Ich sah nur ziemlich flüchtig zu Vahagn, als die Fessel sich endlich gelöst hatte. Es wäre kaum übertrieben zu sagen, dass Iljah gerade der einzige war, der meine Aufmerksamkeit bekam. Auch, wenn ich durch den Tränenschleier nach wie vor etwas verschwommen sah, war kaum zu übersehen, dass der Schwarzhaarige noch immer meilenweit davon entfernt war das blühende Leben zu sein. Ich konnte wohl nicht mehr als darum zu beten, dass er nach alledem wieder gesund wurde und er mir das alles irgendwann vielleicht mal verzeihen konnte. Nicht, als würde das für mich irgendwas ändern - in der Hölle schmoren würde ich mit ziemlicher Sicherheit in jedem Fall, wenn ich erst einmal abgedankt hatte. Aber ich wünschte es mir für Iljah. Ganz gleich, ob ich sehr wahrscheinlich nichts mehr davon mitbekommen würde, hoffte ich für seinen offenbar ohnehin schon angeknacksten Kopf, dass er Frieden mit alledem schließen können würde und wenn es nur dadurch war, dass er mich doppelt und dreifach zur Hölle schickte - ganz egal. Hauptsache nur er schloss damit ab. Das war alles, was ich wollte... sofern er denn noch Gelegenheit dazu haben würde. Ich streckte automatisch meine Hand nach einem seiner Handgelenke aus, nur war ich durch all die aufgewühlten Emotionen bei Weitem nicht schnell genug damit es zu erwischen, um das nach vorne kippen vermeiden zu können. Ich rappelte mich langsam wieder zurück auf die wackeligen Beine und versuchte mir mit dem Ärmel die fließenden Tränen aus dem Gesicht zu wischen, dabei auch ein wenig durchzuatmen. Es half nun wirklich Niemandem, wenn ich hier unbrauchbar schluchzend herumstand, aber ich konnte nicht einmal beschreiben, wie tief mein Herz bei Iljahs Anblick rutschte. Wie sehr mir die Brust schmerzte und wie sehr ich mir wünschte, die Zeit um so einige Tage zurückdrehen zu können mit dem Wissen und den Erfahrungen, die ich heute hatte. Nur ging das nicht und so blieb mir nicht viel mehr übrig, als vollkommen hilflos mit anzusehen, wie die Männer sich dem verletzten, jungen Mann annahmen, um ihn vorsichtig, aber bestmöglich auf schnellstem Weg hier rauszubringen, damit er überhaupt noch eine Chance hatte. Ich würde eine Million Kreuze machen, wenn er Zuhause in Sicherheit war und man guten Gewissens behaupten konnte, dass er auf dem richtigen Weg war und wieder werden würde. Nicht ohne dauerhafte Blessuren, aber er würde noch eine Chance kriegen. Vielleicht kam ich aber auch gar nicht mehr dazu die Kreuze zu machen, weil Vahagn mir eine durchweg unangenehme Frage stellte, kaum hatten sich ihre Männer mit ihrem Bruder auf den Weg gemacht. Eine Frage, die im Grunde nur verhängnisvoll für mich und nicht zufriedenstellend für sie enden konnte, weil es nun mal einfach nichts gab, womit sich das blöde Spiel, das ich mit Iljah getrieben hatte, auch nur ansatzweise rechtfertigen oder erklären lassen würde. Ich sah die Brünette also aus leicht geröteten Augen - die sich eher nicht an dem fast schon grellen Licht an der Decke erfreuten - und mit bebender Unterlippe an. Schluckte hörbar, bevor ich zu der Erklärung ansetzte, die mir am Ende noch gleich hier und jetzt eine Kugel einbringen würde. Aber ich hatte Lügen und Heimlichtuerei nun wirklich satt und hatte deshalb nicht vor, sie hier nur mit irgendetwas hinzuhalten oder gar anzulügen. Schließlich war Iljah ihr Bruder und sie hatte in meinen Augen durchaus ein Recht darauf, es verstehen zu können und zu wissen, wie all das überhaupt erst zu Stande gekommen war. "Ich wollte das alles nicht... wirklich nicht. Ich wusste nicht, wie ich da... wieder rauskommen soll... ich hab ihm so oft gesagt, dass er sich von mir fernhalten soll... aber er wollte nicht... und dann... wollte ich auch nicht mehr. Ich wusste nicht, wie ich's ihm sagen soll, ohne dass er...", mich umbringt, mich mit mehr als nur Verachtung ansieht, mich hasst. Ich stammelte schon die ganze Zeit über etwas wirr und jetzt kamen mir auch wieder vermehrt Tränen, die sich partout nicht verscheuchen lassen wollten. "...ich bin einfach schwach. Hab mir ewig lang eingeredet, dass ich das noch irgendwie hinkriege, bevor es zu spät ist... aber das hab ich nicht und ich... ich würde es so gern rückgängig machen, wenn ich nur könnte. Ich hab Iljah nie etwas Schlechtes gewollt...schon gar nicht das hier." Gut, okay, das war jetzt nicht ganz die Wahrheit, nach der Vergewaltigung hatte ich in durchaus zum Teufel geschickt. Aber das war offensichtlich nur temporär und dem Augenblick geschuldet gewesen. "Bitte glaub mir das, Vahagn. Ich hab mich...", ich brach nur mehr vor mich hin schluchzend ab, weil mir dann doch noch einfiel, dass es vielleicht nicht so schlau wäre seine Schwester zu sagen, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Erstens war zu bezweifeln, dass sie mir das nach alledem hier überhaupt glauben würde und zweitens machte es keinen Unterschied für sie. Ich war dann trotzdem immer noch das Miststück, das Iljah beinahe das Leben gekostet hätte. Am Ende würde sie noch denken ich würde die Gefühle für ihn nur vorspielen und mich in die Rolle der armen Geliebten versetzen wollen, was nun wirklich nicht so war. Also ließ ich es ganz bleiben und sah auf die Ärmel meines Pullovers runter, während ich wie so oft an meinen Fingern herumspielte, wenn mir etwas wahnsinnig unangenehm war. Als wäre all das hier an sich noch nicht genug hörte ich wenige Sekunden, nachdem ich mit dem Reden fertig war, die innere Kellertür zum oberen Wohnbereich aufschlagen und gegen die Wand an der Treppe knallen, was mich reflexartig die Augen weiten ließ.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wie ich bereits vermutet hatte, stellte mich Irinas Antwort nur wenig bis eigentlich gar nicht zufrieden. Im Grunde genommen bestand ein Großteil ihrer Erklärung nämlich aus dem altbekannten 'Ich wollte nicht ...', bevor dann alles ganz klassisch aus dem Ruder gelaufen war. Hätte die Serbin nicht bereits mit dem Amerikaner gesprochen, der mir alle wirklich wichtigen Informationen bezüglich des Ganzen hier auf unserem Weg nach Russland hatte zukommen lassen, wüsste ich jetzt genau gar nicht, welche Rolle die Sorokins eigentlich spielten, in deren Villa wir eingebrochen waren, noch was Irina für Beweggründe gehabt hatte, Iljah diesem gefährlichen Kartell auszuliefern. Dass mir das ganz gewaltig gegen den Strich ging, musste ich sicherlich nicht noch extra erwähnen, oder? Lag auf der Hand, war so ziemlich selbsterklärend, wo ich die junge Frau doch inzwischen wieder so ansah, als würden Blicke töten können. Da änderte auch der Umstand, dass sie sich offensichtlich in meinen Bruder verliebt zu haben schien nichts dran. Natürlich mutmaßte ich das jetzt gerade bloß anhand des unvollendeten Satzes ins Blaue hinein, aber es war wohl auch die naheliegendste Vollendung, wenn man mich fragte. Nur war sie was das anging bei mir an der völlig falschen Adresse. Ich selbst war schließlich gerade erst dabei, mit der Liebe Stück für Stück warm zu werden, aber wenn ich eines wusste, dann war es, dass man den Menschen, den man augenscheinlich so gern hatte, ganz bestimmt nicht an ein Kartell verkaufte, von dem man wusste, dass sie dem Geliebten nichts Gutes wollten. Mein Verständnis für Irinas Handeln hielt sich deshalb wohl ganz besonders in Grenzen, auch wenn mir jetzt das erste Mal einleuchtete, warum die junge Frau so erpicht darauf war, uns bei der Befreiung des Russen zu helfen. Wirklich Zeit, mir darüber jetzt noch weiter Gedanken zu machen, hatte ich jedoch nicht, denn auch mir entging die aufschlagende Tür keinesfalls und erneut verfluchte ich mich dafür, etwas angesprochen zu haben, dass uns hier und jetzt nur unnötig viel Zeit für eine Flucht gekostet hatte. Wäre mir die Frage bloß etwas später über die Lippen gekommen, dann befänden wir uns längst nicht mehr hier in der Folterkammer der Sorokins, sondern mit meinen Männern als Backup auf dem Weg zu den Wägen vor dem Haus. Ich schloss deshalb resigniert seufzend die Augen, wischte mir angestrengt über das Gesicht und beschloss, das Thema erst einmal kommentarlos auf sich beruhen zu lassen. Sollten wir lebend aus der Geschichte hier heraus kommen, hatte ich immer noch genug Zeit, Irina meine Meinung zu all dem an den Kopf zu werfen. Freundlich würde ich dabei keinesfalls bleiben und vermutlich würde genau das sie auch wieder einmal zum heulen bringen, aber im Augenblick war wohl deutlich wichtiger, hier und jetzt nicht die Fassung zu verlieren. Sich zu konzentrieren, damit niemand unnötigerweise noch eine Kugel fraß und dadurch frühzeitig abdankte. Prinzipiell hätte ich jetzt einfach die Beine in die Hand nehmen und abhauen können. Irina hier ihrem Schicksal überlassen, nachdem ich mir inzwischen nahezu hundert prozentig sicher war, dass sie keine gemeinsame Sache mehr mit dem Kartell machte. Durch ihren Verrat waren die Sorokins also sicher alles andere als gut auf sie zu sprechen und die Serbin einfach hier in der Kammer zurückzulassen dürfte ihr Todesurteil besiegeln. Aber als ich einen Schritt in Richtung Flur stolperte, drauf und dran war, einfach den Gang entlang zu sprinten und die Treppe nach draußen zu nehmen, ließ mich etwas in meinem Inneren auf der Schwelle inne halten und sie einen Augenblick lang erst mit einem neutralen, dann aber fast schon weichen Gesichtsausdruck ansehen. Nicht lange, maximal ein paar Sekunden, dann rollte ich mit den Augen, seufzte genervt und machte wieder einige Schritte auf die junge Frau zu. Streckte die Hand nach ihrem unter dem Pullover verpackten Handgelenk aus und zog sie dann mit einem Ruck an mich heran, um wenig später mit ihr gemeinsam die Tür anzusteuern. Grundsätzlich hätte ich sie wohl wirklich einfach gerne hiergelassen. Sie anstelle von Iljah auf dem Stuhl festgeschnallt und mich an dem Gedanken ergötzt, dass sie dieselben Höllenqualen erleiden würde, wie mein Bruder. Tief im Inneren wusste ich nur leider, dass besagter Russe sich wohl kaum so lange mit der Serbin abgegeben hätte, wenn sie ihm nicht auch etwas bedeutet hätte. Dabei war es vollkommen egal, ob er sich nun auch in sie verliebt oder es aus anderen Gründen getan hatte, aber er würde nach einer erfolgreichen Genesung sehr wahrscheinlich noch einmal mit ihr reden wollen, bevor Hunter oder ich Irina den Garaus machen würden, wenn Iljah nicht selbst der Sinn danach stand. Also musste die junge Frau zwangsläufig auch irgendwie aus diesem Haus hier raus, weshalb ich sie geradewegs hinter mir her auf den Flur zerrte. Inzwischen waren Schritte im Bereich der Treppe zum Wohnbereich zu vernehmen, was bedeutete, dass wir es sehr wahrscheinlich nicht mehr nach draußen schaffen würden, bis der Mann, zu dem die schweren Schritte gehörten uns erblickte. Uns vermutlich erschoss, weil ich nicht davon ausging, dass er unbewaffnet war und wir nun mal ganz offensichtlich nicht hier sein sollten. Uns in der Folterkammer zu verschanzen war jedoch auch nicht die beste Option, würde der Typ doch mit ziemlicher Sicherheit dort zuerst schauen, was hier unten vor sich ging. Und der Weinkeller? Der war zu weit weg. Zwei Türen den Gang entlang, um genau zu sein und wir würden es wohl nur eine Tür weiter schaffen. Was sich dahinter verbarg? Sollte mir erst einmal egal sein, solange ich nicht wusste, wie viele von den Männern den Keller stürmen würden. War es nur einer, ließ sich der problemlos ausschalten, aber ich befürchtete fast, dass er noch Anhang mit sich brachte und sinnlos drauf los zu schießen, steigerte nicht unbedingt die Wahrscheinlichkeit, hier lebend aus der Villa zu türmen. Blieb nur zu hoffen, dass die Tür auch nicht verschlossen war, weil ich sonst wohl nichts anderes übrig bleiben würde.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich konnte Vahagns Blicke kaum ertragen und so ziemlich alles in mir schrie danach ihr vermitteln zu wollen, dass ich noch nie bei dem geplanten Mord an Iljah - der bis dato zum Glück noch nicht eingetreten war - hatte helfen wollen. Ja eigentlich noch nicht einmal Informationen über ihn nach außen hatte tragen wollen, auch wenn ich das am Ende doch noch getan hatte. Nur war ein Vorhaben wie dieses vermutlich nicht machbar, sah die Brünette in diesem Moment doch wirklich nicht so aus, als würde sie mir auch nur in einer Million Jahre mal ihren Glauben schenken oder gar verzeihen können. Durch unseren netten Besuch im Keller blieb nur gar nicht viel Zeit dazu mir darüber noch weiter den Kopf zu zerbrechen, denn der war schlagartig ziemlich leer, als es im ersten Moment danach aussah, als würde Vahagn mich jetzt hier zurücklassen und mich meinem Schicksal überlassen. Ich hatte weder die schusssichere Weste an, noch hatte ich auch nur den Hauch einer Chance dazu mich irgendwie zu verteidigen, wenn sie mich nicht mehr decken wollen würde. Dennoch hätte ich es ihr wohl kaum übel genommen - besonders nett wäre es nicht, nachdem ich ihr doch sehr gutwillig dabei geholfen hatte ihren Bruder hier wieder rauszuholen, aber ich könnte es verstehen. Wahrscheinlich würde ich auch nicht anders darüber denken, wenn Jemand einem meiner Familienmitglieder in diesem Ausmaß geschadet hätte. Trotzdem hielt sie unerwartet kurz darauf inne und sah mich sogar noch einmal an. Die Tränen waren noch nicht versiegt, hatten lediglich durch den Schock des Vielleicht-Gleich-Sterbens plötzlich deutlich nachgelassen, aber ich konnte dennoch gut sehen, dass sie mich in diesem kurzen Augenblick nicht mehr so ansah, als würde sie mir jede Sekunde eine Kugel in den Schädel jagen. Ich hatte wirklich keinen Schimmer davon, was diesen kleinen Sinneswandel bei ihr hervorrief, aber mir rollte der nächste große Stein vom Herzen, als die Brünette wider Erwarten an mich herantrat und mich für die folgende Flucht am Handgelenk packte. Das ließ ich mir nun wirklich nicht zwei Mal sagen, wo es mir mehr als nur davor graute hier bei den Sorokins zurückgelassen zu werden, also stolperte ich auf den noch immer etwas wackeligen Beinen mit Vahagn zurück in den Flur. Schon dabei konnte ich hören, wie die Schritte im Gang lauter wurden und der Kerl offenbar schon drauf und dran war, sich uns an die Fersen zu heften. Mein Herz würde nächstens kollabieren, wenn wir nicht schnell eine Lösung für dieses zügig näher kommende Problem fanden. Es bis nach draußen zu schaffen, bevor er uns im Blickfeld hatte, war schier unmöglich und so musste zwangsweise ein schneller Zwischenstopp her. Ich ließ mich von der Russin deshalb allzu gerne mit in den nächsten Raum ziehen und ich schloss die Tür möglichst schnell, wenn auch so gut wie lautlos wieder hinter uns - unwissend darüber, ob unser Verfolger das nun gesehen hatte oder nicht. Ich presste mich förmlich an die Wand unweit der Tür, während ich den Raum nach irgendwelchen brauchbaren Hilfsmittel absuchte. Natürlich war es aber auch hier ziemlich dunkel und viel mehr als einige Kisten und Kartons waren so ohne weiteres gar nicht zu erkennen. Außerdem hörte es sich tatsächlich noch immer so an, als würde es sich dabei nur um eine einzelne Person handeln, weshalb meine Augen unweigerlich zu Vahagn zurück wanderten, die sich auf der anderen Seite des Türrahmens an der Wand bedeckt hielt. Sie konnte ihn doch einfach kalt machen, wenn er tatsächlich hier rein kam, oder? Er setzte inzwischen zum Laufschritt an, legte kurz darauf aber einen Stopp ein. Sehr wahrscheinlich an der noch offenen Tür der Folterkammer, weil schon von weitem offensichtlich sein musste, dass da etwas nicht stimmte. Er fluchte laut und setzte dann erneut zu schnellen Schritten an, nahm die Verfolgung der Geisel auf. Ich sah wieder zu der Tür aus bereits leicht rissigem Massivholz, die sich die letzten Jahre über augenscheinlich verzogen hatte, weshalb ein winziger Spalt zwischen Rahmen und Tür blieb, durch den das Licht aus dem Flur fiel. Es war mir gar nicht bewusst, dass ich anfing die Luft anzuhalten, als der Zugehörige des Sorokin-Clans uns fast erreicht hatte. Als er so nahe war, dass er potenziell jede Sekunde die Tür aufmachen konnte, kniff ich die Augen vor dem anrollenden Unheil zusammen... nur, um dann zwei Sekunden später zu hören, wie er an der Tür vorbei und weiter in Richtung Ausgang sprintete. Vermutlich dachte er gar nicht erst daran, dass noch Jemand hier sein konnte - was nüchtern betrachtet ein bisschen sehr naiv war, aber war ja nicht mein Leben, sondern seins -, wo die Zielperson doch ganz offensichtlich schon nicht mehr im Keller war. Ich atmete erleichtert, wenn auch nicht allzu laut aus und meine Brust senkte sich sichtbar, als ich unruhig wieder zu Vahagn blickte. Ich konnte es nicht leiden, wie nutzlos ich mich gerade fühlte, aber sie war hier nun einmal diejenige mit dem Kommando und auch die Einzige, die irgendwas ausrichten konnte. Aber es schien wieder weiterzugehen, denn die Brünette setzte sich bald erneut in Bewegung. War wohl auch nur logisch - wir kamen hier nicht raus, wenn wir uns nicht weiter dem Ausgang näherten und hier drinnen waren wir Iljah und den Jungs ganz bestimmt keine Hilfe, also öffnete sie die Tür und ich schlüpfte erneut hinter ihr her in den Gang hinaus. Warf im Gang immer wieder einen Blick über meine Schulter hinweg, aber sonst schien Niemand zu kommen. Der Kerl war indessen schon gar nicht mehr zu sehen, hatte die Kellertür hinter sich offen stehen lassen und es dauerte nicht lang, bis aus eben genau dieser Richtung draußen Schüsse fielen. Meine Schritte beschleunigten sich wohl ebenso instinktiv wie die der jüngeren Gniwek, befürchtete ich doch prompt das allerschlimmste - hatte er Iljah erwischt? Zugegeben war mir gerade vollkommen egal, ob womöglich einer der Männer, die ihn hinaus getragen hatten, etwas abbekommen hatte, solange der Sorokin nur Iljah nichts hatte anhaben können. Natürlich würde mir dieser egoistische Gedanke später irgendwann leid tun, wenn ich wieder Ruhe hatte und klar denken konnte, aber in diesem Moment zählte einzig und allein, dass dieses Arschloch dem ohnehin schon beinahe Toten nicht auch noch den letzten Funken Leben aus dem Körper gepustet hatte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das Glück schien uns ausnahmsweise hold zu sein, denn als ich mit der Hand die Türklinke nach unten drückte, ließ sich die Tür ohne Probleme öffnen. Wenig später befanden wir uns dann in einem ähnlich dunklen Raum wie der Abstellkammer, durch die wir uns Zutritt zu der Villa verschafft hatten. Den Lichtschalter betätigen wollte ich allerdings nicht, weil es durchaus möglich war, dass wir mit einem durch den Spalt unter der Tür fallenden Lichtkegel auf uns aufmerksam machten und außerdem war es vielleicht gar nicht so schlecht, dass sich mit den Augen aktuell nur Umrisse von Kartons ausmachen ließ. Manchmal wollte man nämlich gar nicht so genau wissen, was sich in den Kellern anderer Leute befand. Den Sorokins hätte ich persönlich zugetraut, dass sie unter ihrem Eigenheim vielleicht die ein oder andere Leiche horteten und der Anblick von verwesendem Fleisch war alles andere als schön. Von dem Geruch mal ganz zu schweigen, aber in dem Punkt konnten wir nach meinen jetzigen Einschätzungen beruhigt aufatmen. Es roch in dem Raum zwar moderig und lange hier drin aufhalten wollen würde ich mich wohl auch nicht, aber ich war mir ziemlich sicher, dass hier zumindest kein toter Körper zwischen den Kisten lag, den man vor ein paar Tagen vergessen hatte zu beseitigen. Und selbst wenn, dann hatten wir gerade alles, aber definitiv keine Zeit, um darüber nachzudenken, spitzte sich die Lage doch fortwährend immer mehr zu. Ich hatte es Irina gleichgetan und neben der Tür mit bis zum Hals schlagenden meinen Posten an der Wand bezogen. Für den Fall der Fälle, dass der stämmige Mann die Räume kontrollieren würde, war es nämlich unvorteilhaft, wenn er einen von uns mitsamt der Tür in den Raum stoßen würde. Da war es weitaus sinnvoller, man würde den Typen einfach hinein lassen und die Gunst der Stunde nutzen, um ihn dann zu erschießen. Es sollte nur überhaupt gar nicht erst so weit kommen, dass wir - oder in dem Fall eher ich - die Möglichkeit bekamen, dem Kerl eine Kugel zu verpassen, denn nachdem er im Gang kurzzeitig innegehalten hatte, trugen ihn seine Beine geradewegs den Flur entlang nach draußen. Ich sah Irina daraufhin etwas verwundert an, sagte aber nichts. Wollte einfach nicht riskieren, dass er uns hörte und noch einmal Kehrt machte, denn im Grunde genommen war es nur von Vorteil, wenn wir niemanden im Nacken sitzen hatten. Viel mehr diejenigen waren, die aus dem Hinterhalt angreifen konnten und das sollten wir kurze Zeit später auch müssen. Nachdem Irina sich versichert hatte, dass der Gang inzwischen wieder leer war und niemand ganz plötzlich um die Ecke stand, um uns einzusammeln, machten wir uns ebenfalls auf den Weg nach draußen, wo, kaum hatten wir die Türschwelle passiert, ein Schuss zu hören war. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich noch verhältnismäßig entspannt gewesen. So entspannt, wie man nun mal sein konnte, wenn man potenziell jederzeit über den Haufen geschossen werden konnte, aber unter der Prämisse, dass unweit von unserer Position meine Männer mit Iljah auf den Armen mehr oder weniger schutzlos unter Beschuss standen, legte ich doch lieber einen Zahn zu. Vom panisch die Kellertreppe nach oben stürzen und geradewegs an den kläffenden Hunden vorbeistolpern war ich zwar noch weit entfernt, aber die Sorge um meinen Bruder stand mir wohl doch gut sichtbar ins Gesicht geschrieben, als ich um die Ecke bog und noch im gleichen Atemzug meine Pistole aus dem Holster zog. Dadurch, dass wir noch wenige Augenblicke mit unserem Aufbruch gewartet hatten, war uns der stämmige Mann Mitte zwanzig bereits ein paar Meter voraus, weshalb ich schon bald in den Laufschritt überging, um die Distanz schneller zu überbrücken. Solange wir noch verhältnismäßig unbemerkt blieben, ging ich lieber auf Nummer sicher, wollte den Schuss einfach nicht aufgrund zu hoher Distanz daneben setzen. Jedenfalls merkte ich beim Laufen überhaupt nicht, dass mir plötzlich die Tränen über die Wange liefen, je näher wir dem Anhänger der Sorokins kamen, aber eine große Rolle schien das in Hinsicht auf meine Treffsicherheit nicht zu spielen. Trotz des Tränenschleiers richtete ich zielsicher meine Waffe auf den Verfolger meines Teams, nur schaffte ich es nicht mehr abzudrücken, bevor ich mit einem schmerzerfüllten Aufschrei zu Boden ging. Der Schuss löste sich zwar, verfehlte sein eigentliches Ziel jedoch meilenweit und wenn wir bis dato noch nicht entdeckt worden waren, wäre das spätestens jetzt der Fall. Eine Sache hatte ich bei dem grandiosen Plan, dem schießwütigen Spinner einfach das Leben auszuhauchen ganz offensichtlich vergessen: die Hunde - die kurz nachdem einer ihrer Befehlshaber an ihnen vorbeigesprintet waren ebenfalls auf die Beine sprangen und tja, was sollte ich sagen. Einer davon lag nun mal nicht in Ketten. Das Kläffen war zwar trotz des Kugelhagels im vorderen Bereich des Anwesens vermutlich durch die ganze beschissene Villa zu hören gewesen, aber ich hatte es wohl im Eifer des Gefechts einfach ausgeblendet. Darauf getunnelt, den Verfolger dingfest zu machen, damit Iljah nicht noch Schlimmeres widerfuhr und hatte dabei ganz offensichtlich außer Acht gelassen, dass Irina nur einen der beiden Hunde an seine Hütte gekettet hatte. Der andere noch auf freiem Fuß war sozusagen und die Nachsichtigkeit der Serbin, sowie meine Naivität, dass das schon so in Ordnung gegangen war, wurde mir jetzt zum Verhängnis. Nicht nur das Gewicht des Köters, der mich von der Seite ansprang, ließ mich ungebremst gen Boden segeln, sondern vor allem die Tatsache, dass ich mein linkes Bein nicht mehr belasten konnte, nachdem sich die Zähne des Tieres in meinen Oberschenkel gebohrt hatten. Ich schlug reichlich unsanft mitsamt des Fellknäuels über mir auf dem Boden auf und ich verdankte wohl meinen noch immer relativ gut funktionierenden Reflexen, dass mich der nächste Biss nicht direkt im Gesicht erwischte, sondern lediglich meinen Unterarm. Wieder gab ich Laute des Schmerzes von mir, aber aus der Position heraus war es mir zumindest möglich, Eldar von mir zu stoßen und eines der unzähligen Messer aus dem am anderen, unverletzten Bein angebrachten Waffengurt zu ziehen. Die Pistole hatte ich bei dem Aufprall nämlich losgelassen und somit lag sie gerade außerhalb meiner Reichweite nahe Irinas Fuß. Allerdings war der Hund inzwischen nicht mehr das einzige Problem das ich hatte, denn auch der Verfolger meiner Mannschaft machte Anstalten, seine Waffe auf mich zu richten, schien aber noch reichlich unentschlossen zu sein. Denn er wusste, dass prinzipiell jetzt auch Irina nach der Waffe greifen könnte. Andererseits waren auch die Jungs - von denen, soweit ich das aus der jetzigen Position heraus beurteilen konnte, einer getroffen worden war -, nicht unbewaffnet. Egal, wie er das Blatt nun drehen oder wenden würde. Tot wäre er so oder so, nur schien er wenigstens noch einen mit sich reißen zu wollen und als ein Schuss fiel, kniff ich instinktiv die Augen zusammen. Erwartete bereits die nächste Welle bestehend aus Schmerz, der mir letztlich das Leben aushauchen würde, kurz nachdem ich eines der Messer im Hals des Tieres versenkt hatte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Die eigentlich nur wenigen Sekunden, die noch verstrichen, bevor wir endlich draußen an der frischen Luft ankamen, zogen sich schier endlos hin und es kam mir so vor, als würde der Gang immer länger werden. Vielleicht lag das an meinen sich noch immer wacklig anfühlenden Beinen, die mich für meine Begriffe mehr schlecht als recht vorwärts trugen, während wir den Ausgang ansteuerten und ich schließlich die Stufen nach draußen erklomm. So oder so hatte ich die Hunde wohl ebenso wenig noch im Sinn gehabt, wie es bei der vorausstürmenden Brünetten der Fall war. Ich konnte wohl wirklich von Glück reden, dass nicht ich diejenige war, die von dem Schäferhund begraben wurde, weil es mich sehr sicher schlimmer erwischt hätte als Vahagn - was nicht heißen sollte, dass ich nicht trotzdem einen riesigen Schrecken bekam und aus Schock sofort innehielt, als ich den Hund über die Russin herfallen sah. Ein erstickter Aufschrei entwich meiner Kehle und ich wich ganz automatisch wieder einen Schritt zurück, um Distanz zu den beiden zu bekommen. Mir fiel unweigerlich die Waffe mehr oder weniger vor die Füße, welche die Brünette bis eben noch in den Händen gehalten hatte, während ich noch drauf und dran war den Rest der Situation zu analysieren. Wieder erwischte ich mich bei der egoistischen Handlung, dass mein erster Blick in Richtung der kleinen Gruppe an Männern glitt, die Iljah in einen sicheren Radius zu tragen versuchte. Sobald ich aber sah, dass er abgegebene Schuss nicht den Schwarzhaarigen getroffen hatte, sondern offenbar einen der restlichen Jungs drum herum, fiel mein Blick zurück auf den Sorokin, den ich erst jetzt als ein bekanntes Gesicht identifizieren konnte. Er war einer der Cousins und nicht gerade eine Augenweide, weshalb ich wahnsinnig froh war, dass er kein Faible für meine Optik gehabt hatte und ich von ihm in meiner Zeit hier verschont geblieben war. Er stand für einen kurzen Augenblick ziemlich unentschlossen zwischen beiden Fronten und womöglich wägte er dabei ab, wessen Tod sich für ihn am meisten lohnte. Im Grunde war es aber auch egal, warum er nun kurzzeitig innehielt und dann zur Seite weg einige Schritte rückwärts machte, gab er mir damit doch genug Zeit dafür nach der Waffe zu greifen und damit zumindest einen Hauch von Möglichkeit zur Selbstverteidigung zu erreichen. Zumindest malte ich mir das in dem Sekundenbruchteil, in dem ich mich dazu entschloss, so aus. Dass der Sorokin in der Zwischenzeit leider seine Entscheidung fällte und auf mich zielte, sah ich nicht. Dafür spürte ich es umso deutlicher, als der Schuss in meiner direkten Nähe durch die Luft zischte und mich beinahe zu Boden riss. Ich war Glück im Unglück, dass ich mich in diesem Moment seitlich nach der Waffe gebückt hatte, weil er andernfalls sicher meinen Bauch, statt nur meine Taille erwischt hätte. Ich war noch während meinem schmerzverzerrten Aufschrei seitlich ins Taumeln gekommen und stützte mich gerade noch rechtzeitig mit den Händen ab, um keine vollkommene Bruchlandung hinzulegen. Die Waffe hatte ich jetzt zwar in der Hand, dafür aber auch unsagbare Schmerzen an der Taille. Ich hatte keine Ahnung davon, ob die Kugel nun steckte, oder ob sie mich nur gestreift hatte, aber der Schmerz war so penetrant, dass ich einen Moment lang nach Luft schnappend um meinen Verstand kämpfte. Ich tastete reflexartig mit der freien Hand nach der Verletzung, als ich mich wieder aufzurichten versuchte und hörte parallel dazu schon die nächsten beiden Schüsse durch die Luft fliegen. Allerdings nicht in meine Richtung, sah ich den Sorokin doch kurz darauf rückwärts den Boden küssen. Meine Finger nahm ich sofort wieder vom zerschossenen Pullover, löste die Berührung doch nur zusätzlichen Schmerz - und mehr Tränen - aus. Jede Bewegung tat schrecklich weh und würde das Adrenalin nicht so effektiv durch meine Adern schießen, wäre ich sicher auch zeitnah ohnmächtig geworden. So aber streckte ich meine freie Hand trotzdem nach Vahagn aus, um ihr zurück auf die Beine zu helfen. Dabei warf ich noch einen knappen Blick zu Eldar, der leblos mit blutüberströmtem Fell im Gras lag. Aber um ihn zu bedauern blieb jetzt keine Zeit, weshalb ich mich besser darauf fokussierte die Brünette vollständig zurück auf die Beine zu kriegen... zumindest so weit, wie das mit nur noch einem nützlichen Bein ging. Es sah stark danach aus als müsste ich sie zumindest stützen, damit sie mit dem zerfleischten Bein gut vorwärts kam, was angesichts der langen Reißzähne Eldars kein Wunder war. Also ließ ich gar nicht erst ganz von ihr ab, sondern legte ihr den Unterarm um die Taille, um sie beim Gehen zumindest etwas stabilisieren zu können. Nachdem wir ziemlich sicher auf uns aufmerksam gemacht hatten reichte ich dann aber doch lieber Vahagn wieder die Pistole - ich würde sowieso nichts treffen und erst recht nicht, wenn ich sie gleichzeitig festhielt. Das überließ ich also besser dem Profi von uns beiden, denn kaum hatten wir uns ein paar Schritte weit von der Villa entfernt, fielen die nächsten Schüsse in unmittelbarer Nähe und ich zog den Kopf instinktiv ein. Es kamen noch zwei weitere Männer aus dem Keller und ich drehte mich etwas seitlicher mit der Brünetten an meiner Seite, damit sie das Feuer erwidern konnte. Ich sah im Augenwinkel, dass sich auch die Formation der Truppe um Iljah teilweise löste. Während nur mehr zwei von ihnen den Verletzten weiter in Richtung Hecke trugen, breitete sich der Rest ein klein wenig aus und begann das Feuer zu erwidern, wofür ich auch wirklich dankbar war. Denn ehrlich gesagt glaubte ich nicht, dass wir es anders noch bis zum Gebüsch geschafft hätten, sah ich doch auch von der Vorderseite des Hauses noch zwei weitere Schützen in unsere Richtung kommen. Zu sagen die Situation wäre brenzlig, wäre wahrscheinlich noch weit untertrieben und in der folgenden Minute kam es das erste Mal vor, dass ich dankbar für den Amerikaner an der Front der Villa war. Es musste nämlich einer seiner Scharfschützen gewesen sein, der den Typen abgeknallt hatte, dessen Gewehr nun vom ersten Stock aus einem offenen Fenster fiel. Ich hatte den nicht mal gesehen, aber wie auch? Ich war so beschäftigt damit die Brünette möglichst optimal beim Erwidern des Schusswechsels zu unterstützen, dass ich meine Augen gar nicht überall haben konnte. Allerdings entsprang der plötzliche Fokus der Scharfschützen auf diesen Teil des Gebäudes scheinbar nicht nur der Tatsache, dass der Amerikaner unser Problem hier hinten genauso wie die Pest im Inneren des Hauses bemerkt hatte. Nein, er kam bald schon selber mit ein paar weiteren Männern um die vordere Hausecke spaziert, kaum war den beiden Sorokins in dieser Richtung der Garaus gemacht worden - von wem konnte ich nicht sagen, ich hatte hier nicht sowas wie einen Überblick. Er hielt sich bei seinen zügigen, sehr ebenen Schritten ganz dicht an der Wand, das Maschinengewehr geradeaus in Richtung des Kellereingangs gerichtet. Wohl nur für den Fall, dass noch weitere Ratten hinten aus dem Nest zu flüchten und uns das Leben schwer zu machen versuchten. Wie war das noch? Gott segne Amerika... oder zumindest dessen schießwütige Choleriker, solange sie uns hier effektiv Rückendeckung gaben. Er löste eine Hand vom Gewehr, um uns energisch zu bedeuten, uns schleunigst vom Acker zu machen und das ließ ich mir ungern zwei Mal sagen - also drehte ich nach einem prüfenden Blick auf Vahagn in Richtung der Hecke mit ihr ab, um endgültig den Rückzug anzutreten. Meiner Einschätzung nach hatte sie nämlich ungefähr genauso wenig Lust hier noch mehr Kugeln zu fangen, wie ich selbst auch.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ehrlich gesagt wusste ich nicht so recht, was ich von all den Schüssen in meiner unmittelbaren Nähe jetzt eigentlich halten sollte. Meines Erachtens nach waren es nämlich eindeutig zu viele, als dass mich davon wirklich keiner traf, um mir das Leben auszuhauchen. Nicht, dass wir uns an dieser Stelle falsch verstanden - seit ich Tauren hatte, hing ich tatsächlich wieder ein Stück weit an meinem Leben und würde mich sicher nicht beschweren, mit schwersten Verletzungen, aber dafür noch atmend nach Hause zurückzukehren. Nur wenn die Schüsse nicht mir galten, hieß das wiederum, dass sie potenziell jemand anderen treffen konnten und das ließ mich unweigerlich doch ein bisschen panisch werden. Meine Jungs waren mit Iljah zwar noch einige Meter von dem Verfolger entfernt, allerdings spielte das bei einer Schusswaffe nur eine sehr geringe Rolle und da der Russe sich nicht ansatzweise wehren konnte, war er gleich ein doppelt so leichtes Ziel. Er bewegte sich schließlich nicht und mehr als einen Streifschuss würde es in seinem Zustand vermutlich eher nicht brauchen, um ihn endgültig über den Jordan zu schicken. Nachdem ich die Augen also wieder geöffnet hatte - da offenbar keiner der Kugeln mir gegolten hatte, war mir das nämlich möglich -, schob ich den inzwischen leblosen Tierkörper von mir, ließ das Messer einfach in dessen Hals stecken und rollte mich noch in der selben Bewegung in Richtung Irina, die sich meine Waffe gekrallt hatte, und dem Mann der Sorokins, der mit der Gesamtsituation ein wenig überfordert zu sein schien. Wenige, schweigsame Sekunden zogen ins Land und nachdem er seine Entscheidung getroffen hatte und statt auf Iljah oder mich zu schießen lieber die Serbin ins Visier nahm, gab jene schon wenig später einen tödlichen Schuss aus meiner Waffe ab, nachdem sie vorher selbst getroffen worden war. Als der zierliche Körper der Schwarzhaarigen zu Boden ging, ahnte ich schon das Schlimmste, schloss gedanklich ein weiteres Mal mit meinem Leben ab, wo nun niemand mehr dem Typen etwas entgegen zu setzen hatte, aber Irina schien ihren Kampfgeist aus der Kiste gekramt zu haben, obwohl sie wusste, dass sie aus dieser Geschichte so oder so eigentlich nicht lebend herauskommen würde. Denn auch wenn sie mir im Darauffolgenden wohl wirklich das Leben rettete, indem sie mich stützte und mir in ihrem Rahmen der Möglichkeiten Rückendeckung gab, würde das den Amerikaner, der uns nahe des Pavillons entgegenkam, eher nicht interessieren. Fürs Erste beschloss ich aber, gar nicht weiter darüber nachzudenken, sondern mich darauf zu konzentrieren, neben der jungen Frau in Richtung der Autos zu humpeln, wovon uns eines dann hoffentlich sehr bald aus der Schusslinie befördern würde und parallel dazu Verfolger abzuwehren. Bereits auf dem Weg dahin machten sich die Bisswunden des blöden Köters bemerkbar, konnte ich das eine Bein beim Gehen doch nicht gänzlich entlasten, wenn ich mit der Waffe, die mir Irina wieder zugesteckt hatte, bevor sie als menschliche Stützte fungierte, noch irgendetwas treffen wollte. Hüpfen schränkte die Treffsicherheit doch erheblich ein und unter der Prämisse, dass inzwischen auch mehrere Männer aus dem Keller hinter uns auftauchten, wollte ich nur ungern einen Schuss daneben setzen. Neben dem Blutverlust infolge der ständigen Belastung des Beins, juckte die Wunde zudem wirklich unangenehm, was nach einem Tierbiss nicht selten war. Deutete in den meisten Fällen auf eine potenzielle Blutvergiftung hin, wenn man sich der Wunde nicht schnell genug annahm, was bei dem ganzen Mist, den die Viecher teilweise fraßen, wirklich kein Wunder war. Es kam uns daher nur zugute, dass Hunter selbst zur Unterstützung herbeieilte, als wir an unserem vorherigen Sammelpunkt angekommen waren. Viel länger hätte ich persönlich wohl auch nicht mehr durchgehalten, fiel es mir doch mittlerweile schon schwer, die Waffe in die Höhe zu halten, weil mir sämtliche Energie gerade buchstäblich in Form von Blut aus dem Körper strömte. Bis zu dem Zeitpunkt, als Irina und ich nach Deckung suchend hinter einem der Transporter inne hielten, hatte ich mir das Ausmaß der Verletzung noch gar nicht angesehen. Scheute mich ehrlich gesagt auch ein wenig davor, obwohl ich in meinem Leben schon viele unschöne Dinge gesehen hatte. Nicht zuletzt all die unzähligen toten Körper auf dem Weg vom Keller bis zum Auto gerade eben. Aber Bisswunden waren da einfach so eine Sache... sahen deutlich ekliger aus und waren in ihrer Versorgung meist gar nicht so einfach. Aber sie waren wohl nicht im Ansatz mit den Verletzung meines Bruders zu vergleichen, der es - Gott sei Dank - ebenfalls lebend bis in den Transporter geschafft hatte. An der Stelle wäre wohl ein großes Lob und ein noch größerer Dank an die Jungs auszusprechen, die ihn so heldenhaft verteidigt und für ihn eingestanden hatten, aber selbst dafür fehlte mir im Moment die Kraft. Alles, was ich noch gerade so gebacken bekam, war, mich nach der Verladung Iljahs mit Irina und dem restlichen verletzten Anhang auf die Rückbank des Vans zu heben, bevor ich mit einem schmerzverzerrten Stöhnen den Kopf in den Nacken legte. Die Waffe hatte ich vorher an einen der Männer abgegeben, die noch hierbleiben würden, um Hunter an der Front zu unterstützten und so hatte ich jetzt beide Hände frei, um die Verletzung an den Armen und Beinen abzutasten. Den Jeansstoff rund um die Bisswunde zu entfernen, damit dieser nicht gemeinsam mit dem Blut antrocknete. Viel mehr konnte ich dann aber aktuell auch gar nicht tun. Natürlich hätte ich noch mit dem Verbandskasten rumhantieren können, aber ich bezweifelte, dass das mir oder Irina bei der Art von Verletzung, die wir davongetragen hatten, irgendetwas bringen würde. Sowohl der Streifschuss, als auch der tiefe, durch die Reißzähne des Tieres teilweise etwas zerfledderte Biss mussten in jedem Fall professionell gesäubert und genäht werden. Mit ein bisschen Desinfektionsmittel, sowie Kompressen kamen wir da nicht weit. Apropos Irina... nachdem ich mich also ausgiebig damit beschäftigt hatte, leise und ziemlich kraftlos wegen der Schmerzen vor mich hinzufluchen, richtete ich meinen Blick bald auf die neben mir ebenfalls ziemlich Blass wirkende Serbin. Auch sie hatte viel Blut verloren, schonte das Stützen einer verletzten Person die eigenen Wunden leider überhaupt nicht. Und so wenig ich sie auch leiden konnte, war es einfach ein Fakt, dass sie mir irgendwie das Leben gerettet hatte. Mich nicht einfach zurückgelassen hatte, um die Gunst der Stunde zu nutzen und abzuhauen. Dabei war sie selbst verletzt worden und auch wenn sie definitiv kein Danke oder Ähnliches von mir zu hören bekommen würde, richtete ich, kurz nachdem der Motor angelassen worden war, mein Wort an sie. "Hey, das wird wieder.", murmelte ich kraftlos und nickte dabei in Richtung des Streifschusses an ihrer Taille. Als würde sie selbst nicht wissen, wovon ich redete. "Ist nichts Wildes. Gängige Verletzung, lässt sich mit ausreichend Schmerzmittel gut aushalten.", versuchte ich sie etwas aufzuheitern, auch wenn das ganz sicher einer der schlechtesten Zeitpunkte für ein schmales, wenn auch amüsiertes Lächeln war. Allerdings fiel mir nichts anderes ein, was ich in der Situation zu ihr hätte sagen können, um sie von den Schmerzen abzulenken, die trotz dass die Kugel sie nur gestreift hatte, sicher sehr unangenehm waren. Gerade für jemanden, der vielleicht nicht alle paar Monate angeschossen wurde, sondern für den das das erste Mal darstellte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich nahm die Schüsse im Hintergrund irgendwann nur noch durch einen dumpfen Schleier wahr und wüsste ich es nicht besser, würde ich sicher behaupten, zeitnah noch einen Gehörsturz zu kriegen. Als die Wagen, mit denen wir hergekommen waren, wieder in Sicht kamen, setzte auch noch ein Tinnitus ein und hätte ich das Gesicht wegen der brennenden Schmerzes an meiner Taille nicht sowieso schon permanent verzogen, hätte ich es spätestens jetzt getan. Der Pullover nahe des Streifschusses war längst nass und ich wollte vermutlich gar nicht wissen, wie viel Blut ich gerade verlor. Ich glaubte zwar nicht, dass ich nun an dieser Schussverletzung sterben würde, aber es fühlte sich trotzdem ganz genau so an. Es war nicht das erste Mal, dass ich nicht in Worte zu fassende Schmerzen erlitt, aber es war irgendwie einfach eine ganz andere Art von Schmerz als die, die ich kannte. Mir wurde gerade ganz deutlich vor Augen geführt, wie sehr es in den meisten Filmen maßlos übertrieben war, wie gut so manch einer noch mit einer Schussverletzung durch die Gegend sprinten und waghalsige Sprünge vollführen konnte. Es mochte schon sein, dass man irgendwann ein bisschen besser damit umgehen konnte - nur nicht in diesem Ausmaß -, wenn man sich nur oft genug von einer Kugel treffen ließ, aber ich für meinen Teil konnte wirklich gut darauf verzichten. Der Streifschuss reichte vollkommen dazu aus, dass mir vor Schmerz auf den letzten Schritten zum Transporter schlecht wurde. Nicht nur ein bisschen, sondern wirklich kotzübel und auch mein Kreislauf begann massiv unter dem Schmerz zu leiden, weshalb die letzten Meter mit deutlich unkoordinierteren Schritten meinerseits vonstatten gingen. Aber immerhin schienen wir jetzt endgültig aus dem Schussbereich rausgekommen zu sein. Ganz versiegt war der Kugelhagel auf dem Grundstück hinter uns noch nicht, aber das war nun erstmal nicht mehr unser Problem, sondern nur noch das des Amerikaners. Ich konnte mich schon kaum mehr auf den Puddingbeinen halten, als ich mich endlich im Schatten des Fahrzeugs in Sicherheit wiegen und einen Moment lang durchatmen konnte. Das war auch dringend notwendig, hatte mir der Schmerz all die Schritte über doch förmlich die Luft aus den Lungen gepresst und weil ich es nicht besser wusste, würde ich glatt behaupten, die Wunde wäre bei jeder Bewegung nur noch ein Stück weiter aufgerissen. Zumindest hatte es sich genau so angefühlt, auch wenn ich wirklich nicht hoffte, dass das Muskelgewebe tatsächlich so schnell nachgab. Förderlich gewesen waren die holprigen Schritte mit Vahagn bis hierher aber ganz bestimmt nicht und so zog ich mich mit nur noch wenig Kraft in den Gliedern auf einen der Sitze im Fahrzeug und war heilfroh, jetzt einfach nur noch sitzen zu müssen. Eigentlich graute es mir wirklich davor, mir die Wunde anzusehen, während das Blut inzwischen auch den oberen Rand meiner Jeans ganz erfolgreich durchnässte. Trotzdem wollte ich aber sehen, wie schlimm die Verletzung nun wirklich war und so hob ich doch langsam den Pullover an, während die Russin unweit neben mir damit beschäftigt war, ihre Wunden ebenfalls freizulegen. Kaum sah ich aber all das Blut und vor allem die Einschussstelle, wurde mir nur noch schwindliger und ich ließ den Stoff wieder sinken, lehnte den schweren Kopf nach hinten an die Kopfstütze. Biss kurz darauf die Zähne zusammen und kniff die Augen zu, als sich meine Hand trotzdem unter den Pullover schob, um auf die Wunde zu drücken. Damit den Blutverlust zumindest minimal einzudämmen, sofern das mit bloßem Druck überhaupt möglich war. Ich gab auch einen leisen, unterdrückt klingenden, schmerzlichen Laut von mir. Wenig später hörte ich dann Vahagns Worte an mein Ohr dringen und schlug aufgrund dessen die Lider wieder auf. Drehte auch meinen Kopf ein klein wenig in ihre Richtung, um sie besser ansehen zu können, ohne den Rest meines Oberkörpers bewegen zu müssen. Ich war mir wirklich nicht sicher damit, warum sie das jetzt zu mir sagte. Müsste sie mir nicht eher wünschen, dass ich zeitnah verblutete, damit sie und auch der Rest der Mannschaft mich los hatte? Letzteres wäre für mich trotz der Tatsache, dass ich ihr gerade geholfen hatte, irgendwie ein bisschen naheliegender. So oder so war die Geste an sich aber schon irgendwie... fast sowas wie nett. Auch, wenn mir selbst gerade nun wirklich nicht der Sinn nach einem Lächeln stand. Womöglich hätte ich unter dem förmlich lähmenden Schmerz ohnehin keines zusammengebracht. Also nickte ich stattdessen ganz schwach. "Ich hoff' echt, dass du damit Recht hast.", waren die einzigen, etwas dünnen Worte, die ich darauf erwiderte. Natürlich würde sie damit Recht haben. Im Gegensatz zu mir hatte sie sicher schon so einige Schusswunden mehr hinter sich und wenn sie mit zerfleischtem Bein und Arm sogar noch Lächeln konnte, dann sollte ich mich hier nicht so haben. Es spielte nur keine so große Rolle, ob der Streifschuss eigentlich eine Lappalie in diesem Metier war, weil er nun einmal trotzdem höllisch weh tat. Auch, wenn er wahrscheinlich nur unbehandelt mein Tod wäre... wobei ich es dem Amerikaner ehrlich gesagt auch zutraute, dass er mich damit einfach verbluten ließ, um sich die Munition zu sparen. Vielleicht hätte ich mich doch einfach abknallen lassen sollen. Apropos schießwütiger Choleriker - die Schüsse wurden weniger. Es dauerte noch zwei oder drei Minuten nachdem ich das letzte Wort losgeworden war, aber dann schien so ziemlich die ganze Pest in der Villa ausgerottet worden zu sein. Entweder das oder sie hatten sich in den auf den ersten Blick nicht sichtbaren Raum verkrochen, der hinter der alten Bibliothek schlummerte. So oder so dauerte es ab da nicht mehr lang, bis der Rest der Mannschaft zurückkam. Es wurde aber wohl auch allerhöchste Zeit dafür, denn in der Ferne wurden langsam Polizeisirenen hörbar. Selbst für meine ziemlich geschädigten Ohren, also sollten wir wirklich dringend verschwinden. Ich drehte den Kopf zum Fenster, sah dann auch ein paar Sekunden später die ersten Männer zurückkommen und das ließ mich erleichtert aufatmen. Mein Puls raste noch immer, aber das Adrenalin verflüchtigte sich langsam und ließ nur mehr eine vollkommen kraftlose Hülle meiner selbst zurück. Es war aber nicht der Amerikaner, der sich hinter unser Steuer schwang, sondern Iljahs rechte Hand. Ich sah noch, wie sich die meisten anderen der Männer in die Wagen flüchteten - teils verletzt, teilweise kerngesund wirkend -, ehe sich unser Fahrzeug in Bewegung setzte. Allerdings nicht an der Spitze der Kolonne, sondern ziemlich mittig. Wohl für den Fall der Fälle, dass uns entweder von vorne oder von hinten noch unangenehmer Besuch auflauerte. Meine Augen wanderten schließlich zurück zu Vahagn, wo wir uns jetzt doch vermeintlich in Sicherheit wiegen konnten. "Glaubst du, ich... kann mich wenigstens noch von ihm verabschieden?", stellte ich ihr leise gemurmelt eine Frage, die sie mir vielleicht gar nicht beantworten konnte und merkte dabei, dass die auf meinen Wangen getrockneten Tränen langsam unangenehm wurden. Die Brünette wirkte zwar auch recht impulsiv, aber ich glaubte eher nicht, dass sie dabei der ausschlaggebende Punkt sein würde. Eher der Amerikaner. Iljah würde sicher einige Stunden voll erholsamem Schlaf brauchen, nachdem seine Wunden versorgt worden waren und bevor er wieder ansprechbar aufwachte, bräuchte ich von ihm keine Antwort zu erwarten. Die Frage war eben nur, ob ich - wenn der Streifschuss mich eben nicht umbringen würde und Iljah auch durchkam - so viel Zeit überhaupt kriegen würde.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Da sich auf Höhe der Taille nun wirklich keine besonders lebensnotwendigen Organe befanden, ging ich doch mal stark davon aus, dass ich Recht behalten und Irina den Streifschuss ohne bleibenden Schäden - abgesehen von einer ziemlich hässlichen Narbe - überleben würde. Immerhin war ich selbst schon das ein oder andere Mal angeschossen worden und nicht zuletzt war auch das von einer Kugel zertrümmerte Schlüsselbein wieder vollständig abgeheilt. Wenn sich die Serbin also nicht spontan dazu entschloss, die Wunde unbehandelt zu lassen und stattdessen ein Schlammbad zu nehmen, um noch mal ordentlich Bakterien und Schmutz in ihre Blutbahn zu pumpen, konnte sie meines Erachtens nach beruhigt aufatmen. Ich tat ihre Aussage diesbezüglich also nur mit einem schwachen Nicken ab, ehe ich den Kopf wieder nach vorne drehte und erneut etwas in den Nacken legte. So weit, wie das die Stütze der Rückbank eben erlaubte. Es dauerte dann glücklicherweise auch nicht mehr lange, bis der Rest der Mannschaft sich auf die Transporter verteilt hatte und Nikolaj sich hinter das Steuer unseres Wagens fallen ließ, kurz darauf den Motor startete. Wir entfernten uns daraufhin schon bald immer weiter vom Anwesen der Sorokins und es kehrte langsam wieder etwas Ruhe ein. Von dem Lärm der heulenden Sirenen mal ganz abgesehen, aber um die machte ich mir nun wirklich keine Gedanken. Niko legte auch ohne dass ich ihn dazu auffordern musste einen Zahn, sodass wir die Bullen zügig hinter uns ließen. Dann war es für den Bruchteil einer Minute ganz still und wären da nicht diese höllischen Schmerzen in meinem Arm und dem Bein, hätte ich den Augenblick fast schon genießen können. Iljah war vorerst in Sicherheit, auch wenn er von der Ladefläche des Vans aus immer mal wieder schmerzverzehrte Laute von sich gab. Nichtsdestotrotz war er am Leben und solange Jurij - ein sehr junger, blonder Bursche in meinem Alter - nicht Alarm schlug, was den Puls meines Bruders, der durch seinen Jüngsten regelmäßig gefühlt wurde, oder seinen allgemeinen Zustand anbelangte, gab es erst einmal nichts, worüber ich mich großartig Gedanken machte. Das lag nicht zuletzt aber sicherlich auch daran, dass mein Kopf bedingt durch die kaum noch vorhandene Energie wie leergefegt war. Ich mich prinzipiell einfach der durch den Blutverlust einsetzenden Müdigkeit hätte hingeben können, wenn ich mich nicht vehement dagegen wehren würde. Ich wollte jetzt nicht einschlafen, nicht riskieren, vom Schlaf in die Bewusstlosigkeit zu schlittern, auch wenn meinem Körper gerade wirklich der Sinn danach zu stehen schien. Anders konnte ich mir die leicht verschwommene Sicht, sowie die plötzlich einsetzende Übelkeit nämlich nicht erklären. Ich war Irina deshalb vielleicht sogar ein Stück weit dankbar, dass sie noch einmal ihr Wort an mich richtete, weil ich dadurch immerhin etwas beschäftigt und abgelenkt war. Sowohl von den Schmerzen, als auch von dem Bedürfnis, einfach die Augen zu schließen und einzuschlafen. Allerdings sah ich die junge Frau wohl einerseits nachdenklich, andererseits etwas verständnislos an, weil ich mir nicht erklären konnte, wie das gerade das einzige, scheinbar wichtige Thema sein konnte, welches ihr gerade durch den Kopf schwirrte. Wäre mein Oberstübchen nicht von jetzt auf gleich durch die Schmerzen komplett geräumt worden, gab es bestimmt abertausende Dinge, um die ich mir Gedanken machen würde, aber ganz sicher darum, ob ich meinen Liebsten - den ich nebenbei erwähnt ziemlich egoistisch an irgendwelche Leute verpfiffen hatte, mit denen nicht gut Kirschen essen war - noch einmal sehen konnte, bevor mein eigenes Leben ein Ende nahm. Gerade wenn ich mich in Irinas Situation befinden würde, wäre mir mein eigenes Leben doch erst einmal wichtiger... oder? Ich kannte mich mit dem ganzen Quatsch rund um das Thema Beziehungen ja nun wirklich noch nicht besonders gut aus, weshalb ich so pauschal nicht sagen konnte, ob ich an Stelle der Serbin genau so reagieren würde, aber ich konnte es mir eigentlich nicht vorstellen. Anderseits... ach, keine Ahnung. Das war mir aktuell doch irgendwie eine Nummer zu hoch und bevor ich jetzt noch etwas Falsches sagte und mich dadurch irgendwie in Erklärungsnot brachte, sagte ich erst einmal eine Zeit lang gar nichts. Eine Minute, vielleicht zwei ließ ich die Schwarzhaarige auf eine Antwort meinerseits warten, in denen ich meinen Kopf in Richtung Fenster gedreht und nach draußen auf die vorbeiziehenden Felder geschaut hatte. Letztlich seufzte ich jedoch leise, zuckte begleitet von einem leisen, schmerzverzerrten Laut mit den schmalen Schultern und wandte mich dann Irina zu. Sah sie aus müden, sichtlich erschöpften Augen heraus an. "Das liegt nicht in meiner Hand.", ließ ich sie wissen, dass ich nur wenig bis eigentlich gar keinen Einfluss darauf hatte, ob Hunter ihr noch ein wenig Zeit mit Iljah einräumen würde. Mir persönlich wäre es zwar ehrlich gesagt lieber, sie würde den Kontakt zu meinem Bruder einfach gänzlich meiden, weil ich ihr nach wie vor nicht wirklich über den Weg traute, aber Stand jetzt würde ich den Russen wohl selber entscheiden lassen, ob er noch einmal mit seiner Verflossenen reden wollte oder ich sie in seinem Auftrag abwies. Nur war es jetzt aktuell doch etwas schwer, sich einfach zu Iljah herumzudrehen und selbst wenn ich das irgendwie gehändelt bekommen hätte, hätte mir der gefolterte junge Mann vermutlich keine Antwort gegeben. So blieb für meine Leidensgenossin also nur zu hoffen, dass der Amerikaner gnädig mit ihr sein würde - ich hätte an der Stelle am liebsten einmal ganz laut gelacht - und ihr noch etwas Zeit einräumte, um sich von Iljah zu verabschieden. Andererseits wäre das vermutlich keine gute Idee, wussten wir doch alle nicht, ob sie uns nicht weiterhin bloß etwas vorspielte und selbst diejenige sein wollte, die meinem Bruder das Licht ausknipste. Warum und weshalb war mir zwar schleierhaft, aber das schien meiner Paranoia dahingehend ziemlich egal zu sein.
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Irgendwann in den folgenden knappen zwei Minuten, in denen Vahagn sich gedanklich mit dem Zurechtlegen einer Antwort beschäftigte, wendete ich den Blick ebenfalls wieder ab und sah von da an nur noch geradeaus durch die Frontscheibe. Ich glaubte auch nicht, dass ich wirklich noch auf eine ansatzweise positive Antwort zu hoffen brauchte, so lange wie sich die Brünette Zeit damit ließ einen Ton von sich zu geben. Also schloss ich damit schon ein Stück weit ab, bevor sie sich schließlich doch noch zu Wort meldete. Natürlich bekam ich nämlich nicht das zu hören, was mir am liebsten gewesen wäre. Deshalb folgte auch kurzum ein leises, schmerzliches Seufzen meinerseits. Ich bereute das etwas tiefere Ein- und Ausatmen wegen der Verletzung jedoch sofort wieder und verzog dementsprechend kurzzeitig das Gesicht. "Das hab ich befürchtet...", war alles, was ich noch leise vor mich hin murmelte, was dieses Thema anbelangte. Dass der Amerikaner besonders gnädig zu mir sein würde, wagte ich nämlich stark zu bezweifeln. Vermutlich war es auch total idiotisch zu glauben, dass Vahagn vielleicht wenigstens einen Funken mehr Mitgefühl für meine Situation übrig haben würde. Die Tatsache, dass ich ihr gerade vom Grundstück des Feindes geholfen hatte, konnte ganz einfach nichts von dem, was ich davor getan hatte, wieder ungeschehen machen oder gar ausbügeln. Womöglich wäre es sogar besser für meinen Seelenfrieden, wenn ich nicht noch einmal mit Iljah sprechen konnte. Ich hatte schließlich keinen Schimmer davon, was er mir dann zu sagen hätte. Unter Umständen würde er mir nur noch einmal sehr detailliert unter die Nase reiben wollen, was ich ihm angetan hatte und für was ich mich alles zu verantworten hatte. Vielleicht auch, dass er nach alledem, was er in den letzten viel zu langen Stunden hatte durchmachen müssen, nichts außer Verachtung und Hass mehr für mich übrig hatte... und ich könnte es ihm auch gar nicht übel nehmen. Er hatten jeden Grund dazu mich in die Hölle verabschieden zu wollen, ganz gleich wer es nun letzten Endes war, der mir den Gnadenschuss - der womöglich gar nicht so gnädig sein würde - verpasste. Der Gedanke daran, dass der Schwarzhaarige einen Freudentanz aufführen würde mich endlich los zu sein, tat doch ziemlich weh. Dass er im hinteren Teil des Vans weiterhin hörbare Schmerzen litt, machte es auch nicht gerade leichter erträglich. Hätte ich nicht schon vor einigen Minuten gefühlt alles an Tränen ausgeheult, was in meinem Körper vorhanden war, hätte ich glatt schon wieder zu weinen anfangen können. Es war einfach unerträglich sich in dem Gefühl baden zu müssen Iljah derartig hintergangen zu haben, obwohl er mir nie etwas Schlechtes gewollt hatte... oder zumindest fast nie. Ich wollte ihm auch gerne glauben, dass ich einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Ihn an diesem Tag nur auf dem falschen Fuß erwischt hatte, wo er mir im Hotel doch so deutlich gezeigt hatte, dass er auch anders konnte. Und ich? Ja, ich hatte wohl nichts besseres zu tun, als mich mit Messern auf ihn zu stürzen. Auch, wenn die bereits zugenähte Wunde beim Ausmaß seiner jetzigen Verletzungen keinen allzu großen Unterschied mehr machen dürfte. Es ging mehr um das Ganze dahinter und nicht um den Stich an sich. Der war eher nur die Versinnbildlichung dessen, was ich schon die ganze Zeit zuvor getan hatte. Wir verbrachten den Rest des Rückwegs dann schweigend und ich machte die Augen fast die ganze Zeit über zu, weil ich das Gefühl hatte den Schmerz - sowohl den körperlichen, als auch den psychischen - etwas leichter ertragen zu können. Als der Wagen schließlich anhielt schienen wir am Ziel angekommen zu sein und Vahagn stieg zuerst aus, bevor ich mich ebenfalls quälend langsam vom Sitz schob. Der Schmerz an der Taille schien ohne das Adrenalin sekündlich stärker zu werden und die Männer, die schon damit beschäftigt waren unseren Schwerverletzten aus dem hinteren Bereich des Vans zu holen, waren wohl fast schneller fertig als ich mit dem Aussteigen. Die Übelkeit, die sich beim halbwegs ruhigen Sitzen ein wenig gelegt hatte, kam postwendend zurück und mein Kreislauf war spürbar in schlechtem Zustand. Die fast einstündige Fahrt war angesichts der blutenden Wunde eben einfach sehr kontraproduktiv gewesen. Ich lehnte mich also erst einmal kurz mit der freien Hand an die Seitenwand des Vans, atmete tief durch und richtete mich auch erst wieder etwas mehr auf, als ich den Amerikaner in meine Richtung kommen sah und sichtbar schluckte. Ich hatte seinem durchweg psychotischen Blick nach schon die unschöne Vorahnung, dass er für heute noch nicht genug Blut geleckt hatte.
