Vielleicht sollte ich es nicht riskieren, nein. Aber die durch meine Blutbahnen rauschenden Substanzen ließen mich das alles so ungefährlich wie nur irgendwie möglich einstufen. Ließen mich das vorhandene Risiko quasi nur noch wenig bis gar nicht wahrnehmen, weshalb wir da für heute ganz einfach vollkommen unterschiedlicher Meinung bleiben würden. Das Thema war dementsprechend vorerst für mich abgehakt, würden wir uns damit doch ohnehin nicht einig werden. Über meine Aufforderung zum Tanz war Richard wohl nicht minder überrascht als über alles andere, was ich an diesem Abend so machte und vorschlug. Immerhin konnte er darüber aber schon bald lachen, was mich unweigerlich noch breiter grinsen ließ. Es war doch gar nicht so schwer, oder? Ab und an einfach mal die Sorgen und Probleme bei Seite zu legen, um stattdessen ein bisschen zu lachen und das war sehr sicher besser für den Kopf. Natürlich war das oft leichter gesagt, als getan, aber wenn man wirklich gerne was zu lachen haben wollte, dann fand man dafür einen Weg. Erst recht hier in Havanna oder ganz allgemein auf Kuba, war das Lebensgefühl hier doch ein ganz anderes als beispielsweise drüben in Italien. Die Leute hier waren keine verklemmten Europäer, sondern durchweg frohe Menschen, die einem wirklich nur in sehr seltenen Ausnahmen etwas Böses wollten. Warum nicht einfach ein bisschen davon anregen und inspirieren lassen? Ich für meinen Teil wollte die bunten Straßen Havannas definitiv nicht mehr missen und ich glaubte zu wissen, dass die bunte Kultur auf der Insel dem Dunkelhaarigen irgendwann Auftrieb geben konnte, wenn er dafür bereit war. Explizit auch im künstlerischen Sinne. Aber obwohl er gelacht hatte, war Richard im ersten Moment noch nicht zu einhundert Prozent überzeugt davon, dass uns eine kleine Tanzeinheit gut tun würde. Allerdings konnte ich die innere Unentschlossenheit recht deutlich in seinen Gesichtszügen sehen, weshalb ich die Hand nicht sofort wieder sinken ließ, als er zuerst verneinte. Stattdessen zog ich die rechte Augenbraue ganz leicht nach oben und wartete förmlich darauf, dass er es sich noch anders überlegte - was er schließlich nach ein paar schweigsamen Sekunden dann auch tat. Als er seine Hand final in meine gelegt hatte war es wiederum an mir leise zu lachen. "Nein, ziemlich sicher keine Profis... ich zumindest nicht.", musste ich ihn was das anging leider enttäuschen. Es war jetzt weiß Gott nicht so, als hätte ich zwei linke Füße und würde mich jedes Mal lächerlich machen, wenn ich irgendwo auf die Tanzfläche stieg. Ich hatte schon einen Sinn für Rhythmus und Bewegung, aber bis auf ein paar Laien-Tanzstunden mit einer Urlaubsbekanntschaft aus Deutschland hatte ich genau gar keine Erfahrung mit klassischen Tänzen. Es war also schon eher Kategorie Überraschungsei, was hier gleich passieren würde. Neues auszuprobieren war in den seltensten Fällen verkehrt - zum Beispiel aber in Hinsicht auf Drogen - und mir schien, als könnte der Engländer die eine oder andere Auflockerung in seinem Alltag wirklich gut gebrauchen. Also führte ich ihn an der Hand etwas weiter in die Mitte des Dachs. Ich hatte zwar vor dem Abgrund nach wie vor keine Angst, aber mittig gab es eben keine unschöne einseitige Begrenzung in Form einer Mauer. Wir hatten also in jedem Fall genügend Platz, um vermutlich eher unbeholfen miteinander herumzustolpern. An einer ziemlich mittigen Stelle des Dachs angekommen blieb ich dann stehen und drehte mich ihm zu. "Also gut... ich hab keine Ahnung mehr, wie der Tanz eigentlich heißt. Irgendwas mit W... ist wohl ein deutscher oder so, aber ist im Grunde ganz einfach." Während ich so vor mich hin redete hob ich seine Hand in meiner ein wenig an, streckte dann mit einem prüfenden Blick in sein Gesicht auch meine andere Hand nach ihm aus und legte sie ihm etwa auf halber Höhe an den Rücken. Ohne ihn dabei jedoch näher an mich heranzuziehen, als nötig war, hielt ich das nach den vorherigen Geschehnissen doch für eher weniger sinnvoll. "Deine andere Hand legst du seitlich an meine Schulter. Und dann... musst du eigentlich nur meinen Schritten folgen. Mach ich einen vor, machst du einen zurück und umgekehrt... und so weiter eben. Bereit?", lieferte ich ihm eine sehr vereinfachte Erklärung zum Walzer, bevor es im Grunde losgehen konnte. Ich wartete eben trotzdem lieber auf sein endgültiges OK, weil ich mir keinen weiteren Fehltritt am heutigen Abend mehr leisten wollte. Zumindest eben so weit, wie mein Hirn im aktuellen Zustand noch denken konnte. Wahrscheinlich lag mir Salsa am Ende sogar besser als dieser eher ruhige Tanz, weil ich ersteren zumindest schon ein paar Mal öfter getanzt hatte. Es war aber mit Sicherheit besser, wenn wir beide uns daran nicht versuchten, wo er doch sicher mindestens genauso wenig bewandert darin war, wie ich selbst auch. Bei diesem eher langsamen Tanz konnte wohl nicht viel mehr passieren, als dass wir einander mal auf die Füße traten und das wäre kein Weltuntergang. Mit einem Sturz wegen zu viel Schwung sah es da dann doch schon anders aus. Auch, wenn die Brüstung des Dachs weit entfernt war.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Auch als ich meine Hand in die von Sam gelegt hatte, ließ er keine Bombe in Form von 'Ich mach nur Spaß' oder ähnlich zurückweisenden Worten platzen, was mich ungemein beruhigte. Ich hatte mich binnen der kurzen Zeit nämlich schon längst mit dem Gedanken angefreundet, mit ein paar unbeholfenen Schritten über das Dach zu stolpern und wüsste nicht, wie ich jetzt reagieren würde, wenn er mich doch wieder von sich stieß. Er in seinem Rausch die falsche Abfahrt nahm und sich gleich einen weiteren Fehltritt erlaubte, nach dem es mir sicher genügt hätte. Eigentlich war es schon nicht normal, dass ich dem Italiener nach dem ersten Schreck doch tatsächlich auf das Dach des etwas abgelegeneren Gebäudes gefolgt war, aber nun gut. Jedenfalls bestätigte mir Sam noch mit ein paar wenigen Worten das, was eigentlich schon offensichtlich war, bevor er mich hinter sich her in die Mitte unserer Tanzfläche zog. Damit sorgte ich mich schon einmal um eine Sache weniger - und zwar, dass einer von uns einen unschönen, gegebenenfalls sogar tödlichen Abgang hinlegte - und konnte etwas aufatmen. Allerdings hielt ich schon wenig später den Atem auch schon wieder an, als Samuele seine andere Hand an meinen Rücken legte. Selbst wenn ich wusste, dass er mir nichts Böses antun wollte - wovon ich ehrlich gesagt noch nicht wieder einhundert Prozent überzeugt war -, schien es ein automatischer Schutzmechanismus meines Körpers zu sein, dass ich mich unter seiner Hand hervorwinden wollte. Bevor ich mich dazu ermahnen konnte, stillzuhalten, machte ich bereits einen halben Schritt zurück. Dann aber schloss ich die Augen, um mich kurzzeitig einfach zu sortieren, nur um sie dann parallel zu einem tiefen Atemzug wieder zu öffnen. Tanzen war nun mal ein Kontaktsport, Berührung gehörte ganz einfach dazu und somit musste ich die Zähne zusammenbeißen, wenn ich den Schritt in die richtige Richtung wagen wollte. Und das wollte ich. Ich war mir lange schon nicht mehr so sicher mit etwas gewesen, wie mit der Entscheidung, endlich wieder etwas Glück in mein Leben lassen zu wollen. Zumindest wollte mir das mein benebeltes Hirn gerade weismachen und der Gedanke an eine gute Zeit - und wenn es hier nur um eine Nacht ging - ließ mich den Rest meiner Sorgen für den Moment hintenanstellen. Ich straffte daher meine Schultern mit Entschlossenheit, die ich so schon lange nicht mehr verspürt hatte, nickte dann die Worte meines Gegenübers ab und tat, wie mir geheißen. Ich legte meine Hand an die von Sammy beschriebene Stelle und gab ihm dann das Go dafür, dass es meinetwegen losgehen konnte. Als führende Hand gab er schließlich den Takt vor und ich stieg dann einfach mit ein. Folgte seinen Schritten, so wie er mir das aufgetragen hatte und auch wenn es anfangs vielleicht etwas holprig aussah, war es eigentlich gar nicht so schwer, bald einen gemeinsamen Rhythmus zu finden. Dass wir hier keine flotte Sohle aufs Parkett legten, als wären wir die Gewinner einer Tanzweltmeisterschaft war wohl offensichtlich, aber es machte trotzdem Spaß. Sah ganz ohne Musik für Außenstehende vielleicht etwas merkwürdig aus, aber uns konnte hier oben ja glücklicherweise sowieso niemand sehen. Ich ließ mich also einfach von Sam führen und die anfängliche Distanz schwang mit jedem Schritt etwas mehr. War nun mal deutlich einfacher, weil ich dann nicht ganz so weit nach vorne oder hinten treten musste, je näher wir einander waren. Außerdem fing ich zunehmend an, Sammys Präsenz wieder einigermaßen zu genießen, auch wenn ich das vor wenigen Minuten noch für schier unmöglich gehalten hatte. Aber ich setzte gedanklich auch wirklich viel daran, alles Negative vom heutigen Abend auszublenden und mich auf die positiven Aspekte zu konzentrieren. Denn auch in dem Punkt hatte der friedliebende Italiener Recht behalten: Wenn man nur fest genug dran glaubte, dann ließ sich die Laune doch schon einigermaßen gut in eine gewollte Richtung beeinflussen. Die Angst vor Sam war somit fast verschwunden, als wir den ersten Durchlauf unbeschadet hinter uns gebracht hatten. Ich war mit meinem Gesicht dem von Samuele ziemlich nach, als ich nach ein paar schweigsamen Minuten zum Reden ansetzte. "Hab ich meinen... Test jetzt eigentlich bestanden?", fragte ich murmelnd und es schwang ein leichtes Lächeln in meiner Stimmlage mit, auch wenn ich den Kopf nicht weiter in seine Richtung drehte, sondern stur geradeaus gerichtet ließ. Meines Erachtens nach hätte der Abend in der Bar natürlich insgesamt deutlich besser laufen können und ja, vielleicht hatte ich mich hier und da auch bei dem Gedanken an Drogenkonsum erwischt, aber letztlich war es doch Sam, der sich etwas eingeschmissen hatte und ich war derjenige, der die Finger davon gelassen hatte. Im Grunde genommen war das doch also alles, was zählte, oder?
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es war kaum überraschend, dass der Engländer einen Moment brauchte, um sich mit der Situation zurecht zu finden. Ich lockerte den ohnehin nur ganz sachten Druck auf seinem Rücken automatisch, als er einen kleinen Anflug von Fluchtinstinkt auslebte. Zwar schob ich ihm meine Finger natürlich nicht schon wieder unter die Klamotten - auch, wenn ich es weiterhin gerne getan hätte -, aber es war eben trotzdem eine Art von Berührung, die so auch im nüchternen Zustand absolut nicht üblich für uns beide war. Von der anstehenden Tanzerei mal ganz zu schweigen, für die ich letzten Endes noch das endgültige Go bekam, als Richard sich langsam wieder eingekriegt hatte. Er schien auch zunehmend weniger gehemmt mit der verhältnismäßig geringen Distanz zwischen uns beiden umgehen zu können, ließ er sie während der Tanzschritte doch von ganz allein immer mal wieder ein wenig schrumpfen. War so natürlich auch angenehmer und die Arme hingen nicht ganz so blöd quer in der Luft rum, aber es war eben doch alles andere als selbstverständlich, nachdem ich ihm vorhin ungefragt auf die Pelle gerückt war und ihm einen ziemlichen Schrecken eingejagt hatte. Es ließ mich unweigerlich beschwingt vor mich hin lächeln, dass er doch tatsächlich zu versuchen schien, hier und da mal über seine eigenen Schatten zu springen. Es war einfach ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und ich selbst wusste schließlich am besten, dass er vor mir nichts zu befürchten hatte. Er durfte mich was das anging also gerne weiter als Mittel zum Zweck nutzen, wenn er sich dadurch nicht mit einer anderen, neuen Bekanntschaft zu einem Mann herumschlagen musste und sich dabei womöglich überschätzte. Wenn man die ganze Vorgeschichte nicht kannte, dann waren seine Reaktionen hier und da eben einfach nicht wirklich nachvollziehbar und ich wollte nun wirklich nicht, dass er sich was das anging auf dünnes Eis begab. Der arme Kerl war schon traumatisiert genug und konnte die unzufriedenen Worte eines anderen schwulen oder bisexuellen Mannes nun wirklich nicht gebrauchen. Das würde ihn schließlich nur wieder ins nächste Loch schubsen und er kroch da doch gerade erst Stück für Stück ein bisschen raus. Der erste Walzer-Durchlauf neigte sich schließlich irgendwann dem Ende zu und auch, wenn dabei natürlich nicht alles absolut glatt über die Bühne ging, fand ich es durchweg unterhaltsam. Es machte einfach auch mir selbst Spaß mal wieder was zu tun, das gewiss nicht alltäglich war und das fühlte sich gut an. Hätte es vermutlich auch ohne das Ecstasy, aber mit ließ sich die Musik leichter dazu denken. Beziehungsweise brauchte ich in meinem Rausch gar keine Musik, weil ich mich auch ohne einfach vom Rhythmus meiner beschwingten Laune leiten ließ und das hatte gut funktioniert. Also begann der Tanz wieder von vorne und ich musste bei Richards Frage unweigerlich grinsen. "Also meinen nicht ganz...", fing ich schon wieder an etwas unnötig zu scherzen und meinte das natürlich auch nur bedingt ernst, war mir das Testen seiner Grenzen doch nie aktiv im Sinn gestanden. "...aber Sabins bestimmt. Ich meine, du erträgst mich ja ziemlich erfolgreich ohne mitzumachen... ich wüsste nicht, was er daran auszusetzen haben könnte.", beantwortete ich seine eigentliche Frage und zuckte dann leicht mit den Schultern, als ich den nächsten Schritt in seine Richtung machte. Es gab an Richards Verhalten eigentlich nichts auszusetzen. Was mich hingegen anbelangte konnte die Welt wirklich ganz anders aussehen. Sabin dürfte weniger als gar nicht begeistert sein, sollte er das rausfinden. Ich blieb diesbezüglich etwas verunsichert stehen, suchte aktiv den Blick des Engländers. "Du sagst es ihm aber nicht, oder?", hakte ich sicherheitshalber leicht gemurmelt nach. Ich schätzte ihn eigentlich nicht als so hinterlistig ein. Gerade auch deshalb nicht, weil ich ihn bei seinem Fauxpas mir gegenüber gedeckt hatte und den Sturz einfach auf meine Kappe genommen hatte. Außerdem war doch alles gut, oder? Wir hatten jetzt sogar beide Spaß daran, auch wenn es zuweilen ein eher holpriger Abend gewesen war. Es war nicht alles schlecht daran und das vermeintliche Ende unsere Ausflugs hier oben auf dem Dach hätte vermutlich kaum besser sein können. Ich wäre ihm also wirklich dankbar, wenn er meinen kleinen Ausrutscher einfach für sich behalten könnte. Zwar war daraus im Endeffekt jetzt nicht Negatives resultiert, nichts Schlimmes passiert, aber erfreut wäre mein älterer Landsmann sicher nicht von meiner kleinen Drogeneskapade. Schließlich hatte ich damit einen unguten Ausgang des Abends mehr als ein bisschen provoziert.
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Als Sam plötzlich stehenblieb, tat ich es ihm automatisch gleich. Sah ihn nach der Antwort doch etwas verwundert an, weil ich mich nicht entsinnen konnte, dass Samuele persönlich mich noch hatte testen wollen. Ob da irgendetwas an mir vorbeigegangen war? Möglicherweise, war ich mit den Gedanken am heutigen Abend nicht selten woanders gewesen. Irgendwo in einer Parallelwelt zwischen Angst und einer Menge Sorgen beispielsweise, die allesamt aktuell nur von geringer Bedeutung für mich waren. Zumindest, solange ich mich noch in den Armen des Italieners wusste, der mir kurzerhand bestätigte, dass ich den Test seines Landsmannes sehr wahrscheinlich bestanden hatte. Was das im Umkehrschluss für mich heißen könnte, musste ich nicht extra noch einmal erwähnen, oder? Das große und äußerst bequeme Bett wartete schon auf mich. Zwar müsste ich das Teil noch einer Schönheitsoperation unterziehen, weil ich meinen Rausch leider hier und da an meinem Mobiliar ausgelebt hatte, aber das änderte trotzdem nichts daran, dass es zunehmend in greifbarere Nähe rückte und das freute mich. Selbst wenn ich nur einen Schlafsack Zuhause hatte, sehnte ich mich nach meinen eigenen vier Wänden und die damit einkehrende Ruhe. Es wäre anfangs sicher erst einmal ungewohnt, wieder alleine zu leben, aber ich würde mich schnell wieder daran gewöhnen, da hatte ich keinerlei Zweifel. Bis es jedoch soweit war, dass ich mich wieder als einen freien Mann sehen konnte - was soviel hieß wie wenn Sabin mir seinen endgültigen Segen dafür gegeben hatte -, wollte ich die Zeit mit Sammy aber noch vollumfänglich auskosten, denn er würde mir fehlen. Faktisch hatte ich in ihm wirklich so etwas wie einen guten Freund gefunden, einen Vertrauten, weil er nicht zuletzt der Einzige war, der wusste, was hinter den Türen des Hotels eigentlich alles abgegangen war. Ich würde seine quirlige und zum Teil wirklich anstrengende Art wirklich vermissen, aber er war ja nicht aus der Welt. Ich konnte ihn immer noch besuchen, wenn mir der Sinn danach stand und der Italiener selbst Lust dazu hatte. Dieses Unterfangen setzte allerdings voraus, dass Samuele dann überhaupt noch lebte, wenn ich wieder in mein eigenes kleines Häuschen am Waldrand zurückgekehrt war. Und in Anbetracht der Tatsache, dass Sabin seinen Landsmann sehr wahrscheinlich umbringen würde, wenn er hiervon erfuhr, rechnete ich Sammys Chancen in diesem Fall schwindend gering aus. Sofern ich mich denn dazu entschied, dem älteren Italiener immer noch erzählen zu wollen, was am heutigen Abend eigentlich alles so schiefgelaufen war. Die Hand am Handy hatte ich bereits gehabt, war kurz davor gestanden, eine Notfall-Nachricht an meinen Freund zu versenden und war just in diesem Augenblick froh, es doch nicht getan zu haben. Das Handy war unverrichteter Dinge wieder in meine Hosentasche gewandert und somit brauchte sich mein Noch-Mitbewohner keine allzu großen Sorgen machen. Das schwache Lächeln zierte noch immer meine Lippen, als ich meine Hand von seiner Schultern nahm und sie stattdessen langsam, nur zögerlich über sein Schlüsselbein streichen ließ, wo sie dann letztlich nahe seines Halses auch wieder zum Erliegen kam. "Das kommt ganz darauf an...", murmelte ich und in dem Moment streifte mein Blick die vollen Lippen des jungen Mannes, in dessen Armen ich noch immer hing. Ich ertappte mich dabei, wie ich darüber nachdachte, wie sie sich wohl anfühlten. Wie sie schmeckten und im nächsten Augenblick schüttelte ich über eben diese Gedanken etwas verdutzt den Kopf. Noch vor wenigen Minuten war es ein Ding der Unmöglichkeit für mich gewesen, Samuele näher zu kommen, als ich das unbedingt musste und kaum waren all die Sorgen und Probleme für den Augenblick vergessen, zeigten sich meine alten Verhaltensmuster? Sehr merkwürdig, wenn man mich fragte. Aber nun gut. Weiter im Text - wo war ich stehengeblieben? Ach ja... worauf kam es denn jetzt eigentlich an? "Lässt du künftig die Finger von Drogen? Wenn du mir das versprechen kannst, dann bin ich durchaus gewillt, Sabin nichts von deinem Fauxpas zu erzählen. Andernfalls würde dir eine Therapie wie die meine sicher guttun.", dachte ich laut über die Bedingungen nach, an die mein Stillschweigen geknüpft sein würde und um ehrlich zu sein, fand ich diese äußerst fair. Drogen waren nun mal für Niemanden gut, keiner brauchte sie wirklich, um glücklich zu werden und mehr als Geld kosten und Leben ruinieren taten sie auf lange Sicht auch nicht. Es war doch also nicht zu viel verlangt, wenn ich eine Person, die mir offenbar am Herzen lag - anders konnte ich mir den Rollercoaster der Gefühle zumindest nicht erklären - vor den Konsequenzen des Drogenkonsums schützen wollte. Es könnte zwar ironischer nicht sein, aber ich wusste schließlich mit am besten, wie tief man eigentlich fallen konnte, auch wenn man nur mal ab und zu konsumierte. So hatte es bei mir schließlich auch angefangen und dann...? Tja, dann war ich derart auf die Fresse geflogen, dass man mich auf einen kalten Entzug gesetzt hatte, um mich wieder in die Spur zu bringen und da stand ich nun. Hand in Hand in den Armen meines Teilzeit-Sozialpädagogen dachte ich darüber nach, wie sich seine Lippen wohl anfühlten, wenn sie nicht gerade irgendwelchen weisen Worte sprachen, die mir auf meinem Weg zurück ins normale Leben halfen.
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Normalerweise hätte es mich in meinem jetzigen Zustand vermutlich gestört, wie lange er sich mit seiner Antwort Zeit ließ. Das MDMA machte mich grundsätzlich recht ungeduldig, obwohl ich nüchtern eher die Kategorie Ruhepol war. Zwar war auch das natürlich etwas situationsabhängig - wenn beispielsweise ein psychotischer Massenmörder vor mir stand, wurde mir dann doch ein bisschen anders -, aber für gewöhnlich war ich nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Das Einzige, das mir die Wartezeit doch ganz angenehm überbrückte, waren Richards zugegeben unerwartet kommende Reaktionen auf meine Person. Es war an und für sich nach seinem kleinen Ausraster vorhin schon wirklich merkwürdig, dass er sich nun plötzlich traute mich auch unabhängig vom Tanzen anzufassen. Sogar ganz aus freien Stücken mit seinen Fingern ein leichtes Kribbeln an meinem Schlüsselbein auslöste. Und danach nahm er seine Finger auch gar nicht mehr von meiner Haut, sondern ließ sie nahe an meinem Hals liegen. Woher kam denn jetzt plötzlich dieser Anflug von Bedürfnis zu körperlicher Nähe? Nicht, als hätte ich was dagegen, es kam nur wirklich unerwartet und der Blick auf meine Lippen setzte dem Ganzen noch die Krone auf. Die Kirsche auf der Sahnehaube. Wir waren uns sehr nah und es war quasi unmöglich gewesen, das nicht zu mitzukriegen. Zwar schien mir der Engländer auch nicht ganz nüchtern zu sein, aber da hatte er seine Meinung jetzt dennoch deutlich schneller geändert, als ich es für möglich gehalten hatte... und ich müsste ganz gewaltig lügen, um zu sagen, dass mir das nicht gefiel. Vollkommen ungeachtet des gerade ziemlich ernsten Gesprächsthemas, machten meine Mundwinkel wieder einen Satz nach oben. Zugegeben fiel es mir angesichts dessen auch ein bisschen schwer, mich auf seine noch folgenden Worte zu konzentrieren. Keine Drogen mehr? Sollte nicht so schwer werden. Vor allem nicht unter der Prämisse betrachtet, dass mir das Sabin gegenüber den Arsch retten würde. Es war ja auch nicht so, als würde ich noch regelmäßig was konsumieren. Nur so alle paar Monate aus einer Laune heraus mal und es war dabei meines Wissens nach auch noch nie was Schlimmes passiert. Gut, heute war das natürlich mehr als Fehl am Platz gewesen, aber was Gravierendes passiert war im Grunde auch diesmal nicht. Ich war ja nicht die Kategorie Mensch, die sich Drogen einflößte, um ihren Selbstmord zu provozieren oder Stresssituationen mit anderen Menschen suchte. Ich war dabei genauso friedliebend wie sonst und wollte einfach nur gute Laune haben. Aber gut - dann eben keine Drogen mehr. So schwer konnte das nicht sein. "Ich brauch keine Therapie. Ich kann's sein lassen, ist gar kein Problem.", meinte ich schulterzuckend. "Solange du meinen italienischen Wein nicht dazu zählst.", ließ ich ihn mit einem schiefen Grinsen wissen, dass ich mein letztes, kleines Stück Heimat nicht aufgeben wollen würde. War aber auch diesmal wieder eher nur ein Witz, war ich mir doch eigentlich sehr sicher damit, dass er damit kein Problem hatte. Ich trank den ja auch nicht jeden Abend, sondern nur alle paar Tage mal ein Gläschen zum Abendessen, wenn es auch gut zum Gericht passte. Mir stand nicht im Sinn Alkoholiker zu werden, verfiel einem dadurch doch nur Körper und Geist. Ich beugte mich noch ein bisschen zu Richard nach vorne, kam seinem Gesicht damit insgesamt noch näher und war mit meinen Lippen nicht mehr weit von seinen entfernt. Konnte ihn gerade so noch ansehen, als ich erneut zum Reden ansetzte. "Und... ich von dir nicht immer die Finger lassen muss? Du machst's mir grade nämlich wirklich nicht leicht.", raunte ich ihm zu, küsste ihn aber nicht. Ja, ja - ich wusste schon, dass ich ihm versprochen hatte, ihn nicht mehr anzufassen, wenn er das nicht wollte. Aber es war einfach furchtbar widersprüchlich, was er mir von Zeit zu Zeit für Signale sendete und ich war ohnehin ein Mensch, der wahnsinnig gerne flirtete. Es gab selten eine gute Gelegenheit, die ich ungenutzt ließ. Ich konnte mich durchaus gut damit arrangieren, dass ich mit den Fingern nicht mehr unter sein Hemd krabbelte, aber zumindest so ein einziger, kleiner Kuss? Er wollte das doch eigentlich auch, wenn er mir so auf die Lippen stierte, oder?
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Auch wenn man es mir äußerlich vielleicht nicht ansehen mochte, so tobte in mir gerade ein gewaltiger Sturm der Gefühle. Es lag zwar vermutlich eher am Alkohol, dass sich alles um mich herum zu drehen schien, obwohl wir uns kaum bewegten, aber prinzipiell hätte es auch an meinen Gedanken liegen können, die sich gerade nur so überschlugen. Einerseits hielt ich das Alles hier nämlich für nach wie vor nicht die beste Idee, andererseits konnte es so falsch doch eigentlich gar nicht sein, wenn es sich so richtig anfühlte, oder? Es verunsicherte mich einfach ungemein, dass ich nicht in der Lage war, die Situation bedingt durch Alkohol und den einseitigen Drogenkonsum zu beurteilen, was zwangsläufig hieß, ein Risiko eingehen zu müssen, wenn ich tatsächlich den Schritt nach vorne wagen wollte. Dass ich davon nicht besonders begeistert war, musste ich ja wohl wirklich nicht noch einmal ansprechen. Inzwischen dürfte die ganze von Gott verlassene Welt wissen, dass ich zu der Auf-Nummer-sicher-Kategorie Mensch gehörte und mir einzig und allein Planbarkeit einer Situation die nötige Sicherheit gab, die ich so dringend zu brauchen schien. Auf die hoffte ich im aktuellen Augenblick jedoch vergebens und somit war ich ein weiteres Mal dazu gezwungen, über meinen Schatten und einen Teil meiner Prinzipien zu springen. Die hätten mich gerade im Normalfall nämlich rückwärts über das Dach stolpern lassen, weil Sam mir doch noch ein ganzes Stück näher kam, als ich das eigentlich für gut heißen konnte. Zumindest, wenn ich weiterhin in meiner Vergangenheit und der Sache mit Agnolo herumstocherte. Aber das wollte ich ja nicht mehr, oder? Ich wollte zurück zu dem Punkt, wo ich selbst immer für einen aufregenden Flirt zu haben gewesen war und absolut kein Problem mit körperlicher Nähe hatte. Sie ganz im Gegenteil sogar ausgiebig genießen konnte, aber es war nun mal einfach schwer, all die Erinnerungen an das Geschehene einfach beiseite zu schieben. Nicht zuletzt erinnerte mich schließlich jede einzelne Narbe daran, was die italienische Pest hinter verschlossenen Türen mit mir angestellt hatte. Dass es hier und heute erneut darauf hinauslaufen würde, dass ich mich an einen italienischen Landsmann verlor, war doch eigentlich schon ein absolut ungutes Omen, aber der Alkohol schaffte es schließlich doch, mich diesen Aspekt erfolgreich verdrängen zu lassen. Dafür fühlte sich der warme Atemzug, der meine Lippen streifte, einfach viel zu gut und viel zu richtig an, als dass ich jetzt noch Reißaus nehmen und vom Dach flüchten wollen würde. Ich regte mich also keinen Zentimeter, als Sam mir mit seinem Gesicht noch näher kam und mich wissen lies, dass er auch ohne Therapie die Finger von den Drogen lassen würde. Auf seinen geschätzten Wein wollte er zwar nicht verzichten, aber das war auch vollkommen okay für mich. Hier und da mal ein Glas Wein würde wohl kaum für irgendwen gefährlich werden, solange er nicht maßlos über die Stränge schlug. Das konnte ich mir bei Samuele aber eigentlich nicht vorstellen. Anders sah es da mit härteren Drogen aus, die nicht selten bereits beim ersten Mal eine drastische Wesensveränderung bewirkten, die absolut nicht einzuschätzen war - hatte man ja an Sam sehr beispielhaft sehen können, hätte er sich nüchtern einen solchen Ausrutscher wie den in der Bar eher nicht erlaubt. Aber gut, ich war mir sehr sicher, dass er selbst im benebelten Zustand begriffen hatte, dass sein Verhalten absolut unangemessen gewesen war. Immerhin hatte er sein anschließendes Versprechen bis jetzt tatsächlich eingehalten, blieben seine Hände doch auch ja dort, wo er sie anfangs zum Tanzen abgelegt hatte, was mich nur zusätzlich darin bestärkte, den Schritt nach vorne einfach zu wagen. Ungeachtet der möglichen Konsequenzen, wohlgemerkt. Wenn sich jetzt also herausstellen sollte, dass mein Mitbewohner ein nicht weniger durchtriebenes Stück Scheiße wie der Rest seines Volkes war, dann hatte ich wirklich ein akutes Problem, aus dem ich dann allerdings nur sehr, sehr unwahrscheinlich wieder lebend herauskommen würde. Vorher würde ich mir dann doch lieber die Kugel geben. Für den Augenblick verdrängte ich die negativen Gedanken jedoch erfolgreich in die hinterste Ecke meines Oberstübchens und konzentrierte mich voll und ganz auf die Worte des gutaussehenden Italieners, die mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Dieses Mal aber eine der angenehmen Sorte und kein kalter Schauer, wie vorhin in der Bar. "Hört... sich fair an.", murmelte ich, ohne groß über die Bedeutung der wenigen Worte nachgedacht zu haben, während ich mit den Fingern der Hand, die ich auf seinem Schlüsselbein platziert hatte, leicht über seine Haut streichelte. Schließlich legte ich meine Hand seitlich an seinen Hals, um ihn nach einem prüfenden Blick ins Gesicht zögerlich, wenn auch mit ausreichend Nachdruck an mich heranzuziehen. Die Distanz zwischen unseren Lippen verschwand dadurch schnell und noch bevor ich es mir anders überlegen konnte und panisch wurde, verwickelte ich meinen Gegenüber in einen schüchternen Kuss.
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Richards Worte wirkten zwar in ihrem Klang noch nicht zu einhundert Prozent überzeugt, aber die Wortwahl an sich ließ meine Augen prompt ein wenig funkeln. Allein schon deswegen, weil der Dunkelhaarige seinen kurzen, leicht stockenden Satz mit einer recht eindeutigen Geste untermalte. Mir erneut über die Haut strich, obwohl er sich selbst im Gegenzug davor fürchtete. Ich für meinen Teil war im Hier und Jetzt aber nur allzu empfänglich und die ganz zarte Gänsehaut, die sich rund um mein Schlüsselbein ausbreitete, war sie doch nichts als angenehm. Beflügelte mich in meinem positiven Gefühl nur noch mehr - als wäre das irgendwie nötig gewesen. Jetzt, wo der Engländer drauf und dran war mich zu küssen, würde wohl Niemandes Laune hier heute noch kippen können. Zwar brauchte ich für meinen Teil dank der Pille, die meinen Rachen hinunter gewandert war, nun wirklich keine weiteren Stimmungsmacher mehr, aber gerade für den Engländer hier konnte jeder Funken an positiven Erlebnissen heute Abend auch weiterhin nicht verkehrt sein, schien mir seine Laune hingegen doch bei weitem nicht so stabil oben zu bleiben wie meine eigene. Er sah mich nur noch einen Moment lang an und ich scheute seinen Blick keineswegs. Wartete förmlich darauf, dass er noch einen Schritt weiter ging und schließlich zog er mich dann auch zu sich hin. Ich kam dem leichten Druck am Hals nur allzu gerne nach und ließ mich zu ihm hinziehen. Kurz bevor sich unsere Lippen trafen, fielen mir die Lider ganz von selbst zu und ich stellte mich gänzlich auf den schüchternen Engländer ein, was den Kuss anging. Erwiderte die Lippenbewegung zärtlich und drängte ihn nicht, würde ihn das doch ziemlich sicher nur gleich wieder verscheuchen. Mit Sicherheit hätten wir beide besser geschmeckt, wenn kein Alkohol im Spiel gewesen wäre, aber es störte mich nicht. Es war vermutlich ohnehin genau dieses Nervengift, das Richard hier langsam etwas auftauen ließ, also würde ich dem Alkohol eher noch danken, als ihn mir wegzuwünschen. Der Kuss seiner angenehm weichen Lippen hielt nur leider gar nicht so lange an. Ich distanzierte mich mit dem Gesicht jedoch gar nicht erst von seinem, blieb ihm ganz nahe. Auch meine Augen ließ ich geschlossen, während ich seine Hand, die noch immer in meiner lag, an meine Taille führte und sie dort ablegte, weil ich einfach gerne wollte, dass er mich noch mehr anfasste. Kurz ließ ich meine Hand dort noch auf seiner liegen, als ich meine Lippen ein weiteres Mal mit seinen verschloss. Auch dieses Mal noch sehr sanft und nicht zu gierig, aber doch alles in allem ein wenig bestimmter als das erste Mal. Es war wirklich faszinierend, wie wenig über irgendwelche Konsequenzen meines Handelns nachdachte, während ich meine Hand von Richards löste und sie ihm stattdessen behutsam an den Kiefer legte. Mit dem Daumen wanderte ich ein bisschen über die Stoppeln an seinem Kiefer. Ich dachte nicht im entferntesten daran, dass ich die Küsse morgen schon wieder vergessen haben könnte. Oder daran, dass ich das Anbandeln zwischen Richard und mir nüchtern womöglich ganz anders sehen würde. Dass es da doch so ein paar Aspekte zu berücksichtigen gab. Dass er eigentlich auch ein Krimineller war, beispielsweise. Vielleicht nicht in so großem Kaliber wie Sabin oder gar Hunter, aber auch, wenn er wieder irgendwo seine Muse unterrichten würde, dann blieb das noch immer ein Teil von ihm. Außerdem wusste ich auch nicht, was sein alter Freund davon halten würde. Natürlich stand es Sabin eigentlich absolut nicht zu, dem Dunkelhaarigen in sein Privatleben oder gar seine Beziehungen reinzureden, aber wir alle hier wussten inzwischen bestens, wie empfindlich er war, was den Engländer anging. Dabei war ich wirklich nicht der Typ Mensch dafür, Irgendjemandem mutwillig das Herz zu brechen. Langsam löste ich mich nun aber doch wieder von den doch etwas süchtig machenden Lippen des Engländers. Öffnete die Augen und sah ihn daraufhin mit einem durch und durch glücklichen, zufriedenen Lächeln an, das sich auch in meinen Augen widerspiegelt, während ich ihm ein wenig mit den Fingern am Rücken auf und ab strich. "Willst du die Aussicht noch ein bisschen genießen? Oder geh'n wir heim?", stellte ich ihm eine sehr ruhige, nicht allzu laute Frage. Mir wurde allerdings erst ein paar Sekunden später klar, dass man den letzten Abschnitt durchaus auch hätte falsch verstehen können. "...also wirklich einfach nur nach Hause, meine ich. Keine bösen Hintergedanken.", hängte ich deswegen noch ein paar Worte an und grinste leicht schief. Ich wollte ihm hier ja nicht schon wieder Angst machen. Würde in meinem Zustand vielleicht sowieso gar keinen mehr hoch kriegen und selbst wenn, dann ließ der Effekt bei all dem betäubenden Alkohol sehr sicher zu wünschen übrig.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Konnte etwas, das sich so gut anfühlte, denn wirklich so falsch sein? Würde ich morgen bereuen, was ich getan hatte? Würde ich mich überhaupt an den Vorfall in der Bar und den Kuss erinnern können? Wenn es nach mir ging, dann dufte der Alkohol gerne all die negativen Vorkommnisse des Abends ausradieren, aber die sinnlich weichen Lippen... an die würde ich mich morgen früh sehr gerne noch erinnern können. Ich war anfangs ein wenig besorgt gewesen, dass Sam den Kuss nicht erwidern würde - obwohl er mir bis dato keinen guten Grund gegeben hatte, der eine solche Annahme rechtfertigte - und war deshalb noch etwas zurückhaltend. Das war zwar normalerweise so gar nicht meine Art, aber mein Selbstwertgefühl war mit der Brandnarbe und nach der Sache mit Agnolo quasi gar nicht mehr vorhanden. Ich musste erst lernen, mich selbst wieder richtig zu lieben, bevor ich andere Männer von mir überzeugen können würde. Glücklicherweise war das für Sam aktuell aber gar nicht notwendig, signalisierte mir dieser doch schnell, wie angetan er davon war, dass ich den Schritt tatsächlich gewagt hatte, ihn wie selbstverständlich an mich heranzuziehen und zu küssen. Damit nahm er mir zumindest einen Teil der inneren Unruhe und ich konnte mich beinahe sorglos an seinen Lippen erfreuen. Leider neigte sich der erste Kuss recht schnell dem Ende entgegen und mein Gesichtsausdruck dürfte sehr offensichtlich widerspiegeln, wie viel ich davon eigentlich hielt. Nämlich gar nicht mal so viel, hatte ich doch gerade angefangen, die Lippenbewegungen und Sams Nähe im Allgemeinen in vollen Zügen zu genießen. Dem jungen Mann schien es da nicht anders zu gehen, weil er sich ansonsten schon längst wieder von mir gelöst hatte. Stattdessen stand ihm aber wohl der Sinn nach noch etwas mehr Nähe. Zumindest interpretierte ich sein Handeln - dass er meine Hand an seine Taille führten - so. Auch dort strich ich lediglich behutsam über den Stoff seines Shirts, während meine Lippen ein schwaches, aber aufrichtiges Lächeln zierte. Es wirkte vielleicht etwas instabil, aber das lag ausschließlich daran, dass ich nicht wirklich wusste, was ich von Alledem hier gerade halten sollte. Ich kam Gott sei Dank aber auch gar nicht mehr dazu, aktiv darüber nachdenken, weil der Italiener mich in einen weiteren Kuss verwickelte, den ich nur allzu gerne erwiderte. Ich beschäftigte mich lieber mit dem jungen Mann konkret, als die sich im Aufschwung befindliche gute Laune negativ zu beeinflussen. Dass er mir seine Hand ans Kinn legte, störte mich im Übrigen auch nicht so sehr, dass alles in meinem Körper nach Flucht schrie. Sicher, ungewohnt war es nach wie vor, hatte mich seit den Nächten im Hotel kein Mann mehr angefasst, aber... es war ausnahmsweise ein wirklich schönes Gefühl. Hinterließ eine angenehme Gänsehaut rund um die betroffene Stelle und ich hoffte wirklich inständig, dass dieses Gefühl nicht nur für eine Nacht blieb. Ich mehr davon bekommen könnte, wenn mir der Sinn danach stand, aber das hatte mir Samuele doch indirekt eigentlich versichert, oder? Ansonsten hätte er es ja wohl kaum zur Bedingung gemacht, mich anfassen zu dürfen, damit er sich im Gegenzug nicht mehr mit Drogen ins Aus schoss. Aber auch in dem Punkt blieb zu hoffen, dass er sich morgen überhaupt noch an das gegebene Versprechen erinnern konnte. Ich unterstellte jetzt einfach mal, dass er es können würde, um den Moment einfach weiterhin zu genießen. Deshalb lächelte ich auch in den zweiten Kuss hinein, während ich mich parallel dazu etwas mehr gegen seinen Oberkörper lehnte, die Hand an seinem Hals weiter bis in den Nacken wandern ließ, um dort an den etwas kürzeren Haaren zu spielen. Nur so lange, wie wir noch Arm in Arm miteinander herumturtelten, zog sie sich doch direkt zurück, als der junge Mann sich wieder etwas mehr von mir distanzierte. Ich sah ihn wohl mindestens genau so glücklich an, wie er mich und brauchte der Euphorie wegen einen Augenblick, bis ich seine Frage zur Kenntnis genommen und eine entsprechende Antwort formuliert hatte. "Es ist denke ich schon ziemlich spät. Vielleicht sollten wir heim gehen...", murmelte ich nachdenklich vor mich hin. Zwar könnte ich aktuell noch eine halbe Ewigkeit mit Samuele hier oben auf dem Dach verbringen, aber ich wurde langsam müde. Der Tag war schon wieder recht lang gewesen, anstrengend in seinen Anfängen noch dazu und mein Körper sehnte sich nach der Achterbahnfahrt der Gefühle nach ein bisschen Ruhe.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Die letzten zwei Wochen waren insgesamt doch weiterhin ziemlich nervenaufreibend, obwohl ich die meiste Zeit davon an Iljahs Seite verbrachte. Zum einen hatte der Schwarzhaarige das ohnehin so gewollt, hatte er das doch bereits zu Beginn unserer Zeit hier sehr deutlich gemacht. Ich kam dem auch nur allzu gerne nach, weil er noch immer recht weit davon entfernt war, wieder in Topform zu sein. Er konnte sich zwar wieder von A nach B bewegen ohne, dass ihn dabei permanent Jemand stützen musste - worüber er selbst auch ganz froh war, hatte ich so das Gefühl -, aber er verbrachte nach wie vor recht viel Zeit damit nur rumzuliegen oder zu sitzen. Zum anderen war ich ohnehin um jede Minute froh, die ich nicht in Gegenwart von der restlichen Meute im Haus verbringen musste. Die Untergebenen des Amerikaners schienen einfach ein Faible dafür zu haben, mich mit Blicken und dem einen oder anderen Kommentar halb wahnsinnig zu machen. Von Hunter selbst mal ganz zu schweigen, schien der doch nach wie vor nicht wirklich begeistert darüber zu sein, dass er mich tatsächlich am Leben gelassen hatte. Seine mordenden, sehr stechenden Blicke blieben mir keineswegs erspart. Obendrauf zog er mich ab und an doch noch zu Rate, wenn er seinen nächsten Anschlag plante und mehr Details haben wollte. So nach dem Motto, wenn ich schon noch atmete, dann sollte ich mich dabei wenigstens nützlich machen. Ich bemühte mich grundsätzlich darum ihm keine Gründe dafür zu geben mich noch mehr zu hassen und zu verabscheuen, als das sehr offensichtlich ohnehin schon der Fall war. Und Vahagn... ja, was sollte ich dazu noch sagen? So weit, wie es sich vermeiden ließ, ging ich ihr tunlichst aus dem Weg. Als Iljah dazu bereit gewesen war - vor allem körperlich, aber auch mental - ihr von der ganzen Sache zu erzählen, weil Hunter sich was das anging offenbar fein raushalten wollte, war ich duschen gegangen. Einfach, weil ich wirklich Schiss davor gehabt hatte, dass mich die temperamentvolle Brünette aus dem ersten Impuls heraus zu erwürgen versuchte. Zwar war es dem Schwarzhaarigen da schon besser gegangen, aber wirklich agil genug, um sie davon abzuhalten, war er eher nicht gewesen. Deshalb hatte ich mich lieber so lange ins Badezimmer verkrochen und wäre ihr noch beinahe im Flur über den Weg gelaufen. Allerdings hatte ich sie glücklicherweise laut genug fluchen hören, um zu wissen, wann ich mich ohne Gefahr wieder aus dem Bad schleichen und zurück zu Iljah tigern konnte. Da er scheinbar die volle Ladung von Vahagns Unmut abbekommen hatte, versuchte ich ihn bestmöglich mit einigen Streicheleinheiten und Küssen abzulenken, während ich mich - logischerweise - auch dafür wieder unheimlich schuldig fühlte. Ich hatte selbst erst kurz vorher erfahren, was er Hunter nun eigentlich als Gegenleistung dafür, dass jener mich am Leben ließ, schuldete. Dass die ganze Misere auch seine Schwester einschloss war nicht nur nicht ganz fair seitens des Amerikaners, wenn man mich fragte, sondern sorgte auch einfach für unheimlich viel zusätzlichen Streit und Stress. Ich wusste es nicht besser und würde deswegen glatt behaupten, dass er Choleriker auch ganz genau das beabsichtigte. Noch dazu konnte ich einfach nicht glauben, was er überschlagen für eine Unsumme für mich unnützes Ding haben wollte. Ich schwor mir selbst umgehend einen Weg dafür zu finden, Iljah mindestens einen großen Teil des Geldes wieder zurückzuzahlen. Das war einfach eine Schuld, mit der ich nicht leben wollte. Aber gut - es war jetzt, wie es nun einmal war und damit würden sich zwangsweise alle Beteiligten arrangieren müssen. Leider hatte ich auch nach wie vor keine meiner Klamotten in die Finger gekriegt. Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass ich sowas wie Ausgangssperre hatte. Der amerikanische Pitbull wollte nicht, dass ich raus ging und zugegeben wollte ich sowieso auch nur sehr ungern alleine raus, auch wenn er laut eigener Aussage inzwischen noch einige der Sorokin-Männer umgenietet hatte. Solange die Brüder noch auf freien Fuß waren, traute ich dem Frieden so gar nicht. Also hatte ich mich bis jetzt überwiegend in Iljahs Boxershorts und Shirt rumgetrieben, manchmal auch in der inzwischen gewaschenen Jeans und dem Pulli. War ja beides schwarz gewesen, also blieb glücklicherweise keiner der Blutflecken sichtbar zurück. Trotzdem hätte ich langsam gerne mal wieder sowas wie ausreichend eigene Unterwäsche, kam man mit nur einem BH und einem String doch eher nicht weit. Ich murmelte mein lästiges Klamottenproblem während des Frühstücks vor mich hin, als ich mich kurzzeitig deshalb in die Küche verirrte. Sehr zu meinem Missfallen war Hunter auch wach, schlürfte schon seinen Kaffee und beobachtete mich wie so oft mit Adleraugen dabei, wie ich mir selbst etwas zu essen machte. Offenbar hatte er trotz seiner Schießereien noch ziemlich gute Ohren, weil er scheinbar trotz meiner nur leisen Worte hörte, wie ich mich bei mir selbst darüber beschwerte, keine Klamotten hier zu haben. Es dauerte kaum fünf Sekunden, bis er mir anbot, mich in ein paar Stunden einfach kurz mal Zuhause rauszulassen, weil er scheinbar sowieso noch irgendwo mit Vahagn hin musste, meine Wohnung quasi sogar auf dem Weg lag. Ich drehte mich mit hochgezogener Augenbraue zu ihm um und die Skepsis war mir quer übers Gesicht geschrieben. Ich verstand einfach nicht, warum er mir plötzlich freiwillig einen Gefallen tun wollte. War mir ehrlich gesagt auch nicht sicher damit, inwiefern ich die Anwesenheit von den beiden gleichzeitig überhaupt ertragen müssen wollte. Ich sagte ihm also lediglich, dass ich es mir überlegen würde und kümmerte mich dann nur um mein Frühstück, bevor ich mich wieder bei Iljah verkroch. Lange Rede, kurzer Sinn - am späten Nachmittag fand ich mich auf dem Rücksitz der gemieteten Limousine wieder und zumindest passierte im ersten Moment nichts Schlimmes. Die beiden schwiegen die Hinfahrt über auf den Vordersitzen ziemlich vehement, also hielt ich selbst auch die Klappe und war froh darüber, wortlos in meine Wohnung entlassen zu werden. Ehrlich gesagt hatte ich eine Heidenangst davor, was ich da oben sehen würde. Ob mir gar der Geruch zweier schon länger lebloser Körper an der Wohnungstür entgegenschlagen würde. Aber nichts dergleichen passierte. Stattdessen war die Wohnung leer und es sah nicht so aus, als hätte hier in den letzten zwei Wochen Jemand gewohnt. Ich sah mich erst ein wenig um und in einem Topf schimmelten Essensreste vor sich hin, was an und für sich schon absolut untypisch war und außerdem auch nicht grade erst seit gestern da rumstehen konnte. Ich versuchte die Gedanken an Anastasia und Ksenia bestmöglich hinten anzustellen, weil ich wusste, wie ungeduldig Hunter für gewöhnlich war. Also ging ich bald schon in mein Zimmer, um einen Rollkoffer unter dem Bett hervor zu ziehen. Ich zog alles, was ich brauchte, nach und nach zügig aus dem Schrank und legte es möglichst so in den Koffer, dass viel hinein passte. Ich konnte schlecht alles mitnehmen, auch wenn es mir schwerfiel keinen unnötigen Kram mit einzupacken, sondern eben auf das Wichtigste zu reduzieren. Ich quetschte neben meinem ganzen Drogeriezeug auch noch zwei Paar Schuhe mit rein, für mehr war dann kein Platz mehr. Ich hatte sicher an die zwanzig Minuten gebraucht und ging deshalb flink mit einem weiteren Paar Schuhe in der freien Hand zurück zur Haustür. Schloss hinter mir wieder ab, bevor ich nach unten ging und dort noch einen Blick in den Briefkasten im Flur warf. Er quoll förmlich über und ich ging die Briefe nur schnell durch, um die an mich adressierten herauszufiltern. Mit dem Koffer in der einen, dem Paar Schuhe und den Briefen in der anderen Hand ging ich dann eilig zurück zum Wagen, um mein Gepäck inklusive Schuhe in den Kofferraum zu heben. Die Briefe nahm ich mit auf die Rückbank und begann sie auf dem weiteren Weg durchzulesen. Manches war nur Werbung von Modehäusern, anderes wiederum beinhaltete Rechnungen oder andere vermeintlich wichtige Mitteilungen. Ich hatte genug damit zu tun, um erst spät zu merken, dass wir uns immer weiter von den belebteren Stadtvierteln Moskaus entfernten. Als ich die Briefe alle durchhatte und mit einem Seufzen neben mir auf der Rückbank ablegte, hob ich den Blick erstmal seit dem Losfahren an der Wohnung wieder an und meine Augenbrauen zogen sich sofort ein wenig zusammen. Wir befanden uns in einem schlechten Stadtviertel, das überwiegend von Kleinverdienern und Kriminellen bewohnt war. Auch das dahinter liegende, in die Jahre gekommene Industrieviertel machte die Sache irgendwie nicht weniger verdächtig. "Wo... fahren wir hin?", fragte ich murmelnd und drehte den Kopf wieder nach vorne. Hunter warf mir einen leicht funkelnden Blick vom Fahrersitz aus durch den Rückspiegel zu, schwieg aber. Die Nervosität begann mir unweigerlich im Hals nach oben zu kriechen.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Inzwischen war ich mir ziemlich sicher, dass Iljah endgültig den Verstand verloren haben musste. Normalerweise hütete ich mich stets davor, Entscheidungen, die mein Bruder traf, in Frage zu stellen, aber als er mir letzte Woche beichtete, dass er eine Abmachung mit Hunter getroffen hatte, um Irinas Leben zu retten, wäre ich fast vom Glauben abgefallen. Schön und gut, dass die junge Frau uns geholfen hatte, meinen Bruder aus den Fängen der Sorokins zu befreien, aber war ihm eigentlich klar, dass sie faktisch gesehen der Grund dafür war, warum er all das überhaupt erst hatte durchstehen müssen? Es entzog sich mir wirklich jeglicher Logik, warum er noch immer ein Interesse daran hatte, mit ihr seine Zeit zu verbringen. Sie am Leben zu lassen und nicht einfach aus dem Weg zu räumen als Retourkutsche für ihren Verrat. Aber gut, wer war ich, darüber zu urteilen? Ich konnte noch so oft versuchen, Iljah diesbezüglich ins Gewissen zu reden und er würde vermutlich trotzdem immer genau das Gegenteil von dem tun, was ich ihm riet. Sollte er mit Hunter also ruhig Abmachungen treffen – mir konnte das egal sein, solange er mich da raushielt. In unserer Familie schien es jedoch ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass solche Gedanken immer mit dem gegenteiligen Ausgang verbunden waren, denn natürlich hielt mich Iljah keinesfalls aus seinen beschissenen Angelegenheiten heraus. Anfang der Woche setzte mich der junge Mann beiläufig in einer knappen Unterhaltung darüber in Kenntnis, dass ein wesentlicher Teil der Vereinbarung zwischen ihm und dem Amerikaner auf meinem Rücken ausgetragen werden sollte, weil er mich bat, Hunter keinen müden Penny dafür zu berechnen, dass ich ihm seine Ware von Kuba nach Russland verschiffte. Mir wäre beinahe die Kaffeetasse gen Boden gesegelt, so fassungslos war ich gewesen, dass Iljah doch allen Ernstes die Dreistigkeit besaß, mich gleich mit für Irinas wertloses Leben zahlen zu lassen. Bevor allerdings tatsächlich noch etwas zu Bruch gegangen war, hatte ich mich lautstark aus dem Haus geschert und war erst am Abend wieder zurückgekehrt. Allerdings auch nur, weil über den Tag verteilt die Bisswunden Mucken gemacht hatten und die Verbände gewechselt werden wollten. Anschließend hatte ich meinen Bruder noch für ein paar weitere Tage vollumfänglich ignoriert und erst wieder ein Wort mit ihm geredet, nachdem ich bei Hunter noch einmal so richtig Dampf abgelassen hatte. Natürlich war ich – wie erwartet – nur auf taube Ohren gestoßen, aber darum ging es am Ende dann auch gar nicht mehr. Dass der Amerikaner nicht mit sich verhandeln lassen würde, war mir sowieso schon im Vorfeld klar gewesen, aber der Frust musste nun mal trotzdem irgendwie raus. Sollte ja niemand denken, dass ich das einfach auf mir sitzen ließ. Der springende Punkt war jedenfalls, dass der Tätowierte nicht weniger gut auf Irina zu sprechen war und die Unzufriedenheit ihm trotz der großzügigen Entschädigung quasi ins Gesicht geschrieben stand. Absolut nachvollziehbar, wenn man mich fragte, würden mich die Rachegelüste doch selbst beinahe wahnsinnig machen. Long story short kotzte ich mich bei dem jungen Mann daraufhin noch eine ganze Weile aus und das sogar ohne ihm noch weiter Vorwürfe zu machen. Ich konnte ihn schließlich auch irgendwo verstehen. Für Hunter musste es sich schließlich lohnen, eine solche Verräterin am Leben zu lassen und damit potenziell sein Geschäft und auch sein eigenes Leben zu gefährden. Dass es da nicht mit einer einfachen Entschuldigung und dem Versprechen, dass das definitiv nicht wieder vorkommen würde, getan war, war nachvollziehbar. Trotz dass Hunter und ich uns normalerweise mit Vorsicht zu genießen wussten, verband uns der Hass auf die gleiche Person ziemlich schnell und so kamen wir recht spontan auf die Idee, dass es doch irgendeine Möglichkeit geben musste, Irina trotzdem noch eins auszuwischen, wenn sie schon nicht sterben durfte - ha ha. Im Grunde genommen schien sich der Choleriker auch schon einen Plan zurechtgelegt zu haben, der sich in einer moralisch verwerflichen Grauzone der Abmachung zwischen Iljah und ihm bewegte. Sicher hatten wir uns auch schon kurz darüber unterhalten, dass ich einfach diejenige sein könnte, die der Serbin das Leben aushauchte und es wäre gelogen, würde ich behaupten, dass ich es nicht wirklich wollen würde. Nur wusste ich leider, dass das tendenziell das endgültige Aus für die Beziehung zwischen Iljah und mir gewesen wäre, also sah ich zähneknirschend dann doch davon ab. Außerdem würde er Hunter trotzdem noch das Geld zahlen müssen, weil er schließlich nicht derjenige gewesen war, der Irina umgelegt hatte. Die Vereinbarung würde also auch beim Tod der jungen Frau noch bestehen bleiben und das war dann gleich doppelt rausgeworfenes Geld. Aber... das große Aber an der Geschichte war jedoch, dass laut Aussage des Amerikaners nicht ausgeschlossen worden war, die Schwarzhaarige hier und da etwas zu... belehren. Ich wollte nicht gleich verletzen sagen, das klang so unschön, aber im Grunde genommen würden wir genau das tun. Irina verletzen. Ihr einfach zeigen, dass sie absolut nicht willkommen war und vielleicht reichte die ein oder andere Abreibung ja schon aus, damit sie sich freiwillig dazu entschied, ihre Koffer zu packen und ans andere Ende der Welt zu verschwinden. Alternativ durfte sie sich natürlich auch gerne vom nächsten Hochhaus stürzen. Vom Balkon des Hotels vielleicht, in dem sie Iljah vor Kurzem ein Messer in die Brust gerammt hatte. In jedem Fall hatte Hunter dahingehend schon eine wirklich exzellente Idee ausgearbeitet und ich half ihm wiederum gegen ein gewisses Entgelt bei der Umsetzung. Das geografische Know-How Moskaus war ganz einfach von Vorteil, weil man wusste, wohin man Leute bringen musste, damit sie im Fall der Fälle kein Arsch schreien hörte und nachdem wir gemeinsam eine abgelegene Lagerhalle außerhalb der Stadt auserkoren hatten, war meine Laune fast schon wieder so etwas wie gut. Bis es allerdings so weit war, dass wir die Schwarzhaarige dorthin locken konnten, vergingen aber sicher auch noch einmal zwei, vielleicht sogar drei Tage, weil es einfach unwahrscheinlich auffällig gewesen wäre, sie aus heiterem Himmel zu fragen, ob sie nicht vielleicht mal eine Stadtrundfahrt machen wollen würde. Sie hätte viel zu früh Verdacht geschöpft und deshalb galt es den richtigen Moment abzupassen. Dass sich ihr Klamottenvorrat langsam dem Ende entgegen neigte, kam uns daher sehr gelegen und Hunter nutzte die Gunst der Stunde, auf den Zug aufzuspringen und der Serbin anzubieten, sie zu fahren, weil wir ohnehin in der Gegend noch etwas zu erledigen hatten. Ja ja. Dass dieses etwas erledigen beinhaltete, der Schwarzhaarigen einen Denkzettel zu verpassen, musste sie ja noch nicht wissen. Es fiel mir wirklich unglaublich schwer, am Tag des Vorhabens nicht schon grinsend in das Auto einzusteigen. Einzig und alleine die Schmerzmittel, mit denen ich mich noch regelmäßig vollpumpte, verhalfen mir dabei, einen ansatzweise neutralen Gesichtsausdruck beizubehalten, während wir uns auf dem Weg zur Wohnung der jungen Frau befanden. Als besagtes Miststück dann für einige Minuten verschwunden war, erklärte ich meinem Beifahrer noch einmal grob die Richtung, der er einschlagen müsste, um nicht allzu viel Aufmerksamkeit zu erregen. In Endeffekt war es zwar relativ egal gewesen, weil Irina sowieso die meiste Zeit über damit beschäftigt gewesen war, sich durch Briefe zu lesen, aber das war vorher ja überhaupt nicht absehbar gewesen. Die Route, die der Amerikaner schließlich fuhr, führte einerseits durch die Innenstadt, kreuzte dann Moskaus Reichenviertel und mündete irgendwann in dem absolut heruntergekommensten Seitenstraßen der Stadt. Am Ende eben dieser Straßen gab es dann einen Schotterweg, der zwei kleine Stadtteile miteinander verband und in denen es nichts als Industrie und abgelegene Lagerhallen gab. Unter der Woche war hier also nach Feierabend recht wenig los und suchen, geschweige denn finden würde die junge Frau hier auch niemand. Leider waren die Briefe scheinbar nicht ausreichend, um Irina bis zu unserer Ankunft am Zielobjekt zu beschäftigen, was mich unwillkürlich leise seufzen ließ. Ich hatte schlichtweg keine Lust, mich mit der Verräterin groß zu unterhalten, also hielt ich die Antwort auf ihre Frage recht kurz. "Haben wir doch schon gesagt... wir haben noch was zu erledigen.", gab ich ihr gegen die Hand, an der ich meinen Kopf stützte, murmelnd eine Erklärung dafür, warum wir uns nicht wieder auf dem unmittelbaren Weg nach Hause befanden, sondern noch einen kleinen Abstecher machten. Blöderweise war sie ebenfalls in Russland aufgewachsen und kannte die Gegend aufgrund ihrer Vergangenheit sicher genau so gut wie ich, aber war es denn wirklich auffällig, wenn wir behaupteten, dort etwas erledigen zu müssen?
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Heute war ein guter Tag. Inzwischen begann ich zwar zu merken, dass mein Körper gerne mal wieder eine Pause von den Schießereien und Raubzügen hätte, aber meine Laune könnte trotzdem kaum besser sein. Nichtsdestotrotz bediente ich mich inzwischen doch lieber an Schmerzmitteln. Durch die ständige Bewegung verheilte die Verletzung am Oberarm schlecht, war in den ersten Tagen noch zwei Mal aufgerissen und außerdem tat sie durch die nicht vorhandene Ruhigstellung natürlich auch öfter und mehr weh. Ich scherte mich nicht um die nächste unschöne Narbe auf meinem Körper, hatte ich mich an jene doch längst gewöhnt und würde sie bei Gelegenheit wohl einfach mal wieder allesamt mit Tinte zutackern lassen, damit sie weniger auffielen, aber der Schmerz war einfach lästig. Ich schaffte es leicht in Gefechten darüber hinwegzusehen, weil da meine jahrelange Erfahrung und das Adrenalin als perfektes Team Hand in Hand gingen, aber im Alltag war eine Schusswunde einfach mehr als ein bisschen nervtötend. Naja, sei's drum - Irina heute eine kleine Lektion zu erteilen würde Licht in meinen momentan doch sehr stressigen Lebensstil bringen. Dabei war es nicht nur die Tatsache, dass ich ihr wie so vielen anderen Verrätern auch ein kleines Souvenir von mir mitgeben würde, weshalb ich mich freute. Ich hoffte doch auch wirklich darum, dass sie dadurch endgültig verstand, dass die Welt jetzt nicht plötzlich wieder in Ordnung war, nur weil ich sie hatte weiter atmen lassen. Dass sie deshalb jetzt weder plötzlich wieder einen guten Ruf hatte, noch sich auch nur den kleinsten Fehler mir gegenüber erlauben durfte. Ich hatte nämlich das Gefühl, dass sie den Ernst der Lage nicht so ganz wahrnahm, sondern nur auf ihrer blöden Wolke 7 mit Iljah herumgammelte. Sie machte zwar keinen Mucks und verhielt sich so still wie nur irgendwie möglich war, um nicht noch mehr Ärger auf sich zu ziehen, aber ich glaubte trotzdem zu wissen, dass sie noch nicht wirklich auf dem Boden der Tatsachen angekommen war. Sie hatte sich durch diese Aktion nicht nur keine Freunde gemacht, sondern sich auch zwischen die beiden Geschwister gestellt. Wenn ich eins über die letzten Jahre gelernt hatte, dann, dass es grundsätzlich niemals ein gutes Omen war, wenn ich kriminellen Clans Unstimmigkeiten herrschten. Gut, mochte schon sein, dass ich es mit meinem Preis für Irinas Leben auch nicht besser gemacht hatte, aber ich war dabei ja absolut nicht das Kernproblem. Genau deswegen juckte es mich auch herzlich wenig, dass Vahagn ihren Unmut über den Handel mit ihrem Bruder bei mir ausließ. Im Grunde ging so ziemlich alles davon einfach nur zum einen Ohr rein und zum anderen direkt wieder raus und danach hielt sie sich was das anging auch zurück. Allein deswegen schon, weil wir durch diesen ganzen Mist sowas wie einen gemeinsamen Feind hatten. Wie hieß es so schön? Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Die Brünette und ich mochten unsere Differenzen haben, aber was das schwarzhaarige Biest an Iljahs Seite anging, da waren wir uns mehr als einig. Es dauerte deshalb gar nicht wirklich lange, bis wir uns ein gemeinsames Ziel setzten. Die Umsetzung von Irinas Abreibung war leider nicht ganz einfach und schwer in die Wege zu leiten, weil sie nicht absolut dumm sein konnte. Anders ließ sich für mich zumindest nicht erklären, wie sie bis hier hin überhaupt am Leben geblieben war. Ich gab es nur ungern zu, aber die Sorokins stellten selbst für mich keine leichte Zielscheibe da. Ich hatte sie inzwischen schon zwei Mal gesehen, aber sie waren mir eben auch zwei Mal wieder entwischt. Ich hasste es, mich in Moskaus Straßen nur wenig auszukennen, bot das dem Rattenpack doch einen immensen Vorteil und Vahagns Männer konnten den nicht komplett ausgleichen, allein schon der Sprachbarriere wegen. Ein bisschen Russisch konnte ich inzwischen, aber mehr dann eben auch nicht und mir schien, als wären die Russen was neue Sprachkenntnisse zu erlangen anging - in dem Fall englische - ein durchweg faules Pack. Trotzdem würden die beiden Brüder auch mit ihrem Netzwerk nicht ewig weglaufen können. Mir war bisher noch Niemand durch die Lappen gegangen, der von der Bildfläche verschwinden sollte. Das würde also auch dieses Mal nicht anders ausgehen. Jedenfalls brauchte es trotzdem zuerst eine gute Vorlage, quasi den richtigen Moment dafür, Irina ihren Denkzettel verpassen zu können. Es war wohl ziemliches Glück, dass die Schwarzhaarige selbst die ideale Einleitung für ihr eigenes Verderben startete. Ich versuchte sie ganz bewusst nicht künstlich mit Nachdruck zu überreden, dass sie uns begleiten und dabei ihre Klamotten holen sollte, weil sie nicht glauben sollte, dass ich etwas im Schilde führte. Die Skepsis war ihr in jenem Moment in der Küche auch so schon deutlich anzusehen, aber sie entschied sich ein paar Stunden später dennoch dazu, uns tatsächlich zu begleiten. Es war meinem über die Jahre hinweg antrainierten Pokerface zu verdanken, dass ich dabei nicht zu grinsen anfing, aber die Vorfreude war groß. Grauzone hin oder her - ich hatte nie gesagt, dass ich Irina nicht weh tun würde. Theoretisch konnte ich also beide Arme abhacken, solange sie daran nicht verblutete und weiter atmete. Da empfand ich die von mir angepeilte Strafe doch als verhältnismäßig mild für ihren schwerwiegenden Verrat, was auch nur der Tatsache zu Grunde lag, dass ich Iljah dadurch nicht mehr als nötig gegen mich aufbringen wollte. Zugegeben war es dann später sehr ungewohnt nur mit zwei Frauen im Gepäck durch die Stadt zu fahren, kam das so bei mir doch normalerweise nie vor. Deshalb begrüßte ich es auch sehr, dass keine von beiden übermäßig viel Lust dazu zu haben schien, mir ein Ohr abzukauen. Ich wechselte lediglich ein paar Worte mit Vahagn, während Irina oben in der Wohnung war, um mir noch einmal genau einzuprägen, wo ich am besten lang fuhr. Sollte so weit auch gar kein Problem werden, denn mein Orientierungssinn war gut und die Schwarzhaarige auf der Rückbank war zumindest den Großteil der Weiterfahrt über ziemlich mit ihrem Papierkram beschäftigt. Leider nicht ganz lange genug, um bis zum Erreichen unseres Ziels den Kopf unten zu halten. Ich weigerte mich diese dämliche Frage zu beantworten und deshalb nahm mir das Vahagn etwa ebenso wenig begeistert ab, während ich den Wagen weiter auf der Straße hielt. Irina sagte danach nichts mehr, aber ich konnte im Rückspiegel ganz gut sehen, wie sie förmlich auf ihrem Hintern hin und her zu rutschen begann. Lange musste sie das allerdings gar nicht mehr, bog ich doch schon bald auf den Schotterweg ein und von da an dauerte es dann höchstens noch fünf Minuten, in denen der Wagen in gemütlichem Tempo über den Schotter rollte, bis ich ihn schließlich anhielt. Mir stach nämlich eine ziemlich heruntergekommene Halle ins Gesicht, die absolut perfekt dafür sein dürfte das kleine Biest in die Mangel zu nehmen. Ich stand nicht gern auf offener Fläche rum, wenn ich Jemandem Buchstaben in die Haut ritzte. Mit den knappen Worten "Steig' aus." und einem flüchtigen Blick nach hinten zu Irina stieß ich ohne Umschweife die Fahrertür auf. Zog mir noch dabei die Kapuze des schwarzen Hoodies unter der Lederjacke über den Kopf, nur für den Fall, dass in der Nähe Kameras herumhingen. Ein paar Sekunden später zog ich die Tür hinter dem Fahrersitz auf, um die Schwarzhaarige finster anzusehen. "Das war keine freundliche Bitte, jetzt beweg' deinen Arsch.", murrte ich ihr entgegen. Sie schluckte, bevor sie sichtbar zögerlich aus dem Wagen stieg und sich draußen dann ebenfalls die Kapuze ihres Pullovers überzog. Ich schmiss die Tür wieder zu und riegelte die Limousine ab, als alle ausgestiegen waren und symbolisierte mit einem seitlichen Kopfnicken insbesondere Irina mir zu folgen. Vahagn würde das ja ohnehin von selbst tun. Ich ging auf die etwa eineinhalb Meter in der Luft aus dem Gebäude ragende, steinerne Laderampe zu und kletterte jene nach einem Blick auf das durchweg rostige Vorhängeschloss hoch. Mein Arm war wenig davon erfreut, dass ich mich da hoch hievte, stand mangels Treppe aber wie so oft weit hinten an. Ich verpasste dem alten Schloss, das nicht weit über dem Boden der Rampe hing, zwei gezielte Tritte mit dem rechten Stiefel und es brach ziemlich mühelos auseinander, woraufhin ich meine Hand an den eisernen Griff des Rolltors legte und es - mit der Hauptbelastung auf dem unverletzten Arm - hochzog. Es hielt allerdings auch nicht mehr von alleine oben, weshalb ich es zwangsweise kurzzeitig mit auf meiner Schulter abstützen musste, während ich meinen Blick schweifen ließ. War relativ duster da drin und bis auf ein paar doppelt und dreifach verbretterte, alte Holzkisten war in dem Dämmerlicht, das durch die hohen, verstaubten Fenster fiel, nicht wirklich was zu sehen. "Rein da.", wies ich die beiden Frauen dazu an ihre Ärsche ebenfalls die Rampe hochzubewegen, weil ich das Tor nicht ewig halten können würde. Ich war zwar nicht schwach, aber es hatte so seine Gründe, warum man in solchen Tore bevorzugt Mechanismen verbaute, die die Scheißdinger automatisch oben hielten. Außerdem konnte ich doch ganz gut darauf verzichten, dass mir die Schulter noch ein drittes Mal unter Belastung aufriss.