Immerhin schien Iljah sich endlich dazu durchringen zu können den Lauf der Waffe final zu senken, sie sogar auch im selben Atemzug ganz wegzupacken. Die Gefahr das Zeitliche segnen zu müssen war damit endgültig gebannt und das hieß in jedem Fall schonmal, dass ich noch auf Kuba ankommen würde. Wie es da dann weiterging war leider fragwürdig und Hunter war bekanntlich absolut unberechenbar, also war vermutlich auch die anstehende Strafe nichts, worüber ich mir unnötig den Kopf zerbrechen sollte. Ich würde zu keinem Ergebnis kommen können und ich konnte nur hoffen, dass der Amerikaner einen guten Tag haben würde, wenn das Flugzeug wieder auf der Insel in der Karibik aufsetzte. Dass der Tätowierte die Tür freigab ließ mich die Reisetasche schultern und ich hörte mir das kurze Wortgefecht - das kaum als ein solches zu betiteln war - der beiden Geschwister an, wobei sich an meinem Gesichtsausdruck im Grunde gar nichts änderte. Es brauchte sich hier Niemand Sorgen darum machen, dass ich wiederkommen würde bevor der Abschaum beseitigt war. Darauf konnte ich Brief und Siegel geben. "Keine Sorge, ich hatte nicht vor wiederzukommen.", versicherte ich Iljah mit zynischem Unterton, dass er sich darüber keine Gedanken zu machen brauchte. Danach schwenkte mein Blick zeitnah zurück zu der Brünetten und ich musterte sie ein paar Sekunden lang. Ich wusste wirklich nicht, was mir lieber war. Ob sie lieber hierbleiben und mich heute nicht mehr anschauen, oder doch lieber mitkommen sollte, weil ich nicht wollte dass sie in Michails Nähe blieb. Er müsste zwar nach dieser Aktion hier eigentlich unsagbar dumm sein, um sich noch einmal an sie ran zu wagen, aber vielleicht war er ja auch genau das - dümmer als zehn Meter Feldweg. Obwohl er verletzt war und Vahagn in diesem Zustand im Grunde nicht wirklich etwas antun können sollte, war mir bei dem Gedanken sie einfach hierzulassen überhaupt nicht wohl. Andererseits hatte ich eigentlich auch keine Lust dazu mich heute auch noch mit der russischen Schönheit zu streiten. Das würden wir früher oder später jedoch so oder so, weil ich es ihr zweifelsfrei nicht sofort verzeihen würde, dass sie sich hier gerade gegen mich gewendet hatte, obwohl sie es besser wusste. Was war mir also lieber? Ich würde gerne beides vermeiden, entschied mich letztlich aber wohl doch dafür die Brünette in meinem Schutz zu wissen. Andernfalls würde es mir wahrscheinlich ziemlich schwer fallen heute Nacht noch zu schlafen - wobei das sicher auch der Fall war, wenn sie neben mir lag solange diese Sache zwischen uns stand. Dann konnte Michail aber wenigstens nicht einmal theoretisch wieder die Finger nach ihr ausstrecken und das war schlussendlich das, was mir in der jetzigen Situation am meisten am Herzen lag. Deshalb fackelte ich dann auch nicht mehr lange mit den folgenden Worten. "Es ist mir egal ob du sofort mitkommst oder ob du in ein paar Stunden nachkommst... aber wenn du hierbleibst und nicht bis spätestens Mitternacht bei mir bist, kannst du dein Zeug aus meiner Wohnung holen, sobald wir auf Kuba gelandet sind.", stellte ich sie absolut unmissverständlich vor die Wahl sich entweder trotz ihres folgenschweren Fehltritts wieder auf meine Seite zu stellen, oder mir stattdessen endgültig den Rücken zu kehren. Eine Zwischenlösung gab es dieses Mal nämlich nicht. Ich würde ihr die Möglichkeit geben sich noch weiter mit ihrem Bruder zu unterhalten, wenn sie das gerade für notwendig empfand oder die Wogen etwas zu glätten versuchen wollte. Ich konnte ihr ja mitteilen in welchem Hotel ich letztlich hängengeblieben war, falls sie unbedingt noch ein paar Minuten hierbleiben und sich aussprechen wollte. Aber wenn sie sich auch noch weigerte zu mir aufzuschließen, damit ich mich zumindest ein kleines bisschen weniger scheiße fühlte, dann war's das. Ich war wirklich ein Stück weit treudoof und ließ vieles mit mir machen - wie man an den vergangenen Wochen, in denen sie mich quasi fortwährend angemeckert und ihre miese Laune an mir ausgelassen hatte, bestens sehen konnte -, aber irgendwann war ganz einfach mal Schluss. Sie hatte mir allein mit der Lüge gerade eben schon einen Stich im Herzen versetzt und ich wollte wohl nicht einmal daran denken, wie sehr dieses blöde Ding bluten würde, wenn Vahagn sich ganz von mir abwenden würde... aber einmal ausbluten war immer noch besser als über eine Ewigkeit hinweg täglich mit offener Wunde rumzulaufen. Lieber flog ich jetzt einmal jäh auf die Schnauze, als mir von nun an tagtäglich die Frage zu stellen, wie viel der Brünetten eigentlich wirklich an mir lag und wo sie den Strich zog. Sollte sie letzteres bereits hier und heute tun wollen, dann wusste ich wenigstens endgültig woran ich bei ihr war. Ohne eine Antwort der jungen Frau abzuwarten wendete ich mich der Tür zu und steuerte den Weg in den Flur an, hielt im Türrahmen dann aber doch noch einmal kurz inne und drehte den Kopf mit noch mahlendem Kiefer ein klein wenig in Iljahs Richtung. Ich sah ihn auch nicht an, hatte die Augen schräg nach unten auf den Boden nahe seiner Füße gerichtet. "Ich bin der letzte, der andere Menschen ohne triftigen Grund verletzt... irgendwann wirst du das noch merken.", richtete ich ein paar bemüht ruhige Worte an den Schwarzhaarigen. Jene bezogen sich sowohl darauf, dass ich Recht behalten würde, als auch darauf, dass er mich zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich ganz anders einschätzte, als ich eigentlich war. Ich war keiner von Hunters unzähligen kopflosen Schlägern. War Niemand, der einfach aus Spaß nach Blut lechzte, um irgendwelche animalischen Triebe zu befriedigen oder der aus besitzergreifenden Gründen krankhaft eifersüchtig war. Ich wägte immer sorgfältig ab, wer es wert war mir die als Kind ehemals noch so weiße Weste mit immer mehr und mehr Blut zu bespritzen. Michail war einer davon und irgendwann würde die Wahrheit schon ans Licht kommen. Vielleicht nicht heute, aber Lügen gingen nur sehr, sehr selten gut. Wenn ich eines unter Hunters Fittichen gelernt hatte, dann das. Nach den letzten paar Worten drehte ich den Kopf dann aber auch wieder zurück in seine Ausgangsposition und trat in den Flur hinaus, um Hunters Schergen mit den knurrenden Worten "Jetzt kommt endlich in die Gänge!" noch etwas mehr Dampf unterm Hintern zu machen. Sie brauchten mir zu lange und ich wollte hier so schnell es nur irgendwie ging weg. Björn war als erster zurück bei mir und zeigte sich damit weiterhin durchweg vorbildlich - vielleicht auch nur, weil er in meiner jetzigen Verfassung recht großen Respekt vor mir zu haben schien -, der Rest schloss bald nach ihm in den Flur auf und danach brauchte ich im Grunde nur noch eine Antwort von Vahagn, um mich vom Acker machen zu können. Deshalb fiel mein Blick auch ein letztes Mal durch den Türrahmen ihres Zimmers und visierte den ihren an.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Taurens Reaktion auf die ziemlich deutlichen Worte meines Bruders ließ mich ihn fast schon ein wenig entsetzt ansehen. Einen Moment lang bangte ich doch tatsächlich darum, dass es das jetzt gewesen sein könnte und er nach der Aktion die Schnauze gestrichen voll hatte, obwohl ich es eigentlich besser wissen müsste. Schließlich war der Norweger immer sehr redselig, wenn es um Probleme ging, also würde er wohl kaum an den Worten sparen, wenn er wirklich vorhatte, hier und heute mit mir Schluss zu machen. Nichtsdestotrotz fühlte es sich überhaupt nicht gut an, zu hören, dass er nicht mehr wiederkommen würde. Ganz egal, in welchem Kontext die Aussage letztlich stand, sie gefiel mir einfach nicht. In etwa genau so wenig, wie die durch ein Ultimatum untermauerte Wahl, vor die mich Tauren stellte, kurz bevor er die Tür in Richtung Flur passierte. Einerseits beruhigte sie zwar die leisen Stimmen meiner Paranoia, welche mir einreden wollten, dass die Beziehung bereits nach so kurzer Zeit der Zweisamkeit in die Brüche gegangen war, aber auch Wahlen waren etwas, auf die ich zum Teil wirklich empfindlich reagierte. In dem Punkt kam es Tauren vermutlich zugute, dass er sich nicht auf eine Ebene mit Iljah zu stellen versuchte, á la er oder ich - weil ihm vermutlich klar sein dürfte, wie einfach mir diese Entscheidung dann fallen würde -, sondern es hierbei lediglich darum ging, ob ich die Nacht nun bei ihm in irgendeinem Hotel oder weiterhin bei meinem Bruder und dem potenziell noch immer gefährlichen Michail verbringen würde. Nur deshalb hatte ich ihm auch quasi schon verziehen, dass er mich vor die Wahl stellte, weil er sich faktisch wohl nach wie vor einfach nur um mich sorgte. Und ja, vielleicht war ich ihm sogar ein kleines bisschen dankbar dafür, dass er mir damit sehr eindeutig signalisierte, dass er noch nicht vorhatte, die momentan mehr schlecht als recht laufende Beziehung einfach wegzuwerfen und durchaus bereit war, mir auch nach der Aktion von gerade eben noch eine Chance zu geben. Ich nickte daher langsam, als er gerade dabei war, sich nach ein paar an meinen Bruder gerichtete Worte wieder in Bewegung zu setzen. "Ich... komme nach.", murmelte ich ein wenig unsicher und danach war Tauren auch schon in den Flur verschwunden, wo er noch ein letztes Mal nach Hunters - aber momentan wohl vielmehr seinen - Schergen rief, um sich daraufhin final aus dem Staub zu machen. Plötzlich wurde es dann ganz still im Haus und mir war nach sofortigem Losheulen zumute. Ich kämpfte tatsächlich gerade mit den Tränen, als Iljah ein paar Schritte auf mich zukam und mich in seine Arme schloss. Für einen Moment wusste ich wirklich nicht, ob ich ihn nicht einfach von mir stoßen und ihm doch noch alles an den Kopf werfen sollte, was ich ihm bis heute verheimlicht hatte, aber ich ließ es letzten Endes ja doch bleiben. Stattdessen ließ ich die insgesamt recht lang andauernde Umarmung wortlos über mich ergehen, während die Tränen inzwischen ungebremst über meine Wange kullerten. Zuhause fiel es mir - leider - immer ganz besonders leicht, einfach mal loszulassen und bei der Menge an Gedanken und Emotionen war es eigentlich von Anfang an zwecklos gewesen, dem Drang zu widerstehen, den Tränen einfach freien Lauf zu lassen. Dass ich über die Jahre hinweg meine ganzen Sorgen ausschließlich in mich hineinfraß, anstatt sie mit irgendwem zu teilen, machte die ganze Sache natürlich weder leichter, noch irgendwie angenehmer. Und so zogen sicherlich ein paar Stunden ins Land, in denen ich mich noch einmal ausgiebig mit dem gebürtigen Russen unterhielt. Nicht nur über den Vorfall von gerade eben und seine, wie meine Einstellung zu dem Ganzen, sondern primär über die Zeit, seit ich auf Kuba final sesshaft geworden war. Anfangs war der Schwarzhaarige allerdings noch einmal zu Michail ins Bad gegangen, um dort nach dem Rechten zu sehen und ich nutzte die Zeit, um meine eigenen Sachen allmählich in den Koffer wandern zu lassen, weil für mich eigentlich nicht zur Debatte stand, mein Zeug aus Taurens Wohnung zu holen, sobald wir wieder auf Kuba waren. An und für sich war mir nämlich relativ egal, wo ich die Nacht letzten Endes verbrachte und wenn ich auf einer Hotelmatratze schlafen musste, um die Beziehung zu dem Norweger noch irgendwie zu retten, dann sollte mir das nur recht sein. Iljah konnte ich auch über den Tag hinweg besuchen, wenn mir der Sinn danach stand, aber ganz so einfach akzeptieren wollte das der Schwarzhaarige natürlich nicht. Seitdem Tauren Michail derart zugerichtet hatte, war es ihm natürlich ein Dorn im Auge, dass ich derart an dem Blonden hing, aber damit musste er sich wohl oder übel arrangieren. Ich mochte nicht besonders viel Ahnung davon haben, wie man eine stabile und gesunde Beziehung führte, aber ich wusste, dass mir dieser Mann am Herzen lag und es mir für meine Verhältnisse überdurchschnittlich dolle leid tat, ihm so forsch in den Rücken gefallen zu sein. Da konnte sich der hochgewachsene Russe von mir aus auch auf den Kopf stellen und noch zig Mal versuchen, auf mich einzureden, es doch lieber sein zu lassen. Und genau aus dem Grund war ich wohl erst um kurz nach elf Uhr in der Nacht auf dem Weg zum Hotel, dessen Name mir Tauren mittels Textnachricht hatte zukommen lassen, obwohl für mich bereits nach dem Abgang des Norwegers festgestanden hatte, dass ich definitiv zu ihm aufschließen würde. Ich war tatsächlich ein wenig überrascht, dass es sich mein Freund offenbar in einem der doch deutlich höherklassigen Hotels gemütlich gemacht hatte, aber in Frage stellen tat ich das nicht, weil es mich ehrlich gesagt auch nicht besonders interessierte. Es oblag schließlich seiner eigenen Entscheidung, wofür er seine hart verdiente Kohle nun eigentlich aus dem Fenster warf. Natürlich war es in gewissermaßen gut zu wissen, dass das Bett und die Einrichtung allgemein dem Preis entsprechend nicht mit einer Bruchbude von Hotel vergleichbar war, aber auch wenn sich der Norweger irgendein schäbiges Motel am Rande der Stadt ausgeguckt hätte, wäre ich zu ihm gekommen. Schließlich war Geld nicht der Grund gewesen, warum ich letztlich mein Herz an diesen viel zu gutmütigen Menschen verloren hatte. Jedenfalls gestaltete sich die Fahrt zum Hotel mit Bus und Bahn um die Uhrzeit doch etwas schwierig, war mit einem Koffer außerdem auch nicht gerade sehr praktisch, aber ich hatte einfach nicht über meinen Schatten springen können, Iljah zu bitten, mich zu fahren und durfte mich über den ungemütlichen Weg deshalb auch nicht beschweren. Im Grunde genommen war es nur der zeitliche Aspekt, der mir ein wenig zu schaffen machte, weil ich für einen Weg von normalerweise fünfzehn Minuten fast eine dreiviertel Stunde brauchte und so zeigte die Uhr etwa zehn Minuten vor Mitternacht, als ich das hochpreisige Hotel schließlich erreicht hatte und eventuell ein kleines bisschen entnervt an der Rezeption nach dem Zimmer fragte. Die junge Frau am Schalter wollte mir erst keine Auskunft geben - Stichwort Datenschutz und so einen Rotz -, aber nach einer schier unendlich langen Diskussion, die weitere kostbare Minuten in Anspruch nahm, teilte sie mir schließlich doch mit, dass Tauren die Luxussuite im obersten Stockwerk belegt hatte. Ich bedankte mich halbherzig und machte mich bereits bei meiner Verabschiedung auf dem Weg zum Aufzug, der mich binnen weniger Sekunden dann auch rauf zur entsprechenden Etage beförderte, auf der es lediglich zwei Türen gab. An einer davon Klopfte ich schließlich. Mehrfach. Vergebens. Bis der Zimmernachbar seinen Kopf aus der anderen Tür steckte und mir mitteilte, dass ich denjenigen, den ich aktuell zu suchen schien, vermutlich im Hotelkeller vorfinden würde, wo sich nebst einer Bar wohl auch noch eine Spielbank befand. Mit nachdenklich ins Gesicht gezogenen Augenbrauen bedankte ich mich für die Auskunft und steuerte erneut den Lift an, um den Weg von eben in die entgegengesetzte Richtung zu fahren. Auf dem Weg nach unten war ich mir jedoch nicht ganz sicher, ob ich mich auf die Aussage des Zimmernachbarn wirklich verlassen sollte, denn eigentlich klang das nicht gerade nach dem Mann, der vor noch nicht allzu langer Zeit wenig begeistert darüber gewesen war, mich aus einer Spielbank abholen zu müssen. Gut, vor dem Hintergrund, dass ich damals noch Tabletten und Alkohol intus gehabt hatte, war das natürlich schon ein bisschen was anderes, aber es war trotz allem einfach nicht Taurens Art. Umso überraschter war ich deshalb wohl, den jungen Mann doch tatsächlich in dem weitläufigen Casino vorzufinden, nachdem ich sicherlich an die fünf bis zehn Minuten nach ihm Ausschau gehalten hatte. Inzwischen war es bereits kurz nach zwölf, als meine Suche schließlich ein Ende gefunden hatte und ich vorsichtig die Hand nach dem norwegischen Schönling, den ich anhand seiner vielen Tattoos schon aus mehreren Metern Entfernung erkannt hatte, ausstreckte um ihn vorsichtig an der Schulter anzutippen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Nachdem ich das Grundstück verlassen hatte saß ich noch eine kleine Weile in einer der Limousinen ohne loszufahren. Ich nutzte das Handy dazu mich nach Hotels in Moskau umzusehen, gab dabei aber tatsächlich nicht wirklich viele spezifische Anforderungen an die Unterkunft ein. Dementsprechend spuckte die Suchmaschine ungefähr alles von Bruchbude bis hin zu fünf Sterne Hotel aus und ich war ein bisschen hin und her gerissen. Normalerweise würde ich mich wohl irgendwo in der Mitte einnisten, weil mich das zum einen nicht zu viel kostete und ich mit Glück dann auch noch ein halbwegs komfortables Bett erwischte. Allerdings konnte ich mich angesichts der Tatsache, dass ich nicht wusste, ob ich in ein paar Tagen wieder wochenlang halbtot im Bett herumliegen würde, immer besser damit anfreunden es mir ein bisschen gutgehen zu lassen. Wahrscheinlich war es nicht besonders schlau das oft mit harter Arbeit verdiente Geld nun für ein Luxushotel aus dem Fenster zu schmeißen, aber andererseits war es mir die sich dadurch wahrscheinlich zumindest ein bisschen anhebende Laune absolut wert. Noch tiefer konnte das Stimmungsbarometer meinerseits nämlich kaum mehr fallen und das noch ziemlich starke unter Strom stehen machte mich halb wahnsinnig. Ich gab das an die Jungs weiter und sie hatten nichts dagegen es sich ausnahmsweise auch mal ein klein wenig