Ich konnte gar nicht sagen, wann ich das letzte Mal so wahnsinnig viel Spaß gehabt hatte. Wahrscheinlich lag das noch in Norwegen zurück. Denn auch, wenn mir das Stürmen des Hotels dort einen unangenehmen Einschuss eingebrockt hatte, war das sicher in etwa mit dem gleichen Adrenalinrausch zu vergleichen, wie ich ihn bis gerade eben gespürt hatte. Nur mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass ich jetzt tatsächlich nicht wirklich etwas abbekommen hatte. Aber mal ganz von vorne - zu Beginn lief der Schusswechsel wegen der blöden Köter tatsächlich ziemlich holprig. Es passierte mehrfach, dass einer meiner Jungs kurzzeitig außer Gefecht oder gar aus der Deckung war, weil einer der wahnsinnig flinken Hunde sie an Arm oder Bein erwischte und durch die Gegend zerren wollte. Deshalb lag der Fokus zu Beginn nicht auf dem menschlichen Anteil der gegnerischen Truppe, sondern auf den vierbeinigen Höllenviechern. Als jene augenscheinlich alle außer Gefecht gesetzt waren, hatte der eine oder andere also schon eine unschön klaffende Wunde und damit lief schon mal nicht alles so rund, wie ich es gerne gehabt hätte. Dennoch war das erste Problem damit nach wenigen Minuten beseitigt und es konnte damit weitergehen den Sorokins die Hölle heiß zu machen. Wir hielten sie gut in Schach und als ich von meinen beiden Jungs außerhalb die Bestätigung dafür bekam, dass das Dach von sämtlichen Scharfschützen befreit war, konnten wir auch etwas gefahrloser weiter vorrücken. Es gestaltete sich zwar durch die offene Grünfläche weiterhin schwierig unbeschadet bis zur Hauswand zu kommen, aber zumindest ich selbst fuhr ganz gut damit mich zwischen den Statuen weiter nach vorne zu arbeiten. Außerdem hatte ich eben auch einfach den Vorteil, dass meine eigenen Sniper immer darauf bedacht waren mir vorrangig Rückendeckung zu geben. Das sollte jetzt nicht heißen, dass sie auf den Rest meiner Truppe kein Augenpaar gerichtet hatten, aber ein Clan stand und fiel eben mit dem Kopf des Anführers - deswegen würde die Sache hier auch nicht erledigt sein, wenn wir diesen Teil der Sorokins ausgemerzt hatten. Jedenfalls war mir die Rückendeckung von immer mindestens einem der beiden Jungs sicher und so konnte ich mich ohne einen Kratzer bis zur Hauswand vorarbeiten. Dort angekommen bewegte ich mich bewusst außen unterhalb der Fensterrahmen und konnte so ein paar der Pestbeulen im Untergeschoss erledigen - mitunter auch das von Irina erwähnte Tattoo-Gesicht -, um damit den Weg für ein paar mehr meiner Männer frei zu machen. Nach kurzer Zeit konnten damit die meisten von denen, die unter mein Kommando liefen, ebenfalls bis zum Haus vorrücken und stiegen durch die bereits kaputt geschossenen Fenster ein. Die Ashton angetraute Truppe hielt indessen draußen die Position, um die Männer im oberen Stockwerk im Visier zu halten. Ich war drauf und dran ebenfalls durch eines der Fenster in die Mauern vorzudringen, da hörte ich das penetrante Gebell von mindestens ein bis zwei Kötern aus einer ganz anderen Richtung und hielt doch noch einmal in der Deckung inne. Es war inmitten des Kugelhagels wirklich schwer auszumachen, aus welcher Richtung es nun genau kam, aber ich hatte da so eine ganz ungute Befürchtung. Ich fackelte also nicht lange und setzte mich wieder in Bewegung, hielt noch währenddessen den Finger der linken Hand an den Funkknopf in meinem Ohr und gab den Jungs auf dem fernen Dach durch, dass sie sich auf den Kellereingang fixieren sollten, so weit es aus ihrer Position heraus möglich war. Daraufhin bewegte ich mich selbst an der Hauswand entlang in genau diese Richtung und sah, wie sich noch zwei der Idioten an der Hausecke aus einem der Fenster stahlen, um um jene Ecke herum ebenfalls zum Ursprung des Gebells aufzubrechen. Damit kamen sie nur gar nicht so weit, weil ich prompt einen Gang zulegte und dabei noch den übrig gebliebenen Rest meines Trupps - bestehend aus lediglich drei Männern - zu mir ranwinkte. Kaum hatte ich die Hausecke ebenfalls passiert schoss ich den beiden Sorokins dann kurzum in den Rücken, bevor sie die Gruppe um Iljah hätten niedermähen können. Abbekommen hatten die Russen wohl leider trotzdem ein bisschen was, aber immerhin schien es für sie noch auf den Füßen weitergehen zu können und es musste außer unserer Zielperson Niemand getragen werden. Allerdings schienen auch die beiden Frauen verletzt zu sein, ging doch keine von beiden mehr so wirklich grade. Also wies ich sie mittels einer Handbewegung dazu an sich einfach nur noch vom Acker zu machen, bevor Vahagn doch noch schlimmer erwischt wurde. Nicht, als läge mir jetzt plötzlich viel an ihr, aber sie gehörte nun mal zu meinem Kreis und war wichtig für meine Geschäfte. Irina war an diesem Punkt für mich also nur noch Mittel zum Zweck, um die Brünette hier wegzukriegen, was der absolut einzige Grund dafür war, dass sie jetzt noch keine Kugel fressen musste. Während sich die Truppe rund um Iljah also in sichere Gefilde verzog, ging ich selbst kurzerhand noch einmal flüchtig in den Keller. Wartete da an der Ecke im Gang nur so darauf, dass mir die aufgescheuchten Ameisen entgegenliefen, um sie dann einen nach dem anderen mit Kugeln zu versehen. Einer jener Männer fügte mir die einzige Wunde zu, als ich mich für ihn günstig aus der Deckung begab. Hätte ich nicht schon im Augenwinkel gesehen, dass er bereits in meine Richtung zielte, hätte die Kugel nicht nur meinen Oberarm, sondern eher die Lunge erwischt. Auch an dieser Stelle war ich mehr als dankbar für meine inzwischen unfassbar guten Reflexe, obwohl ich doch vor mich hinzufluchen begann. Es war egal wie oft man angeschossen wurde, weh tat es immer. Man lernte lediglich mit dem Schmerz umzugehen. Es dauerte dann auch gar nicht mehr allzu lange, bis mir Niemand mehr entgegen kam und einer meiner eigenen Männer vom Ende der inneren Treppe entgegen rief, dass oben jetzt alles gesäubert war und sie auf keinerlei Widerstand mehr stießen. Das war mein Zeichen dafür, alle zum Rückzug aufzurufen und ebenfalls das Weite zu suchen. Es ging für alle der Jungs zurück in die Transporter - außer für einen, den ich auf dem Rückweg auf dem Rasen im Sterben liegen sah, weil Ashton neben ihm kniete und versuchte ihn dazu zu animieren, sich wieder auf die Beine zu hieven. Allerdings schien Oliver sich den Hundebissen mental bereits hingegeben zu haben, war neben seinem Brustkorb und seinem rechten Bein doch offenbar auch seine Halsschlagader erwischt worden. Er ließ die Hand, mit der er die unschön zerfetzt aussehende Wunde bis jetzt abgedrückt hatte, sinken und bat nur noch um den Gnadenschuss. Ich versicherte ihm sein Erspartes seiner Familie in Norwegen zukommen zu lassen und dankte ihm aufrichtig für Alles, das er für mich getan hatte. Sagte ihm, dass wir uns auf der anderen Seite wiedersehen würden und verabschiedete mich von ihm, bevor er die gewünschte Kugel verpasst bekam. Gut, zugegeben waren das sogar drei - aber nicht, weil es mir Spaß machte ihm das Gesicht zu ruinieren, sondern weil ich einfach nicht riskieren wollte, dass irgendein Bulle seine norwegische Identität herausfand. Auch nur auf die Idee kam die Geschichte hier mit Norwegen und demnach unter Umständen mit mir und meinen Attentaten im Norden zu assoziieren. Danach ging es dann aber schnurstracks auch für Ashton und mich zu den Fahrzeugen und ich versorgte noch auf dem Rückweg den Einschuss an meiner Schulter, wo ich doch eine geschlagene Stunde Zeit dazu hatte und uns Niemand auf den Fersen zu sein schien. Schön würde die Narbe zwar sicher nicht werden, aber ich wollte auch keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, sondern nur aufhören zu bluten. Für heute war mein Job also im Grunde erledigt - jedenfalls fast. Kaum war ich am Gniwek Grundstück angekommen und ausgestiegen, suchten meine Augen nach der verräterischen Schwarzhaarigen, die sich schon von weitem gut sichtbar ächzend vom Sitz eines Vans schob. Ich visierte sie also kurzerhand mit stechendem Blick an und zog noch während meiner Schritte grinsend das Klappmesser aus meiner Hosentasche. Eigentlich wartete ich dabei nur darauf, dass sie versuchte wegzulaufen. Nur tat sie das gar nicht. Presste sich stattdessen mit dem Rücken an den Van und rührte sich auch dann keinen Millimeter, als ich unmittelbar vor ihr stand. Ich hob also nicht ganz zufrieden mit ihrem Verhalten die Spitze des Messer unten an ihr Kinn, um es leichten Druck ausübend anzuheben. "Entweder bist du mutiger, als du aussiehst... oder du bist wirklich dumm.", redete ich nachdenklich vor mich hin, kniff die Augen leicht zusammen und zwang sie mit dem Messer den Kopf so weit wie nur möglich in den Nacken zu legen. "Gib mir noch etwas Zeit... bitte. Nur, bis er...", hauchte sie dünn vor sich hin und ich lachte bitter auf, bevor ich mehr Druck aufs Messer ausübte, es ein klein wenig in ihr Fleisch bohrte. "Um was? Dich zu entschuldigen? Ich glaube Iljah kann auch ohne gut weiterleben, nachdem er wegen dir fast abgekratzt wäre.", gab ich ihr eine trockene, zynische Antwort und griff mit der freien Hand nach dem Saum ihres Pullovers, weil sie sich die Wunde darunter noch immer festzuhalten schien. Ich ließ mit dem Messer von ihrem angepiksten Kinn ab und führte es stattdessen zu ihrer Hand, um sie dazu zu bewegen mir die Verletzung zu zeigen. Erfreut lächelnd setzte ich dann die nicht scharfe Seite der Klinge an die längliche Wunde und drückte ein wenig zu. Einfach nur, weil es mir einen Heidenspaß machte, den darauffolgenden gequälten Laut puren Schmerzes aus ihrer Kehle zu hören. Erst jetzt versuchte sie sich von mir loszusagen, was ich aber ziemlich schnell damit unterband, dass ich mit der linken Hand, die eben noch an ihrem Pullover gelegen hatte, nach ihrem schmalen Hals griff und ihr den Hinterkopf damit zurück an den Van drückte. "Noch irgendwelche letzten Worte, Miststück? Soll ich ihm irgendwas ausrichten?", fragte ich sie also und die Panik in ihren bereits verräterisch nach Tränen glänzenden Augen stieg noch einmal an, als sie jeweils eine Hand an meine Handgelenke legte. Als würde ihr das irgendwas bringen, sie sah aus als könnte sie kaum einen Kasten voll Getränke von A nach B tragen. "Bitte... ich kann dir... ich weiß doch, wo sie ihr ganzes Zeug lagern... und du willst doch bestimmt noch die Brüder... erledigen... ich sag dir alles... lass mich nur noch ein letztes Mal mit ihm reden... bitte.", wimmerte Irina stockend vor sich hin und daraufhin verengten sich meine Augen noch weiter. Ich begann tatsächlich abzuwägen, was mir mehr wert war. Sie hier und jetzt sterben zu sehen, weil sie es nicht anders verdient hatte, oder doch eher mit beiden Händen voll Drogen nach Hause zu fliegen? Eigentlich wollte ich es dem Biest wirklich nicht gönnen, dass sie auch noch ihren letzten Wunsch erfüllt bekam. Andererseits wiederum kam man nie so günstig an Drogen wie beim Stehlen, weil selbst die eigene Produktion durch Sabin - und eigentlich Richard, dem ich bald mal einen Besuch abstatten müssen würde - der notwendigen Ressourcen wegen Geld aus meinen Taschen holte, da der werte Herr selbst ja gerade keins hatte. Ich schwamm zwar ohnehin schon in Geld, aber man konnte wiederum auch nie genug davon haben. Außerdem würden die Jungs sich bestimmt auch über ein, zwei Lines für umsonst freuen. Deshalb atmete ich nach einer schier endlos langen Minute schließlich tief ein und grummelnd wieder aus, bevor ich das Messer von ihrer Verletzung und die Hand von ihrem Hals nahm. Sagen tat ich aber nichts mehr zu ihr, als ich mich mit nach wie vor sehr angespannten Schultern von ihr abwandte und nach Björn rief. Ich musterte ihn kurz, aber er schien nichts weiter abbekommen zu haben und ging gewohnt aufrecht, als er zu mir kam. "Lass sie keine Sekunde aus den Augen... und sorg' dafür, dass sie noch ein paar Stunden lebt.", trug ich ihm auf die Göre zu überwachen und die Wunde notdürftig zu flicken, damit ich mich selbst erstmal nicht mehr mit ihr rumzuschlagen brauchte. Ich wollte mir jetzt mit eigenen Augen ansehen, wie es denn nun wirklich um Iljah stand, der inzwischen schon im Haus sein musste. Außerdem wollte ich von Vahagn wissen, ob sie auch für die Beseitigung der beiden Brüder noch Männer vorübergehend an mich abgeben würde, falls das notwendig sein sollte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Selbst wenn ich es gewollt hätte, wäre es mir vermutlich kaum bis gar nicht möglich gewesen, Irina noch etwas Zeit mit Iljah rauszuschlagen, weil Hunter wohl der letzte Mensch auf dieser Gott verlassenen Erde war, der sich in irgendeiner Art und Weise beeinflussen ließ. Schon gar nicht, wenn er sich bereits etwas in den Kopf gesetzt hatte. Mochte sein, dass ich den schießwütigen Amerikaner noch nicht besonders lange oder gar gut kannte, aber in dem Punkt war ich mir doch ziemlich sicher. Machte er ja auch wirklich keinen Hehl draus, war absolut offensichtlich. Wenn er der jungen Frau also das Licht ausknipsen wollte, bevor sich diese noch einmal mit dem Russen unterhalten hatte, konnte ich ihn nur schwer davon abhalten. Mal ganz abgesehen davon, dass ich das auch eigentlich gar nicht wollte, wenn ich ehrlich sein sollte. Schließlich hatte sie es schon einmal geschafft, das Leben meines Bruders in Gefahr zu bringen und unter der Prämisse des absolut miserablen Gesundheitszustandes von Iljah wäre es ein Leichtes, seinem Leben final ein Ende zu setzen. Inzwischen war ich zwar nicht mehr einhundertprozentig überzeugt davon, dass Irina tatsächlich zu den Bösen gehörte und das Alles hier nur von Anfang an geplant gewesen war, um mich und gegebenenfalls auch Hunter zu stürzen - denn dann wären wohl kaum so viele Männer der Sorokins auf dem Grundstück sterbend zusammengebrochen, traute ich den zwei Köpfen des Kartells durchaus bessere Planung einer Vorgehensweise zu -, aber die Paranoia und die Sorge um meine bessere Hälfte ließen sich nun mal nicht so leicht ablegen. Ich erwiderte also wieder nichts auf Irinas Aussage und versank bis zur Ankunft an unserem Haus schweigsam in Gedanken. Drehte zwischendurch immer mal wieder meinen Kopf zu Iljah herum, aber aus meiner Position heraus konnte ich lediglich seine Hüfte und seine Beine sehen. Ich hätte mich mehr aufrichten müssen, um über die Rückenlehne der Rückbank linsen und ihm ins Gesicht sehen zu können und dass ich das aktuell lieber sein ließ, war unnötig zu erwähnen. Auch wenn ich mich die Fahrt über kaum bis gar nicht bewegte, verlor ich trotzdem eine ganze Menge Blut, was schlicht und ergreifend daran lag, dass die Bisswunden nach wie vor offen waren. Die Wundheilung kam bei dem Ausmaß an Verletzung gar nicht mehr hinterher, weshalb das lebenserhaltene Sekret immer weiter aus meinem Körper trat und ich dadurch zunehmend schwächer wurde. Es war deshalb nicht verwunderlich, dass ich als Letzte den Van verließ, weil ich auf die Hilfe von Nikolaj angewiesen war, der jedoch erst dem Rest der Truppe beim Transport meines Bruders unter die Arme gegriffen hatte. Kurze Zeit später kehrte er aus dem Haus zu mir zurück und war drauf und dran gewesen, mich einfach auf den Arm zu nehmen, was ich aber mit schwacher, leicht kratziger Stimme ablehnte. Ich wollte vor all den anderen hier keine Schwäche zeigen, auch wenn mich Irina vorhin auf dem Grundstück der Sorokins ebenfalls etwas unterstützt hatte. Das war in meinen Augen nur etwas vollkommen anderes, weil ich noch selbst gelaufen war und genau das wollte ich jetzt auch versuchen. Hielt mich dazu lediglich mit dem unverletzten Arm an der Schulter von Iljahs rechter Hand fest, um mich dann vorsichtig vom Sitz zu schieben. Landete dabei auch wie geplant auf dem unverletzten Bein, aber als ich versuchte, dann einen Schritt nach vorne zu machen, hätte ich am liebsten laut losgejammert. Der Schmerz, welcher auf der Fahrt immer weniger präsent gewesen war, je tiefer ich in Gedanken versunken war, kehrte urplötzlich in voller Stärke zurück und raubte mir damit kurzzeitig den Atem. Ich stockte deshalb in meiner Bewegung und insgesamt dauerte es einfach länger, bis Niko und ich zu dem Schauspiel zwischen Irina und Hunter auf der anderen Seite des Transporters aufgeschlossen hatten. Natürlich war der ein oder andere Wortfetzen auch schon kurz nach dem Aussteigen der Serbin an mein Ohr gedrungen, aber jetzt erst sah ich, dass der Amerikaner zusätzlich zu seinen Worten auch noch mit Werkzeugen - also Waffen - nachhalf, um sich die ungeteilte Aufmerksamkeit der jungen Frau zu sichern. Nicht, als wäre das überhaupt notwendig gewesen, hatte sich Irina dem Choleriker doch schon von Anfang an sehr unterwürfig gezeigt. Unterwürfiger, als ich es Hunter jemals sein würde - nicht einmal in hundert Jahren und schon gar nicht, nachdem ich eine ganze Menge Respekt in Folge seiner dämlichen Aktionen ihm gegenüber verloren hatte. Ich wusste mich inzwischen zwar zu verhalten, wenn ich etwas von ihm wollte, aber da waren etwaige Blamagen und ein gekränktes Ego schon einkalkuliert, ich wusste, was ich tat, wenn ich ihm mehr oder weniger in den Arsch kroch. War nur eben etwas anderes, wenn er unbeabsichtigt die Oberhand hatte, dann würde ich wohl einen Teufel tun, meinen Stolz einfach aufzugeben, aber nun gut. Das war hier und jetzt ja überhaupt nicht wichtig, beobachtete ich von vor der Motorhaube aus, was da zwischen den beiden Turteltäubchen vonstatten ging, ohne mich aktiv dazwischenzudrängen. Sicher hätte ich