres Lovers adaptiert und spätestens dann wäre auch für mich der Zeitpunkt gekommen, wo ich zur Gänze loslassen können würde. Ein weibliches Äquivalent zu Hunter brauchte ich gewiss nicht in meinem Leben. Vor allem dann nicht, wenn es gerade mehr oder weniger wieder bergauf ging. Aber gut, wie auch immer. Mehr als ein "Mhm.", gefolgt von einem knappen "Okay... danke." bekam mein Beifahrer nicht von mir zu hören. Eventuell war da noch der etwas nachdenkliche und teilweise besorgte Blick, den ich ihm für den Bruchteil einer Sekunde zuwarf, bevor ich ihn vor uns auf die Straße richtete und über die Fahrt in Gedanken versank. Mir im Kopf bereits zurechtlegte, was ich bei einem Telefonat mit der Rothaarigen sagen wollen würde, auch wenn es bestimmt noch eine Weile dauern dürfte, bis ich tatsächlich einmal zum Hörer griff, um sie zu kontaktieren. So wie ich mich kannte, würde ich mich nur wieder Ewigkeiten davor drücken. Und ja, vielleicht lag es zum Teil auch an Hunters wie erwartet wenig aufbauenden Worten bezüglich der Beziehung zwischen seiner Freundin und mir. Sie kam bestens ohne mich zurecht? Das wunderte mich nicht, verletzen tat mich diese Aussage trotzdem, auch wenn es absolut nicht verwunderlich war, dass Hunter mir immer wieder versuchte, eins reinzudrücken. Wir konnten uns nun mal einfach nicht wirklich leiden und das war ein Fakt. Deshalb war ich auch wirklich froh, dass die Fahrt bis zu Sam nach Hause nicht besonders lange dauerte und das unangenehme Schweigen im Auto mir nicht genug Zeit verschaffte, die Worte des Amerikaners zu hinterfragen. Am Ende hätte ich mich ja doch nur um Kopf und Kragen geredet, obwohl ich mir darüber im Klaren war, dass es besser wäre, Cosma ohne sein wissen zu kontaktieren. Ihm war zuzutrauen, dass er alles daran setzen würde, genau das zu unterbinden, indem er mich zum Beispiel kurzerhand umlegte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #