Es störte mich nicht, dass Vahagns Tränen bis an meine Brust hinunterliefen. Natürlich wäre es mir lieber, wenn sie nicht weinen würde, weil das einfach ein Stück weit schmerzte. Andererseits wiederum war es mir lieber, wenn sie diese negativen Emotionen in meinem Beisein herausließ und sie nicht erst noch in sich hineinfraß, nur um dann allein im Verborgenen den Tränen freien Lauf zu lassen. Immerhin war ich ja dafür da - oder halt auch nicht, wenn es nach Hunters Kopf ging - sie in solchen Momenten zu trösten und ihr zur Seite zu stehen. Zumal es wohl auch ein Vertrauensbeweis war, dass sie ihren Gefühlen in meiner Gegenwart freien Lauf ließ. Keine Maske aufsetzte, sondern mir einfach sagte und auch zeigte, was Sache war. Natürlich war das nicht immer schön, sondern konnte in Situationen wie dieser hier wehtun, aber es war dennoch unheimlich viel wert. Ich versuchte die Brünette ein wenig zu beruhigen, indem ich ihr etwas übers Haar strich, während sie zunehmend mehr vor sich hin schluchzte und immer mehr Tränen auf meiner noch immer nackten Brust landeten. Hauchte ihr parallel dazu noch einen sanften Kuss auf den Haaransatz und legte meinen Kopf im Anschluss daran vorsichtig auf ihrem ab, als könnte ich sie damit von der ganzen Welt abschirmen. Vielleicht funktionierte das für den Moment auch ganz gut, weil sie andernfalls womöglich nicht schon relativ bald wieder aufgehört hätte richtig zu weinen, aber langfristig gesehen brachte ihr die Umarmung die nächsten paar Wochen leider gar nichts. Sie würde trotzdem mindestens genauso allein sein wie ich, wenn nicht gar noch mehr, weil sie mehr Zeit als ich dafür haben würde auch noch aktiv darüber nachzudenken. Es sei denn sie hatte vor sich selbst auch krampfhaft mit Arbeit zu überladen - dann vielleicht nicht. Dass die Auftragslage immens gestiegen war, wäre mir aber neu. Nicht, als hätte ich etwas dagegen: Wenn Vahagns Geschäfte wieder aufwärts stiegen, dann ging es ihr bestimmt ein bisschen besser und das konnte ich natürlich nur gutheißen. Gerade jetzt könnte sie eine Aufmunterung gut gebrauchen und wenn es dabei auch nur um ihre Einnahmequelle ging. Als wieder etwas Bewegung in die Russin kam hob ich den Kopf automatisch an und löste auch meine Arme langsam von ihr, um sie dabei nicht zu behindern. Denn ja, allzu viel Zeit dürfte ich jetzt nicht mehr haben. Allerdings hatte ich schon nicht mehr auf die Uhr gesehen, seit ich zur Wohnung reingekommen war, hatte also vielleicht auch ein bisschen das Zeitgefühl verloren. So oder so war aber klar, dass die 20 Minuten noch nicht ganz vorbei sein konnten, weil sonst die rechte Hand des Amerikaners schon förmlich die Tür einschlagen oder gar wortwörtlich eintreten würde. Letzteres provozieren wollte ich allerdings wirklich nicht, weil Ashton ohnehin schon großzügig gewesen war. Womöglich auch nur aus Eigennutz, damit wegen Zeitdruck nicht er selbst bei sich Zuhause noch dafür herhalten müssen würde mir die Verletzungen zu kitten. Oder auch, damit die Ledersitze in seiner Limousine nicht doch noch Blut abbekamen, weil die Blutung am Rücken sicher nicht aufgehört hätte, ohne dass die Wunde geschlossen wurde. So oder so war ich aber dankbar für den kleinen Zeitpuffer, der mir zumindest noch ein paar letzte Minuten mit meiner Freundin ermöglicht hatte. Das Versprechen, das Vahagn von mir forderte, als sie sich gänzlich von mir gelöst und notdürftig ihre Tränen beseitigt hatte, bestätigte ich umgehend mit einem Nicken. "Natürlich... mach ich immer.", weil ich sonst ganz einfach schon längst nicht mehr leben würde. Kuba war zwar im Vergleich zu Oslo nach wie vor verhältnismäßig ungefährlich, aber die Bullen fingen an nachzurüsten. Aus gutem Grund, wie ich selbst mit am besten wusste. Also ja - ich würde auf mich Acht geben und mich wie gewohnt lieber einmal zu oft als zu wenig über die Schulter hinweg umsehen. Vorsicht war besser als Nachsicht. Dann aber kam mir noch ein anderer Gedanke, auf den ich bisher gar nicht gekommen war. "Falls irgendwas... so richtig Wichtiges ist... also ich meine wirklich nur Dinge, die ich unbedingt wissen sollte... dann könntest du vielleicht Sabin darum bitten, es mir zu sagen.", äußerte ich meine Gedanken auch für Vahagn hörbar und streckte noch dabei die Hand ein letztes Mal nach ihrer feuchten Wange aus, um ein paar der Tränen mit meinem Daumen bei Seite zu wischen. Danach bat ich sie mit einer kurzen Handgeste aber doch final darum ein oder zwei Schritte bei Seite zu machen, damit ich vollumfänglich an den Kleiderschrank kam und die letzten nötigen Sachen rausholen konnte, um sie danach kurzum in die Tasche zu schmeißen. "Ich bin zwei bis drei Mal die Woche bei ihm am Labor, um die Lage zu checken und Hunter auf dem Laufenden zu halten. Das ist zwar auch nicht hundertprozentig sicher, aber... ich denke nicht, dass Sabin uns verraten würde. Er ist grade selber nicht so gut auf ihn zu sprechen.", redete ich nachdenklich vor mich hin, als ich den Reißverschluss der Reisetasche zuzog und ging dann ein weiteres Mal zum Kleiderschrank, um mir ein Shirt rauszunehmen und es mir über den Kopf zu ziehen. Es war zwar warm draußen, aber die Wunde am Rücken potenziell schutzlos der Sonne auszuliefern stand mir weniger im Sinn. Ich ging zwar eigentlich davon aus, dass wir erstmal zu Ashton fuhren, weil für uns jetzt am helllichten Tag noch nicht Arbeitszeit war, aber was wusste ich schon, was Hunter heute noch so im Sinn stand. Er hatte bekanntlich immer die allerbesten Ideen, um einem ganz gezielt auf den Sack und an die Nieren zu gehen, wenn man es nicht brauchen konnte. Natürlich sollte Vahagn Sabin nicht wegen jedem Kinkerlitzchen anhauen, ob er mir nicht was ausrichten konnte. Erstens würde das den viel arbeitenden Italiener sicher nerven, unnötig seine Geduld strapazieren und zweitens war das auch einfach eine schmale Gratwanderung. Ich meinte nur Dinge, die wirklich ungut waren oder sowas wie anfallende Auslandsreisen wegen der Arbeit. Mir wäre nicht ganz wohl dabei die russische Schönheit wegfliegen zu lassen und gleichzeitig kein bisschen Kontakt zu ihr zu haben, aber trotzdem wüsste ich es gerne, wenn sie Havanna für ein paar Tage fern blieb. Erst recht dann, wenn sich ihre Reise ausgerechnet auf den Tag legte, an dem ich zumindest ihre Stimme wieder hören konnte. Wäre dann wegen der Zeitverschiebung schon wichtig - zumindest für unsere Belange, für Hunters Auffassung sicher weniger.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Zugegebenermaßen dauerte es ein paar Sekunden, bis es in meinem Oberstübchen klick machte und ich verstand, was Sabin in der Geschichte jetzt plötzlich für eine Rolle spielte. Dabei war Tauren sehr deutlich gewesen und hatte nicht versucht, durch irgendwelche Blumen mit mir zu kommunizieren, sondern unmissverständlich klargestellt, dass der Italiener mit hoher Wahrscheinlichkeit bereit dazu wäre, zeitweise als eine Art Sprachrohr zu fungieren. Eben nur, wenn es um wirklich wichtige Dinge ging, aber das Wissen, dass es da Jemanden gab, über den sich mit dem Norweger kommunizieren ließ, beruhigte mich schon mal ungemein. Weil ich gerade jedoch sichtlich aufgewühlt war, brauchte es einen Augenblick, bis ich mir darüber im Klaren war. Dann allerdings nickte ich langsam, sog noch das letzte bisschen an gutem Gefühl in mich auf, welches die Hand des jungen Mannes an meiner Wange ausgelöst hatte, bevor ich seiner Aufforderung, einen Schritt zur Seite zu treten, nachging und ihm Platz machte. Dass mir so gar nicht der Sinn danach stand, ihm dann tatenlos beim Packen der letzten Klamotten zuzusehen, dürfte wohl selbstredend sein, musste nicht extra erwähnt werden. Nichtsdestotrotz grätschte ich ihm nicht weiter dazwischen, sondern nutzte die Zeit, mich mental auf den vorläufigen Abschied vorzubereiten. Denn der würde mir nicht leicht fallen und prompt schoss mir wieder durch den Kopf, warum ich die ganzen letzten Jahre über eigentlich die Finger von Beziehungen, Gefühlen im Allgemeinen gelassen hatte. Barg neben den schönen Momenten nämlich auch reichlich Schattenseiten, wie sich am aktuellen Beispiel wunderbar demonstrieren ließ und ich hoffte inständig, dass die Zukunft ein bisschen rosiger aussehen würde. Zwar hatte ich gegen Streit und eine daraus gegebenenfalls resultierende, kurzzeitige räumliche Trennung nichts einzuwenden, weil das in einer Beziehung schlichtweg normal war, nicht immer einer Meinung zu sein. Natürlich könnte man auch wie ein normaler Mensch miteinander diskutieren, aber lauter zu werden und Türen knallen zu lassen, gab dem Ganzen meines Erachtens nach ein wenig Würze. Natürlich war ein Streit als solcher nicht besonders schön und machte in den seltensten Fällen wirklich Spaß, aber man wusste im Nachhinein doch eigentlich immer, was man an dem jeweils anderen hatte. Lernte sich mehr und mehr zu schätzen und vor allem stand es einem in der Regel frei, wann man sich dann das nächste Mal sehen oder voneinander hören würde. Wenn man also keine Lust mehr hatte, böse auf seinen Partner zu sein, konnte man ohne Weiteres anrufen und normalerweise stand einem dann auch nichts und Niemand - außer vielleicht dem eigenen Ego - dabei im Weg, einfach wieder zueinander zu finden. Aktuell konnte ich von dieser idyllischen Art von Beziehung jedoch nur sehr wenig sehen und hoffte, dass sich das in der Zukunft bessern würde, denn ich hatte keine besonders große Lust darauf, nach jeder Auseinandersetzung, die bei meiner komplizierten Persönlichkeit nicht lange auf sich warten lassen würde, darum bangen zu müssen, Tauren nie mehr wieder sehen zu können, weil Hunter dem Ganzen einen finalen Cut setzte. Entweder, indem er den Schönling am Leben ließ und lediglich den Umgang mit mir untersagte oder aber, weil sich Tauren wohl kaum an dieses Kontaktverbot halten wollen würde - wie er gerade ebenfalls sehr beispielhaft zur Schau stellte -, er doch noch zur Knarre oder einem Messer griff, um sich absolut sicher damit sein zu können, dass der Norweger ihm nicht weiter auf der Nase herumtanzen würde. Sollte Hunter, beispielsweise durch Sabins Wort, herausfinden, dass der junge Mann und ich doch noch irgendwie so mehr oder weniger in Kontakt standen, obwohl das ersterem nicht gestattet war, sah ich für die Zukunft unserer Beziehung durchweg ziemlich schwarz. Ich glaubte nämlich zu wissen, dass Tauren den Bogen damit final überspannt und der überraschenderweise noch recht strapazierfähige Geduldsfaden des Amerikaners dann endlich sein Ende gefunden hätte. Demnach würde ich wohl nur wenig, bis gar nicht darauf zurückkommen, Sabin etwas zuzustecken, was er dann an den viel zu gutherzigen jungen Mann ausrichten sollte, aber wie bereits erwähnt, beruhigte mich der Gedanke, dass es zumindest einen Weg gäbe, ungemein. Dass Sabin uns nicht an Taurens cholerischen Boss verpfeifen würde, daran hatte ich keine Zweifel. Ich konnte mir nämlich sehr gut vorstellen, dass es dem Ältesten der bunt gemischten Truppe gehörig auf den Keks ging, nach Hunters Pfeife tanzen zu müssen, weil er, so wie ich das mitgekriegt hatte, noch einen Berg voll Geldschulden bei ihm hatte. Vermutlich käme es ihm deshalb ganz gelegen, dem Amerikaner mehr oder weniger eins auswischen zu können und weil ich Sabin bis dato als relativ gutherzigen, netten Menschen kennengelernt hatte - für kriminelle Verhältnisse, versteht sich -, würde ich sogar fast schon an seine Menschlichkeit appellieren, die ihn dazu bewegen würde, aus Nächstenliebe heraus zu handeln. Es würde sich mir auf die Schnelle zwar nicht erschließen, warum er ausgerechnet mir einen Gefallen tun sollte, war ich dem Italiener doch auch nicht gerade nett und zuvorkommend entgegengetreten, aber ich hatte irgendwie im Gefühl, dass ihm das keinerlei Probleme bereiten würde, wenn es nur um das Ausrichten von ein paar Worten ging. Natürlich konnten mich meine Menschenkenntnisse dahingehend auch gravierend täuschen und er würde Tauren, als auch mir das Messer in den Rücken rammen, indem er bei Hunter petzen ging, aber zum aktuellen Zeitpunkt glaubte ich da einfach nicht dran. Dafür war er zu vernünftig und wusste sicherlich um den Schmerz, den eine Trennung von einer geliebten Person auslösen konnte. Zumindest ging ich jetzt einfach mal davon aus, aber zurück ins Hier und Jetzt. Der Norweger hatte seine Sachen inzwischen fertig gepackt und war, nachdem er sich ein letzten Shirt aus dem Schrank gegriffen und es sich übergezogen hatte, dann auch abfahrbereit. Inzwischen dürften es auch nur noch ein paar sehr wenige Minuten sein, die uns beiden noch zur Verfügung standen und demnach seufzte ich schließlich schwer, sah ihn aus resignierten, wenn auch verständnisvollen Augen an. Es wurde Zeit. Ich hatte nicht vor, ihm jetzt noch aufs Auge zu drücken, dass ich ihn aller Voraussicht nach vermissen würde, denn das sollte er eigentlich wissen, wo er mich inzwischen doch besser, als jeder andere hier auf Kuba kannte, aber gar nichts zu sagen erschien mir irgendwie auch nicht richtig. Ich entschied mich also für einen Satz, der ihm noch ein bisschen Hoffnung mit auf den Weg geben sollte, als ich die Worte "Ich liebe dich und... ich freue mich, wenn wir die Halbzeit erreicht haben." formulierte, ehe ich die paar Schritte, die ich mich von Tauren entfernt hatte, wieder auf ihn zumachte, um ihn noch in einen vorerst letzten und gerade deshalb wohl längeren, sehnsüchtigeren Kuss zu verwickeln. Erst nach einer schier unendlich langen Zeit gab ich seine Lippen schließlich wieder frei. Das aber auch nur, weil mich das ungute Gefühl beschlich, hier sonst gleich noch ein Donnerwetter heraufzubeschwören, wenn ich ihn länger in der Wohnung festhielt, als er eigentlich hier sein durfte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich war gerade nicht so nah am Wasser gebaut, dass ich es Vahagn jeden Moment gleichtun und ebenfalls weinen würde. Dennoch wurde mein Blick aber sichtlich weicher, sehr wehmütig, als sie zu ein paar letzten Worten und damit auch zur Verabschiedung ansetzte. Es war überflüssig noch zu erwähnen, dass ich nicht gehen wollte und dennoch blieb mir nichts anderes übrig, als mich dem Geheiß des tollwütigen Amerikaners zu fügen. Ich erwiderte aber erst einmal nur den sehr ausgiebigen Kuss, der mich ganz zu Anfang kurz zusammenzucken ließ. Die Unterlippe, die ohnehin bis gerade eben sogar noch geblutet hatte, fand das Ganze nämlich eher weniger gut und ließ mich das mit einer Mischung aus brennendem und auch stechendem Schmerz wissen. Aber ich ignorierte das trotz des eisenlastigen Geschmacks, der bald wieder meine Zunge belegte. Versuchte stattdessen das von - negativen wie positiven - Gefühlen durchtränkte Lippenspiel noch bis zur letzten Sekunde voll auszukosten, würde ich doch viel zu lange keinen einzigen der nur allzu süchtig machenden Küsse haben können, streckte dabei auch noch einmal meine rechte Hand nach ihr aus. Schob die Finger ein kleines Stück weit an ihrer Hüfte unter ihr Shirt, um dort über ihre weiche Haut zu streicheln. Löste mich dementsprechend trotz der schmerzenden Lippe schließlich nur ungern von Vahagn und wahrscheinlich auch nur deshalb, weil sie von sich aus zuerst den Rückzug antrat. Ich schlug die Lider auf und leckte mir flüchtig das Blut von der Lippe, bevor ich die Hand von ihrer Hüfte nahm und sie stattdessen an ihre Unterlippe legte. Dort das Blut, das sie gerade zwangsweise mit abgekriegt hatte, vorsichtig etwas wegzuwischen und noch dabei selbst zu ein paar letzten Worten anzusetzen. "Ich liebe dich auch... mach keine Dummheiten, solange ich weg bin, ja?", murmelte ich der hübschen Brünetten noch zu, lehnte meine Stirn für drei oder vier Sekunden in einem letzten, zweisamen Moment ein klein wenig an ihre und löste mich dann schweren Herzens endgültig von ihr. Ließ sie los und drehte mich dann zeitnah schon von ihr weg, weil ich ganz genau wusste, dass je länger ich ihr noch in die Augen sehen würde, es nur noch schwerer als ohnehin schon werden würde, ihr für ein paar Wochen lang vollends den Rücken zuzuwenden. Die Russin nicht zu sehen, sie nicht einmal hören zu können. Ich war nicht der Typ Mensch, der ständig Selfies von sich machte. Wozu auch? Ich war Vollzeit-Verbrecher, da führte man kein nennenswertes Leben auf Social Media - dennoch wünschte ich mir gerade mehr gemeinsame Bilder mit Vahagn zu haben. Bis auf zwei oder drei unprofessionelle Aufnahmen, die mehr nur aus Spaß und nicht wirklich aus der Intention ein gutes Bild von uns zu machen heraus entstanden waren, hatte ich keine Bilder von uns. Für die Zeit der zwangsweisen Abstinenz wäre es aber wirklich schön gewesen welche zum Ansehen zu haben, auch wenn sie das Stechen in der Brust dadurch unter Umständen mit Pech noch weiter verstärkt hätten. So oder so war es dafür jetzt zu spät. Dass Vahagn keine Dummheiten machen sollte bezog sich nicht aber etwa darauf, dass ich irgendwie Angst hatte sie würde mich betrügen. Über den Punkt waren wir denke ich schon lange hinweg und ich vertraute ihr auch. Ich meinte eher waghalsige Dinge, die aus negativer Emotion heraus hier und da entstanden, wenn man kurzzeitig glaubte die ganze Welt hätte sich gegen einen verschworen. Blieb wohl zu hoffen, dass sie einfach genauso auf sich aufpassen würde, wie ich selbst auch. Ich schnappte mir nach ein paar wenigen Schritten die Reisetasche vom Bett und hielt sie aber weiterhin in der Hand, statt sie mir über die Schulter zu werfen, weil ich befürchtete letzteres könnte die Haut am Hals unangenehm auf Spannung bringen. "Wir... hören uns.", verabschiedete ich mich nun leise nun endgültig von der jungen Frau und warf ihr noch einen letzten sehnsüchtigen Blick zu, bevor ich zielstrebig in den Flur ging. Dort warnte mich die kleine Uhr an der Wand schon vor, dass ich wirklich spät dran war und als hätte ich es schon riechen können sah ich Ashton mit zusammengekniffenen Augen am unteren Absatz der Treppe im Hausflur, kaum hatte ich die Wohnung verlassen. War wohl wirklich kurz vor knapp, aber außer einem tadelnden Blick und einem genervten Kopfschütteln bekam ich von ihm nichts zu hören.
** 1 vong diese Zeitsprung **
Als ich nach dem Drama mit Iljah wieder Zuhause aufgeschlagen war, war ich sowohl Ksenias, als auch Anastasias Fragen erst einmal vollkommen aus dem Weg gegangen. Hatte mir eine angebrochene Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank mit ins Bad genommen und dann in etwa so lange gebadet, bis meine Haut gar nicht noch mehr Wasser in sich hätte aufsaugen können. Weinte dabei nicht gerade leise vor mich hin und nippte immer wieder an der Flasche im verzweifelten Versuch auch nur einen Hauch meiner Gefühle zu betäuben. Dabei wusste ich nicht, was bei der dahingehend endlos langen Liste auf dem ersten Platz stand. Vielleicht Enttäuschung? Der Herzschmerz, den ich mir von Anfang an hätte ersparen sollen? Oder doch eher die unfassbar große Wut auf mich selbst, es überhaupt erst so weit kommen zu wollen? Ich wusste es nicht. Aber auch der Joint, den ich mir sturzbetrunken noch mit Ksenia im Wohnzimmer teilte, verschaffte mir keinerlei Linderung. Viel mehr brachte er mich dazu einen Großteil des Alkohols wieder auszukotzen, weil mein Körper mit beidem gleichzeitig mehr nur schlecht zurechtkam und damit war mein Tag dann mehr als gelaufen. Ich flüchtete mich danach auf dem Sofa wieder zurück in die Arme meiner beiden Mitbewohnerinnen und weinte dabei noch ein weiteres Mal, obwohl ich eigentlich der Auffassung war zuvor bereits alle Tränen in der Wanne zurückgelassen zu haben. Mein Körper machte offenbar jedoch seine eigenen Regeln und deshalb war es auch am nächsten Tag, in den ich mit höllischen Kopfschmerzen und einem schrecklichen Kater startete, noch zwei oder drei Mal Zeit für weitere Tränen. Ich aß nicht, bewegte mich nur für die Toilette oder etwas zu Trinken aus dem Zimmer und allgemein vegetierte ich sicher eine ganze Woche lang gefühlt vor mich hin sterbend daher. Obwohl gerade Ksenia mich genau vor diesem Fall der Fälle gewarnt hatte, war sie es, die mir öfter Mal etwas zu Essen ins Zimmer brachte - allerdings aß ich davon eher nur wenig, eben gerade genug um körperlich zu überleben und mich nicht noch dreckiger zu fühlen - und sich vergewisserte, ob ich irgendetwas brauchte. Sich manchmal auch zu mir ins Bett unter die Decke kuschelte und irgendeinen Film mit mir ansah, den wir sowieso schon gefühlt eine Million Mal gesehen hatten. Aber darum ging es auch gar nicht - es war wohl ziemlich wichtig, dass ich nicht noch mehr alleine war als ohnehin schon, obwohl das zu diesem Zeitpunkt im Grunde das einzige war, das ich noch wollte. Allein sein. Im Stillen die ganze Welt und vor allem aber Iljah zum Teufel zu schicken. Das allerschlimmste daran war, dass ich mich selbst nach Tagen immer noch selbst danach fragte, ob dem Schwarzhaarigen wirklich nie etwas an mir gelegen hatte. Dass ich nicht damit aufhören konnte die positiven Erinnerungen an ihn aufrechtzuerhalten, obwohl er eigentlich keine einzige Sekunde meiner Zeit mehr verdient hatte. Er hatte mich tatsächlich schon vor der Vergewaltigung so weit gehabt, dass ich ihm immer wieder blind entgegenlief. Nicht, weil ich nicht schlau genug war in ihm einen schlechten Menschen zu sehen, sondern weil er schrecklich manipulativ war. Mir immer und immer wieder Dinge gesagt hatte, die ich einfach gerne hatte hören wollen. Die wieder und wieder dafür gesorgt hatten, dass ich mich ihm noch verbundener fühlte als noch eine Minute zuvor. So verbunden, dass ich selbst jetzt, wo er jegliches vorhandene Vertrauen in den Grundsteinen erschüttert und mich schamlos benutzt hatte, noch immer nicht loslassen konnte. Das änderte sich erst nach etwa eineinhalb Wochen, die ich damit verbracht hatte das Sinnbild eines Häufchen Elends zu verkörpern. Nicht zuletzt auch wegen meiner beiden besten Freundinnen, die mich mehr und mehr dazu ermutigen wollten es ihm einfach heimzuzahlen, weil er es nicht anders verdient hatte. Je länger ich darüber nachdachte, desto sympathischer wurde mir der Gedanke. All der Schmerz, der Frust und all die Enttäuschung begannen in Wut umzuschwenken und so kam ich von mir selbst aus auf die Sorokin-Brüder zurück, die andernfalls sowieso auch bald wieder aufgeschlagen wären. Vereinbarte ein Treffen mit ihnen mit dem festen Vorsatz alles über den Tätowierten auszuplaudern, das ich die letzten Wochen und Monate an Geheimnissen zurückgehalten hatte. So ließ ich mich schließlich in einem ihrer Clubs mitten am Tag mit ihnen an einem Tisch nieder. Natürlich hatte das Alles einen unschönen Beigeschmack - denn irgendeine Strafe würde das vorherige Schweigen natürlich nach sich ziehen. Aber das war es wert. Denn nachdem ich alles über Iljahs Geschäfte und ihn selbst ausgepackt hatte, was ich wusste, redeten sie darüber ihn doch jetzt endlich mal aus dem Weg zu schaffen. Wie genau wussten sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wollten aber zeitnah eine Lösung finden und das war im ersten Moment Musik in meinen Ohren, weil ich diesem Arschloch dann nie wieder in Moskau über den Weg laufen müssen würde. Er einfach weg wäre, ohne dass ich noch irgendwas dafür tun musste. So weit zumindest erstmal die Theorie, auf die schon bald in einem der Hinterzimmer Schläge mit einem Gürtel auf meinen nackten, unteren Rücken folgen sollten und bei Gott, ich wäre beinahe einfach in mich zusammengesackt und liegen geblieben. Die Striemen an meinem Rücken würden lange in Form von Blutergüssen sichtbar sein, aber ich biss die Zähne zusammen. Saß den Schmerz stumm vor mich hin weinend, wenn auch zitternd und bebend aus. Ich fühlte mich sowieso schon innerlich tot, viel schlimmer konnte der körperliche Tod dann in meinen Augen auch nicht mehr sein. Allerdings traf mich dann etwa zwei Wochen nach dem letzten Treffen mit Iljah beinahe der Schlag. Er versuchte mich anzurufen - natürlich ging ich aber nicht hin, weil ich nichts weniger hören wollte als seine Stimme. Der Schwarzhaarige beließ es aber nicht dabei, sondern fasste in einer Sprachnachricht auf meiner Mailbox zusammen, was ihm offenbar so dringlich auf dem Herzen lag. Er wollte ein Treffen, sich wohl entschuldigen, es wieder gut machen. Wie zur Hölle kam er auf den Gedanken, dass das überhaupt möglich war? Oder dass ich eine Entschuldigung von ihm annehmen würde, nachdem er mich vergewaltigt hatte? Inzwischen war ich an einem Punkt angekommen, an dem ich nicht einmal mehr darüber nachdachte, es nicht mehr in Erwägung zog und kein bisschen auf diesen Versuch seinerseits reagierte. Er konnte das nicht mehr grade biegen und natürlich kam aber wieder gar nichts so, wie ich mir das gedacht hatte. Denn die Sorokins bestellten mich schon am Tag darauf noch einmal zu sich. Präsentierten mir ihre supertolle, ausgefuchste Idee - ich war Iljah am nähesten, also sollte ich doch einfach nochmal auf ihn zugehen und ihn im gleichen Atemzug umlegen. So müssten sie keine Ressourcen vergeuden und es hätte sich schnell erledigt. Natürlich sträubte ich mich dagegen. Sagte ihnen, dass sie ganz genau wusste, dass ich eigentlich nun wirklich keine Auftragskillerin war und ich das nicht hinkriegen würde. Nur hatte ich wie so oft in meinem Leben auch an diesem Punkt ganz einfach keine Wahl. Entweder ich brachte ihn eigenhändig um, oder ich musste selbst daran glauben. So zumindest die Worte des jüngeren Bruders, der mir das Ganze mit einer Waffe an meiner Stirn unter die Nase rieb. Wieder fing ich an zu weinen und Zuhause folgte dann der nächste Nervenzusammebruch, nachdem ich Iljah mit zitternden Fingern eine Nachricht geschickt hatte, in der stand, dass er mir einfach Tag und Uhrzeit nennen sollte, dann würde ich seiner Einladung nachkommen. Danach hoffte ich nur noch, dass er einfach weiter ein Arschloch sein und es mir nicht noch schwerer machen würde ihn kaltzumachen. Dass er nur ein Vorwand dafür war mich wieder zu ihm zu locken, damit er noch zu Ende bringen konnte, was er das letzte Mal warum auch immer nicht fertig gebracht hatte. Ich war punktgenau drei Wochen nach dem unschönen Erlebnis in Iljahs eigenen vier Wänden nicht wirklich bereit dazu den Tätowierten wirklich umzubringen, da brauchte ich mir gar nichts vorzumachen. Aber ich hatte keine Wahl und mir zumindest noch ein paar Tipps von Ksenia geholt. Sie war die einzige in meinem nahen und vertrauenswürdigen Umfeld, die hier und da schon Jemanden umgelegt hatte. Nicht weil sie wollte, sondern weil sie musste und das gerade als attraktive Teilzeit-Prostituierte nicht so schwer war - ins Zimmer locken, Honig ums Maul schmieren, abstechen -, aber sie konnte mir zumindest hier und da ein bisschen was mit auf den Weg geben. Nicht, dass ich glaubte, dass mir das in der Praxis dann wirklich auch helfen würde, aber es beruhigte mich zumindest ein winziges, kleines bisschen. So lange, bis ich den Taxifahrer bezahlt hatte und dann vor dem Hotel ausstieg, das Iljah auserkoren hatte und mich prompt ein drückendes Gefühl in der Magengegend heimsuchte. Schon die äußere, sehr hohe Fassade sah mir sehr nach teuer aus, weshalb ich doch recht froh darüber war, dass ich halbwegs passend gekleidet war. Denn das Einzige Kleidungsstück, dass zwei Klingen an den Beinen wirklich tauglich verschleiern konnte, war ein nicht zu enges Kleid. Ich hatte mich für ein dunkelrotes mit recht tiefem Ausschnitt entschieden, das dafür aber fast meinen gesamten Rücken bedeckte und so die Blutergüsse, die sich fast ausschließlich im unteren Rückenbereich befanden, weitgehend unsichtbar machte. Außerdem hatte das Kleid zwei Beinschlitze, die mich in der Bewegung nicht zu sehr einschränken und mich leicht an die Messer kommen lassen würden, ohne, dass sie sofort sichtbar waren. Man musste den Stoff schon absichtlich am oberen Ende der Schlitze zur Seite schieben, damit die beiden schmalen Halterungen weit oben seitlich an meinen Oberschenkeln sichtbar wurden. Ich öffnete meinen schwarzen Mantel bereits, als ich die Eingangshalle in den schwarzen, filigranen Sandaletten mit schmalem, aber etwas höherem Absatz betrat. Nur für den Fall, dass ich bei dieser Aktion selbst draufging, statt Iljah dem Erdboden gleichzumachen, wollte ich dabei wenigstens gut aussehen. Es zierte auch ein wenig Make Up mein Gesicht, aber ich hatte nicht zu dick aufgetragen und hielt schließlich nervös nahe den Sitzmöglichkeiten in der Lobby nach dem Schwarzhaarigen Ausschau. Er hatte schließlich gesagt er würde mich hier unten einsammeln.
( nur, dass du weißt, was ich in etwa fürn Kleid meine... sowas in der Richtung halt: Klück )
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Als ich am heutigen Tag nach mittlerweile fast drei wirklich stressigen Wochen zum ersten Mal wieder die Zeit fand, einen genaueren Blick in den Spiegel zu werfen, konnte ich wohl von Glück reden, dass Glas im realen Leben verhältnismäßig robust war und nicht so leicht aufgrund eines erschreckenden Abbildes zersprang, wie uns das Zeichentrickfilme weismachen wollten. Ansonsten hätte ich mich kurz vor meinem Aufbruch zum Hotel noch um einen riesigen Scherbenhaufen kümmern müssen und das war aktuell so ziemlich das Letzte, worauf ich wirklich Lust hatte. Der Grund für meine mangelnde Motivation war offensichtlich, wenn man sich nur kurz die Zeit nahm, das Abbild meiner Wenigkeit im Spiegel zu analysieren. Denn die sonst so wachsamen Augen mit dem durchdringenden Blick wirkten aufgrund der schwarzen Schatten oberhalb meiner markanten Wangenknochen erschreckend müde, was durchaus beunruhigend war, wenn man bedachte, dass ich im Bezug auf Augenringe genetisch gesehen gesegnet war. Mich in der Vergangenheit natürlich auch die ein oder andere längere Reise ein Stück weit abgestumpft hatte, weil man sich zwangsläufig ja doch damit arrangieren musste, nicht immer ausreichend viel oder erholsamen Schlaf zu kriegen. Mein Körper war was das anging also relativ genügsam und verzieh mir die ein oder andere durchzechte Nacht ohne Einbußen an meiner herausragenden Optik. Die letzten Tage waren jedoch eine einzige Zerreißprobe für meine Nerven gewesen und weil ich nun mal auch nicht jünger wurde, hinterließ der Stress und die Aufregung deutliche Spuren in Form von... nun ja, Augenringen eben. Während mich Irinas verstörter und sichtlich erschütterter Blick am späten Abend ins Bett begleitete und mir damit vor allem das Einschlafen erschwerte, verlangte der jeweils darauffolgende Tag mehr Energie, als ich über die Nacht hatte generieren können, was nicht zuletzt wohl auch der Grund dafür war, weshalb ich die ein oder andere Aufgabe doch via Mail und mittels eines kurzen Telefonats an Vahagn übergeben hatte. Dadurch verschaffte ich mir zumindest ein paar wenige Stunden Zeit, um überhaupt noch einmal die Augen zubekommen zu können. Seit dem unschönen Zwischenfall bei mir Zuhause war die Serbin logischerweise nicht mehr zur Arbeit erschienen - von einer Abmahnung oder gar der Kündigung hatte ich jedoch aus Gründen der totalen Nachvollziehbarkeit ihrer Reaktion abgesehen -, weshalb ein Großteil der Arbeit aus der Buchhaltung und auch aus dem Autohaus auf mich zurückfiel. In den Anfängen sollte das auch überhaupt kein Problem darstellen, weil die Geldwäsche weiterhin ohne Probleme verlief, nur hielt die zweite Woche, nachdem ich der jungen Frau die dunklen Schattenseiten meiner Persönlichkeit offenbart hatte, einige unschöne Überraschungen bereit. Ich konnte gar nicht sagen, wo ich mit etwaigen Aufzählungen eigentlich anfangen sollte, weil ich schon längst nicht mehr genau wusste, an welchem Tag ich nicht vollkommen erschöpft ins Bett gefallen war, nachdem ich mich um irgendeine Scheiße hatte kümmern müssen. Einerseits war das natürlich gut, weil ich dann weniger Zeit damit verbrachte, über den verhängnisvollen Tag der zerbrochenen Freundschaft zu Irina nachzudenken, der mir komischerweise echt in den Knochen hing, andererseits wäre mir positive Überarbeitung deutlich lieber gewesen. Stattdessen war ich durchgehend damit beschäftigt, Kunden zufriedenzustellen oder mich um Michail zu kümmern, den es vor einigen Tagen dann allerdings doch noch ins Krankenhaus verschlagen hatte. Trotz unseres privaten Arztes hatte sich die Stichwunde wider Erwarten und allen präventiven Maßnahmen zum Trotz entzündet und bevor im Zuge einer Sepsis Teile der Haut oder der Muskeln entfernt werden mussten, war der Gang ins Krankenhaus für alle Beteiligten wohl die vernünftigste Entscheidung. Somit fiel zwar ein Teil der Arbeit weg, die mich tagtäglich aufs Neue belastet hatte, anstrengende Kunden und mir auf der Nase herumtanzende Geschäftspartner waren allerdings keine angenehmeren Alternativen. Zusammenfassend konnte man also sagen, dass ich definitiv urlaubsreif war. Daher kam es mir sehr gelegen, dass sich meine kleine Schwester bei mir erkundigte, ob sie mir denn bei der Arbeit unter die Arme greifen könnte, schien es ihr doch im Augenblick auch nicht gerade gutzugehen. Sie wollte sich ablenken und das durfte sie gerne tun, indem sie mir Arbeit abnahm und ich dadurch ein oder zwei freie Tage zur Verfügung hatte. Normalerweise war das eigentlich gar nicht meine Art, teilweise unvollendete Aufgaben einfach abzutreten, aber ich konnte und wollte aktuell ganz einfach nicht mehr. Kam doch wieder einmal an einen der seltensten Punkte in meinem Leben an, wo ich mir wünschte, ein stinknormales, langweiliges Leben als unwissender, nicht krimineller Mensch zu führen, der keinen einzigen Gedanken daran verschwendete, schon morgen kein Tageslicht mehr erblicken zu können, weil er von irgendeinem unzufriedenen Kunden im Schlaf abgestochen wurde. Aber ich hatte mir dieses Leben ausgesucht, war gewissermaßen auch einfach hineingeboren worden und jetzt noch einen Rückzieher zu machen, legal arbeiten zu gehen und eine Familie zu gründen war sowieso vollkommen ausgeschlossen. Dafür steckte ich viel zu tief in dieser Scheiße drin und eigentlich wollte ich ja auch gar nicht aufgeben. Gewissermaßen machte mir das Ganze ja auch Spaß, aber an Tagen wie den letzten konnte es doch auch mal unangenehm werden. Entsprechend froh war ich demnach, dass dem aktuellen Stand der Dinge nach eine mehrtägige Auszeit vor mir lag, die ich mit der Kohle nach dem Großauftrag der Kasachen in einem etwas höherpreisigen Wellnesshotel