jetzt noch ein gutes Wort für die Schwarzhaarige einlegen können, dass sie mich gerade nicht einfach nahe dem Kellereingang zurückgelassen hatte, aber das wollte ich ganz einfach nicht. Ich war ihr nämlich absolut nichts schuldig, hatte sie ja wohl kaum um Hilfe gebeten und deshalb musste sie selbst zusehen, wie sie ihren Kopf aus der Schlinge zog. Vorausgesetzt natürlich, dass das überhaupt irgendwie möglich war, ließ doch zumindest der Anfang des Gesprächs weniger auf Kooperationsbereitschaft des Amerikaners schließen. Ich wartete nur so darauf, dass er ihr das Messer endlich in die Kehle oder meinetwegen auch in die bereits vorhandene Schusswunde stach, um ihr Leben zu beenden und mich erleichtert aufatmen zu lassen, aber leider löste sich diese Hoffnung schon bald in Luft auf. Denn anstatt sich das Geplärre der Serbin nicht länger anzuhören und mir mit einem weiteren Mord unbeabsichtigt ein Stück weit meinen inneren Seelenfrieden zurückzugeben, lauschte Hunter Irinas Worten meines Erachtens nach etwas zu aufmerksam, als dass er sie danach tatsächlich noch umlegen würde. Und diese Vermutung bestätigte sich dann auch in den darauffolgenden Minuten. Ich gab bereits ein leicht genervtes Schnauben von mir, als die Hand des Amerikaners sich von dem Hals der zierlichen Gestalt, die förmlich eins mit dem Van geworden war, löste. Dass er dann doch tatsächlich auf den mehr oder weniger durchaus interessanten Deal eingehen wollte, den Irina ihm unterbreitete, gab mir dann allerdings den Rest und ich wies Nikolaj hörbar unzufrieden dazu an, mich von hier wegzubringen. Daraufhin setzte ich mich vorsichtigen Schrittes wieder in Bewegung und ließ sie beiden Streithähne am Transporter zurück, um zielstrebig die Haustür anzusteuern. Noch bevor ich diese erreicht hatte - wirklich schnell laufen war nun mal einfach nicht drin, ich humpelte vielmehr -, trat Hunter auch schon von hinten an mich heran und auch wenn sich meinem Gesichtsausdruck pure Unzufriedenheit entnehmen ließ, war meine Stimme noch verhältnismäßig ruhig, als ich zu ihm sprach. "Sie kann von Glück reden, dass mir eine Kugel in ihren Kopf zu jagen vermutlich den Arm brechen würde.", stellte ich erst einmal fest, dass ich ungeachtet Hunters geschäftlichen Interessen Irina umgelegt hätte, wenn ich jetzt noch die Kraft dazu hätte. Ob ich dann in Folge dessen die Nächste gewesen wäre, nachdem der Amerikaner dann auf die Drogen und die Köpfe der Sorokins höchstpersönlich hätte verzichten müssen, war mir dabei reichlich egal, wenn ich ehrlich sein sollte. Aber auch an der Stelle konnte die Serbin von einer Menge Glück sprechen, dass ich selbst derart angeschlagen war, dass das Führen einer Schusswaffe oder eines Messer momentan absolut ausgeschlossen war. Nebst der unterschwelligen Drohung setzte ich den hochgewachsenen Mann, der in der Hitze des Gefechts auf dem Grundstück vorhin ebenfalls etwas abbekommen hatte, noch darüber in Kenntnis, dass er aller Voraussicht nach alleine nach Kuba zurückfliegen würde, solange ich nicht wusste, ob Iljah wirklich durchkommen würde. Zu groß war die Angst, doch noch eine Beerdigung organisieren zu müssen und außerdem wartete auf Kuba aktuell leider niemand auf mich. Die Kontaktsperre zwischen Tauren und mir hielt Hunter weiterhin aufrecht und bevor ich mich mit meinen Verletzungen ganz alleine Zuhause verkroch, konnte ich genauso gut auch hierbleiben und zumindest die erste Tage der Genesung meines Bruders mitverfolgen. "Ich werde im Übrigen noch etwas hierbleiben. Sag mir Bescheid, wenn du aufbrechen willst, damit ich alles organisieren kann.", ließ ich den Choleriker wissen, dass ich auf sein Wort dann eine Rückreise organisieren würde, konnte ich doch noch nicht abschätzen, wie lange er hierbleiben würde, um die Sorokins dingfest zu machen. Eventuell reisten wir auch gemeinsam wieder ab, aber nur für den Fall der Fälle, sollte er wissen, dass er nur auf mich zukommen musste, wenn die Sonne Kubas ihn zu sich zurückrief.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich brauchte nicht lange, um zu Vahagn und ihrer menschlichen Stütze aufzuschließen. Die beiden waren ja nicht schnell unterwegs, das brauchte es kaum mehr als ein paar relativ zügige Schritte. Zwar wurde ich selbst langsam doch auch etwas müde - der gefühlt endlos lange Flug und die Schießerei inklusive Schusswunde forderten früher oder später eben einfach ihren Tribut -, aber allein meine spendabler ausgefallene Körpergröße brachte mir da schon einen Vorteil. Von meiner nicht vorhandenen Gehbehinderung mal ganz zu schweigen. Es dauerte auch gar nicht lange, bis die Brünette ihren Senf zu meiner Güte - ich würde es wirklich nicht so nennen, resultierte die doch ausschließlich aus Eigennutz - gegenüber Irina dazugeben musste. Als würde es mich für gewöhnlich interessieren, was sie von meinen Taten hielt oder ob ich gar ihr Okay dafür bekam. Deshalb lachte ich lediglich so gut wie tonlos in mich hinein, neigte den Kopf dabei leicht nach vorne und sah erst nach ein paar nun deutlich langsameren Schritten - ich musste mich ja dank Vahagns Invalidenstatus nicht hetzen - wieder auf. Allerdings geradeaus, nicht zu ihr rüber. "Wenn du auch so eine hübsche Narbe wie Tauren willst, musst du's nur sagen.", gab ich ihr eine sarkastisch angehauchte Antwort, wobei sie mit Sicherheit auch ohne jene wusste, dass ich ihr das kaum ohne Konsequenzen hätte durchgehen lassen. Umgebracht hätte ich sie wegen dem Mord an Irina aber tatsächlich nur unwahrscheinlich. Mir lag an sich ja absolut nichts an der Schwarzhaarigen und auch, wenn ich sie ziemlich gerne selbst umbringen wollte, hatte Vahagn leider auch sehr gute Gründe dafür. Nicht so gute wie ich oder Iljah, aber es war durchaus nachvollziehbar, dass sie das Miststück gerne schon jetzt tot sehen wollte. Außerdem brauchte ich die Russin eben für meine Geschäfte und wenn sich nicht plötzlich aus dem Nichts eine wirklich außergewöhnlich gute, andere Möglichkeit für Transporte aufzeigen würde, würde sich das auch nicht ändern. Die Russin wareinfach zuverlässig und hielt sich für gewöhnlich an ihr Wort, das war viel wert. Da spielte es auch keine so große Rolle, wie wenig ich die Brünette eigentlich leiden konnte - mit ihr stand und fiel ein Teil meines Imperiums und ich hatte nicht vor, das zu riskieren. Eine Strafe hätte aber trotzdem geben müssen. Schließlich wären mir wegen ihr dann Drogen und das damit verbundene Geld durch die Finger geronnen. Da ging es ums Prinzip und sie hatte meine geschäftlichen Schachzüge zu respektieren. Allerdings musste es ja auch gar nicht ausschließlich zu meinem Vorteil sein, das kleine Biest noch ein paar Stunden weiter atmen zu lassen, was ich Vahagn dann schließlich unterbreitete, als ich nach ihr und Nikolaj die Haustür passiert und in den Hausflur eingetreten war. Ich verband das auch gleich mit dem Kenntnis nehmen ihrer Worte bezüglich der längeren Aufenthaltsdauer in Russland. "Dauert sicher auch noch ein paar Tage, bis ich die Pest weitgehend beseitigt habe. Ich muss später erstmal sehen, wie es bei meinen Männern mit Verletzungen aussieht...", redete ich relativ ruhig vor mich hin, während ich mir die schwarzen Stiefel nahe der Garderobe von den Füßen schob. "...die Drecksköter waren nicht zimperlich. Falls ein paar mehr ausfallen könnte ich vielleicht ein paar eurer Leute brauchen, die haben sich vorhin gut geschlagen. Außerdem hättest du dann auch was davon, dass Irina uns weiter die Luft verpestet, wenn du verstehst...", unterbreitete ich Vahagn mein Angebot dafür, dass sie mir ein paar ihrer Männer vorübergehend lieh, um die Verluste auf meiner eigenen Seite eben einfach möglichst gering zu halten. Unterstrich meine Worte auch noch mit einer Handgeste, bei der ich gut sichtbar den Daumen an Mittel- und Zeigefinger rieb. Ich hielt zu viel auf mich selbst, um mir von Irgendjemandem für lau ein paar Leute auszuborgen, nur weil ich schlecht mit allen hier hatte auffahren können, wenn meine Geschäfte auf Kuba weiterlaufen sollten. Außerdem wusste ich auch gar nicht, ob der jüngeren Gniwek genug daran lag die Sorokins so weit zu dezimieren, dass sie in keinem Fall mehr zeitnah zu einer Bedrohung heranwachsen konnten, als dass sie mir ihre Leute einfach so befristet ohne Gegenleistung überlassen hätte. Bis Iljah wieder so fit war, dass er selbst aktiv dagegen hätte vorgehen können, würde sicher einige Zeit vergehen und das war mir persönlich zu riskant. Am Ende war mir dann auch egal, ob Vahagn einen Teil der Drogen selbst haben wollte, oder ob es ihr lieber war, wenn ich den ihr überschriebenen Anteil davon vertickte und ihr den Erlös auszahlte. Nur würde letzterer des Aufwands wegen dann ein klein wenig schrumpfen - schließlich müssten meine Leute den Kram dann ja für sie verticken, beziehungsweise über unseren netten Sammy verschicken. Blieb also ihr überlassen, was ihr lieber war. "Wie steht's um Iljah?", hakte ich dann nach, während zumindest der unverletzte Teil meiner Männer langsam schon einmal nach drinnen kam - den Rest würde Ashton noch draußen im Transporter flicken, um hier nicht die ganze Bude mit Blut zu besudeln -, weil ich den Russen vorhin eben nur sehr beiläufig gesehen und dabei angestrengt aufstöhnen gehört hatte. Er schien also in jedem Fall schon mal Einiges abgekriegt zu haben, aber ich würde mich wohl gleich ohnehin auch mit eigenen Augen davon überzeugen, wie geschunden er aussah. Natürlich nervte es mich schon ein Stück weit, dass die Geldwäsche hier auf russischem Boden wohl zwangsweise eine Weile pausiert werden musste, weil er zweifelsfrei eine Weile ausfallen würde, aber mit dem Profit aus den Drogen würde sich das gut ausbügeln lassen. Wenn die Sorokins wirklich Moskaus führendes Drogenkartell waren, dann würde ich zweifelsfrei mit mehr als nur einer Hand voll Schnee nach Hause fliegen. Wie gut die Qualität war, würde sich dann später zeigen, wenn ich das Zeug hatte. Ich ging allerdings nicht von bodenloser Streckerei aus, weil sich das Zeug sonst kaum gut verkaufen lassen würde. Aber genug davon - jetzt war es erstmal wichtig mir anzusehen, wie es um meinen Geschäftspartner stand.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Auch wenn mir gerade wirklich nicht nach Lachen zumute war, entlockte mir Hunters Aussage einen doch hörbar belustigten Ächzer. Wir wussten beide, dass das für keine Partei ein wirklich erstrebenswertes Ergebnis wäre. Ich konnte nämlich sehr gut auf diese wirklich hässliche Narbe in meinem Nacken verzichten, während Hunter weiterhin Interesse daran haben dürfte, dass ich ihm meine Dienstleistungen zur Verfügung stellte. Soweit ich wusste, war ich auf Kuba nämlich weiterhin unangefochten, wenn es um den illegalen Personen- und Güterverkehr via Luftfracht oder dem Gewässer ging, weshalb der Amerikaner ziemlich dumm aus der Wäsche schauen dürfte, wenn ich mich dazu entschied, die Geschäftsreisen zwischen Kuba und Russland, sowie andere Gefälligkeiten einzustellen. Falls er also nicht vorhatte, seine Zelte in Hinsicht auf die Geldwäsche hier in meinem Heimatland abzubrechen, weil er sich persönlich kein genaueres Bild mehr vor Ort machen können würde und sich auf seine bereits hier stationierten Männer verlassen müsste, sollte er sich besser hüten und das Messer in seinem Holster verstaut lassen. Auf die öffentlichen Flugzeuge oder Schiffe umzusteigen wäre schließlich ziemlich riskant, das Risiko, an den Flughäfen oder Anlegestellen von den Behörden aufgelesen zu werden ziemlich hoch, was Hunter durchaus bewusst sein dürfte. Ich ging also zu seinen Gunsten davon aus, dass es sich hier lediglich um ein scherzhaftes - für manche eventuell eher makabreres - Angebot handelte und ich Nichts zu befürchten hatte. Und selbst wenn es sein Ernst gewesen wäre - hätte ich es wirklich darauf angelegt, Irina umzubringen und hätte es für mich in diesem Augenblick nichts Wichtigeres gegeben, wäre es mir wie gesagt ziemlich egal gewesen. Allerdings spielte das in dem Fall jetzt so oder so keine große Rolle mehr, weil ich schlichtweg nicht mehr dazu in der Lage war, hier auch nur noch irgendeiner Fliege etwas zuleide zu tun, weshalb ich das Ganze wider der doch alles andere als spaßigen Situation mit Humor nahm. "Auf das Angebot komme ich noch einmal zurück, wenn du mehr als nur diese eine hässliche Schnitzerei auf Lager hast.", ließ ich ihn vor Ironie nur so triefend wissen, dass ich fürs Erste bedient war, eine dieser besagten Narben aber nicht ausschlagen würde, wenn er diese noch in etwas schöner parat hatte. Ernst meinen tat ich das selbstverständlich nicht, hatte ich mit den beiden Hundebissen doch gerade erst zwei neue Accessoires dazugewonnen - mich dann noch um eine weitere Narbe kümmern zu müssen stand mir daher weniger im Sinn. Es wurde dann kurzzeitig wieder etwas still zwischen uns und wir schlenderten gemeinsam den schmalen Gehweg bis zur Haustür entlang, wo ich in etwa nach der Hälfte meinen Kopf in Richtung des Amerikaners drehte, als dieser erneut zum Reden ansetzte und versuchte, mir Irinas Daseinsberechtigung mit einem zugegebenermaßen interessant klingenden Angebot schmackhaft zu machen. Grundsätzlich war ich hier in Russland noch nie wirklich mit den Sorokins aneinandergeraten, was nicht zuletzt sicher auch daran lag, dass sowohl Iljah, als auch ich weitestgehend die Finger von Drogen ließen und uns das Kartell deshalb schlichtweg nicht interessierte, solange sie sich aus unserem Geschäftszweig raushielten. Unter der Prämisse, dass die Brüder es aber ganz offensichtlich auf meine bessere Hälfte abgesehen hatten und bestimmt keine Ruhe geben würden, bevor diese nicht dem Erdboden gleichgemacht worden war, sollte ich mir womöglich überlegen, das Angebot des Amerikaners anzunehmen. Zwar befürchtete ich fast, dass die Sorokins nicht weniger gut aufgestellt waren, wie die Italiener damals, aber so oder so mussten wir uns früher oder später mit ihnen auseinandersetzen. Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, dass sie es so einfach hinnehmen würden, dass Hunter vor wenigen Augenblicken einen Großteil der Belegschaft einfach niedergemäht hatte, was mir die Entscheidung im Grunde genommen ziemlich einfach machte. Denn eine andere Wahl, als das Angebot anzunehmen, hatte ich nicht, wenn ich noch halbwegs unbeschwert durch die Straßen Moskaus laufen wollte. Denn in personeller Hinsicht waren wir den Sorokins definitiv unterlegen, selbst nach dem Attentat auf ihre Residenz. Es wäre deshalb vielleicht gar nicht so verkehrt, mir die Präsenz von Hunter und seinen Männer einfach zu Nutze zu machen, um den Brüdern Einheit zu gebieten. Iljahs schwere Verletzungen zu rächen und gleichzeitig noch Kohle zu verdienen, ohne dafür selbst einen Finger krumm zu machen. Mal ganz abgesehen davon, dass Hunter kein kopfloser Schlächter war, sondern sehr bedacht an eine derart riskante Aufgabe heranging, wie eine weitere Familie auszulöschen. Wirklich Sorgen machen müsste ich mir um die Jungs also nicht, weshalb ich dem Vorschlag vielleicht sogar zugestimmt hätte, wenn es nicht gerade unabdingbar gewesen wäre, die indirekte Hilfe des Amerikaners bei der Beseitigung der Pestbeulen anzunehmen. Zwar schien ich gerade mehr ihm zu helfen, als er mir, aber war das denn eigentlich wichtig? Hauptsache war doch, wir verfolgten das gleiche Ziel. Wer wem dabei half, dieses zu erreichen, spielte doch überhaupt keine Rolle. Während der Unterhaltung hatten wir das Laufen nicht eingestellt und ließen die Auffahrt trotz der langsamen Fortbewegung schon bald hinter uns, betraten den Flur des Hauses, wo ich mich angestrengt ausatmend etwas mehr gegen Nikolaj lehnte. Halt bei dem jungen Mann suchte, nachdem mich der Weg bis ins Haus noch das letzte Bisschen an Kraft gekostet hatte. "Hört sich eigentlich gar nicht so schlecht an. Schien gut geklappt zu haben vorhin.", stellte ich nachdenklich fest, dass das Segeln meiner Männer unter Hunters Flagge vorhin gut geklappt hatte. Es zu keinen nennenswerten Komplikationen gekommen war, auch wenn die Verständigung hier und da vielleicht etwas schwierig gewesen sein dürfte. Schließlich sprach nicht jeder der Jungs einwandfrei Englisch, aber glücklicherweise war niemand aufgrund dessen ums Leben gekommen. Was dann die darauffolgende Frage bezüglich Iljahs aktuellem Gesundheitszustand anbelangte, zuckte ich nur etwas verloren mit den schmalen Schultern, was mir sofort wieder eine Welle der Schmerzen durch den Körper jagte und mich das Gesicht verziehen ließ. "Ich will mich noch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Noch lebt er... ich will hierbleiben, um sicherzugehen, dass das auch so bleibt. Außerdem kann ich so ohnehin nicht fliegen.", beantwortete ich auch diese Frage des Amerikaners noch wahrheitsgemäß, ruhig, während mein müder Blick durchweg in seinen Augen lag. Zwischendrin, als meine Erklärung das erforderte, nickte ich zwar leicht in Richtung der Bisswunde an meinem Bein, sah aber schon zügig wieder auf. Letztlich war es dann Niko, der sich daraufhin mit mir in Bewegung setzte, weil sich besser um besagte Wunden gekümmert werden sollte, bevor ich mich weiterhin mit Hunter oder einem der anderen Anwesenden hier unterhielt.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es war doch ein bisschen merkwürdig, dass die Russin und ich uns gerade insoweit gut verstanden - oder einfach nur beide entsprechend kaputt genug dazu waren -, dass wir anfingen hier Witze zu machen. Sehr ungewohnt, aber gar nicht mal im negativen Sinne. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass ich in den letzten Monaten auf Kuba insgesamt etwas... entspannter geworden war. Meinen Hitzkopf und meine Sturheit würde mir wohl Niemand mehr abtrainieren können, aber ich tickte nicht mehr ganz so schnell aus, seit ich sowas wie ein entspanntes Leben zusammen mit Cosma hatte. Selbst mir war das inzwischen aufgefallen und dann musste da irgendwas dran sein. Trotzdem würde auch der rothaarige, kleine Teufel mir kaum das Verlangen nach Blut- und Adrenalinräuschen wie dem heutigen nehmen können. "Ich kann dir auch Brandnarben anbieten, falls die dir lieber sind.", wies ich die Brünette nicht minder ironisch auf mein breites Angebot hin, damit sie sich auch ja nicht nur mit einer Ziernarbe zufrieden geben musste. Sie konnte sich dementsprechend auch gerne mal bei Richard danach erkundigen, wie langlebig meine Werke waren. Vahagn dachte zwar erst noch einen Moment lang darüber nach, ob es wirklich für sie in Ordnung ging, dass sie mir ein paar Leute vorübergehend anvertrauen sollte, aber letzten Endes schien sie sich doch recht sicher damit zu sein, dass das eigentlich kein Problem sein würde. Alles andere wäre aber auch dämlich und grob fahrlässig ihrem Bruder gegenüber gewesen. Schließlich schien es um den jungen Mann nicht gerade gut zu stehen und noch einen Angriff würde er sich kaum leisten können. Da war es für alle Beteiligten deutlich sicherer in der Offensive zu bleiben, statt sich nur hier in den Mauern des Hauses zu verschanzen. Letzteres konnte gar nicht gut gehen, mussten die Sorokins doch jetzt erst recht stinksauer sein - was mich wiederum freute. Ich ging anderen Leuten einfach wahnsinnig gern auf den Sack, indem ich ihnen ihre Pläne durchkreuzte und sie wertvolle Ressourcen kostete. Ganz gleich, ob es sich dabei nun um Personal oder um Wertanlagen handelte. Ich hatte einfach wahnsinnig viel Spaß daran anderen Clans auf die Nase zu binden, dass sie vielleicht mit vielen anderen klar kamen, aber nicht mit mir. Wegen mir sollten sie ruhig ihre Sippschaft aus dem ganzen Land zusammenpferchen und gegen mich aufstellen - ich kam auch dagegen an, wenn der Plan und die Taktik nur gut genug waren. Bekanntlich kam der Hochmut zwar vor dem Fall, aber letzteren sah ich für meinen Teil noch lange nicht kommen. Natürlich hatten die letzten Jahre ihre Spuren bei mir hinterlassen, aber ich war aktuell so fit wie schon lange nicht mehr. Ich hatte den Alkoholkonsum bis auf hier und da ein Glas Whiskey zum Genuss nach einem sehr anstrengenden Tag stark eingeschränkt, trieb dank inzwischen etwas mehr vorhandener Freizeit auch wieder mehr Sport und war demnach körperlich so fit wie schon lange nicht mehr. Das Vitamin D der kubanischen Sonne hatte mir nach den langen norwegischen Wintern sicher auch nicht geschadet. Ich war einem wahr gewordenen Berserker aus nordischen Sagen vielleicht noch nie so nahe gewesen wie jetzt. Die schon zugenähte Schusswunde am Arm war zwar ärgerlich, aber ich wusste sie auszublenden. Förderlich waren weitere Gefechte für die Wundheilung selbstverständlich nicht, aber mein Körper bekam das schon gebacken. Er hatte schon wesentlich Schlimmeres überstehen müssen, da machte ich mir keine Sorgen. "Gut, dann sind wir uns ja einig.", gab ich mit einem für den Moment zufriedenen Nicken noch ein paar abschließende Worte dazu ab. Was unseren Schwerverletzten im Bunde anging hatte Vahagn wenig mildernde Worte für mich übrig, schien es um Iljah doch wirklich nicht gut zu stehen. Die Russin würde sich jetzt erstmal um ihre eigenen Wunden kümmern und so gab ich nur noch ein relativ knappes "Verstehe." von mir, bevor der Blonde dazu ansetzte sie aus dem Flur zu bringen. Ich beobachtete das einseitig humpelnde Paar noch einen kurzen Augenblick. Es wäre mir zwar lieber, wenn die Brünette ebenfalls mit von der Partie sein könnte, wenn ich weitere Schläge gegen diese nervtötende Großfamilie ausführte, aber in ihrem jetzigen Zustand würde sie mir keine Hilfe sein, also musste es ohne sie gehen. Würde schon hinhauen. Als die beiden dann aus meinem Blickfeld verschwunden waren wurde ich den blutigen Pullover los und schloss mich der Schaar meiner Männer an, kaum hatte ich meine Tasche vom Boden aufgelesen. Ich kannte mich hier nicht aus und scannte meine Umgebung dementsprechend recht gründlich, bevor ich meinen Kram in einem der Zimmer ablud. Es würde ziemlich kuschlig hier drin werden, waren wir doch nicht wenige, aber das war nun wirklich nicht das erste Mal für uns und kümmerte mich auch nicht. Außerdem erinnerte es mich irgendwie angenehm an frühere, weniger reiche Zeiten. Es zeigte mir eben doch sehr eindeutig auf, wie sehr ich mich inzwischen hochgearbeitet und gemausert hatte. War ein gutes Gefühl, auch wenn ich vielleicht trotzdem lieber in einem Hotel mit mehr Platz und Ruhe residiert hätte. Sich für die gesamte Dauer meines Aufenthalts von Iljah zu distanzieren kam für mich nicht in Frage, wollte ich doch lieber selbst sichergehen, dass er hier keine unangenehmen Überraschungen kassieren musste, sollten die Sorokins hier aufkreuzen wollen. So oder so würde ich mich jetzt erst einmal einer kurzen Dusche unterziehen, um die Füße und Hände wieder richtig aufzutauen und ich musste ohnehin das Blut am Arm loswerden, konnte beides miteinander verbinden. Allerdings war das schnell erledigt und so fand ich mich schließlich nur etwa zehn Minuten später wieder im Flur ein. Suchte nach Hinweisen danach, wo Iljah war und eine schmale Blutspur aus ein paar Tropfen zeigte mir recht eindeutig den Weg bis zu seinem Schlafzimmer. Theoretisch hätte das Blut zwar auch jemand Anderem gehören können, aber meine Intuition täuschte mich nicht. Außerdem konnte ich den Eisengeruch von frischem und getrocknetem Blut förmlich riechen, noch bevor ich flüchtig anklopfte und in sein Zimmer eintrat. Es war noch immer Jemand dabei die restlichen seiner Wunden zu versorgen und der junge Mann sah mild ausgedrückt wirklich nicht gut aus. War noch blasser als ohnehin schon - wie sollte er in dieser Eiseskälte auch braun werden? - und wirkte im Grunde bereits so gut wie tot. In etwa so wie Tauren damals, als er von den Italienern zurückgekehrt war. Nur schienen mir die Russen mit der Folter noch kreativer gewesen zu sein. Ich seufzte also doch etwas frustriert und rieb mir mit der rechten Hand übers Gesicht, als ich mit dem Mustern seiner Verletzungen zum Ende kam. Blieb wohl zu hoffen, dass sich keine der Wunden entzündete. Er dürfte um die 24 Stunden in den Händen dieser Arschlöcher gewesen sein und mit Pech konnten sich schon weiß Gott was alles für Bakterien in seinen Blutkreislauf geschlichen haben.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es war wirklich schwer, nahezu unmöglich für mich in Worte zu fassen, wie beschissen es mir eigentlich ging, als ich nach einer schier unendlich langen Reise in meinem Bett liegend die Augen öffnete. Na ja, oder es zumindest versuchte, denn die oft nur einseitigen Faustschläge hatten mein linkes Auge so stark anschwellen lassen, dass sich das Lid nur mehr schlecht als recht öffnen ließ. Im Endeffekt war das aber auch egal, denn schon das wenige Tageslicht genügte vollkommen, um die während des Transports einigermaßen erträglichen Kopfschmerzen wieder schlimmer werden zu lassen. Gut, vielleicht waren sie auch nie wirklich besser gewesen, beurteilen konnte ich das vermutlich nur schlecht, weil ich einen Großteil der Fahrt schlichtweg verschlafen hatte. Zwar hatte ich hier und da mitbekommen, dass um mich herum ein riesen Spektakel veranstaltet worden war, aber nachdem Irina und Vahagn mir ins Ohr souffliert hatten, dass bald wieder alles gutwerden würde, hatte ich mich getrost in die Bewusstlosigkeit verabschiedet. Ein Segen für meinen geschundenen Körper, nachdem man ihm diesen Schutzmechanismus mehrfach verwehrt hatte. Mit absolut überzogenen Mitteln, was für Russen leider typisch war. Da konnten all die Schläge und Tritte nicht ansatzweise mithalten, was die Schmerzen anging, waren absolut nicht vergleichbar. Am meisten zugesetzt hatten mir wohl die Elektroschocks auf der teils eiskalten Haut, mit denen mich die Sorokin Brüder höchstpersönlich immer wieder aus der Schwebe zwischen wach sein und einsetzender Bewusstlosigkeit gerissen hatten. Damit ich auch ja keine der Gräueltaten und die damit verbundenen Schmerzen verpasste, die sie mir zufügten, um mich ihren Zorn spüren zu lassen. Und der war, gelinde gesagt, ziemlich enorm. Es war vielleicht wirklich dumm gewesen, den Container und das Hafengelände zu verlassen, nur war mir keine gangbare Alternative in den Sinn gekommen, nachdem wir beide unsere Handys entsorgt und uns damit von der Außenwelt abgekapselt hatten. Der Kühlschrank füllte sich leider nicht von selbst und die zierliche Schwarzhaarige alleine losziehen zu lassen war zu meinem Zeitpunkt zur Debatte gestanden. Schlicht und ergreifend weil sie ein einfacheres Opfer darstellte, als ich es gewesen war, auch wenn ich mich bedingt durch einen ziemlich feigen Hinterhalt auch nur wenig bis gar nicht hatte zur Wehr setzen können. Nach einem gezielten Schlag auf den Hinterkopf war ich erst eine Weile später im Keller des Sorokin Anwesens wieder zu mir gekommen und kurz darauf dämmerte mir dann auch schon, woher ich diese beiden Missgestalten kannte. Als ich zu den Namen endlich auch die beiden Gesichter vor mir sah, erinnerte ich mich schnell daran, wie ich den zweien zum ersten Mal begegnet war und das wir uns wenig friedvoll voneinander verabschiedet hatten. Details ließen sich mit den dröhnenden Kopfschmerzen nach dem Schlag zwar leider nicht so schnell abrufen, aber ich wusste, dass ich erst dem einen und dann dem anderen bei einem Drogendeal ziemlich in die Quere gekommen war. Faszinierend, wie nachtragend manche Menschen doch waren, wo sie trotz des herben Rückschlags von damals doch ziemlich Karriere in Moskaus Untergrund gemacht hatten. Leider war mir nicht besonders viel Zeit geblieben, den Vorfall von damals Revue passieren zu lassen, weil schon wenige Augenblicke, nachdem sich die Brüder miteinander und dann kurzzeitig mit mir unterhalten hatten, auch schon der erste Schlag ins Gesicht gefolgte. Der zweite ließ nicht lange auf sich warten und brachte damit den Stein für stundenlange Qualen ins Rollen. Nachdem sich beide über Schläge und Tritte von ihrem Frust befreit hatten, übergaben sie mich für die weitere Folter in die Hände von zwei hochgewachsenen, für Russen verhältnismäßig breit gebaute Burschen, die mir über mehrere Stunden Stich- und Schnittverletzungen zufügten und wenn mein Körper versuchte, dem Schmerz zu entfliehen, dann wurde der Elektroschocker jeweils zwischen den Rippenbögen angesetzt, um mich wach zu halten. Die daraus resultierenden Brandwunden zogen sich vor allem über meinen Rücken, sodass Liegen im Grunde genommen nicht weniger schmerzhaft war, als gefesselt auf diesem blöden Stuhl mein Dasein zu fristen. Nur hatte ich leider kaum Kraft, um auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen und so lag ich stillschweigend und absolut regungslos da, als Jurij gerade auch noch die letzte der insgesamt viel zu vielen Verletzungen zu flicken versuchte. Ich bekam nur am Rande mit, dass sich nebst dem Blonden noch jemand anderes Zutritt zum Zimmer verschafft hatte und erschrak deshalb wohl auch etwas, als Hunter nach einer Weile lediglich mit einem genervt klingenden Seufzer auf sich aufmerksam machte. Durch die zahlreichen Elektroschocks waren meine Muskeln jedoch so irritiert, dass die Reflexe aussetzten und es gab nichts, wofür ich in diesem Moment dankbarer hätte sein können. Wäre ich jetzt zusammengezuckt, dann hätte ich wohl einen inbrünstigen Schrei der Schmerzen von mir hören lassen, weil sämtliche der Wunden gereizt worden wären. Demnach war die eigentlich traurige Konsequenz der Tortur im Sinne aller im Haus Anwesenden, wobei es mir im Grunde genommen wohl ziemlich egal gewesen wäre, wenn sich dadurch jemand belästigt gefühlt hätte. Ich hatte gerade weitaus besseres zutun, als mich in meinen eigenen vier Wänden dafür zu rechtfertigen, dass ich hier gerade Höllenqualen durchlitt. Qualen, die ich mir streng genommen wohl selbst zuzuschreiben hatte, nachdem es meines Erachtens nach eine gute Idee gewesen war, sich auf Irina einzulassen. Aber auch nach der Folter, den schier endlos langen Stunden ohne Kleidung, Essen oder Trinken in einem kahlen, arschkalten und dunklen Raum war ich ihr deshalb nicht mehr böse. Erst recht nicht, als mich ihre engelsgleiche Stimme empfing, auf die meine Befreiung aus der Villa der Sorokins folgen sollte. Es war absurd, hätte ich Irina doch mindestens den Tod wünschen müssen, nach all dem, was ich wegen ihr durchmachen musste, aber ich konnte es nicht. Wollte wirklich daran glauben, dass ihr niemals im Sinn gestanden hatte, mich mutwillig zu verletzen. Mich auszuliefern an rachsüchtige Psychopathen und doch hatte sie genau das getan. Aber es war egal, wie oft ich sie verfluchte, nachdem man mir eine neue Schnittverletzung zugefügt, wieder den Elektroschocker angesetzt hatte, als ich ihre Hände an meinem demolierten Gesicht spürte, waren all die Verwünschungen wie weggeblasen, so als wäre die Serbin nicht maßgeblich für meine Nahtoderfahrung verantwortlich gewesen. Ich konnte mir nicht helfen, es nicht erklären, wann ich mich derart in die Schwarzhaarige verliebt hatte, dass ich entschuldigen und nachvollziehen konnte, warum sie mich dem Abschaum zum Fraß vorgeworfen hatte, aber ich konnte es einfach nicht leugnen. Es war mir daher mehr als nur unangenehm, dass ich nicht mehr in der Lage war, ihr mitzuteilen, dass ich froh war, sie zu sehen, als Irina gemeinsam mit meiner kleinen Schwester dafür gesorgt hatte, mich von den elenden, viel zu fest sitzenden Fesseln und anschließend aus dem dunkeln, kalten Raum zu befreien. Mir fehlte zum einen ganz einfach die Kraft, überhaupt auch nur ein Wort zu sprechen und als ich mich mental zumindest ansatzweise bereit dazu fühlte, es wenigstens zu versuchten, versagte meine Stimme kläglich und ich gab mich der eintretenden Bewusstlosigkeit hin. Zuhause angekommen war die junge Frau schließlich verschwunden und mehr als ein augenscheinlich reichlich genervter Amerikaner blieb mir in der schlimmen Zeit der Schmerzen nicht. Ich konnte nur hoffen, dass die zierliche Schönheit gerade nur kurz weg war, um mir Medikamente zu besorgen, wollte ich Irinas Kraft spendenden Hände doch gerne noch einmal in den meinen halten. Sie machte sich bestimmt schreckliche Vorwürfe - die allesamt auch berechtigt waren, möchte in an dieser Stelle anmerken -, aber sie konnte es wieder gutmachen, wenn sie für all den Ärger und den Schmerz jetzt einfach bei mir blieb. Mir nicht ein weiteres Mal das Messer in den Rücken rammte und zu mir stand.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass der Russe jetzt tatsächlich schon aufwachte. Hatte mich eigentlich nur kurz davon überzeugen wollen, dass nicht alles umsonst gewesen war und er weiter atmete. Alles andere wäre für mich aus geschäftlicher Hinsicht einfach wirklich sehr ärgerlich, wo das mit der Geldwäsche doch bisher ausgezeichnet funktioniert hatte. Zumindest eben so weit, wie es das konnte, wenn eine ach so unscheinbare Ratte mit im System saß. Es war nach wie vor mehr als ärgerlich für mich, dass sie sich überhaupt bei mir hatte einschleichen können, auch wenn sie - zumindest laut eigener Aussage, auf die ich aber verständlicherweise nicht mehr allzu viel geben wollte - über mich nicht wirklich viele Worte an die Sorokins verloren hatte. Allerdings stimmte es vermutlich schon, dass Irina auch gar nicht allzu viel über mich wusste, das sie hätte ausplaudern können. Ich hatte bei ihr genauso wie bei jedem anderen vollkommen neuen Geschäftspartner Nummer Sicher angewendet und über meine Person im Grunde gar nichts erzählt. So ganz ohne Anhaltspunkte oder Bild dürfte es schwierig für sie gewesen sein irgendetwas über mich herauszufinden. Andererseits hätte sie mich irgendwann sicherlich doch gefunden, wenn sie nur genügend Zeit investiert hätte, hatte ich ja durchaus die eine oder andere Schlagzeile sowohl in Amerika, als auch in Norwegen geschrieben. Ich würde ihr was das anging also keinesfalls über den Weg trauen und mich lieber darauf gefasst machen, dass das ätzende Russenpack, das noch von mir beseitigt werden würde, womöglich doch schon irgendwas über mich wusste und sich nun darauf einstellte mir in den nächsten Tagen noch zu begegnen. Nicht nur um meiner selbst Willen, sondern auch für die körperliche Unversehrtheit meiner und Vahagns - beziehungsweise Iljahs - Truppe. Vorsicht war immer besser als Nachsicht und das wusste ich nicht erst seit gestern. Noch ein Grund mehr mich unsagbar darüber zu ärgern, Irina nicht ein paar Tage länger komplett durchleuchtet zu haben. Früher oder später hätte ich sicher die Fährte zum Sorokin Kartell aufnehmen können, ich hätte nur länger hierbleiben müssen. Andererseits hätte eigentlich auch Iljah noch ein bisschen tiefer nachbohren können, wie ich es ihm doch indirekt sogar noch aufgetragen hatte mit dem Vermerk darauf, dass mir der Schuppen, in dem die Mitbewohnerinnen der Serbin ihr Geld verdienten, irgendwie nicht ganz koscher erschien. Aber was sollte ich dazu noch großartig sagen? Ich hatte mich selbst schließlich auch an eine Frau verloren, die nicht selten mit Vorsicht zu genießen war und gewissermaßen nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. Zwar fiel Cosma mir nicht so hinterlistig in den Rücken, aber sie war eben doch sehr weit davon entfernt sowas wie normal zu sein. Wo die Liebe hinfiel - sollte die denn auch von seiner Seite aus vorhanden sein - ließ sich leider Gottes nicht kontrollieren und deshalb konnte man ihm das kaum vorhalten. Nur änderte das absolut gar nichts daran, dass das kleine Biest in meinen Augen keine Daseinsberechtigung für diesen Planeten mehr bei sich führte. "Ah, du lebst ja wirklich noch.", waren die ersten paar sarkastisch angehauchten Worte, die ich dem Russen auf dem Bett zukommen ließ. Während ich redete setzte ich mich dann auch in Bewegung und trat die letzten beiden Schritte ans Bett heran, musterte an der Bettkante angekommen noch einmal sein geschundenes, müdes Gesicht. "Keine Sorge, ich kümmer' mich noch um den Rest dieser Pest.", ließ ich den jungen Mann noch wissen, dass er bezüglich der Sorokins nichts mehr zu befürchten hatte, wobei ich Irina da ohne es zu erwähnen bereits einschloss. Ich wandte mich dann aber auch wieder von ihm ab und verließ sein Schlafzimmer, um noch einmal Björn aufzusuchen. Er ließ sich im Wohnzimmer finden, saß neben Irina auf dem Sofa. Die Serbin war reichlich blass um die Nase und sah ziemlich kaputt aus. Wirkte zumindest nicht so, als würde sie gleich doch noch die Biege machen wollen, sondern eher so, als würde sie jeden Moment einnicken, so schief wie sie da an der Lehne hing. Also wanderten meine Augen zurück zu Björn und ich sagte dem ebenfalls nicht mehr so ganz fit aussehenden Norweger, dass er sich ablösen lassen sollte, wenn er müde wurde. Danach verabschiedete ich mich selbst erstmal ins Bett, während die meisten der anderen sich mit Schlafsäcken begnügen mussten, weil so viele Betten hier ganz einfach nicht vorhanden waren. Ich trug den beiden Snipern von vorhin noch auf an den Fenstern Wache zu halten, nur für den Fall einer unschönen Überraschung. Danach versuchte ich zeitnah einzuschlafen und brauchte dafür dank Jetlag und Schießerei auch gar nicht lang.