besser gehen zu lassen, weshalb wir bald schon zu dem von mir ausgesuchten Hotel aufbrachen. Allerdings blieb es bis zu unserer Ankunft dort seitens meines Handys absolut still und ich begann mich zu fragen, ob Iljah entweder noch etwas damit wartete dem Amerikaner Bescheid zu geben oder ob letzterer gerade einfach nur einen Tobsuchtsanfall in solchem Ausmaß hatte, dass ihm das Telefonieren nebenbei schwerfallen würde. Die meisten von seinen Schergen quartierten sich in einem der unteren Stockwerke mit eher ziemlich kleinen, aber trotzdem komfortablen Zimmern ein - eben das Billigste, was sie hier zu bieten hatten. Ich selbst erkundigte mich im Anschluss an deren Buchungen dann danach, was das Beste war, das mir das Hotel bieten konnte. Der Rezeptionist sah mich anfangs reichlich verwundert an, weil ich wohl optisch und vom Gepäck her eher weniger in das Klientel passte, das normalerweise eine Suite in den Wolken buchte, bot mir jene dann aber nach einem kurzen Zögern trotzdem an. Ehrlich gesagt wägte ich nicht einmal für eine Sekunde ab, wie lange ich für diese Unsumme hatte arbeiten müssen, weil es mich für den Moment ganz einfach nicht interessierte. Wer wusste schon, ob ich Hunters Geduldsfaden jetzt endgültig gesprengt hatte? Vielleicht hatte sich das mit dem Atmen für mich in kurzer Zeit ohnehin erledigt und ich hatte mir noch nie im Leben wirklich Irgendwas gegönnt, also ging mir der preisliche Haken an der Geschichte gerade wirklich am Arsch vorbei. Nachdem ich mich also auf dieses weitläufige, mit purem Luxus ausgestattete Zimmer eingelassen hatte, bat ich die beiden noch übrigen Schergen sich in der Etage direkt darunter einzunisten. Sie waren die mit Abstand erfahrensten im Bunde, waren selbst länger als ich unter Hunters Flagge unterwegs und ich hatte eben doch einfach gerne eine Lebensversicherung in unmittelbarer Nähe. Nachdem alle Zimmer gebucht waren schwärmten wir in die jeweiligen Etagen aus und brachten unseren Kram unter. Die anderen fanden sich wohl schon einige Minuten vor mir in der untersten Etage des Hotels ein, während ich selbst erstmal eine kleine Weile damit beschäftigt war den Ausblick zu genießen. Im Grunde konnte man von hier oben aus ganz Moskau sehen und wenn der Champagner aus dem zimmereigenen Kühlschrank schon im Preis mit drin war, dann sollte ich das natürlich ehren. Nachdem ich meine Tasche unweit des für meine Bedürfnisse viel zu großen Kleiderschranks auf den Boden geschmissen hatte, dauerte es nicht wirklich lang, bis der Korken knallte und ich mich mit der Flasche in der Hand nach draußen begab. Theoretisch hätte ich auch einfach durch die hiesige Glasfront sehen und dadurch im Warmen stehenbleiben können, aber die kalte Nachtluft auf dem Balkon hoch oben über der Stadt tat mir gut. Ich hatte seit der Auseinandersetzung mit Michail das erste mal wieder das Gefühl richtig atmen zu können. Das Adrenalin war weg, die Anspannung fiel von meinen Schultern und ich atmete tief durch. Nachdem ich etwa die Hälfte der Flasche intus hatte - was weniger Zeit in Anspruch genommen hatte, als es sollte, wenn man nicht so oft Alkohol trank - klingelte dann auch das Handy und ich ging ran. Ich hatte klar und deutlich gesehen, dass es Hunters Nummer war, aber er sagte nichts. Er schwieg einfach und ich war mir nicht sicher, was er von mir erwartete. Zuallererst "Es tut mir nicht leid." zu sagen, war aber die falsche Wahl. Der Amerikaner wurde sofort laut und ich nahm das Telefon reflexartig weiter vom Ohr weg, bevor ich die Flasche erneut anhob. Ich ließ ihn erst einmal sagen, was er zu sagen hatte und dann setzte ich erstmals dazu an, ihm die Situation genau zu schildern. Bis ins kleinste Detail, damit er nicht dachte ich würde ihn anlügen. Laut Vahagn - und damit auch Iljah - hatte ich angeblich grundlos auf den Russen eingestochen, aber gegen Ende des sicher eine halbe Stunde lang andauernden Gesprächs schien Hunter dann doch damit anzufangen, mir seinen Glauben zu schenken. Ich konnte die Restzweifel in seiner Stimme hören und natürlich erwartete mich für den Bruch seiner Regeln gegenüber Geschäftspartnern dennoch eine Strafe, aber er würde mir zumindest vorher noch einmal die Möglichkeit dazu geben, ihm von Angesicht zu Angesicht zu sagen, was die Wahrheit war. Zu sagen ich konnte mit dem Ausgang des Gesprächs heute ruhig schlafen wäre aber dennoch übertrieben, weshalb ich den noch halbvollen Champagner letztlich im Küchenbereich wieder mit seinem Korken versah und ihn zurück in den Kühlschrank stellte. Es musste etwas Hochprozentiges her, um mich heute Nacht förmlich in den Schlaf zu boxen und deshalb verließ ich die Suite schließlich, um zu den Anderen aufzuschließen. Während drei von ihnen zu ihrer Nachtschicht am Geldbunker aufgebrochen waren fand sich der Rest der Crew bereits im Untergeschoss wieder, wo eine verhältnismäßig große Spielhalle und eine perfekt ausgestattete Bar vorzufinden waren. Ich warf noch einen einzigen Blick auf die Uhr, während der Barkeeper mir mit fast schon künstlerischen Bewegungen einen Cocktail zusammenmischte. Es war jetzt gegen halb Elf, Vahagn hatte also noch eine ganze Weile Zeit dazu sich hier bei mir einzufinden und deshalb ging ich vorerst mit den Jungs dazu über etwas zu tief ins Glas zu schauen. Während manche versuchten sich eine Frau anzulachen spielte ich zu Beginn erstmal eine Runde Billard mit Hunters beiden Urgesteinen. Nicht, ohne dabei weiterhin deutlich zu großzügig den Alkohol in meinem Magen zu versenken, versteht sich. Das wurde uns aber recht bald schon zu langweilig und wir gingen zum Glücksspiel über. Vielleicht meinte es das Schicksal was das anging heute nur deshalb gut mit mir, weil mein Tag ansonsten ziemlich mies gewesen war, aber auch wenn ich hier und da zuvor einige Verluste hatte einstecken müssen, meinte es die Dame beim Roulette wahnsinnig gut mit mir. Ich hatte das Glück scheinbar zum ersten Mal am heutigen Tag wirklich auf meiner Seite und konnte nicht nur den vorherigen, herben Verlust vom Blackjack ausbügeln, sondern verdiente mir sogar noch eine nette Summe obendrauf, die mir einen Teil der künftigen, hohen Hotelrechnung begleichen konnte. Als mich wenige Minuten später schließlich ein paar Finger an der Schulter berührten waren die Chips bereits in Form von Scheinen in meinen Geldbeutel und damit in meine hintere, rechte Hosentasche gewandert, weil ich dem Glücksspiel für heute abdanken wollte. Ich drehte mich zuerst kaum um, sah lediglich über meine Schulter hinweg zu der Russin. Als meine Augen sie erfasst hatten drehte ich den Kopf auch schon wieder nach vorne, um mein Glas anzuheben und den Rest des... vermutlich dritten Cocktails meinen Rachen runterzukippen. Ich hatte irgendwann mit dem Zählen aufgehört und inzwischen war ich wohl auch einfach betrunken. Nicht so, dass ich kaum mehr geradeaus laufen oder stehen konnte, aber ich spürte das Nervengift doch ziemlich ordentlich durch meine Adern fließen, nachdem ich innerhalb von gerade mal eineinhalb Stunden mehrere Cocktails runtergekippt und zuvor noch den Champagner förmlich aufgesaugt hatte. Ich wandte mich noch einmal an die beiden Ältesten, ließ sie lediglich wissen, dass ich mich für heute verziehen würde und sie nicht mehr zu lang machen sollten, was angesichts meines eigenen, förmlich betäubten Zustands ironischer kaum sein könnte. Erst danach wendete ich mich endgültig von ihnen ab und signalisierte Vahagn mit einem Blick mir zu folgen. Es war hier drin angesichts der anwesenden Leute doch ein bisschen lauter und ich hatte keine Lust zu schreien, also begab ich mich auf direktem Weg zurück zum Aufzug. Da drin angekommen wurde es dann bis auf die nur sehr leise Musik im Hintergrund auch ziemlich still. Ich sah auf die Uhrzeit über der Tür und stellte fest, dass die Brünette ein bisschen zu spät kam. Dennoch beschloss ich sie zumindest darauf nicht anzusprechen - sie war hier, das zählte. "Ich war mir nicht sicher, ob du wirklich kommst.", stellte ich nicht gelallt, aber doch mit etwas undeutlicher Stimme fest, während ich mich etwas an die Wand im Fahrstuhl lehnte. War bequemer als frei zu stehen und stabilisierte meinen Körper ohne eigene Bemühungen meinerseits ziemlich gut.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich konnte wirklich vollumfänglich verstehen, dass sich Tauren in einer gewissen Art und Weise von mir betrogen fühlte, aber ob das hier der richtige Weg war damit umzugehen, wagte ich irgendwie zu bezweifeln. Dass er es sich in einem Luxushotel gutgehen lassen wollte... meinetwegen, sollte er das ruhig tun, aber Alkohol und Glücksspiel? Das klang mehr nach etwas, das ich Hunter zutrauen würde, nicht aber dem Norweger. Und doch saß gerade ganz offensichtlich mein Freund an dem Roulette Tisch, zockte und trank nebenher sein weiß Gott wievielten Cocktail. Erst schien er mich auch gar nicht weiter zu beachten, schenkte mir nur einen knappen Blick über seine Schulter hinweg, was mich leise seufzen ließ. Allerdings brauchte es gar keine weiteren Versuche meinerseits mehr, um auf mich aufmerksam zu machen, damit er sich endlich zu mir herumdrehte - das tat er dann doch von ganz allein, nachdem er den Inhalt seines noch auf dem Tisch befindlichen Glases geleert und sich anschließend mit ein paar wenigen Worten von dem Rest der Meute verabschiedet hatte. Daraufhin stand er auf und bedeutete mir mit einem Nicken, ihm zu folgen. Wir steuerten gemeinsam den Aufzug an, mit dem ich nun schon zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit bis ganz nach oben fahren würde - ich hatte ja schließlich sonst nichts zu tun - was mir erneut ein leises Seufzen entlockte. Mit Tauren in der Suite zu reden war mir jedoch deutlich lieber, als ihn in einem öffentlichen Raum förmlich anschreien zu müssen, weil durch die Musik und wegen der lauten Unterhaltungen anderer kaum ein normales Gespräch möglich war. Da war mir auch einfach das Risiko ein Stück zu groß, dass uns irgendwer zuhören könnte - warum auch immer das jemand tun sollte - und allgemein war ich nun mal kein großer Fan von Menschenmassen. Trotzdem nervte mich die schier niemals enden wollende Fahrt mit dem Aufzug, wobei der Norweger bereits in der Kabine das Wort ergriff und damit meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Ich umklammerte den Griff meines Koffers daraufhin ein bisschen fester, den Blick heftete ich weiterhin untypisch für mich auf den sich an Seilen und Sicherungen in die Lüfte erhebenden Aufzugsboden, während ich nachdenklich mit den Schultern zuckte. Erst danach setzte ich auch noch zu einer verbalen Antwort an, die vermutlich nicht gerade das war, was der Norweger in dieser Situation gerne von mir gehört hätte. "Solange es nur darum geht, wo ich schlafe...", murmelte ich einen mehr oder weniger unfertigen Satz vor mich hin, in den man sowohl das eine, als auch das andere hätte hineininterpretieren können. Keine Entschuldigung, kein 'Ich wollte dich nicht verletzen'... nichts dergleichen. Währenddessen sah ich den Rollen meines Koffers wie gefesselt dabei zu, wie sie sich um die eigene Achse drehten, als ich das Teil nachdenklich ein Stück nach vorne schob und dann wieder an mich heran zog. Kurze Zeit später hob ich den Blick dann aber doch kurz an, um den an der Aufzugswand lehnenden Mann flüchtig zu mustern, aber wirklich lange aufrechterhalten tat ich den Blickkontakt nicht. Ich konzentrierte mich wenige Sekunden später viel mehr auf die aufsteigenden Zahlen der Stockwerksanzeige, bis der Aufzug schließlich in der letzten Etage Halt machte und wir aus dem viel zu engen Räumchen in den weitläufigeren Gang traten. Dort wartete ich geduldig darauf, dass der Norweger von seiner Schlüsselkarte Gebrauch machte, um ihm wenig später ins Innere der Luxussuite zu folgen. Dort angekommen ließ ich meinen Blick erst einmal schweifen, konnte mich im aktuellen Augenblick aber weder für die pompöse Ausstattung, noch von dem wunderschönen Ausblick über Moskaus Skyline begeistert, weil... na ja, mir momentan nun mal nicht nach guter Laune war. Ich fühlte mich schlecht, auch wenn ich das eigentlich nicht müsste. Zumindest, wenn ich davon ausging, dass es mir vor ein paar Monaten noch ziemlich leicht gefallen war, ohne Rücksicht auf Verluste meinen Willen durchzusetzen. Mittlerweile spielte aber nebst meiner eigenen Person auch noch ein anderer Mensch eine bedeutsame Rolle in meinem Leben und damit musste ich irgendwie umzugehen lernen. Ich ließ das Köfferchen unweit der Tür in einer Ecke stehen und entledigte mich erst einmal meines Mantels, weil es hier oben doch verhältnismäßig warm war und außerdem ging ich eigentlich nicht davon aus, heute noch mal nach draußen gehen zu müssen. Es sei denn natürlich, Tauren wollte mich nur noch einmal persönlich sprechen und mich nach einem Streit dann vor die Tür setzen. Möglich war das natürlich, aber weder hoffte ich es, noch ging ich davon aus. Wobei ihn der Alkohol natürlich schon ein Stück weit unberechenbar machte und ich mich mit meinen Vermutungen eventuell noch nicht so weit aus dem Fenster lehnen sollte, aber es blieb wohl schlichtweg abzuwarten, wie sich das Gespräch entwickelte. "Wie viel hast du getrunken?", wollte ich allen voran erst einmal von ihm wissen, weil mir im Fahrstuhl durchaus der penetrante Geruch von irgendeinem Alkohol in die Nase gestiegen war, den ich so ad hoc nicht zuzuordnen wusste. Außerdem war ich gerade eben selbst Zeuge gewesen, dass er sich irgendetwas Hochprozentiges einverleibt hatte und wollte daher einfach herausfinden, wie viel Wert ich auf noch kommende Aussagen seinerseits legen konnte. Wenn er nur ein Cocktail getrunken hatte, dann war er mit ziemlicher Sicherheit noch relativ klar im Kopf und wusste, wovon er sprach, während ich das nach zwei oder mehr Drinks nicht mehr behaupten würde. Gerade deshalb, weil der junge Mann in der Regel eher die Finger von Drogen aller Art ließ. Da wirkte der Alkohol natürlich gleich ganz anders, als bei einem trainierten Trinker. Außerdem schien mir die Frage auch ein halbwegs vernünftiger Einstieg in das Gespräch zu sein. Etwas, worauf man aufbauen konnte, weil ich nun mal nicht mit der Tür ins Haus fallen und gleich damit anfangen wollte, ihm klarzumachen, dass er mindestens genau so große Scheiße gebaut hatte, wie ich selbst. Eigentlich wollte ich da noch gar nicht weiter drüber reden, weil es mir nach dem heutigen Tag ganz einfach reichte, aber ich bezweifelte, dass Tauren das so einfach hinnehmen würde. Auch hier war es gut möglich, dass er durch das Nervengift ein Stück weit gesteuert wurde.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Mehr oder weniger, ja. Primär war es mir wohl wirklich erst einmal darum gegangen, dass ich die Brünette außerhalb des gefährlichen Michail-Radius hatte. Sekundär aber eben auch darum, dass sie sich nicht dazu erdreistete mir ein weiteres Mal den Rücken zu kehren, womit ich mir tatsächlich nicht sicher gewesen war, bis ich sie gesehen hatte. Allein schon deshalb, weil ich nun mal mit am besten wusste, wie wenig sie häufig auf das Wohlergehen anderer gab. Ich mir vielleicht auch immer noch etwas unsicher damit war, wie ernst sie es überhaupt mit mir meinte. Natürlich, wir waren zusammen, aber wenn man von allen Seiten immer wieder zu hören bekam, dass eine Beziehung zu der Russin unmöglich gesund für mich sein konnte und ich eigentlich nur darauf warten konnte, dass sie wieder nach Russland verschwand... ja, dann zweifelte man. Oft. Zu oft. Dass Vahagn sich heute mal wieder nur für sich selbst entschieden hatte, hatte mir nicht unbedingt mehr Sicherheit mit Alledem verliehen. Auf Kuba war eigentlich fast immer alles in Ordnung zwischen uns beiden, nur sobald wir vor ein paar potenzielle Probleme gestellt wurden - namentlich dann jetzt Russland inklusive eines Michails - geriet schon wieder alles schrecklich ins Wanken... oder zumindest fühlte es sich eben genau so an. Ich wusste aus erster Hand, dass sie wirklich Gefühle für mich hatte, aber heute war wohl einfach einer dieser Tage, an denen ich verstand, warum alle um mich herum so wenig von unserer Beziehung zueinander hielten. "Mehr oder weniger.", lieferte ich der jungen Frau gemurmelt noch wörtlich einen sehr knappen Teil meiner Gedanken, als sich die Aufzugtüren öffneten und stieß mich dann schwach von der Innenwand des Aufzugs ab, um mich mit ihr zu der Suite zu begeben. Die Tür jener zu öffnen und dann auch aufzuschieben, um einzutreten. Ich schob mir nahe der Tür schon die einfarbig schwarzen Sneaker von den Füßen, die ich seit dem Verlassen des Gniwek-Hauses noch gar nicht ausgezogen hatte und ging von da aus aber gleich weiter in Richtung des Küchenbereichs, noch während Vahagn ihre erste Frage an mich richtete. Deshalb drehte ich mich leicht schwankend während des Gehens noch einmal zu ihr um, breitete die Arme aus und ging dabei aber zwei weitere Schritte rückwärts, was noch erstaunlich gut funktionierte. "Zu viel und trotzdem irgendwie zu wenig.", ließ ich ihr eine sehr wage Aussage mit einem unecht wirkenden Lächeln zukommen, bevor meine Arme wieder sanken und ich mich erneut von ihr abwendete. Meine Füße trugen mich heute nun schon zum dritten Mal zum Kühlschrank. Ursprünglich wirklich nur mit der Intention mir eine der Wasserflaschen herauszunehmen, aber der Champagner lachte mich jetzt ja doch wieder ziemlich neckisch von der Seite an und deshalb zögerte ich einen Moment lang. Trotz meines schon sehr stark angeheiterten Zustands entschied ich mich jedoch knapp gegen das alkoholische Gesöff und griff lediglich nach der Wasserflasche, bevor die Tür zurück in ihre ursprüngliche Position fiel und ich mich im Anschluss mit der Hüfte an die kleine Kücheninsel gegenüber des Kühlschranks lehnte. "Hier ein bisschen Champagner, da ein bisschen Rum... wer zählt schon Gläser.", definierte ich meine vorherige Aussage ironisch und nur dürftig ein klein wenig spezifischer. Zumal ich für den goldenen, prickelnden Sekt aus der Champagne ja wirklich kein Glas benutzt hatte. Noch während ich redete hatte ich bereits damit angefangen die Flasche aufzuschrauben und hob jene schließlich auch an meine Lippen. Das Wasser vermochte mich zwar höchstens minimal abzukühlen, war es unten im Keller im Vergleich zum Zimmer hier oben doch eher etwas stickig gewesen, aber tatsächlich fühlte ich mich nach ein paar Schlucken doch minimal besser. Rein körperlich versteht sich, mein Kopf fuhr noch immer eher Kategorie Achterbahn. Ich wünschte der Alkohol hätte dahingehend bessere Dienste geleistet, aber jetzt wo die Brünette wieder bei mir war, kam unweigerlich sofort alles zu mir zurück. "Und, wie sehr hasst er mich jetzt? Muss ich damit rechnen, dass er mich in den nächsten Tagen noch absticht, wenn wir uns wegen der Geldwäsche nochmal treffen? Oder behältst du das im Fall der Fälle auch lieber für dich, damit es ihn besser trifft als mich?", setzte ich zu einigen ziemlich zynischen, fast schon giftigen Worten an. An sich war mein Tonfall zwar relativ neutral, aber da war trotzdem ein sehr unmissverständlicher Unterton, der klar machte, dass ich über das Messer in meinem Rücken noch lange nicht hinweg war. Normalerweise hätte ich wohl eher nicht mit dermaßen direkten, fiesen Worten um mich geworfen, aber da sprach jetzt wohl doch zu großen Teilen der gemeine Alkohol aus mir. Ich war sauer, ich war verletzte und vor allem maßlos von ihr enttäuscht. Das Nervengift verstärkte sämtliche jener Gefühle noch zusätzlich und das war wohl schlichtweg eine sehr ungesunde Kombination. Auch mein vielleicht nicht mehr zu einhundert Prozent klarer, müder Blick und die leicht ins Gesicht gezogenen Augenbrauen verliehen jenen Emotionen zusätzlichen Ausdruck. Wahrscheinlich würde ich den Alkohol morgen auch unabhängig von den mit ziemlicher Sicherheit eintretenden, starken Kopfschmerzen bereuen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aha. Mit anderen Worten hatte er also deutlich zu tief ins Glas geschaut, schon verstanden. Das sollte er mir dann auch noch bestätigen, als er leicht schwankend in der Küche verschwand, um sich etwas zu Trinken zu organisieren. Ohne eine weitere verbale Antwort und lediglich mit einem leichten Nicken meinerseits schloss ich zu ihm auf, hielt es aber für das beste, vorerst nur im Türrahmen gelehnt stehenzubleiben. Ich konnte mir nicht helfen, war aber davon überzeugt, dass ein bisschen Distanz zwischen uns gerade ganz gut war. Andernfalls hätte ich nach den Worten des Norwegers vermutlich beide Hände nach ihm ausgestreckt, um ihn an den Schultern zu packen und kräftig durchzurütteln. Dafür fehlte mir im Endeffekt zwar die Kraft, aber versucht hätte ich es trotzdem gerne, weil Tauren meiner Meinung nach einfach gewaltigen Stuss redete. Und in dem Punkt nervte es mich wohl am allermeisten, dass der junge Mann sich dazu entschieden hatte, zum Alkohol zu greifen, denn alkoholisierte Menschen waren von Grund auf einfach anstrengend. Ich schloss mich selbst davon natürlich keinesfalls aus, aber das änderte faktisch nun einmal nichts daran, dass er betrunken war und ich nicht. Hätte ich selbst ein bisschen was intus gehabt, dann würde die Unterhaltung aller Voraussicht nach nicht im Ansatz so anstrengend werden, wie es mir jetzt den Anschein machte. Ich seufzte also erneut, weil ich das heute ja noch nicht oft genug getan hatte und rollte doch tatsächlich ein wenig genervt mit den Augen. Mir war klar gewesen, dass ich diesbezüglich heute kein Glück haben würde und mich der Norweger ja doch noch einmal auf die Vorkommnisse ansprach, aber wie er das tat... ließ mich gedanklich auf dem Absatz Kehrt machen und wenn für mich nicht derart viel auf dem Spiel gestanden hätte, was die Beziehung zu dem Tätowierten anging, dann hätte ich das wohl auch getan. Einfach, um einer Konfrontation fürs Erste aus dem Weg zu gehen und abzuwarten, bis Taurens Körper den Alkohol aus seinem Blutkreislauf verbannt hatte, damit überhaupt ansatzweise so etwas wie ein normales Gespräch möglich war. In der Regel war zwar immer ich diejenige, mit der man sich nicht richtig unterhalten konnte, weil ich schnell zickig, ausfallend oder abweisend werden konnte, aber in dem Fall wäre mir das nicht besonders schwer gefallen. Es war nun mal einfach so, dass der Blonde sich ein Recht rausgenommen hatte, welches ich ihm definitiv noch nicht zugeschrieben hatte und daraufhin war dann der automatische Verteidigungsmechanismus in meinem Kopf angesprungen. Mehr gab es da nicht zu sagen und wenn er dann noch der Meinung gewesen wäre, mit mir diskutieren zu müssen... na ja, dann beschwor er damit quasi die negativen Verhaltensmuster herauf. Aber genug davon, ich ließ den jungen Mann aufgrund der Verarbeitung meines inneren Ärgers sowieso schon viel zu lange warten. Und so rollte ich schließlich etwas genervt mit den Augen, während ich parallel dazu langsam den Kopf schüttelte. "Dass er dich hasst, kann man ihm ja wohl kaum verübeln. Du hast vermeintlich grundlos auf seinen besten Freund eingestochen.", stellte ich eingangs relativ leise, gemurmelt fest, weil ich ja eigentlich wusste, dass es eben nicht grundlos gewesen war und ich das durchaus hätte klarstellen können. Nichtsdestotrotz war das erst einmal Stand der Dinge, ob Tauren das nun verstehen wollte oder nicht. "Aber ich gehe nicht davon aus, dass er dich abstehen oder dir anderweitig auflauern wird. Ich hab noch sehr ausführliche Gespräche mit ihm geführt, was auch der Grund dafür ist, dass ich erst so spät hier war. Ich habe nicht einen einzigen Moment lang darüber nachgedacht, bei ihm zu bleiben, wollte aber genau solchen Aktionen vorbeugen. Und ich denke nicht, dass du es ihm wert bist, den letzten lebenden Teil seiner Familie zu verlieren.", mutmaßte ich, dass Iljah vermutlich nicht dumm genug sein würde, ihm bei einem der Treffen in irgendeiner Art wehtun zu wollen, weil ich ihm überdeutlich klargemacht hatte, dass mir der norwegische Schönling nun mal einfach verdammt wichtig war. Und ich es ihm deshalb niemals verzeihen würde, wenn er ihm etwas antäte. Ich ergänzte die Mutmaßung, die ich viel eher schon als einen Fakt betiteln würde, anschließend noch um eine Entschuldigung für meine Verspätung, wobei eine für mein vorheriges Verhalten sicher angemessener gewesen wäre. Als ich auf den letzten Teil von Taurens giftigen Worten reagierte, stieß ich mich allerdings doch vom Türrahmen ab und steuerte auf den jungen Mann zu. "Was soll das, Tauren? Du tust gerade so, als würde ich jeden Menschen, der mir etwas antut, grundsätzlich in Schutz nehmen wollen, nur um meine eigene Haut zu retten, aber das ist nicht wahr. Du hattest nur einfach nicht das Recht dazu, diese Offenbarung für mich zu übernehmen, verdammt nochmal. Zu dem Zeitpunkt war alles unter Kontrolle und du kannst mich nicht einfach zu etwas drängen, über das ich zu reden einfach noch nicht bereit bin!", sprudelte es förmlich aus mir heraus, obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, heute nicht weiter darauf eingehen zu wollen. Leider kannte mich der Norweger nur viel zu gut, als dass er nicht wusste, welche Knöpfe er drücken musste, um zumindest in Hinsicht auf Diskussionen noch eine Antwort von mir zu bekommen. Ich unterstrich fast jedes dieser Worte dabei mit einer vielsagenden Geste der Hand und blieb letztlich mit etwa einem Meter Abstand zu dem jungen Mann stehen, um ihn mit einer Mischung aus Unverständnis, Fassungslosigkeit und Verzweiflung anzusehen. Natürlich war das nicht die feine, englische Art gewesen, mit der ich ihm das klargemacht hatte, aber konnte er sich denn nicht auch ein kleines bisschen in meine Situation hineinversetzen?
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Schon das Augenrollen der Russin stieß mir sauer auf, aber als sie dann nach einer schier endlos langen Zeit auch endlich mal ein paar Worte zu der Sache sagte, konnte ich nicht anders als mit einem Schnauben den Kopf zu schütteln. Letzterer blieb dann auch für einige Sekunden lang in einer von der jungen Frau abgewendeten, seitlichen Position, als wegen all meinem Ärger über ihr Verhalten ein leichtes Stechen in meiner Brust einsetzte. Vergleichbar wohl mit sowas wie Seitenstechen, nur eben auf Höhe des Herzens und gefühlsbedingt. Es machte mich einfach so wahnsinnig sauer, dass sie die Situation so, wie sie gerade war, als okay einzustufen schien. "Ja, genau das ist der springende Punkt - vermeintlich.", stocherte ich noch weiter in dieser Sache herum, weil sie mir einfach unheimlich quer im Magen lag. Wenn man mich fragte, dann hatte ich dazu aber auch jedes erdenkliche Recht der Welt. Wäre Iljah nicht mit einem scheinbar relativ dehnbaren Geduldsfaden gesegnet, sondern eher Kategorie Hunter, dann hätte mein lebloser Körper schon nach dem Statement seiner jüngeren Schwester den Boden geküsst. Natürlich konnte sie ihn was das anging wesentlich besser einschätzen als ich selbst, weil sie ihn nicht weniger als schon ihr gesamtes Leben kannte, aber wenn es eben um seinen besten Freund ging war die Sache schonmal grundlegend heikler, als wenn es sich beispielsweise lediglich um irgendeinen x-beliebigen Untergebenen handeln würde. Das einzig Positive, das die Brünette mir im Folgenden noch vermittelte, war, dass ihr Bruder scheinbar eher nicht dazu tendieren würde mir doch noch den Garaus zu machen. Wohl hauptsächlich aus dem Grund, dass sie ihm überdeutlich klargemacht zu haben schien, dass sie das nicht wollte. Auch das war eine Sache, die mich vermutlich freuen oder mich darin bestätigen sollte, dass Vahagn etwas an mir lag und trotzdem konnte das die aktuellen Umstände nur wenig bis gar nicht mildern. Es führte lediglich dazu, dass ich meinen Kopf wieder in ihre Richtung drehte und sie ziemlich genauso ansah wie zuvor auch schon - genervt, verletzt, betrunken. "Hoffen wir das für alle Beteiligten... ich werd' nämlich ganz bestimmt nicht mehr allein rausgehen.", erwiderte ich also lediglich ein paar ironische Worte dazu ab, die reichlich trocken meine Kehle hochkamen. Das war keine Drohung, sondern lediglich eine Feststellung. Ich würde mich davor hüten Iljah etwas zu tun. Auch dann, wenn er mir nochmal eine Pistole an den Schädel oder stattdessen ein Messer an den Hals hielt. Schließlich war er trotz allem Vahagns Bruder und ich wollte ihr weiß Gott nicht ihren letzten familiären Anhang nehmen. Aber ich musste eben in Hunters Interesse handeln und das besagte eindeutig, dass alle lebend zurück nach Kuba kamen und auch auf russischem Boden kein Geschäftspartner starb. Nur sollte sich letzterer eben doch dazu entscheiden mich umzulegen, machte er selbst es nur unwahrscheinlich noch lange, stufte er sich damit doch ganz automatisch als Freiwild ein. Es täten also alle Parteien gut daran sich für den Rest des Aufenthalts noch zusammenzureißen und den Amerikaner bei meiner Rückkehr selbst den Richter spielen zu lassen. Das war wohl auch das einzige Urteil, vor dem ich mich ein Stück weit fürchtete. Natürlich war es reichlich suboptimal, dass ausgerechnet der Bruder meiner Freundin nun Hass in meine Richtung verspürte, aber damit konnte ich besser leben als mit abgetrennten Körperteilen oder dergleichen. Ich konnte leider so gar nicht einschätzen, inwieweit sich Hunters Zorn dieses Mal äußern würde. "Was das soll? Ist das gerade wirklich eine ernst gemeinte Frage?", knurrte ich ziemlich bald, nachdem die Russin ihre letzten Worte losgeworden war, zwei rhetorische Fragen in ihre Richtung und knallte dabei die Wasserflasche zurück auf die Kücheninsel neben mir. An sich war das aber gar nicht besonders laut, weil es sich lediglich um eine Plastikflasche handelte. War wohl auch gut so, weil ich trotz meines benebelten Zustands reichlich viel Kraft in das Abstellen der Flasche investierte und das bei einer Glasflasche sicherlich in einigen Scherben und einer blutigen Hand geendet wäre. "Mag sein, dass es nicht meine Entscheidung sein sollte, wann du mit der Sprache rausrückst... aber eine bessere Gelegenheit als die wirst du nie mehr kriegen. Wie lang willst du denn noch warten? Bis wir alle steinalt sind und dann darüber lachen können? Also alle, außer Michail natürlich... und mir, weil ich nicht weiß, was genau Hunter jetzt eigentlich als meine Strafe in Betracht zieht. Also hey, vielleicht hat sich das Ganze dann sowieso für mich erledigt, wenn er mir nicht glaubt.", bezog ich mich erst einmal auf diesen Teil ihrer Worte, wobei stellenweise natürlich reichlich Sarkasmus gepaart mit Zynismus mitschwang. Wieso sollte ihr Iljah jetzt auch überhaupt noch seinen Glauben schenken, nachdem sie selbst in dieser absolut akuten Situation vehement abgestritten hatte, was passiert war? Ich an seiner Stelle täte mir da ja schon etwas schwer. Für die kommenden Tage würde es ja sogar auch reichen, wenn sie einfach nur Hunter gestand was wirklich passiert war, damit er mich verschonte. Natürlich hatte sie zu dem Amerikaner absolut keinen positiven Bezug, aber Hunter war schlicht und ergreifend so ziemlich der letzte Mensch, der sich für die familiären oder beziehungstechnischen Probleme anderer Leute interessierte. Außerdem hatte er selbst ja einen sehr strikten Loyalitäts- und Ehrenkodex, was ihn vor sämtlichem Getratsche ohnehin abhielt. Trotzdem würde die Brünette mir diesen Gefallen wohl kaum tun, wo sie sich damit doch angeblich nur wieder verletzlich machen würde oder was auch immer nun der Grund dafür sein sollte. Ich hatte die Flasche bis jetzt nicht losgelassen und zog sie das letzte Stück über die Theke mit mir mit, als ich mich in Bewegung setzte und zu Vahagn aufschloss. Einfach nur, um ihr die folgenden Worte absolut unmissverständlich und direkt ins Gesicht sagen zu können. "Wie willst du jemals voll hinter mir stehen können, wenn du nicht mal hinter dir selbst stehen kannst?", wurde ich ein paar letzte, auf ungute Weise deutlich ruhigere und hörbar von emotionalem Schmerz geprägte Worte an sie los, kaum war ich unweit vor ihr zum Stehen gekommen. Sah sie danach auch noch einen Moment lang sehr eindringlich an, bevor ich mich an ihr vorbei durch den Türrahmen schob.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wie ich es bereits geahnt hatte, eskalierte das Gespräch daraufhin natürlich in eine ziemlich unschöne Richtung. Mir stand nach wie vor nicht unbedingt der Sinn nach Streit, aber wenn Tauren es unbedingt darauf anlegen wollte, würde ich mich mit der Verteidigung meiner Wenigkeit natürlich nicht zurückhalten. Dabei sollte ich es vermutlich besser wissen und mich auf keinerlei Diskussionen mit einem Betrunkenen einlassen, weil das schlichtweg zu nichts führte. Das Nervengift ließ den Norweger überdurchschnittlich emotional werden und unter den Umständen noch rational denken zu können war nahezu unmöglich. Aber auch ich war inzwischen verletzt, was mitunter sicher einer der Gründe dafür war, warum ich mir das Gesagte des jungen Mannes nicht einfach stillschweigen zu Herzen nahm, sondern fast schon empört auf seine Aussagen reagierte. Gut, dass er keinen Fuß mehr alleine vor die Tür setzen wollte war mir ehrlich gesagt relativ egal. Sollte er das ruhig tun, wenn er sich damit sicherer fühlte, solange er eben nicht die Intention pflegte, Iljah präventiv aus dem Weg zu räumen. Aber ich ging jetzt einfach mal nicht davon aus, weil ihm bewusst sein dürfte, dass keine Entschuldigung der Welt den Mord an meinem Bruder jemals wieder wett machen würde. Meine Liebe zu ihm - wenn man das denn jetzt eigentlich so nennen konnte -, würde von jetzt auf gleich in tiefgründigen Hass umschlagen und wenn er mir nicht mit einem sehr gezielten Schuss oder einem Messerstich zuvor kam, dann würde ich ihn über die ganze, beschissene Erdkugel verfolgen, um Iljahs Tod zu rächen - und wenn es das letzte war, was ich tun würde. Woran ich mich viel eher störte war, dass er scheinbar immer noch nicht begreifen wollte, dass es mir egal war, wie gut welch verdammte Situation doch war, um mit der Sprache herauszurücken - ich wollte es ganz einfach nicht! Ich war über die Jahre hinweg sehr gut damit klargekommen, Michail einfach zu ignorieren und auf Abstand zu halten. Erst, seitdem ich Tauren kannte und ihm erzählt hatte, was damals vorgefallen war, machte mir die Nähe des Weißrussen Probleme. Ich wollte dem jungen Mann zwar nicht unterstellen, dass er aufgrund seiner Sorge um mich daran Schuld war, aber... doch, eigentlich war er das. "Ich hätte dir das einfach niemals erzählen dürfen. Das war einfach nur bescheuert.", stellte ich hörbar entnervt fest, dass ich in meinen Augen selbst Schuld daran war, dass sich die ganze Situation derart hochgeschaukelt hatte. Währenddessen rieb ich mir sichtlich angestrengt mit einer Hand über das Gesicht. Hätte der Norweger nicht von Anfang an ein solch negatives Bild von Michail gehabt, dann wäre er sehr wahrscheinlich nicht direkt mit einem Messer auf ihn losgegangen, sondern hätte es bei einer Faust in den Magen oder in das Gesicht des Brünetten belassen. Allgemein wäre die Auseinandersetzung nicht derart eskaliert, wie es letztlich der Fall gewesen war. Als Tauren dann auf eine eventuelle Strafe seitens Hunter zu sprechen kam, wurde ich dann aber doch noch einmal kurz still. Daran hatte ich nämlich überhaupt nicht gedacht, als ich dem Russen gegenüber geäußert hatte, dass mir der Grund für den Ausraster des Blonden absolut schleierhaft gewesen war, aber nun... ändern ließ sich das jetzt leider nicht mehr. "Hör' auf, so etwas zu sagen.", forderte ich zähneknirschend und mit den Emotionen kämpfend, weil ich mit solchen Äußerungen gerade im Bezug auf Hunter äußerst vorsichtig war. Es war dem Amerikaner nämlich durchaus zuzutrauen, dass er seinen Schützling, auch wenn dieser inzwischen einen etwas höherwertigen Posten bezogen hatte, einfach mal so aus dem Weg räumte, wenn ihm etwas nicht passte und einen Geschäftspartner zu verärgern war für den cholerischen Geschäftsmann wohl kaum ein Bagatelldelikt. Ich wollte also gar nicht daran denken, was Tauren widerfahren würde, wenn wir wieder nach Kuba zurückreisten, weshalb ich kurze Zeit später auch für ein paar Sekunden die Augen schloss, um die unschönen Gedanken zurück in ihre Kiste zu werfen und jene unter das Bett zu befördern. Als ich die Lider wieder aufschlug, stand der junge Mann plötzlich vor mir. Ich blinzelte ihn kurzzeitig etwas perplex an, weil ich ihn gar nicht gehört hatte. Vielleicht lag es aber auch einfach an den paar letzten Worten, die er mir noch an den Kopf knallte, bevor er mich schließlich alleine in der Küche zurückließ. Es brauchte für meine Verhältnisse doch ziemlich lange, bis in meinem Oberstübchen ankam, was er mir damit sagen wollte, aber sobald ich verstanden hatte, drehte ich mich unverzüglich in seine Richtung, um zu ihm aufzuschließen. Dieses Mal würde er mich nicht einfach so im Regen stehenlassen. Dieses Mal hatte er hierzubleiben und nicht einfach abzuhauen. Meine Schritte waren also zum einen sehr groß und außerdem zügig, damit ich Tauren noch mittig im Wohnbereich der Suite stehend am Handgelenk packen und zum Anhalten zwingen konnte. "Du haust jetzt nicht schon wieder einfach ab!", fauchte ich ihn an, ließ ihn dabei auch noch nicht wieder los, weil ich inzwischen nicht nur verletzt, sondern auch absolut sauer war. "Was interessiert es dich, welche Geheimnisse ich mit ins Grab nehme oder nicht? Ich habe die ganzen letzten Jahre damit zu leben gelernt und dann rutscht mir dir gegenüber einmal ein brisantes Detail meiner Vergangenheit heraus und du reitest dich damit selbst und mich gleich mit geradewegs in die Scheiße! Wenn du einfach akzeptieren würdest, dass es Dinge gibt, die ich gerne in mich hinein fresse, weil ich damit niemanden außer mir schaden möchte, dann könnte ich auch voll hinter dir stehen und müsste dir nicht in den Rücken fallen. Aber für die Zukunft - wenn es denn noch eine gibt, wie du so schön sagtest -, werde ich den harten Scheiß ganz einfach weiterhin für mich behalten. Ich sehe ja, wohin das führt, wenn ich nicht einfach in der Gegenwart, sondern wegen irgendwelchen Erzählungen in der Vergangenheit lebe.", ließ ich ihn an meinen sich überschlagenen Gedankengängen teilhaben, weil ich gerade kaum noch an mich halten konnte. Seine Uneinsichtigkeit machte mich einfach unglaublich wütend und da wunderte er sich wirklich noch, warum meine Laune zeitweise so in den Keller rasselte? Alles was ich inoffiziell von ihm verlangt hatte war, dass er sich Michail gegenüber zusammenriss, bis wir wieder in den Flieger gestiegen waren. Wäre er dieser eigentlich recht simplen Bitte nachgekommen, dann hätte es in meinen Augen auch keinerlei Probleme gegeben.
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Nein, das würde ich nicht. Zumindest solange ich noch verhältnismäßig stark betrunken war, war an Einsicht oder Zurückhaltung meinerseits wahrscheinlich nur wenig bis gar nicht zu denken und dementsprechend würde ich vermutlich alles sagen, was mir spontan in den Sinn kam, weil es mir auf dem Herzen lag. Das Nervengift machte auf seine ganze eigene Art und Weise ein Stück weit blind und verschonte natürlich auch mich kein bisschen davon. Vahagn als eine Person in meiner unmittelbaren Nähe und noch dazu mehr oder minder als Ursprung allen Übels natürlich genauso wenig. Sie würde also zumindest heute noch damit klarkommen müssen, dass meine Zunge deutlich schneller war als mein Hirn - letzteres fühlte sich durch den Alkohol schließlich zu Aussagen beflügelt, die ich sonst niemals getroffen hätte. Allerdings war der Alkohol leider nicht dazu bereit meine Emotionen zu betäuben, was in den folgenden Sekunden deutlich wichtiger als das Einschränken meiner Denkfähigkeit gewesen wäre. Denn was die Russin mir an den Kopf schmiss, kaum dass sie zu mir aufgeschlossen und mich gebremst hatte, hatte es nochmal in sich. Es war kein großes Geheimnis, dass der Panzer um mein sensibles Herz weit dünner war, als er es bei meiner Art von Berufstätigkeit sein sollte. Dass er auch in Hinsicht auf innige Gefühle zu einer anderen Person nicht dicker war, war demnach wohl überflüssig zu erwähnen und es tat einfach weh, dass die Brünette es tatsächlich für die bessere Wahl hielt, sich mir gegenüber ein Stück weit zu verschließen. Dabei sollte es doch gerade in einer Beziehung genau andersherum sein - man hatte einen Partner, der mit einem durch dick und dünn gehen sollte, schließlich nicht an seiner Seite, um dann etliche Geheimnisse vor ihm oder ihr zu haben. Man sollte keine Angst davor haben müssen, dass man falsch damit liegen könnte dem Anderen seine Probleme und Sorgen anzuvertrauen. Ich wusste wirklich nicht, inwieweit ich damit leben können würde, wenn ich merkte, dass die junge Frau etwas mit sich herumschleppte und es mir nur nicht sagte, weil ich mich nicht einmischen sollte oder sie Angst davor hatte ich könnte sie nicht verstehen. Das tat mindestens genauso weh wie das Messer, dass sie mir vor ein paar Stunden schwungvoll in den Rücken gerammt hatte. Ich sah sie nicht an, während sie redete. Hatte mich ihr noch immer nicht wieder richtig zugewendet und umklammerte die Flasche fester, je länger Vahagn damit beschäftigt war mir einzubläuen, dass sie mir zukünftig gewisse Dinge einfach verschweigen würde. Ich mahlte auch sichtbar mit dem Kiefer, während ich den Kloß, der sich langsam in meinem Hals zu bilden vermochte, runterzuschlucken versuchte. Ich neigte wohl ganz allgemein mehr dazu Tränen zuzulassen, als das die meisten anderen Männer in meinem Umfeld taten. Allein schon deshalb, weil sie das ja verwundbarer und weicher erscheinen ließ, was mir persönlich ganz einfach am Arsch vorbeiging. Ich war zwar nicht unnormal nah am Wasser gebaut - sonst hätte ich bei den ab und an sehr unschönen Auseinandersetzungen mit Vahagn ja durchaus schon öfter geheult -, aber der Alkohol leistete meinem Körper in der Gefühlsverstärkung zum jetzigen Zeitpunkt einwandfreie Unterstützung. Deshalb stiegen mir auch ein paar Tränen in die müden Augen und ich schloss jene für ein paar Sekunden lang, als die Russin mit ihrer überaus netten Ansprache fertig war. Atmete dann im Anschluss einmal etwas tiefer durch. Weniger, um mich zu beruhigen und deutlich mehr, um das stille Heulen noch im Keim zu ersticken. Ich hatte mich bis jetzt noch nicht wirklich bis zu ihr umgedreht und tat das erst jetzt, als ich das Gefühl hatte, dass ich die Tränen im Griff hatte. Sie waren noch immer da und spiegelten sich unvermeidlich in den glasigen Augen wieder, aber sie blieben zumindest an Ort und Stelle, als ich Vahagn schließlich durch den dünnen Tränenschleier hinweg direkt ansah. "Was es mich interessiert? Ich liebe dich, Vahagn. Mich interessiert jedes noch so winzige Detail, das mit dir zu tun hat. Lieber sitze ich bis zum Hals in der Scheiße, als mich dafür zu entschuldigen das einzige zu beschützen, das mir wirklich etwas bedeutet. Es ist mir egal, ob du das anders siehst... ich sterbe lieber mit der Gewissheit, dass dieses Stück Scheiße dich nie wieder anfasst, als ihn weiter atmen zu lassen. Nur weil du schon irgendwie damit leben kannst, heißt das nicht, dass das der beste Weg für Alle ist." Meine Stimme war deutlich ruhiger, auch ein wenig leiser als vorher. Sie klang nicht direkt brüchig, an manchen Stellen aber doch etwas dünner als vorher. Ich hatte wirklich nicht vorgehabt, die L-Bombe hier und heute unter diesen Umständen platzen zu lassen, weil es ungefähr eine Milliarde günstigerer Umstände dafür gab. Deutlich lieber hätte ich ihr das gegen Ende eines schönen Wochenendausflugs oder Ähnlichem gesagt, eben einfach in einem durchweg guten und von positiven Gefühlen gelenkten Moment, aber auch an dieser Stelle riss der Alkohol die Kontrolle an sich. Ich wollte in diesem Moment nichts mehr, als dass Vahagn Wort für Wort hörte, warum das Messer in meinem Rücken überhaupt so unsagbar wehtat. Sie war schließlich bei weitem nicht die erste Person, die mir im Verlauf meines Lebens aus welchen Gründen auch immer den Rücken zuwendete und die Augen zumachte, wenn das Gewitter über mir losbrach. Die wenigstens davon hatte ich geliebt - höchstens wie einen Bruder, aber das war nun wirklich nicht vergleichbar mit der Art von Liebe, die ich für die Brünette empfand. In den meisten Fällen ließ mich die immer intensiver werdende Bindung zu ihr eher stärker werden und erhellte meine Stimmung. Sie bereicherte mein Leben mit vielen Kleinigkeiten, aber hier und jetzt zeigte sie mir die bittere Schattenseite davon sie meine Freundin nennen zu können. Dementsprechend niedergeschlagen und gekränkt sah ich sie jetzt auch noch einen Moment lang an, bevor sich mein Blick auf mein Handgelenk senkte, das sie noch immer mit ihren Fingern umklammerte. Ich würde mich nicht einfach stumpf von ihr losreißen, weil auch das schlichtweg nicht meine Art war. Ich erlag stattdessen einfach den erdrückenden, mich förmlich erstickenden Emotionen und saß sie aus, statt mich loszureißen oder mich erneut mit lauten Worten an die Russin zu wenden. Ich hatte jetzt ziemlich offensichtlich genug für heute und deshalb war der Blick nach unten auf unsere Hände wohl eine vollkommen stumme Bitte darum, mich für heute freizulassen, wenn sie mir nichts zu sagen hatte, das meine Mundwinkel wieder nach oben biegen konnte. Dass wir uns hier nicht einig werden würden war inzwischen selbst für mein in Nervengift getränktes Gehirn offensichtlich.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es wäre vermutlich für alle Parteien das absolut beste gewesen, wenn Tauren und ich dieser Beziehung zwischen uns niemals auch nur den Hauch einer Chance gegeben hätten. Rückblickend betrachtet wäre mir nämlich einiges an Ärger erspart geblieben und dem Norweger vermutlich auch. Wären wir nach der Deportierung einfach getrennte Wege gegangen, so wie das ursprünglich auch der Plan gewesen war, dann hätte mich Iljah nach dem Attentat auf die Firma in Italien zwar ganz sicher mit nach Russland geschleppt, wo ich während der Zeit als Invalide mit ziemlicher Sicherheit unter Michail gelitten hätte, aber immerhin wäre der Norweger fein raus aus der Sache gewesen. Hätte sein viel zu gutes Herz nicht an psychisches Wrack wie mich verloren, sondern wäre im Verlauf seines Lebens vielleicht irgendwann glücklich geworden. Mit einer Frau, für die sein Doppelleben keine Rolle spielte, die ihn aufrichtig liebte und ihm das vor allem auch regelmäßig zeigte, anstatt sich rund um die Uhr nur wie ein egoistisches Trampeltier aufzuführen. Stattdessen hatte ich all das, was ihm potenziell gutgetan und ihn glücklich gemacht hätte mit nur einem Anruf durch meinen Bruder zunichte gemacht und das wurde mir klar, als Tauren sich langsam zu mir herumdrehte und ich durch seine glasigen Augen geradewegs in die geschundene Seele schauen konnte. Die Tatsache allein, dass nicht mehr viel fehlte, bis sämtliche Dämme brechen würden, ließ schon darauf schließen, dass er nachfolgende Worte nur ernst meinen konnte und doch wollte ich es irgendwie nicht glauben. Vielleicht konnte ich aber auch einfach nur nicht verstehen, wie er nach all der ganzen Scheiße, durch die ich ihn hatte waten lassen immer noch so etwas wie Liebe für mich empfand. Im Grunde genommen zeigte ich ihm bereits sehr mehreren Wochen durchgehend eine meiner nicht besonders liebenswerten Seiten und trotzdem schien er sich mit der Aussage wirklich sicher zu sein. Der Alkohol vermochte dahingehend zwar auch relativ gute Dienste zu leisten und seine Zunge locker werden zu lassen, aber ich zweifelte zu keiner Sekunde daran, dass Tauren nicht wirklich ernst meinte, was er da sagte. Dafür verhielt er sich der Situation entsprechend einfach zu... echt. Wirkte nicht so, als würde er das einfach nur so daher sagen, um mich gezielt zu beeinflussen und dazu zu bewegen, sein Handgelenk endlich loszulassen. Denn als mein Fokus nicht mehr darauf lag, ihn festzuhalten, sondern die sichtlich geknickten Gesichtszüge des jungen Mannes zu mustern, blieb er trotzdem stehen, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, seine Hand einfach wieder zu sich zu nehmen, nachdem fast sämtliche Kraft aus meinen Finger gewichen war. Vollkommen überfordert mit der L-Bombe und auch dem Rest seiner Offenbarung sah ich Tauren an und hätte am liebsten laut losgeheult. Warum genau wusste ich natürlich nicht, aber in meinen Augen gab es unzählige Gründe dafür und alles in allem ließ sich wohl sagen, dass mir danach gerade ganz einfach der Sinn stand. Zumindest, wenn man das verkrüppelte Teil in meiner Brust fragte. Aber so wie es aktuell aussah, war ich wohl in eine Art Schockstarre verfallen, in der ich mich weder bewegen konnte, noch anderweitig auf äußere Einflüsse reagierte, während sich die Worte des Norwegers immer und immer wieder von neu abspielten. So lange, bis ich irgendwann wortlos sein Handgelenk los ließ und einen Schritt nach hinten machte. Ich hoffte wohl, dass mir das dabei helfen könnte, mich im Geiste zu sortieren, aber das würde heute sehr wahrscheinlich nicht mehr passieren. Dafür rasten meine Gedanken einfach viel zu sehr, als dass sie sich wirklich ordnen ließen. Ehrlich gesagt wusste ich aber auch nicht so recht, was ich jetzt als Antwort auf meine Frage eigentlich erwartet hatte. Irgendeine an den Haaren herbeigezogene Ausrede, die erklären würde, warum sich jemand freiwillig den ganzen Scheiß anhören wollte, der mir in der Vergangenheit widerfahren war? Wohl kaum. Irgendein Hinterhalt, den er auf Grundlage meiner Ängste und Sorgen aus vergangenen Tagen plante? Auch eher unwahrscheinlich, absolut untypisch für Tauren, der doch lieber mit offenen Karten spielte. Demnach konnte es nur noch Liebe sein, die ihn dazu trieb, sich von mir mental derart knechten zu lassen, dass er selbst Stück für Stück daran zerbrach und das... tat einfach weh. Mir war von Anfang an klar gewesen, dass sich der junge Mann bloß die Zähne an mir ausbeißen würde, weil ich de facto nun mal einfach eine absolut unausstehliche Persönlichkeit hatte, die sich auch kaum mehr ändern würde, aber ich hätte nie gedacht, dass das Leid eines anderen mir irgendwann mal einen derart schmerzhaften Stich versetzen würde, dass es mir gefühlt den Boden unter den Füßen raubte. Genau das war jedoch gerade der Fall und ich war so verunsichert, wie schon lange nicht mehr, weshalb ich mich schließlich noch mit zwei, drei weiteren Schritten von dem deprimierten Tätowierten entfernte, so als würde die Distanz irgendwie dabei helfen, zu verstehen, was da gerade in mir vorging. Auf der einen Seite wollte ich Tauren sehr gerne von mir stoßen, weil er augenscheinlich primär der Grund dafür war, warum ich gerade seelischen Schmerz empfand, andererseits sehnte ich jetzt mehr denn je nach den kräftigen Armen, die mich einfach nur an seiner Brust halten würden, weil... ja, weil ich ihn irgendwie eigentlich auch liebte, oder? Ich wusste es nicht genau, fühlte sich Liebe inzwischen so an? Die Gefühle für Michail hatten sich damals jedenfalls anders angefühlt, so viel war sicher, aber hatten sie sich besser oder schlechter angefühlt, als das, was ich jetzt verspürte? Schlechter... da war ich mir sicher. Das hier war anders. Seltsam und für mich aktuell auch nicht nachvollziehbar, aber irgendwie besser. "Ich... das...", stammelte ich wirsch vor mich hin, weil das Sprachzentrum in meinem Gehirn gerade offenbar einen Aussetzer hatte. "Vielleicht solltest du das lieber lassen... ich glaube nicht...", ja, was glaubte ich denn nicht? Dass ihm das guttun würde? Das war schließlich offensichtlich, er litt ja jetzt schon maßgeblich unter mir. Aber faktisch bekam ich gerade wohl auch kaum einen ganzen Satz zustande, weil ich einfach nicht wusste, was ich darauf am ehesten hätte antworten sollen. War ich denn schon bereit dafür, einfach zu erwidern, dass ich ihn ebenfalls liebte? Nichts anderes war offensichtlich der Fall, weil es mich sonst wohl kaum derart mitnehmen würde, den Blonden einfach nur wegen meiner Taten leiden zu sehen.
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Es schien einer der seltenen Momente einzutreten, in denen Vahagn wirklich die Worte fehlten. Zuerst brauchte sie schon eine ganze Weile dazu sich überhaupt wieder zu bewegen und selbst nachdem sie mein Handgelenk dann final freigegeben hatte, suchte sie erst noch einen Augenblick lang nach ein paar Worten. Die Distanz, die sie zu mir aufzubauen begann, sorgte nur bedingt bis eher gar nicht dafür, dass ich mich besser fühlte und der Brünetten selbst schien sie auch nicht maßgeblich zu helfen. Viel mehr als einen perplexen Gesichtsausdruck und ein paar eher wirre Worte mit verhältnismäßig wenig Inhalt bekam ich nämlich auch dann nicht von ihr, als meine Worte bereits etwas zurücklagen und sie sich ein Stück weit von mir entfernt hatte. Ich war mir auch wirklich nicht sicher, was mir gerade lieber war. Dass sie von mir wegblieb, weil der von ihr verursachte Schmerz ganz einfach sehr tief saß und damit wir uns in keinem Fall weiterhin stritten? Oder doch eher, dass sie mir wieder näher kam und damit zumindest ein winziges Signal dafür an mich sendete, dass sie es nicht grundlegend für schlecht hielt, dass ich so für sie fühlte? Irgendwie alles zusammen. Einerseits hätte ich aufgrund all der negativen Gefühle in meiner Brust und auch in meiner Magenregion gerade schon gerne etwas Freiraum, um mich zu beruhigen. Andererseits wollte ich aber auch nicht, dass die Brünette sich weiter von mir distanzierte oder gar das Hotel wieder verließ, um der Situation zu entfliehen. Deshalb beschloss ich selbst kurzum ihr den offenbar vorübergehend notwendigen Freiraum zu geben, erwiderte zuerst aber doch noch ein paar Worte. "Das hör ich nicht gerade zum ersten Mal und trotzdem stehe ich jetzt hier, also...", gab ich lediglich noch gemurmelt ein paar Worte von mir und schluckte dann erneut, weil der Kloß in meinem Rachen sich noch immer nicht wirklich dezimieren wollten. Es folgte noch ein schwaches, kaum sichtbares Schulterzucken, weil mir nach dieser Diskussion selbst dafür die Energie zu fehlen schien, bevor ich mich langsam umdrehte und den ursprünglich von mir angepeilten Weg ins Schlafzimmer anzupeilen. Der Bereich, in dem sich das fast schon überdimensional große Bett befand, war lediglich durch ein paar Meter Wand vom Hauptbereich abgegrenzt und so durchschritt ich das offen gelassene Stück mit müden Schritten. Vahagn schien so oder so eine kleine Weile zu brauchen, um sich ein bisschen zu sammeln, also würde sie auch ein paar Minuten ohne mich kriegen. Ich öffnete die bereits angebrochene Flasche noch einmal kurz bevor ich neben dem Bett zum stehen kam und nahm dann noch ein paar Schlucke. Verlor mich daraufhin kurzzeitig in der Glasfront, die unter dem Licht hier drinnen meine eigene Gestalt bis zu einem gewissen Grad abzeichnete. Nur wollte ich die eigentlich gar nicht sehen, hatte ich sicher schon lange nicht mehr so kaputt und fertig ausgesehen wie jetzt in diesem Moment. Deshalb wanderte die Wasserflasche auf den am Kopfendes des Betts integrierten Nachttisch, bevor mich meine Füße für das Einsammeln der Utensilien fürs Badezimmer zuerst zu meiner Tasche und dann weiter bis ins Bad direkt nebenan trugen. Das war lediglich durch eine doppelte Milchglastür vom Schlafbereich abgetrennt und in seiner Größe nicht wesentlich kleiner als der Schlafbereich. Das lag wohl allein daran, dass sich die Hälfte des Raumes als Spa-Bereich entpuppte, der sich hinter einer weiteren Teilwand aus Milchglas befand. Die kleine Sauna würde ich kaum nutzen, aber an den erhöhten Whirlpool mit Aussicht durch eine weitere Glasfront könnte ich mich schnell gewöhnen. Nachdem morgen Vormittag nicht per se irgendwelche Termine anstanden, außer mal am Bunker bei den Blüten vorbeizuschauen, würde ich wohl versuchen den Kater durch das blubbernde Wasser ein wenig erträglicher zu machen. Mich voraussichtlich insgesamt so wenig wie nur irgendwie möglich aus dem Hotelzimmer rollen, solange Hunter mir nichts anderes vorschrieb. Im Augenblick stand mir aber nach kaum mehr als nur noch ins Bett zu fallen der Sinn, weshalb ich mich jetzt lediglich mit einer knappen Abendroutine begnügen würde. Die Blase sollte mich die Nacht über nicht terrorisieren und ich sollte mir zumindest noch flüchtig die Zähne putzen, damit ich wegen des Alkohols morgen früh nicht durch meinen eigenen Mundgeruch rückwärts aus dem Bett fiel. Außerdem wusch ich mir eine kleine Weile lang mit kaltem Wasser das Gesicht, was einfach nur dem Zweck diente meinen Kopf wieder minimal klarer werden zu lassen. Wirklich geradeaus und bewusst denken ging zweifelsfrei erst morgen wieder, aber das kalte Wasser schaffte es zumindest auch das letzte bisschen an Tränen zu eliminieren und ließ mich etwas ruhiger als vorher zurück, nachdem ich mir das Gesicht abgetrocknet hatte. Meine Gemütslage war weiterhin weit davon entfernt sich als entspannt oder sehr stabil betiteln zu lassen, aber solange nicht noch weitere Partien Streit folgten sollte ich wohl irgendwie schlafen können. Vermutlich hauptsächlich wegen dem Alkohol, aber der Grund war mir letztlich wohl egal. Hauptsache ich musste mich selbst nicht mehr zu lange in diesem miserablen Zustand aushalten. Die Füße trugen mich aus dem Badezimmer und ich zögerte nach dem Passieren jener Doppeltür nicht wirklich lange damit, mich nach und nach aus den Klamotten zu schälen. Das Shirt - ein bis auf zwei oder drei Tropfen Alkohol sauberes, hatte ich das blutverschmierte doch vorhin noch beiläufig gewechselt - zog ich noch im Stehen aus, für die Jeans und die Socken setzte ich mich dann aber doch lieber auf die Bettkante, weil ich meinem Gleichgewichtssinn in meinem jetzigen Zustand nicht mehr über den Weg traute. Die Klamotten lagen schlussendlich wohl überall ein bisschen auf dem Boden verteilt, was mir gerade ziemlich am Arsch vorbeiging. Ich stand dann nur noch einmal auf, um die Vorhänge zuzuziehen, weil von der Straßenbeleuchtung und den umstehenden, teilweise ebenfalls relativ hohen Gebäuden sonst Licht ins Zimmer fiel. Außerdem wollte ich nicht von der Sonne geweckt werden, falls die hier ausgerechnet morgen scheinen wollte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mittlerweile wusste ich wieder, warum ich über die letzten Jahre immer sehr konsequent die Finger von langfristigen Beziehungen gelassen hatte. Zum einen war es nun mal ziemlich schwierig, jemanden zu finden, der meine schlechte Laune und den Rest meiner unzählig vielen geistigen Leiden länger als eine Woche ertrug und zum anderen war das mit den Gefühlen eben auch so ein Fall für sich. Ich hatte mich lange Zeit ziemlich vehement dagegen gesträubt, mir einzugestehen, dass ich tatsächlich etwas für den Norweger empfand und der heutige Tag hielt mir noch einmal sehr unmissverständlich vor Augen warum. Denn leider waren Gefühle nicht immer nur schön, wie man an dem aktuellen Beispiel ganz gut sehen konnte und so sehr einen die Hochzeiten einer Beziehung beflügeln konnten, riss es einem während der Tiefphasen förmlich den Boden unter den Füßen weg. So auch gedanklich das noble Echtholzlaminat, auf dem ich mir eine kleine Ewigkeit die Beine in den Bauch gestanden hatte, nachdem Tauren müden Schrittes in Richtung Schlafzimmer abgedampft war. Dieses Mal machte ich jedoch keinerlei Anstalten, ihm direkt zu folgen, weil ein paar Minuten Ruhe mir ganz sicher guttun würden. Zwar bezweifelte ich, dass sich das Gedankenkarussell heute noch aufhören würde zu drehen und an Schlaf brauchte ich nach der Aktion vermutlich auch nicht zu denken, aber eventuell würde mir die Stille ja trotzdem irgendwie dabei helfen können, die Auseinandersetzung von gerade eben zu verarbeiten. Nach etwa fünf Minuten, in denen ich einfach nur in die Leere gestarrt hatte, als könnte mir diese eine Antwort auf all die unzähligen Fragen in meinem Kopf liefern, entließ mich die Schockstarre endlich wieder aus ihren Fängen und ich atmete ein oder zwei Mal ganz tief durch, während ich dabei die angespannten Schultern kreisen ließ. Diese vermochten sich unter den Bewegungen zumindest ein kleines bisschen zu lockern, sodass ich nicht mehr ganz so versteift wirkte, als ich die gegenüberliegende Balkontür ansteuerte. Die Glasfront war nun kaum zu übersehen gewesen, die Aussicht dahinter überwältigend, auch wenn ich Moskaus Skyline schon das ein oder andere Mal gesehen hatte, aber es ging mir mehr um die frische Luft, die mich auf dem Balkon empfing, als um das Antlitz der Stadt bei Nacht. Nachdem etwa neunzig Prozent der Wohnzimmerwand aus Glas bestand, hätte ich natürlich auch einfach im Inneren des Zimmers stehenbleiben können, aber die kalte Nachtluft war wie Balsam für meinen angestrengten Geist. Lange draußen stehenbleiben konnte ich jedoch nicht, weil der Wind hier oben doch ziemlich eisig wehte - und ich Mantel, sowie Schuhe bereits abgelegt hatte -, aber selbst ein paar Minuten waren schon vollkommen ausreichend, um mich wider meiner eigenen Erwartung zumindest wieder etwas klarer denken zu lassen. Ich stolperte kurze Zeit später also wieder nach drinnen, wo mich eine angenehme Wärme empfing und ließ mich dort auf das, ebenso wie der Rest vom Raum, sehr luxuriöse Sofa fallen, weil ich gerade ganz einfach keine Lust mehr hatte, blöd in der Gegend herumzustehen. Meine Beine bedeckte ich kurzerhand mit der vom Hotel angebotenen, ebenfalls etwas hochwertigeren Fleecedecke, weil mir die Kälte von eben noch ein wenig in den Knochen hing und dann... tat ich eine weitere Zeit lang absolut gar nichts. Starrte wortlos in Richtung des Flachbildfernsehers, der gegenüber an der Wand befestigt war und überlegte zwischenzeitlich, ob ich mich nicht einfach durch ein bisschen kolossal dummes TV-Programm zappen sollte. Ich entschied mich allerdings dagegen und legte mich ohne irgendeine Art von Beschallung einfach hin. Zwar wäre die Matratze im eigentlichen Schlafzimmer der Suite sicherlich bequemer gewesen, aber weder hatte ich jetzt gerade Lust, noch einmal aufzustehen, noch war ich mir sicher, ob ich in Taurens Armen überhaupt hätte einschlafen können. So oder so würde ich mit letzterem Probleme haben. Ich war im Moment einfach nur maximal überfordert mit der ganzen Situation und wusste einfach nicht, wie ich mich jetzt am besten verhalten sollte. Einerseits schrie ein Teil von mir danach, einfach zu erwidern, dass ich ihn wohl inzwischen genau so liebte, wie er mich, aber andererseits hatte mich der Streit, beziehungsweise viel mehr der Anlass dessen wirklich verunsichert - mal ganz abgesehen davon, dass mir die Liebesbekundung vermutlich gar nicht so leicht über die Lippen gehen wollte. Dabei war es vollkommen scheißegal, wie oft ich mir einredete, dass er Iljah nur darüber ins Bild hatte setzen wollen, weil er sich um mich sorgte und wollte, dass der Abschaum in Form von Michail endlich aus meinem Leben verschwand und ich das Kapitel meiner Vergangenheit abschließen konnte, dieser Verrat machte mich einfach fertig. Auch die daraus resultierenden Konsequenzen - Iljahs Hass auf Tauren, Hunters bevorstehende Bestrafung, Michails Stichwunde -, rotierten immer und immer wieder durch mein Oberstübchen, sodass ich irgendwann vor Erschöpfung wohl einfach auf der Couch einschlief. Ungeachtet der noch angezogenen Klamotten oder dem nicht vorhandenen Kopfkissen in einen traumlosen Schlaf abdriftete, während sich vereinzelt und vollkommen unterbewusst, unbemerkt ein paar Tränen aus meinen Augenwinkeln lösten, welche all die negativen Gedanken bis zum nächsten Morgen reinwaschen sollten.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Als ich es mir ungeachtet davon, was nun Vahagns weiterer Plan für die Nacht war, letzten Endes auf der weichen Matratze bequem machte und unter die Decke mit sicher immens teurer Bettwäsche - so fühlte sie sich zumindest an und selbst in meinem betrunkenen Zustand kam ich mir hier als Schwerverbrecher irgendwie ein bisschen fehl am Platz vor - rutschte, dauerte es sicher kaum noch fünf Minuten bis ich eigeschlafen war. Das hatte ich wahrscheinlich einzig dem Alkohol zu verdanken, der mich ziemlich zielstrebig in den Schlaf schickte und das letzte Glas wirkte sicher auch gerade noch ganz gut nach. Aber nur, weil ich schnell einschlief, bedeutete das leider nicht zwangsweise, dass ich auch gut schlief. Für mein Unterbewusstsein schien es keine besonders große Rolle zu spielen, ob ich Alkohol intus hatte oder nicht - so oder so beschäftigte es sich die Nacht über sehr rege mit all den Vorkommnissen des letzten Tages. Angefangen natürlich mit meinem Überfall auf Michail und dem Anblick, der sich mir davor geboten hatte. Ich sah wirklich nur selten rot, aber allein dieses Bild hatte wohl sofort den Kippschalter in meinem Schädel umgelegt. Den, den ich normalerweise eher nur während der Arbeitszeit brauchte, wenn es brenzlig wurde und von dem ich in meiner Freizeit eigentlich nie Gebrauch machte. Zweifelsfrei hatte der Russe meinen ohnehin recht empfindlichen Beschützerinstinkt getriggert und das würde er wohl auch zukünftig wieder tun, sollte ich ihn jemals wieder zu Gesicht kriegen. Erst recht, wenn er sich dabei in der Nähe der schönen Brünetten aufhielt, die wiederum einen ganz anderen, aber ebenfalls sehr sensiblen Nerv bei mir getroffen hatte. Es tat nun mal einfach weh, wenn man von der Person, die einem am meisten bedeutete, ein Messer in den Rücken gestochen bekam und dieser einschneidende Moment sollte mich noch bis in die Träume verfolgen. Es war in dem Alptraum, der mich letztlich aufweckte, nämlich keine geringere als Vahagn selbst, die mir grinsend zuwinkte, während Iljah mir hier im Schlafzimmer wiederholt eine Waffe an den Schädel hielt. Als der Tätowierte in meinen Träumen abdrückte wachte ich reflexartig die Luft einsaugend auf und richtete mich auf, indem ich mich auf die Unterarme stützte. Im ersten Moment war mir dabei noch vollkommen schwarz vor Augen und es dauerte einen Augenblick, bis sich der schwarze Schleier meines absolut nicht fitten Kreislaufs verflüchtigte. Noch dabei verzog ich das Gesicht wegen der dröhnenden Kopfschmerzen, die mich sofort darauf aufmerksam machten, dass ich gestern zu tief ins Glas geschaut hatte. Ich sah mich dann um und stellte fest, dass ich nach wie vor vollkommen allein in dem halbdunklen Raum lag. Ein winziges bisschen Licht fiel am unteren Ende der Vorhänge in den Raum, aber das reichte aus, um mich in Sicherheit zu wiegen und mit einem angestrengten Seufzen noch einmal zurück ins Kissen fallen zu lassen. Ich hatte zwar ein paar Medikamente und auch Schmerzmittel für den Ernstfall mit eingepackt - man wusste ja vorher nie, ob man verletzt wurde -, aber meine Tasche lag so furchtbar weit weg und ich brauchte noch ein paar Minuten dazu mich zu sammeln. Mir selbst einzureden, dass mein Traum mir ein eigentlich sehr abwegiges Szenario hatte weiß machen wollen, das so niemals passieren würde. Auch, wenn ich mir nach den gestrigen Geschehnissen vielleicht nicht mehr so sicher damit sein sollte, wie ich es war. Auch deswegen, weil Vahagn die Nacht über nicht ins Bett gekommen war, obwohl man ihr das kaum verübeln konnte. Ich rieb mir schließlich über das müde, absolut nicht ausgeschlafene Gesicht und streckte mich ein wenig, bevor ich mich erneut aufsetzte und zur Bettkante rutschte. Da saß ich auch nochmal etwa eine Minute lang, weil mein Magen sichtlich empört darüber war, dass ich gestern so viel Alkohol getrunken hatte. Mir war zwar nicht kotzübel, aber es lag doch ein drückendes, unangenehmes Gefühl auf meinem Magen. Ich griff nach der Wasserflasche in der Hoffnung, dass ein paar Schlucke das Gefühl vielleicht abmildern konnten. Außerdem hatte ich ziemlichen Durst und trank sicher einen Viertelliter, bevor ich mich mitsamt dem Wasser träge zu meiner Tasche schleppte, um mir das Schmerzmittel rauszuholen, das zumindest die Kopfschmerzen lindern konnte. Ich schluckte die Pille ohne zu zögern runter und trank noch zwei Schlucke mehr, bevor ich das Wasser aufs Bett schmiss und mich ins Badezimmer rollte. Es war wohl nie gut, wenn man sich selbst riechen konnte und ich hatte die Nacht über wohl schrecklich geschwitzt, was in Verbindung mit dem Alkohol nicht grade einen angenehmen Geruch hinterließ. Also führte mich der erste Weg des Tages in die Dusche, in der stillen Hoffnung, dass sie mich nicht nur wieder zu einem Menschen machte, sondern mich vielleicht zumindest ein bisschen wacher werden ließ. Ich fühlte mich wirklich so als hätte ich keine einzige Stunde geschlafen und leider vermochte auch kaltes Wasser nur mittelmäßig guten Dienst zu leisten. Trotzdem fühlte ich mich zumindest ein bisschen besser, als ich das Wasser schließlich ausmachte und mich daraufhin abtrocknete. Ich machte mir die Haare nur mit dem Handtuch ein bisschen trocken, weil ich gerade keine Lust hatte sie zu föhnen - oder gar schon in Form zu bringen - und putzte mir danach wieder die Zähne. Als ich anschließend in den Spiegel sah erwartete mich ziemlich genau der Anblick, den ich erwartet hatte - es hatten sich doch leichte, dunkle Schatten unter meinen Augen gebildet, die bei mir eher selten zu sehen waren. Insgesamt machte ich eher keinen besonders fitten Eindruck, aber daran war ich selbst schuld. Es hatte schon so seine Gründe, warum ich eher selten zu Alkohol griff. Ich ging mit noch feuchten Haaren zurück ins Schlafzimmer, um mir da zumindest Boxershorts und eine graue Jogginghose anzuziehen. Auf Socken konnte ich dank der Fußbodenheizung getrost erst einmal verzichten und ich angelte nach der Jeans von gestern, um mein Handy rauszunehmen und festzustellen, dass selbst der Alkohol meine sehr gut funktionierende, innere Uhr nicht außer Gefecht gesetzt hatte. Es war jetzt nämlich kurz vor zehn und ich hätte wohl eigentlich in drei Minuten am Bunker sein sollen - was funktioniert hätte, wenn ich mich gestern nicht so abgeschossen hätte. Ich rief also zuerst Mal kurz bei den Jungs am Bunker durch um zu fragen, ob alles okay war und ihnen mitzuteilen, dass ich heute später kam und sie sich demnach nicht wundern mussten, dass ich gleich nicht aufkreuzte. Erst nach dem kurzen Telefonat holte mich dann der Gedanke daran wieder ein, dass Vahagn nicht neben mir im Bett geschlafen hatte und es demnach schon möglich war, dass sie sich gestern noch verzogen hatte. Allerdings würde ich dem nicht auf den Grund gehen können, wenn ich weiter im Schlafzimmer blieb, weshalb ich einmal etwas tiefer durchatmete und das Smartphone in meiner rechten Hosentasche versenkte. Danach dann noch ein kleines bisschen Trinkgeld einsteckte, ehe ich den Schlafbereich langsamen Schrittes verließ. Meine Augen suchten den Wohnbereich nach Passieren der offenen Wand sofort nach der Brünetten ab und es sollte zum Glück auch gar nicht lange dauern, bis ich sie auf dem Sofa entdeckte. Sie schien entweder noch zu schlafen oder zu dösen, weshalb ich vorerst beschloss sie noch ein paar Minuten in Ruhe zu lassen. Mir fiel auch so schon ein Stein vom Herzen, weil es kein gutes Zeichen gewesen wäre, wenn sie die Nacht über noch verschwunden wäre. Also atmete ich ein weiteres Mal - dieses Mal eher erleichtert als angestrengt - durch und ging erstmal zu der Telefonanlage nahe der Eingangstür der Suite, um den Frühstücksservice anzuheuern. Getränketechnisch bot die kleine Küche durch den Kaffeevollautomaten, den Wasserkocher und auch den Getränken im Kühlschrank zwar alles, was man sich wünschen konnte, aber zu Essen war nichts da. Ich wusste zwar nicht, ob ich wirklich viel runterbekommen würde - oder Vahagn, weil ich auch trotz unseren Streits noch ich war und ihr selbstverständlich ein Menü mitbestellte -, aber einen Versuch war es wert. Mein Körper brauchte irgendeine Energiequelle, um auf Touren zu kommen und so ging ich erstmal weiter in die Küche, um mir einen Cappuccino zu machen. Kaum war die Tasse durchgelaufen und ich hatte ein bisschen gepustet, um den ersten Schluck nehmen zu können, klopfte es auch schon an der Tür. Gut, ein bisschen Eile war beim Preis des Zimmers wohl auch nicht zu viel verlangt, aber ich war es einfach nicht gewohnt, dass Jemand wegen mir den achten Gang einlegte und deshalb kurzzeitig überrascht. Ich wurde zuerst noch schnell die Kaffeetasse auf dem Esstisch nahe der Fensterfront im Wohnbereich los, bevor ich zur Tür ging. Dort ließ ich dem noch ziemlich jungen Mann, der mir den Servierwagen brachte, mit einem schwachen Lächeln das Trinkgeld zukommen und verabschiedete ihn dann auch schon wieder, um die Tür zumachen und meine Ruhe haben zu können. Soweit, wie das eben ging, wenn da immer noch gewisse Dinge zwischen Vahagn und mir standen. Allerdings schien die Brünette durch die Stimmen an der Tür jetzt wohl auch endgültig wachgeworden zu sein, wo ich zuvor doch bewusst so wenig Lärm wie möglich gemacht hatte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Normalerweise schlief ich eigentlich ganz besonders gut, wenn mich die Erschöpfung am Vorabend dahin gerafft hatte. Vollkommen unabhängig davon, ob ich nun auf einer Matratze, dem Boden oder einer Couch eingeschlafen war, am Morgen fühlte ich mich verhältnismäßig erholt und ausgeruht. Mitunter wohl auch deswegen, weil ich nicht von einem Traum in den nächsten hetzte und ich dadurch einfach fester schlief. Leider war die gestrige Nacht eine der Ausnahmen, die die Regel bestätigte, denn wie sollte es nach einem ohnehin schon anstrengenden Tag auch anders sein. Grundlegend schlief ich zwar nicht besonders schlecht, wachte aber immer wieder auf und rollte mich dann jedes Mal für mindestens zehn bis fünfzehn Minuten auf dem Sofa herum, bis ich wieder einschlief. Das zog sich bis in die frühen Morgenstunden hin, wo ich irgendwann gegen acht Uhr früh schließlich doch noch einmal kurzzeitig in die Tiefschlafphase überging. Jedoch waren mir in diesem äußerst erholsamen Stadium maximal zwei Stunden vergönnt, bis Tauren im Nachbarzimmer aktiv wurde und mich dadurch zurück in den Dösezustand beförderte. Mein Unterbewusstsein verarbeitete das Geschehene der letzten Tage trotz der geistigen Erschöpfung noch immer sehr fleißig und reagierte deshalb wohl ganz besonders sensibel auf äußere Einflüsse. Wenn das Schlafzimmer dann noch nicht einmal über eine anständige, schalldämmende Tür verfügte, war ich der gesamten Geräuschkulisse mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert. Es entging mir demnach keinesfalls, dass der junge Mann irgendwann durch sein Zimmer stiefelte. Dann wurde es kurz wieder ruhig, bevor eine Tür ins Schloss fiel und wenig später das Rauschen der Duschbrause zu hören war. Mit der Erkenntnis, das Tauren sich gerade offenbar seiner Körperhygiene widmete, rollte ich mich seufzend auf die Seite und die Lider fielen wie von allein noch für ein paar weitere Minuten zu. Scheinbar versuchte mein Körper trotz der circa neun Stunden anhaltenden Ruhephase weiterhin mit aller Macht, mich ins Land der Träume zurückbefördern zu wollen. Solange es verhältnismäßig ruhig war, schien das auch überhaupt kein Problem zu sein, aber nach ein paar Minuten wurde es ab von den paar Schritten im Wohnzimmer auch stimmtechnisch etwas lauter und so zwang ich mich letztlich dann dazu, die Augen offen zu halten und meinen Kreislauf in Gang zu kriegen, indem ich mich vorsichtig aufsetzte. Ich sah gerade noch den Rücken eines jungen Mannes aus der Tür verschwinden, ehe jene auch schon in ihren Rahmen fiel und mein Freund sich zu mir herumdrehte. Aus müden, absolut nicht wachen Augen blinzelte ich ihn verschlafen ab und rieb mir anschließend angestrengt über das Gesicht. Ich konnte mich echt nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal wirklich derart scheiße gepennt hatte. Nicht einmal die Nächte der letzten Reise, die ich mit Hunter angetreten hatte, konnten sich mit der Qualität der heutigen Nacht messen, was man mir ziemlich deutlich ansehen dürfte. Der Tag gestern war lang, die Nacht hingegen viel zu kurz, wenn man mich fragte. Glücklicherweise hatte ich aber weder Probleme mit dem Rücken, noch akute Nackenschmerzen, wie das bei einer Übernachtung auf dem Sofa ansonsten immer der Fall war. Nur war diese Couch vermutlich auch mit keiner aus einem Second Hand Möbelhaus zu vergleichen und das sorgte immerhin schon mal dafür, dass ich den angebrochenen Tag nicht innerhalb von zwei Minuten, nachdem ich die Augen aufgeschlagen hatte, auch schon wieder wegschmiss. Natürlich war das noch lange keine Garantie dafür, dass ich es nicht doch tun würde, sobald der Norweger und ich ins Gespräch kamen, aber fürs Erste war das gerade einfach Stand der Dinge. Stand der Dinge - Augenringe, sozusagen. "Morgen...", murmelte ich in Taurens Richtung, während ich mir die Fleecedecke, die mich ohne den Rest meiner Klamotten vermutlich eher nicht wirklich warm gehalten hätte, von den Beinen schob und vorsichtig die Füße auf den Boden setzte, um mich zu erheben und daraufhin einen Augenblick lang ausgiebig zu strecken. Der noch überhaupt nicht wache Kreislauf protestierte ein wenig und ich fing kurzzeitig an, Sternchen zu sehen, aber das verflüchtigte sich schon ziemlich bald. Danach fühlte ich mich zwar nicht maßgeblich wacher, aber das ein oder andere Zwicken im Rücken war verschwunden und die Muskeln zwischen den Schulterblättern lockerten sich auch allmählich. Alles in allem blieb ich bestimmt noch zwei oder drei Minuten lang einfach ein wenig verloren wirkend vor dem Sofa stehen, bis meine Sinne wieder halbwegs funktionstüchtig waren und mir der Geruch von frisch gekochtem Kaffee in die Nase stieg. Falls Tauren nichts dagegen einzuwenden hatte, dann würde ich mich vor der Diskussion, die wir gestern mit keinem zufriedenstellendem Ergebnis beendet hatten, gerne an dem Gebräu bedienen. "Gibt's Kaffee?", fragte ich nicht wesentlich lauter, als es meine Worte zuvor gewesen waren, wobei die Frage streng genommen doch relativ überflüssig war. Denn scheinbar stand hier ja wohl irgendwo ein solches Heißgetränk herum, was so einen verlockenden Duft versprühte und aus dem Ärmel gezaubert hatte sich den Tauren ganz bestimmt nicht. Ich machte indessen ein paar Schritte auf besagten jungen Mann zu, blieb etwa einen halben Meter von ihm entfernt stehen und... hätte ihn am liebsten in meine Arme gezogen. Er sah nämlich grundlegend nicht viel besser aus, als ich es tun würde und weil ich ja nun wusste, dass das grundlegend irgendwie meine Schuld war... wäre eine Entschuldigung an der Stelle vermutlich wirklich angebracht gewesen. Aber selbst die einfachsten Zusammenhänge wollten sich mir gerade nicht erschließen und genau deshalb war ein Kaffee absolut notwendig.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich wusste nicht warum, aber kurzzeitig fürchtete ich mich doch irgendwie ein bisschen davor, dass Vahagn gleich wieder zu forschen Worten greifen würde, sobald sie den Mund aufmachte. Tat sie natürlich nicht und vermutlich lag meine Angst einfach nur darin begründet, dass mir jetzt, wo ich wieder halbwegs nüchtern war, durchaus bewusst war, dass ich mich gestern eher weniger gut benommen hatte. Von der Verantwortungslosigkeit bezüglich des Alkohols mal ganz abgesehen hätte ich einfach auch meine Zunge etwas zügeln sollen, war die doch mehr als ein bisschen locker geworden. Es war zwar ein Stück weit normal, dass man in einer solchen Situation gewissermaßen gereizt reagierte, aber das hätte man eindeutig auch besser in Worte verpacken können. Weniger provokant, weniger laut - ganz allgemein einfach weniger scheiße und weniger gemein. Alkohol machte nun mal eher keinen besseren Menschen aus einem, da reihte er sich bei sehr vielen anderen Drogen ein. Immerhin mied ich jene normalerweise ja aus genau diesem Grund, hatten meine Eltern mir doch mehr als genug Gründe dafür gegeben die Finger davon zu lassen, nur schien ich das gestern unter all dem emotionalen Druck gerne ignoriert zu haben. Also ja, ich fühlte mich zweifelsfrei schlecht wegen Alledem und die Tatsache, dass die Brünette nicht wesentlich weniger fertig und kaputt aussah als ich selbst, machte es da nicht unbedingt besser. Ich erwiderte ein ebenso knappes "Morgen.", weil sich die Frage danach, wie sie denn geschlafen hatte, ganz einfach von selbst erübrigte. Ein guter Morgen war es auch nicht, also beließ ich es lieber bei diesem einen Wort und schob daraufhin den Servierwagen rüber zum Esstisch. Der Bursche hatte mir natürlich angeboten Gedeck und Mahlzeit noch fein aufzutischen, aber ich verzichtete gerade liebend gern auf jede unnötige Person mehr in meinem Umfeld und außerdem glaubte ich auch zu wissen, dass es Vahagn dahingehend nicht viel anders ging. Schließlich war sie hier gerade erst aus dem Bett - dem Sofa - gefallen und da ersparte sie sich das bestimmt ebenso gerne wie ich. Als sie dann ihre Frage an mich richtete griff ich gerade nach den Tellern auf der oberen Etage des Wagens und nickte kurzum. Stellte zuerst noch das Geschirr auf dem Tisch ab und sah dann zu ihr. "Ja, in der Küche... ich glaube du kannst aus mindestens sechs Sorten wählen.", lieferte ich ihr ruhig und mit einem schwachen Schulterzucken auch noch eine wörtliche, wahrscheinlich übermäßig detaillierte Antwort auf ihre Frage. Es hätte vollkommen ausgereicht es bei dem ersten Teil meiner Aussage zu belassen, weil das ihre Frage zu genüge beantwortete, aber ich hatte wahrscheinlich einfach das Bedürfnis dazu ihr sehr indirekt zu symbolisieren, dass ich von dem gereizten Tornado Wirbelsturm letzter Nacht jetzt weit entfernt war. Dass sie nicht mehr Gefahr lief von mir angeschnauzt zu werden und ich mich auch eigentlich gerne wieder mit ihr unterhalten wollte, solange wir beide davon absahen uns unnötig hineinzusteigern. Den bisher nur minimal weniger gewordenen Kopfschmerzen würde noch mehr Geschrei jetzt auch wirklich nicht gut tun, weshalb ich gleich doppelt froh darum wäre einen weiteren Streit zwischen uns beiden zu vermeiden. Ich würde sehr wohl dabei bleiben, dass es mir nicht leid tat Michail ein Messer in den Rücken gebohrt zu haben, denn das war die Wahrheit. Auch den Part mit dem 'Ich liebe dich' würde ich selbstverständlich nicht zurücknehmen, weil das nun mal war wie ich fühlte und es ach wirklich merkwürdig wäre sich dahingehend umzuentscheiden, aber ich hatte mich eben trotzdem wie ein Arsch aufgeführt. Vielleicht nicht auf Hunter-Niveau, aber für meine Verhältnisse war das gestern wirklich unterirdisch gewesen. Ich warf der Russin also noch einen kurzen Blick zu und kümmerte mich dann darum den Rest des Geschirrs und Bestecks auf den Tisch zu bringen. Danach warf ich selbst den einen oder anderen hochzufriedenen Blick auf das mitgelieferte Essen, weil es daran wirklich so gar nichts zu bemängeln gab. Es wäre wirklich schade, wenn ich nichts davon runterkriegen würde, weil mir allein der gebratene Speck und das Rührei schon mit himmlischem Duft in die Nase stiegen. Auch das frische Obst sah zum Anbeißen aus. Der Kerl am anderen Ende des Telefons in der Küche hatte extra noch gefragt, was ich gerne hätte - weil ich nun mal offensichtlich kein Russe war - und ich hatte mich eher etwas internationaler Küche bedient, statt auf russisches Frühstück zurückzugreifen, weil ich ganz einfach nicht wusste was mich da genau erwartete und mein Magen heute keine Lust auf Experimente hatte. Das einzige, was hier an typisch russischem Zeug auf den Tisch kam, waren wohl die Syrniki. Ich wusste zwar nicht, ob der jungen Frau jetzt danach war, aber wenn nicht, dann konnte man das Zeug sicher auch später noch essen. War nicht so, als hätten wir keinen Kühlschrank hier und es ging mir wohl auch viel mehr nur um die Geste an sich, weil ich mich einfach schlecht fühlte. Ich ihr schon bevor wir über irgendeine der gestrigen Angelegenheiten redeten zeigen wollte, dass sich das schlechte Gewissen förmlich sekündlich verschlimmerte. Jetzt, wo ich wieder klar im Kopf war, wurde mir nämlich auch langsam bewusst, dass es schon ein kleines bisschen mies gewesen war die L-Karte zu ziehen. Natürlich war es die Wahrheit, aber ich hatte ihr damit wahrscheinlich nicht nur einen Stich im Herzen versetzt, sondern sie unter Umständen womöglich auch damit unter Druck gesetzt, was nun wirklich nicht meine Intention gewesen war. Ich würde sie auf keinen Fall dazu zwingen wollen das zu erwidern, wenn sie nicht so weit war. Deshalb ließ ich mich auch mit einem kaum hörbaren Seufzen schließlich an den Tisch fallen, nachdem ich den Wagen ein wenig bei Seite geschoben hatte und zog dann den Kaffee an mich heran. Betete noch während ich den nächsten Schluck aus der Tasse nahm darum, dass auch das Koffein mir ein klein wenig mit den Kopfschmerzen behilflich sein konnte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ein einfaches 'Ja, gibt es' hätte mir eigentlich vollkommen ausgereicht, trank ich meinen Kaffee doch in der Regel pur. Schwarz, ohne Milch, Zucker oder sonstige Sperenzien, da war die Information einfach ein Stück weit überflüssig. Nichtsdestotrotz schenkte ich dem Norweger ein schwaches, noch eher angestrengtes Lächeln, als ich an ihm vorbei in die Küche ging, um dort die besagte Kaffeemaschine anzusteuern. Erst als ich die Tasse unter dem Ausschank platziert und auf dem ziemlich modernen Touchdisplay eine gefühlte Ewigkeit nach dem stinknormalen Kaffee gesucht und jenen schließlich ausgewählt hatte, nahm ich mit der Hüfte an die Theke gelehnt zum ersten Mal richtig wahr, was dieser kleine, silberne Wagen auf Rollen eigentlich war. Ich hatte dem Teil bis jetzt nur wenig bis absolut gar keine Aufmerksamkeit zukommen lassen, aber während ich darauf wartete, dass die frisch gemahlenen Bohnen ihren Geschmack an das heiße Wasser abgegeben hatten, fiel es mir wohl ins Auge, weil Tauren eine ganze Zeit lang daran zugange war. Erst beim zweiten Mal hinsehen wurde mir dann klar, dass er sich mit dem Servierwagen Frühstück aufs Zimmer hatte liefern lassen und ich staunte schon nicht schlecht, was das Hotel seiner Kundschaft zum Wachwerden so kredenzte. Der noch immer recht müde Blick - vor dem ersten Schluck Kaffee würde sich das wohl auch nicht ändern -, wanderte kurzzeitig über die verschiedenen Darreichungsformen von Brot, Rührei, Speck, Obst, Gemüse und nicht zuletzt auch über die gebackenen Quarkpfannkuchen, welche ich seit einer ewig langen Zeit nicht mehr gegessen hatte. Das letzte Mal wohl in Richards Bungalow, als Tauren und ich die Syrniki selbst gemacht hatten, aber wie lange lag das inzwischen zurück? Mehrere Monate ganz bestimmt und ich müsste wohl lügen, würde ich behaupten, dass mir das nicht gefiel, sie jetzt als kleines Türmchen gestapelt vor meiner Nase stehen zu sehen. Der Morgen war an sich zwar nicht besonders gut, wurde aber gleich erträglicher, wenn ich daran dachte, ein paar mit Obst und Jogurt garnierte Syrniki zu verspeisen und das Ganze dann mit einem Schluck pechschwarzen Kaffee hinunter zu spülen. Bei dem Gedanken zuckten meine Mundwinkel unweigerlich ein wenig in die Höhe und weil ich mich für gute Laune eigentlich noch so gar nicht bereit fühlte, wandte ich mich auch schnell von dem Antlitz des grandiosen Frühstücks und dem noch sehr viel attraktiveren jungen Mann ab, um stattdessen die befüllte Tasse an mich zu nehmen. Die Dampfschwaden ließen mir erneut einen sehr intensiven Geruch in die Nase steigen, der allein mich schon ein Stück weit wacher werden ließ, als ich Tauren gegenüber meinen Posten auf einem der freien Stühle bezog. Ich stellte die Tasse über dem Teller auf dem Tisch ab, nachdem ich meinen ersten Schluck genommen hatte, an dem ich mir selbstredend die Zunge verbrannte. Das Heißgetränk war, wie der Name bereits erahnen ließ, noch ziemlich heiß und würde wohl die ein oder andere Minute brauchen, bis es eine genießbare Temperatur erreicht hatte, bei der man keine Brandblasen im Mundraum mehr fürchten musste. Und während ich darauf wartete, sah ich den jungen Mann mir gegenüber wieder direkt an. Anders als gestern hielt ich seinem Blick nun jedoch stand und statt mich von ihm abzuwenden, suchte ich interessiert nach Antworten in seinen Augen. Leider war der dafür ausgeprägte Teil des Gehirns auch noch nicht wach genug und mehr als einen müden Gesichtsausdruck konnte ich demnach nicht feststellen. Also seufzte ich gleich noch ein weiteres Mal, während ich parallel dazu darüber nachdachte, ob ich das Thema von gestern denn überhaupt noch einmal ansprechen sollte oder ich die altbewährte Schiene fuhr, das Ganze einfach unter den Teppich zu kehren, in der Hoffnung, dass nie wieder jemand danach fragen würde. Ich schätzte Tauren nur leider total gegenteilig ein und befürchtete, dass er mich sehr wohl auf die gestrigen Geschehnisse ansprechen würde, wenn ich es nicht tat und deshalb musste ich mich wohl entscheiden, was mir denn nun lieber war. Man brauchte sicherlich nicht zu erwähnen, dass auf beiden Seiten eine Menge gemeiner Worte in Richtung des jeweils anderen geflogen waren, aber nüchtern betrachtet stellte ich mir gerade lediglich die Frage, ob wir nach einer erneuten Diskussion denn heute auf einen grünen Zwei kommen würden. Gab es denn in dem Fall überhaupt so eine Art Kompromiss, mit dem beide Parteien zufrieden wären? Einen, bei dem beide Seiten Abstriche machen mussten? Ich bezweifelte es irgendwie, aber wir würden es wohl auch nicht herausfinden, wenn wir uns nicht endlich wie zwei erwachsene Menschen unterhalten würden, die sich nicht ständig blind vor Emotionen und Gefühlen in Rage redeten, sondern Aspekte beider Seiten einfach mal rational überdachten und gemeinsam so etwas wie... das weitere Vorgehen planten. Das hörte sich gedanklich super einfach an und bei den letzten Streits hatten wir uns das sicherlich beide auch genau so vorgenommen, nur schien die Umsetzung irgendwie nicht ganz so gut zu funktionieren. Vielleicht würde der alles in allem eher müde und kaputte Zustand in dem Punkt ja eine Hilfe sein. Wenn einem die Kraft dazu fehlte, lauter zu werden und die Gedanken sich gar nicht so schnell überschlagen konnten, dann waren das doch eigentlich optimale Voraussetzungen für ein Gespräch dieser Art, oder? Doch, ja und es war jetzt auch nicht so, als hätte das ganze hin und her wälzen in der Nacht rein gar nichts gebracht. Ich war schon ein Stück weit schlau aus dem Gedankensalat geworden und de facto gab es nun mal auch einfach Dinge, die sich weder leugnen, noch ändern lassen würden. Meine Gefühle für Tauren beispielsweise. Oder die Tatsache, dass ich noch mit niemanden über meine Vergangenheit reden wollte. Gerade mit den beiden Punkten könnten wir wohl Wochen, Monate, von mir aus auch Jahre damit verbringen, sie auszudiskutieren und ich würde meine Einstellung trotzdem nicht ändern. Demnach dürfte sich der Norweger ganz bestimmt darüber freuen, dass die L-Bombe zwar schon irgendwie... unangenehm gewesen war, aber vielleicht brauchte ich den ein oder anderen Arschtritt zwischendrin auch ganz einfach, weil ich ein unglaubliches Talent darin entwickelt hatte, gerade in Sachen Gefühle eine ganze Weile lang auf der Stelle zu treten. Schließlich hatte ich ihn jetzt nicht zum ersten Mal bezüglich einer Entscheidung - oder in dem Fall eher einer Aussage - warten lassen, aber auch ich war an der gemeinsamen Zeit bereits gewachsen und hatte für die Feststellung, dass es definitiv nicht zu früh dafür war, ein 'Ich liebe dich auch' zu erwidern, lediglich eine schlaflose Nacht gebraucht. Und auch wenn ich nicht wusste, wohin die Unterhaltung, die ich ziemlich bald starten würde, hinführte, war ich mir sicher, dass sich Tauren trotzdem freuen würde, das zu hören. Seinen Worten des gestrigen Abends nach zu urteilen war ein Schlussstrich in seinen Augen schließlich keine Option, als konnte das doch nur heißen, dass es irgendwie wieder vorwärts gehen würde, oder? Doch, ja. Ein bisschen positives Denken würde mich schon nicht umbringen. Bevor ich mich allerdings dem vermutlich trotzdem etwas unangenehmen Gespräch stellen würde, griff ich nach meiner Gabel, um mit einem für die Verhältnisse fast schon freudigen Funkeln in den Augen auf die Quarkpfannkuchen zu deuten. "Sind die für mich?", fragte ich einfach der Höflichkeit halber, wobei eine Antwort auf diese Frage grundlegend überflüssig gewesen wäre. Selbst wenn dem nicht der Fall gewesen und sie ausschließlich für den Norweger alleine gedacht wären, musste er mit bereits einem weniger Vorlieb nehmen und wenn er nicht aufpasste, dezimierte sich der Bestand fortwährend. Fürs Erste verzichtete ich tatsächlich auf das Obst und schaufelte mir die Syrniki einfach pur in den Mund, weil sie auch so schon unglaublich gut schmeckten und mich prompt auf meinen knurrenden Magen aufmerksam machten. Ich hatte seit gestern Mittag nichts mehr gegessen, nicht zuletzt auch gar nichts mehr runter gekriegt, aber dafür konnte ich jetzt wohl umso mehr verputzen. Nach der vierten Gabel und dem dritten Schluck Kaffee hielt ich jedoch kurzzeitig inne, sah erst eine Zeit lang auf das Besteck hinab, bevor ich den Blick anhob und ihn in den des Norwegers legte. Auch wenn ich mir nach wie vor schönere Frühstücksthemen vorstellen konnte, half es ja doch alles nichts und wir würden uns beide so lange furchtbar schrecklich fühlen, bis wir uns in einem anderen Moment dazu entschieden, das Gespräch aufzunehmen. Warum nicht die positive Auswirkung des Ambientes ausnutzen? "Hör' zu, Tauren... das gestern... ich weiß nicht, was ich sagen soll. Einerseits tut mir so vieles wirklich leid, was ich gesagt habe. Anderes wiederum nicht und... keine Ahnung. Das war einfach kein guter Tag, schätze ich und die Bedingungen, unter denen das Gespräch stattgefunden hat... na ja, hätten wohl auch besser sein können.", stellte ich mit neutraler Stimmlage und einem schwachen Schulterzucken fest, dicht gefolgt von einem Seufzer, der die Aussage noch einmal zusätzlich untermauern sollte, während ich mit der rechten Hand die Gabel wieder aufgriff und nachdenklich in dem Essen herumstocherte. Warum musste Liebe eigentlich so unglaublich kompliziert sein?
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Es dauerte gar nicht wirklich lange, bis Vahagn zu mir aufschloss und sich gegenüber von mir an den Tisch sinken ließ. Mit den Quarkpfannkuchen schien ich ziemlich ins Schwarze getroffen zu haben, weil sie schon nach wenigen Augenblicken auf genau jene zu sprechen kam. Dass ich kaum zum Antworten kam, bevor sie sich auch schon einen davon schnappte, ließ meine Mundwinkel kurz nach oben zucken und ich griff schließlich nach meinem eigenen Besteck. "Ja... ich dachte du hast vielleicht Lust drauf, also hab ich gefragt ob sie welche haben.", informierte ich die junge Frau darüber, dass die Syrniki allein für sie gedacht waren und sie von mir aus im Grunde auch den ganzen Teller voll verputzen konnte, ohne dass eine Beschwerde aus meiner Richtung kommen würde. Mir war gerade wohl absolut alles recht, solange es nur ihre Laune erhellte. Es war nicht so als würde ich die russischen Pfannkuchen nicht auch mögen, aber ich musste wohl ohnehin erstmal sehen wie weit ich mit dem Essen kam. Hunger hatte ich schon, nur war es bis jetzt eben noch fragwürdig bis zu welcher Menge mein Magen das Spiel auch mitmachen wollte. Gegen Übelkeit hatte ich mir nichts an Medikamenten eingepackt, weil sowas wie eine Eskapade mit Alkohol ursprünglich selbstredend nicht geplant gewesen war. Was das Essen anging blieb es für mich also noch spannend, als ich mir eine Scheibe Brot mit Butter beschmierte und danach etwas von dem Speck und dem Rührei auf meinem Teller ablud. Es folgte erst noch zwei Schlucke vom Cappuccino und dann startete ich vorsichtig die Testphase, was das Frühstück anbelangte. Es dauerte einen Moment lang, bis sich mein Magen daran gewöhnte und erst, als ich mir absolut sicher damit war, dass ich mich nicht übergeben musste, wenn ich ein bisschen was aß, schob ich mir nachdenklich die nächste Gabel voll Ei in den Mund. Danach sollte es auch gar nicht mehr lang dauern, bis die Russin das Wort ergriff und ich meinen Blick vom Teller wieder in ihre Augen anhob. Ihre Gesichtszüge musterte, während ich ihr aufmerksam zuhörte und dabei unterbewusst die Kaubewegung etwas verlangsamte. Dass gestern wohl eher nicht einer unserer besten Tage gewesen war, traf den Nagel ziemlich gut auf den Kopf und ich nickte langsam, kaum sichtbar. Während ich noch einen Moment lang kaute und schließlich runterschluckte, dachte ich darüber nach, was ich dazu jetzt am besten sagte, wobei mein Blick auf nochmal kurz auf den Speck vor meiner Nase sank. Ich wollte einfach um jeden Preis vermeiden, dass Vahagn sich erneut auf den Schlips getreten fühlte und es gab wohl einfach eine Sache bei Alledem, mit der wir uns nicht einig werden würden. Sie würde ihre Meinung bezüglich eines Geständnisses an Iljah kaum über Nacht geändert haben und mir blieb wohl kaum etwas anderes übrig, als das so zu akzeptieren und hinzunehmen. Hieß nicht, dass mir das jetzt besser schmeckte als gestern, aber ich wollte mich nicht noch einmal ohne Aussicht auf Besserung mit ihr deshalb streiten. Also wägte ich erst wenige Sekunden lang ab, was ich sagte und was nicht, bevor ich den Blick schließlich wieder in das Gesicht der Brünetten anhob. "Ich hab wohl auch viel gesagt, was ich nicht hätte sagen sollen... und über den Alkohol müssen wir gar nicht erst reden, glaube ich.", seufzte ich etwas leiser. Es war einfach überflüssig zu erwähnen, dass ich für das gestrige Gespräch zu betrunken gewesen war und dass das grundlegend eine beschissene Idee von mir war. Es brauchte aber kaum mehr eine Rüge in Form von Worten dafür, weil mein Körper mir dieses Malheur schon von ganz allein heimzahlte. Ich glaubte auch noch immer nicht daran, dass die eine Pille ausreichen würde, um die Kopfschmerzen noch ganz auszumerzen. Ich schwieg nach meinen ersten paar Worten zu der Sache nochmal fast eine Minute lang, in der ich mir auch ein bisschen Speck zur unterbewussten Ablenkung in den Mund schob und meine Kaffeetasse mit nachdenklichem Blick durchlöcherte. Kaum hatte ich aber auch den Schinken runtergeschluckt sah ich wieder zu Vahagn auf. "Ich hätte wohl auch einfach nicht so... auf ihn losgehen sollen." Michail hatte das und noch weit schlimmeres zwar nach wie vor verdient, es hätte uns Allen jedoch trotzdem einiges erspart, wenn ich ihm nur einen Tritt in die Kniekehle verpasst hätte oder Ähnliches. "Aber ich hatte einfach Angst, dass er dir was tut und wahrscheinlich bin ich auch ziemlich... geschädigt von früher, was solche Situationen angeht. Ich hab einfach... rot gesehen.", murmelte ich so vor mich hin und zuckte mit den müden Schultern. Ich brauchte keinen Therapeuten, um zu wissen, dass mein Gehirn in einer solchen Situation automatisch Parallelen zu früheren Geschehnissen gezogen hatte. Der Unterschied an der ganzen Geschichte war nur, dass ich meinem Vater früher nichts entgegenzusetzen hatte, wenn er meine Mutter auf die unterschiedlichsten Arten tyrannisiert hatte. Jetzt war das anders. Michail hingegen würde aktuell gnadenlos den Kürzeren ziehen, würde er mir mit gleichen Mitteln gegenüberstehen, war ich doch quasi in absoluter Höchstform. Ich wollte meine Vergangenheit jetzt nicht als Ausrede für den Messerstich nutzen, aber sie war zweifelsohne einer der Gründe dafür, warum die Situation so immens schnell aus dem Ruder gelaufen war. "Eigentlich wollte ich auch diesen... aus drei Worten bestehenden Satz echt nicht unter solchen Umständen loswerden. Ich weiß ja, dass ich dich besser nicht unter Druck setzen sollte und... keine Ahnung, man. Wie du schon sagst - der Tag war einfach scheiße.", wurde ich noch ein paar Worte bezüglich meines Liebesgeständnisses sie los. Ich fasste es nur lieber nicht noch einmal in die gleichen Worte wie gestern, weil ich eben keine Ahnung hatte, wie Vahagn bisher dazu stand. Natürlich war es gut, wenn sie wusste und von mir hörte, wie ich für sie empfand. Nur eben absolut nicht unter solch fatalen Umständen, die gerade für eine erstmalige Aussprache dessen absolut ungeeignet waren. Dabei würde ich dem Alkohol wahrscheinlich schon 75 Prozent der Schuld zuschieben, aber die anderen 25 bestanden ganz einfach daraus, dass ich ein Arsch hatte sein wollen. Dass ich ihr in diesem Moment nichts mehr hatte rein drücken wollen, als den selben Schmerz, den sie mir mit dem Messer im Rücken verpasst hatte, indem ich ihr unter die Nase rieb, warum mich das alles überhaupt so sehr verletzte. Das war nicht gerade erwachsen, aber ich war ja selbst auch noch dabei zu lernen, wie eine Beziehung am besten funktionierte. Wirklich lange Partnerschaften hatte ich selbst nie geführt, weil das irgendwann immer Fragen aufgeworfen hatte, die ich nicht beantworten konnte. Dass ich mir mit Vahagn eine nicht gerade einfache Freundin mit auch noch schwierigem Umfeld ausgesucht hatte, war eben auch Fakt - aber ich hatte es so gewollt, also sollte ich mich jetzt eher nicht über die Konsequenzen davon beschweren, sondern stattdessen lernen damit umzugehen. War halt nur leichter gesagt, als getan.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wunderbar, dann brauchte ich ja immerhin kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn plötzlich mehr als einer der Pfannkuchen auf Nimmerwiedersehen in meinen Magen verschwinden würde. Mit einem leichten Nicken und dem nach wie vor eher schwachen Lächeln drückte ich Tauren gegenüber meine Dankbarkeit für seine Geste aus, weil meine Leibspeise den Morgen doch zumindest ein bisschen weniger Scheiße sein ließ. Ich erfreute mich zwar wirklich selten noch an den Kleinigkeiten des Lebens, aber Ausnahmen bestätigten auch in dem Fall nun mal die Regel. Worüber ich mich hingegen eher nicht freute, war dieses Gespräch mit ihm zu führen, obwohl der junge Mann ebenfalls Einsicht zeigte und sich damit die Wahrscheinlich, erneut in einem Streit auseinander zu gehen, stetig minimierte. Vermutlich lag das Unwohlsein einfach darin begründet, dass ich nicht besonders geübt in solchen Unterhaltungen war und es mir nicht so leicht fiel, über etwas nachzudenken, bevor man es aussprach. Normalerweise nahm ich schließlich kein Blatt vor den Mund, aber würde ich diese Taktik weiterhin verfolgen, würden Tauren und ich uns noch eine ganze Weile einfach nur im Kreis drehen und das war weder Sinn, noch Zweck der Sache. Also hieß es jetzt, die Zähne zusammenzubeißen, den Stolz gewissermaßen hinunter schlucken und auch mal Kritik einstecken können. Erstaunlicherweise musste ich mich mit letzterem bis jetzt aber noch nicht auseinandersetzen, sah der Norweger zum Einstieg erst einmal seine eigenen Fehltritte ein, die ich jeweils mit einem schwachen Nicken bestätigte. Gut, die Sache mit dem Alkohol würde ich jetzt einfach so stehenlassen, ihm keinen weiteren Strick daraus binden, weil nun mal jeder einen beschissenen Tag haben konnte, den er sich durch Hochprozentiges oder anderweitigen Drogen zu versüßen versuchte. Solange es bei diesen Ausrutschern ab und an bleiben würde, hatte ich persönlich damit auch kein Problem, schoss mich selbst ja auch immer mal wieder ab, wenn der Kopf zu voll wurde. Aber der Alkoholkonsum sollte besser nicht die Ausmaße einer Drogensucht annehmen, wie das mit Richard und den Methamphetaminen der Fall gewesen war, weil ich zum jetzigen Zeitpunkt wirklich nicht wusste, ob ich damit umgehen konnte. Gemeinsam mit einem Junkie unter einem Dach zu hausen, den man eigentlich kaum kannte war schon anstrengend genug. Nicht auszudenken, wie es sein würde, wenn man für diesen Jemand dann auch noch Gefühle hatte und live dabei zusehen musste, wie das ganze Leben des Geliebten den Bach hinunter ging. Nein, also ich würde sehr gerne darauf verzichten. Da der junge Mann allerdings weiterhin unter den Fittichen des Amerikaners operierte, ließ mich in dem Punkt aber zu nahezu einhundert Prozent sicher sein, dass ich mir über ein eventuelles Alkoholproblem in dem Sinne keine Sorgen machen musste. Vorher würde Hunter ihn sich ganz bestimmt zur Brust nehmen, wenn er so tief ins Glas geschaut hatte, dass er kaum mehr einsatzfähig war. Das barg natürlich wieder gewisse Risiken, was die körperliche Unversehrtheit Taurens anging, aber na ja. Abstriche musste man wohl überall machen. Jedenfalls was das Thema für mich jetzt eigentlich auch gar nicht weiter relevant, weshalb ich dazu jetzt auch nichts mehr sagte. Stattdessen schenkte ich den noch folgenden Worten des jungen Mannes meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Was den Übergriff auf Michail anbelangte, sah ich zwischenzeitlich nachdenklich in meine Kaffeetasse und damit auf mein verzerrtes, kaum erkenntliches Abbild, welches sich auf der Oberfläche des Getränks widerspiegelte. Ja, die Aktion war irgendwie mächtig nach hinten losgegangen, eben gerade deshalb, weil ich meinen Mund nicht aufgekriegt hatte, aber grundsätzlich war sein Vorhaben in meinen Augen nicht schlecht gewesen und ich wollte, dass er das auch wusste. "Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn du ihn einfach kalt gemacht hättest. Wirklich nicht", stellte ich mit einem schwachen Schulterzucken und nach wie vor neutraler Stimmlage klar, dass mir an dem Weißrussen nicht das Geringste lag und er sich meiner Meinung nach sehr gerne die Radieschen von unten angucken durfte. "Nur... hätte es irgendwo am Waldrand nicht solche Probleme gemacht." Ich wollte eigentlich nicht noch weiter darin rumstochern, dass es gewissermaßen seine eigene Schuld war, dass er jetzt Stress mit Iljah und daraus resultierend auch mit Hunter hatte, aber so sehr ich mich auch darum bemühte, die Sache verhältnismäßig neutral zu sehen, war das nun mal einfach Fakt. Aber ich wollte nicht den Eindruck erwecken, als würde ich ihm die ganze Auseinandersetzung jetzt allein in die Schuhe schieben wollen, weshalb ich noch ein paar ergänzende Worte hinzufügte, die das widerlegten. "Es wäre vermutlich nicht ansatzweise so problematisch geworden, wenn ich einfach meinen Mund aufgemacht hätte, aber ich kann es einfach noch nicht, Tauren. Es tut mir wirklich wahnsinnig leid, wie das gelaufen ist, aber ich verspreche dir, dass ich das irgendwie wieder gutmachen werde..." Zwar wusste ich noch nicht ganz genau, wie ich das nun eigentlich anstellten sollte, deshalb wohl auch das irgendwie, welches das Ganze natürlich gewissermaßen relativierte, aber mir stand schon im Sinn, es wieder gut zu machen. Tauren kam dann auch noch mal auf den wesentlich emotionaleren Teil des Gesprächs zurück, woraufhin ich ihn jedoch lediglich anlächelte und den Kopf schüttelte. Ihn damit indirekt dazu aufforderte, sich die Sorgen diesbezüglich schleunigst wieder aus dem Kopf zu schlagen, weil er sich nun mal keine zu machen brauchte. "Natürlich hätte es etliche andere Zeitpunkte gegeben, an dem sich die besagten vier Worte besser gemacht hätten, aber im Endeffekt ändert das ja nichts an deren Bedeutung. Und... ich liebe dich auch, Tauren. Auch wenn es manchmal vielleicht nicht den Anschein macht... Also mach dir dahingehend bitte nicht ganz so viele Gedanken. Ich war gestern einfach nur... allgemein ziemlich überfordert und verunsichert.", entschuldigte ich mich indirekt noch dafür, dass ich nicht schon gestern etwas in dieser Richtung erwidert hatte, sondern stattdessen vollkommen perplex auf Distanz gegangen war, aber inmitten eines Streits hatte ich nun mal einfach keine Liebesbekundung erwartet und das hatte mich dann einfach gewissermaßen aus der Bahn geworfen.
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Es würde mich wohl auch ziemlich stark wundern, wenn es anders wäre. Vahagn müsste schon einen wirklich irreparablen Knick im Schädel haben, wenn sie ihren Peiniger - der offenbar immer noch nicht genug davon hatte - vor einer Strafe bewahren wollen würde. Ihr Aussage dahingehend überraschte mich an sich also wenig und ich nickte ein klein wenig vor mich hin, hörte ihr auch weiterhin zu. Es war eben auch eine unumstößliche Tatsache, dass ich dem Kerl lieber woanders an die Gurgel hätte gehen sollen - wirklich bereuen tat ich es wie gesagt aber trotzdem nicht. Es könnte wohl höchstens Hunter meine Meinung dahingehend ändern, wenn er mir mit einer maßlosen Strafe entgegenschlug. Was das anbelangte würde ich zweifelsfrei auf heißen Kohlen hocken bleiben, bis ich wusste, was er mir dieses Mal antat. Ich betete wirklich darum, dass der Amerikaner einen guten Tag hatte. Dass er einfach gute Laune hatte, weil die Geldwäsche an sich ja wirklich ohne jegliche Probleme anlief. Auf rein finanzieller Ebene dürfte er also durchaus besänftigt sein, wenn ich zurückkam, nur was den Rest außenherum anging... naja, blieb einfach zu hoffen, dass er mir glauben wollte. Ich hatte keine Beweise für das, was passiert war,weil Vahagn es abstritt, also konnte ich nur auf sein Vertrauen in meine Ehrlichkeit und seine Gnade hoffen. Die war nur leider sehr rar gesät. "Ja, ich weiß.", war aber alles, was ich zu dieser Angelegenheit mit einem Schulterzucken noch sagte, bevor ich von dem Butterbrot abbiss. Ich hatte einfach keine besonders große Lust länger als notwendig darüber zu reden, weil es dann wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit war, bis es doch wieder in einem Streit oder sowas wie Vorwürfen endete. Ich hatte mir einen ungünstigen Zeitpunkt und vor allem einen ungünstigen Ort dazu ausgesucht Michail zu verletzen und es ließ sich jetzt nicht rückgängig machen - Ende der Durchsage. Ähnlich verlief es sich da mit der Tatsache, dass die andere Hälfte des Gesamtresultats auf Vahagns Mist gewachsen war, weil sie mich nicht in meinen Worten Iljah gegenüber bestärkt hatte. Das offenbar ganz einfach noch nicht konnte und deshalb würde sich daran ebenso wenig etwas ändern, wie an meinen eigenen, gestrigen Fehlern. Zwar könnte sie das theoretisch schon wieder gradebiegen, war aber einfach nicht bereit dazu und das musste ich akzeptieren. Der ziemlich bittere Beigeschmack blieb zwar bestehen, aber ihre aufrichtig klingende Entschuldigung und auch das darauffolgende Versprechen milderten diesen Umstand zumindest ein klein wenig ab. Würden mich nur leider weder vor dem Denkzettel des Amerikaners retten, noch das Verhältnis zu Iljah wieder gerade biegen, aber dass es ihr sichtlich leid tat konnte wenigstens den herben Vertrauensbruch wieder ein bisschen flicken. Es würde mir sicher trotzdem noch eine Weile lang im Kopf hängen und ich würde mir in der einen oder anderen Situation vielleicht schon erst einmal gründlich überlegen, ob ich mich auf sie verlassen wollte und konnte. Zu sagen, dass der gestrige Moment traumatisierend war, wäre vielleicht übertrieben, weil ich wirklich schon deutlich Schlimmeres erlebt hatte, aber es hatte dem Vertrauen zu ihr unweigerlich eben doch einige herbe Schnitte verpasst. Risse, die sich wahrscheinlich nur mit der Zeit wieder schließen konnten. Dennoch wollte ich nicht daran zweifeln, dass ich der Brünetten früher oder später wieder zu einhundert Prozent vertrauen konnte. Wir waren ja auch eigentlich jetzt schon ein ganz gutes Team, wenn man die letzten Wochen und die Auseinandersetzung mit Michail mal außen vorließ... es hatte sich ja rausgestellt, dass Vahagns Bedenken bezüglich des Russen berechtigt gewesen waren. Ich hatte mich wirklich gut zusammenreißen können, aber gestern war das Maß dann sehr schnell übervoll gewesen. Innerhalb von wenigen Sekunden, um genau zu sein. Ich wusste zwar nicht, wie lange er da unter Umständen schon hinter ihr gestanden hatte, aber das spielte für mich auch keine große Rolle. Jede Sekunde war ganz einfach schon eine zu viel. Für mich und wahrscheinlich auch für die Russin, die mir hier gegenüber saß. Nur was sagte ich jetzt dazu, ohne ihr das nochmal reinzudrücken? "Es kommt schon irgendwann der richtige Moment dafür. Der gestern... war's eben noch nicht.", murmelte ich leise, sah danach wieder auf meinen Teller runter und zuckte ein weiteres Mal schwach mit den Schultern. "Nach der Sache verschont Hunter mich vielleicht sowieso von weiteren Geschäftsreisen auf russischem Boden... kann zukünftig also nur besser werden.", hängte ich nachdenklich noch ein paar Worte an. Zu einer weiteren solchen Situation würde es so oder so nicht kommen, weil Niemand mehr den Wunsch hegen dürfte mich in Michails Nähe einzuquartieren. Also auch wenn ich noch einmal herkommen musste - was ich erstmal nicht hoffte, weil es mir einfach auch allgemein zu ungemütlich war, wo ich mich doch jetzt an die kubanische Sonne gewöhnt hatte - würde es in keinem Fall noch einmal Probleme in dieser Richtung geben. Höchstens einen toten Michail, sollte ich bei meiner nächsten Reise genug freie Zeit zur Planung eines lupenreinen Attentats mitbringen. Im Spuren verwischen war ich schließlich Meister, es als Unfall zu tarnen wäre kein Ding der Unmöglichkeit. So oder sonst konnte Vahagn vielleicht schon allein dadurch Schadensbegrenzung betreiben, indem sie mir welche Art von Verletzung auch immer versorgte, falls das nach Hunters Urteilsverkündung notwendig sein sollte. Was hier und jetzt aber sehr viel wichtiger war, war, dass die Brünette gegenüber mich nicht darin bestätigte, dass es für die Verkündung meiner Gefühle ihr gegenüber vielleicht zu früh gewesen war. Wider Erwarten gestand sie mir jetzt sogar ebenfalls ihre Liebe und sorgte damit unweigerlich für das erste wirklich aufrichtige, breite Lächeln auf meinen Lippen am heutigen Tag. Allein durch diese paar Worte fühlte sich mein gekränktes Herz wieder ein Stück weit beflügelt und das spiegelte sich auch in meinen glücklich funkelnden Augen wider. Dass die junge Frau sich gestern noch schwer getan hatte war unter jenen Umständen auch ganz einfach alles andere als ein Wunder gewesen. Ich legte das Messer bei Seite und streckte stattdessen die frei gewordene Hand über die Tischplatte hinweg zu Vahagn aus, damit sie ihr Finger in meine legte. Es wäre mir wohl lieber sie jetzt zu küssen, aber das war über den Tisch weg schrecklich unbequem und konnte auch in ein paar Minuten noch nachgeholt werden. Deshalb hob ich lediglich ihre Hand ein wenig an und küsste sie sanft auf die Fingerknöchel. Lehnte mich danach auch noch einen Augenblick lang mit den Lippen an ihre Haut und schloss die Augen, um den Moment trotz der Kopfschmerzen etwas zu genießen. Nach ein paar wenigen Sekunden folgte ein zweiter Kuss und dann gab ich die Hand der Brünetten langsam wieder frei. "Das macht den Kater gleich viel erträglicher.", meinte ich und fing schwach zu grinsen an. Allerdings sanken die Mundwinkel schon bald wieder zu einem Lächeln zurück, weil die strapazierten Gesichtsmuskeln sich nicht unbedingt positiv auf meinen grundlegend angespannten Kopf auswirkten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wir waren uns also einig damit, dass der gestrige Tag einfach besonders blöd gelaufen war. Er, sofern möglich, gerne aus dem Kalender gestrichen werden konnte, weil ich mich an nichts, was an diesem Tag passiert war, jemals gerne zurückerinnern wollen würde. Aber das war wohl leider nicht möglich und so mussten Tauren und ich wohl zusehen, dass wir das Beste aus der Gesamtsituation herausholten. Leicht war das nicht, aber die Entwicklung des Gesprächs war zumindest einigermaßen vielversprechend, wenn man das so sagen konnte. Obwohl ich anfänglich befürchtet hatte, dass es wieder zu einem Konflikt kommen könnte, waren der Norweger und ich uns überraschender einig damit, dass wir beide unseren Teil zu dieser unschönen Auseinandersetzung beigetragen hatten und das beruhigte mich ungemein. Ungeschehen machen ließ sich davon ohnehin nichts, Vorwürfe und Anschuldigungen brachten da nur böses Blut und auch wenn ich für gewöhnlich weniger der Typ Mensch für rationales Denken war, fiel es mir in dem Augenblick irgendwie besonders leicht. Das Alles einfach mit einem leichten Schulterzucken hinzunehmen und ansonsten unkommentiert zu lassen, meine ich. Meiner Meinung nach ließ sich daraus im Nachhinein jetzt nur noch lernen, wie wir uns in der Zukunft besser verhalten konnten, wobei ich nicht hoffte, dass ich Michails Hand jemals wieder auf meinem Hintern spüren musste oder er mich anderweitig belästigte. Ich würde es also begrüßen, wenn der richtige Moment für eine Aussprache mit Iljah nicht aus einer unsittlichen Berührung des Weißrussen resultierte. "Scheinbar...", bestätigte ich Tauren darin, dass das gestern eben noch nicht die Chance gewesen war, die ich hatte ergreifen wollen. "Ich hoffe nur, dass der richtige Moment nicht genau so unangenehm sein wird, wie gestern.", ergänzte ich noch ein paar nachdenkliche Worte und ließ den Norweger damit an meinen vorherigen Gedanken teilhaben. Indessen stocherte ich abwesend mit der Gabel in den Überresten des Syrnikis herum, bevor ich mir diese noch in den Mund schob und meinen Teller damit leerte. Zwar konnte ich mir bis jetzt noch nicht vorstellen, wie ein Gespräch zwischen meinem Bruder und mir bezüglich dieses Themas zustande kommen sollte, ohne, dass Michail sich mir vorher aufgedrängt hatte, aber aktuell wollte ich da auch gar nicht wirklich drüber nachdenken. Es gab bestimmt eine andere Lösung, wie für fast alles andere auch. Was die Sache mit Taurens Stationierung in Russland anging, konnte ich ebenfalls nur mit den Schultern zucken und daraufhin bestätigend nicken. Wenn ich Hunter wäre - der Gedanke war irgendwie beunruhigend -, dann würde ich mich sehr wahrscheinlich auch davor hüten, erneut einen Störenfried zu meinem Geschäftspartner zu schicken. War nur nachvollziehbar, dass man da lieber drauf verzichtete, um unnötigen Streit und gegebenenfalls sogar Tote zu vermeiden. In Zukunft hieße das dann also, dass ich mit Hunters Jungs wieder alleine in die Heimat reisen würde, was mich einerseits natürlich schon ein bisschen freute - man hatte ja gesehen, wohin das ansonsten führte -, andererseits war ich ein bisschen besorgt, was die möglichen Konsequenzen der Aktion für Tauren anging. Den Amerikaner dürfte es sicherlich nicht gefreut haben, zu hören, dass sein Jüngling bereits bei der ersten, ihm aufgetragenen Arbeit, die mehr Verantwortung von dem Norweger erforderte, schon für Ärger gesorgt hatte. Im Gespräch mit meinem Bruder hatte ich ihn gebeten, davon abzusehen, Hunter zu kontaktieren, aber Iljah hatte förmlich darauf bestanden und sich auch nicht davon abbringen lassen, bis ich schließlich in der Nacht ins Hotel aufgebrochen war. Auch das war etwas, was mir ein bisschen leid tat, weil es nun mal einfach alles nicht so passiert wäre, wenn ich ihm einfach den Rücken gestärkt und die Wahrheit ausgesprochen hätte, aber der Drops war jetzt gelutscht und mehr, als eventuell noch einmal kurz mit Hunter darüber zu sprechen, konnte ich für ihn in dem Fall auch nicht tun. Der junge Mann schien sich damit allerdings schon abgefunden zu haben, ging gar nicht weiter darauf ein - warum sollte er auch? - und widmete sich stattdessen lieber meiner letzten Aussage, die ihm sofort ein aufrichtiges Lächeln auf die Lippen zauberte. Dass ich mich dahingehend nur einklinken konnte, weil das Lächeln unglaublich ansteckend war, musste ich wohl nicht noch extra erwähnen. Und selbst wenn mein neutraler Gesichtsausdruck fürs Erste noch geblieben wäre, hätten die Mundwinkel spätestens dann freudig in die Höhe gezuckt, als Tauren sich meine freie Hand schnappte, um daraufhin den Handrücken zu liebkosen. Es fühlte sich einfach unglaublich gut an, die warmen Lippen auf meiner Haut zu spüren und die Bestätigung, dass er sich offenbar darüber freute, so etwas aus meinem Mund zu hören, in Form von ein paar wenigen Worten erhellte auch mein bis jetzt eher trübes Gemüt ein wenig. "Freut mich, wenn ich mit so etwas simplen schon helfen kann.", murmelte ich vor mich hin und das Lächeln wollte gar nicht mehr aus meinem Gesicht verschwinden, als ich auf die Hand hinunter sah, die nach den Zärtlichkeiten nun wieder regungslos aus dem Tisch lag. Noch immer mehr in Taurens Richtung, weil ich sie nicht direkt zu mir zurückgezogen hatte. Dabei war das für mich gerade gar nicht so einfach und simpel gewesen, wie ich es das darstellen wollte. Mich hatte es gedanklich wirklich viel Überwindung gekostete, die Worte an den jungen Mann zu richten und vermutlich lag es lediglich an der Tatsache, dass ich mit so der Liebesbekundung nicht auf taube Ohren oder Verständnislosigkeit stoßen würde, was mir den nötigen Ruck gegeben hatte. Den ersten Schritt hätte ich wohl in hundert Jahren noch nicht gemacht, wenn ich ehrlich sein sollte. Dafür war die Angst zu groß, abgewiesen zu werden, wobei der Norweger vermutlich der letzte Mensch auf dieser Welt war, der mich zurückweisen würde. Aber es gab nun mal einfach Paranoia, die man nicht mal eben ablegen konnte, nur weil sie einen störten...
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