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Irina tat sich wirklich gut daran, nicht weiter nachzufragen und stattdessen einfach die Klappe zu halten. Auch mir entging natürlich keinesfalls, dass meine Worte sie beunruhigt hatten, aber mir fiel in dem Augenblick nichts leichter, als das geflissentlich zu ignorieren. Ich hatte nämlich genauso wenig Lust wie Hunter mich mit dieser Pestbeule mehr zu unterhalten, als das tatsächlich notwendig war und konzentrierte mich deshalb schon bald wieder auf die Straße. Ich saß zwar nicht hinter dem Steuer und war deshalb kein aktiver Verkehrsteilnehmer, aber es war allemal interessanter, als mit der Schwarzhaarigen unnötig viele Worte zu wechseln. Außerdem vermutete ich, dass Irina sowieso keinen Ton mehr rausbringen würde, selbst wenn sich einer von uns dazu erbarmt hätte, einen Smalltalk mit ihr zu führen. Also schwiegen wir einander für den Rest der Fahrt an, bis Hunter das Auto auf dem Vorhof einer verlassenen Lagerhalle anhielt und den Motor abstellte. Während der Amerikaner zügig ausgestiegen war und von der Serbin selbiges verlangte, brauchte ich noch einen Augenblick, weil es mit der Verletzung am Bein schlichtweg anstrengend und zeitaufwändig war, halbwegs schmerzfrei vom Beifahrersitz zu rutschen. Ich bildete also das Schlusslicht unseres Entenmarschs in Richtung Tor zur Halle und schon von weiter weg sah ich etwas, dass mir ganz und gar nicht gefiel. Für gewöhnlich war ich relativ sportlich, kam gut damit zurecht, über Zäune, parkende Autos oder halbhohe Mauern klettern zu müssen, aber mit den Bisswunden an Arm und Bein sackte meine Laune gleich ein ganzes Stück ab, als ich die in der Luft befindliche Laderampe erblickte. Weil der Eingang mit Aufstieg in Form einer Treppe für die damals hier arbeitende Belegschaft sehr wahrscheinlich auf der anderen Seite der Halle lag, wo alle paar Meter ein paar Kameras montiert waren, kam es leider überhaupt nicht in Frage, dass ich mich von den beiden abkapselte, um stattdessen bequemer in die Lagerhalle zu kommen. Meist waren die Videokameras zwar defekt oder dienten lediglich der Abschreckung, aber zum einen war ich mir absolut nicht sicher, welche davon jetzt tatsächlich fake waren und zum anderen wollte ich jetzt auch ganz einfach keine Zeit verschwenden. Ich hatte noch weitaus besseres zutun, als mich ausschließlich um die Schwarzhaarige zu kümmern. Es galt also auch für mich in den sauren Apfel zu beißen und den Schmerz durchzustehen, der mir durch den Körper fuhr, als ich mich mit Schwung an der Ladekampe nach oben zog. Kaum stand ich wieder auf beiden Beinen wurde mir leicht schwarz vor Augen und ich brauchte zwei Atemzüge, bis sich auch der verkrampfte Gesichtsausdruck wieder etwas entspannt hatte. Dann allerdings schlüpfte ich zügig unter dem von Hunter offen gehaltenen Tor ins Innere. Ich machte mir gar nicht erst die Mühe, zu versuchen, das Ding für den Amerikaner geöffnet zu halten, weil ich bei dem Tor buchstäblich sehr wahrscheinlich in die Knie gegangen wäre, aber da wir zu dritt waren, bevor es einen lauten, metallenen Knall gegeben hatte, schien Hilfe auch absolut nicht mehr notwendig zu sein. Meine Augen brauchten einen Moment, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen und des modrigen Geruchs wegen verzog ich auch kurz etwas das Gesicht, bevor ich mich Schritt für Schritt an der Wand entlang tastete, um den Lichtschalter für die Halle zu finden. Hier in Russland wurde der Strom nämlich grundsätzlich nicht abgeschaltet, alte Lagerhallen waren zumeist nur dann wirklich stockfinster, wenn die Leitungen oder Glühbirnen über die Jahre dem wetterbedingten Verschleiß zum Opfer gefallen waren, aber in unserem Fall hatten wir Glück. Schwach vor sich hin flackernde Leuchten nahe des Tors zur Laderampe wiesen auf den Stromkasten hin, in dem ich kurzerhand den Hauptschalter für die Halle umlegte. Zugegeben war das Geräusch, was die Lampen machten, als nach vermutlich jahrelanger Nichtnutzung das erste Mal wieder Strom durch die Leitung floss, nicht unbedingt beruhigend, aber nach kleineren Anlaufschwierigkeiten konnte man tatsächlich schon mal wieder die eigene Hand vor Augen sehen. Die Qualität der Deckenleuchten ließ zwar zu wünschen übrig und eine Röhre verabschiedete sich auch sofort mit einem lauten Knacken, aber für unsere - oder besser gesagt Hunters - Zwecke war das vollkommen ausreichend. Die Halle war nun in ein schummriges Licht gehüllt und ich ließ meinen prüfenden Blick langsam schweifen. Genug Platz war hier allemal und ein paar fast schon schimmlige Paletten an der Wand machten sich gut als Sitzgelegenheit für die Schwarzhaarige, der inzwischen jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen sein dürfte. Ich machte mir sogar extra die Mühe, drei Paletten unweit des Tores über den Boden zu ziehen, was bedingt durch den verletzten Arm, den ich zu schonen versuchte, etwas länger dauerte. Als ich das erledigt hatte, war es an mir, das Wort an die junge Frau zu richten. "Setz' dich doch.", flötete ich im Singsang eine Aufforderung in ihre Richtung und deutete mit der Hand auf die morschen Europaletten. Durch die plötzliche Bewegung mit der Hand wirbelte ich den in der Luft liegenden Staub auf, was mich kurzum leise husten ließ. Der Anflug von guter Laune war damit dann auch schon wieder weg. Fürs Erste war das aber auch noch gar nicht weiter schlimm, denn bis Irina meiner freundlichen Bitte nachgekommen war, zog erst noch eine halbe Ewigkeit ins Land und beinahe hätte ich sie genauso ungeduldig angefaucht, wie Hunter es gerade draußen bereits getan hatte. "Wir... würden gerne noch einmal mit dir reden, Irina. So unter Freunden, du weißt schon...", grummelte ich ferner weiter, unterstrich die absolut ironischen Worte gen Ende ebenfalls mit einer rudernden Handbewegung, wobei ich dieses Mal darauf bedacht war, nicht ganz so viel Wind zu machen. Dass wir keine wirklichen Freunde waren musste sicher nicht noch extra erwähnt werden, oder? "Ich für meinen Teil... würde dich gerne in der Familie willkommen heißen." Ja, und meine Oma war die Kaiserin von China. Oder der Papst. Was auch immer. Natürlich meinte ich die Worte kein bisschen ernst, aber sie würde das schon wissen. Ich hielt sie nicht für dumm genug, mir blind abzukaufen, dass wir sie hierher entführten, nur um mit ihr gebührend zu feiern, dass sie jetzt bedauerlicherweise wirklich ein Teil meiner Familie darstellte, solange sie unter Iljahs Schutz stand. Natürlich würde ich sie als Mitglied niemals und unter keinen Umständen akzeptieren, aber das... war aktuell eher zweitrangig.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es war sehr naiv gewesen zu glauben, dass Hunter und Vahagn mir freiwillig ihre Hilfe anboten, oder? Ich hätte wissen müssen, dass da mehr dahinter steckte. Hatte es vielleicht eigentlich auch schon gewusst und es nur verdrängt, weil ich hin und wieder gerne sowas wie an das Gute im Menschen glauben wollte. Bei Iljah hatte ich das schließlich auch unter der Fassade gefunden, obwohl es lange unerreichbar ausgesehen hatte. Allerdings war es sowohl bei Hunter, als auch bei Vahagn im Grunde nicht weniger als sehr vorhersehbar, dass sie ihre Meinung über mich bis dato noch nicht geändert hatten. Mir wurde immer mulmiger, je länger der Wagen nach meiner Frage noch rollte. Ich meine, es hatte wirklich gute Gründe, warum ich mich grundsätzlich nicht in Vierteln wie diesem alleine herumtrieb. Tagsüber mochte das vielleicht noch irgendwie gehen, aber nicht am Abend und schon gar nicht in der Nacht. Es konnte also ganz bestimmt nichts Gutes bedeuten, dass ich die beiden hierher begleitete. Als Hunter den Wagen dann schließlich anhielt und mir absolut stumpf sagte, dass ich mit aussteigen sollte, fuhr mein Puls unmittelbar hoch und meine Augen weiteten sich. So viel zu zu dem noch was erledigen. Das konnte es nicht sein, was sie hier vor hatten, wenn ich dafür mit aussteigen sollte. Normalerweise wären sie ja ohne mich gefahren. Angeblich. Vielleicht hätte ich meine häufig überreagierende Paranoia dieses eine Mal besser nicht abschalten sollen. Nachdem ich zwangsweise ausgestiegen war - ich hatte wenig Lust darauf, dass Hunter mich doch noch an den Haaren hinter sich her zog - und letztlich hinter dem Fahrer des Wagens herging, nestelte ich an den Ärmel meines Pullis herum. Zusätzlich war es jetzt auch noch arschkalt für mich, weil ich logischerweise nicht geplant hatte, meinen Hintern oft oder lange aus dem beheizten Wagen bewegen zu müssen. In der Wohnung war schließlich keine Jacke notwendig gewesen. Ich sog wegen der Kälte einmal scharf die Luft ein, als der Amerikaner sich an der Laderampe der offensichtlich nicht oder nur noch selten genutzten Lagerhalle hochstemmte. Ich zog die Augenbrauen verunsichert zusammen und legte dabei automatisch leicht die Stirn in Falten, als er das Tor schließlich hochzog. Ich hielt es doch für recht unwahrscheinlich, dass er auch hier Material zum Handeln klauen wollte, weil er dann ganz sicher nicht allein mit Vahagn und ohne anständigen Lieferwagen hier hergekommen wäre. Noch während er also einen Blick in die Lagerhalle warf, sah ich mein Leben schon wieder vor meinem inneren Auge vorbeiziehen. Wäre dann am liebsten einfach umgedreht und weggerannt, als er uns bat an ihm vorbei nach drinnen in die Halle zu schlüpfen. Allerdings hatte ich wohl doch schon zu oft mit Schwerverbrechern verkehrt, um mit Sicherheit zu wissen, dass ich damit nicht weit kommen würde. Wenn ich Glück hatte, würde er nur hinter mir her sprinten und mich dank seiner längeren Beine schnell einholen oder irgendwo nahe mir auf den Boden schießen, um mich damit zum Anhalten zu bringen. Oder aber er würde mir einfach direkt ins Bein schießen, ging er doch meiner Beobachtung nach nie ohne Waffe aus dem Haus. Also zog ich mich etwas mühselig an der Kante hoch, weil ich zum einen einfach nicht wirklich stark war und ich außerdem nur um die zwanzig Zentimeter größer war. Ich verzog wegen dem Kraftaufwand und der Bewegung das Gesicht, löste das doch unweigerlich Schmerzen an dem langsam verheilenden Streifschuss aus, den man normalerweise in diesem Stadium ziemlich sicher noch hätte schonen sollen. Oben angekommen wischte ich mir die Hände noch während den ersten Schritten in die Halle an der Jeans ab und es dauerte nicht lange, bis Vahagn dann das Licht in Gang gebracht hatte. Ich legt die Arme schützend um meinen Körper, als ich meinen Blick durch die Halle wandern ließ. Wirklich viel außer Staub und flackernde Lichter gab es hier nicht zu sehen und ich musste unweigerlich niesen, als die Brünette schließlich mit ein paar Paletten einiges an Staub aufwirbelte. Meine Augen wanderten zu ihrem Gesicht, als sie mich darum bat Platz zu nehmen und allerspätestens da war ich mir absolut sicher damit, dass mein Tag gelaufen war. Nicht, als wäre er bis hierhin wesentlich positiver verlaufen als die letzten, aber ich konnte auf weitere Eskapaden eigentlich wirklich gut verzichten. Ich zögerte wieder, nickte schließlich aber kaum sichtbar und ging mit langsamen Schritten auf die Paletten zu, um mich letztlich auf das dreckig bis morsche Holz sinken zu lassen. Den Gegner - der in diesem Fall dann wohl ich und damit eigentlich sowieso schon nicht ernst zu nehmen war - in eine Position unterhalb der eigenen Augenhöhe zu bringen war eine sehr klassische Einschüchterungstaktik, die bei mir nicht einmal notwendig gewesen wäre. Vahagns Tonfall und Worte reichten da eigentlich für sich schon vollkommen aus. Einen kurzen Moment lang sah ich noch zu ihr hoch, dann huschte mein Blick zu Hunter und dann starrte ich auf meine Hände, die ich in der Zwischenzeit auf dem Schoß gefaltet hatte, ohne sie weit aus den Ärmel genommen zu haben. Ein Gespräch unter Freunden sah wohl eher anders aus und ich würde auch nicht in der Familie willkommen geheißen werden, also wartete ich ab jetzt wohl nur noch darauf, dass der Sturm über mir herein brach. Ich sah im Augenwinkel, dass Hunter es sich auf einer größeren Holzkiste bequem machte, kurz bevor ich zu ein paar Worten ansetzte. "Ich... erwarte gar nicht, dass ihr mich leiden könnt... nach allem, was war. Aber können wir nicht wenigstens... das Kriegsbeil begraben?" Ich redete nicht besonders laut und war hörbar verunsichert, aber der Amerikaner konnte mich offenbar deutlich genug hören, um kurz darauf die Halle mit einem höhnischen Lachen zu füllen. Ich fragte mich wirklich, was in seinem Leben eigentlich so unfassbar schief gelaufen sein musste, damit er zu so einem Psychopathen wurde und gefühlt immer dann die beste Laune hatte, wenn Jemandem Unheil bevorstand, an dem er auch noch selbst beteiligt war.
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Das meinte Irina doch jetzt nicht wirklich ernst, oder? Wenn doch, dann müsste ich meine Überlegung von gerade eben eventuell doch noch einmal überdenken. Nur wirklich dumme Menschen kämen auf die Idee, dass Hunter und ich tatsächlich irgendwelche Kriegsbeile begraben würden. Wenn man mich fragte, dann war die eine Persönlichkeit nachtragender als die andere und wenn man bei uns erst einmal ein Stein im Brett hatte, dann ging der auch entsprechend nur sehr schwer oder gar nicht mehr weg. Abhängig davon, was man sich hatte zu Schulden kommen lassen. Der Verrat der Serbin war wohl so ziemlich das Paradebeispiel dafür, dass man Hunter und mich auf Ewigkeit gegen sich aufbringen konnte. Also nein, wir konnten hier absolut nichts begraben, außer vielleicht die menschlichen Überreste ihrer Leiche, wenn Irina weiterhin auf so abwegige Ideen kam. Der Amerikaner stimmte bereits ein Lachen an, dem ich mich so gehässig auch nur anschließen konnte. Währenddessen schüttelte ich leicht den Kopf und als die Belustigung abgeklungen war, sackten auch meine Mundwinkel sofort wieder ab. „Glaubst du echt, dass das so leicht ist? Dass wir das überhaupt wollen?“ Zwei rein rhetorische Fragen, ich erwartete überhaupt keine Antwort. Ließ Irina nicht einmal die Zeit, mir eine zu geben, wenn sie es unnötigerweise für richtig gehalten hätte. Gute Ideen waren bei der Schwarzhaarigen offensichtlich nämlich rar gesät. "Ich meine... nicht, dass ich für Hunter sprechen könnte, er wird dir seine Meinung diesbezüglich sicher auch noch einmal unmissverständlich klarmachen, aber ich für meinen Teil denke nicht einmal im Traum daran, deine Anwesenheit ohne Weiteres einfach so hinzunehmen. Und weißt du auch, warum nicht?", fragte ich ruhig, noch vollkommen gelassen, als würde in mir momentan kein Sturm der Gefühle wüten. Als stünde ich nicht so kurz davor, vor Wut einfach zu platzen. Um meinen Worten zusätzlich eine gewisse Würze zu verleihen, beugte ich mich vor Irina stehend etwa auf ihre Augenhöhe nach unten. Schenkte ihr ein Lächeln, das meine Augen jedoch nicht erreichte, kurz bevor ich fortfuhr: "Weil du mir alles nimmst und noch nehmen wirst, was in meinem Leben jemals für mich von Bedeutung war oder es noch ist. Mein Geld..." Ich begann parallel zu der Aufzählung entsprechend viele Finger für jeden einzelnen Punkt vor Irinas Gesicht zu halten. "Mein Haus, meine Glaubwürdigkeit in Hinsicht auf so viele Dinge, meine Nerven... und meinen Bruder." Als ich beim letzten und mit Abstand wichtigsten Punkt den fünften Finger nach oben streckte, fesselte ich die Schwarzhaarige förmlich mit meinem Blick, dem sie sehr gerne auszuweichen schien. Leider würde sie das vor folgender Belehrung meinerseits keineswegs schützen. Ich ließ die Worte noch einen Augenblick wirken, dann ballte ich die Hand zu einer Faust und nutzte den Schwung beim Aufrichten zu voller Größe, um sie Irina gezielt ins Gesicht zu donnern. Normalerweise war ich weniger der Freund von Nahkämpfen, weil man als Frau in der Regel am deutlich kürzeren Hebel saß. Sich von der Kraft einfach nicht mit einem durchtrainierten Mann messen konnte, aber in diesem Fall war es für mich ein Leichtes, meine Überlegenheit zur Schau zu stellen. Die Schwarzhaarige gab sich ja noch nicht einmal Mühe dabei, ein wenig Rückgrat zu zeigen. Nachdem das ach so schöne Gesicht der jungen Frau zur Seite geflogen war, schüttelte ich die Hand in der Luft aus. Schnaubte leise, weil es doch immer wieder weh tat, wenn man mit Knochen auf Knochen schlug, aber der Schmerz war es allemal wert gewesen. Ich fühlte mich direkt ein bisschen besser, auch wenn die Faust noch lange nicht das Ende der Fahnenstange war. Weil durch die plötzliche Bewegung sowohl das Bein, als auch mein verletzter Arm kurzzeitig belastet worden war, brauchte es mich bis zur nächsten Ansprache dann ein bisschen länger. Lange genug, damit sich Irina wieder einigermaßen sammeln konnte, um dann gleich einen weiteren Schlag einstecken zu müssen. Anstatt ihr aber weiter mein Leid zu klagen und ihr noch einmal deutlich zu machen, wie scheiße sie eigentlich war, gab ich ihr mit den Worten "Keine Sorge, da ich ja zwangsläufig für dein Leben mit bezahlen muss und das Geld ungerne aus offenen Fenstern schmeiße, wirst du das hier leider sehr wahrscheinlich überleben." Entwarnung für einen mutmaßlichen Mord an ihrer Person. Ich mochte mich zwar oft von meiner Wut leiten lassen, aber ich war nicht dumm. Wusste, dass ich Iljah vermutlich für immer verlieren würde, wenn ich meine Rachegelüste tatsächlich stillte, indem ich die Schwarzhaarige einfach umlegte. Ich ging zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin davon aus, dass das Verhältnis zwischen uns sowieso nicht mehr sein würde, wie es einmal war und bevor ich es mir bei dem Gedanken doch noch einmal anders überlegte, wandte ich mich langsam von der Serbin ab, humpelte ein paar Schritte in Hunters Richtung und nickte ihm ohne ein Sterbenswörtchen von mir zu geben nur vielsagend zu. Er durfte gerne übernehmen, gerne ergänzen, aber er sollte mir noch etwas von der jungen Frau übrig lassen. Für den Moment musste ich erst einmal das Bedürfnis, Irina nicht doch mit einer alten, durchgerosteten Leitung das Leben auszuhauchen, herunterschlucken und in der Zeit konnte er gerne machen, was auch immer er mit ihr vorhatte. Über seinen Denkzettel hatten wir uns nämlich nur beiläufig unterhalten.
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Ich begann mich unweigerlich zu fragen, ob die Schikane in meinem Leben jemals wieder ein Ende haben würde. Was das anging beteiligten sich Vahagn und Hunter jetzt zwar erst seit Kurzem, aber wenn sie beide der Meinung waren, dass man ohnehin auf keinen gemeinsamen Pfad mehr kommen konnte, rechnete ich mir da auch in Zukunft nur schlechte Chancen aus. Würde das jetzt für immer so sein? Würde ich dank der Sorokins und meinem offensichtlichen Faible für dezent verkorkste, kriminelle Männer nun immer und immer wieder von einer in die nächste Scheiße schlittern? Gab es gar keine Möglichkeit dafür die beiden zu besänftigen? Insbesondere Vahagn, wo sie doch zu Iljahs Familie zählte... ich wollte nicht der Grund dafür sein, das zwischen den Geschwistern böses Blut herrschte. Dass die Russin absolut nicht begeistert von der Vereinbarung zwischen ihrem Bruder und dem Amerikaner war, begann sie schon sehr bald deutlich zum Ausdruck zu bringen. Ich tat mir schwer damit sie direkt anzusehen. Wollte all den Hass und die Verachtung nur ungerne sehen, wobei ihre Worte allein das auch schon sehr deutlich zum Ausdruck brachten. Als sie damit begann mir direkt vor meiner Nase aufzuzählen, warum sie mich mitunter so hasste, sah ich ihr aber doch ins Gesicht. Mir war schon bei der begleitenden Gestik mit ihren Finger nicht ganz wohl, aber ich kam nicht wirklich dazu mir lange Gedanken darüber zu machen. Eine kleine Weile sah Vahagn mich einfach nur an, nachdem sie keine weiteren Worte mehr zu sagen hatte. Aber das, was sie zuvor aufgezählt hatte, war an und für sich auch schon schlimm genug für mich. Die Stille hielt leider nicht lange und ich hatte wirklich nicht mit der Faust gerechnet, die im direkten Anschluss mein Gesicht küsste. Vielleicht einfach deswegen, weil mich noch nie zuvor eine Frau geschlagen hatte - was aber bedauerlicherweise nicht hieß, dass es nicht weh tat. Ich konnte den schmerzbedingten, durch die Überraschung ausgelösten Laut nicht unterdrücken, während mein Kopf seinen Abgang zur Seite machte. Während sich ein durch den Aufprall bedingtes Dröhnen in meinem Kopf breit machte, kniff ich die Augen zu und hob dann die Hand, um vorsichtig meinen pochenden Wangenknochen abzutasten. Allerdings nahm ich die Finger da schon bald wieder weg, weil es den Schmerz nur noch schlimmer machte. Als ich die Augen dann blinzelnd wieder öffnete, richtete ich mich parallel dazu auch langsam wieder auf. Nur, um dann gleich nochmal Bekanntschaft mit Vahagns Faust zu machen, mit der sie dieses Mal meine Nase erwischte. Unweigerlich begab ich mich zurück in die schmerzbedingte, leicht gekrümmte Körperhaltung und hielt einen Augenblick lang die Luft an. Stieß einige Sekunden später dann abrupt mit Nachdruck die Luft wieder aus, spürte dabei, wie es in meiner Nase feucht wurde und daraufhin dauerte es nicht mehr lange, bis der erste Blutstropfen sich den Weg nach draußen bahnte. Während auch der Streifschuss an meiner Teile zu brennen und zu stechen begann, hob ich zitternd erneut die Hand, um vorsichtig meinen Nasenrücken abzutasten. Ich war keine Expertin was Nasenbrüche anbelangte, aber abgesehen von dem Schmerz und der Blutung schien sie heil geblieben zu sein. Blutergüsse blieben mir wohl dennoch nur unwahrscheinlich erspart. Es fiel mir schwer Vahagn noch weiter zuzuhören, war der Kopfschmerz doch sehr eindringlich, aber mir schien, als müsste ich zumindest nicht sterben. Langsam war ich mir nicht mehr sicher damit, ob das nicht vielleicht trotzdem der bessere Weg gewesen wäre. War einfach nur froh, dass die Brünette sich dann vorerst von mir abwendete und mir einen Moment zum durchatmen gab, während mir der Schmerz langsam die ersten Tränen in die Augen trieb. Allerdings dauerte es nicht lang, bis sich stattdessen Hunter von der Kiste schwang und meine Richtung ansteuerte.
Ich stützte mich ganz bequem leicht nach hinten auf meine Hände, als ich auf der Kiste Platz genommen hatte und beobachtete das Schauspiel durchweg angetan. Es war grundsätzlich immer schön, wenn das Karma zuschlug - in diesem Fall sogar noch wortwörtlich. Dass Irina leider nicht abkratzen durfte, damit waren wir uns einig gewesen, aber ich hatte nicht weiter nachgefragt, was Vahagn nun genau mit ihr vor hatte. Umso vergnügter konnte ich den Moment der Überraschung genießen, als nach einer wörtlichen Standpauke der körperliche Aspekt der Rache folgte. Auch an dieser Stelle war es wieder etwas ungewohnt für mich, dass es zwei Frauen waren, die hier aneinander gerieten, war die Szene eben doch sehr von Männern dominiert. Hieß aber nicht, dass es dadurch weniger unterhaltsam wurde - ganz im Gegenteil sogar. War eine nette Abwechslung, die ich zufrieden vor mich hin lächelnd beobachtete. Wäre sicher noch witziger gewesen, wenn die Schwarzhaarige versucht hätte sich zu wehren, aber man konnte leider nicht alles haben. Es war dennoch ein pures Stück guter Unterhaltung für meine sadistische, rachsüchtige Ader, bis schließlich meine eigene Zeit gekommen war. Vahagn gab mir nicht lange nach dem zweiten Schlag dann auch den Startschuss für mein eigenes Spielchen mit dem Miststück, als sie in meine Richtung kam, was ich wortlos zur Kenntnis nahm. Ich richtete mich auf, beugte mich nach vorne und zog mein rechtes Hosenbein mit einer routinierten Handbewegung ein Stück hoch, um nach dem an meinem Unterschenkel ruhenden Messer greifen zu können. Ich zog es aus der Halterung und rutschte dann von der etwa einen Meter hohen Holzkiste, wobei mein Hosenbein von selbst wieder nach unten rutschte. Irina drehte ihren Kopf nur zaghaft in meine Richtung und ihr Blick huschte über das Messer in meiner Hand, aber ansonsten regte sie sich nicht. Man sollte eigentlich meinen zumindest die Sorokins hätten ihr über die letzten Jahre Respekt beigebracht, aber das schien nicht der Fall zu sein und so musste ich erst die flache Klinge unter ihr Kinn legen, damit sie es anhob und sich gezwungenermaßen das Gesicht verziehend sehr gerade aufrichtete. Ich fixierte ihren glasigen Blick ein paar Sekunden mit meinem, während sie so ein bisschen vor sich hin zitterte, bevor ich schnaubend den Kopf schüttelte und die Klinge sinken ließ. Es entzog sich mir einfach nach wie vor jeder Logik, was Iljah an diesem Weibsbild fand. "Zieh den Pullover aus.", forderte ich forsch. Irina schluckte, bewegte sich aber nicht sofort. Statt auch dieses Mal zu mehr Worten zu greifen, legte ich den Kopf mit funkelnden Augen leicht schief und hob in einer Drohgebärde das Messer an, was sie schnell zur Einsicht kommen ließ. Mit etwas unkoordinierten Fingern griff die Schwarzhaarige nach dem unteren Saum ihres Pullovers und zog ihn sich hastig über den Kopf, ehe sie das Kleidungsstück neben sich auf der Palette ablegte und wie ein getretener Hund erneut zu mir aufsah. Ich musterte ihren Oberkörper einen Moment lang, bevor ich anfing sehr langsam um sie herumzugehen, ohne dabei mit den Augen von ihr abzulassen. Erst, als ich an ihrem Rücken ankam, wurde es langsam interessant. Denn da sah ich im unteren Bereich mehrere einst sicher blutige Striemen, die zwar fast verheilt, aber noch immer sehr gut sichtbar waren. Ich streckte das Messer mit der Spitze voraus durch ihre Haare hindurch nach ihrem Nacken aus, damit sie sich nach vorne beugen musste und ich in dem fahlen Licht etwas besser sehen konnte, was es für Narben waren. Ich löste die Messerspitze von ihrem Nacken, um die stattdessen nach ihrem unteren Rücken auszustrecken. "Warum ist dir sowas keine Lehre, Irina? Solltest du nicht langsam wissen, dass man nicht mit Leuten spielt, denen man nichts entgegenzusetzen hat?", stellte ich ihr eine Frage, während ich einen der ehemaligen Peitschenhiebe mit dem Messer entlang fuhr. Die Klinge war extrem scharf, hinterließ also trotz fast nicht vorhandenem Druck einen hauchdünnen Schnitt. Die ersten Worte, die sie zu sagen versuchte, waren so dünn, dass sie sich erst räuspern musste, damit man sie verstand. "Weil ich ihnen nie loyal sein wollte. Sie haben mein Leben zerstört.", murmelte sie dann bebend vor sich hin, was mich gleich ein weiteres Mal amüsiert in mich hineinlachen ließ. Ich setzte wieder zum Gehen an. "Ach nein, du armes, kleines Ding.", heuchelte ich höhnisches Mitleid, als ich an ihre Schusswunde herantrat. "Und weil du selbst nicht fähig dazu warst da rauszukommen, sollen wir das jetzt ausbaden? Nicht ganz fair, wenn du mich fragst.", redete ich weiter vor mich hin, als ich die Spitze des Messers nahe ihres Arms an die Wunde hielt. Irina versuchte das Zittern zu unterdrücken und hielt den Atem an, damit die Spitze sie nicht piekte, was leider nicht ganz in meinem Sinn war. Also bohrte ich ganz ohne ihre Mithilfe ein kleines Loch in die erst sehr dünn zugewachsene Haut zwischen den einstigen Nadelstichen. Sie machte bis auf ein kaum hörbares Wimmern aber keinen Mucks, was mich die Augen leicht zusammenkneifen und das Messer sinken ließ. Ich trat wieder in ihr Sichtfeld, stellte mich direkt vor sie und griff dann nach den Haaren in ihrem Nacken, um ihr den Kopf unangenehm nach hinten zu ziehen. Dabei lehnte sie sich zwangsweise insgesamt etwas mit dem Oberkörper zurück und sah mich mit bebender Unterlippe von unten herauf an. "Was wohl deine Mutter dazu sagen würde? Von einem Kartell zum nächsten, dabei schön einen nach dem anderen verarschen und ausnutzen..." Ich lehnte mich mit dem ersten Satz weit aus dem Fenster. Hatte die grobe Information, dass Irina sehr wahrscheinlich noch Familie hatte, von einer der schon fast toten Sorokin-Geiseln, die ich vor ihrer endgültigen Exekution noch um ein paar Infos gebeten hatte. Allerdings schien ich mit dem Mütterchen ins Schwarze zu treffen, weiteten sich die Augen der Schwarzhaarigen doch sehr plötzlich, was mich unweigerlich grinsen ließ. Ich liebte diese Spielereien. "Niemand mag Lügner und Verräter. Besonders nicht in den eigenen Reihen, ich hätte echt gut auf dich verzichten können." Ich hob das Messer an, strich mit der stumpfen Seite quer über die empfindliche Haut oberhalb ihrer Brust, was eine sichtbare Gänsehaut auslöste. "Ich würde dir also raten jetzt die Schnauze zu halten, weil's sonst nicht bei dieser einen Warnung bleibt, Miststück.", drohte ich ihr. Ließ dann nur noch zwei Sekunden verstreichen und drehte das Messer in meiner Hand, um die scharfe Klinge an ihrer Haut anzusetzen. Während ich die erste Linie unterhalb ihres Schlüsselbeins gerade nach unten zog, biss die Schwarzhaarige sich im Versuch nicht zu schreien zuerst die Unterlippe blutig, bevor sie sich eine Hand vor den Mund legte. Während Irina mit leisem Wimmern und aus ihren Augenwinkeln kullernden Tränen beschäftigt war, ritzte ich ihr fröhlich weiter das Wort LIAR ins Dekolleté. Es war nicht so groß, dass es sich über die gesamte Breite ihres Oberkörpers zog, aber es dürfte schon um die sechs Zentimeter hoch sein. Ich war auch nicht zu zimperlich mit der Tiefe, weil ich nicht wollte, dass die Narben in zwei Jahren schon fast verschwunden waren. Nein, sie durfte sich das jetzt voraussichtlich für den Rest ihres jämmerlichen Lebens jeden Tag im Spiegel ansehen und sich selbst dafür hassen, dass sie so ein verlogenes, durchtriebenes Stück Scheiße war. Sie heulte fast stumm vor sich hin, als ich das blutverschmierte Messer letztendlich sinken ließ und mein Werk danach mit einem zufriedenen Seufzen betrachtete. So gut, wie es unter all dem Blut eben möglich war, das langsam an ihrem Oberkörper hinab floss. "Braves Kind.", ließ ich der jungen Frau grinsend ein wenig ernst gemeintes Lob zukommen, als ich meine Hand aus ihren Haaren nahm und ihr danach noch einmal sehr grob die Schulter tätschelte, was sie erneut hinter der Hand aufjammern und die Augen zukneifen ließ. Ich wischte den Großteil ihres Blutes an der Klinge an ihrem Oberarm ab, bevor ich ihren Pullover anhob und dort den Rest abwischte. Danach warf ich ihr das Kleidungsstück auf den Schoß und hob den rechten Stiefel neben ihr auf die Palette, um das Messer bequemer wegstecken zu können. Im Anschluss wandte mich mit einem Lächeln purer Genugtuung von ihr ab. Sollte Vahagn noch nicht ihr letztes Wort gesprochen haben, hatte sie dazu jetzt noch ein paar Minuten Zeit. Nur spätestens dann, wenn die halbblütige Serbin wegen des Blutverlusts bewusstlos wurde, sollten wir vielleicht langsam umdrehen. Ich würde sie nach wie vor gerne tot sehen, aber davon hätte ich jetzt nichts mehr.
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Es war eine echte Genugtuung für mich, Irina dabei zusehen zu können, wie sie mehr und mehr unter Hunters Drangsalierung litt. Ich wusste ja, dass der Amerikaner in vielerlei Hinsicht maßlos über die Stränge schlagen konnte - und das tat er im Augenblick, da gab es nichts dran zu deuteln -, aber in Hinsicht auf die Serbin war mir alles recht, was ihr auch nur ansatzweise schaden könnte. Dass darunter die Beziehung zu Iljah sehr wahrscheinlich leiden würde, war mir zwar bewusst, aber auf Dauer würde sie das sicher so oder so. Ob jetzt auf einen Schlag oder schleichend nach und nach, je länger die beiden Zeit miteinander verbrachten machte dabei nun wirklich keinen Unterschied. Also lehnte ich mich angetan von dem Spektakel mit der Hüfte gegen die Kiste, auf der Hunter bis eben noch gesessen hatte und genoss das Schauspiel. Massierte mir indessen vorsichtig die Hand, mit der ich Irina gerade zwei gezielte Schläge ins Gesicht verpasst hatte, weil sie doch unangenehm pochte. Aber das würde schnell wieder aufhören, während die Schwarzhaarige mit den Blutergüssen und letztlich auch mit dem aufgeschnittenen Dekolleté noch eine gewisse Zeit zu kämpfen hätte. Alles in allem folgte ich der Unterhaltung sehr akribisch und ließ hin und wieder nur mal ein verächtliches Schnauben von mir hören, als Irina auf die Fragen des Cholerikers mit absolut lächerlichen Aussagen antwortete. Es amüsierte mich einfach, wie sie scheinbar immer noch zu glauben schien, dass wir auf irgendeine Art und Weise Verständnis dafür aufbringen könnten, was sie getan hatte. Mitleid mit ihr hatten... ha ha. Nein, das hatten wir definitiv nicht und Hunter machte Irina das in den kommenden Minuten wohl auch sehr deutlich. Ließ sie das unmissverständlich spüren und das Grinsen wollte sich gar nicht mehr aus meinem Gesicht wischen lassen. Es war, als hätte jemand meine Mundwinkel unter meinen Augen festgetackert und das war mehr als nur ein bisschen makaber. Schließlich sollte man sich eher nicht freuen, wenn man dabei zusah, wie einer anderen Person Leid zugefügt wurden, aber der Zug war wohl bei so ziemlich jedem in diesem Metier bereits abgefahren. Schließlich war ich irgendwann genervt davon, mir die schmerzenden Fingerknöchel zu bearbeiten und verschränkte stattdessen lieber die Arme vor der Brust. Ließ dabei meinen Blick ab und an mal etwas schweifen, aber mehr als Staub und ein paar alter Paletten gab es nicht zu sehen. Es war leider Nichts innerhalb der letzten paar Minuten in dieser alten Lagerhalle hinzugekommen und so lag mein Blick schließlich wieder auf Irina. Wobei ich sie eigentlich gar nicht beim Namen nennen wollte... Häufchen Elend hätte es gerade wohl besser beschrieben, aber na ja. Der Amerikaner brachte es mit seiner Ansprache jedenfalls ganz treffend auf den Punkt - niemand mochte Lügner oder Verräter, schon gar nicht, wenn man unmittelbar mit ihnen in Kontakt stand oder mit ihnen in Verbindung gebracht wurde. Wo wir bei einem weiteren, ziemlich empfindlichen Punkt angelangt waren. Wenn auf der Straße erst einmal die Runde machte, dass Hunter und auch ich uns von dem serbischen Miststück auf der Nase herumtanzen ließen, dann würden es bestimmt weitere Kartelle versuchen, uns so richtig auf den Sack zu gehen. Grenzen austesten und so ein Scheiß. Mit anderen Worten also etwas, dass weder ich, noch der Amerikaner aktuell oder auch sonst gut gebrauchen konnten. Ich hoffte also inständig, dass die vermutlich überzogene Aktion des Cholerikers der jungen Frau auch wirklich eine Lehre war und es künftig zu keinerlei unangenehmen Zwischenfällen mehr kommen würde. Um das auch noch mal von meiner Seite aus klipp und klar zu untermauern, nutzte ich das letzte bisschen an Zeit, welches mir der Tätowierte nachfolgend noch einräumte, um noch einmal auf Irina zuzugehen und ihr Kinn in meine Hand zu nehmen. Ich ignorierte dabei das Blut, welches das sonst so schön anzusehende Gesicht befleckte und auch die glasigen Augen brachten mich nicht davon ab, noch ein paar drohende Worte an sie loszuwerden. "Sollte dir doch noch einmal der Sinn danach stehen, mit dem Tod zu spielen, lass dir gesagt sein, dass wir dich finden werden. Vielleicht kannst du dich vor Hunter hier in Russland verstecken, aber ich kenne hier jede noch so beschissene Ortschaft und glaub mir, wenn ich sage, dass ich dich auch überall sonst auf der Erde finden und dich eigenhändig töten werde. War das deutlich genug?", fragte ich, während ich mich ihrem Gesicht ein Stück näherte, um sie dazu zu zwingen, mir in die Augen zu sehen. Ich erwartete ehrlich gesagt keine Antwort von ihr, wusste ja, dass sie das verstanden hatte und deshalb ließ ich ihr Kinn zeitnah auch schon mit einem unangenehmen Ruck zur Seite wieder los. Wandte mich mit dem Körper halb dem Amerikaner zu und nickte erneut vielsagend in seine Richtung. Es gab noch so einiges, was ich der jungen Frau gerne angetan hätte, aber leider hatte der junge Mann schon einiges an Kraft von der zierlichen Gestalt abverlangt und bevor sie uns hier doch noch umkippte...