Nachdem der impulsive Amerikaner mich an den jungen Norweger abgetreten hatte, fühlte ich mich gleich wieder etwas sicherer. Wäre beinahe noch mit dem Van im Rücken auf den Boden gesackt, hätte Björn mich nicht am Arm festgehalten. Für meinen Geschmack hatte ich heute einfach schon zu oft mit dem Tod getanzt und meine Puddingbeine kamen nach der hitzigen Auseinandersetzung mit dem Choleriker endgültig an ihre Grenzen. Bevor es nach drinnen ging schleppte mich der junge Mann aber am Oberarm bis zu dem Transporter, in dem Ashton noch damit beschäftigt war die Kugel aus dem Fleisch eines anderen Soldaten zu fischen. Björn setzte mich auf einem der Sitze weiter vorne ab, während die anderen beiden Männer sich im hinteren Bereich der Ladefläche befanden. Der Norweger organisierte sich nur schnell die nötigen Utensilien, bevor ich durch das höllische Brennen des Desinfektionsmittels schlagartig wieder hellwach wurde. Ich verstand wirklich nicht, wie der Kerl da hinten so ruhig da sitzen bleiben konnte, während man die Kugelreste aus ihm raus zog. Als täte er nie was anderes. Ich hingegen war mir sicher, dass ich mich daran nie gewöhnen könnte und biss schließlich auf dem Ärmel meines Pullovers herum, den ich mir vor den Mund hielt, während der Streifschuss an meiner Taille genäht wurde. Es war wirklich schrecklich schmerzhaft - dabei schien der in sich sehr ruhig wirkende Norweger schon recht vorsichtig zu sein - und ich schwitzte durch den Schmerz nun von Neuem, als die Versorgung der Wunde abgeschlossen schien. Ich war versucht ihn danach zu fragen, ob ich wenigstens eine einzige Schmerztablette kriegen konnte, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich darauf nur ein schlichtes Nein kassieren würde. Immerhin brachten mich die Schmerzen allein nicht um und sein Chef hatte lediglich gesagt, dass ich nicht abkratzen sollte. Natürlich hätte ich auf die Güte Björns hoffen können, aber die rechte Hand des Amerikaners war hier auch zu Gange. Also ließ ich es besseren Wissens bleiben und schleppte mich ächzend mit meinem stetigen Begleiter ins Haus, nur um mich dort bald aufs Sofa zu verkrümeln. Ich hatte gesehen, wie der mordlustige Typ den Weg zu Iljahs Schlafzimmer eingeschlagen hatte und ich wäre ihm wahnsinnig gerne gefolgt. Auch, wenn jener Raum im ersten Moment sicher nicht nur Gutes in mir auslösen würde. Ich wollte einfach unbedingt sehen, wie es dem Schwarzhaarigen ging und vielleicht wollte ich auch einfach schon jetzt gerne wissen, wie er nach alledem zu mir stand. Denn so viel war sicher: Die nächsten Stunden, in denen ich noch auf einen letzten Wortwechsel mit ihm warten musste, würden mich unsagbar quälen. Wahrscheinlich noch mehr, als es die körperliche Verletzung ohnehin schon tat. Mein Wohlbefinden steigerte sich in den schweigsamen Minuten neben Björn auf dem Sofa auch nicht gerade und ich angelte mit den Fingern nach der dünnen Decke auf der Rückenlehne, um mich darunter zu verkriechen. Mir war kalt und ich war hundemüde. Daran konnte auch der erneute, sehr akribische Blick des Amerikaners nichts ändern, als er das Wohnzimmer erneut durchschritt und seinem Handlanger noch einen letzten Befehl zukommen ließ. Danach verschwand er fürs erste recht endgültig und ließ mich mit dem Norweger allein im Wohnbereich zurück. Wir tauschten noch ein paar letzte, vollkommen stumme Blicke, bevor ich meine Beine aufs Polster zog und mich so halb hinlegte, um zumindest ansatzweise sowas wie zu schlafen. Dass das nicht so einfach war, wie ich das gerne gehabt hätte, war wohl schon vorher klar gewesen. Wenn es nicht der Choleriker war, der mich im Traum wieder aus meinem Dämmerschlaf hochscheuchte, dann war es Iljah, wie er mir all die Dinge vorwarf, die ich getan hatte. Und wenn es nicht einmal er war, dann war es Vahagn, wie sie mir eine Kugel verpasste. Ganz gleich wie müde ich war kam ich doch nicht wirklich dazu richtig zu schlafen und länger als eine oder höchstens zwei Stunden dauerte es nie, bis ich wieder wach wurde. Als ich gegen Acht Uhr aufwachte und mich frustriert, schmerzlich seufzend aufrichtete, sah ich plötzlich ein neues Gesicht neben mir sitzen und wäre deshalb vor Schreck beinahe über die Armlehne vom Polster gekippt. Der hatte nämlich keine beruhigende Worte, sondern nur einen sehr kühlen Blick für mich übrig und deshalb gab ich es gegen 9 dann auch mit dem Schlafen auf, obwohl die meisten anderen noch nicht wieder aus den Federn kippten. Ich fragte den schrägen Typen, ob ich etwas zu trinken haben durfte, aber er schnaubte nur verächtlich und schüttelte den Kopf. Klar, brauchte ich ja auch nicht zwingend, um noch ein paar Stunden zu atmen. Was hatte ich mir bei der Frage nur gedacht, war ja utopisch. Mir blieb zum Kraft tanken wohl nichts anderes, als unruhig weiter vor mich hinzudösen. Ich kam erst gegen 12 Uhr an ein paar vereinzelte Schlucke Wasser und das auch nur, weil der Hitzkopf inzwischen wach war und wollte, dass ich mich schon während er frühstückte mit ihm bezüglich der Sorokins unterhielt. Das ging mit einer so kratzigen, trockenen Kehle leider eher schlecht und das war sicher der einzige Grund dafür, dass ich zumindest ein bisschen was trinken durfte. Danach folgten zwei Stunden voll wahnsinnig anstrengendem Wortwechsel und ich versuchte Hunter - einer seiner Leute nannte ihn so, ich ging mal davon aus, dass das sein Name war - so detailliert, wie es mir möglich war, die meisten Lagerstandorte und Verstecke der Sorokins aufzulisten, zu erklären. Auch teilweise wieder aufzuzeichnen, weil er scheinbar einfach gerne auch bildlich etwas vor Augen hatte. Ich konnte mich bei all den Gedanken an Iljah auch wirklich nur schlecht konzentrieren. Danach war ich dann noch geschlauchter, als ich es ohnehin schon von dem seit zwei Tagen nicht vorhandenen Schlaf und der Schusswunde war. Der Amerikaner trug einem seiner Leute auf nachsehen zu gehen, ob Iljah inzwischen wach war und daraufhin weiteten sich meine Augen. Nicht nur, weil das hieß, dass ich gleich vielleicht endlich mit ihm reden konnte, sondern auch, dass mein Körper bald dank einer tödlichen Verletzunge kapitulieren müssen würde. Ich wusste gar nicht was davon mir mehr Angst machen sollte, als der Scherge zurückkam und Hunter ein gut sichtbares Nicken zukommen ließ. Daraufhin glitt mein Blick unruhig in dessen Augen, während er an seinem Kaffee nippte. Er ließ sich eine schier endlose Ewigkeit damit Zeit, mir die folgenden Worte zukommen zu lassen: "Na schön. Ich steh' zu meinem Wort, auch wenn du's nicht verdient hast... geh dir dein letztes Gespräch abholen. Aber bring's schnell auf den Punkt, ich komm gleich nach." Mehr als das brauchte ich nicht, um mit einem Nicken etwas zu hastig vom Stuhl zu rutschen und aufzustehen. Meine ersten Schritte waren mangels Energie und anhaltender Kreislaufprobleme etwas wacklig, aber ich bewegte mich doch sehr zielstrebig zu genau dem Raum im Haus, den ich schon einmal fluchtartig unter Tränen verlassen hatte. Die Tür war nicht zu - vermutlich um den Schwarzhaarigen im Notfall schreien hören zu können - und doch hielt ich fast direkt davor noch einmal kurz inne. Schluckte tonlos, atmete durch. Viel Zeit schien ich hierfür leider nicht gewährt zu kriegen, weshalb ich schließlich doch meine Finger an die Tür legte und sie vorsichtig aufzog. "Iljah..?", murmelte ich dabei noch immer leicht kratzig vor mich hin und steckte den Kopf schon durch die Tür, bevor sie weit genug auf war, um mich ganz in sein Sichtfeld rücken zu lassen. "Kann... darf ich mich zu dir setzen? Für ein paar Minuten...", fragte ich zur Sicherheit doch lieber mit verunsichertem Blick nach, ob er mich denn überhaupt in seiner Nähe tolerieren wollte und begann danach sofort meine Unterlippe mit den Zähnen zu malträtieren. Ich wusste ja noch immer nicht, wie er jetzt zu mir stand. Sollte er bis hierhin schon Irgendjemanden nach mir gefragt haben, dann hatte Hunter sehr erfolgreich verhindert, dass das bis zu mir durchdrang.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Auch wenn Hunter nicht einmal im Ansatz etwas für die ganze Misere hier konnte, war er gerade mit einer der letzten, die ich hatte sehen wollen. Mochte gut sein, dass ich mich mit dem Amerikaner um ein Vielfaches besser verstand als es Vahagn je tun würde, aber das änderte absolut nichts daran, dass ich ihn als Person einfach reichlich unsympathisch fand. Mich nicht länger in seiner Nähe wissen wollte als das wirklich notwendig war und schon gar nicht, wenn ich mich nicht wehren konnte. Zwar entzog es sich mir jeglichen Sinn, warum er mich erst aus der Villa befreien sollte - und dabei das Risiko einging, selbst verletzt zu werden -, nur um mich im direkten Anschluss daran vollkommen wehrlos auf dem Bett liegend abzumurksen, aber bei dem Choleriker wusste man in der Hinsicht eher nicht woran man war. Ich konnte mir vorstellen, dass es da bloß ums Prinzip ging, sollte ich ihm in irgendeiner Hinsicht derart auf den Schlips getreten sein, dass der Tod alles war, was ich noch verdiente. So ad hoc wollte mir da zwar rein gar nichts einfallen, lief die Geldwäsche doch einwandfrei, aber was wusste ich schon. Im Grunde genommen war es jedoch auch vollkommen egal, was Hunter sagte oder wie er das tat. Fakt war, dass ich ihm im Augenblick nichts entgegenzusetzen hatte und lediglich darauf hoffen konnte, dass er mich noch etwas am Leben ließ. Die Rachegelüste, die ich seiner Aussage entnehmen konnte, echt waren und ich mir vorerst keine Gedanken darum machen musste, dass mir jetzt doch noch jemand final das Messer in die Brust rammte. Wäre irgendwie blöd, war ich dem Tod doch erst so knapp von der Schippe gesprungen. Fürs Erste sollte ich aber tatsächlich verschont bleiben, hielt sich der Amerikaner doch gar nicht mehr lange in meinem Raum auf, sondern zog schon sehr bald den Rückzug an. Vermutlich um Schlafen zu gehen und mir selbst ein bisschen die Ruhe zu gönnen, die ich jetzt definitiv gebrauchen konnte. Fraglich war nur, ob ich in dem Zustand überhaupt in den Schlaf finden würde, löste die geringste Bewegung doch schon höllische Schmerzen aus. Irina mit Medikamenten war leider auch nicht in Sicht, sodass ich mit tränenden Augen die Lider zuschlug. Ich konnte nicht viel gegen die aufsteigende Tränenflüssigkeit machen, war wirklich froh, dass Jurij sich Hunter angeschlossen und mit ihm zusammen das Zimmer verlassen hatte, weil dann niemand mehr sehen konnte, wie sich eine einzelne Träne aus meinem Augenwinkel löste und über meine Wange kullerte. Etwa fünfzehn Minuten lag ich anschließend da und starrte mit verschleierter Sicht gegen die Decke. Fing an nachzudenken, das Alles noch einmal Revue passieren zu lassen, wobei ich den Teil im Keller der Villa doch ganz bewusst außenvor ließ, denn nicht nur der physische Schmerz saß tief, sondern auch der psychische. So eine Tortur ging nun mal nicht einfach spurlos an einem vorbei, ich würde eine ganze Weile brauchen, um über die letzten Stunden hinweg zu kommen, da war ich mir sicher. Als ich vernahm, wie sich die Tür zu meiner Rechten erneut öffnete, hoffte ich doch wirklich darauf, dass es die Silhouette der Schwarzhaarigen war, die in mein Blickfeld trat, aber nach genauerem Hinsehen entpuppte sich der Schatten doch nur als ein Mann aus meinen Reihen, der mir Schmerzmittel brachte und mir war gleich ein weiteres Mal einfach zum Heulen zumute. Nur fehlte mir auch dafür leider die Kraft, ging das letzte bisschen Energie doch fürs Schlucken der Tablette drauf und wenn ich noch immer dachte, am heutigen Tag nicht mehr in den Schlaf zu finden, wurde ich spätestens zehn Minuten später vom absoluten Gegenteil überzeugt. Denn das Medikament ließ einen Großteil der Schmerzen tatsächlich schon bald in den Hintergrund rücken und ebnete mir damit einen hervorragenden Weg, ins Land der Träume zu verschwinden. Allerdings war der Schlaf als solcher dann doch ohne irgendwelchen Träume, zumindest konnte ich mich an keinen wirklich bewusst erinnern, wofür ich überaus dankbar war. Normalerweise suchte einen doch der ganze Horror in der Nacht noch einmal heim, weil die Psyche einfach ein blödes Arschloch war, aber zumindest in der Nacht, in der ich eine Menge Energie tankte, sollte ich davon verschont bleiben. Nicht auszuschließen, dass die kommenden Tage dafür umso grauenvoller wurden, aber fürs Erste fokussierte ich mich auf den kleinen Teilerfolg, als ich durch ein Rascheln an der Zimmertür geweckt wurde. Es war einer von Hunters Männern, die nach dem Rechten schauen wollten und mir dabei halfen, einen Schluck Wasser zu mir zu nehmen, bevor sie das Zimmer auch schon wieder verließen und wenig später ein schwarzer Schopf durch den Spalt der angelehnten Zimmertür zu sehen war. Die dazugehörige junge Frau ließ nicht lange auf sich warten und auch wenn ich über Nacht nicht vollständig genesen war, fühlte ich mich gleich um einiges besser, Irina lebend mein Zimmer betreten zu sehen. Ich war in Sorge gewesen, dass die Sorokins sie nach meinem Verschwinden doch noch aufgegabelt und kaltgemacht hatten - man konnte also durchaus sagen, dass mir gerade ein Stein vom Herzen fiel, als die Serbin zu ein paar zögerlichen Worten ansetzte, auf die ich liebend gerne euphorisch mit dem Kopf genickt hätte. Dass das keine besonders gute Idee und im Augenblick noch dazu auch überhaupt nicht umsetzbar war, musste ich wohl nicht erwähnen, oder? Ich beließ es deshalb nur bei einem schwachen, noch immer recht müde wirkenden Nicken und versuchte zumindest ansatzweise so etwas wie ein Lächeln zu formen, auch wenn mir das höllische Schmerzen bereitete. Ich war einfach froh, die schwarzhaarige Schönheit zu sehen, auch wenn mir trotz des geschwollenen Auges nicht entging, dass sie scheinbar auch etwas abbekommen hatte. "Ich bitte... drum.", krächzte ich die ersten Worte nach einer schier unendlich langen Zeit des Schweigens, ohne den Blick von Irina abzuwenden. Viel mehr brachte ich nur leider nicht über die Lippen, waren Letztere leider trotz des Schluck Wassers noch recht trocken. Auch meine Kehle war nicht besonders geölt und ich fing nach den ersten Worten prompt zu husten an, was mich mindestens gedanklich der Schmerzen wegen mehrere Tode sterben ließ.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Eigentlich dauerte es gar nicht so ewig lange, bis der geschundene junge Mann auf dem Bett mir eine Antwort zukommen ließ. Es kam mir sicher nur schon wieder so vor. Im Grunde war das dürftige, aber durchaus ehrlich wirkende Lächeln auch schon Antwort genug und ich war mir vermeintlich dadurch schon sicher damit, dass der Schwarzhaarige mich nicht gleich aus dem Raum scheuchen würde. Dennoch machte ich den ersten Schritt in den Raum nur zaghaft, bis schließlich auch seine Stimme an meine Ohren drang. Damit räumte er die letzten Bedenken meinerseits bei Seite und ich konnte endlich aufatmen. Konnte sehen und hören, dass er mich nicht hasste. Dass er scheinbar sogar sehr gerne wollte, dass ich zu ihm kam, machte er das doch allein schon durch seine Worte recht deutlich. Damit hatte Iljah zumindest die schlimmere meiner beiden Sorgen erfolgreich beseitigt und ich würde wenigstens nicht mit dem Gefühl gehen müssen, dass er mich für immer hassen und mir niemals verzeihen würde. Vielleicht tat er letzteres trotzdem niemals, weil der Verrat - und vor allem auch die damit einhergehende Folter - zu tief saß. Aber das wäre nicht so schlimm, ich könnte das nachvollziehen. Dass er mich jetzt bei sich haben wollte war alles, was ich mir erhofft hatte und der Rest war mir erst einmal egal. Hauptsache der Tätowierte würde nicht an meiner naiven Dummheit draufgehen. Zwar war er noch weit davon entfernt heil auf zu sein, aber ich zweifelte nicht daran, dass seine Schwester alles daran setzen würde ihn wieder ganz auf die Beine zu kriegen. Ihr schien wirklich viel an ihm zu liegen. Er würde was das anging in guten Händen bleiben, wenn ich ihn verließ. Ich ging nach seiner Zustimmung so zügig zum Bett rüber, wie die Wunde an der Taille es mir erlaubte. Vermutlich immer noch leicht stockend, aber mir fiel das schon gar nicht mehr auf. Der brennende Schmerz schon eher, weil mir Schmerzmittel ja nicht vergönnt wurden. Aber so wie ich das sah, hatten sich die Schmerzen wohl ohnehin bald erledigt. Ich ließ mich vorsichtig, ziemlich langsam nahe des Kopfendes schräg auf die Bettkante sinken und verzog dabei unweigerlich das Gesicht. Brauchte auch danach noch ein paar Sekunden, um mich zu sammeln. Lehnte mich mit dem Rücken ein wenig ans Kopfende, zog schmerzlich die Beine mit auf die Matratze und sah danach zu Iljah hinab. Allein das klägliche Husten hatte mir schon ein furchtbar schlechtes Gewissen eingebrockt, sein stellenweise geschwollenes Gesicht machte es nun wirklich nicht besser. Meine Augen spiegelten pures Schuldbewusstsein und aufrichtige Besorgnis, als ich ohne darüber nachzudenken meine Hand nach ihm ausstreckte, um eine kleine verirrte Strähne sehr behutsam von seiner Stirn zu streichen. "Ich hatte Angst, dass du mich nicht sehen willst…", hauchte ich ein paar leise Worte zu ihm nach unten, wobei mein Blick von seinem Gesicht auf seine Brust abrutschte, die auch nicht wesentlich besser aussah. Ich merkte, wie sehr mir schon wieder nach weinen zu Mute war und atmete deshalb einmal etwas tiefer durch, was den Streifschuss nicht freute. Letzterer war grade allerdings so irrelevant wie nichts anderes. "Es tut mir so leid, Iljah... ich wünschte, ich könnte all das rückgängig machen.", entschuldigte ich mich murmelnd und wünschte mir im selben Atemzug die Vergangenheit zurück, um etwas daran ändern zu können. Natürlich nicht ganz alles. Zumindest die Erinnerung an uns beide würde ich gerne behalten, alles andere sollte aber zu unser aller Bestem ausgelöscht werden. Wenn es doch nur so einfach wäre. "...oder dich zumindest früher da rausholen. Ich hab' so schnell Hilfe geholt wie ich konnte, als ich gemerkt habe, dass du nicht zurückkommst... aber es hat alles so lange gedauert... und die Narben wirst du jetzt für immer haben...", redete ich weiterhin recht leise und auch etwas wirr vor mich hin, bevor ich meine Hand nach einer unverletzten Stelle an seiner Schulter ausstreckte und ihm flüchtig über die Haut streichelte. Ich redete ohne bestimmten Plan oder bestimmtes Ziel vor mich hin, weil es einfach wahnsinnig viel gab, dass ich Iljah gerne noch sagen würde, bevor mich der Henker aus dem Zimmer schleifte. Nur schien die Zeit dafür ziemlich begrenzt zu sein und das kam dann eben dabei raus, wenn man versuchte so viele Gedanken wie möglich in möglichst wenige Worte zu verpacken. "Und das schlimmste ist, dass... dass... ich es nie wieder gutmachen kann.", gab ich stockend noch einen letzten Satz von mir, bei dem sich schließlich doch langsam wieder Tränen in meinen Augen zu sammeln begannen. Ich hielt sie an Ort und Stelle, weil ich mir die Sicht nicht verschleiern wollte, wo doch gerade die letzten Minuten verstrichen, in denen ich den jungen Mann ansehen konnte. Ganz gleich, ob er gerade nicht unbedingt anbetungswürdig aussah, wollte ich so viele letzte Blicke auf ihn erhaschen, wie nur irgendwie möglich war. Er war allein schon deshalb perfekt, weil er mich trotz all den schlimmen Dingen, die er nun wegen mir hatte durchmachen und ertragen müssen, immer noch bei sich haben wollte. Das hatte ich nicht verdient... und vielleicht hatte ich auch einfach Iljah nicht verdient. Wahrscheinlich war es besser für ihn, wenn er sein Leben ohne eine paranoide, vollkommen durchgeknallte 20-Jährige weiterlebte. Nur hieß das eben nicht, dass ich das wirklich einsehen und ihn auch loslassen konnte. Ich wollte einfach nur gerne wieder mit ihm an einem Lagerfeuer stehen, mich unter seinem Mantel verkriechen, seinen Duft einatmen und dabei so tun, als würde außer dem Moment zwischen uns beiden gar nichts existieren. Als könnte mir Niemand irgendwas anhaben, solange ich nur seine Arme um meinen Körper spürte. Es hätte nach dieser ganzen Scheiße noch schön werden können, oder? Wenn der Schwarzhaarige mir verzeihen konnte, wieder gesund