verbringen wollen würde. Primär natürlich, um ein wenig die Seele baumeln lassen und neue Kraft tanken zu können, aber der Aufenthalt würde hoffentlich noch einen ganz anderen Zweck verfolgen. Und zwar hatte ich bei der spontanen Buchung des Hotels eine Person mehr mit in der Suite des 13. Stocks eintragen lassen, weil mich Irina ja irgendwie doch nicht loslassen wollte. Ich würde nicht sagen, dass ich bereute, was ich getan hatte. Immerhin müsste es mir dann ja schon vor ihr schlecht ergangen sein, da ich bereits das Leben mehrerer Frauen auf diese Art und Weise ruiniert hatte, aber es tat mir gewissermaßen wirklich leid, dass ausgerechnet die Serbin Opfer meiner kaputten Psyche geworden war. Das hatte sie ganz einfach nicht verdient, nachdem mich ihre offenen Arme empfangen hatten. Und auch wenn ich wusste, dass sich die Vergewaltigung als solche weder nachvollziehbar erklären, noch entschuldigen lassen würde, wollte ich ihr trotzdem etwas Gutes tun. Nur schien Irina das anfangs gar nicht zu wollen und ich konnte das verstehen. Sämtliche, die Würde des Menschen verachtende Titulierungen, wären für meine Wenigkeit vermutlich nicht ausreichend gewesen, um zu beschreiben, wie unglaublich egoistisch und ekelhaft ich mich ihr gegenüber verhalten hatte, aber nun war das nun mal passiert. Ich hatte leider keine Zeitmaschine im Keller stehen und den Zeiger der Uhr einfach mit dem Finger zurückzudrehen brachte sehr wahrscheinlich nicht wirklich etwas, also mussten sowohl Irina, als auch ich das Beste aus der Sache machen. Und das tat jeder auf seine ganz eigene Art und Weise. Ich hätte es also kommentarlos hingekommen, hätte Irina meine Einladung ins Hotel ausgeschlagen, weil das dann einfach ihre Art gewesen wäre, damit abzuschließen. Mich einfach zu ignorieren und dann zu vergessen war natürlich die eine Sache, ich wollte jedoch noch einmal kurz auf die Beweggründe des Ganzen eingehen. Deshalb freute es mich, wider Erwarten doch noch etwas von der Schwarzhaarigen zu hören und überraschenderweise schien sie sich tatsächlich auf das Treffen einlassen zu wollen und ta da, hier stand ich nun. Vollkommen übermüdet und nur bedingt aufnahmefähig vor dem Badezimmerspiegel in meinem Haus, wo ich mich gerade noch um das letzte bisschen Feinschliff der Haare kümmerte, bevor ich nach dem Glattstreichen einer Falte im Hemd schließlich in meine Schuhe schlüpfte und nur wenige Minuten später mit einer geschulterten Sporttasche die Auffahrt in Richtung meines Wagens zurücklegte. Von meinem Eigenheim bis zum Hotel, was mich mit all den Massagen und Exklusivangeboten mehr kosten würde, als es das eigentlich sollte, brauchte es mich eine gute Dreiviertelstunde, bis ich den Mercedes in den Hof des von außen bereits sehr ansehnlichen Ambientes rollen ließ und dort letztlich auch abstellte. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis Irina auftauchen dürfte und mit dem Check-In und der ersten Sichtkontrolle des Zimmers war jene Zeit dann auch in Windeseile verflogen, sodass ich etwa fünf Minuten vor vereinbarter Uhrzeit wieder in die Hotellobby zurückkehrte, die ich eingangs mit großen Schritten hinter mir gelassen hatte. Und tatsächlich hatte mich die junge Frau nicht angelogen, war wirklich gekommen und sah verboten gut aus. Schon von Weiten machte Irina ein bezauberndes Bild in ihrem Kleid, sodass ein schmales Lächeln meine Lippen zierte, als ich schließlich auf sie zuging. "Hey. Schön, dass du gekommen bist.", begrüßte ich sie mit ruhiger Stimme und blieb etwa mit einem Meter Abstand zu ihr stehen. Nachdem wir uns das letzte Mal für ihre Verhältnisse eher unschön näher gekommen waren, hielt ich es jetzt für sinnvoll, es nicht direkt auf den nächsten Nervenzusammenbruch der jungen Frau in Folge eines Flashbacks anzulegen. Ich schob die Hände zur Hälfte in die Hosentaschen der schwarzen Anzugshose, welche ich mit einem weinroten Hemd kombiniert hatte und sah Irina anschließend aus müden Augen an. Vermutlich hätte ich mich jetzt einfach in das mehrere tausend Euro teure Bett fallen lassen können und hätte mich ohne weiteres ins Land der Träume verabschiedet, aber ich hatte die Serbin nicht eingeladen, um gemeinsam mit ihr ein Nickerchen zu halten. "Willst du was trinken? Wir können uns was aus der Bar mitgehen lassen.", ergänzte ich die Begrüßung mit einem Schulterzucken um einen Vorschlag, der ihr vielleicht gefallen könnte. Ich wusste nicht, wie tief der Schock über den Vertrauensbruch noch bei ihr saß. Vielleicht konnte sie ein bisschen Mut in Form von Alkohol für ein Gespräch gebrauchen und ich sagte sowieso in den seltensten Fällen Nein zu einem Drink. Schon gar nicht, wenn ich die Wahl zwischen durchweg qualitativ hochwertigem Gesöff hatte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es dauerte nicht lange und Iljah fiel mir ins Sichtfeld. Ich wünschte mir sofort, dass er einfach nicht aufgetaucht wäre. Mich wie bestellt und nicht abgeholt hier stehen und ewig hätte warten lassen. Zumindest so lange, bis ich wieder gehen und den Sorokins gefahrlos hätte sagen können, dass er einfach nicht gekommen war und demnach auch nicht dran hatte glauben können. Vielleicht hätte ich sie so weit gekriegt mir zu glauben, dass ich für den Russen nicht mehr von Wert war und sie es sich sparen konnten zu versuchen, mich nah genug an ihn heran zu kriegen. Das wäre zwar - an der aktuellen Situation deutlich erkennbar - eine dreiste Lüge gewesen, aber solange sie da nicht hinter kamen, hätte das keine Rolle gespielt. Nur war das allein dadurch schon absolut hinfällig, dass der Schwarzhaarige ohne zu zögern auf mich zukam... und er lächelte. Er sollte nicht lächeln. Mal ganz unabhängig davon, dass es mir ohnehin schon einen eisigen Schauer den Rücken hinunterjagte und mich innerlich verkrampfen ließ, dass er in meine Richtung kam, wollte ich nicht, dass er sich freute. Wollte nicht, dass er irgendetwas Gutes daran fand, dass ich tatsächlich seiner Einladung nachgekommen war. Dabei war das nur logisch. Ganz gleich, ob die anstehende Entschuldigung nun bloß ein Vorwand war oder nicht - ich war hergekommen, ließ mich ein weiteres Mal trotz allem auf ihn ein und er konnte was immer er nun in Wirklichkeit vorhatte umsetzen. Natürlich war ich nicht freiwillig hier und ich hätte am liebsten keinen einzigen Fuß in diese Lobby gesetzt, aber das wusste er nicht und es machte für ihn demnach keinen Unterschied. Für mich schon, kroch mir die blanke Angst doch schon wieder langsam aber stetig im Hals nach oben und setzte sich an den kurzzeitig leicht geöffneten Lippen fest. Vermutlich konnte Iljah so viel lächeln wie er wollte, die unterschwellig aufsteigende Panik würde bestehen bleiben. Auch die Tatsache, dass er ziemlich kaputt und erledigt aussah, in letzter Zeit offenbar selbst nicht grade glanzvolle Tage hinter sich brachte, änderte daran nicht wirklich etwas. Das ließ ihn für mich allerhöchstens einen winzigen Hauch weniger bedrohlich wirken und obwohl ich mir das Maske aufsetzen fest vorgenommen hatte, funktionierte das kein Stück. Ich sah ihn unruhig an und wäre am liebsten gleich ein paar Schritte rückwärts gestolpert, als er vor mir zum Stehen kam. Da machte das bisschen Abstand nicht wirklich einen nennenswerten Unterschied und es fiel mir im ersten Augenblick wirklich schwer, auch nur ein einziges Wort über die Lippen zu kriegen. Hatte auf seine Begrüßung demnach auch noch gar nichts erwidert, als er mir vorschlug ein paar Drinks aus der vermutlich nahegelegenen Hotelbar mitzunehmen. Ich senkte den Blick einen Moment lang auf den roten Stoff meines Kleids, dachte nach. Natürlich war Alkohol bei mir grundsätzlich immer ein Risiko, aber ich müsste ja nicht viel trinken und womöglich würde es mir wirklich dabei helfen den Auftrag auszuführen. Machen wir uns nichts vor - ich traute mich gerade ja schon kaum ihn nur anzusehen, wie sollte ich da erfolgreich mit einem Messer auf ihn losgehen? Dafür würde ich sicherlich nur eine einzige Chance kriegen und die musste ich nutzen oder meinen eigenen Tod durch Nichtstun besiegeln. Auch das leichte Stechen unter der Brust, das zumindest die letzten Tage weitgehend verflogen war, kam in Windeseile zurück und ließ mich wissen, dass ich noch kein Stück über die Vergewaltigung hinweg war. Weder über die, noch über Iljah selbst. Ich hasste ihn unsagbar für das, was er getan hatte, aber das war noch immer nicht das Einzige, das ich fühlte. Es bestand mit Alkohol die Möglichkeit auf Betäubung des inneren Schmerzes oder er wurde dadurch nur verstärkt, aber ich hoffte wohl einfach auf ersteres, als ich schließlich zu ein paar Worten ansetzte. "J... Ja, klingt nicht verkehrt." Der erste Ansatz blieb mir noch im Hals stecken, aber ich räusperte mich dann leise und bekam ja doch zumindest einen kurzen Satz raus, als ich zögerlich den Blick wieder in seinen anhob. Ich war froh darüber, dass wir uns dann bald in Richtung des Nervengifts in Bewegung setzten und ich den Blick wieder abwenden konnte, weil ich es zumindest bis jetzt einfach nicht fertig brachte, ihn ruhig anzusehen und mir das nichts als absolut unangenehm war. Aber ihn nicht anzusehen und dabei auch noch zu schweigen steigerte mein Wohlbefinden nicht gerade. Es half eher noch dabei, dass erneut all die unschönen Bilder vor meinem inneren Augen aufflackerten, die ich zuletzt mit dem Tätowierten erlebt hatte. "Warum ein Hotel?", hakte ich also mit nach wie vor leicht belegter Stimme nach ohne ihn anzusehen, was es eigentlich damit auf sich hatte, dass er mich ausgerechnet in ein Hotel bestellt hatte. Vielleicht tat er auch das wieder nur aus Eigennutz, aber eigentlich würde es kaum Sinn machen mich hierher zu beordern, wenn er nur einen weiteren Missbrauch im Sinn hätte. Schließlich würde ich schreien und mit allen mit zur Verfügung stehenden Mitteln das Personal aufmerksam machen wollen, damit er mit so einer Scheiße nicht nochmal durchkam ohne danach die Bullen am Hals zu haben. Würde dementsprechend keinen Sinn machen mich hierher zu holen, würde er mir nur ein weiteres Mal wehtun wollen - dennoch ließ sich aber die Angst dahingehend auch mit Verstand nicht wirklich effektiv eindämmen, während mein Herz doch zumindest schon einen kleinen Gang höher geschaltet hatte. Etwas unruhig vor sich hin schlug, als ich die Bar mit Iljah betrat. Vielleicht konnte der Alkohol auch an dieser Stelle etwas Abhilfe schaffen. Blieb jedenfalls zu hoffen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es sollte mich vermutlich nicht wundern, dass Irina über meine Anwesenheit nach der Sache nach wie vor eher nicht begeistert war und doch entlockte mir ihr unruhiger Blick und das allgemein eher angespannte Verhalten der jungen Frau ein leises, kaum hörbares Seufzen. Wenn man mich fragte, dann war ihre Reaktion absolut nachvollziehbar, allerdings brauchte sie im Augenblick nun wirklich keine Angst vor mir zu haben. Das war zwar leichter gesagt als getan, aber solange wir uns in der Lobby befanden, die trotz der überwiegend sehr teuren Zimmer mit verhältnismäßig vielen Menschen gefüllt war, würde ich ihr wohl kaum ein Haar krümmen. Und auch wenn sich letztlich die Zimmertür im 13. Stock hinter uns schließen würde, stand mir nicht im Sinn, ihr noch ein weiteres Mal wehzutun. Ganz im Gegenteil sogar. Ich wollte schließlich, dass sie sich wohl fühlte, vielleicht sogar etwas entspannen konnte, wobei das als ihr Peiniger wohl ein ziemlich ambitioniertes Vorhaben war. Schließlich hatte ich sie verletzt und entwürdigt, mich jetzt um ihr psychisches Wohlergehen zu sorgen war demnach mehr als ironisch und trotzdem erschien es mir richtig, sowie notwendig, mich bei ihr zu entschuldigen. Was sie letztlich aus den paar Worten und der ein oder anderen Nacht hier in dem Hotel machen würde, blieb dann ganz ihr überlassen. Ich bezweifelte ohnehin, dass sie mir jemals wirklich verzeihen konnte, was ich ihr angetan hatte, aber sie schien es immerhin versuchen zu wollen, weil sie meiner Einladung ansonsten vermutlich gar nicht erst nachgekommen wäre. Und das war doch schon viel wert, oder etwa nicht? Das dachte ich zumindest, beschloss deshalb, ihr einfach wieder die Zeit und den nötigen Abstand zu geben, den sie brauchte, ohne mich von ihrer verschreckten Art beirren zu lassen. Stattdessen schenkte ich ihr noch ein sehr viel aufrichtigeres Lächeln, als sich Irina für die Drinks aussprach und lief dann gemütlich neben ihr her in Richtung Hotelbar. Es dauerte dann auch keine fünf Minuten, bis wir den langen Gang entlang geschlendert und schließlich durch einen prunkvollen Türbogen in das Restaurant mit integrierter Bar getreten waren, aus dem uns ein offensichtlich sehr reiches Ehepaar entgegenkam. Uns abschätzend ansah und dann tuschelnd hinter uns das Weite suchte, was mich mit hochgezogener Augenbraue über meine Schulter hinweg nach den beiden sehen ließ. Allerdings lenkte mich das insgesamt nur sehr wenige Sekunden ab, schüttelte schon bald den Kopf und schenkte Irina daraufhin wieder meine ungeteilte Aufmerksamkeit, als sie ein paar fragende Worte an mich richtete. Während ich meinen Blick flüchtig über die an den Tischen sitzenden und speisenden Personen schweifen ließ, zuckte ich nachdenklich mit den Schultern und steuerte den mehrere Meter langen Tresen mit entsprechend vielen Barkeepern, die sich dahinter um die Getränke kümmerten, an. "Na ja, einer Einladung zu mir nach Hause wärst du bestimmt nicht nachgekommen.", stellte ich mit ruhiger Stimme fest, wobei das natürlich nicht der Hauptgrund dafür war, dass ich sie in dieses Hotel gebeten hatte. Allerdings musste ich ihr meines Erachtens nach auch nicht zwangsläufig unter die Nase reiben, dass ich einfach nur ein Stück weit mein eigenes Gewissen beruhigen wollte, während ich mich von den stressigen Tagen der letzten Wochen erholte. Sie quasi nur hier war, weil das Einschreiben einer weiteren Person nur einen geringen Aufpreis gekostet hatte und ich mir dadurch erhoffte, die Beziehung zu ihr noch irgendwie retten zu können. Vollkommen absurder Gedankengang, das wusste ich selbst, aber auch Kriminelle waren zwischenzeitlich einfach naiv und gutgläubig. "Und ich dachte, dass dir ein paar Nächte in einem Wellnesshotel vielleicht guttun würden. Hier scheint es eine ziemlich große Auswahl an Verwöhnprogramm zu geben. Klassische Massagen, Warmsteinmassagen, sowie Schlamm- und Kohlebäder zum Beispiel. Außerdem gibt es einen Jacuzzi auf dem Zimmer, eine kleine Sauna und ein Wasserbett. Was immer dein Herz begehrt also. Außerdem... würde ich einfach gerne noch mal mit dir reden wollen, auf neutralem Terrain.", zählte ich erst einmal die offensichtlichen Annehmlichkeiten des Wellnesshotels auf, bevor ich schließlich darauf zu sprechen kam, dass ich unser unschönes Aufeinandertreffen gerne noch einmal aufgreifen würde. Allerdings noch nicht jetzt sofort, denn just in dem Moment, als ich mich auf einen der Barhocker hatte fallen lassen, kam ein junger Mann auf uns zu, der sich nach einer gutgelaunten Begrüßung danach erkundigte, was er uns denn zu Trinken anbieten durfte. "Willst du lieber hierbleiben oder auf dem Zimmer was trinken?", übertrug ich die Verantwortung für eine Entscheidung diesbezüglich auf die junge Frau, weil es mir schlichtweg relativ egal war. Natürlich war das Hotelzimmer deutlich privater, was persönliche Gespräche anbelangte, aber auch hier im Restaurant gab es die ein oder andere Ecke, in der man sich ungestört unterhalten konnte, ohne dass die junge Frau einen halben Nervenzusammenbruch erlitt, weil sie mit mir allein war. Als ich die Frage gestellt hatte, fiel mir jedoch zum ersten Mal auf, dass Irina gar keine Tasche dabei hatte, in der sich eventuell Klamotten zum Schlafen befinden würden, was mich gewissermaßen irritierte, andererseits konnte ich schon verstehen, wenn sie nach dem Besuch doch lieber nach Hause zurückkehren wollte, weil es ihr einfach nicht geheuer war, sich jetzt noch ein Bett mit mir zu teilen. Daran hatte ich ehrlich gesagt auch gar nicht gedacht, aber gut, auch das sollte mir nur recht sein. Sie konnte dann morgen zum Frühstück gerne wiederkommen, war das Hotel doch nicht besonders weit weg von ihrem Zuhause.
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Er könnte gar nicht mehr Recht mit seiner Aussage haben. Ich war zwar durchaus naiv, aber ich müsste schon dümmer als ein Stück Brot sein, um nochmal freiwillig ohne mindestens zwei sehr professionell skrupellose Securitys auf seinem Privatgrundstück herumzulungern. Ich empfand es ja nicht einmal als schlau mich hier mit ihm zu treffen, aber nach meiner Meinung fragte irgendwie nur sehr selten Jemand. Männer zumindest, die sich ja doch immer nur einfach alles so zurechtschoben, wie sie es eben gerade für ihre eigene Unterhaltung brauchten. Ich war es schrecklich leid und Iljah würde als eine der Ursachen dafür sicher noch das ganze Treffen über spüren können, dass ich nur minder begeistert davon war mit ihm hier zu sein. Er könnte mir das also kaum verübeln und wenn er es doch tat, war das nicht mein Problem, sondern ganz allein seins. Schließlich hatte ich nicht gerade um eine Vergewaltigung gebeten. Während ich dem Schwarzhaarigen auch bei seiner noch folgenden Antwort mein Gehör schenkte, versuchte ich mich irgendwie mal ein kleines bisschen locker zu machen. Hielt mich gedanklich dazu an gefälligst mal durchzuatmen und nicht so ein Drama zu veranstalten, weil sich das mit Glück sowieso bald erledigt hatte. Außerdem klang so ein bisschen Wellness etwas zu sehr wie Musik in meinen Ohren. Wann hatte ich schon mal wirklich genug Geld dafür übrig mir mal ein paar Tage pure Entspannung zu gönnen? Gut, okay, natürlich könnte ich mir einfach mal zwei oder drei Monate lang keine Klamotten kaufen und dadurch Geld bei Seite legen, aber das war wohl einfach meine Art davon mit psychischem Ballast umzugehen. Ich suchte mir Ablenkung und dass ich gerne gut aussah führte mich dann eben in nicht immer ganz billige Boutiquen, Schuh- und Schmuckläden. Andere betäubten ihre Psyche mit Drogen oder mit Sex, für mich war es eben einfach das shoppen. Ich flüchtete mich gerne für ein paar Stunden lang in eine Parallelwelt, in der es nur wichtig war, ob mir etwas gut passte und ob es gut an mir aussah. Allerdings half mir das nun auch nicht wirklich dabei, mit der jetzigen Situation umzugehen. Denn ja, ich brauchte ganz definitiv mal sowas wie einen kleinen Wellnessurlaub, aber dass ich mit Iljah in ein und demselben Raum schlief, das war absurd. Mal ganz davon abgesehen, dass ich kein Auge zukriegen und meiner Paranoia zum Opfer fallen würde, hatte mir das letzte Mal, als ich mich zu ihm ins Bett verloren hatte, ja nicht unbedingt gerade Glück gebracht. Natürlich hieß nebeneinander zu schlafen nichts zwangsweise Sex zu haben, aber... nein. Sowas von und absolut nein. Nicht einmal dann, wenn ich nicht inoffiziell nur hier wäre, um ihn kalt zu machen. Bevor ich jedoch etwas erwiderte gab ich dem netten jungen Mann, der nach unseren Getränkewünschen fragte, den Namen eines recht süßen Cocktails mit auf den Weg und sah mich im Anschluss daran kurz in der Bar, beziehungsweise dem Restaurant um. Wollte ich nun lieber noch hier bleiben oder gleich aufs Zimmer? Mir passte keins von beidem so richtig gut. Ich wollte aus bekannten Gründen nicht mit Iljah allein sein, aber mir war auch nicht wirklich wohl dabei mich hier lange mit ihm zu zeigen. Ich war dank meiner genetischen Segnung zwar rein optisch nicht völlig fehl am Platz in einem teuren Hotel, aber dass ich eher nicht zur Oberschicht gehörte, sondern mich maximal nur bei einem wohlhabenden Mann einklinkte, dürfte für die wirklich reichen Menschen hier dennoch offensichtlich sein. Dafür fehlte mir dann wohl einfach der überteuerte Goldschmuck und auch das entsprechend eingebildete Auftreten. Ergo fiel ich potenziell ein bisschen auf und mit einem bis unters Kinn tätowierten Kerl wurde das nicht unbedingt besser. Fand man ihn also irgendwann später dann tot in seinem Zimmer würden alle der Leute hier als potenzielle Augenzeugen mit dem Finger auf mich zeigen... ob ich nach alledem in Moskau bleiben konnte? Die Sorokins hatten gute, geschmierte Kontakte bei den Cops, aber ob das reichte? Womöglich stieg ich nach dieser Sache lieber ins nächstbeste Flugzeug oder fuhr per Anhalter ins tiefste Sibiren, wo kein normaler Mensch freiwillig wohnte. "Ich... weiß nicht." Ja, das hat er bestimmt inzwischen auch schon gemerkt, so aufgeschmissen wie du dich umschaust, Irina. Der Blick eines eindeutig schon mindestens in den Sechzigern und einem Anzug steckenden Mannes traf daraufhin meinen und dann schüttelte ich doch gut sichtbar den Kopf. Ich wollte mich nicht auch noch von alten, geldgierigen und notgeilen Männern ansehen lassen, nur weil deren Ehefrauen vielleicht ein bisschen in die Jahre gekommen waren. "Lass uns lieber aufs Zimmer gehen. Ich... gehör hier nicht so wirklich hin, glaube ich.", meinte ich gerade so noch laut genug, dass Iljah es hören können würde, stand ich doch nach wie vor nicht direkt neben ihm und hielt lieber etwas Sicherheitsabstand. Der Bedienstete kümmerte sich um unsere Getränke, als ich ein paar Sekunden später noch zu ein paar mehr Worten ansetzte, um gar nicht erst irgendeine Art von falscher Hoffnung aufkommen zu lassen, wusste ich doch nicht, wie lange ich letztendlich noch mit ihm auf dem Zimmer sein würde. "Wir können uns unterhalten, aber ich bin nicht... ich denke nicht, dass ich hierbleiben werde, Iljah.", ließ ich ihn nach wie vor leicht stockend und etwas durch den Wind wissen, dass er sich auf eine Übernachtung meinerseits lieber nicht zu sehr freuen sollte. Wobei... ihn im Schlaf zu erstechen wäre am einfachsten, oder? Ich hatte wirklich keine Ahnung, was ich hier eigentlich tat. So wie ich das sah konnte das Attentat eigentlich nur schief gehen. Ich war eindeutig die falsche Person für diesen gottverdammten Scheißjob. Ich konnte mich ja sowieso nicht zum Schlafen ausziehen - zumal ich das selbstredend auch gar nicht wollte -, er würde die Messer sehen. Theoretisch könnte das zwar reiner Selbstschutz sein, aber er war vermutlich schon etwas zu lange in dieses Metier verstrickt, um mir sowas einfach so zu glauben. Konnte mich bitte einfach irgendeine gnädige Seele aus dieser Scheiße ziehen?
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Bis Irina mir eine Antwort auf meine eigentlich recht simple Frage gab, zog fast schon eine kleine Ewigkeit ins Land. Natürlich übertrieb ich mit der Titulierung der vergangenen Zeit maßlos, aber die Serbin überlegte derart lange, dass ich mich in der Zwischenzeit noch einmal an den Barkeeper wendete, um ebenfalls eine Bestellung aufzugeben. Ein Whiskey auf Eis - keine Zitrone und auch kein anderer Firlefanz. Während ich zu dem jungen Mann Ende Zwanzig sprach, wandte ich meine Augen jedoch zu keiner Sekunde von dem Gesicht der schwarzhaarigen Schönheit ab. Ich beobachtete sie dabei, wie ihr Blick etwas verloren über die privilegierten Menschen hier im Restaurant glitt, bis nach einer mehr nur schwammigen, absolut unbrauchbaren Aussage dann auch noch eine konkrete Antwort seitens der Serbin folgte. Eine, womit ich auch etwas anfangen konnte, die mich nicht nur mit drei dicken Fragezeichen im Gesicht zurücklassen würde. Ich hatte mich gerade seitlich mit dem Oberkörper gegen den Tresen gelehnt und meinen Arm auf dem Holz abgelegt, als mir Irina offenbarte, dass sie doch lieber rauf ins Zimmer gehen würde und ich nickte ihre Entscheidung mit einem gut sichtbaren, zustimmenden Nicken ab. "In Ordnung.", bestätigte ich unnötigerweise noch einmal, dass es auch für mich kein Problem war, die Getränke lieber auf dem Zimmer zu genießen. Andernfalls hätte ich sie wohl auch kaum nach ihrer Meinung gefragt, wobei ich mich in dem Punkt nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen würde. Denn am Tag des unschönen Vorfalls bei mir Zuhause hatte ich auch nicht besonders viel von ihrer Sicht der Dinge gehalten, mit Aussagen beziehungsweise Gedankengängen wie diesen sollte ich also besser vorsichtig sein. Ich folgte dem Blick der jungen Frau noch aus reiner Neugier in richtig eines älteren Mannes, der zu uns herübergeschielt hatte, kurz bevor ich mich auch schon wieder von dem Hocker erhob und mich das vorerst letzte Mal an den Bediensteten der Hotelbar wandte. Ich teilte ihm mir, dass meine Begleitung und ich aufs Zimmer gehen würden und er doch bitte einen Pagen schicken sollte, der uns die Getränke auf einem Tablett kredenzte. Aus organisatorischen und abrechnungstechnischen Gründen ließ ich dem jungen Mann dann sowohl einen Namen, als auch die Zimmernummer zukommen, damit die Getränke nicht nur bei uns ankamen, sondern auch auf der Rechnung entsprechend aufgeführt wurden, die ich am Ende des Aufenthalt zu zahlen hatte. Als das erledigt war, entließ uns der förmlich gekleidete Angestellte mit einem freundlichen Lächeln und ich nickte in Richtung des Torbogens, durch den wir vor wenigen Minuten ins Restaurant gekommen waren, weil dies der einzige Weg in Richtung der Aufzüge war. Dreizehn Stockwerke nach oben zu laufen war nämlich ganz bestimmt nicht in meinem Sinn und Irina dürfte sicherlich auch keine große Lust haben, lieber die dem Fahrstuhl gegenüberliegenden Treppenstufen zu erklimmen. Als wir den Weg durch die lichtdurchflutete Lobby ein weiteres Mal zurücklegten, beantwortete mir Irina quasi von selbst die unausgesprochene Frage, welche mir gerade an der Bar noch durch den Kopf geschossen war. Sie würde sehr wahrscheinlich also nicht hierbleiben, ein Gespräch sollte für sie jedoch kein Problem darstellen. Gut, damit konnte ich fürs Erste in jedem Fall arbeiten und nickte als Zeichen des Verständnis der Schwarzhaarigen gut sichtbar zu. Etwa zehn Meter, bevor wir den Aufzug erreichten, liefen uns dann schon keine weiteren Hotelgäste mehr entgegen, weshalb ich nach einem leisen Seufzen bereits dazu ansetzte, der jungen Frau mitzuteilen, dass es mir wirklich schrecklich leid tat, was passiert war und das ich selbstredend nachvollziehen konnte, wenn sie die Nacht über nicht hierbleiben wollen würde. "Das kann ich verstehen und ich werde dich auch nicht vom Gehen abhalten wollen. Irina, das, was passiert ist... ich kann gar nicht in Worte fassen, wie leid mir das tut.", setzte ich also zu einer Entschuldigung an, als wir schließlich vor den Aufzugstüren zum Stehen kamen und ich meine Hand nach dem Bedienfeld ausstreckte, um die Kabine mittels Knopfdruck ins Erdgeschoss zu rufen. Dabei lag mein durchweg ruhiger Blick auf dem Gesicht der jungen Frau, während ich allgemein einen sehr gelassenen Eindruck machte. Meine Stimme zitterte nicht, wirkte auch anderweitig nicht irgendwie unruhig oder so, als würde ich mir die Entschuldigung gerade aus den Fingern saugen, nur fehlten gewissermaßen einfach... die Emotionen. Es tat mir wirklich leid, dass es ausgerechnet Irina getroffen hatte, aber das beeinflusste deshalb noch lange nicht mein selbstbewusstes Auftreten. Schließlich machte es meiner Meinung nach kaum einen Unterschied, ob ich vor ihr nun auf die Knie fiel und um Vergebung bat oder ich erhobenen Hauptes neben ihr stand. Das Zugeben eines Fehlers war doch der eigentlich wichtige Teil einer Entschuldigung und dafür musste ich mich nicht kleiner machen, als ich war. Jedenfalls betraten wir schon wenige Sekunden später den Aufzug, der uns binnen kürzester Zeit in den 13. Stock befördern sollte, was zwar bei Weitem noch nicht das Ende der Fahnenstange war, wenn es um die Höhe des Hotels ging, für mich jedoch schien das Stockwerk vollkommen ausreichend. Auch auf dieser Höhe hatte man einen wunderbaren Ausblick über die Skyline von Moskau. Nicht zuletzt wohl auch der Glasfront wegen, die einen begrüßte, sobald man das üppig mit Luxusgeräten ausgestattete Hotelzimmer betrat. Nachdem ich mit der entsprechenden Schlüsselkarte die Tür geöffnet hatte, ließ ich Irina erst einmal den Vortritt, bevor ich dann hinter ihr den Wohnbereich der Suite trat und die Tür mit dem Fuß in ihren Rahmen zurückstieß.
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War er da sicher? Konnte Iljah mir wirklich reinen Gewissens versprechen mich nicht wieder einfach festzuhalten, wo ich nicht bleiben wollte? Ich konnte gar nicht anders, als jedes einzelne seiner Worte zu hinterfragen. Meine Paranoia für ihren Teil wollte ihm so oder so kein bisschen glauben, hatte er doch schon einmal mehr als deutlich bewiesen, dass er schlicht und ergreifend unberechenbar war. Dass man auf seine Worte lieber nicht zu viel geben sollte, wenn man nicht nach einer Weile herbe enttäuscht werden wollte. Als der Tätowierte sich im Anschluss noch vor dem Betreten des Aufzugs aber tatsächlich auch noch entschuldigte, sah ich ihn für eine kurze Zeit tatsächlich ziemlich emotionslos an. Mochte ja sein, dass er irgendwie der einzige Mann war, der sich für eine Tat in dieser Richtung je bei mir entschuldigt hatte, aber es schien für mein Herz nicht wirklich eine Rolle zu spielen, ob er seine Worte ernst meinte oder nicht. Es blutete noch immer ziemlich unbarmherzig vor sich hin und das konnte der Schwarzhaarige mit ein paar Worten und der Geste in Form einer Einladung nicht ändern. Ich wusste auch nicht, ob ich es ihm überhaupt jemals verzeihen können würde, wenn ich zukünftig noch die Chance dazu hätte. Er hatte all das Vertrauen, das ich ihm wider eigentlich besseren Wissens gegeben hatte, bespuckt und mit Füßen getreten. Es ohne Rücksicht auf Verluste zerstört und mich damit tagelang wie eine lebensunfähige, Teilzeit betrunkene Made herumliegen lassen. Vielleicht kannte Iljah meine Vergangenheit nach wie vor nicht im Detail, aber er hatte sich doch mit Kirill auseinandergesetzt. Hatte also mit eigenen Augen gesehen, dass ich in dieser Zeit mit abstoßend ungehobelten Typen hatte verkehren müssen. Wusste, dass meine Zeit als Prostituierte nicht gerade rosig verlaufen war und ich konnte einfach nicht verstehen, warum er das getan hatte. Wollte es vielleicht aber auch gar nicht, weil es in meinen Augen dafür kaum eine ausreichende Entschuldigung gab. Dass es ihm im Nachhinein vielleicht leid tun könnte hätte er sich ganz einfach schon vorher überlegen sollen. Ich schluckte leise, als ich den Aufzug betrat und sah dabei schon wieder auf meine überwiegend nackten Füße in den hohen Sandaletten runter. "Ich weiß nicht, ob ich dir das glauben kann.", war erst einmal alles, was ich gemurmelt dazu sagte, solange wir uns noch im Aufzug befanden. Es dauerte nicht lange, bis uns der Aufzug in den dreizehnten Stock gebracht hatte und ich sah mich im Gang dort nur eher flüchtig um, lag mein Fokus doch weiterhin eher auf dem jungen Mann, der wenig später auch die Tür zu seinem Zimmer öffnete. Mir beim Betreten dann den Vortritt gab und ich brachte das zügig hinter mich, um ihm den Rücken nicht länger als nötig zuwenden zu müssen. In jeder normalen Situation hätte ich dem Tätowierten wohl die Füße dafür geküsst, mich hier in einem Ausmaß an Luxus baden lassen zu wollen, den ich so noch nie erfahren hatte. Denn es war ohne jeden Zweifel wahnsinnig schön hier oben ich hätte mich liebend gern ein paar Tage lang verwöhnen lassen - nur halt nicht dann, wenn der ganze Aufriss zur Widergutmachung einer Vergewaltigung herhalten sollte. "Warum, Iljah? Warum ich?", schob ich ihm einfach murmelnd eine Frage zu, die ich mir selbst nicht beantworten konnte, als ich mich kurz umgesehen hatte und mich dann wieder zu ihm umdrehte. Für die ich keine Lösung hatte, weil ich ihm nicht aus der Ferne in den Kopf sehen und seine Gedanken lesen konnte. "Es gibt doch noch unendlich viele andere Frauen in Moskau... also nicht, dass es da wirklich besser gewesen wäre, aber... ich hab dir vertraut." Meine Worte waren an sich vielleicht etwas zynisch gewählt, aber sie klangen nicht so. Es schwang in der leicht gedrückten Stimme viel mehr eine nicht zu überhörende Welle an Schmerz mit, die ich nicht zu unterdrücken wusste, während ich mir noch etwas zögerlich den Mantel von den Schultern rutschen ließ. Einerseits war es vielleicht ganz gut, wenn der Russe merkte, wie sehr er mir damit weh getan hatte. Was den Aspekt des körperlichen Schmerzes anging hatte ich zwar schon weit Schlimmeres erlebt, aber es war nun mal so, dass er der einzige meiner Peiniger war, zu dem ich vorher eine positive Beziehung gehabt hatte - dem ich vertraut hatte. Den ich sogar vor dem Übel hatte bewahren wollen, das mir im Nacken saß. Andererseits wollte ich mich ihm eigentlich nicht schon wieder so wahnsinnig leicht verwundbar zeigen. Ihn nicht noch mehr Angriffsfläche sehen lassen, indem ich hier wieder einmal sinnbildlich mit meinem eher in mich gekehrten Verhalten den Kopf einzog. Er hätte es mehr als ein bisschen verdient, dass man ihn anschrie, aber dazu sah ich mich gerade ganz einfach nicht im Stande. War eher damit beschäftigt darauf zu achten, dass er weiterhin nicht unmittelbar neben mir stand und den aufkommenden Kloß in meinem Hals runterzuschlucken. Auch einmal tief durchzuatmen, weil ich gerade alles, aber bestimmt nicht zeitnah wieder losheulen wollte. Das hatte ich in den letzten drei Wochen schon mehr als oft genug gemacht und außerdem war Iljah all die Tränen langsam nicht mehr wert. In meinem eigenen, inneren Schmerz zu versinken half mir nicht.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Dass Irina sich schwer damit tat, mir meine Worte zu glauben, konnte ich nachvollziehen. Natürlich hielt sich meine Begeisterung hinsichtlich ihrer Antwort stark in Grenzen - denn wer freute sich schon darüber, wenn seine Entschuldigung in Frage gestellt wurde, wenn man sie doch wirklich ernst meinte? -, jedoch ließ ich mir dahingehend nichts anmerken, sondern nahm die Aussage als solche erst einmal wortlos zur Kenntnis. Dabei veränderten sich auch meine Gesichtszüge kein Stück - der Blick, welcher auf der jungen Frau ruhte, war weiterhin ruhig und abwartend. Das änderte sich auch nicht, als wir im dreizehnten Stock angekommen den Aufzug und damit den Hausflur hinter uns gelassen, als auch das Hotelzimmer betreten hatten, wo ich bereits beim Schließen der Zimmertür meine Schuhe von den Füßen schob. Einen Mantel hatte ich für den Weg in die Lobby gar nicht erst angezogen, weshalb dieser bereits seit meiner Ankunft an dem Haken einer kleinen Garderobe baumelte. Ich war eben einfach nicht davon ausgegangen, dass es besonders kalt sein würde, solange man sich im Inneren des Hotels aufhielt und letztlich hatte ich ja auch Recht behalten. Die Keycard und der Geldbeutel war in Summe alles, was ich noch auf einer Ablage nahe der Tür loswurde, bevor ich mit den Händen in den Hosentaschen die Raummitte ansteuerte. Dort blieb ich schließlich stehen und kehrte Irina für einen kurzen Moment lang den Rücken zu, um mich der Skyline Moskaus anzunehmen. Diese hatte ich vorhin nur flüchtig begutachten können, weil mein Aufenthalt hier im Zimmer doch eher von kurzer Dauer gewesen war. Es war lediglich Zeit dafür gewesen, zu prüfen, ob die Ausstattung und die Raumhygiene meinen Vorstellungen entsprach, dann war ich auch schon wieder aufgebrochen, um die Schwarzhaarige in der Lobby zu empfangen. Besagte junge Frau hatte sich hinter mir ebenfalls ihrer Schuhe und des Mantels entledigt, bevor sie sich mit einer Frage an mich richtete, die sich erstmalig seit unserem heutigen Treffen auf meinen Gesichtsausdruck auswirkte. Erst runzelte ich ein klein wenig die Stirn, wobei davon schon gar nichts mehr zu sehen war, als ich mich anschließend zu Irina umdrehte und meinen nachdenklichen, fast schon ein bisschen wehmütigen Blick in den ihren legte. Gewissermaßen hatte ich mich natürlich darauf vorbereitet, dieses Gespräch zu führen und bereits geahnt, dass Irina mir diese Frage stellen würde. Warum es ausgerechnet sie hatte sein müssen und nicht irgendeine andere Frau, die mir auf der Straße über den Weg gelaufen war. Dass der Tatbestand einer Vergewaltigung weiterhin erfüllt gewesen wäre, selbst wenn es eine andere attraktive, junge Frau in mein Schlafzimmer verschlagen hätte, war mir natürlich bewusst, aber es war nicht so, als hätte ich darüber nicht ebenfalls schon einmal nachgedacht. Und obwohl ich so viel Zeit investiert hatte, eine Antwort auf diese Frage zu finden, konnte ich Irina mit nicht viel mehr als einem schwachen Schulterzucken antworten. Alles, was mir diesbezüglich durch den Kopf gegangen war, hätte sie nicht verstanden. Ich selbst konnte es ja noch nicht einmal, weil es nun mal schlichtweg keine Entschuldigung, keine verdammten Gründe dafür gab, sich an jemanden zu vergreifen, der körperlich deutlich schwächer war, als man selbst. Trotzdem hatte ich es getan, einen Beweggrund wird es also gegeben haben, ob der nun nachvollziehbar war oder eben nicht. Im Grunde genommen war mein gewaltiger Knacks in der Birne, gepaart mit dem unglaublich anziehenden Äußeren der jungen Frau bereits die Erklärung des ganzen Dilemmas, aber ich war mir sicher, dass Irina das nicht unbedingt hören wollte. Es mehr nur eine rhetorische Frage war, auf die sie keine wirkliche Antwort haben wollte, weil egal was ich ihr letztlich gesagt hätte... nichts davon würde sie auch nur im Ansatz zufriedenstellen. Sie war verletzt, zutiefst gekränkt und das zu Recht. Die paar leeren Worte, eine Einladung ins Wellnesshotel - nichts davon würde ihr wirklich dabei helfen, den psychischen Schmerz zu verarbeiten, aber mehr konnte ich nun mal nicht tun. Es ungeschehen machen ging nicht, also entweder, sie würde mir irgendwann vielleicht doch noch einmal verzeihen oder wir würden nach dem Abend hier getrennte Wege gehen. Eine andere Alternative sah ich persönlich nämlich nicht. Da das Schulterzucken für mich kaum eine Bedeutung hatte, entschloss ich mich jedenfalls nach einer oder auch anderthalb Minuten der Stille dazu, doch noch etwas zu der Sache zu sagen. "Ich kanns dir nicht sagen, Irina. Um die falsche Zeit am falschen Ort?", formulierte ich eine Halbwahrheit in Verbindung mit einer Feststellung, die mehr einer Frage glich. Konkreter konnte und wollte ich einfach nicht formulieren, dass mit mir psychisch ganz offensichtlich etwas nicht zu stimmen schien und diese Anfälle kamen und gingen, wie sie gerade lustig waren, aber das dürfte sie inzwischen vielleicht schon selbst herausgefunden haben. Während ich redete, drehte ich mich zunehmend mehr in Richtung der jungen Frau zurück, seufzte schwer und machte dann wieder einen Schritt auf sie zu. Ein gewisser Abstand blieb zwischen uns dennoch bestehen, als ich unweit von Irina zum Stehen kam und zu ihr runter sah. "Es obliegt natürlich deiner Entscheidung, ob und wie viel du mir letzten Endes an Glauben schenkst, aber würde ich es nicht ernst meinen, denkst du, dass ich dich dann in dieses Hotel hier eingeladen hätte? Ich hab dich nicht hierher beordert, um dir zu zeigen, wie viel Geld ich habe - ich will nicht protzen. Nur ist es meiner Meinung nach so ziemlich das Einzige, was ich dir neben einer Entschuldigung anbieten kann. Und ich erwarte ehrlich gesagt auch nicht, dass du mir verzeihst, sondern dir hier einfach ein paar schöne Tage auf meine Kosten machst. Wenn du nicht hier bei mir bleiben willst, ist das okay. Du kannst nach Hause gehen und morgen einfach wiederkommen, um den Spa Bereich zu testen oder du kriegst dein eigenes Zimmer. Ich weiß, dass ich nicht in der Position bin, einen Gefallen von dir einzufordern, nachdem ich dich... so behandelt habe, aber vielleicht würdest du ihn mir ja trotzdem tun.", erläuterte ich ihr noch einmal etwas ausführlicher, dass ich meine Entschuldigung durchaus ernst meinte und untermauerte das Ganze noch mit einen Vorschlag, wie sie mit der Einladung umgehen konnte, ohne sich Gedanken darüber machen zu müssen, dass ich ihr in der Nacht auflauern würde. Selbstredend stand ihr auch frei, einfach zu gehen und das Angebot eines ausgiebigen Wellnesstrips auszuschlagen, aber vielleicht hatte ich es ihr ja mit einem eigenen Zimmer etwas schmackhafter machen können. Das würde natürlich ordentlich ins Geld gehen, aber nach der letzten Zeit, in der Stress an der Tagesordnung gestanden hatte, wollte ich mir den vielleicht etwas zu großzügigen Umgang mit der Kohle nicht nehmen lassen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich wusste gar nicht, was ich mir auf meine Frage eigentlich für eine Antwort erhofft hatte. Ob ich wirklich geglaubt hatte, dass es irgendeine gab, die auch nur ansatzweise zufriedenstellend für mich sein würde. Die mich Iljah eher verzeihen oder zumindest glauben ließen, dass er seine Entschuldigung tatsächlich ernst meinte. Wahrscheinlich gab es so eine Antwort schlicht und ergreifend nicht, aber ich tat mir einfach unheimlich schwer damit endlich so richtig von der Sache zwischen uns beiden loszulassen, wenn ich so unendlich viele unbeantwortete Fragen im Kopf hatte. Fragen, die mir wohl nicht einmal der Schwarzhaarige selbst alle beantworten können würde. Denn zur falschen Zeit am falschen Ort war mehr als ein bisschen schwammig und es ließ mich doch sehr resigniert seufzen, weil das nicht die Art von Antwort war, die ich hatte haben wollen. Es wäre mir lieber gewesen, wenn er mir einfach gesagt hätte, dass ich ihm nie etwas bedeutet hatte und er die Sache nur irgendwie zu kitten versuchte, damit ich zurück ins Boot kam und weiter für den Amerikaner die Finanzen schönte. Natürlich würde das unsagbar weh tun und mir nur den nächsten Stich ins malträtierte Herz setzen, aber es war das, was ich eigentlich brauchte. Das, was mich mit Iljah abschließen lassen würde. Das, was das schlechte Gewissen ausradieren würde, wenn er vor sich hin krepierend am Boden lag. Falls es denn so weit überhaupt kam. Aber warum sollte mein Leben jetzt auch plötzlich mal leicht oder klar werden? Ich kannte es ja gar nicht wirklich anders als in Dunkelheit umherzutappen in der blinden Hoffnung irgendwo mal einen Lichtschalter zu finden, der mir endlich eine Lösung für ein unbeschwertes, glückliches Leben erhellen würde. Ich legte schutzsuchend die Arme um meinen zierlichen Körper, während ich seiner noch folgenden Erklärung mit den Ohren folgte. Dabei sah ich ihn zwar immer mal wieder an, hielt den Blick aber nie lange, sondern sah wieder überall und nirgendwo hin. Erwischte mich parallel dazu dabei, wie ich ihm wirklich gerne glauben wollte, dass er mit Alledem hier nur mein Bestes wollte. Dass er lediglich danach strebte mir ein bisschen was von dem verursachten Schmerz zu nehmen und mich mit ein bisschen Wellness zu betäuben, um mir Linderung zu verschaffen. Er schien ja nicht einmal zu wollen, dass ich ihm verzieh - sah ein, dass er mehr als ein bisschen Mist gebaut hatte und dass es eigentlich keine guten Gründe dafür gab ihm so etwas zu verzeihen. "Mal sehen, ich... muss darüber nachdenken.", war alles, was ich dazu sagte, weil es im Grunde ja auch vollkommen egal war, was ich darauf antwortete. Es würde - sollte - gar nicht dazu kommen, dass ich in den Genuss des Spa-Bereichs kam und so verlegte ich die imaginäre Überlegung diesbezüglich einfach auf das eine Nacht darüber schlafen. Unser Gespräch wurde von einem Klopfen an der Tür unterbrochen und es war einer der Bediensteten des Hotels, der uns unsere Getränke vorbei brachte. Ich schenkte ihm ein schwaches Lächeln, als er mir meinen Cocktail ganz die Etikette wahrend überreichte und ließ ihm ein dankbares Nicken zukommen, ehe er auch dem Schwarzhaarigen sein Getränk zukommen ließ. Er sagte uns noch, dass wir bei weiteren Wünschen einfach Bescheid sagen sollten und war dann auch schon wieder verschwunden. Ich sah erst noch einen Moment lang auf die Zimmertür, bevor ich die Eiswürfel im Glas musterte und dann auch schon die ersten zwei, drei Schlucke von dem süßen Cocktail nahm. Wenige Sekunden später dann nochmal zwei. Als hätte der Alkohol wirklich brauchbares Potenzial dazu mir Irgendwas von Alledem hier leichter zu machen. Aber ich merkte, wie ich ohne, dass der Alkohol bereits wirkte, schon etwas weniger Angst davor hatte hier oben allein mit Iljah zu sein. Es war nicht so, als würde von jetzt auf gleich jegliche Anspannung von mir abfallen, aber seine Stimme war so schrecklich vertraut. Klang nach so vielem, das mir in der letzten Zeit - also vor dem unschönen Szenario - Zuflucht verschafft und auch Freude bereitet hatte. Ich sollte den Schwarzhaarigen mit jeder Faser meines Körpers hassen, aber ich tat es einfach nicht. Keine Ahnung welcher es war, aber irgendeinen Nerv meines Körpers schien er so tief getroffen zu haben, dass ich fast schon gerne weiter in mein eigenes Verderben rennen wollte. Oder vielleicht lag es auch mitunter daran, dass ich es nicht anders gewohnt war, als dass sich Männer einfach von mir nahmen, was sie haben wollten. Oder daran, dass es ihm offenbar nicht darum gegangen war mich gezielt weiter in den psychischen Ruin zu treiben, weil wir sonst nicht hier stehen würden. Ich hatte sicher ein oder zwei Minuten wortlos in meinen Cocktail gestarrt und das Glas schwach in meiner Hand gedreht, als ich die Augen schließlich wieder vom Glas anhob und zu Iljah sah. "Weißt du, was das Schlimmste an Alledem hier ist?", stellte ich ihm eine vollkommen rhetorische Frage, auf die ich keine Antwort erwartete, als ich mit nackten Füßen die letzten beiden Schritte auf ihn zuging, wobei mein Puls wegen der unterschwelligen Angst ja doch nochmal kurzzeitig einen Gang höher schaltete. Meine Augen blieben in seinen hängen, wenn auch nach wie vor recht unruhig und unsicher. "Jeder normale Mensch würde dich einfach dafür hassen und mit dir abschließen... aber ich bin wohl selber schon so kaputt im Kopf, dass ich nicht mal das kann.", gab ich ein paar bittersüße Worte mit gegen Ende etwas dünner werdender Stimme von mir. Unterstrich das Ganze mit einem flüchtigen, traurig-kaputten Lächeln, bevor meine Mundwinkel und auch auch meine Augen mit flackernden Lidern wieder absanken und ich leise schluckte. Daraufhin an ihm vorbei und weiter zur Fensterfront ging, dort zum Stehen kam, um die nun doch aufkommenden Tränen wegzublinzeln, ohne Iljah dabei ansehen zu müssen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Da ich in jedem Fall noch ein paar Tage lang in dem Hotel bleiben und selbst die verschiedenen Annehmlichkeiten auskosten wollen würde, war es meines Erachtens nach absolut unproblematisch, dass Irina sich den Vorschlag noch einmal durch den Kopf gehen lassen wollte. Eine Nacht darüber schlief, um sich letztlich dafür oder sogar dagegen zu entscheiden, denn mehr, als meinen Standpunkt für sie unmissverständlich klarzustellen konnte ich nicht tun. Ich nickte ihre Antwort daher nur stillschweigend ab und widmete mich darauffolgend dann auch erst einmal dem Bediensteten des Hotels, welcher die bestellten Drinks aufs Zimmer geliefert hatte. Bedankte mich ebenfalls nur knapp mit einem Nicken, welches gleichzeitig ein Zeichen des Verständnis für den jungen Burschen sein sollte und er wusste, dass ich auf ihn zukommen würde, sollte ich heute noch etwas brauchen. Allerdings war ich fürs Erste bedient, reichten mir das Getränk und die schöne Frau an meiner Seite gerade vollkommen aus, um für den Moment zufrieden zu sein. Ich beobachtete Irina dabei, wie sie sich kurz nach dem Verschwinden des Pagen schon ihrem Cocktail annahm und führte mein Glas dann ebenfalls an meine Lippen, um einen großzügigen Schluck des teuren Alkohols zu kosten. Es war zwar nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, mir mit einem schlechten Schnaps die Sprache zu verschlagen, aber trotzdem nickte ich zufrieden, als ich das Glas für einen weiteren Schluck zum zweiten Mal anhob. Indessen hatte die Serbin auch noch das letzte bisschen Distanz zwischen uns ausgemerzt und ihr Wort an mich gerichtet, dem ich aufmerksam mit den Ohren folgte. Dabei verzogen sich meine Mundwinkel fast schon automatisch zu einem fast schon angespannt wirkenden Lächeln, welches durch die Müdigkeit irgendwann jedoch an Halt verlor und nunmehr nicht weniger trübe aussah, als das der Schwarzhaarigen mir gegenüber. Ja, ohne sie so direkt darin bestätigen zu wollen, war es wohl leider ziemlich offensichtlich, dass sie einen ganz schönen Knacks hatte, den ich mir eventuell lieber nicht zunutze hätte machen sollen. Immerhin würde wohl kaum eine Frau darauf eingehen, sich noch einmal mit ihrem Peiniger zu treffen und das auch noch ganz allein. In einem Hotel. Wo kaum ein Hahn nach ihr gekräht hätte, weil schlicht und ergreifend niemand hier Irina kannte. Aber sie hatte es trotzdem getan. Sich darauf eingelassen und mir zumindest eine Chance gegeben, mich zu erklären, was nicht selbstverständlich war. Wobei es mich erklären wohl nicht ganz traf, hatte ich nicht gerade weit ausgeholt, was die Beweggründe dieser Gräueltat anbelangte, aber immerhin hatte ich mich entschuldigt. Das war wohl so ziemlich das Wichtigste an der Sache und wie sich unsere Beziehung dann weiterentwickeln würde, sah man ja dann. Als sich der Blick, den die junge Frau in den meinen gelegt hatte, schließlich wieder von mir distanzierte, weil Irina an mir vorbei zur Fensterfront lief, sah ich noch ein paar weitere Sekunden auf den Boden - dort, wo sie bis gerade eben noch gestanden hatte, so als würden Umrisse ihrer Silhouette weiterhin in der Luft schweben. Erst nach einer schier unendlich langen Zeit drehte ich mich zu ihr herum und nach einer weiteren Minute, die ich sie schweigend angesehen hatte, schloss ich zu Irina an Fenster auf. Dieses Mal verzichtete ich jedoch auf den Abstand, blieb im Verhältnis zu den Malen davor relativ dicht hinter der jungen Frau stehen und hob die freie Hand, um ihr von hinten die nach vorne gefallenen Haare über die Schulter zu streichen. Vermutlich war das - wie auch der Verzicht auf den Abstand - viel zu viel des Guten, aber nachdem mir die Serbin offenbart hatte, dass sie es offenbar nicht über das Herz brachte, mich zu hassen, wurde ich doch wieder ein Stück mutiger. Dabei wollte ich es wohl kaum daran anlegen, sie gleich ein weiteres Mal ins Verderben zu stürzen, es war nur... ich machte das einfach unglaublich gerne. Sie anfassen - ob ich ihr nun durchs Haar oder über die Wange strich spielte dabei keine große Rolle -, ihr näher kommen. Ich mochte das, genoss es jedes Mal wieder und zugegeben hatte mir ihre Nähe die letzten Wochen über schrecklich gefehlt. Bedingt durch den ganzen Stress wäre ein Rückfall meinerseits nicht auszuschließen gewesen, aber das änderte rein gar nichts an der Tatsache, dass ich die junge Frau an dem ein oder anderen Tag gerne an meiner Seite gewusst hätte. Komisch, wie sehr ein paar gemeinsame Tage das sonst so festgefahrene Denken plötzlich verändern konnten. Normalerweise war ich kein Mensch, der besonders viel Aufmerksamkeit oder einen Partner zum Kuscheln brauchte, aber wenn man erst einmal auf den Geschmack gekommen war, wollte man ja irgendwie doch nicht mehr so richtig loslassen. Was die Serbin ja ganz offensichtlich bestätigen konnte, auch wenn das in ihrem Fall ein Stück weit bedenklich war. Beschweren würde ich mich darüber jedoch nicht und einfach hinnehmen, dass es Irina schwer fiel, sich trotz des Übergriffs auf sie von mir loszusagen, denn auch wenn ich nicht erwartete, dass sie mir verzieh, wünschte ich mir das natürlich trotzdem. "Für mich bist du... perfekt. Vielleicht magst du kaputt sein, aber dann bist du das auf deine ganz eigene, anziehende Art und Weise.", murmelte ich zu ihr runter, als ich gerade im Begriff war, die letzten Schritte bis zum Sofa zu machen. Mehr als die Skyline von Moskau hinter den kaum sichtbaren Spiegelbildern unserer selbst gab es nämlich im Augenblick nicht zu sehen und ich war schon ziemlich lange auf den Beinen. Wollte mich gerade für ein paar Minuten setzen und ließ mich deshalb auch relativ zügig in das angenehm weiche Polster fallen, wo ich schließlich ein Bein anzog und mein Glas auf dem Knöcheln abstellte, während der freie Arm sich über die Armlehne legte. "Mir hat schon lange keine Frau mehr derart den Verstand geraubt.", stellte ich einen meiner Gedankengänge für die junge Frau hörbar fest, sah sie dabei allerdings nicht an. Den Blick hatte ich stur in mein Getränk gerichtet und nachdem mir die Worte über die Lippen gekommen waren, hatte ich auch leicht mit dem Kopf geschüttelt. Als könnten es etwas daran ändern, dass die Aussage nichts als der Wahrheit entsprach. Ich wäre schließlich ziemlich arm, wenn ich jeder Frau so wie Irina hinterherlaufen würde. Nicht auszudenken, wenn ich jeder dieser Frauen auch noch ein Wellnessurlaub schenken würde, weil ich mich an ihnen vergangen hatte. Also ja, in dem Sinne konnte man sagen, dass die Serbin durchaus etwas besonderes war. Noch war ich nicht ganz dahinter gestiegen, welchen Stellenwert sie in meinem Leben nun eigentlich einnehmen sollte, wenn es weder für eine Freundschaft, noch für eine Beziehung so wirklich ausreichend war, aber für die paar Tage war das doch auch erst einmal egal, oder?
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Offenbar fing ich früh genug damit an dem aufkommenden Tränenwasser gar nicht erst zu viel Raum zum Überlaufen zu geben, denn das salzige Wasser ließ sich noch recht gut wegblinzeln. Keine der Tränen trat übers Ufer und ich zwang mich dazu erneut etwas tiefer durchzuatmen. Hätte ich das grade nicht sagen sollen? Vielleicht nicht. Es war nur leider die sehr groteske Wahrheit und die ließ sich schwer verbergen. Aber auch, wenn Iljah immer noch etwas zu viel Raum in meinem Kopf und wohl auch ein Stück weit in meinem Herzen einnahm, wäre ich im Normalfall - also so ganz ohne Mordauftrag - nicht hergekommen. Allein schon wegen der Angst und der Unsicherheit, die sofort wieder aufflackerte, als ich die Schritte des Schwarzhaarigen nach ein paar stillen Minuten hinter mir näher kommen hörte. Ich wurde hellhörig und die Haare in meinem Nacken stellten sich sofort ein wenig auf, als er deutlich zu dicht hinter mir stehen blieb. Ja sogar auch noch seine Hand nach meinen Haaren ausstreckte, um sie mir zurück hinter die Schultern zu legen, weil die Strähnen wie so oft ein kleines Eigenleben führten. Das kribbelnde Gefühl im Nacken wurde von einem kalten Schauer meine Wirbelsäule hinab begleitet und ich verkrampfte die Schultern wieder ein bisschen. Ich sah ihn noch einen kurzen Moment lang über die schwache Spiegelung in der Fensterscheibe direkt vor mir an, schloss aber doch wieder die Augen, als er auch noch zu reden anfing. Mir allen Ernstes sagte, dass ich für ihn perfekt sei. Perfekt. Als Iljah bereits drauf und dran war sich wieder von mir zu distanzieren ballte ich die Finger der freien Hand zur Faust, wusste einfach nicht mehr wohin mit all der inneren Anspannung. Wieso musste er das jetzt sagen? Wieso musste er mir das alles hier damit noch so viel schwerer machen, als es das doch offensichtlich ohnehin schon war? Womöglich merkte der Tätowierte einfach wie sehr er mich noch immer in der Hand hatte und ich hasste mich selbst dafür, dass ich doch tatsächlich einen Augenblick lang darüber nachdachte, ob es nicht noch irgendeinen anderen Weg für mich gab. Nicht zwangsweise einen mit Iljah, aber zumindest einen, bei dem ich einen Bogen um das Attentat machen konnte. Ich wusste nicht an wie vielen Frauen er sich womöglich schon vergangen hatte - wollte das auch gar nicht - und wahrscheinlich hatte er es nicht unbedingt verdient verschont zu werden. Auch noch von mir darin bestätigt zu werden, dass er sowas wie eine zweite Chance verdient hätte. Als würde er die wirklich nutzen. Als bestünde wirklich die Chance darauf ihn irgendwie umzupolen, war der Knacks in seinem Schädel doch ganz eindeutig noch größer als mein eigener. Womöglich wäre es wirklich besser, wenn ich aufhörte mich mit ihm zu unterhalten, wurde die Angelegenheit dadurch doch nur noch unangenehmer. Denn auch das, was er noch sagte, als ich schon fast dazu bereit war mich wieder zu ihm umzudrehen und meine Finger sich wieder lockerten, machte es wirklich nicht besser. Vielleicht war es das, was ich gerne hören wollte. Das, was mir vermittelte, dass ich mir nicht alles zwischen uns nur eingebildet hatte. Dass das leise Knistern in seiner Nähe vielleicht nicht nur von mir spürbar gewesen war. Dass es womöglich gar nicht so utopisch war zu glauben, dass der Schwarzhaarige wirklich etwas an mir fand und sich nicht nur daran hatte ergötzen wollen mich zu kriegen, weil mich sonst im Grunde fast Niemand haben konnte. Zumindest eben nicht freiwillig meinerseits. Ich legte den Kopf einen Moment lang leicht in den Nacken und versuchte durch den Blick in den Himmel oberhalb Moskaus Skyline irgendwie einen Hauch meines Verstands zurückzugewinnen. Schließlich war Iljah gar nicht derjenige, der mich wirklich in den Händen hielt - auch, wenn mir das in diesem Moment wohl immer noch lieber wäre, als weiterhin in den Ketten der Sorokins zu liegen. Es gab hier keinen Spielraum für selbstorientiertes Handeln, wenn ich meinen Kopf behalten wollte... womit ich mir leider gar nicht mehr so sicher war. Wahrscheinlich wäre es deutlich einfacher einfach abzukratzen, statt mich dem Attentat an dem jungen Mann zu stellen, der mich bereits wieder ansah, als ich mich schließlich zu ihm umdrehte. Wenigstens waren die vorangegangenen Worte eine halbwegs gute Überleitung für mich. Es würde nicht vollkommen aus der Luft gegriffen wirken, wenn ich ihm jetzt näher kam, würde keinen allzu großen Verdacht schöpfen lassen. Ich wollte ihm noch immer nicht wieder nah sein, aber das schien mir so ziemlich die einzige Möglichkeit dazu zu sein, dem ganzen Drama ein Ende zu setzen. Entweder dadurch, dass er aus meinem Leben trat oder deshalb, weil ich scheiterte und er den Spieß umdrehte. Ich räusperte mich leise, als ich zu den ersten Schritten in Richtung Sofa ansetzte und schloss nur langsam, nach wie vor zögerlich fast bis zu ihm auf. Hielt noch einmal auf der anderen Seite des Couchtisches an, um einen größeren Schluck des Cocktails zu nehmen und das Glas im Anschluss daran abzustellen. Mir gedanklich dabei noch einmal vor Augen zu halten das blöde, vor sich hin jammernde Herz abzuschalten und mich auf die Mission zu konzentrieren. Also ging ich mit bedachten Schritten um den flachen Tisch herum und hielt Iljah schon dabei mit einer kleinen, aber vielsagenden Handgeste dazu an, dass er das Bein runternehmen sollte. Bis ich mit meinen in sich noch immer unsicher wirkenden Schritten bei ihm angekommen war, war er meiner stummen Bitte auch nachgekommen und ich atmete hörbar durch, als ich vor ihm zum Stehen kam. Sammelte all den Mut zusammen, den ich in diesem Moment finden konnte und ließ mich langsam auf seinen Schoß sinken. Dass ich dabei nach wie vor etwas verkrampft wirkte ließ sich nicht vermeiden, schlug mir das Herz dabei doch längst wieder bis zum Hals. Ich hob die linke Hand etwas an, brauchte aber noch einen zweiten Anlauf dazu die leicht vor sich hin zitternden Finger an seinen kantigen Kiefer zu legen. Ich brachte es nicht zustande ihn anzusehen wo ich ihm jetzt wieder so nahe war und sah deshalb auf meine Finger, als ich zu ein paar Worten ansetzte und mit nur leichten Berührungen über seine Haut strich. "Vielleicht... ist es das alles ja wert." Es war nur mehr ein leises, kaum hörbares Wispern, das mir über die Lippen kam. Es dauerte noch etwa fünf Sekunden, dann beugte ich mich gefühlt in Zeitlupe vor. Hielt dicht vor seinem Gesicht noch einmal inne und sah Iljah einen kurzen Moment lang in die Augen, bevor ich ihn küsste. Es war nur eine sehr vorsichtige Berührung unserer Lippen, aber ich musste damit anfangen ihn abzulenken. Während ich des Adrenalins wegen mindestens einen bis zehn Herztode starb, kündigte sich aber auch das leise Knistern wieder an.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Nur wenige Augenblicke, nachdem ich mich auf das Sofa hatte fallen lassen, setzte sich auch die junge Frau in Bewegung, um zu mir aufzuschließen. Wollte sich augenscheinlich ebenfalls auf die Couch fallen lassen und eingangs dachte ich, sie würde das mit ausreichend Sicherheitsabstand tun. Sich einfach auf der gegenüberliegenden Seite des langen Polsters hinsetzen, so wie sie das damals schon getan hatte, als ich zum ersten Mal Irinas Wohnung betreten durfte, nachdem sie mich bei einer Verabredung zuvor versetzt hatte. Seltsamerweise schien ihr aber überhaupt nicht im Sinn zu stehen, mich weiterhin auf Distanz zu halten und spätestens das hätte mir vor dem Hintergrund, dass sie unten in der Lobby noch auf den halben Meter zwischen uns gepocht hatte womöglich zu denken geben sollen. Mochte sein, dass sie mich vielleicht nicht hassen konnte und das auch gar nicht wollte, aber mich erst aufzufordern, das angewinkelte Bein wieder auf dem Boden abzustellen, nur um sich dann vollkommen verkrampft und offensichtlich alles andere als überzeugt vom eigenen Handeln auf meinen Schoß sinken zu lassen, war doch schon irgendwie seltsam. Hätten bei mir schon alle Alarmglocken läuten lassen sollen, aber aktuell war es still in meinem Oberstübchen. Weder schien ich mich über die plötzlichen Annäherungsversuche der jungen Frau groß zu wundern, noch sie zu hinterfragen. Grund dafür war vermutlich die ausgeprägte Müdigkeit, welche mich im Zusammenspiel mit dem Wissen, das Möglichste unternommen zu haben, um mich bei Irina zu entschuldigen, schläfrig werden und nicht mehr ganz bei Sinnen sein ließ. Dementsprechend stellte ich auch kaum noch Fragen, als die schwarzhaarige Schönheit ihren meiner Meinung nach rechtmäßigen Platz auf meinem Schoß bezogen hatte, wo sie - auch wenn ich das aktuell kaum aussprechen würde - sich gerade in dem reizenden Kleid wirklich verdammt gut machte. Die dunkelrote Farbe schmeichelte einfach ihrem, durch die schwarzen Haare umrahmten, wunderschönen Gesicht. Ich kam deshalb wohl nicht drum herum, sie trotz des eher unsicher wirkenden Gesichtsausdrucks ihrerseits - der deutlich machen dürfte, wie sehr sie sich eigentlich davor scheute, mir wieder näher zu kommen - kurzzeitig ungeniert zu mustern, während ich den anderen, inzwischen wieder frei gewordenen Arm ebenfalls auf der Rückenlehne ablegte. Das Glas Alkohol hatte ich bereits auf dem Couchtisch abgestellt, als Irina mit ihren langen, schlanken Beinen auf mich zugekommen war, sodass ich jetzt prinzipiell beide Hände frei gehabt hätte, um sie an der wohlgeformten Hüfte der Serbin unter ihr Kleid zu schieben. Tat ich aber nicht, weil ich mein Glück aktuell wohl eher weniger ausreizen wollte, war mir das Risiko, Irina würde gleich wieder aufspringen und das Weite suchen doch definitiv zu hoch. Also lehnte ich mich fürs Erste fast schon vollkommen entspannt zurück und ließ die junge Frau machen, wonach auch immer ihr gerade der Sinn stand, ohne sie dabei in irgendeiner Weise zu behindern. Als sich die zittrigen Finger ihrer Hand schließlich an meine Wange legten, schloss ich einen Moment lang die Augen und genoss ihre vorsichtige Liebkosung meiner Haut, ehe ich die Lider wider aufschlug und sie mit langsam vor sich hin mahlenden Kiefer ansah. Mir indessen selbst die Frage stellte, womit ich die zweite Chance eigentlich verdient hatte, von der ich nicht erwartet hätte, dass Irina sie mir geben würde. Aber alles im Moment wies darauf hin, weil sie mir ansonsten wohl kaum derart nahe kommen würde und auch die Worte, die seitens der jungen Frau noch folgen sollten, ließen darauf schließen, dass sie zumindest versuchen wollen würde, mir zu verzeihen. Dass das der Serbin nur ziemlich schwer fiel, war leider mehr als offensichtlich, weshalb ich letzten Endes doch noch eine Hand hob, um sie an Irinas Wange zu legen. Ich hob ihr Gesicht dann so weit an, dass sie mich ansehen musste und ließ sie dann mit den Worten "Du musst das nicht tun." wissen, dass ich ihr es kaum krumm genommen hätte, wenn sie das Hotelzimmer nach dem Gespräch ohne Aktionen wie diesen hier einfach verlassen hätte. Allerdings schien Irina doch irgendwie überzeugt von dem zu sein, was sie da tat und brach die ganze Aktion wider Erwarten auch nach meinen fast schon mahnenden Worten nicht ab, sondern kam mir mit ihrem hübschen Gesicht weiterhin sehr nah. So nah, dass ich kurze Zeit später ihren Atem auf meiner Haut spüren konnte, bevor sich ihre Lippen für einen zurückhaltenden Kuss auf meine legten. Ich ließ die Hand wieder sinken und schloss die Augen, um dieses Gefühl, was mir die letzten Tage über so gefehlt hatte, vollends auskosten zu können. Und womöglich hätte ich hier auch noch eine ganze Weile lang einfach sitzen und Irina dabei zusehen können, wie sie einfach nur auf meinem Schoß thronte, als wäre nie etwas zwischen uns vorgefallen. Aber als meine Hand die Hüfte der jungen Frau passiert hatte und letztlich an der äußeren Seite ihres Oberschenkels zum Erliegen kam, löste ich mich stirnrunzelnd, wenn auch weiterhin langsam und eher vorsichtig von den Lippen der jungen Frau. Grund dafür war eine leichte Erhebung, die ich unter meiner Hand ertastete und die aufgrund der metallenen Beschaffenheit weder Irinas Haut, noch einem Akzent des grundlegend sehr schlichten Kleides zuzuschreiben war.
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Er hatte ja gar keine Ahnung davon, wie sehr ich musste. Wie wenig ich bei Alledem eine Wahl hatte. Wie wenig ich ihn eigentlich wirklich in diesem Moment hatte küssen wollen, trug der Körperkontakt im erste Augenblick doch nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei. Allein schon deshalb, weil meine Beine unter dem Kleid nun mal nackt waren und mich demnach bis auf seine Hose und meinem bisschen Unterwäsche nichts von seiner Körpermitte trennte. Die Vergewaltigung hatte ihren Ursprung schließlich auch in harmlosem auf dem Schoß herumsitzen, da müsste es jetzt nichts zwangsweise anders sein - das war so weit zumindest die Theorie. Dass ich jedoch trotz Allem nicht nur Angst dabei verspürte Iljah zu küssen, sorgte wiederholt für schreckliche Verwirrung in meinem Kopf. Ich sollte nichts als negative Emotionen dabei haben. Sollte nichts als Abscheu verspüren, hatte er mir doch genau mit diesen Lippen ein paar traumatisierende Worte an den Kopf geknallt, als ich versucht hatte ihm klar zu machen, dass ich mit den Fesseln nicht klar kam. Hatte mir mit genau diesen verführerischen Lippen gesagt, dass er alles war, aber ganz bestimmt nicht wie andere Männer. Hatte mir nüchtern betrachtet ziemlich dreist damit ins Gesicht gelogen und trotz Allem, was er getan hatte, war da noch immer ein Funke. Der bittere Geschmack überwog, aber mein Kopf konnte gar nicht anders, als mich noch einmal in all die schönen Momente mit ihm zurückzuversetzen. Damit gekonnt die Tatsache zu überspielen, dass das Negative für mich eigentlich überwiegen sollte. Es war nicht nur, dass ich den Schwarzhaarigen nicht hasste. Nein, ich hatte noch immer ein paar leise Gefühle für ihn übrig, die ich verdammt nochmal nicht haben wollte. Die ich vor allem nicht haben sollte - denn sie ließen mich in dem Kuss regelrecht versinken und deshalb schrecklich unaufmerksam werden. Ließen mich seine Hand sogar dulden, als sie an meinem Körper auf Wanderschaft ging. So lange, bis seine Finger an einer Stelle liegen blieben, die sie nie hätten erreichen sollen. Ich war mir nicht einmal sicher damit, ob ich es überhaupt gemerkt hätte, wenn er sich deshalb nicht von mir gelöst hätte. Mir rutschte das Herz in die Hose und für einen kurzen Moment lang dachte ich, dass es das auch schon mit mir gewesen war. Gerade Menschen wie Kartellführer waren nun mal grundlegend ziemlich skeptisch und reagierten dann gerne über, Köpfe rollten da nicht selten sehr schnell. Nur ging Iljah dem Messer gar nicht sofort selbst weiter auf den Grund, sondern löste sich lediglich aus dem Kuss und hielt inne. Fast schon indirekt fragend, was es war, das er da gerade unfreiwillig - und nicht von mir gewollt - gefunden hatte. Eigentlich hatte ich ihm einfach nur ein wenig den Kopf verdrehen und die Sache dann zu Ende bringen wollen, um mein Herz nicht noch länger elend vor sich hin bluten lassen zu müssen - als würde es Ruhe geben, wenn ich ihn umlegte... was für ein idiotischer Gedanke - , nur sah ich mich so nicht mehr aus dieser Situation herauskommen. Bis ich jetzt meine Hand an dem anderen Messer hätte würde der Tätowierte längst zur Gegenwehr angesetzt haben. Mir lag zwar wirklich nicht mehr viel an meinem Leben, aber meinen eigenen Tod provozieren? Dazu fürchtete ich mich wahrscheinlich doch zu sehr davor zu sterben. Jetzt sofort zu versuchen ihm eine der Klingen in die Brust zu rammen kam also nicht mehr in Frage und ich brauchte einen anderen Weg dafür. Mit Sicherheit einen deutlich längeren Weg mit Umwegen, die ich gerne vermieden hätte. Deshalb öffnete ich die Augen und biss mir unterbewusst auf der Unterlippe herum, als ich mich langsam ein klein wenig mit dem Oberkörper von ihm distanzierte, mich aus der nach vorne gebeugten Position aufrichtete. Die Finger von seiner Wange nahm und dann beide Hände nach dem vorderen Mittelteil des Kleids ausstreckte. Mit wenig bedrohlichen, weiterhin eher eingeschüchtert wirkenden Bewegungen schob ich den roten Stoff so weit von meinen Oberschenkeln, dass er die beiden schmalen Messer sehen konnte. Ich sah selbst auch auf sie hinab, als ich zum Reden ansetzte. "Ich... hatte Angst, dass du mich nur herholst, um...", flüsterte ich ohne den sicher auch so verständlichen Satz zu beenden, weil ich schlichtweg nicht mehr an Stimmkraft zusammenkratzen konnte. In mir selbst gerade so verwirrt und unsicher war, dass ich wohl schon froh sein konnte, dass Iljah nicht sofort nach dem Messer gegriffen und es genutzt hatte. Ich hätte niemals wirklich so darauf reagieren können, dass es mir das Leben gerettet hätte. "Aber ich denke das hättest du längst getan, wenn das der Grund für dieses Treffen wäre, also...", murmelte ich weiter vor mich hin und zuckte mit den gerade besonders schmal wirkenden, bis auf die Träger des Kleids nackten Schultern. "...nimm sie dir, Iljah.", forderte ich ihn leise dazu auf, sich die Klingen einfach anzueignen, wenn er der Sache lieber nicht trauen und auf Nummer sicher gehen wollte. Hob auch während jener Worte den Blick erneut in seinen an, versuchte aus seinen Augen zu lesen, was er dachte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich hatte durch alleiniges Abtasten des unter dem Kleid befindlichen Holsters noch gar nicht konkretisieren können, um was für eine Art von Gegenstand es sich eigentlich handelte, wobei mir in erster Linie natürlich nur zwei Dinge sofort durch den Kopf schossen. Es würde wohl kaum einer seinen Schraubenschlüssel oder ein Hammer an seinem Oberschenkel mit sich führen - eine Schusswaffe oder ein Messer wohl schon eher. Deshalb brauchte es mich sicherlich auch noch ein paar Sekunden, bis ich Irina schließlich mit ins Gesicht gezogenen Augenbrauen ansah und mehr als den misstrauischen Blick schien es auch gar nicht dazu zu brauchen, sie indirekt aufzufordern, mit der Sprache herauszurücken. Als sie zu einer Erklärung ansetzte, schob sie parallel dazu auch den Stoff von dem bis dato eher unauffälligen Waffengurt, sodass ich mich mit eigen Augen davon überzeugen konnte, dass Irina doch tatsächlich zwei Messer mit in mein Zimmer geschleppt hatte. Einerseits war das natürlich absolut nachvollziehbar, weil ich, wie sie selbst auch noch einmal betonte, ja durchaus auch einfach hätte ausnutzen können, dass sie meiner Einladung so freiwillig nachgekommen war. Andererseits ließ es mich mehr und mehr darüber nachdenken, künftig auch bei privaten Unternehmungen einen oder gleich zwei meiner Männer mitzunehmen, was ich bis jetzt allerdings für vollkommen überzogen gehalten hatte. Ich hatte sicherlich nicht nur Freunde in meinem Umfeld und auch Kunden taten sich manchmal wirklich schwer damit, Privates und Geschäftliches zu differenzieren, aber bis zum heutigen Tag hatte ich nicht wirklich das Gefühl gehabt, mich auch privat noch derart abzusichern, wie ich das bei geschäftlichen Reisen in der Regel tat. Nachdem die junge Frau - ganz gleich aus welchen Gründen - es jedoch bewaffnet bis in meine unmittelbare Nähe geschafft hatte, in dem sie mein Vertrauen, welches ich ihr natürlich auch irgendwo entgegengebracht hatte, ausnutzte, ließ mich meinen bisherigen Standpunkt noch einmal überdenken. Eingehend damit beschäftigen würde ich mich damit am heutigen Tag jedoch nicht, weil ich Irina, wie bereits erwähnt, natürlich verstehen konnte und unabhängig von ihren letzten Worten machte sie mir auch nicht den Eindruck, als wäre sie scharf darauf, mir binnen der nächsten Minuten ein Messer in die Brust zu rammen. Dass sie dazu durchaus im Stande gewesen wäre, wollte ich allerdings nicht anzweifeln, hatte ich ihre Strafakte doch durchaus noch im Kopf und nebst einigen Eintragungen wegen Körperverletzung waren darin unter anderem auch Morde verzeichnet worden. Ich bezweifelte also keinesfalls, dass sie mit einem Messer umgehen konnte, wenn es die Situation erforderte. Und das war wohl auch der ausschlaggebende Punkt, weshalb ich der Bitte der jungen Frau nur allzu gerne nachkam und sogar noch einen Schritt weiter ging. Nachdem ich die Messer mitsamt der Holster von Irinas Oberschenkeln entfernt hatte, schob ich sie bestimmt, jedoch keinesfalls grob von meinem Schoß und damit zurück auf ihre eigenen Beine, um sie daraufhin aufzufordern, das Kleid noch einmal anzuheben und sich dabei im Kreis zu drehen. Ich wollte sie nicht gleich wieder erniedrigen, indem ich sie herumkommandierte und dazu zwang, auf meine Worte mit Taten zu reagieren, aber selbst mit den nachvollziehbarsten Gründen hätte sie mit der Aktion so ziemlich jeden Kriminellen ein Stück weit paranoid gemacht. Mein Blick, den ich über ihre Beine schweifen ließ, als sie meiner Aufforderung nachkam, war dabei relativ fokussiert darauf, noch andere ungewöhnliche Gurte oder Ähnliches ausfindig zu machen, obwohl so viel nackte Haut natürlich ihren Reiz hatte. Unterbewusst hatte ich die breiten Schultern jedoch etwas angespannt und mir stand gerade primär der Sinn danach, potenzielle Gefahren erst einmal auszumerzen, bevor ich mich wieder den primitiven Trieben widmen können würde. Irinas Beine schienen bis auf die zwei Messer, die ich beiläufig auf die andere Seite des Sofas geworfen hatte, keine weiteren Waffen zu beherbergen und so erhob ich mich aus meiner sitzenden Position, um mich ihrem Oberkörper zu widmen. "Nimm es mir nicht übel, aber ich würde gerne auf Nummer sicher gehen...", informierte ich sie mit einem ebenfalls nur halbfertigen Satz darüber, dass sie sich die folgenden Berührungen nicht allzu sehr zu Herzen nehmen brauchte. Ich schob meine Hände unter ihren Armen hindurch und tastete erst an ihrer Seite über dem Stoff des Kleides nach weiteren Auffälligkeiten, wie beispielsweise einem weiteren Gurt unterhalb der Brust oder dem unteren Rücken. Eben dort, wo man mit lockerer Kleidung problemlos etwas verstecken konnte, wurde zu meiner - und sicher auch zu Irinas - Erleichterung nicht fündig, weshalb ich mich schon kurze Zeit später wieder von der jungen Frau distanzierte. Die Anspannung verließ meinen Körper schlagartig wieder und ich rieb mir mit einer Hand über das müde Gesicht, bevor ich die Gesichtszüge der Serbin nachdenklich musterte. Ein leises Seufzen ausstieß und mich anschließend gänzlich von ihr löste, um die Messer vorerst außer Reichweite von wessen Händen auch immer zu verstauen. Kam sicher nicht ganz so gut, wenn beim täglichen Aufräumen durch die Bediensteten des Hotels plötzlich zwei Messer inklusive Holster in der Ecke der Couch ihr Dasein fristeten. Nachdem die Waffen also nahe der Garderobe in einer Schublade verstaut waren, schloss ich Haare raufend wieder zu der Schwarzhaarigen auf. "Ich habe eigentlich nicht vor, noch einmal zu wiederholen, was ich dir angetan habe.", ließ ich sie wissen, wobei das Wörtchen eigentlich hier fundamental war. Denn ich konnte in dem Fall nicht versprechen, dass es früher oder später nicht doch wieder dazu kommen würde, dass ich mir Rechte herausnahm, die mir nicht zustünden, weil diese Art von Aussetzern periodisch und dazu kaum bis gar nicht zu beeinflussen waren. Aktuell brauchte sie sich jedoch keine Sorgen zu machen, denn wie sie es schon so schön formuliert hatte, wäre es schon längst zu einem Übergriff auf sie gekommen. Spätestens dann, als sie sich ganz von alleine auf meinen Schoß hatte sinken lassen. Es war nur nichts dergleichen passiert. Ganz im Gegenteil hatte ich meine Hände sogar bei mir behalten und ihr damit indirekt das Ruder in die Hand gedrückt, obwohl das für gewöhnlich gar nicht meine Art war. Nur schien es mir mit der einzige und vor allem beste Weg zu sein, ihr zu zeigen, dass sie mir durchaus etwas bedeutete und ich nicht nur wegen ihrem Körper hinter ihr her war. Sie selbst sollte dann wie zu Anfang bereits entscheiden, wo und welche Art von Berührungen durch mich sie zuließ und welche nicht.
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Natürlich war er skeptisch. Wer wäre das nicht? Es würde ihm wohl kaum Jemand verübeln, dass er ungerne eine still und heimlich bewaffnete Frau auf seinem Schoß sitzen hatte, wenn es noch dazu eine war, der er nicht gerade nur Gutes zugefügt hatte. Trotzdem war mir nicht ganz wohl dabei Iljahs Finger durch das Lösen der beiden schmalen Gurte auch ein bisschen auf der Haut daneben zu spüren. Ich glaubte nicht, dass es seine Absicht war dabei meine nackte Haut zu berühren, aber es löste doch unweigerlich eine eher unschöne Sorte von Gänsehaut aus. Parallel dazu aber auch ein eigentlich angenehmes Kribbeln, das für noch mehr Verwirrung in meiner Brust und auch in meinem Kopf sorgte. Als wäre das nötig. Als wäre ich nicht ohnehin schon jetzt komplett mit den ohnehin nach wie vor labilen Nerven am Ende. Nur war das gar nicht Alles. Nein, der junge Mann bat mich recht deutlich darum aufzustehen und mir wurde gleich noch eine Stufe mulmiger. Ich fürchtete schon darum das ganze Unterfangen in den Sand gesetzt zu haben, bevor ich auch nur zu irgendwas gekommen war. Mir blieb jedoch nicht wirklich etwas anderes übrig als seiner Aufforderung nachzukommen und das Kleid anzuheben, damit er sich vergewissern konnte, dass ich sonst nichts bei mir hatte. Alles Andere hätte nur mehr Misstrauen oder Unmut bei ihm geweckt, also hielt ich den Stoff krampfhaft mit den Fingern oben, während ich mich um die eigene Achse drehte. Dabei machte ich die Augen aber zu. Wollte nicht sehen, wie er meine nackte Haut musterte und hob die Lider deshalb auch erst wieder, als ich ihn aufstehen hörte. Ließ daraufhin den Rock des Kleids wieder los und es dauerte kaum noch ein paar Sekunden, bis der Schwarzhaarige mich nach ein paar erklärenden Worten abzutasten begann. Ich hätte mich am liebsten wie ein Schraubstock zusammengezogen, die Arme um den Körper geschlungen und ihn so daran gehindert. Aber auch was das anging ermahnte ich mich gedanklich ganz bewusst und schluckte lediglich leise. Nickte schwach, als ich die Arme ein klein wenig anhob, damit er das Abtasten leichter hatte. Wieder wusste ich nicht, wie ich mich bei seinen Berührungen nun fühlen wollte und ich wünschte mir in diesem Augenblick nichts lieber, als einfach plötzlich gar nichts mehr zu spüren. Weder die aus Angst rührende Gänsehaut, noch das aufkommende Bedürfnis die Mission einfach über Bord zu werfen und nur meinem vollkommen unbrauchbaren Herz hinterher zu laufen. Während der Teufel mir riet einfach noch auszunutzen, dass Iljah gerade so handzahm zu sein schien und ihm doch noch einmal näher zu kommen, bevor ich ihm dann später irgendwann den Gar ausmachte, war der Engel drauf und dran mir zu sagen einfach mein Zeug in die Hand zu nehmen und endlich wegzulaufen. In den nächstbesten Flieger zu steigen und sämtliche Altlast hier in Russland zurückzulassen, um endlich mal wieder atmen und leben zu können. Aber ich war nun mal kein Engel. Hatte die weiße Weste schon vor gefühlt einem halben Leben in den Dreck geschmissen und mich seitdem nicht mehr darum geschert, was damit passierte. Genau deswegen stand ich jetzt ja auch hier. Wieder im Zwiespalt darüber, was ich tun und was ich lassen sollte, weil ich scheinbar nicht schlau genug dazu war Situationen wie diese hier zu vermeiden. Weil ich so krankhaft nach etwas Halt im Leben suchte, dass ich mich weiter verzweifelt an Iljah klammern wollte, obwohl er mich längst vom Turm in den freien Fall gestoßen hatte. Weil ich nur dann das Richtige tun konnte, wenn ich gar keine andere Wahl hatte und ansonsten chronisch falsch abbog. Weil ich nicht stark genug dazu war, einfach allein ins Nirgendwo zu reisen und einen Neustart hinzulegen, weil ich bis vor Kurzem absolut nicht von Wert für die Sorokins gewesen war und sie nie nach mir gesucht hätten, solange ich nur nicht zurück nach Russland gekommen wäre. Weil ich Angst hatte und das gefühlt jeden Tag aufs Neue. Weil Iljah der Einzige war, der meine permanente Panik und Paranoia immer wieder für ein paar Stunden betäubt hatte. Weil ich ganz einfach schwach war. Weil ich mich seit dem Tod meines Vaters nie mehr so lebendig gefühlt hatte wie mit dem Mann, der gerade Angst in mir schürte. Ich sollte ihn einfach loslassen - konnte und wollte aber nicht. Ich hatte unbewusst den Atem angehalten solange Iljah mich abgetastet hatte und atmete erst wieder aus, als er von mir abließ und ich den Blick für einen kurzen Moment in seinen anhob. Als er gänzlich von mir abließ und die Messer wegbrachte, folgte ich ihm nur im Augenwinkel mit meinem Blick, sah ihn nicht direkt an. Griff stattdessen nach meinem Cocktail auf dem Couchtisch und sah ein weiteres Mal ziemlich abwesend ins Glas, während ich seinen Worten schon nur noch mehr oder weniger mein Gehör schenkte. Was machten sie auch für einen Unterschied? Ich wusste nicht, ob ich ihm das wirklich glauben konnte, ob er dieses Mal nun die Wahrheit sagte. Also setzte ich das Glas an meine Lippen und machte es für meine Verhältnisse ziemlich sicher zu schnell leer. Würde in naher Zukunft einen Schwips merken, der für mich gerade nicht schnell genug kommen konnte. Ich verzog das Gesicht als ich das Glas kurz darauf wieder wegstellte, war der Alkohol durch die Menge an Flüssigkeit doch etwas deutlicher zu schmecken und eher unangenehm. Einen Moment lang blickte ich noch auf das leere Glas hinab, dann drehte ich mich leicht stockend wieder in Iljahs Richtung. Streckte langsam die Hände nach ihm aus und griff auf Bauchhöhe nach seinem Hemd, um ihn zögerlich näher zu mir hin zu ziehen. Sah dabei aber zu keinem Zeitpunkt zu ihm auf, sondern hielt die Augen starr unterhalb auf meinen Händen, als er wieder dicht vor mir stand und mir sein Geruch in die Nase stieg. Letzterer trug leider nicht dazu bei, dass sich mein Brustkorb so anfühlte, als würde er sekündlich weiter zugeschnürt werden, weil mich all die verschiedenen, positiven wie negativen Gefühle förmlich erdrückten. "Dann... nimm mir die Angst wieder... wenigstens diese eine... bitte.", hauchte ich stockend ein paar hörbar verzweifelte Worte an den edlen Stoff, der seine Brust überzog, krallte dabei die Finger noch etwas mehr in sein Hemd. Sah erst ein paar Sekunden später mit leicht flackernden Lidern zu dem jungen Mann auf. War wohl doch fragwürdig wer von uns beiden den größeren Sprung in der Schüssel hatte. Ich hatte nicht wirklich über das nachgedacht, was ich gesagt hatte, weil der Kopf inzwischen aufs Not-Aggregat umgeschaltet hatte. Anders dürfte kaum zu erklären sein, dass ich ihm im Grunde nur die nächste Chance dazu gab, mich vor allem psychisch und ein bisschen weniger körperlich hinzurichten. Mein Körper war stark, nicht das Kernproblem in meinem Leben.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Zu sagen, dass ich mit der Situation aktuell überfordert war, wäre vermutlich zu viel des Guten. Nichtsdestotrotz konnte ich nicht mit einhundert prozentiger Sicherheit sagen, was ich von alledem hier halten sollte. Einerseits freute es mich natürlich, dass Irina nur geringe Scheu davor zu haben schien, mir den unschönen Vorfall zu verzeihen und mir eine zweite Chance zu geben, andererseits war dieses Verhalten gerade aus Sicht eines psychisch gesunden Menschen besorgniserregend. Denn eigentlich sollte sich die junge Frau nicht noch einmal in die Arme ihres Peinigers flüchten, ganz im Gegenteil sogar. Irina täte sicher gut daran, wenn sie einfach die Beine in die Hand und anschließen Reißaus nehmen würde, weil ich sie auf kurz oder lang ja doch wieder enttäuschen würde. Vielleicht nicht heute und auch nicht morgen, aber irgendwann ganz bestimmt und das war ja nun auch nicht Sinn und Zweck einer Entschuldigung. Schließlich bat man um Vergebung, indem man beteuerte, dass etwas nicht mehr vorkommen würde und das konnte ich der Serbin bedingt durch den nur bedingt steuerbaren Knacks in der Schüssel wirklich nicht versprechen. Aber Irina war alt genug, würde wohl selbst mit am besten wissen, was sie für richtig und was für falsch hielt, oder? Damals in der Bar hatte sie gesagt, sie bräuchte keinen Vater, der sie bevormundet, warum also machte ich mir darüber so viele Gedanken? Wieso nahm ich nicht einfach hin, dass sie drauf und dran war, mir wieder auf den Schoß zu springen? Die Gründe dafür konnten mir prinzipiell eigentlich echt egal sein und doch waren sie es nicht. Zumindest so lange nicht, bis sich die zierlichen Finger der jungen Frau in den Stoff meines Merino Hemdes gruben und zu sich ran zogen. Zugegeben wusste ich ein paar Sekunden lang nicht so wirklich, was ich tun sollte, weshalb ich sicher an die fünfzehn bis dreißig Sekunden reglos vor der jungen Frau stand und sie mit einem neutral bis nachdenklichen Gesichtsausdruck ansah. Der klägliche Rest meines gesunden Menschenverstandes, den der malträtierte Engel am Tag des Vorfall nur mit Müh und Not gefunden hatte, ermahnte mich dazu, ja die Finger von Irina zu lassen, weil ich das Ganze nur mit Vollgas gegen die Wand fahren würde. Das Herz und auch gewisse Regionen weiter unten plädierten jedoch dafür, es einfach noch mal zu versuchen. Die zweite Chance auszunutzen und zu schauen, wie sich die Beziehung zwischen uns beiden letztlich entwickelte. Was konnte denn schon schiefgehen? So wie ich das sah... für mich jedenfalls nichts. Dachte ich zumindest. Als ich nach einer geschlagenen Minute dann endlich den Entschluss gefasst hatte, mich ein weiteres Mal auf das zierliche Häufchen Elend einzulassen, welches gerade ein paar verzweifelte Worte an meine Brust gemurmelt hatte. Ich seufzte leise, schloss kurzzeitig die Augen - als würde mir die Dunkelheit von weniger als zwei Sekunden auch nur irgendwas bringen, wenn es um die Beurteilung einer getroffenen Entscheidung ging - und legte dann einen Arm um den Körper der jungen Frau, zog sie noch näher an mich heran. Eigentlich war das hier ja gerade so ein Beziehungsding, oder etwa nicht? War es nicht so, dass nur Paare sich gegenseitig irgendwelche Ängste nahmen und gemeinsam neue Erfahrungen sammelten? Ich konnte mich auch irren, meinte aber, dass das so ziemlich die gängigste Umschreibung für eine Beziehung war. Aber gut, wie auch immer. Irina und ich wussten es in dem Fall ja wohl besser. "Wie stellst du dir das vor?", murmelte ich zu ihr nach unten, wobei ich sie auch entsprechend fragend ansah. Schließlich konnte ich ja wohl kaum mehr tun, als ich das aktuell tat. Ich gab ihr die Zeit, die sie brauchte, hielt Abstand, wenn sie mir nicht gerade eindeutig signalisierte, dass ich einen Schritt weiter gehen durfte und zeigte auch sonst viel Verständnis - Stichwort: Messer -, was sollte ich denn sonst noch tun? Etwa selbst wieder das Steuer an mich nehmen, nur damit ich mir am Ende anhören durfte, ihr sei das alles viel zu schnell gegangen? Besser nicht. Aber... ein Kuss war doch ganz bestimmt drin, oder? Sie hatte doch gerade vollkommen freiwillig die Nähe zu mir und schlussendlich auch zu meinen Lippen gesucht. War es vielleicht das, was sie sich unter die Angst nehmen vorstellte? Sollte ich ihr jetzt wieder den Gentleman mimen, wie schon zu Anfang unserer intensiver werdenden Kennenlernphase auch, um damit die negativen Seiten meiner Persönlichkeit hinter einer Maske zu verstecken? Bitte, wenn es das war, wonach sich ihr Herz verzehrte, ließe sich das sicher einrichten. Ich sah nach wie vor etwas nachdenklich in das Gesicht der schönen Frau, als sie ihre Lider wieder aufgeschlagen hatte und zu mir nach oben sah. Parallel dazu wanderte meine Hand wieder an ihre Wange und während ich mit dem Daumen über ihren Kieferknochen strich, hob ich ihr Kinn noch ein kleines bisschen mehr an, um ihre Lippen von mir aus in einen Kuss zu verwickeln. Er war relativ kurz, dafür recht innig, weil ich erst einmal sehen wollte, wie Irina reagierte. Eventuell lag ich ja auch vollkommen falsch und hatte damit einen zu großen Schritt in die falsche Richtung gemacht, was wusste ich schon. Ich gab es ungerne zu, aber im Augenblick wusste ich einfach nicht genau, woran ich an der jungen Frau eigentlich war und ja, das nervte mich ungemein. Normalerweise wäre ich jetzt wohl schon längst über alle Berge, mich mit den Frauen vergnügen, die mir tagtäglich auf der Straße zuflogen, aber es machte mir überhaupt nichts aus. Diese schmale Gratwanderung hatte einfach etwas unglaublich Spannendes und auch wenn es mich nervte, reizte es mich zu gleichen Teilen, mich möglichst vorsichtig der Serbin wieder anzunähern. Was den psychischen Knacks anging, konnten wir uns wohl beide das Wasser reichen. Oder den Cocktail, schienen wir beide in der letzten Zeit doch ein riesiger Fan davon geworden zu sein, uns mit Alkohol das Leben ein Stück weit zu vereinfachen. Nur war das leider in den meisten Fällen bloße Einbildung und wenn einen der Kater wieder in die bittere Realität, die Gegenwart zurück katapultierte, dann war es meist nur schwerer, sich mit Problemen aller Art auseinanderzusetzen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es war im ersten Moment noch ein wenig beunruhigend, dass Iljahs seinen Arm um mich legte und mich dadurch noch etwas näher an sich heranzog. Ich versuchte die aufflammende Panik gleich wieder im Keim zu ersticken, indem ich mir den Moment vor Augen rief, als ich am Lagerfeuer in seinen Mantel gekrochen war. Er mich einfach nur eine Weile lang festgehalten und gewärmt hatte. Es funktionierte erstaunlich gut in Kombination mit einem ganz bewussten Atemzug, der mich nur tiefer in seinen noch immer angenehmen Geruch hüllte. Wenn ich doch nur wüsste, was genau die Lösung war. Mir doch nur selbst glasklar vor Augen schweben würde, wie es für mich am einfachsten wäre den Vorfall endlich hinter mir zu lassen. Eine Situation wie diese war aber auch für mich neu. Sicher, ich hatte in der Villa der Sorokins häufiger mal mit ein und dem selben unangenehmen Mann fertig werden müssen, aber das war etwas vollkommen anderes. Ich war zu jener Zeit ohnehin nur eine Hülle meiner selbst gewesen. Hatte im Grunde fast ein ganzes Jahr lang gar nichts mehr empfunden, weil ich es einfach nicht konnte. Ich wirklich Selbstmord begangen hätte, wenn ich keinen Schalter in meinem Kopf gefunden hätte, der mich den erzwungenen Sex und all die damit einhergehenden Misshandlungen vergessen, ja von vornherein schon ausblenden lassen würde. Bei Iljah funktionierte das nicht. Er war nicht einfach nur ein Freier, der den Sorokins Geld in den Arsch schob, um mich ganz für sich zu haben. Vielleicht wollte ich es mir auch einfach nur einreden, aber ich konnte doch in seinen Augen sehen, dass zumindest nicht Alles eine einzige, große Lüge war. Wieso sollte er sich dieses ganze Drama sonst auch freiwillig antun? Der junge Mann unterbrach meine bisher nicht wirklich zielführenden Gedanken, als ich seine Finger an meinem Gesicht spürte. Die Berührung versetzte mich gefühlsmäßig nur noch mehr in die Zeit, die ich mir zurück wünschte. Das Streicheln an meiner Wange, meinem Kiefer war eines der Dinge, die ich immer am meisten genossen hatte. War eine Sache, die mir immer wieder Sicherheit gegeben hatte. Ironisch, wenn man bedachte, dass es doch genau die gleiche Geste war, die mich erstmals vor ihm hatte zurückschrecken lassen. Aber auch jetzt wirkte sie sich tatsächlich eher positiv auf mich aus und löste deutlich weniger plötzliche Krampfhaftigkeit aus, als seine vorherigen Berührungen an anderen Stellen. Nur bei der Beantwortung seiner Frage half mir das wenig, weshalb ich bis zu dem Kuss nichts darauf erwidert hatte. Mich für den Augenblick lieber in den innigen Kuss flüchtete, obwohl das durch und durch mulmige Bauchgefühl längst nicht verflogen war. Nur waren Küsse zwischen uns ja auch nie ein Problem gewesen. Ganz entspannt stand ich zwar sicher noch immer nicht vor dem Tätowierten, als ich die Bewegung seiner Lippen nach flüchtigem Zögern erwiderte, aber die verkrampften Finger an seinem Hemd lockerten sich wieder ein wenig. Der Kuss allein würde Iljah seine Frage jedoch nicht beantworten, weshalb ich danach einen Moment innehielt und die Lippen leicht aneinander rieb. Kurz darüber nachdachte, wie ich womöglich am wenigstens Angst vor der ganzen Sache haben könnte. Ganz ersticken lassen würde sie sich nicht, solange wir noch keinen Punkt erreicht hatten, der mir klar signalisierte, dass dieses Mal nichts Schlimmes passieren würde, aber es ließ sich mit ein bisschen Glück zumindest vermeiden sie richtig zu provozieren. "Lieber... kein Bett.", flüsterte ich vor mich hin, hob dabei die rechte Hand langsam an und legte sie zögerlich seitlich an seinen Hals. Eine Örtlichkeit, die mit dem vorherigen nichts zu tun hatte, wäre in jedem Fall von Vorteil. "Vielleicht der Whirlpool oder die Dusche? Warmes Wasser... ist bestimmt gut.", dachte ich leise vor mich hin murmelnd weiter nach. Angenehm temperiertes Wasser wirkte auf die meisten Menschen - so auch auf mich - schließlich entspannend. Es hatte seine Gründe, warum ich mich nach unserem letzten Treffen mit Alkohol gefühlt in der Wanne hatte ertränken wollen. Hatte damals nur leider nicht so viel gebracht, wie wünschenswert gewesen wäre. Eine ganze wichtige andere Sache gab es wohl auch noch zu erwähnen: "Und... lass mir bitte die Hände frei. Mit Dominanz oder... rauem Umgang hab' ich eigentlich gar kein Problem. Ich hab nur Angst vor... Fesseln." War durch das letzte Mal eigentlich offensichtlich, aber mir war wohl wichtig zu untermauern, dass das das Kernproblem war und nicht sein sehr dominantes Auftreten an sich bei mir für blanke Angst gesorgt hatte. Andernfalls hätte ich ihn damals kaum darum gebeten mir mitzuteilen, wie er es am liebsten haben wollte. Ich erfüllte gerne Wünsche - nur den einen, der für ihn unabdingbar gewesen war, eben nicht. Ich strich unterbewusst zur Ablenkung mit dem Finger an der Kontur seines Tattoos entlang, als ich noch eine letzte, lediglich noch dünn gehauchte Bitte an ihn herantrug. "Fang einfach ein bisschen langsam an, okay? Wenn du merkst, dass alles in Ordnung ist, kannst du..." Einen Gang höher schalten. Dich gehen lassen. Alles, mich nur nicht wieder vergewaltigen in welcher Form auch immer. Allerspätestens jetzt dürfte ihm wohl wirklich klar sein, dass ich bei meiner Therapie nicht von ein bisschen Kuscheln geredet hatte, sondern wenn, dann gleich die direkte Schocktherapie wollte. Je länger ich redete, desto weniger war mir auch bewusst, weshalb ich eigentlich hier war. Schließlich war ich weiß Gott nicht hierher gekommen, um mit ihm zu schlafen oder anderweitig irgendetwas von unserer Beziehung zueinander retten zu wollen. Ich schien die eigentliche Mission kurzerhand gegen eine andere eingetauscht zu haben, die mir lieber war, als ihm das Licht auszuknipsen - was ich ja sowieso noch nie richtig gewollt hatte. Ich streckte mich nur zwei oder drei Sekunden nach meinen letzten Worten erneut zu ihm nach oben, um mir den nächsten Kuss abzuholen. Natürlich war ich mir auch weiterhin kein bisschen sicher bei dem, was ich hier eigentlich gerade tat, aber ich versuchte wohl einfach die erstickten Gefühle für ihn in meiner Brust wieder atmen zu lassen, als ich ihn zumindest schon ein bisschen bewusster küsste, als beim ersten Mal. Mit mehr Gefühl, etwas mehr Nachdruck.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Bedingt durch die leider sehr hartnäckige Müdigkeit brauchte ich wohl verhältnismäßig lange, um eins und eins zusammenzuzählen, wenn es um den mir entgegengebrachten Lösungsvorschlag der jungen Frau ging. Ich überlegte parallel dazu natürlich auch, wie ich Irina am besten davon überzeugen können würde, dass der unschöne Vorfall lediglich meiner kaputten Psyche und nicht etwa irgendwelchen böswilligen Absichten entsprungen war. Ihr Vertrauen zu missbrauchen hatte mir bis dato nämlich zu keiner einzigen Sekunde im Sinn gestanden und dementsprechend schwer fiel es mir natürlich auch, jetzt einen gangbaren Weg zu finden, mir jenes zurückzuerobern. Aber egal, welchen Lösungsansatz ich im Laufe des Abends noch angepeilt hätte - eine Schocktherapie, so wie Irina sich die vorzustellen schien, wäre definitiv nicht zur Debatte gestanden. Schlicht und ergreifend deshalb, weil ich der festen Überzeugung war, dass sie sich nach alledem noch nicht wirklich bereit dazu fühlen würde, mir auch auf sexueller Ebene noch eine zweite Chance geben zu können, was ja durchaus nachvollziehbar gewesen wäre. Nebst dem psychischen Schaden, den ich angerichtet hatte, dürfte sie auch noch ein paar Tage nach der Vergewaltigung mit körperliche Beschwerden zu kämpfen gehabt haben, war ich doch nicht gerade sehr sanft mit ihr umgegangen. Man konnte es mir deshalb vermutlich auch nicht übel nehmen, dass ich ein wenig überrascht von dem Vorschlag war, den mir die Schwarzhaarige kurze Zeit später unterbreitete, weil ich nun mal ganz einfach nicht damit gerechnet hatte, dass das ihre Vorstellung von der besten Idee war. Immerhin könnte ich es natürlich genau darauf angelegt haben - sie mit der gewohnt freundlichen Art hier ins Hotel locken, Honig ums Maul schmieren, bis sie mir wieder von ganz alleine auf den Schoß sprang, um mich dann über ihre Bitten hinwegsetzend ein weiteres Mal an ihr zu vergehen. Inzwischen hatte sie auch keinerlei Waffen mehr an sich, mit denen sie sich verteidigen können würde und war damit genau so hilflos, wie schon an dem Tag, als wir uns in meinem Haus getroffen hatten. Natürlich hatte ich nicht vor, das Ganze gleich derart aus dem Ruder laufen zu lassen, aber es erschloss sich mir nicht so ganz, wie das Irinas Auffassung von Bewältigung der Angst sein konnte. Aus dem Grund schwieg ich nach dem Kuss wohl auch erst einmal noch eine ganze Weile und die ersten paar Worte, zu denen ich ansetzte, als ich mich mit einem unauffälligen Kopfschütteln aus der Gedankenwelt in die Gegenwart zurückholte, waren: "Bist du dir da sicher?" Der Nebel in meinem Oberstübchen hatte sich inzwischen gelichtet und ich war mir nie bewusster gewesen, auf was das Gespräch hier noch hinauslaufen würde, wie zum jetzigen Zeitpunkt. Nachdem Irina mir mit überdeutlichen Hinweisen - es waren viel mehr sogar Aufforderungen und Feststellungen -, klarzumachen versuchte, dass die Fesseln ein ausschlaggebendes Problem gewesen zu sein schien und die ansonsten sehr dominanten Art zu keinerlei Unsicherheiten geführt hatte, war es selbst für einen Blinden kristallklar zu erkennen, auf welche Situation sie mit ihren Hinweisschildern anspielte. Und ich war mir nicht sicher, ob das eine so gute Idee war, auf diese Art und Weise die Angst loszuwerden, da musste ich ehrlich sein. Ich war für meine Verhältnisse zwar wirklich ausgeglichen, weil ich vor wenigen Tagen nach exzessiven Alkoholkonsum mit einer russischen Frau in die Kiste gestiegen war, aber ich konnte deshalb nun mal trotzdem nicht sicher sagen, dass ich während der Hingabe meiner primitiven Triebe nicht doch irgendwann noch mal die Kontrolle verlor. Allerdings stieß das unleidliche Teufelchen, kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, auch schon den brennend heißen Dreizack in mein Kreuz und hinderte mich somit daran, zu viel Zeit damit zu verschwenden, das ganze Unterfangen zu hinterfragen. Ich nickte daher langsam die Worte der jungen Frau ab, ohne mich näher mit den möglichen Konsequenzen zu beschäftigen und löste meine Hand schließlich wieder aus ihrem Gesicht, um sie stattdessen an ihre Hüfte zu legen. Indessen begann ich zu überlegen, was mir denn lieber war, wenn es nicht das Bett sein durfte, in dem ich sie verführte. Grundlegend konnte ich mich jetzt also zwischen der Dusche oder dem Whirlpool entscheiden, was beides wohl seine Vor- und Nachteile hatte. Während ich die Kontrolle unter der Dusche sehr wahrscheinlich behalten würde, müsste ich sie im Whirlpool vermutlich abgeben. Letzteres verpasste dem ganzen Spaß noch zusätzlich einen Dämpfer, indem - bedingt durch die Eigenschaften der Ansammlung von Wasser in einem Gefäß - schnellere Bewegungen eigentlich kaum möglich waren. Es war... schwierig, um ehrlich zu sein, aber nach wenigen Sekunden der Überlegung entschied ich mich schließlich für den Jacuzzi. Vielleicht war es gar nicht so verkehrt, die Kontrolle einfach an die junge Frau abzugeben und einfach mal etwas langsamer zu machen. Dann konnte sie ganz für sich selbst entscheiden, wohin die Reise eigentlich ging und ich war in dem Fall dann nur das Mittel zum Zweck. Dass mir dabei nicht besonders wohl war, musste ich nicht extra noch erwähnen, oder? Aber wenn es dabei helfen konnte, Irina wieder mehr in meine Arme flüchten zu lassen, dann war ich bereit, den kurzzeitigen Rollentausch einfach hinzunehmen. Was konnte schon schiefgehen? "Das lässt sich einrichten.", ließ ich die junge Frau wissen, dass ich all ihre Wünsche und Bitten zur Kenntnis genommen und verstanden hatte, bevor ich eine meine Hände von ihrer Hüfte löste, um stattdessen nach ihrem Handgelenk zu greifen, welches nicht gerade an meinem Hals lag. Nachdem ich dann auch den noch folgenden Kuss seitens der Schwarzhaarigen erwidert hatte, distanzierte ich mich wieder etwas von ihr, damit wir gemeinsam das großzügig geschnittene Bad ansteuern konnten, in dem sich neben der gläsernen Duschkabine auch der Whirlpool befand. Besagtes Becken stand beim Betreten des Bads jedoch noch still und wurde erst aktiv, als ich nahe der Tür auf einem Touchdisplay ein paar Einstellungen getätigt hatte, die sich später manuell auch noch mit einer kleinen Fernbedienung anpassen lassen würden. Fürs Erste war mir jedoch wichtig, dass das sprudelnde Wasser auf eine angenehme Temperatur kam, bevor wir uns gemeinsam darin niederlassen würden. Außerdem dürfte damit jetzt auch klar sein, für welche Option ich mich eigentlich entschieden hatte. In der Zwischenzeit konnten wir uns dann um die lästigen Klamotten und ein paar liebevolle Streicheleinheiten kümmern. "Du sagst mir einfach, wie es für dich am angenehmsten ist, okay?", murmelte ich eine Bitte zu der jungen Frau hinunter, als ich mich vom Display ab- und Irinas zierlichen Körper wieder zugewandt hatte. Es schien mir einfach am sinnvollsten zu sein, wenn sie sich nahm, was sie wollte und nicht umgekehrt. Schließlich dürfte sie wohl am besten wissen, was ihr gefiel und wovon sie doch lieber Abstand nahm. Eines war jedoch sicher... egal, auf welche Art und Weise sie sich nahm, was sie wollte, angezogen machte das Ganze sicher nur halb so viel Spaß. Deshalb setzte ich direkt vor ihr stehend dazu an, das Hemd aus teurem Stoff aufzuknöpfen, während ich sie dabei durchgehend mit einer Mischung aus Wollust und außerdem ein kleines bisschen Sehnsucht ansah.
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