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich hatte schon vorher gewusst, dass mit dem Amerikaner nicht gut Kuchen essen war. Oder hatte es zumindest anhand seines Auftretens damals im Büro vermutet, weil man über die Jahre hinweg wohl einfach sowas wie ein Auge für die ganz üblen Typen entwickelte. Angesichts dessen war es wohl gleich doppelt dämlich gewesen, es sich mit ihm zu verscherzen, auch wenn ich das so nie spezifisch im Sinn gehabt hatte. Es war das erste Mal seit langem, dass ich mir wieder wünschte, dass Iljah nie etwas an mir gefunden hätte. Auch, dass ich nie versucht hätte, hinter seine Fassade zu sehen. Der schwarzhaarige Russe war teilweise noch immer ein unbeschriebenes Blatt für mich und im Grunde wusste ich nicht einmal, ob ich es nicht irgendwann bereuen würde, dass er mir aktuell genauso viel Ärger machte, wie er beseitigt hatte - was umgekehrt sicher noch viel gravierender aussah, wo ich ihm im Grunde doch nichts als Ärger machte. Ich wusste nicht, was genau Hunter mir gerade in die Haut geritzt hatte, aber es schien nicht wahllos gewesen zu sein. Unter all dem höllisch brennenden Schmerz war es schlichtweg unmöglich die Schnitte bewusst zu verfolgen, aber es war sehr sicher nichts, das mir gefallen würde. Vermutlich wollte ich es gar nicht erst sehen. Das Schulterklopfen, das er mir vor seinem Abgang noch verpasste, ließ nur eine weitere Welle aus purem Schmerz durch meinen gesamten Oberkörper zischen. In der Zwischenzeit, bis Vahagn noch einmal an mich herantrat, kam ich um ein schmerzverzerrtes Schluchzen nicht herum, während mir der Schmerz förmlich die Luft aus den Lungen presste. Kniff die Augen dabei weiter zu, bis ich schließlich ein weiteres Mal dazu gezwungen war in die grünlichen Augen der Brünetten zu sehen. Sie hatte noch eine weitere Drohung für mich über und ich wusste schon gar nicht mehr, die wie vielte das inzwischen war. Ich würde den beiden schon einräumen, dass es nicht unbedingt schlau von mir gewesen war mich geflissentlich in diese Situation zu bringen. Daran gab es schlichtweg nichts zu rütteln. War nichts als kurzsichtig, egoistisch und naiv gewesen. Aber ich war nicht zu dumm um zu wissen, wann ich besser spurte und wann das Maß voll war. Dass das bei Hunter und Vahagn schnell der Fall war, war spätestens jetzt nichts als offensichtlich und ich würde mich davor hüten, auch nur noch einen einzigen falschen Schritt zu machen. Nach dieser Aktion hier war ich für meinen Teil mir mehr als sicher damit, dass mindestens einer von beiden kurzen Prozess mit mir machen würde, wenn ich mir auch nur einen winzigen, kleinen Fehltritt erlauben würde. Obwohl ich mich bis hierhin noch nie uneinsichtig gezeigt hatte, verpasste auch die Russin mir noch einen schmerzhaften Ruck am Kopf, als sie mein Kinn letztendlich wieder losließ. Entlockte mir damit ein gedrücktes, schmerzliches Aufstöhnen, kurz bevor mein Blick auf den Pullover auf meinem Schoß fiel. Ein knappes, dünnes "Ja." war alles, was ich noch von mir gab. Gar nicht zu antworten war meiner bisherigen Erfahrung nach nämlich auch nur selten gewünscht. Ich sah unter dem Tränenschleier nur verschwommen und konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Hatte auch gar keine Lust mich anzuziehen, weil die Schnitzerei schon im zitternden Sitzen mehr als genug wehtat. Meine beiden Peiniger schienen sich jetzt wohl auch einig damit zu sein, dass es Zeit war zu gehen, was ich nur dadurch mitbekam, dass Hunter nach einigen stummen Sekunden ein "Jetzt beweg' deinen Arsch oder willst du verbluten?" in meine Richtung knurrte. Ja, vielleicht sollte ich genau das einfach tun. Vielleicht sollte ich hier verrecken, damit Iljah ihn irgendwann umlegte. Ich wischte den Gedanken symbolisch weg, als ich mir mit dem Handrücken über die nassen Augen wischte und stand dann mit wackeligen Beinen auf. Weigerte mich weiterhin nach unten auf mein mittlerweile sehr nasses Dekolleté zu sehen, als ich mit dem Pullover in der Hand und mit erhobenem Kinn zu den beiden zum Tor aufschloss. Ich sah keinen von beiden auf dem Weg nach draußen an. Setzte mich unter Schmerzen auf die Kante der Laderampe, bevor ich mich langsam auf den betonierten Boden abrutschen ließ. Es ersparte mir zumindest ein bisschen Schmerz möglichst vorsichtig nach unten zu kommen. Mir war nicht wohl dabei Hunter auf dem Rückweg zum Wagen im Rücken zu haben, weil er das Tor erst hinter Vahagn und mir wieder geschlossen hatte, aber eigentlich war es auch schon egal. Hätte er mich umlegen wollen, hätte er es schließlich schon getan. In der Halle hätte sicher Niemand nach mir gesucht. Ich unterdrückte die ganze Zeit über weiteres Schluchzen, auch wenn die Tränen noch nicht wieder ganz versiegt waren, als ich mich schließlich mit noch immer fast nacktem Oberkörper in den Rücksitz sinken ließ. Hunter stieg allerdings nicht sofort ein, sondern machte einen Umweg über den Kofferraum. Öffnete dann auch noch die Tür neben mir, um mir ein paar Wundkompressen und einen Verband zum Abdrücken der Schnittwunde zu geben. Seinem gehässigen Lächeln nach zu urteilen nicht aus plötzlicher Barmherzigkeit, sondern nur um sicher zu gesehen, dass ich nicht doch noch abkratzte und ein sein Geld trotzdem kriegen würde. Danach schwang er sich umgehend auf den Fahrersitz, um den Motor zu starten. Ich biss stumm weinend mit bebenden Lippen die Zähne zusammen, während ich die Kompressen auf die offene Wunde drückte und etwas verzweifelt versuchte den Verband unter meinen Armen hindurch möglichst fest zuzuschnüren. Mir war wahnsinnig danach zu schreien und mir war inzwischen kotzübel von all den Schmerzen, aber ich schluckte es runter wie schon so unendlich viele Male zuvor in den letzten Jahren. Litt den Rest der Fahrt nur noch mit stummen Tränen vor mich hin und sah aus dem Fenster, während ich mit dem Pullover zugedeckt auf dem Rücksitz saß. Meine Klamotten bekam ich dann wohl auch nicht mehr ins Haus. Gerade war nicht im Entferntesten daran zu denken, heute noch irgendwas hochzuheben oder gar zu tragen... aber das war andererseits gerade wohl mein kleinstes Problem.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
*ich mach hier mal so... noch ne woche, man gönnt sich ja sonst nix*
Es waren inzwischen einige Wochen vergangen, seit Hunter mit Vahagn nach Russland geflogen war und wie viel ich davon hielt, war uns ja wohl allen klar, musste nicht noch extra betont werden. Für gewöhnlich war ich ja ein Mensch, der gut mit dem Alleinsein umgehen konnte, nur hatte mich die gemeinsame Zeit mit dem Amerikaner wohl schon reichlich verweichlicht. Es raubte mir nämlich mehrere Nächte in Folge den Schlaf, mir das Bett mit Niemanden zu teilen und die Ruhe hier im Haus war ebenfalls gespenstisch. Bis auf wenige Ausnahmen, in denen die Haushälterin oder der Gärtner mir einen Besuch abstatteten, war ich alleine in der riesigen Villa nahe des Strands gewesen und irgendwann war mir das Alles dann zu blöd geworden. Mir fiel die Decke auf den Kopf und ich langweilte mich. Hunter meldete sich zwar hin und wieder mal bei mir, aber in der Regel verpassten wir uns wegen der Zeitverschiebung gänzlich und schrieben ein, maximal zwei Nachrichten miteinander. Gehört hatten wir uns in der gesamten Zeit seiner Abwesenheit auch nur zwei Mal und deswegen verbrachte ich wieder mehr Zeit in der Smith and Wesson Reloaded. Wie in den guten alten Zeiten quasi und auch wenn die Kundschaft hier auf Kuba ein anderes Kaliber als die in Norwegen war, half es mir tatsächlich dabei, den temporären Verlust Hunters ein wenig zu kompensieren. Ich stürzte mich einfach wieder vermehrt in die Arbeit, verbrachte teilweise Tag und Nacht in und um der Bar und kam lediglich zum Schlafen noch nach Hause. Wenn überhaupt. Mich erwartete schließlich Niemand und eine mit Alkohol besudelte Theke war fast genauso bequem wie das überteuerte Bett im gemeinsamen Schlafzimmer. Im Großen und Ganzen verfiel ich also ziemlich stark in alte Verhaltensmuster und das zeigte sich vor allem darin, dass ich wieder verstärkt tat, worauf ich Lust hatte, ohne über mögliche Konsequenzen nachzudenken. Schließlich hatte ich mich damals nur um mich selbst sorgen müssen und war Niemanden eine Rechenschaft schuldig gewesen. Inzwischen hatte sich das verändert, nahm ich hier und da doch ein wenig Rücksicht darauf, dass wir uns hier auf Kuba nun mal eben nicht mehr so verhalten konnte, wie wir es in Europa getan hatten, weil es ganz einfach weitreichende Folgen für uns haben würde, sollte unsere Tarnung jemals auffliegen. Ich hatte also versucht, mich zusammenzureißen und ein Stück weit erwachsen zu werden. Normalerweise klappte das auch ganz gut, solange ich Hunter an meiner Seite hatte, der mich tagtäglich wie ein Mahnmal daran erinnerte, aber sobald der junge Mann verschwunden war, änderte sich das schnell. Anfangs war es nur übermäßiger Alkoholkonsum, mit dem ich mich alle paar Tage mal ins Nirvana schoss, aber seit gut einer Woche kannte ich nun auch die dunkelgrauen Schattenseiten der Insel, die sich durch saftige Blüten und weißen Schnee auszeichnete. Hinsichtlich des Marihuanas war ich wenig überrascht, weil ich mich bereits kurz nach der Landung schon mit dem Markt hier befasst hatte, aber was das Kokain anging... Manch einer hätte mich vermutlich für vollkommen blöd deklariert, weil mir einfach nicht bewusst war, wie präsent das Rauschgift hier auf der Insel war. Schließlich war Kuba einer der Umschlagsplätze für Koks, was nicht selten publiziert worden war und doch hatte ich keine Ahnung davon, wie einfach es eigentlich war, in den Straßen der Altstadt günstig an guten Stoff zu kommen. Hunter würde mir vermutlich den Kopf abreißen, wenn er erfuhr, dass ich mich über Gras hinaus an Drogen bedient hatte - was ziemlich ironisch war, wo er doch selbst so mehr oder weniger über Sabin mit in den Verkauf von Meth verstrickt war -, aber er war ja überhaupt nicht da. Würde gar nichts davon erfahren - zumindest dachte ich das. Faktisch lief natürlich alles wieder irgendwie aus dem Ruder. Genau dann, wenn es das eigentlich nicht sollte. Es war ein wie immer recht entspannter Samstagabend gewesen, den ich in der Bar arbeitend verbracht hatte. Nebst einigen Stammgästen, bediente ich heute auch besonders viele neue Gesichter, mit denen man ins Gespräch kam und ab und an trank man dann auch gemeinsam etwas. Die Sache mit der Sprachbarriere war zwar immer noch ein wenig hinderlich, aber wenn ich Zeit und Lust hatte, eignete ich mich immer mehr spanische Vokabeln und Standardsätze an, sodass ich zumindest etwas ganz alltägliches wie Einkaufen in der Landessprache über die Bühne bringen konnte. Glücklicherweise sprach hier eine Vielzahl der überwiegend sehr jungen Gäste wegen der Nähe zu Jamaika und Puerto Rico Englisch, ziemlich selten auch mal einer Französisch, aber nach Norwegern suchte man unter der Vielzahl von gut gebauten und braungebrannten Männern und Frauen hier vergebens. Nichtsdestotrotz hielten die Nächte in der Bar viele Überraschungen und Unmengen an guter Laune bereit, was nach einer gewissen Zeit dazu führte, dass ich Hunter und all das, was mit ihm zutun hatte, ein Stück weit in Vergessenheit geriet. Möglicherweise war das aber auch die Schuld des Kokains, welches ich mir Zuge der Nacht mit ein paar Einheimischen genehmigt hatte. Lange ungesühnt blieb mein heutiger Fehltritt allerdings nicht, was unter der Prämisse, dass Einiges nebst einer Nase zu Bruch gegangen war, nicht besonders... gut war, um es mild auszudrücken. Ich konnte mich gar nicht mehr genau daran erinnern, was eigentlich konkret passiert war, als ich auf der Rückbank des klapprigen Polizeiautos wieder zu mir kam, aber Fakt war, dass es dazu geführt hatte, dass ich die Bar vor dem regulären Ladenschluss hatte dicht machen müssen, um die werten Herren von der Polizei zu begleiten. Besagte, mittlerweile teilweise bewaffneten, Polizisten waren in Folge einer Auseinandersetzung in der Smith and Wesson Reloaded aufgeschlagen, um die Streithähne zu trennen scheinbar war ich ihnen irgendwie ins Auge gestochen. Ganz bestimmt nicht, weil ich Derjenigen war, die mit am lautesten gegen die Beamten gepöbelt hatten - ne ne. Dass das keine besonders gute Idee war, hätte mir spätestens bei meiner Verhaftung klarwerden müssen, aber schien es mich nicht die Bohne zu interessieren, wohin mich die beiden Mittvierziger brachten. Es bot sich mir ja auch überhaupt nicht die Möglichkeit, dahingehend nachzufragen, weil sich die Kollegen durchgehend unterhielten und mir nicht den Eindruck machten, dass einer von ihnen auch nur ansatzweise eine der für mich verständlichen Sprachen beherrschte. Ich konnte nach meinem kurzzeitigen Blackout, der mich auf halber Strecke für gute zehn Minuten ausgeknockt hatte, also nur darauf hoffen, noch einigermaßen glimpflich aus der Sache herauszukommen, aber ich hatte scheinbar großes Glück. Seit wir hier auf Kuba Fuß gefasst hatten, waren die Behörden rund um die Uhr damit beschäftigt, irgendwelche Kleinkriminellen aufzulesen, die wie Unkraut aus dem Boden zu sprießen begonnen hatten und damit schrumpfte die Zeit für Lappalien wie Beamtenbeleidigung. Für den Konsum von Koks hätten sie mich vermutlich trotzdem drangekriegt, aber so wie ich aussah, dürfte man mir maximal eine durchzechte Nacht mit viel Alkohol unterstellen. Eine Fahne schien ich nach erster Selbsteinschätzung zwar nicht zu haben, aber solange niemand nachfragte, würde ich einen Teufel tun, dahingehend mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Stattdessen nahm ich wortlos hin, die Klapperkiste auf dem besten Wege in Richtung meines neuen Zuhauses fuhr. Durch mangelnde personelle Kapazitäten hatte sich der Chef der Hauptwache Havannas offenbar dazu genötigt gesehen, es bei einer Verwarnung und der heutigen Schließung der Bar zu belassen. Ich sollte nach Hause, über mein Verhalten nachdenken und wieder zu Sinnen kommen, wie mir einer der Wachmänner ganz überraschend in einem nahezu fehlerfreiem Englisch mitteilte, als sie nach vorheriger Prüfung meiner Personalien schließlich die Auffahrt der Villa entlangtuckerten. Die Verwunderung über die Behausung war den Männern wie ins Gesicht geschrieben, aber ich sagte nichts. Warum auch? Gab schließlich ausreichend legale Arbeiten, mit denen man sich eine Villa dieser Art hätte leisten können. Konnte ja keiner ahnen, dass das Alles hier gleich einen unangenehmen Beigeschmack kriegen würde. Eigentlich wäre es meines Erachtens nach damit getan gewesen, wenn man mich einfach am Fuße der Auffahrt rausgeschmissen hätte, weil ich - jetzt, wo ich schon mal hier war - sicher auch nicht in die Stadt zurückgekehrt wäre, aber aus mir unerfindlichen Gründen bestanden beide Polizisten darauf, mich quasi an der Hand bis an die Haustür zu geleiten und für mich zu klingeln. Ich informierte sie gerade darüber, dass niemand sonst außer mir hier wohnte - ich tat das irgendwie unterbewusst, hatte ich Hunter inzwischen derart verdrängt? -, als im Inneren des Hauses plötzlich Licht anging. Sichtlich irritiert sah ich durch das schmale milchige Fenster neben der Tür, weil ich mir nicht erklären konnte, warum die Haushälterin oder der Gärtner um diese Uhrzeit noch da waren. Bis sich die Tür öffnete und ich das schon verschollen geglaubte Gesicht meines Geliebten sah, der von dem Aufriss hier sicher weniger begeistert sein dürfte. Aber... er hatte ja auch nicht Bescheid gesagt, dass er zurückgekehrt war, oder? Wie lange war er denn schon da? Und wie lange war ich bereits nicht mehr Zuhause gewesen? Ein paar Tage waren es bestimmt gewesen.
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Der Rest meines Aufenthalts in Russland war nervenaufreibend, um es mal mild auszudrücken. Iljah war natürlich so gar nicht begeistert davon gewesen, dass ich Irina ein kleines Souvenir von mir höchstpersönlich verpasst hatte, aber das fiel eher nur in die Kategorie der Dinge, die zum einen Ohr rein und zum anderen gleich wieder raus gingen. Einfach deswegen, weil er mir das nicht ankreiden und den Deal deswegen anfechten konnte, hatte ich ihm doch beim Verlassen seines Zimmers extra noch gesagt, dass er nur dafür zahlte, dass die verräterische Serbin weiter atmen durfte. Im Grunde war mir das also vollkommen egal und ich konnte mich noch ein paar Tage daran ergötzen, wie die Schwarzhaarige vor Schmerzen das Gesicht verzog - wenn ich denn mal Zuhause war. Gerade zum Ende der Reise hin spitzte sich die Lage noch einmal massiv zu und es kostete mich eine elendig lange Verfolgsjagd mit den beiden Brüdern, um jenen endlich die Schädel wegpusten zu können. Sie zog sich über mehr als 4 Stunden hin, in denen sie immer mal wieder kurzzeitig unsichtbar wurden und dann aber wieder auftauchten. Das Ganze endete letzten Endes mit einem sehr unschönen Unfall für die Brüder und mit einem milderen Crash für meinen eigenen Wagen. Abgesehen von der Gehirnerschütterung, sowie einigen Prellungen und Schürfwunden ging es für mich aber glimpflich aus. Ashton hatte einen miesen Schnitt unter dem Auge von den Scherben des Fensters in der Fahrertür abbekommen. Ich hatte mich trotz des durch den Aufprall entstandenen Drucks auf meiner Lunge noch vom Beifahrersitz geschoben und war zum auf dem Dach liegenden Wagen der beiden Brüder ein paar Meter weiter gegangen. Einer von beiden sah mir schon sehr tot aus, während der andere röchelnd um Gnade flehte, als ich neben dem gecrashten Fahrzeug in die Hocke ging. Weil wir die Cops in den vergangenen Stunden aber schon ordentlich in Alarmbereitschaft versetzt hatten, ließ ich mir keine Sekunde mehr Zeit als nötig war, um den beiden zur Absicherung jeweils noch eine Kugel in den Schädel zu verpassen. Meine rechte Hand war bereits auf dem Weg zu unserem zweiten Wagen, in dem noch zwei weitere meiner Männer sitzen hatte, als ich mich umdrehte und ebenfalls dorthin aufschloss. Sie brachten uns sicherheitshalber über einen nicht zu kleinen Umweg zurück zum Anwesen der Gniweks - ich wollte die Cops schließlich nicht versehentlich zum Haus des Gastgebers lotsen - und schon auf dem Weg dahin versuchte ich Ashtons Gesicht zu versorgen, weil die Wunde schnell anschwoll und immens blutete. Jedenfalls waren die Sorokins ab diesem Tag Geschichte. Es war natürlich gut möglich, dass sich ein paar rangniedrige Handlanger irgendwo versteckt hatten, aber zumindest der in Moskau ansässige Teil der Familie im Mittelpunkt war zweifelsohne ausgemerzt. Iljah konnte wieder recht bedenkenlos vor die Tür, auch wenn ich ihm zur Sicherheit doch anraten würde lieber eine Waffe mitzunehmen. Zumindest so lange, bis wirklich Gras über die Sache gewachsen war. Schließlich hatte er mir noch mindestens ein Jahr lang für lau die Kohle zu waschen, damit ich von dieser ganzen Scheiße hier auch was hatte. Zwei Tage lang ruhten wir uns nach dem Unfall und damit dem damit verbundenen Sieg über das Sorokin-Kartell noch im Haus der Gniweks aus, was gerade mit Ashtons nur langsam abschwellender Schnittwunde ratsam war, die auch sein Auge in Mitleidenschaft zog. Dann ging es aber schließlich in den Flieger und es war extrem untypisch, dass ich für ungefähr eine Stunde tatsächlich neben Vahagn saß. Die Ursache dafür war, dass ich ich sie noch einmal danach fragte wie sie die Sache mit ihrem Anteil der Drogen im Frachtraum handhaben wollte, der vorerst wohl einfach in meinen Lagerraum mit übergehen würde. Allerdings verfielen wir danach irgendwie ein weiteres Mal in Lästereien bezüglich Irina. Nicht ewig lang, aber ein von Geschäften unabhängiges Gespräch war für uns beide absolut atypisch. Ich verzog mich danach allerdings wieder auf meinen separaten Platz, um noch eine Weile lang die Augen zuzumachen. Ich war nach wie vor einfach müde von den Gefechten und der ständigen Suche nach den russischen Ratten. Außerdem kamen wir am frühen Mittag in Kuba an und ich wollte trotz Jetlag zumindest bis Mitternacht durchhalten, um meinen Schlafrhythmus schnell wieder in die für mich übliche Bahn zu lenken. Ich ließ die noch anstehende Arbeit - sprich Fracht und Co. verräumen - meine Männer erledigen und ließ mich nur von Desmond nach Hause bringen, der sowohl Ashton, als auch mich am Flughafen für die letzten Meter der Heimreise einsammelte. Selbstverständlich setzte er mich zuerst Zuhause ab und ich hatte eigentlich immer geglaubt, dass ich sowas wie einen festen Wohnsitz nicht brauchte... aber in diesem Moment war ich wirklich heilfroh, endlich wieder in meinen eigenen vier Wänden zu sein. Freute mich auch auf Cosma, wollte sie eigentlich gerne überraschen - nur war sie gar nicht da. Ich schob es erst einmal darauf, dass sie vielleicht früher als sonst zur Bar aufgebrochen war, weil sie hier Zuhause allein ja nicht wirklich was zu tun und ich mich nicht angekündigt hatte. Ich hatte jedoch absolut keine Motivation dafür sie dort aufzusuchen, also beschloss ich einfach sie damit zu schocken, dass ich im Bett schlief, wenn sie in den frühen Morgenstunden irgendwann heimkam. Nur passierte auch das nicht. Sie weckte mich nicht und lag auch nicht neben mir, als ich am nächsten Mittag nach knappen zwölf Stunden Schlaf schließlich aufwachte. Ich fragte mich schon, was genau nun die Ursache dafür war, dass sie nicht heimkam, interpretierte wider besseren Wissens aber vorerst nicht zu viel hinein. Sie hatte früher schließlich auch in ihrer Bar gewohnt und außerdem hatte ich am Nachmittag und Abend noch etwas zu erledigen. Zuerst traf ich Sabin im Labor, wo wir uns gegenseitig auf den aktuellen Stand brachten. Auch ließ ich schon mal kleine Proben der mit ins Land geschmuggelten Drogen vor Ort, weil unser kleines Genie mir jene zeitnah analysieren würde. In meinem Beisein natürlich, um ihn unmissverständlich daran zu erinnern, dass er langsam mal aus seiner in Wattebäusche gehüllten Welt zu kriechen hatte, weil meine Geduld ein Ende hatte. Nach dem Besuch beim Italiener fuhr ich weiter zu Desmond und Ashton nach Hause, wo auch Tauren bei der Besprechung mit von der Partie war. Es gab gerade bezüglich des angeschleppten Koks und dessen Vertrieb ein paar Dinge zu besprechen und sie sollten mir noch einmal sämtliche Ereignisse der letzten Tage schildern, bevor wir die nächsten Schritte planten. Allerdings war das alles dann doch früher erledigt, als ich gedacht hatte und ich war schon gegen Mitternacht wieder Zuhause. Verzog mich mich mit teurem Bourbon auf den Balkon, um dort zusätzlich eine Line vom Terrassentisch zu ziehen, damit all der Stress der letzten Tage endgültig von mir abfallen konnte. In die Bar zu fahren hielt ich so oder so für unnütz, würde die Rothaarige bei der Arbeit doch ohnehin keine Zeit für mich haben - so weit zumindest die Theorie, die sich zerschlug, als ich einen Wagen in der Auffahrt hörte. Weil meine Jungs wussten, dass ich unangekündigte Besuche hasste, konnten es von ihnen eigentlich Niemand sein und so erhob ich mich mit einem genervten Grummeln, als es schließlich klingelte. Ich machte im Flur das Licht an und öffnete kurz darauf die Haustür, um dort zwei Cops und der vermissten Rothaarigen in die Gesichter zu sehen. Es war einzig meinem jahrelang antrainierten Pokerface zu verdanken, dass mir die Gesichtszüge nicht vollkommen entglitten, sondern sich lediglich angebrachte Überraschung darin spiegelte. Einer der Beamten erklärte mir oberflächlich warum sie Cosma nach Hause brachten. Fragte mich im Anschluss, ob bei mir alles okay war, weil ich dank Kubas Hitze oberkörperfrei vor ihnen stand und damit doch einige Blessuren des Unfalls sehr gut sichtbar waren. Wenigstens musste ich für den Grund nicht mal lügen, sagte einfach, dass ich einen Autounfall gehabt hatte und dass ich mich um die Rothaarige kümmern würde, die ich im gleichen Atemzug am Handgelenk hinter mich ins Haus zog. Ich bedankte mich noch bei ihnen und verabschiedete die Bullen lächelnd. Wartete noch, bis sie in den Wagen eingestiegen waren und davon fuhren. Dann krachte die Haustür in den Rahmen und das falsche Lächeln wich blanker Wut. Mit tief ins Gesicht gezogenen Augenbrauen und aggressivem Funkeln in den Augen drehte ich mich zu Cosma um. Meine Finger lösten sich von ihrem Handgelenk und griffen stattdessen packten sie stattdessen grob im Nacken, bevor ich mit der anderen Hand ausholte, um ihr meine Faust in den Magen zu schlagen. Dabei war ich absolut nicht zimperlich, weil sie sich wegen mir gerne hier und jetzt übergeben durfte. Das änderte zwar nicht mehr an ihrem Zustand, war aber vielleicht eine gute Lehre. "Ich bin gerade erst einen Tag Zuhause und du hast nichts besseres zu tun, als mir die Bullen aufs Grundstück zu schleppen..?!", spuckte ich förmlich zu ihr runter, während sie unweigerlich noch immer über meiner Hand in ihrem Bauch hing. Ich ließ ihren Nacken nämlich nicht los, drückte ihn sogar eher noch nach unten. "Ich hab ja schon viel dreiste Scheiße erlebt, aber das ist echt die Krönung. Soll das jetzt immer so laufen? Ich pass mal ein paar Tage nicht auf dich auf und du hetzt mir die Spürhunde aufs Haus, damit ich bald das nächste mal umziehen muss? Wenn du lieber in den Knast willst als hier zu wohnen, dann musst du's nur sagen. Ich finde dann bestimmt auch irgendeine verzweifelte Seele, die dich für einen einzigen mickrigen Schein da drin für mich absticht, damit du auch ja nicht mehr rauskommst.", brüllte ich immer lauter werdend zu ihr runter und bohrte Cosma die seitlich an ihrem Hals liegenden Finger förmlich ins Fleisch, verpasste ihr zum Unterstreichen meiner Worte auch noch einen Ruck im Nacken. Von dem sonst immer für sie anhaltenden Welpenschutz war gerade keine Spur. Es wurde wirklich Zeit, dass das kleine Biest begriff, wie sehr sie ihre eigene Haut riskierte, wenn sie mir hier auf meinem eigenen Grund und Boden ans Bein pisste wie ein nutzloser Straßenköter, der nichts Besseres zu tun hatte.
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Ich brauchte einen Augenblick um zu realisieren, dass es tatsächlich Hunter gewesen war, der die Tür geöffnet hatte. Ich nicht träumte und er offensichtlich längst wieder nach Kuba zurückgekehrt war. Warum hatte er mir denn nicht Bescheid gesagt? Wenigstens eine kurze Nachricht war ja wohl nicht zu viel verlangt, oder? Immerhin hätte uns das diese überaus unangenehme Situation mit den Polizisten vermutlich erspart, weil ich mich dann gar nicht erst zum Ziehen einer Line Kokain hätte überreden lassen, aber gut. Der Zug war längst abgefahren und ich konnte nur hoffen, dass der Choleriker wegen der offensichtlichen Verletzungen ausreichend sediert war, weil ich ehrlich gesagt nur bedingt Lust hatte, mich jetzt mit ihm zu streiten. Ich hatte Kopfschmerzen, die Wirkung des Rauschgifts ließ langsam nach und ich war müde. Vermutlich war Letzteres auch der Grund dafür, warum ich überhaupt erst so lange brauchte, all das hier zu begreifen und zu verstehen. Anfangs schien ich das Gesetz in meinem Rücken und die daraus möglicherweise resultierenden Konsequenzen vollkommen auszublenden - stattdessen lächelte ich bei Hunters Anblick unterbewusst bloß und dachte mir nichts weiter Böses dabei, als er mich am Handgelenk zu sich ins Haus zog. Sein Lächeln hätte mich im nüchternen Zustand sicher schon alarmiert, aber aktuell war mein benebeltes Hirn der festen Überzeugung, dass er einfach nur froh war, mich wiederzusehen. Und ich war das auch. Freute mich, dass er wieder zurück war, weil er sich doch nun viel zu lange nicht mehr Zuhause hatte blicken lassen. Natürlich war ich deswegen auch noch ein Stück weit sauer auf ihn, aber ich versuchte, Verständnis dafür aufzubringen, wenn er geschäftlich unterwegs war. Dass ich mich offenbar wirklich in den Amerikaner verliebt hatte, half mir dabei glücklicherweise sehr. Umso weniger verstand ich folgendes Szenario, als die Cops vom Grundstück waren und die Haustür ins Schloss gedonnert wurde. Bereits zu diesem Zeitpunkt beschlich mich das ungute Gefühl, dass es gleich ordentlich krachen würde, verstand aber nicht ganz warum. Es war schließlich nichts passiert, die Polizisten hatten keinerlei Fragen gestellt. Gut, außer die Frage nach dem Wohlbefinden des Amerikaners, aber war ein Autounfall denn derart unglaubwürdig? Wenn ich die Verletzungen des Oberkörpers betrachtete eher nicht, nein. Traf eigentlich ganz gut das gängige Muster eines Unfallopfers. Ein paar Schrammen, blaue Flecken, unter dem Verband am Arm vielleicht eine Schnittwunde, die aus einer zerbrochene Scheibe resultiert war. Warum also platzte Hunter denn schon kurz darauf die Hutschnur? Ich stellte mich bereits bei seinem wütenden Anblick darauf ein, dass der Amerikaner mich gleich anschreien und mich fragen würde, ob ich noch alle Tassen im Schrank hatte, aber es sollte überraschenderweise ganz anders kommen. Noch bevor ich überhaupt zu beschwichtigenden Worten in seine Richtung ansetzten konnte, traf mich der Schlag. Dieses Mal sogar im wahrsten Sinne des Wortes, was mich erschrocken keuchen ließ. Die Faust in meinem Magen und die Hand in meinem Nacken schnürten mir förmlich die Luft ab und auch wenn mir Hunter nicht viel Freiraum ließ, um mich zu krümmen, tat ich es doch ganz automatisch ein wenig. Die Übelkeit setzte kurz darauf ein und auch der Kopfschmerz verstärkte sich, als Hunter anfing, mich anzuschreien. Mir Worte an den Kopf schmiss, die für mich in diesem Augenblick überhaupt keinen Sinn ergaben. Natürlich legte ich es nicht darauf an, dass er oder ich in den Knast wanderten und ja, die Aktion war irgendwie echt blöd gelaufen. Aber musste er dann trotzdem zu solch drastischen Mitteln greifen? Konnte er mich nicht einfach zusammenstauchen, ohne meine körperliche Verfassung weiter negativ zu beeinflussen? Anscheinend nicht. Wieder brauchte ich kurz Zeit, um mich zu sortieren, begriff ich doch wirklich nicht, was plötzlich in den jungen Mann gefahren war. Dass wir einander oft anschrien war vollkommen normal, gehörte in diesem Haushalt quasi zum guten Ton, aber wann war Hunter mir gegenüber das letzte Mal handgreiflich geworden? Wenn ich spontan nicht irgendeinen Zwischenfall vergessen hatte, dann lag das letzte Mal schon ewig lange zurück - nämlich, als wir nach unserem gemeinsamen Drogentrip verschleppt worden waren. Seitdem war es für mich nahezu unmöglich gewesen, den Amerikaner derart zu reizen, dass er es doch tatsächlich wagte, seine Hand gegen mich zu erheben. Keine Ahnung, woran es lag, aber er tat es einfach nicht mehr. Schrie mich wenn dann nur an und bekam gleiches Gekeife als Resonanz zurück. Am liebsten hätte ich ihn auch in diesem Moment gefragt, ob er noch ganz dicht war, aber zwischen dem Keuchen und Japsen brachte ich gut eine Minute lang erst einmal überhaupt kein Ton über die Lippen. "Was zur Hölle... stimmt nicht mit dir?" Eine rein rhetorische Frage, wenn es nach mir ging - es stimmte schließlich so einiges nicht mit dem verkorksten Amerikaner. "Es... ich... es ist doch nichts passiert.", murmelte ich leise, aber mit dem automatisch schon leicht gereizten Unterton im Anflug. Nur weil er mich mit dieser Aktion jetzt sichtlich überrascht hatte, hieß das schließlich nicht, dass ich meine große Klappe abgelegt hatte. Er würde vermutlich auf genauso viel Widerstand wie sonst auch treffen. Genau deswegen legte ich auch schon bald beide Hände an seinen Arm, dessen Hand er mir in den Magen geschlagen hatte und den er weiterhin dort hielt. Ich versuchte - wenig überraschend leider vergebens -, diesen von mir zu schieben. Hob auch meinen Blick an, den ich unterbewusst auf den Boden geheftet hatte, um den wütenden Blick des jungen Mannes kurzerhand zu erwidern. Leider war es nicht besonders glaubwürdig, weil mir der Schmerz unterbewusst die Tränen in die Augen trieb, aber es dürfte ausreichen, um Hunter zu signalisieren, wie viel ich von seinem Auftreten nach seiner langen Abwesenheit hielt. "Freut mich im Übrigen auch... dich wiederzusehen... Schatz.", spuckte ich im Nachgang noch ein paar ironische Worte in sein Gesicht, hätte sie gerne mit einem schmalen, aufgesetzten Lächeln untermauert, aber das brachte ich gerade nicht fertig. Ich war einfach derart verwirrt, dass ich gar nicht so recht wusste, wohin jetzt eigentlich mit mir. Wie ich mich verhalten sollte und wie sich umgekehrt das Verhalten von Hunter erklären ließ. Der Blick in seine Augen verriet mir jedenfalls recht sicher, dass vor mir gerade nicht der Mann stand, in den ich mich verliebt hatte. Für den ich in die Bresche gesprungen war, um wortwörtlich einen Schuss für ihn abzufangen. Nur wo war dieser Hunter so plötzlich hin?
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