und munter war... hätten wir dann noch eine schöne Zukunft zusammen gehabt? Ich wollte nicht darüber nachdenken, aber ich konnte mir nicht helfen. Konnte mir noch so oft sagen, dass ich einfach loslassen musste - dass ich das nicht konnte, hatte ich mir inzwischen schon oft genug bewiesen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es dauerte dann glücklicherweise auch nicht mehr lange, bis Irina sich endlich in Bewegung setzte, um zu mir ans Bett zu kommen. Liebend gerne wäre ich auf der Matratze zur Seite gerutscht und hätte ihr damit den nötigen Platz eingeräumt, den sie brauchen würde, um es sich neben mir bequem zu machen, nur ließ das mein aktuell absolut miserabler Zustand wenig überraschend nicht zu. Ich war schon allein deshalb mehr als froh, dass der durch den Huster ausgelöste Schmerz zügig wieder abklang und ich nicht noch zusätzlich zu den bestehenden, unschönen Schmerzen das Gefühl hatte, man würde mir die momentan im Heilungsprozess befindlichen Wunden wieder aufreißen. Zwar verzog ich noch immer ein wenig das Gesicht, als sich die Serbin neben mir auf die Matratze setzte, aber ich würde es schon irgendwie überstehen. Mittlerweile glaubte ich nämlich nicht mehr daran, dass ich spontan einfach so abkratzen würde, hatte ich das Schlimmste in meinen Augen doch bereits überstanden. Und es schien, als wäre ich nicht der Einzige, der etwas abbekommen hatte. Zumindest vermutete ich das, nachdem ich bei meinem ersten etwas tieferen Atemzug nach dem Husten beobachtete, wie die junge Frau leicht humpelnd und ebenfalls mit schmerzverzerrter Miene auf mich zukam. Am liebsten hätte ich mich in diesem Moment aufgesetzt, die Schwarzhaarige an mich gezogen - behutsam und vorsichtig, aber das war ja wohl selbstverständlich - und ihr ins Ohr gemurmelt, dass alles gut werden würde, aber auch das war momentan einfach nicht im Rahmen des mir Möglichen. Dass mich das frustrierte war wohl überflüssig zu erwähnen, denn es ließ mich für meine Verhältnisse wirklich schwach wirken. Ich glaubte zwar inzwischen nicht mehr, dass Irina das ausnutzen wollen würde oder ich mich dafür schämen musste, war es nur natürlich, dass man nach so einer Tortur nicht mehr gerade auf beiden Beinen ging, aber es kratzte ja doch irgendwie an meinem Ego. Etwas daran ändern konnte ich allerdings nichts und versuchte meinen Stolz deshalb einfach herunterzuschlucken, als ich die Hand der Schwarzhaarigen auf meiner Stirn spürte. Meine Mundwinkel zuckten unwillkürlich in die Höhe und jagten einen weiteren Schmerzimpuls durch meinen Körper, als die von mehreren Faustschlägen malträtierte Muskelpartie meiner Wange angesprochen wurde. Ich stellte das Lächeln augenblicklich wieder ein und versuchte lediglich meinen Kopf vorsichtig zu drehen, sodass ich das Gesicht der zierlichen Gestalt neben mir gut sehen konnte. Aus der aktuellen Position heraus war das nur leider gar nicht so einfach und kostete mich viel Kraft, die ich eigentlich gar nicht hatte. Nur wieder an die weiße Decke zu starren oder meine Augen zu schließen kam jedoch nicht in Frage, wollte ich Irina doch gerne ansehen, während sie sich so aufrichtig bei mir entschuldigte. Sich wünschte, dass all das hier gar nicht passiert wäre, was ehrlich gesagt ins eine Ohr rein und durch das andere Ohr gleich wieder rausging. Zu groß waren meine Sorgen um ihr Wohlbefinden, obwohl ich mir um mein eigenes gerade deutlich mehr Gedanken machen sollte. Natürlich hatte ich Irina noch nicht verziehen, dass sie mich derart hintergangen hatte, aber im Endeffekt ließ es sich nun mal nicht mehr rückgängig machen. Egal, wie oft sie sich entschuldigte - es machte die Entführung durch die Sorokins und die Folter einfach nicht ungeschehen und ein paar ihrer Worte würden mir kaum helfen, das alles hinter mir zu lassen. Nein, das brauchte lediglich eines: Zeit. Ich würde eine Menge Zeit brauchen, um die Erlebnisse zu verarbeiten, aber ob ich dabei im Hinterkopf hatte, dass der Serbin all das unendlich leid tat oder nicht, spielte in meinen Augen nur eine sehr geringe Rolle. Immerhin hätten die Brüder sie genauso auflesen und dem Tode weihen können, wie sie es mit mir getan hatten und dann hätte ich damit auch ganz ohne eine Entschuldigung klarkommen müssen. So oder so zählte für mich jetzt jedoch gerade nur eines - das Irina hier und ich noch am Leben war. Mehr war aktuell überhaupt nicht wichtig, weshalb ich die Entschuldigung in meiner Antwort überhaupt nicht mehr thematisierte. Genauso wenig, wie ich darauf zu sprechen kam, dass sie Angst gehabt hatte, ich würde sie nicht wiedersehen wollen. Wäre dem so gewesen, hätte ich ihr das trotz der brüchigen Stimme sehr viel deutlicher, als mit einem bloßen Nein, ich möchte dich nicht sehen klargemacht. "Was ist... passiert? Was... haben sie dir angetan?", fragte ich nach wie vor eher leise, bedacht darauf, nicht gleich wieder husten zu müssen, war mein Hals weiterhin recht trocken. Dabei ging ich automatisch davon aus, dass Irinas Verletzung durch die Sorokins entstanden war und wollte deshalb wissen, wofür ich die beiden eigenhändig kaltmachen musste, wenn ich hoffentlich recht bald wieder auf den Beinen war. Dass es mehrere Wochen dauern würde, bis ich wieder auf dem Damm und einsatzbereit war, blendete ich zu dem Zeitpunkt ganz gekonnt aus. "Und... kannst du sehr wohl. Bleib bitte... bei mir. Ich will... ich möchte nicht, dass du gehst.", ergänzte ich meine vorherigen, hörbar besorgten Worte noch um eine Erklärung, wie sie es sehr wohl wieder gutmachen könnte, dass sie mich in diese Scheiße hineingeritten hatte. Und zwar damit, dass sie jetzt, wo ich ihren Mist ausbaden musste, da war. Mir den Halt gab, den selbst so hartgesottene Männer wie Hunter oder ich auch mal brauchten. Wenn sie einfach blieb, mir weiterhin die Haare aus dem Gesicht strich oder mich ihre Stimme hören ließ. Wenn sie einfach neben mir liegenbleiben, schweigend über meine Haut streichen würde... Es war egal, wofür sie sich letztlich entschied, wichtig war nur, dass sie mir nicht den Rücken kehrte und alleine ließ, wo ich sie doch wirklich brauchte. Einfach um zu sehen, dass all das, was ich hatte durchstehen müssen, nicht umsonst gewesen war, sondern es ein Licht am Ende des Tunnels gab. Wir mussten uns auch nicht unterhalten, über nichts, was passiert war sprechen, wenn sie das nicht wollte. Ich würde sie auch mit einer dunkeln, unausgesprochenen Vergangenheit bei mir behalten wollen, nur musste Irina mir dafür versprechen, in der Zukunft mit offenen Karten zu spielen. Ein mindestens genauso loyaler Partner sein, wie ich es für sie sein würde. Dass der cholerische Amerikaner da noch ein Wörtchen mitzureden hatte, schien ich in dem Augenblick vollkommen auszublenden.
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Das war es? Das war, worum er sich hier gerade ernsthaft Sorgen machte? Was mir angetan worden war? Vielleicht hatte er zu viele Schmerzmittel intus, aber das konnte ich mir angesichts der Tatsache, dass ihm selbst ein kleines Lächeln ziemlich wehzutun schien, eigentlich fast nicht vorstellen. Es war doch schon ein bisschen merkwürdig, dass er mich einfach so wieder annahm. Nach allem, was er wegen mir durchgemacht hatte, hatte ich angenommen, dass er sauer auf mich war. Vielleicht war er das auch, irgendwo ganz tief drin. Dann versteckte er das aber gut oder hatte ganz einfach keine Lust oder Kraft, es nach außen zu tragen. So oder so war es aber doch etwas irritierend, dass Iljah sich nicht mal einen Funken von mir abgeneigt zeigte, wo wir doch auch im Container auf dem Schiff aus guten Gründen noch etwas distanzierter zueinander gewesen waren, als das jetzt gerade der Fall war. Der Tätowiert ging auch auf die Entschuldigung nicht mal kurz ein, sondern schien sich lieber um mein Wohlbefinden zu sorgen. Vermutlich fasste ich ihn gerade auch nur deswegen so unbeklemmt an, weil es nun mal die letzte Möglichkeit für mich war, seine Haut noch einmal unter meinen Fingern zu fühlen. Ihn noch einmal anzufassen, die Wärme unter den Fingerspitzen zu spüren und dabei all die Erinnerungen aufleben zu lassen, die wir gemeinsam gesammelt hatten. Natürlich waren das nicht nur gute, machen wir uns da nichts vor - ich hatte mit noch keinem Mann eine so turbulente Achterbahnfahrt hinter mir, wie mit dem verkorksten Schwarzhaarigen, der so einige Eigenheiten hatte. Eine davon war nicht locker zu lassen, wofür ich ihn eine ewig lange Zeit verflucht hatte. Es wäre auch nach wie vor ohne jeden Zweifel besser für uns beide gewesen, wenn er das hätte sein lassen, als ich es ihm immer und immer wieder gesagt hatte, aber ich bereute es nicht mehr eingeknickt zu sein. Vielleicht heimste ich mir damit jetzt meinen Tod ein und ich hätte mir weiß Gott nicht gewünscht, dass Iljah dermaßen übel zugerichtet wurde. Aber die paar wenigen Tage, in denen nichts als ein kribbelndes Hochgefühl in meinem Körper zu spüren gewesen war... die waren schön gewesen. Die kurze Zeit zwischen unserem ersten Kuss nach dem Lagerfeuer bis zu dem Tag, an dem in diesem Schlafzimmer mild ausgedrückt etwas sehr unschön schiefgegangen war. Die war fast perfekt gewesen, hätte kaum schöner sein können und ich hätte gerne ewig weiter in diesem naiven Verliebtheitsgefühl gelebt. Nur spielte das Leben eben selten so, wie man das wollte und deshalb saß ich jetzt hier. Erst hatte ich mich ungewollt verliebt, dann war ich bei unserem ersten innigeren Zusammentreffen mild ausgedrückt herb enttäuscht worden, anschließend die erfolgreiche Schocktherapie und doch wieder das Verliebtheitsgefühl, danach eine halbe Selbstmord-Rettungsaktion - und jetzt trotzdem der Abschied. Ich hatte wirklich gewollt, dass das mit Iljah und mir irgendwie funktionierte. Dass wir das Happy End bekamen, das man in übertriebenen Actionfilmen mit Lovestory im Hintergrund immer bekam. Auch, wenn er mir sicher eine Weile lang wegen der Messerattacke mit Vorsicht begegnen würde, könnten wir das Happy End theoretisch sogar kriegen. Der Schwarzhaarige wollte mich noch immer bei sich haben und ich wollte noch immer bei ihm bleiben. Wäre da also kein stark von meiner Aktion angefressener Amerikaner unweit in einem anderen Raum, dann könnten wir noch einen Neustart haben. Es nochmal versuchen und dieses Mal ohne die heimtückischen Finger der Sorokins zwischen uns. Theoretisch. Praktisch eben leider eher nicht. "Ist nicht schlimm." Ja genau, deswegen hatte ich auch gestern noch so gejammert. Mit seinen Verletzungen verglichen hatte ich aber wirklich kaum mehr als einen kleinen Kratzer, der nicht der Rede wert war. "Als wir dich da rausgeholt hatten, kam deiner Schwester und mir Jemand in die Quere... ist nur ein Streifschuss.", redete ich weiterhin etwas wirr daher, während ich die Tränen wieder wegzublinzeln versuchte. "Mach dir lieber Gedanken um dich selbst, Iljah.", bat ich ihn anschließend darum, sich was das anbelangte an erster Stelle zu platzieren. Um ihn stand es schließlich weit schlimmer, was Verletzungen anbelangte. Ich hatte die glasigen Augen gerade wieder ein wenig besänftigt, da redete der junge Mann weiter und sagte mir, dass ich es sehr wohl wieder gut machen könnte - einfach nur, indem ich da blieb. Ihm in seiner jetzigen Verfassung den Rücken stärkte und ihm durch meine bloße Anwesenheit etwas dabei half, wieder auf die Beine zu kommen. Es hätte theoretisch so einfach sein können wieder das erste Fitzelchen seines Vertrauens zu gewinnen. Hätte. Könnte. Wäre. Es tat mir selbst so unheimlich weh, dass ich ihm nicht einmal diesen einen Wunsch erfüllen konnte, dass mir die Tränen nun doch über die Wangen zu laufen begannen. Ich legte den immer schwerer werdenden Kopf in den Nacken und kniff die Augen zu, als hätte das wirklich eine erfolgreiche Barriere für die salzigen Tränen werden können. "Ich würde so gerne... nichts lieber als das, aber...", meine Stimme klang belegt und deutlich dünner als vorher. Ich öffnete die Augen wieder und sah blinzelnd zu Iljah runter. Dann auf meine Hand, die inzwischen reglos auf seiner Schulter ruhte. "Er lässt mich nur nochmal zu dir, weil ich darum gebeten habe... Hunter hat von mir alles, was er braucht und will... er kommt... in ein paar Minuten... er wird mich umbringen. Vielleicht nicht hier, aber...", stammelte ich ein paar Bruchstücke, weinte dabei weiter stumm vor mich hin und legte meinen verschwommenen Blick wieder in seinen. Zuckte dann absolut hilflos mit den schmalen Schultern, weil ich nicht glaubte meinen Kopf schon wieder irgendwie aus der Schlinge ziehen zu können. Ich ließ bei Seite, dass ich förmlich darum hatte betteln und nicht nur bitten müssen, noch ein letztes Mal bei dem Mann sein zu dürfen, den ich liebte. Es machte eben keinen großen Unterschied für meinen Tod oder für Iljah, der von nun an wohl oder übel wieder ohne mich auskommen müssen würde. Der Sensenmann saß mir schon im Nacken und wartete nur darauf mir mit der Klinge den Kopf abzuschlagen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wenn es doch nur so einfach wäre, wie es sich aus Irinas Mund gerade anhörte, dann hätte ich von jetzt auf gleich sehr viel weniger, worum ich mich Sorgen müsste. Genauer gesagt gäbe es da dann nur eine einzige Sache um die ich mir Gedanken machen müsste und das war, darauf zu hoffen, dass sich meine Verletzungen nicht entzündeten. Ich fühlte mich zwar nach wie vor hundeelend, bezweifelte aber nicht mehr, dass ich überleben würde, solange die Sorokins nicht mit einem Großaufgebot mein Haus stürmten, um mich endgültig dem Erdboden gleichzumachen. Ich könnte mich demnach in aller Ruhe zurücklehnen, den Heilungsprozess einfach aussitzen und bald schon wieder vollkommen gesund sein, wenn ich mich nicht urplötzlich auch um Irina und ihr Wohlbefinden sorgen würde. Grundsätzlich war ich für dieses Metier ein verhältnismäßig empathischer Mensch - konnte mich gut in andere hineinversetzen und dadurch für so manchen Unfug Verständnis aufbringen. Nur ließ sich das, was Irina getan hatte, schlichtweg nicht erklären, nicht rechtfertigen oder gar entschuldigen, weswegen es eigentlich nicht mehr mal mehr ihren Rat brauchen sollte, damit ich mir um sie keine Sorgen machte. Ich sollte sie ganz von selbst hassen, ihr nur Schlechtes wünschen und doch konnte ich es irgendwie nicht. Ab und an erwischte ich mich zwar schon dabei, wie ich sie anstelle meiner Wenigkeit auf dem Stuhl im Keller der Brüder sitzen sah und mich an ihrem Leid ergötzte, aber das waren maximal Sekundenbruchteile, bis ich mich dazu ermahnte, diese Gedanken wieder beiseite zu schieben. Danach hatte ich mich auch immer irgendwie ziemlich schlecht gefühlt. Fast so, als würde ich Irina zu Unrecht zum Teufel wünschen. Aber genug davon - Fakt war ja wohl, dass ich mich inzwischen in die Schwarzhaarige verliebt hatte. Ihr deswegen kaum noch böse sein konnte, wo sie sich doch so viel Mühe gab, mir zu zeigen, wie leid ihr die Fehler taten, die sie begangen hatte. Sogar kurz vorm weinen stand, weil sie offensichtlich genau so wenig wie jeder andere, geistig halbwegs normale Mensch verstehen konnte, wie mir ihr körperliches Wohlbefinden gerade wichtiger sein konnte, als mein eigenes war. Sie weckte damit in mir das Bedürfnis, meine Arme um sie legen und an mich ran ziehen zu müssen, während ich ihr ins Ohr murmelte, dass alles gut werden würde. Dass mir das aktuell leider nicht möglich war, ließ mich nur wieder frustriert die Augen schließen und ich hoffte einfach still und heimlich darauf, dass dieser Gesichtsausdruck Irinas verschwunden sein würde, sobald ich die Lider wieder aufschlug. Ich dadurch nicht mehr hilflos mit ansehen musste, wie nah der jungen Frau all das hier ging, aber als ich meine Augen wieder öffnete, waren ihre Augen bereits glasig, die Tränen bahnten sich immer weiter ihren Weg in Richtung Ausgang, während Irina mir schilderte, um welche Verletzung es sich handelte und wie es zu ihr gekommen war. Als sie dabei auf Vahagn zu sprechen kam, weiteten sich meine Augen unterbewusst ein wenig. Sie war auch hier? "Sie... Vahagn... ist hier?", kam ich auf die bis dahin noch unausgesprochene Frage in meinem Kopf zurück. Dabei redete ich noch immer recht leise, wenn auch ein wenig besorgt. Ich hatte im Keller, als ich kurz davor gewesen war, in die Ohnmacht abzudriften, überhaupt nicht mitgeschnitten, dass nebst Irina auch meine kleine Schwester maßgeblich daran beteiligt gewesen war, mich aus der Hölle zu befreien. Vielleicht hätte ich es mir aber denken können, wo wir doch bedingungslos füreinander einstanden. Und das auch noch nach der tausendsten Meinungsverschiedenheit. Plötzlich war da also nicht mehr nur die Sorge um mich selbst und Irina, sondern auch um Vahagn, von der ich mir nicht vorstellen konnte, dass sie ohne ein gekrümmtes Haar aus der Villa marschiert war. Doch bevor ich meine Sorge dahingehend in Worte gefasst hatte, kam mir Irina zuvor und schilderte mir, dass es ihr leider nicht möglich sein würde, bei mir zu bleiben, weil sie nur so darauf wartete, dass Hunter ins Zimmer gestürmt kam, um sie mitzunehmen und kaltzumachen. Dadurch wurde mir unwillkürlich und trotz der vielen Schmerzmittel ziemlich schnell bewusst, dass das Ganze ja nicht bloß eine Sache zwischen der Serbin und mir gewesen war, sondern auch der Amerikaner noch ein Wörtchen mitzureden hatte. Irina zwangsläufig zu seinen Geschäften gehörte und da war es nur absolut nachvollziehbar, dass er einen Spitzel in seinen Reihen nicht tolerieren wollte. Aber auch wenn ich es grundsätzlich verstehen konnte, dass er Irina am liebsten aus dem Weg räumen würde, wollte ich das einfach nicht akzeptieren. Das machte ich auch ziemlich deutlich, als ich vielleicht etwas zu ruckartig versuchte, mich aufzurichten. Einer der schlimmsten Fehler, die ich in meinem Zustand aktuell machen konnte, lähmte der Schmerz meinen Körper doch binnen weniger Sekunden, ohne dass ich es auch nur ansatzweise in eine sitzende Position geschafft hatte. "Das... geht nicht.", krächzte ich und hätte am liebsten meine Hand nach der Wange Irinas ausgestreckt, um sie von den Tränen zu befreien, die sie inzwischen nicht mehr an sich halten konnte. "Ich lasse... das nicht zu, Irina.", versicherte ich ihr im nächstem, kraftlosen Atemzug, auch wenn ich eigentlich noch gar nicht wusste, wie ich das eigentlich anstellen sollte. Hunter von einem Vorhaben abzubringen schien mir nämlich vergeudete Liebesmüh zu sein, aber ich würde es wohl trotzdem nicht unversucht lassen. Laut eigener Aussage hatte ich jedoch nur noch wenige Minuten, um mir einen guten Plan aus dem Ärmel zu schütteln, bis das cholerische Arschloch kommen würde, um mir die Serbin wegzunehmen. Ich täte also wirklich gut daran, mit dem Denken einen Zahn zuzulegen, auch wenn mir das unter den aktuellen Umständen nicht gerade leicht fiel. "Ich... versuche mit ihm zu reden." Als hätte das schon einmal wirklich irgendetwas gebracht, mit dem Amerikaner ein paar Worte zu wechseln, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte - ha ha.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #