Genau da lag wohl auch das Problem. Dass er eben nicht die meisten war, weil ich mich sonst kaum immer wieder auf seinen Beifahrersitz verirren würde. War schließlich nicht so als hätte ich keine anderen Freunde - wobei ich Iljah in diese Kategorie wohl nach wie vor nur mehr oder weniger einordnen würde, weil die Sache mit der Freundschaft bei uns beiden irgendwie eher schlecht zu funktionieren schien -, die mich an einem Samstagabend mit auf Tour nehmen konnten, wenn mir der Sinn danach stand. Mal ganz unabhängig davon, dass ich heute ursprünglich mal am liebsten gar nicht rausgegangen wäre und es vielleicht auch wirklich einfach nicht hätte tun sollen, hätte es also keinesfalls der Schwarzhaarige sein müssen, mit dem ich meine freien Stunden teilte. Deshalb fragte ich mich wohl auch ein bisschen, weshalb er mir diese Formulierung jetzt so krumm zu nehmen schien. Es sollte eigentlich ziemlich deutlich für ihn ersichtlich sein, dass er nicht nur irgendein dahergelaufener Idiot war, den ich als billige Alternative für einen kostspieligen Fahrservice nutzen wollte. "Das war auch nicht das, was ich damit sagen wollte.", stellte ich etwas trocken mit einem flüchtigen Augenrollen klar, als ich wieder aus dem Fenster neben mir sah. War wohl für alle Beteiligten besser, dass die WG inzwischen nicht mehr allzu weit entfernt war. Es war nicht so, als würden mir die forschen Worte des jungen Mannes sofort wieder Angst eintrichtern oder mich zutiefst kränken, aber es war dennoch etwas unangenehm. Auch, wenn es mich kaum kümmerte, dass er mich nun auch noch einmal wortwörtlich anstrengend nannte. Natürlich war das weder besonders nett, noch anderweitig förderlich für die Situation, aber ich wusste nun mal leider, dass es genau so war. Ich war eigentlich keine leicht reizbare Person, aber ich machte gerne alles ein bisschen dramatischer, als es das eigentlich war und allein das war eine schrecklich nervtötende Eigenschaft von mir. Das sagten mir auch Ksenia und Anastasia hin und wieder, wenn ich mich bei ihnen über irgendetwas aufregte, das wiederum in ihren Augen eigentlich kaum der Rede wert war. Ich nahm mir Dinge eben zu Herzen und überdramatisierte sie auch gerne, weshalb ich mich hier und jetzt gedanklich eines Besseren belehrte und einmal tief durchatmete. Mir war durchaus danach etwas Giftiges zu erwidern, aber ich verkniff es mir und schluckte die Worte herunter, biss stattdessen sehr angespannt auf der Unterlippe herum. Grub auch die Fingernägel etwas in meine Handinnenflächen, um mich abzulenken. Ich wünschte nur Iljah würde meine anstrengende Art eben nicht tolerieren und nicht dahinter nachschauen wollen, ob es eben noch etwas gab, wofür sich das Aushalten meiner sensiblen Person lohnen könnte. Denn im Grunde gab es da in meinen Augen auch nicht wirklich viel zu finden, über das er sich hätte freuen können. Ich konnte durchaus den Mund aufmachen, wenn ich es für notwendig hielt, war an sich aber eine - gerade Männern gegenüber - unsichere Persönlichkeit, die noch dazu kaum mit sich selbst zurechtkam. Wenn es nicht gerade um Ordnung in meinen eigenen vier Wänden ging war ich chaotisch veranlagt, nicht selten eine kleine Dramaqueen und hier und da eben einfach noch jung. Ich war nicht kindisch, hatte ich dazu doch schon viel zu viel mitgemacht, aber ab und an hatte ich eben doch noch den jugendlichen Leichtsinn an mir, der Iljah längst verlassen hatte. Wir beide waren im Grunde wahrscheinlich von vornherein sehr verschieden, wie sich hier gerade auch mal wieder recht deutlich zeigte. Andernfalls würde ich mich kaum schon wieder ein Stück weit verkrampfen und es nur gerade so unterbinden können auf meinen vier Buchstaben hin und her zu rutschen. Ich wunderte mich aber doch sehr darüber, dass der Tätowierte den Wagen vor meinem Wohnhaus angekommen ganz ausmachte. Immerhin würde er doch kaum lange hier halten müssen, wenn er mich - wie ganz bewusst extra noch einmal von mir betont worden war - nur absetzte und danach gleich Nachhause weiterfahren konnte. Er hatte aber jetzt nicht etwa vor auszusteigen, oder? Erstens wollte ich ihm heute bevorzugt nicht noch einmal gegenüber stehen, weil wir alle hier ganz genau wussten, wozu das vorhin geführt hatte und worin das alles gerade im Augenblick resultierte. Zweitens wollte ich dem Schwarzhaarigen auch nicht noch ein weiteres Mal sagen müssen, dass er nicht mit nach oben kommen würde. Darüber zu diskutieren wäre ziemlich sinnlos und würde nur für noch mehr Unruhe sorgen, weil ich mich dahingehend in keinem Fall umstimmen lassen wollte. Ich beschloss dennoch vorerst noch nicht darauf zu reagieren, nicht zu viel hineinzuinterpretieren, sondern sah nach fünf oder sechs Sekunden, nachdem der Wagen zum Stehen gekommen war, etwas vorsichtig wieder zu ihm rüber. Schnallte mich gerade ab, als ich zum Reden ansetzte. "Ich... nehm' mir die nächste Woche dann frei. Falls du es dir anders überlegst was das angeht, meld' dich einfach... auch wegen den Terminen für die Buchhaltung, ich nehm' mir erstmal nichts weiter vor.", redete ich so vor mich hin, wenn auch wieder merklich aufgewühlter als vorher und zuckte ein klein wenig mit den schmalen Schultern. Bis dato hatte ich noch keine festen Tage für die weitere Einarbeitung, also sollte er sich einfach melden, was all den Kram bezüglich der Arbeit anging. Auf welche Tage er das nun festlegte war mir gerade so egal wie kaum etwas anderes. "Danke fürs Heimbringen. Komm gut Nachhause, Iljah.", bedankte ich mich noch leise für seine keinesfalls selbstverständlichen Mühen, bevor ich mich indirekt von ihm verabschiedete, indem ich ihm eine gute Heimfahrt wünschte. Schon während des letzten Satzes wandte ich mich von ihm ab und schob die Beifahrertür auf, um auszusteigen und hoffentlich zeitnah aus dieser absolut unangenehmen Situation rauszukommen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es war irgendwie gar nicht so leicht, die Tatsache zu verdrängen, dass der Abend im Prinzip gelaufen war und sich unsere Wege für heute trennten. Ich konnte nur noch einmal betonen, dass es sicherlich das Beste für beide Seiten war und ich hatte auch ehrlich gesagt von Anfang an nicht damit gerechnet, dass ich die Nacht bei Irina verbringen würde oder sie mit zu mir kam. Gewünscht hatte ich mir das vielleicht aber insgeheim irgendwie schon. Nicht unbedingt auf Grundlage der Kuscheleinheiten, die wir ausgetauscht hatten sondern vollkommen unabhängig davon. Mittlerweile verstanden wir uns schließlich echt gut und lachten viel gemeinsam. Außerdem wäre mein trautes Heim nur etwa zehn Minuten vom Lagerfeuer entfernt gewesen und dass wir uns derart nahegekommen waren, hatte mich natürlich nur in der Annahme bestärkt, dass aus etlichen Unternehmungen dann auch mal eine Übernachtung resultierte. Tja, nichts war. Nach der Auseinandersetzung hatte ich dann logischerweise darauf verzichtet, Irina anzubieten, bei mir zu pennen, weil sie mit zweihundert prozentiger Wahrscheinlichkeit sowieso dagegen gewesen wäre. Und für gewöhnlich empfand ich das als nicht weiter schlimm und hätte einfach geduldig auf eine andere Situation gewartet, in der ich ihr dieses Angebot hätte unterbreiten können, aber heute war das irgendwie anders. Ich würde nicht behaupten wollen, dass ich irgendwie sauer oder enttäuscht war, das erschien mir irgendwie der falsche Ausdruck. Schätzungsweise hatte mich Irinas verhaltene Art nur wieder unglaublich neugierig gemacht, weshalb ich es nicht akzeptieren wollte - und letztlich auch nicht konnte -, dass sie mich nun einfach so im Regen stehen ließ, weil... weil was eigentlich? Rückblickend betrachtet war der Grund und generell die gesamte Auseinandersetzung doch vollkommen schwachsinnig, absolut unnötig gewesen. Aber daran ließ sich jetzt wohl kaum noch etwas machen. Ich erwiderte auf die verabschiedenden Worte der jungen Frau nur ein gemurmeltes "Gute Nacht." ohne auf das Gesagte ihrerseits näher einzugehen, ehe Irina mich auch schon alleine im Auto zurück ließ und die Beifahrertür in ihren Rahmen fiel. Mit einem leisen Seufzen überschlug ich beide Arme auf dem Lenkrad und beugte mich nachdenklich ein wenig vor, um der schlanken Silhouette im Licht der Straßenlaterne durch die Frontscheibe zu folgen. Für den Weg vom Wagen bis zur Haustür brauchte Irina nur wenige Sekunden, in denen ich mich immer weniger damit anfreunden konnte, jetzt gleich einfach nach Hause zu fahren und so zu tun, als wäre an dem heutigen Tag überhaupt nichts Außergewöhnliches passiert. Denn das war es sehr wohl. Die Serbin hatte mir eine unglaublich interessante Seite an sich gezeigt, die ich sehr gerne weiter ergründen wollte, aber ich befürchtete schon fast, dass das nicht funktionieren würde, ohne nicht doch in gewisser Hinsicht etwas intimer zu werden. Oder zumindest mehr als Freunde eben. Aber wir hatten uns vor wenigen Augenblicken einstimmig dagegen entschieden, einander näher zu kommen, als das wirklich notwendig war und... ach, was auch immer. Ich hatte schon fast vollständig vergessen, worüber wir uns unterhalten hatten, weil mich die angenehme Wärme - die auch ein unterkühlter Körper noch von sich gab - einfach abgelenkt und ich sie in vollen Zügen genossen hatte, von dem Duft ihrer Haare mal ganz zu schweigen. Machten wir uns also nichts vor. Ich wollte etwas von der jungen Frau und sie ganz offensichtlich auch von mir. Warum versuchten wir beide also ständig, uns das so vehement ausreden zu wollen? Nur damit die geschäftliche Beziehung nicht darunter leiden würde, falls das Ganze dann doch in die Hose ging? Ich meine... was war denn an einer guten Freundschaft mit gewissen Vorzügen falsch, konnte da überhaupt etwas schief gehen? Jeder hätte doch noch seine gewohnten Freiheiten, Irina brauchte kaum meine Handgreiflichkeiten zu fürchten und ich hatte trotzdem jemanden, der den leeren Platz in meinem Bett ausfüllen und mich früh morgens mit dem sanften Streicheln durchs Haar wecken konnte. In meinen Augen eine eindeutige Win-Win-Situation, aber ich hatte gerade weniger Win-Win und mehr die Situation, wenn ich mir vor Augen führte, dass ich die junge Frau nun erst einmal für eine Woche nicht mehr sehen würde. Zwar hatte sie durchaus angeboten, beziehungsweise sich verständlich dafür gezeigt, wenn ich mein Angebot von gestern Abend doch wieder zurückzog, aber das war nicht meine Art. Ich hielt mein Wort und würde sie in ihrem wohlverdienten Urlaub sicherlich nicht stören oder mit der nervigen Arbeit aus der Buchhaltung belasten. Sie sollte sich ruhig erholen, aber auch darüber nachdenken, ob sie mir nicht eventuell doch eine Chance geben wollte, mich hinter ihre Fassade sehen zu lassen, weil ich mich so geduldig und beharrlich mit ihr zeigte. Ja, hier und da ging sie mir tatsächlich auf den Keks, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass sie das noch nicht einmal absichtlich tat - so zu sein, meine ich. Und dafür gab es definitiv Gründe, denen ich gerne auf den Zahn fühlen würde. Um einen Anreiz zu schaffen, dass sie sich das Ganze noch einmal überlegte, hielt ich es scheinbar für eine sehr gute Idee, die Fahrertür aufzustoßen und förmlich aus dem Mercedes zu fallen, um Irina auf die paar wenigen Meter hinterher zu stolpern, bevor sie schließlich die Haustür gänzlich passiert hatte. Ich hatte wohl Glück, dass ich so groß war und mit den langen Beinen entsprechend schnelle Schritte machen konnte, um zu der jungen Frau aufzuschließen, bevor die Haustür hinter ihr ins Schloss fiel. Ich kam gerade noch rechtzeitig und erwischte die Serbin am Handgelenk, an dem ich sie geschickt zu mir herumdrehte, nachdem ich im Türrahmen zum Stehen gekommen war. Augenscheinlich war ich nun mal nicht besonders gut, wenn es um einfühlsame und verständnisvolle Worte ging und ließ in dem Punkt lieber Taten sprechen. So war es wohl der verzweifelte Versuch, sie davon überzeugen zu wollen, dass ich wirklich nicht zu den meisten Männern gehörte, warum ich ihr urplötzlich und aus heiterem Himmel einen Kuss auf die Lippen drückte, der zu gleichen Teilen bestimmt, aber auch eine Fluchtmöglichkeit für die junge Frau offen haltend war. Sie sollte einfach wissen, dass ich die Sache durchaus ernst nahm und sie bloß nicht denken brauchte, dass ich nach dem erneuten Dämpfer wie ein getretener Köter von Dannen ziehen und die nächste Woche schmollend allein auf der Arbeit verbringen würde. Da drehte ich den Spieß lieber um und ließ die junge Frau auf heißen Kohlen sitzen, weil sie von uns beiden definitiv diejenige war, die sich deutlich mehr Gedanken um Kleinigkeiten machte, als ich. Auch wenn ich sagen musste, dass mir diese unglaublich weichen Lippen jetzt wohl auch nicht mehr ganz so schnell aus dem Kopf gehen würden. Ich löste mich vermutlich genau so schnell von Irina, wie ich ihr derart nahe gekommen war, nur um kurz darauf eine Hand an ihre Wange zu legen und mit dem Daumen fast schon zärtlich über die Kinnpartie zu streichen. "Übertreib' es nicht mit dem Wein...", murmelte ich schließlich zu ihr runter, war sie doch ein gutes Stück kleiner als ich und ja, vielleicht hatten meine Mundwinkel dabei ein wenig belustigt gezuckt. Aber auch nur vielleicht.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
So weit, so gut - ich kam ohne irgendeine Form von Widerworten aus dem Auto heraus und Iljah verabschiedete sich trotz meiner Befürchtung für den heutigen Tag, was mich doch ein Stück weit erleichterte. Dann war doch erstmal alles gut, oder? Sollte es eigentlich. Dennoch wollte die Nervosität erst einmal noch nicht gänzlich von mir abfallen, als ich in eher gemütlichem Tempo in Richtung Haustür ging und dabei den klimpernden Schlüsselbund aus meiner Manteltasche zog. Ich warf auf dem Weg zur Haustür auch noch einen flüchtigen Blick auf mein Handy, überflog die Nachricht im Gruppenchat der WG aber lediglich und schob es danach sofort zurück in die Jackentasche. Vielleicht hätte ich die lieber auf der Fahrt zum Lagerfeuer schon lesen sollen. Andererseits glaubte ich irgendwie nicht so recht daran, dass mich ein 'Lagerfeuer klingt etwas zu romantisch, wenn du mich fragst.' von Ksenia wirklich davon abgehalten hätte die Kälte durch die direkte Nähe des Tätowierten zu eliminieren. Ich würde es mir wünschen, aber damit allein kam man bekanntlich ja nicht weit. Immerhin wusste nicht erst seit fünf Minuten, dass Ijah für mich im Grunde eine ziemlich toxische Schlange implizieren sollte, um die ich besser einen möglichst großen Bogen machte. Offenbar ließ ich mich einfach gern beißen. Genoss es auch noch, zumindest bis zu dem Punkt, an dem das Gespräch in eine ungute Richtung umgekippt war. Aber was hatte ich auch gedacht? Dass das alles absolut glatt lief und mir mein eigener, innerer Zwiespalt diesmal nicht zum Verhängnis werden würde? Unwahrscheinlich. Es sollte mich also nicht wundern, dass die Gedanken in meinem Schädel sich auch auf dem Weg bis zur Haustür nur schwer bis gar nicht richtig sortieren ließen. Deswegen brauchte ich ja den Wein, der im Grunde schon fast in greifbare Nähe rückte, als ich die Haustür schließlich aufgeschlossen hatte und aufschob. Allerdings sollte es das heute an unguten Stolperfallen für meine Wenigkeit noch gar nicht gewesen sein, denn ich spürte noch auf der Türschwelle, wie sich Finger um mein Handgelenk schlossen. Wahrscheinlich hätte ich Iljah schon hören können bevor er bei mir angekommen war, wenn meine Sinne halbwegs aufnahmefähig und weniger von meinem eigenen Gehirn vernebelt gewesen wären. Allerdings kam ich gar nicht dazu ihn zu fragen, was er denn jetzt trotz der abschließenden Worte im Auto noch von mir wollte, weil der junge Mann sich stattdessen sehr entschlossen zu mir runterbeugte und mich küsste. Einfach so. Als hätte ich ihm vorhin nicht mehr oder weniger schon wieder gesagt, dass das mit uns beiden wirklich keine gute Idee war. Interessierte ihn offenbar herzlich wenig, denn er brachte mein Herz mit dem Kuss nur ein weiteres Mal dazu mindestens zwei Schläge auszusetzen. Meine Augen fielen von ganz alleine zu und ich erwiderte den Kuss vermutlich rein instinktiv, während der Rest meines Körpers eher in etwa auf die gleiche Weise in eine kurzzeitige Schockstarre fiel, wie schon damals im Büro, als er mich einfach so aus dem Nichts heraus angefasst hatte. Ich wurde vielleicht nicht zu einem stocksteifen Brett, aber die durch meine Adern rauschende Welle Adrenalin führte doch zu einer gewissen Anspannung in meinem Körper. Immerhin fegte mir der Hormoncocktail aus Endorphin, Dopamin und Oxytocin den Kopf für den Moment vollkommen leer und meine Sinne hatten dadurch freie Bahn, um mir überdeutlich zu machen, dass Iljah kein schlechter Küsser war. Er schien es wirklich nicht für nötig zu halten mir endlich mal einen wirklich guten Grund dafür zu geben die Finger von ihm zu lassen. Einem Mann das Küssen erst beibringen zu müssen war schrecklich anstrengend, weshalb mir das sicher einen Dämpfer verpasst hätte. Den Gefallen tat der Schwarzhaarige mir aber nicht. Stattdessen servierte er mir mehr oder minder auf dem Silbertablett, was ich theoretisch haben konnte, wenn ich nur nachgab... und nachgeben war so schrecklich einfach. Nur einen Moment lang den Kopf ausmachen, ein einziges Mal nicht an Morgen denken. Aber kaum war der Tätowierte mir so nah gekommen wie noch nie zuvor lösten sich seine Lippen auch schon wieder von meinen und ließ mich mit leicht geöffnetem Mund, sowie noch geschlossenen Augen zurück. Es dauerte zwei, drei Sekunden, ehe ich die Lider leicht flackernd aufschlug. Kaum sah ich noch recht perplex aus großen Augen wieder zu Iljah auf, spürte ich auch schon seine Finger an meinem Gesicht. Hörte auch seine Worte, wobei es irgendwie ein bisschen länger dauerte als gewöhnlich, bis sie auch von meinen Ohren bis zum Gehirn vorgedrungen waren. Deshalb musste er auch noch ein paar Sekunden auf eine Antwort warten. "Ja... nein, ich... mach ich nicht.", gab ich eine noch ziemlich wirre, leicht stockende Antwort von mir. Noch währenddessen hob ich auch die linke, freie Hand an - in der rechten baumelte noch immer der Schlüsselbund vor sich hin - und meine Finger wollten sich eigentlich gern bis zu diesem wahnsinnig markanten Kiefer ausstrecken. Wollten herausfinden, ob die Kontur nicht nur durch das Tattoo so kantig wirkte, der Wahrheit dahingehend auf den Grund gehen. Aber da kam dann doch das große Stoppschild in meinem Kopf langsam zurück, weshalb meine Finger letzten Endes lediglich für den Bruchteil einer Sekunde seitlich seinen Hals streiften. Ich folgte meiner Hand mit den Augen, als sie danach über seine Schulter bis zur Brust an seinem Mantel nach unten strich. Dort kam sie für einen Moment zum Liegen und mein Blick streifte noch einmal Iljahs, bevor ich mich mit einem Schritt rückwärts von ihm löste. Damit auch die Haustür wieder aufschob, die irgendwann zwischendrin an meinem Rücken gelandet war, weil die halt nun mal von allein langsam wieder zufiel, wenn man sie nicht festhielt. Auf meiner Unterlippe herumkauend machte ich dann Kehrt, um dieses Mal wirklich nach drinnen zu verschwinden. Warf nur noch einen kurzen Blick über meine Schulter zu dem jungen Mann - hauptsächlich um sicherzugehen, dass er mir nicht wirklich noch bis in die Wohnung folgte. Über den Wein machte er sich jetzt Gedanken? Das hätte er vielleicht mal früher machen sollen. Die Tendenz war nach dieser Aktion nämlich erfahrungsgemäß nicht grade sinkend.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es hatte sich gut angefühlt. Sehr gut sogar, wenn ich ehrlich sein sollte und ich müsste lügen, würde ich behaupten, nicht mehr davon zu wollen. Aber Irina schien mir bereits nach dem ersten Kuss für die nächste Woche bedient zu sein, was etwaigen Stoff zum Nachdenken anbelangte und damit sollte ich es für heute Abend lieber gut sein lassen. Schließlich stand mir nicht im Sinn, die junge Frau an den Rande des Nervenzusammenbruchs zu treiben, wenn ich das nicht schon längst getan hatte. Da sie allerdings noch auf beiden Beinen stand und noch ausreichend Kraft aufbringen konnte, mir ihre Hand über Umwege an die Brust zu legen, ging ich einfach mal nicht davon aus. Dass sie hochgradig verwirrt war und nicht so recht wussten, wohin mit sich - das sah man Irina an. Aber genau das war ja auch mein Ziel gewesen und in dem Sinne störte es mich nicht mehr ganz so sehr, dass sich die schlanke Schönheit schon bald wieder gänzlich von mir distanzierte, nachdem sie noch ein paar wirre Worte in meine Richtung gestammelt hatte. Ich war zwar immer noch alles andere als begeistert, jetzt gehen zu müssen und so wirklich glauben, dass sie dem Wein heute kaum mehr Beachtung schenken würde, tat ich Irina auch nicht, aber es wurde langsam Zeit, dass ich den Heimweg antrat. Am Ende wurde mir sonst nur noch wieder unterstellt, dass ich sie stalken würde und darauf konnte ich schlicht und ergreifend gut verzichten. Ich genoss noch den kurzen Moment, in dem mich die junge Frau aus ihren großen, braunen Rehaugen ansah, ehe ich meine Hand schließlich widerwillig von ihrer Wange löste und sie mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, sowie den Worten "Wehe, wenn nicht. Schlaf gut..." ins Treppenhaus entließ, wo sie schließlich auch auf sich alleine gestellt war. Die Haustür fiel vor meiner Nase ins Schloss und ich stand sicherlich noch an die zwei Minuten reglos in der Kälte und starrte das morsche Holz der Eingangstür an. Was mir dabei alles durch den Kopf schoss, konnte ich dabei nicht einmal im Ansatz benennen. Logischerweise der Kuss von gerade eben, aber auch der Abend an sich und jedes unserer Treffen davor. Als ich nach einigen tiefen Atemzügen von der kalten Nachtluft dann wieder so weit klar im Kopf war, dass ich mir zutraute, mich hinter das Steuer fallen zu lassen, ohne wegen Unachtsamkeit gegen die nächste Hauswand zu rasen, drehte ich mich auf dem Absatz um. Straffte auch die Schultern wieder ein wenig, während ich den Blick kurzzeitig über die asphaltierte Straße und den gegenüberliegenden Gehweg schweifen ließ. Ich wusste zwar nicht genau, wonach ich letztlich Ausschau hielt, aber ich hatte irgendwie das ungute Gefühl, ein Augenpaar auf mir zu spüren, welches weder das von Irina, noch von einer ihrer Mitbewohnerinnen war. Ich würde mir allerdings zutrauen, dass ich selbst gerade nur ein wenig durch den Wind und daraus resultierend etwas paranoid war, weil der Kuss natürlich auch an mir nicht einfach spurlos vorbei gezogen war. Es war zwar bei Gott nichts Neues, dass ich Frauen küsste und es ging wohl auch weniger um den Kuss an sich, sondern viel mehr um die junge Frau, die in jenen verwickelt gewesen war. Ich konnte mir nicht helfen, aber Irina hatte etwas an sich, was nicht nur meine Jagdinstinkte weckte, sondern irgendwie... keine Ahnung, da war einfach noch etwas anderes, als der bloße Reiz einer Jagd, aber was genau - das konnte ich nicht zu einhundert Prozent sagen. Und Gedanken darüber machen wollte ich mir jetzt ehrlich gesagt auch nicht. Meine Laune war nach der Sache eben nämlich wieder halbwegs stabil. Nicht derart gut, wie noch zu Anfang, aber okay und ich wollte sie mir jetzt nicht noch einmal punktuell komplett versauen, indem ich mir die Frage stellte, was ich mir eigentlich dabei gedacht oder letztlich davon erhofft hatte. Stattdessen setzte ich mich in Bewegung, um die wenigen Meter bis zu meinem Auto zurückzulegen und an der offenstehenden Fahrertür angekommen schien sich auch das unangenehme Gefühl, beschattet zu werden in Luft aufgelöst zu haben. Inzwischen war ich mir aus der Erfahrung heraus sehr sicher, dass da irgendjemand gewesen sein musste, der Irina und mich beobachtet hatte und ich mir das eben nicht nur einbildet hatte, aber ich schenkte dem vorerst keine weitere Beachtung. Schließlich ahnte ich aktuell noch nichts Böses und vermutete einfach, dass uns um diese Uhrzeit bloß ein Obdachloser hinter einer Hauswand ins Auge gefasst hatte. Gerade in der Gegend hier absolut nicht unwahrscheinlich. Ich hielt mich deshalb gar nicht mehr lange an der frischen Luft auf, obwohl diese meinem etwas rotierenden Gedanken gerade wirklich guttat, sondern stieg anstelle dessen in den Mercedes ein, um nach einem letzten Blick in Richtung der geschlossenen Haustür dann den Weg nach Hause einzuschlagen.
~ le sprüng bis zum... nächsten abend/morgen oder so o.o XD
Kuba war toll. Ich hatte der ganzen Geschichte mit dem Ausreisen ja ziemlich kritisch gegenübergestanden, aber inzwischen war ich ganz froh, diesen Schritt gewagt zu haben. Mein aktuelles Leben war das komplette Gegenteil von dem, was ich in Norwegen geführt hatte und das war... gut. Vermutlich nicht nur für meine Laune, sondern auch für meine Gesundheit. Tauren hatte bei einem unserer sehr frühen Treffen bereits auf den Punkt gebracht, dass mir die Decke in der Bar früher oder später wohl auf den Kopf gefallen wäre und sich jetzt tagtäglich in der Sonne zu wälzen und einen Joint nach dem nächsten zu qualmen, während ich mich lediglich um ein bisschen Haushalt kümmern musste, war definitiv eine nette Abwechslung. Mittlerweile war ich aber auch ganz froh darüber, dass die Smith and Wesson Reloaded in den Startlöchern stand, denn auch wenn die anfängliche Zweisamkeit mit Hunter unserer Beziehung wirklich gut getan hatte - von Taurens und Vahagns unschönem Auftreten und dem riesigen Streit, nachdem der Amerikaner aus Russland zurückgekehrt war mal ganz abgesehen -, fehlte zwischenzeitlich nicht mehr viel, um mich meinem eigenen Freund ins Bein schießen zu lassen. Hunter und auch ich selbst hatten einige Abstriche gemacht, seitdem wir uns aufeinander eingelassen hatten, aber hier und da eckten wir auch heute noch bei dem jeweils anderen an und seitdem er alleine mit Vahagn in ihrem Heimatland gewesen war, um dort mit dem Bruder des Miststücks über eine mögliche Zusammenarbeit hinsichtlich des Falschgeldes zu sprechen, hing der Haussegen irgendwie ziemlich schief. Das Ganze lag bereits einige Wochen zurück und doch war ich immer noch ziemlich sauer, dass er mich erst über seine Reise in Kenntnis gesetzt hatte, als er quasi schon mit einem Bein im Flieger gestanden war und wir überhaupt keine Zeit mehr dafür hatten, darüber zu reden. Nicht, dass ich zu dem Zeitpunkt seiner Beichte dazu imstande gewesen wäre, aber... selbst wenn, hätte ich mir das gleich wieder von der Backe schmieren können. Es war natürlich ein Fortschritt, dass er überhaupt daran dachte, mich darüber zu informieren, dass er für ein paar Tage mit Taurens toller Freundin irgendwo hin flog, aber das machte den Umstand, dass es nun mal Vahagn war, mit dem er verreiste, irgendwie nicht besser. Na ja. Ohne das weiter ausführen zu wollen, gingen wir uns aktuell mehr oder weniger aus dem Weg, was aufgrund der Tatsache, dass Hunter geschäftlich bedingt viel um die Ohren hatte, während ich mit der Einrichtung und Organisation der Bar beschäftigt war, nicht einmal viel Aufwand bedeutete. Am heutigen Tag, beziehungsweise Abend waren die letzten Renovierungsarbeiten abgeschlossen und was dann noch folgte, war das reinste Kinderspiel. Man konnte also guten Gewissens behaupten, dass die Bar in ihren letzten Züge und somit kurz vor der Eröffnung stand, was ich natürlich zelebrieren wollte. Hunter war allerdings noch arbeiten - ehrlich gesagt hatte ich nicht die leiseste Ahnung, wo der Kerl sich aktuell herumtrieb -, weshalb ich eine meiner neuen Freundinnen kontaktierte, die ich vor geraumer Zeit hier auf Kuba kennengelernt hatte. Wir kauften oft Stoff vom selben Dealer und waren irgendwann dann einfach mal ins Gespräch gekommen, nachdem ich mir selbst in den Arsch getreten hatte, mir zumindest ansatzweise die Mühe zu machen hier auch nur irgendeine Art von Sozialleben aufzubauen. Und daraus resultierend waren Carla und ich irgendwie sowas wie beste Freunde geworden. Hingen des Öfteren zusammen ab und rauchten gemeinsam am Strand unser Gras, während das Leben nur so an uns vorbei zog. Wir redeten zwar nie viel miteinander und wirklich etwas über den jeweils anderen wissen taten wir auch nicht, aber die junge Frau Mitte zwanzig hatte eine sehr angenehme Art, die mit meiner perfekt harmonierte und so flüchtete ich mich auch das ein oder andere Mal zu ihr in die Wohnung, wenn mir der Terror daheim zu viel wurde oder Hunter für längere Zeit - Stichwort Russland - nicht nach Hause kam. Dann war ich immerhin nicht ganz so einsam und die Zeit gestaltete sich auch weniger fad. Heute war wieder einer dieser Tage, an denen wir uns trafen, um gemeinsam einen drauf zu machen. Ein wenig durch die Straßen zu ziehen und die Sau rauszulassen, weil ich das in Norwegen nie getan hatte. Es schien, als wäre ich mit 24 Jahren bereits in meiner Midlife Crisis, aber das war vollkommen okay. Es störte sich ja auch niemand dran und wenn doch, dann wir mir das schlichtweg ziemlich egal. Der Abend verlief im Verhältnis zum Rest noch relativ ruhig. Nachdem ich mich daheim ein wenig aufgehübscht hatte und ohne ein weiteres Wort oder eine Information an den Amerikaner von Dannen gezogen war, streunten wir bis spät in die Nacht noch durch verschiedene Bars und Diskotheken, das Handy dabei stets auf lautlos. Dabei trank ich selbst nicht besonders viel, sondern ließ mich ausschließlich von der guten Laune meiner Freundin mitreißen und zum Tanzen animieren, bis wir uns im letzten Unterhaltungsetablissement schließlich eine gemeinsame Line auf den gewohnt abgefuckten Toilettendeckeln genehmigten. Ich hatte lange Zeit die Finger vom Koks gelassen. Zu einem sehr großen Teil wegen Hunter, aber auch weil das Gras in meinen Augen vollkommen ausreichend war, nur Carla kannte mich inzwischen gut genug, um zu wissen, dass ich keinesfalls eine Spielverderberin war und mich sehr leicht mitreißen ließ, was den Drogenkonsum anging. Noch dazu hatte ich für das Zeug nichts zahlen müssen und eigentlich hätte das Ganze ein richtig schöner Abend werden können, wenn der Rausch nur halb so extrem gewesen wäre, wie er mich letztlich überrollte. Wir waren nach dem Konsum noch etwa eine Viertelstunde im Club geblieben und hatten uns dann mitsamt eines männlichen Anhängsels ein Taxi genommen, um zur Wohnung meiner Freundin zu fahren. Carla schien sich den Typen noch für die Nacht mitnehmen zu wollen, auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, dass das unter den aktuellen Umständen noch zu irgendetwas führen würde, aber was wusste ich schon. Mir war das grundlegend ziemlich egal, wie so vieles momentan. Jedenfalls endete unsere Fahrt schließlich in einem etwas heruntergekommeneren Teil von Havanna, in denen eine Menge Blockbauten standen, die den ziemlich offensichtlichen Eindruck vermittelten, dass es sich hier um Sozialwohnraum handelte. Davon ließ ich mich allerdings überhaupt nicht beirren und unsere kleine, private Feier ging noch eine ganze Weile lang in der Wohnung meiner Freundin weiter, bis das Kokain - ich schätze, es wurde entweder ziemlich übel gestreckt oder ich vertrug einfach nicht mehr so viel wie früher - eine ziemlich unangenehme Wirkung entfaltete und mich die absolute Breitseite eines Horrortrips spüren ließ. Das Ganze ging so weit, dass ich im Verlauf der Nacht nicht nur Verfolgungsängste entwickelte, sondern auch Gesichter der italienischen Familie vor mir sah, die ich schon lange tot geglaubt hatte. Während Carlas Freund zwischenzeitlich zu einem Agnolo Junior mutierte, verzerrte sich das Gesicht meiner Freundin selbst zu einem der Übeltäter, die meine Bar in Brand gesteckt hatten. Alles in allem hätte ich die Situation sicherlich noch halbwegs sachlich bewerten können, wenn mir die beiden nicht immer wieder viel zu nahe gekommen wären, sodass ich irgendwann keinen Ausweg mehr sah, als mich in die Küche zu flüchten. Der Kerl - er war blond und blauäugig, schätzungsweise nicht von der Insel - rettete sich bereits in Bad, weil er vermutlich Böses ahnte und Carla... Na ja, die setzte ihr Leben aufs Spiel und zog letzten Endes den Kürzeren, wenn man so wollte. Für einen kurzen Augenblick, in dem ich mich mit den Armen schwer atmend auf der Küchentheke abstützte, klarten die Gedanken ein wenig auf und nachdem ich kurzzeitig die Augen geschlossen hatte, dachte ich eigentlich, dass der Alptraum inzwischen sein Ende gefunden hatte, aber in Wahrheit begann er erst dann so richtig. Die Blondine hatte sich hinter mir in die Küche geschlichen und ich starb beinahe eines Herzinfarktes, als ich mich zu ihr umdrehte. Oder besser gesagt zu einem von Agnolos damaligen Handlangern. Ich stolperte wohl automatisch ein paar Schritte zur Seite, in der Hoffnung, sie würde mich einfach in Ruhe lassen und den Rückzug antreten, weil sie zu merken schien, dass ich gerade einen besonders schlechten Trip schob, aber Carla war nicht weniger drauf, als ich selbst und es wunderte mich stark, dass es ihr ganz offensichtlich noch immer ziemlich gut ging. Das konnte ich nicht behaupten, als ich beinahe über meine eigenen Füße stolperte, die ich unvorteilhafter weise auch noch in Schuhe mit Absatz gesteckt hatte. Am Ende der Küchenzeile angekommen, gab es für mich keine Möglichkeit mehr, der Halluzination zu entkommen und man könnte meinen, der Messerblock war durch ein Filmteam ausrechnet in diesem Moment links von mir platziert worden, um den Ausgang des wirklich schlechten Horrorfilms den gängigen Klischees entsprechend anzupassen. Es kam also, wie es kommen musste: Auch nach mehrmaliger Aufforderung, mich in Ruhe zu lassen, ließ sich die Blondine nicht davon abhalten, mir immer und immer näher zu kommen, weshalb ich mich letzten Endes mit einem der Messer gegen meinen vermeintlichen Angreifer verteidigte, der kurz davor gestanden hatte, nach meinem Handgelenk zu greifen. Sie wollte mich bestimmt beruhigen. Mich in ihre Arme ziehen, um mir ins Ohr zu flüstern, dass bald schon alles wieder gut war, jedoch konnte ich gar nicht so schnell gucken, wie ich Carla das Messer in den Bauch gerammt hatte, aber auch das Röcheln und die verzweifelten Laute der jungen Frau ließen mich nicht klar m Kopf werden. Vor mir sah ich nur den blöden Wichser, der mir meine Existenz zerstört hatte und nicht etwa meine bis dahin einzige gute Freundin hier auf Kuba, die man sicherlich noch hätte retten können, wenn mir früh genug aufgefallen wäre, um wen es sich hier tatsächlich handelte, den ich gerade brutal und voller Angst niedergestochen hatte. Die gebürtige Kubanerin ging daraufhin zu Boden, während sie versuchte, sich selbst das Messer aus der Bauchhöhle zu ziehen. Logischerweise konnte sie dafür keinerlei Kraft mehr aufbringen, weil mit dem Einstich bereits eine ganze Menge Blut aus ihrem Körper trat und ich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Organe getroffen hatte, die auf Frakturen mit einem Messer nicht unbedingt begeistert reagierten. Eine ganze Weile lang stand ich wie versteinert noch an die Küchentheke getackert, den Blick auf den am Boden liegenden, leicht zuckenden Menschen gerichtet, bis sich der Schock schließlich aus meinen Schultern löste und ich müde wurde. Nicht auf einen Schlag, aber doch so, dass ich vollkommen desorientiert durch die Küche irrte und erst einmal nicht so wirklich wusste, wohin eigentlich mit mir. Ich hatte schon verstanden, was da gerade passiert war, nur so recht wahrhaben wollte ich das Ganze irgendwie nicht, weshalb ich Carla nach einer guten halben Stunde - inzwischen dürfte sie bereits tot sein -, schließlich in der Küche zurück ließ und ins Wohnzimmer rüber ging. Aber auch dort war es ruhig und weil der Idiot von Kerl, der sich im Bad eingeschlossen hatte, keinerlei Anstalten machte, sein Versteck zu verlassen, setzte ich mich irgendwann nachdenklich und vollkommen überfordert auf das Sofa, schaltete den Fernseher ein. Vielleicht würde das helfen? Helfen, mich verstehen zu lassen, was ich gerade getan hatte? Wohl eher weniger. Sehr viel eher trug es maßgeblich dazu bei, dass ich der Erschöpfung, die nun doch ziemlich unbarmherzig über mich hineinbrach, nachgab und irgendwann lag ich dann auf dem Polster. Den Blick stur gegen die Decke gerichtet und darüber nachdenkend, ob die Blondine geschrien hatte. War sie laut geworden, als ich ihr das Messer in den Bauch gerammt hatte? Ich konnte mich nicht erinnern. Hatte sie geweint? Nein, der Kerl, den ich gesehen hatte - dem waren keine Tränen über die Wange gelaufen. An was erinnerte ich mich überhaupt? Ich versuchte kurz bevor meine Augen zufielen, den Vorfall noch einmal Revue passieren zu lassen, aber das klappte nur semi-optimal, wenn man zwischen Delirium und kurz vor dem Einschlafen stand, aber eine Sache, an die konnte ich mich noch erinnern. Das Blut. Es war zwar nicht überall gewesen, aber definitiv an meiner Hand. An Clara, auf dem Boden. Ich war durchgelaufen und hatte dadurch die Fliesen und das Laminat in der Wohnung beschmutzt. Mir liefen bereits die Tränen, als ich die Augen schließlich schloss, nur damit ich einige Stunden später mit einem Schrei und ebenfalls glasigen Augen aus einem angsteinflößenden Alptraum hochschreckte. War das alles nur... in meiner Fantasie gewesen?
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich wusste inzwischen wieder, warum ich von solchen Dingen wie festen Beziehungen zu anderen Menschen bisher immer abgesehen hatte. Ein oder zwei Freunde waren gut und vermutlich auch notwendig, damit ich nicht irgendwann noch vollkommen den Bezug zur Realität und meinen sowieso fast nicht vorhandenen Sozialkompetenzen verlor, aber auf Dauer eine Partnerschaft mit einer Frau zu führen war wahnsinnig anstrengend. Seit ich mit Vahagn in Russland gewesen war, schien sich der Terror Zuhause auch gar nicht mehr richtig legen zu wollen. Es war mal ein bisschen besser oder schlechter, aber aus der Anspannung rauskommen taten Cosma und ich irgendwie nicht mehr. Dabei hatte ich ihr sogar gesagt, dass ich eben nicht allein geschäftlich wegfliegen würde, was sie doch vorher immer unbedingt von mir gewollt hatte. Jetzt lenkte ich schon ein und es war auch wieder nicht genug für sie. Sie mitzunehmen hatte schließlich nie zur Debatte gestanden. Erstens, weil ich nicht wusste mit was für einer Art Geschäftspartner ich es zu tun haben würde, ob sie dabei in Gefahr sein könnte und zweitens, weil sie in meinen geschäftlichen Angelegenheiten auch ganz einfach nach wie vor nichts zu suchen hatte. Stattdessen ohne die Russin rüberzufliegen war auch nicht in Frage gekommen, handelte es sich bei dem ganzen Aufwand doch um Geschäfte mit ihrem Bruder. Entsprechend diesem vollkommen unnötigen Drama mied ich die Rothaarige überwiegend, weil ich keine Lust hatte mich noch weiter mit ihr darüber zu streiten. War auch gar nicht wirklich schwer, weil ich doch ohnehin ziemlich viel außer Haus war. Den Vormittag verpennte ich fast immer gänzlich, weil die Nächte wieder länger und anstrengender wurden und ich dementsprechend meistens erst um die Mittagszeit aus dem Bett fiel. Zu dieser Zeit war Cosma wiederum meistens schon aus dem Haus und so war wenigstens Niemand da, der mir den Kaffee nach dem Aufstehen versaute. Zwar hieß das alles auch, dass der Sex schon wieder gänzlich flachfiel, aber wirklich viel Zeit um darüber nachzudenken hatte ich sowieso nicht. Dass Ashton den norwegischen Jüngling weiter anlernte bedeutete für mich leider, dass ich einen Teil der Arbeit, den ich normalerweise an meine rechte Hand abschob, selber machen musste. Nicht für immer, aber eben doch noch für eine kleine Weile. Es galt für Tauren noch eine weitere Prüfung abzulegen und danach war er dann bereit dazu allein loszuziehen. Ashton verfolgte ihn zwar nicht mehr auf Schritt und Tritt und der Norweger machte schon jetzt einiges alleine, aber gerade ihn hielt ich wohl lieber ein paar Tage zu lang an der Kette, bevor ich ihn ganz davon losmachte. Sicher war sicher. Wir hatten uns inzwischen auch noch einmal etwas ausführlicher über seine Beziehung zu Vahagn unterhalten. Es war mir noch immer ein Dorn im Auge, aber bisher schien es gutzugehen. Vahagn hatte wohl wirklich etwas für ihn übrig, denn anders konnte ich mir für meinen Teil nicht erklären, dass sie sich im gegenüber scheinbar doch deutlich anders verhielt, als das beim Rest ihres Umfelds der Fall war. Solange das Ganze keine Probleme machte würde ich es also tolerieren, sagte dem Jüngling aber dennoch unmissverständlich, dass der Teufel los wäre, wenn er sie jemals mir vorziehen würde. Es war mir egal, ob das Biest gerade an einer Klippe hing und drohte zweihundert Meter in die Tiefe zu fallen - wenn ich rief, dann hatte Tauren nach meiner Pfeife zu tanzen und die Russin war zweitranging. Bekam er das nicht hin würde das alles andere als milde Konsequenzen für die beiden haben. Wie auch immer. Ich dachte eigentlich die heutige Nacht erfolgreich zu Ende gebracht zu haben, als ich die Vorhänge zuzog und mich nach einer kurzen Dusche - da waren hier und da ein paar Blutspritzer, die ich vorher loswerden musste - gegen 6 Uhr ins Bett fallen ließ. Cosma war scheinbar nicht Zuhause, aber darum scherte ich mich im ersten Moment kein Stück. Sie war schließlich alt genug um allein klarzukommen und es war auch nicht grade das erste Mal, dass sie sich nachts ohne mich draußen herumtrieb. Dementsprechend nahm ich die Geschichte also eher entspannt, als ich mir die Bettdecke etwa bis zur Brust über den Körper zog und schon kurz darauf auf der Seite liegend wegdöste. Allerdings sollte es zu richtigem, festen Schlaf gar nicht erst kommen, denn mein Handy fing nach ein paar Minuten an auf dem Nachttisch zu vibrieren. Es brauchte selbst in meinem absoluten Tiefschlaf keinen lauten Klingelton, um mich bei Notfällen zu wecken, aber eigentlich dürfte gerade keiner meiner Männer noch unterwegs sein. Es war früh am Morgen, die Sonne stieg wieder gen Himmel - also Zeit dafür uns zu verkriechen und Energie für die nächste Nacht zu sammeln. Deshalb ignorierte ich das Handy auch sicher eine halbe Minute lang, bevor ich knurrend meine Hand danach ausstreckte und auf dem Display der Name meiner Geliebten erschien. Zeitweise war ich mir wirklich nicht ganz sicher, ob ich sie nun eigentlich mehr hasste oder mehr liebte, das hielt sich wohl leider ziemlich die Waage. Ich ging der Situation entsprechend ziemlich angepisst ans Telefon, weil sie ganz genau wusste, dass ich aktuell im Bett liegen musste. Unglücklicherweise kristallisierte sich aber schon relativ bald heraus, dass die junge Frau mich nicht einfach nur anrief, um mir auf den Sack zu gehen, sondern weil sie meine Hilfe brauchte, was ja schon ziemlich ironisch war. Sonst sprach sie seit Wochen im Grunde wirklich nur das allernötigste an Worten mit mir, aber wenn sie mich brauchte, weil sie scheinbar Jemanden umgelegt hatte, dann war ich wieder gut genug? Ich hätte wirklich, wirklich große Lust dazu, sie mit der toten Frau einfach allein klarkommen zu lassen, weil sie das ja selbst verbockt hatte. Machen wir uns nichts vor - wenn ich es ihr nicht zutrauen würde, dass sie mich aus blankem Trotz und Ärger an die Bullen verpfiff, um nicht selbst im Knast zu landen, hätte ich das vielleicht auch. Nachdem ich knapp zugesagt hatte gleich zu kommen und auflegte, zerquetschte ich das Handy für einen Moment lang förmlich mit der Hand. Konnte mich auch nur mit Ach und Krach daran hindern es an die gegenüberliegende Wand zu schmeißen, bevor ich mir mit der anderen Hand über die Fast-Glatze reibend fluchend aufstand und mich wieder anzog, mich auf den Weg machte. Dauerte sicher auch fast eine halbe Stunde, bis ich dann an der von Cosma genannten Adresse ankam und mich an den Klingelschildern orientierte, um durch die nicht abgeschlossene Haustür hindurch und bis in den dritten Stock zu kommen. Nicht nur wie gewohnt mit meiner Pistole im Hosenbund bewaffnet, sondern auch mit der gefalteten Plane aus dem Kofferraum unterm Arm - für den Fall, dass kein brauchbarer Teppich da war, der deutlich unauffälliger bei Tageslicht wäre, aber nun gut. Ich sah am Schild neben der Wohnungstür noch einmal nach, ob ich richtig war, bevor ich recht deutlich mit den verhältnismäßig lauten Worten "Ich bin's, mach auf Cosma." an die hölzerne, aber recht massive Tür klopfte. Ich wurde allerdings noch bevor sich jene Tür öffnen sollte hellhörig, weil ich eine männliche Stimme dahinter vernahm. Bisher war von keiner dritten, involvierten Person die Rede gewesen und dementsprechend auch nicht von einem Mann. Ganz gleich wie wirr und aufgebracht er gerade auch klang - Ashton würde wohl mit einem größeren Wagen vorbeikommen müssen. Ich bekam in den Kofferraum des alten Mustangs gerade so eine Leiche rein und das auch nur, weil ich kein Ersatzrad mehr im Kofferraum hatte. Man musste aber auch einfach dazu sagen, dass es nur noch sehr selten vorkam, dass ich in meinem eigenen Territorium Leichen selbst beseitigte, weil ich kaum noch allein unterwegs war und das nach Möglichkeit grundlegend an Jemand anderen ablud. Demnach war möglichst viele toten Menschen im Wagen verstauen zu können nicht grade eins der Kriterien für den Kauf meines Privatfahrzeugs gewesen. Mit einer zweiten Leiche im Kofferraum war also nicht, ich würde einen Teufel tun mir potenziell das Leder der Rücksitze zu versauen und einen Augenzeugen - der unter Umständen womöglich auch noch meine Frau angefasst hatte - am Leben zu lassen kam nicht in Frage.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Nachdem ich aus dem vermeintlichen Traum hochgeschreckt war, starrte ich erneut an die marode Zimmerdecke, um mich für etwa zehn bis fünfzehn Minuten zu sortieren. Mir dröhnte der Schädel und das alleine war schon ein absolut glasklares Indiz dafür, dass das Zeug, was Carla und ich uns gestern geteilt hatten irgendein gestreckter Scheiß gewesen sein musste. Kokain war nämlich weniger für Kopfschmerzen nach einem Rausch bekannt und bis dato hatte ich die immer nur dann bekommen, wenn ein schlechter Trip mit miesem Zeug zu Ende gegangen war. Meine erste Amtshandlung am heutigen Tag würde also sein, meine Freundin zu fragen, was sie sich bitte dabei gedacht hatte und mich im direkten Anschluss daran erkundigen, ob es ihr auch so beschissen ging und wo sie hier die Kopfschmerztabletten aufbewahrte. Ich war der Meinung, diese bunkerte sie im Bad, aber sicher war ich mir nicht. Jedenfalls setzte ich mich erst einmal auf, nachdem ich eine halbe Ewigkeit mit geöffneten Augen und einem Bein vom Sofa baumelnd an die Decke gestarrt hatte und schon da beschlich mich das ungute Gefühl, dass hier irgendetwas ganz und gar nicht stimmte. Es war ruhig. Zu ruhig, wenn man mich fragte und als ich mich bedingt durch die stechenden Kopfschmerzen eher langsam auf dem Sofa herumdrehte, um zum Bett der Blondine - sie lebte in einer Ein-Zimmer-Wohnung -, rüber zu sehen, zog ich nachdenklich die Augenbrauen tiefer ins Gesicht. Ein Blick auf die Funkuhr des Fernsehreceivers, nachdem ich mich wieder zurückgedreht hatte, verriet mir, dass es früh am Morgen war, weshalb es mich nicht einmal gewundert hätte, wenn Carla noch geschlafen hätte, aber das Bett war leer. Und weil die Wohnung, welche insgesamt nur aus einem kombinierten Wohn- und Schlafbereich, einer Küche und dem Bad bestand, nun wirklich kaum Platz bot, sich irgendwo zu verstecken und dazu noch verdammt hellhörig war, überlegte ich natürlich einige wenige Minuten, wohin es die Blondine letztlich verschlagen hatte. War sie Brötchen holen gegangen? Oder befand sie sich im Bad? Nein, im Bad hätte sie ganz sicher irgendwelche Geräusche gemacht, die auf ihre Anwesenheit schließen ließen, aber es war nach wie vor totenstill. Ein ziemlich ironischer Ausdruck für absolute Stille, wie ich schon bald herausfinden sollte. Nun saß ich also da, die Kopfschmerzen raubten mir förmlich den letzten Nerv, als ich mich etwas umständlich auf die Beine raffte, nur um mich kurz darauf nach meinem Kleid zu bücken, aus dem ich mich mitten in der Nacht noch geschält haben musste, weil es mir die Luft abgedrückt hatte. Dabei fiel mein Blick zum ersten Mal auf meine blutverschmierte Hand und die nicht weniger mit dem roten Lebenselement besudelten Absatzschuhen, die neben dem Sofa ihr Dasein fristeten. Geschockt ließ ich meinen Blick über das Laminat wandern, um die mir nun ebenfalls ins Auge fallenden Fußabdrücke zu verfolgen, die bis in die Küche führten, in der das Licht brannte. Dann schloss ich einen Moment lang die Augen, in der Hoffnung, dass das, was ich gerade gesehen hatte wieder nur irgendeine Einbildung war von der Restwirkung des Kokains war, aber als ich die Lider wieder aufschlug, war das Blut immer noch da. Im Normalfall hätte ich jetzt meine Beine in die Hand genommen und wäre ohne Weiteres aus der Wohnung geflüchtet, weil mir das alles etwas zu seltsam und suspekt vorkam, aber hier ging es um eine meiner wenigen Freundinnen, der offensichtlich etwas zugestoßen war. Im ersten Moment dachte ich da noch an überhaupt nichts Schlimmes. Vielleicht hatte sie sich blöd gestoßen oder war gefallen, wobei beides doch in keinem Fall einen derartigen Blutverlust zur Folge gehabt hätte, sodass sich eine Pfütze bildete, durch die man aus Versehen stiefelte, um damit Fußabdrücke hinterlassen zu können. Naiv, wie ich manchmal allerdings noch war, glaubte ich das aber und folgte barfuß der Spur bis in die Küche, wo ich mir postwendend wünschte, es nicht getan zu haben. Ich war mir nicht sicher, was ich mir jetzt erhofft oder erwartet hatte zu sehen, aber der Anblick meiner toten - offensichtlich erstochenen - Freundin ließ mir mein eigenes Blut in den Adern gefrieren. "Nein... nein...", flüsterte ich leise, während ich mich aus der Schockstarre riss, um zu Carla aufzuschließen, wo ich mich dann neben sie fallen ließ und vollkommen unnötig nach ihrem Puls tastete. Dass da nur nichts mehr war, hätte mir mit dem Messer in ihrem Oberkörper allerdings schon vorher klar sein können. Allerdings stand ich gerade vollkommen neben der Spur, weil meine sich überschlagenden Gedanken zusätzlich zu den Kopfschmerzen gerade keine logische Schlussfolgerung des Ganzen hier zuließen. Ich versuchte mich krampfhaft daran zu erinnern, was gestern Abend passiert war, als ich meinen Blick über den toten Körper meiner Freundin gleiten ließ, aber ich bekam absolut nichts mehr zusammen, außer, dass ich mich auf das Sofa hatte fallen lassen und irgendwann einfach eingeschlafen war. Ich saß bestimmt weitere fünfzehn Minuten vollkommen überfordert mit der Gesamtsituation neben der Blutlache, die sich rund um die am Boden liegende Person gebildet hatte, bis ich zumindest ansatzweise wieder dazu in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen. Egal, was letzten Endes hier passiert war, faktisch gesehen konnten Carlas Überreste nicht einfach hier liegen bleiben. Mit dieser Erkenntnis raffte ich mich also erneut auf die Beine, um zurück ins Wohnzimmer zu laufen. Dabei war ich stets bedacht darauf, nicht in die hinterlassene Spur aus blutigen Fußabdrücken zu treten, die auf den ersten Blick ziemlich klein wirkten. Wie die einer Frau, aber noch wollte sich das Bild vor meinem inneren Auge noch nicht zusammenfügen. Da half mir auch das Blut an meiner Hand, was ich mir beim nervösen durch die Haare streichen wohl auch ein Stück weit ins Gesicht geschmiert hatte und den beschmutzten Schuhen, nicht auf die Sprünge, als ich unruhig nach einer Tasche oder einer Clutch suchte, die ich gestern mit gehabt haben musste, weil ich kaum meinen Geldbeutel und mein Handy am Mann hatte führen können. Das Suchen brauchte mich allerdings deutlich weniger als drei Minuten und so rief ich mit etwas zittriger Hand den einzigen Menschen an, der mir bei der Entsorgung einer Leiche helfen konnte: Hunter. Wenn ich halbwegs klar im Kopf gewesen wäre, hätte mir das vermutlich ziemlich die Suppe versalzen, bei ihm wegen eines Gefallens angekrochen zu kommen, aber im Augenblick war mir der Streit nach der Russlandreise und die darauffolgenden eher angespannten Tage ziemlich egal. Es brauchte eine ganze Weile, bis mein Freund endlich an sein Handy ging, was mich wohl ebenfalls neugierig gemacht hätte, wenn ich nicht gerade mit dem Wissen leben müsste, dass im Nebenzimmer eine Leiche lag, um die sich dringend gekümmert werden musste, bevor sie zu stinken anfing. Letzten Endes ließ sich der Amerikaner dann auch dazu breitschlagen, vorbei zu kommen und ich nannte ihm mit zittriger, teils brüchiger Stimme Carlas Adresse, bevor wir uns vorerst voneinander verabschiedeten. Ich warf das Handy aufs Sofa und begann dann damit, unruhig auf und ab zu laufen. Erst ein Geräusch am anderen Ende des Zimmers ließ mich wieder aufsehen und fast schon panisch in Richtung des Badezimmers sehen, dessen Tür sich auf wundersame Art und Weise einen Stück zu öffnen begann. Meine Augen weiteten sich, als eine Gestalt - mit nicht mehr als einer Boxershorts bekleidet, wie ich mit BH und Slip - dahinter hervortrat. Von seiner Position aus hatte er einen perfekten Blick in die gegenüberliegende Küche und man konnte förmlich dabei zusehen, wie dem jungen Mann die Farbe aus dem Gesicht wich, als sein Blick auf die tote Carla fiel. Es war ihm absolut nicht zu verdenken, dass er daraufhin wohl instinktiv die Flucht ergreifen wollte, aber das konnte ich nicht zulassen. Eventuell war er ja derjenige, der meiner Freundin das angetan hatte und wenn das der Fall gewesen wäre, dann hatte er schlichtweg dazu zu stehen und nicht einfach abzuhauen, wie ein mieser Feigling. Ich stellte mich ihm also ziemlich bestimmt in den Weg, als er mit vorsichtigen Schritten - den Blick beließ er dabei immer in Richtung Küche gewendet, als würde der Geist meiner Freundin ihn gleich holen kommen -, in Richtung Haustür unterwegs war. "Warte, du kannst jetzt nicht einfach gehen.", versuchte ich erst einmal ruhig, aber weiterhin mit nur wenig Kraft in der Stimme an seine Vernunft zu appellieren, sodass er eventuell aus freien Stücken hierblieb, bis Hunter eingetroffen war, aber davon wollte der Typ ganz offensichtlich nichts wissen. Stattdessen versuchte er sich irgendwann an mir vorbei zu schieben und wenn er es darauf angelegt hätte, dann wäre es für ihn womöglich ein Leichtes gewesen, mich einfach aus dem Weg zu schubsen, aber merkwürdigerweise stand ihm das wohl überhaupt nicht im Sinn. Unsere Blicken trafen sich nun zum ersten Mal und die Worte, mit denen er mir deutlich machte, dass er hier gerade alles andere als halbnackt in der Wohnung einer Toten stehen wollte, hätten glasklarer nicht zum Ausdruck bringen können, dass er sich förmlich in die Hose machte, aber das änderte nichts an meiner Einstellung, dass er unbedingt hierbleiben müsste. Ich versuchte erneut mit ein paar bemüht ruhigen Worten auf den jungen Mann einzureden, als das Gespräch zu eskalieren begann. Mein Gegenüber wurde langsam panisch und dadurch ein ganzes Stück weit energischer in seinem Handeln, weshalb ich mein eigenes Ableben schon vor meinem inneren Auge sehen konnte, als er förmlich auf mich zugesprintet kam, um durch die Haustür hinter mir zu verschwinden. Allerdings erledigte sich das Ganze wie von selbst, als er über das Paar Schuhe neben der Couch stolperte und sich mit der Haltungsnote von einer glatten Zehn auf den Boden verabschiedete. Nur wenig später klopfte es schließlich an der Tür und eine mir vertraute Stimme drang an mein Ohr, ließ mich fast schon erleichtert aufatmen. Nichtsdestotrotz war ich vorsichtig, als ich über den vor sich hin fluchenden und am Boden liegenden Körper drüberstieg, um daraufhin die Haustür einen Spalt breit aufzuziehen. Erst, als mir das grimmige Gesicht meines Freundes konkret ins Auge sprang, zog ich die Tür ein Stück weiter auf, um ihn ins Innere der Wohnung kommen zu lassen. Dass ich gerade so ziemlich alles mit der blutbefleckten Hand anfasste und das Gesamtbild der Situation auch reichlich Spielraum für Interpretationen ließ - darüber dachte ich in meinem hochgradig verwirrten, stetig nachdenkenden Zustand überhaupt nicht nach.
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Es sollte noch einen kurzen Moment lang dauern bis ich Schritte vernahm und letztendlich Cosmas Gesicht durch den Türspalt sehen konnte. War an sich natürlich sinnvoll, dass sie erst einmal nachsah, ob denn wirklich ich hier vor der Tür stand. Als sie sich dahingehend dann sicher sein konnte zog sie die Tür weit genug für mich auf und ich trat ein. Fing noch dabei an sie zu mustern, wobei mir zuerst natürlich die viele nackte Haut in Kombination mit dem Blut auffiel. Erstens bestätigte mich das eindeutig erst recht in der Theorie, dass sie mit dem Tod der Frau etwas zu tun hatte, obwohl sie das so nicht am Telefon gesagt hatte und zweitens festigte sich auch die Befürchtung weiter, dass sie es nicht nur mit irgendwelchen Drogen, sondern auch mit ihrer Art von Freiraum in Hinsicht auf Sex übertrieben hatte. Auf Abstand zu mir zu gehen war eine Sache, sich stattdessen potenziell in die Arme eines anderen Mannes zu verlieren eine ganz andere. Denn als mein Blick auf den Typen fiel, den ich von draußen schon gehört hatte, war auch der überraschend wenig bekleidet. Er hatte sich gerade erst wieder auf die Beine gerafft und die Tür war hinter mir ins Schloss gefallen, da drückte ich Cosma noch grob die Plane in die Hand und zog während der ersten Schritte in Richtung des Blonden mit der rechten Hand die Pistole aus dem Hosenbund. Nicht um zu schießen natürlich, weil ich selbst mit dem aufkommenden Tunnelblick nicht leichtsinnig war. Zusätzliche Aufmerksamkeit durch einen Schuss zu erregen stand mir nicht im Sinn und ich beobachtete sehr zufrieden, wie sich der junge Mann mit einem panisch gehauchten "Oh Shit." umdrehte und zur Flucht ins Badezimmer ansetzte. Seine Schritte waren allerdings ziemlich unkoordiniert und wackelig, weshalb es mir ein leichtes war um die Blutspuren auf dem Fußboden herum zu ihm aufzuschließen und ihn noch im Türrahmen mit der freien Hand am Kragen zu erwischen, ihn danach mit dem Gesicht voraus an die Wand daneben zu tackern. Ich übte auch weiterhin Druck auf seinen Hals aus, um ihm seine letzten Sekunden möglichst unangenehm zu machen. Hielt ihm dann auch lediglich zum Spaß noch die Waffe an den Kopf, um ihm noch mehr Angst zu machen. Ich war nun mal häufig nicht weniger als ein vom Jagdinstinkt getriebenes Tier, griff nur allzu gerne auf meine Urinstinkte zurück. Die retteten mir nicht nur oft das Leben, sondern machten mich mental auch viel kälter, als es ein Mensch eigentlich sein können sollte. Wenn ich in eine Art Blutrausch verfiel war ich wohl auch optisch beinahe mehr Tier als Mensch. Die Schulter wurden breiter, meine Muskeln strafften sich und mein gesamter Körper wurde von bedrohlicher Anspannung gelenkt. "Hast du du deinen Spaß mit ihr, hm? Wars das Sterben wenigstens wert?", zischte ich ihm zu und er fing an zu zittern. Blanke Genugtuung für mich. "Ich... ich weiß nicht mehr... nein, wir haben nicht... glaube ich.", stotterte er ängstlich und ziemlich leise vor sich hin, aber im Grunde war es vollkommen egal, was er sagte. Menschen, die den mentalen Druck zu sterben nicht gewohnt waren, sagten in solchen Situationen so ziemlich alles, um nicht draufzugehen, also gab ich darauf nicht besonders viel. Glauben war auch nicht wissen, also doppelt nichtig. Alles, was er von da an noch von mir zu hören bekam, war ein ungläubiges Schnauben, bevor ich ihn drei Schritte mit mir rückwärts zog. Allerdings nur, damit die Wand im Folgenden möglichst wenig Blut abbekam, als ich mit der Pistole ausholte und sie ihm mit einem gezielten Hieb über den Schädel zog. Dem allein war er natürlich schon nicht gewachsen, machte bewusstlos seinen nächsten Abgang auf den Boden. Tot war er durch den Schlag aber noch nicht, also beugte ich mich zu ihm runter und schlug weiter mit dem Metall auf seinen Hinterkopf ein. Weder zimperlich, noch auf ein Minimum begrenzt. Die klaffende Wunde an seinem Hinterkopf, die schon nach zwei weiteren Schlägen auf einen Schädelbruch schließen ließ, hielt mich nicht davon ab noch öfter zuzuschlagen. Nach insgesamt sieben Schlägen, bei denen mir irgendwann fröhlich das Blut entgegenspritzte, hatte ich eine deutlich sichtbare Delle in seinem Schädel hinterlassen und selbst für den Laien wäre er auf den ersten Blick schon tot gewesen. Ich richtete mich mit gewohnt eisigem, aggressivem Blick wieder zum Stehen auf. Beäugte ihn dann noch einen Augenblick lang vollkommen zufrieden mit meinem Werk, bevor ich mich zu Cosma umdrehte. Allerdings weiterhin ohne irgendwas zu sagen, zog ich doch stattdessen das Handy erneut aus meiner Hosentasche, um erst einmal Ashton anzurufen. Ihm zu sagen, dass er Desmond auch noch mit herschleppen sollte, weil irgendwer die Spuren hier beseitigen müssen würde, bevor irgendwem auffiel, dass die Nachbarin nicht mehr auftauchte und der Sache in der Wohnung auf den Grund ging. Cosmas DNA war hier sicherlich überall verstreut und es wäre vermutlich am einfachsten gleich das ganze Haus abzufackeln. Ging nur jetzt am helllichten Tag ziemlich schlecht und ich würde kein Risiko damit eingehen all das Blut und die Fingerabdrücke einfach so ihr Dasein fristen zu lassen, bis irgendwer die Hütte des nachts für mich in Brand steckte. Es durfte zumindest nichts von Alledem mehr auf den ersten Blick erkennbar sein, falls doch irgendwer bei der Toten hier aufkreuzen wollte und einen Zweitschlüssel zur Wohnung mitbrachte. Während des einminütigen Telefonats wandte ich zu keiner einzigen Sekunde den Blick von Cosma ab. Auch dann nicht, als das Handy mit der linken Hand zurück in meine Hosentasche wanderte. "Glückwunsch, jetzt gehen schon zwei Leichen auf dein Konto.", gratulierte ich der jungen Frau mit einem durchweg psychotischen Lächeln, das meine Augen kein bisschen erreichte, dazu, dass sie jetzt statt einem sogar gleich zwei Menschen auf dem Gewissen hatte. Der Kerl hatte mit dem Mord nichts am Hut, oder zumindest war das sehr unwahrscheinlich. Er hatte nirgends Blut am Körper, während die Rothaarige hingegen nur so damit besudelt war - vor allem eben auch ihre Hand, was schon sehr eindeutig war - und auch die Fußspuren deuteten eher weniger auf breite, große Männerfüße. Zwar wüsste ich nicht, warum meine Freundin jetzt aus heiterem Himmel anfangen sollte zu morden, aber ihr traute ich das Ganze dann doch deutlich eher zu als dem Waschlappen von Kerl, dem ich gerade mutwillig den Schädel zertrümmert hatte. "Was habt ihr euch alles eingeschmissen, hm? Sieht mir hier eher nicht nach einem reinen Alkoholexzess aus. Drogenverseuchter Dreier mit blutigem Ende, oder wie muss ich das Ganze verstehen?", hakte ich mit durchweg zynischem Tonfall und mahlenden Kiefermuskeln nach, was bitte der Auslöser für das Dilemma hier war. Deutete dabei fast schon beiläufig mit der blutverschmierten Waffe in meiner rechten Hand auf die Fußabdrücke aus Blut, die quer durch den Raum verliefen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Als Hunter die Wohnung betreten hatte, machte er mir noch immer keinen besonders gut gelaunten Eindruck, aber ich war froh, dass er da war. Trotz all unserer Differenzen und der aktuell eher angespannten Lage zwischen uns, konnte ich mir ein Leben ohne ihn inzwischen nicht mehr vorstellen. Hin und wieder, wenn ein Konflikt etwas ausartete, erwischte ich mich zwar durchaus bei dem Gedanken, einfach meine Sachen packen zu wollen, um die ganze Scheiße hinter mir zu lassen, aber durchziehen könnte ich das wohl trotzdem nicht. Dafür... ja, liebte ich den Amerikaner wohl mittlerweile zu sehr. Jedenfalls ließ mich die bloße Anwesenheit meines Freundes bereits ein klein wenig ruhiger werden und schürte in mir die Hoffnung, dass schon bald alles wieder gut sein würde, aber was das anging, hatte ich mich wohl gründlich geschnitten. Hunter schien sich nämlich primär nicht wirklich dafür zu interessieren, was für eine Entdeckung ich vor etwas weniger als einer Stunde gemacht hatte und wie es mir damit gerade ging, sondern schoss sich direkt auf den halbnackten Kerl ein, der sich just in dem Moment etwas mühselig wieder auf die Beine gerafft hatte. Und in den darauffolgenden Minuten verfiel ich dann wohl ein weiteres Mal in eine Art Schockstarre, als ich den kräftigen und sichtlich übellaunigen jungen Mann dabei beobachtete, wie er den Typen, der lediglich hatte hierbleiben sollen, um eventuell Carlas Tod aufklären zu können, förmlich hinrichtete. Zurichten waren aufgrund der Tatsache, dass die arme Socke nach der ungemütlichen Bekanntschaft mit dem kalten Metall einer Schusswaffe keinen Mucks mehr von sich gab nämlich nicht mehr der richtige Ausdruck. Ich verfolgte die Auseinandersetzung der beiden und wäre normalerweise spätestens dann dazwischen gegangen, als der Amerikaner Unwahrheiten in den Raum schmiss, die sich so überhaupt nicht zugetragen hatten. Dass Mark, mittlerweile war mir der Name des Blonden wie aus dem Nichts wieder eingefallen, meinem Freund keine genaue und durch das Gestammel nur wenig glaubwürdige Aussage auf die Frage, ob da zwischen uns etwas gelaufen war, gab, kam ihm natürlich kaum zugute. "Hunter... das...", murmelte ich in einem verzweifelten Versuch, den Amerikaner davon abzuhalten, dem jungen Mann etwas anzutun, aber da war es bereits zu spät. Selbst wenn ich mich hätte bewegen können, wäre es vermutlich Selbstmord gewesen, mich zwischen die beiden Männer zu stellen, also tat ich für die folgenden zehn Minuten nichts weiter, als durch die Panik mit einem leicht zuckenden Auge und einer durchweg angespannten Körperhaltung dabei zuzusehen, wie das Leben aus dem Körper des jungen Mannes wich, der uns in der Nacht nach Hause begleitet hatte. Dabei spielte es für mich erst einmal keine Rolle, ob er nun der Mörder von Carla war oder unbeteiligt. Fakt war einfach, dass er kaum die Chance dazu bekommen hatte, sich zu erklären, bevor er nach dem ersten Schlag bewusstlos zu Boden gegangen war. Das schien Hunter jedoch noch nicht einmal auszureichen und er prügelte noch mit ein paar weiteren Schlägen auf den am Boden liegenden Mann ein, bevor er letzten Endes blutverschmiert von ihm abließ und sich stattdessen an mich wendete. Mir ein paar forsche Worte an den Kopf knallte, mit denen ich so erst einmal gar nicht gerechnet hatte. Warum liebte ich den Kerl noch gleich so sehr? Weil er ein absolut kaltblütiger und hitzköpfiger Mörder war wohl ganz bestimmt nicht... Ich dachte, der Amerikaner wäre vorbeizukommen, um mir unterstützend zur Seite zu stehen, weil es für mich nun mal nicht alltäglich war, tote Menschen um mich herum zu haben, aber stattdessen warf er mit Anschuldigungen und Unwahrheiten um sich, was für mich in dem Augenblick wie ein Schlag ins Gesicht war. Demnach stand ich wohl auch noch eine ganze Weile wie angewurzelt einfach vor dem Schwerverbrecher und rang einerseits um Fassung, andererseits um eine Antwort, die ich ihm geben wollte. Ich war mir nämlich wirklich nicht sicher, was ich darauf so ganz allgemein jetzt eigentlich erwidern sollte. Ich ging zwar nicht davon aus, dass ich die nächste war, der er den Kopf zertrümmern würde, aber bei Hunter konnte man schließlich nie wissen. Vor allem dann nicht, wenn er dieses wütende Funkeln in den Augen hatte, wie in diesem Augenblick. Dennoch fiel es mir nicht besonders schwer, seinem Blick standzuhalten, weil ich - zumindest auf Basis der noch vorhandenen Erinnerung - mir tatsächlich Nichts zu Schulden hatte kommen lassen, wenn es um eine Affäre mit dem nun sehr wahrscheinlich ebenfalls toten Mann ging, der nur seine Haut hatte retten wollen, in dem er zur Flucht angesetzt hatte. Allerdings verunsicherte mich der Amerikaner mit seinen Worten merklich - vor allem die Behauptung, gleich zwei Leute auf dem Gewissen zu haben, ließ mich unruhig werden. Noch bevor ich also versuchte, mich zu erklären, sah ich noch ein weiteres Mal an mir hinunter. Auf die Hand und den Arm voller Blut, dann begutachtete ich selbst auch noch einmal die Fußspuren, die von der Küche bis zum Sofa führten und so langsam schienen meine Gedanken aufzuklaren. Auch an dieser Stelle wünschte ich mir, dass sie es am liebsten nicht getan hätten, weil ich mir dadurch immer bewusster wurde, was gestern Abend passiert sein musste. Die Erinnerungen waren zwar immer noch lückenhaft, aber es passte alles perfekt zusammen. Die Abdrücke auf dem Boden waren zu groß für die Füße eines Mannes und eine weitere Frau neben Carla und mir war nicht in der Wohnung gewesen. Zumindest, soweit ich mich recht erinnerte und das Blut an meiner Hand stammte ziemlich offensichtlich daher, dass ich das Messer, welches ich meiner Freundin in den Bauch gerammt hatte, anfangs gar nicht losgelassen hatte. Die Erkenntnis darüber, dass ich sehr wahrscheinlich diejenige war, die der Blondine das Leben genommen hatte, trieb mir postwendend die Tränen in die Augen und ließ einen Kloß in meinem Hals anschwellen. "Ich... ich hab nicht... sie... das...", stammelte ich wirr vor mich hin und drehte mich abwechselnd nach rechts, dann wieder nach links in der vergeblichen Hoffnung, dass sich dadurch alles um mich herum einfach auflöste. Passierte logischerweise aber nicht. Also schloss ich die Augen und zwang mich dazu, einmal ganz tief durchzuatmen. Ich hatte die Lider noch immer geschlossen, als ich erneut zu einer Antwort an den Mörder mir gegenüber ansetzte, wobei sich diese Titulierung ab heute wohl auch auf mich anwenden ließe. "Wir... haben ein bisschen was getrunken.", versuchte ich den Verlauf der gestrigen Nacht vor meinem inneren Auge zu rekonstruieren. "Und noch... ein bisschen Koks, aber... wie kommst du...", murmelte ich weiterhin in nur unvollständigen Sätzen ein paar Worte vor mich hin, woraufhin ich die Augen wieder öffnete und meinen Freund mit einem glasigen Blick ansah. Eigentlich hatte ich ihn noch fragen wollen, wie er bitte darauf kam, dass Carla, Mark und ich einen Dreier gehabt hatten, aber die Antwort erübrigte sich, nachdem einfache Zusammenhänge für mich wieder möglich waren. "Wir hatten nichts miteinander. Wieso sollte ich...?", fragte ich fast schon etwas verzweifelt, vorsichtig wobei auch eine Antwort auf diese Frage bereits auf der Hand lag. Weil ich einfach ein gemeiner und absolut eigensinniger Mensch war und Hunter damit ziemlich sicher eins hätte auswischen können, aber inzwischen lag mir wieder etwas an meinem Leben. Genug, als dass ich es nicht riskieren würde, meinem Freund fremdzugehen, weil danach mit aller Wahrscheinlich mein Kopf gerollt wäre. Außerdem war ich doch selbst ein verdammt eifersüchtiger Mensch, dem es im Herzen weh tat, darüber nachzudenken, den eigenen Freund in den Armen einer anderen zu sehen. Da würde ich selbst einen Teufel tun, mit so einer Scheiße anzufangen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich musste ziemlich sicher ein wirklich kranker Mensch sein, so wie ich mich im Augenblick innerlich daran ergötzte, wie fertig die Rothaarige von Alledem hier war. Manchmal vergaß ich wohl ganz gerne, dass es nicht für Jeden etwas fast schon Alltägliches war anderen Menschen das Leben aus dem Körper zu saugen. In meinen Augen war das für Cosma jetzt auch lediglich die Strafe und der Schock, den sie für diese ganze Scheiße hier verdient hatte. Es war nicht so, als würde ich ihr nicht gern aus einem Schlamassel wie diesem helfen - normalerweise sicher jederzeit und überall, weil ich im Grunde eigentlich gern für sie da war und auch, damit sie es nicht noch schlimmer machte, indem sie selbst Schadensbegrenzung zu betreiben versuchte. Schließlich machten Unwissende gerne immense Fehler dabei ihre Spuren am Tatort verwischen zu wollen und deshalb war wohl auch das irgendwie so ein bisschen Teil der Grundausbildung, die meine Männer in ihrer Anfangszeit bei mir mit auf den Weg bekamen. Ich hatte schließlich auch so schon mehr als genug Ärger mit den Cops gehabt, da wollte ich keine Leute an solche Lappalien und den Knast verlieren. Nur in der aktuellen Situation hier war es eben schon irgendwie ziemlich dreist, dass die junge Frau mich ganz stumpf nach meiner Hilfe fragte, obwohl wir jetzt wochenlang kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten - von einer richtigen Aussprache ganz zu schweigen. Cosma schien auch noch immer nicht ganz realisieren zu können oder zu wollen, dass ziemlich offensichtlich sie für den Tod der jungen Frau verantwortlich war, die ich bis dato noch nicht richtig gesehen hatte. Wo sie lag war ja ziemlich offensichtlich. Immer schön der blutigen Spur folgen und du kommst zum Ziel, sehr einfache Devise. Ich hatte mir wohl vor ein paar Jahren wesentlich weniger schwer damit getan mir meinen ersten Mord einzugestehen, aber das lag vermutlich auch ganz einfach daran, dass ich den ganz bewusst begangen hatte, während mir das hier eher ein Unfall zu sein schien. Dass es dabei eine absolut nicht unschuldige Person getroffen hatte, die den Tod nicht weniger als absolut verdient hatte, hatte mir das Verarbeiten sicher sehr erleichtert. Die ersten paar Male danach waren ein bisschen schwieriger, aber ich hatte mich schnell daran gewöhnt. Lag wohl einfach daran, dass der Knast zuvor eine sehr dicke Betonwand um mein Herz gemauert hatte, um Nichts so leicht an mich herankommen zu lassen. Im Grunde war ich da schon als Monster rausspaziert und von da an war es wohl nicht grade besser geworden. Es ließ sich aber auch einfach herrlich leicht Geld damit verdienen hier und da einen Auftragsmord zu erledigen. Meine Karriere war damit senkrecht nach oben gestartet und bis heute war dabei nie wirklich viel schiefgegangen. Einfach weil ich schrecklich gut darin war - ganz im Gegensatz zu der Rothaarigen hier. Die sah mich letztlich mit tränenverschleierten Augen an, als sie mir auch noch zu erklären versuchte, dass da nichts gelaufen war. Auch noch mehr oder weniger so tat, als wäre dieser Gedanke von mir vollkommen abwegig, was mich mit einem leisen Schnauben den Kopf schütteln ließ. Ich hielt den Schädel auch einen Moment lang weiterhin nach links gedreht und hob die linke Hand an, um mir das Kinn zu reiben, während das Blut in meiner Halsschlagader ziemlich am kochen war. "Ach, weiß auch nicht... vielleicht, weil du mir seit Wochen aus dem Weg gehst... oder dich komplett mit Drogen betäubst... und dich vermutlich auch jetzt nur deswegen wieder mit mir unterhältst, weil du meine Hilfe brauchst.", wies ich sie reichlich ironisch und trocken auf die eigentlich auf der Hand liegenden Kernpunkte hin, die diese Vermutung meinerseits jetzt nicht unbedingt unwahrscheinlich machten. Natürlich fehlten mir handfeste Beweise dafür, aber ihr ja offensichtlich auch. "Wenn du dich scheinbar nicht mal an den Mord richtig erinnern kannst, wie willst du dir dann sicher damit sein, dass du nicht irgendwann zwischendurch mit diesem Lappen geschlafen hast?", schob ich Cosma noch eine rhetorische Frage mit entsprechend skeptischem Blick zu, als ich mich langsam in Bewegung setzte und in Richtung Küche ging, um mir das Ausmaß dort dann doch langsam mal zu besehen. Während andere Leute vor lauter Blut womöglich eher gekotzt hätten oder rückwärts aus dem Raum gefallen wären, fing ich an die Umgebung vollkommen sachlich zu analysieren. So oder so musste das Messer zur Sicherheit weg, aber das war auch ungefähr das kleinste der Probleme. Die Blutspritzer waren gefühlt überall und es dürfte ziemlich unmöglich sein das Blut aus dem Holz der in die Jahre gekommenen Küchentheke zu kriegen. Das hatte sich da schon förmlich reingebrannt, weshalb der richtige Brand wohl keinesfalls ausbleiben konnte. Es war zu viel, um als Tropfen einer einfachen Schnittverletzung durchzugehen und in Kombination mit dem ganz mysteriösen Verschwinden der Blondine wohl zu auffällig. Ich stieß den leblosen Körper der jungen Frau - an fast unblutiger Stelle, um selbst nicht noch mehr davon hier in der Wohnung zu verteilen - ein wenig mit der Spitze meines Stiefels an, nur um dadurch festzustellen, dass sie schon die eine oder andere Stunde tot sein musste. Wäre also vielleicht ohnehin mit ein wenig stärkerem Drücken und Schieben einhergegangen, sie in den Kofferraum zu kriegen. Glücklicherweise würde mir das Alles durch den geräumigen Transporter vollkommen erspart bleiben und ich musste mir zumindest darum keine Gedanken mehr machen. Ansonsten hatte Desmond aber einen Haufen Arbeit vor sich, worum ich ihn gerade wirklich nicht beneidete. Er hatte schließlich genauso wie Ashton ohnehin schon eine lange Nacht hinter sich, aber da durfte er sich eher bei Cosma bedanken und nicht bei mir. Ich verließ die Küche dann wieder, um zurück ins Wohnzimmer zu gehen und einen nicht mit Blut befleckten Punkt auf dem Fußboden auszumachen. Nahe dem Bett schien so ziemlich alles sauber zu sein, weshalb ich auf die Rothaarige zuging und ihr die Plane abnahm, die ich ihr zuvor in die Hand gedrückt hatte. Sie dann dort ausbreitete, wo sie sich an der Unterseite - die beim Raustragen später logischerweise die Außenseite war - keine Blutflecken einfangen würde und im Anschluss daran sah ich zurück zu Cosma. Setzte mich langsam erneut in Bewegung, als ich zum Reden ansetzte. "Hilf mir wenigstens sie auf die Plane zu kriegen, dann muss ich meine Klamotten nicht komplett in Blut tränken. Am besten aber ohne nochmal in die Pfütze zu treten.", wies ich die junge Frau dazu an mir zumindest damit zu helfen das Opfer schon mal von A nach B zu kriegen. Das Blondchen war zwar sicher nicht schwer, aber wenn ich sie einfach am Körper packte sah ich danach selbst so aus als wäre ich der Täter. Es war schlichtweg das einfachste, wenn sie einer an den Knöcheln nahm und der andere unterhalb der Arme zugriff. Vielleicht lenkte das die Rothaarige auch ein bisschen von ihrem Rumgejammer ab.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das konnte er nicht wirklich ernst meinen, oder? Ja, mochte sein, dass ich mich kaum an die Ausmaße des gestrigen Abends erinnern konnte, aber Sex mit einem anderen Mann... das vergaß man doch nicht einfach so und überhaupt wies in meinen Augen absolut nichts auf etwaige Intimitäten hin, außer dass wir beide nur sehr spärlich bekleidet gewesen waren. Ich für meinen Teil wünschte mir ja augenblicklich, nicht nur dieses blöde, vermutlich ebenfalls mit Blut beschmierte Kleid dabei gehabt zu haben, sondern auch entsprechende Wechselklamotten, weil ich mich Hunter gegenüber halbnackt nur noch schutzloser fühlte, als das ohnehin der Fall war. Aber es konnte ja keiner ahnen, dass ich im Zuge des Kokainkonsum plötzlich zur Mörderin mutierte. Eine, die wohl am ehesten in den Knast wandern sollte, wenn es nach dem Amerikaner und seinen nicht weniger abfälligen Worten ging, mit denen er ziemlich deutlich machte, wie viel er davon hielt, dass ich ihn um Hilfe gebeten hatte: nämlich absolut gar nichts. Auch das ließ mich ihn für eine kurze Zeit einfach nur vollkommen fassungslos anstarren, weil ich sein Auftreten gerade wirklich nicht nachvollziehen konnte. Zum einen gingen wir einander aus dem Weg, er durfte sich den Schuh also gerne auch selbst anziehen und brauchte nicht so zu tun, als würde er tagtäglich versuchen, sich mit mir zu unterhalten, woraufhin ich ihn dann abwies. Zum anderen war ich mir ziemlich sicher, dass ich mittlerweile kein oder nur noch wenig nennenswerte Mengen an Kokain im Blut hatte, weil ich sonst kaum derart am Rad gedreht hätte. Die Sache dann einfach auf die leichte Schulter genommen und vermutlich noch einen frechen Spruch auf den Lippen gehabt hätte, aber es war ziemlich offensichtlich, dass mich die ganze Sache gerade an den Rande des Nervenzusammenbruchs trieb und wenn Hunter damit weitermachen würde, konsequent auf mir herumzuhacken, dann konnte er mich maximal noch als Häufchen Elend über die Schulter geworfen hier aus der Wohnung tragen oder er ließ mich einfach zurück. Zuzutrauen wäre ihm Letzteres gerade allemal. Als ich mich so weit gesammelt hatte, dass ich verstand, mit wie viel Quatsch mir mein Freund gerade gegenübertrat, zogen sich meine Augenbrauen fast schon reflexartig ein Stück tiefer ins Gesicht. Von einem angefressenen, sichtlich entrüsteten Gesichtsausdruck war ich zwar noch meilenweit entfernt, aber mich überkamen auch gerade allerlei Emotionen, die ich in der Form einfach noch nicht zu kontrollieren wusste. Einerseits war ich unfassbar traurig, dass meine einzige Freundin hier auf der Insel nicht mehr lebte, andererseits kochte Wut in mir nach oben, weil mir so viel Hass und Zorn seitens Hunter entgegen schlug, wie schon lange nicht mehr und in Kombination mit der allgemeinen Verwirrtheit, der Unsicherheit und dem Schock war mir das Alles gerade ein bisschen zu viel. "Du bist ein richtiger Ekel, Hunter.", brachte ich den ersten, vollständigen Satz des Tages über meine Lippen, als ich den jungen Mann mir gegenüber verständnislos mit dem Kopf schüttelnd ansah. "Und das, was du da sagst, ist einfach... nicht richtig, verdammt. Ich... hab das erste Mal seit Langem wieder gekokst." Seit unserer gemeinsamen Erfahrung, die besonders unschön zu Ende gegangen war, um genau zu sein. Und von Zudröhnen konnte bei meinem ohnehin alltäglichen Cannabiskonsum nun auch wieder nicht die Rede sein. War ja nicht so, als würde ich das nur in Folge unseres Streits tun. Nein, auch wenn ich bei bester Laune und zwischen uns alles in Ordnung gewesen wäre, hätte ich regelmäßig meine zwei bis drei Joints geraucht. "Mag schon sein, dass ich mich an nicht mehr viel vom gestrigen Abend erinnere, aber... ich weiß einfach, dass da nichts gelaufen ist. Ich meine, das... das würde ich sonst merken.", versuchte ich ihm auch dahingehend zu verstehen zu geben, dass er Unrecht hatte. Zwar war die Begründung ziemlich schwammig und für einen Mann vermutlich nicht nachvollziehbar, aber als Frau, da merkte man einfach, wenn man Sex gehabt hatte. Vor allem dann, wenn dieser weniger sanft ausgefallen war und Hunter dürfte inzwischen wissen, dass ich nicht der Typ Gänseblümchen war, wenn es um sexuelle Vorlieben ging. Der Punkt, an dem ich mich aber wohl am meisten störte war, dass er absolut kein Verständnis dafür aufbringen konnte, dass ich mich an ihn und niemand anderen gewendet hatte. Was hätte ich denn sonst machen sollen? Ich beschloss kurzerhand, mir diese Frage von meinem Freund beantworten zu lassen. "Wäre es dir lieber gewesen, ich wäre zu den Bullen gegangen und hätte mich einfach einbuchten lassen?", fragte ich deshalb hörbar verwirrt und mit der einzig wahrscheinlichn Alternative zu meinem Hilfeersuch an ihn, weil ich einfach nicht verstand, worauf er mit dieser Anschuldigung hinaus wollte. Ja, vielleicht hatte ich ihn nur deshalb angerufen, weil ich nicht wusste, wer mir sonst bei der Entsorgung einer Leiche hätte helfen können und ja, eventuell hätten wir uns auch in den nächsten Wochen weiterhin angeschwiegen, wenn dieser Zwischenfall nicht gewesen wäre, aber war das denn so schlimm? Wäre es ihm lieber gewesen, ich hätte auf eigene Faust versucht, Carla irgendwie verschwinden zu lassen und in Folge dessen dann in den Knast gewandert wäre, weil ich nun mal weder das Knowhow, noch die nötigen Ressourcen dafür aufbringen konnte, eine Leiche und anderweitige Spuren, die auf das Verschwinden eines Menschen hindeuten könnten, zu beseitigen? Wenn ja, musste er mir das nur sagen. Dann wusste ich immerhin endgültig, woran ich an ihm war und würde ihm künftig nicht mehr zur Last fallen, da konnte ich Hunter mein Wort drauf geben. Inzwischen fiel mir es mir im Übrigen wieder sehr viel leichter, sortierte und inhaltlich zumindest halbwegs nachvollziehbare Sätze zu bilden, weil die Erkenntnis, dass das Alles hier gerade endgültig und nicht mehr zu ändern war mich langsam aber sicher einholte. Mir standen die Tränen zwar noch immer in den Augen, aber nur deshalb, weil ich mich gerade unglaublich verletzt fühlte. Und schuldig. Schließlich hatte ich aller Voraussicht nach das Leben eines Menschen auf dem Gewissen, den ich doch wirklich gemocht hatte. Es war vermutlich gut, dass Hunter sich kurzzeitig von mir abwendete und damit die Anspannung aus meinen Schultern mit zu sich in die Küche nahm, sodass ich für ein paar Atemzüge durchatmen und mich sortieren konnte. Mein Blick fiel auf die blöde Plane, in der Carla höchstwahrscheinlich gleich ziemlich lieblos eingerollt werden würde und bei dem Gedanken daran war es schließlich um mich und das letzte bisschen Selbstbeherrschung dann auch geschehen. Die Tränen kullerten ungebremst an meiner Wange hinunter und tropften neben meinen nackten Füßen auf das Laminat. Auch um ein leises Schluchzen kam ich nicht drum herum, ließ es sich im Augenblick doch einfach nicht unterdrücken, egal, wie sehr ich es versuchte. Der Anblick des zu Tode geprügelten Marks machte die Sache nicht unbedingt besser, als Hunter nach ein paar Minuten schließlich wieder hinter mir auftauchte und mir unsanft die Plane aus den Händen riss. Etwas irritiert, weil das gerade mein einziger Halt gewesen war, in den ich all die Anspannung mit der Hand hineingedrückt hatte, blieb ich noch einen Moment lang neben dem Sofa stehen, ehe ich der Bitte des jungen Mannes widerwillig nachkam und gemeinsam mit ihm zu der Leiche meiner Freundin ging. Dabei war es für mich alles andere als leicht, die kalten Knöcheln - ich hatte mich für den deutlich leichter zu tragenden Teil des Körper entschieden, lag auf dem oberen Oberkörper doch deutlich mehr Gewicht, als auf den Beinen -, von Carla anzufassen und sie festzuhalten. Auch die Ermahnung, mich vor der Blutlache in Acht zu nehmen, war irgendwie nicht ganz angekommen und so stand ich letztlich schluchzend mit den Zehen in der Pfütze und wusste nicht, ob ich über meine eigene Dummheit nun lachen oder weinen sollte. Weil so ziemlich alles gerade aber absolut Scheiße war und mit dem mürrischen Amerikaner wohl auch nicht besser werden würde, entschied ich mich wohl eher für letzteres.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ja, das war ich. Vermutlich war Ekel noch eine sehr milde Beschreibung für meine Persönlichkeit und mein Verhalten. Es hätte deutlich bessere, menschlichere Wege dazu gegeben auf Cosmas sichtlich irritiertes, geknicktes Gemüt zu reagieren und doch hatte ich mich ohne überhaupt darüber nachzudenken dagegen entschieden. Vielleicht war es tatsächlich nicht so, dass sie häufiger in letzter Zeit kokste, aber sicher sein konnte ich mir auch damit nicht. Ich sah sie ja nicht oft und wenn, dann meistens nur schlafend im Bett, weil sie für gewöhnlich nicht aufstand, bevor ich mich schlafen legte. Ich würde es aber wohl trotzdem nicht ausschließen... wobei sie andererseits eigentlich keinen triftigen Grund hätte mich dahingehend anzulügen. Davon hatte sie nicht wirklich was, weil ich sie eher nicht ohne entsprechendes Gegenfeuer zu erzeugen daran festnageln konnte. Ich trank zwar inzwischen weniger, aber trocken lag ich trotzdem nicht. Würde ich vermutlich auch nie, wenn das mit uns beiden so weiterging. Ich war was viele Dinge gerade in geschäftlicher Hinsicht anbelangte sehr strickt und konsequent, aber in die Arme des Nervengifts verlor ich mich dennoch immer wieder. Dazu reichte ein ganz besonders schlechter Tag schon vollkommen aus. "Selbst wenn... ändert ja nichts dran, dass die Scheiße echt mies geendet ist. Tu mir also den Gefallen und bleib' einfach bei Gras und Alkohol, da ist die Wahrscheinlichkeit auf einen spontanen Mord geringer.", erwiderte ich nach wie vor recht genervt, weil es halt nun mal einfach nichts am Ausgang des nächtlichen Konsums änderte. Reines Koks konnte es kaum gewesen sein, hatte ich doch durchaus schon die eine oder andere Nase gezogen und sowas wie das hier war mir dabei nie passiert. Das lag aber auch ganz einfach daran, dass ich vorher grundsätzlich sicher damit ging, dass das nicht zur Hälfte irgendein anderer synthetischer Scheiß war, der einen auf einen ungewollten Trip wie Cosmas' schickte. Ich konnte mir solche Totalausfälle nämlich weder in Amerika, noch in Norwegen leisten. Hier auf Kuba vielleicht schon, weil mir hier bisher Niemand wirklich gefährlich werden konnte, aber mir stand trotzdem nicht der Sinn danach irgendeinen total schrägen Film zu schieben. Wahllos Leute morden tat ich ja ohne schon, würde bei mir also wirklich extrem übel enden. Was die Sache mit dem Sex anging konnte ich wohl nur selbst entscheiden, ob ich Cosma nun Glauben schenken wollte oder nicht. Ich wollte natürlich nicht, dass es so war, aber womöglich hatte ich einfach ein winziges, kleines bisschen Angst davor. Ich hasste es, wenn ich etwas nicht kontrollieren konnte und da machte der Rothaarigen so schnell Niemand etwas vor. Zu sagen sie hätte ihren eigenen Kopf wäre noch untertrieben und sie war einfach ein Stück weit unkalkulierbar für mich, was sie - und unsere gesamte Beziehung - zweifelsohne zu einer tickenden Zeitbombe machte. Ich hasste das. "Keine Ahnung, schätze mir bleibt nichts anderes übrig als dir das zu glauben.", war alles, was ich dazu vorerst noch sagte, obwohl meine Restzweifel durchaus bestehen blieben. Natürlich konnte ich ihr das jetzt theoretisch weiterhin anhängen, aber der Typ war sowieso schon tot und ein eindeutiges Ja oder Nein würde ich auf diese Frage nicht kriegen. Es war auch nicht so, als würde ich Cosma nicht wirklich gerne mehr vertrauen, was das anging, aber ich ertrug wohl den Gedanken einfach nicht, dass ein anderer Mann sie anfasste. War schon schlimm genug, wenn sie Jemand so halbnackt sah, wie sie hier in der Wohnung herumtanzte und mindestens das war unweigerlich passiert. Diese hochgradig penetrante Eifersucht würde mich - oder uns beide - irgendwann sicher noch Kopf und Kragen kosten, wenn das so weiterging. Immerhin schien die Rothaarige sich - inzwischen weinend - dazu durchringen zu können, mir tatsächlich mit dem bereits recht ausgekühlten Körper der Leiche zu helfen. Noch auf dem Weg dorthin wurde ich die trockenen Worte "Nein, natürlich nicht. Deswegen bin ich ja hier." los. Es lag schließlich auf der Hand, dass ich mit den Cops gerne so wenig wie nur irgendwie möglich zu tun hatte und würde Cosma zu den uniformierten Vollidioten rennen konnte ich nur so darauf warten, dass sie mich zu der ganzen Misere hier befragten. Da machte ich mir weiß Gott lieber selbst die Hände schmutzig und außerdem wollte ich ja auch gar nicht, dass sie in den Knast wanderte. Ich wollte ja nicht einmal, dass sie aus dem Haus auszog, statt mich tagein und tagaus weiter anzuschweigen. Es war besser, wenn sie mehr nur noch ein Geist in meinen vier Wänden war, als wenn sie mir ganz entrissen wurde. Es gefiel mir nicht besonders, dass das kleine bisschen an sozialem Wesen, das sich irgendwo in den Tiefen meines Körpers versteckte, scheinbar schon förmlich darauf angewiesen war, zumindest einen Hauch ihrer Anwesenheit zu spüren. Es reichte schon wenn ich merkte, dass sie Klamotten wegräumte, die vorher noch im Schlafzimmer verteilt gewesen waren. Oder ihr Shampoo ein bisschen anders dastand als am Vortag, weil sie in der Zwischenzeit unter der Dusche war. Ich nahm das alles mehr nur unterbewusst war, aber es war nicht so, als würde ihre Anwesenheit im Haus mir nicht mehr auffallen, nur weil sie nicht mehr mit mir redete. Ich hasste es, wie kitschig das klang, aber ich hatte wohl selbst den Klang ihrer Stimme vermisst. Dabei spielte es auch gar keine so große Rolle, ob sie mir ein paar schöne Worte zukommen ließ oder mich von der Seite anmotzte. Genauso wenig mochte ich es, wie ich merkte, dass die an ihren Wangen runterkullernden Tränen meinem ziemlich verkrüppelten Herz einen Stich verpassten. Das war auch so einer der Mitgründe dafür, warum ich lediglich genervt stöhnte, als ich merkte, dass Cosma das Blut trotz meiner vorherigen Warnung ja doch noch weiter verteilte, während wir die sehr blass gewordene Blondine zur Plane schleppten. Sie schließlich auch darauf ablegten, woraufhin ich mich wieder aufrichtete und die Rothaarige noch einmal musterte. Ich war zweifelsohne noch immer in Streitlaune, aber dass sie nicht viel mehr als ein geknicktes Häufchen Elend war ließ mich ja doch wieder ein bisschen weicher werden. Ich atmete also tief durch und rieb mir genervt mit der sauberen Hand übers Gesicht, weshalb sie spätestens jetzt auch mit ein paar weiteren Blutspritzern kontaminiert war. "Geh duschen, okay? Du kannst so nicht raus... ich schau im Schrank nach, ob ich was finde, das dir halbwegs passt und bring's dir rein.", riet ich der jungen Frau dazu erstmal das Blut loszuwerden, wodurch sie sich vielleicht auch einen Hauch weniger mies fühlen würde. In der Zwischenzeit konnte ich ein paar Klamotten für sie zusammensuchen, nur für den Fall, dass uns auf dem kurzen Weg durchs Treppenhaus und zum Auto wer entgegenkam. Danach machte ich das Ding in der Plane schonmal transportfähig, damit danach nur noch der tote Kerl dran war und Ashton möglichst zügig mit beiden verschwinden konnte. Apropos: "Falls es in der Zwischenzeit klingelt sind's Ashton und Desmond.", warnte ich Cosma dahingehend vor, als ich mich von ihr abwendete und mich auf den Weg zum Schrank machte, weil die beiden gleich da sein dürften und sie nicht den nächsten Herztod erleiden sollte, weil sie die Klingel vernahm. Ich war noch immer angespannt, klang aber zumindest ein kleines bisschen ruhiger als vorher. Wirkte jetzt etwas weniger so, als würde ich ihr gleich als nächstes die blutverschmierte Waffe über den Schädel ziehen, die in der Zwischenzeit längst wieder ihren gewohnten Platz eingenommen hatte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Auch wenn die Worte Hunters in meinen Ohren noch immer reichlich gehässig klangen, teilte ich seine Meinung bezüglich des überaus unschönen Ausgangs der letzten Nacht. In Zukunft würde ich mir wohl zwei Mal überlegen, ob mir ein paar Stunden Partylaune das Risiko, auf einem schlechten Trip erneut jemanden abzumurksen, wirklich Wert war. Ich ging zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls stark davon aus, dass ich künftig einen eher großen Bogen um Kokain machen würde, aber mit einhundert prozentiger Sicherheit sagen konnte ich das natürlich nicht. Demnach erwiderte ich auch nichts in diese Richtung, damit mir etwaige, vielversprechend klingende Worte nicht angelastet werden konnten, falls ich mich irgendwann doch noch einmal in die Arme von härteren Drogen flüchten sollte. Mit stillschweigender Akzeptanz von Hunters Worten versuchte ich also, mich vollumfänglich auf den Transport von Carla zu konzentrieren, wobei ich nebenher versuchte, nicht ganz so viel von dem Blut an meinen Füßen auf den Fließen und dem Laminat zu verteilen. Klappte allerdings nur bedingt gut, weil die Zehen beim Abrollen eben doch eine wichtige Rolle spielten und demnach sah es vermutlich einfach nur lächerlich aus, wie ich versuchte, lediglich die Fersen zu belasten, ohne dass es irgendwie groß etwas brachte. Dennoch klappte es für meine innere Unruhe und der allgemeinen Angespanntheit meinerseits überraschend gut, den Körper der zierlichen jungen Frau von der Küche in das Wohnzimmer zu tragen und insgeheim war ich gerade wirklich froh, dass die Wohnung der Blondine nicht groß war. Man konnte sich nicht verlaufen und großartig verstecken konnte sich hier ansonsten auch niemand. Vermutlich wäre ich an einem Herztod gestorben, wenn von Irgendwoher plötzlich noch jemand aufgetaucht wäre, der, sofern es sich dabei ebenfalls um ein männliches Individuum handelte, ebenso wie Mark sehr wahrscheinlich das Zeitliche hätte segnen müssen, weil sich Hunter in irgendwelchen irren Hirngespinsten verlief und wir für das Ganze hier auch ganz einfach keine Zeugen gebrauchen konnten. Überraschenderweise war es ihm nämlich wohl doch lieber, dass ich ihn herbeirief, als in den Knast zu wandern, was ein weiteres Stück der Anspannung unweigerlich aus meinen Muskeln löste, weil ich doch ein wenig Angst davor gehabt hatte, dass mir Hunter jetzt sinnbildlich ein Messer in den Rücken rammen und mir damit auf sehr unschöne Art und Weise klarmachen würde, dass unsere Beziehung ihr offizielles Ende gefunden hatte - Worte waren bekanntlich weniger seine Stärke, Taten schon eher. Für mich wäre es vermutlich ein lebenslanges Ende, weil Kuba einen Mord sicherlich kaum anders verurteilen würde, als Norwegen oder Frankreich. Jedenfalls war der Transport so weit geschafft und ich blieb noch einen Moment lang in der Hocke, strich Carla fast schon zärtlich über das kühle Schienbein, während ich leise die Worte "Es tut mir so unfassbar leid." murmelte. Es löste sich noch eine weitere Träne aus meinem Augenwinkel, als ich schließlich aufstand und meine Aufmerksamkeit wieder dem jungen Mann galt, der mich eben noch mit einem überaus genervten Stöhnen auf meinen buchstäblichen Fehltritt aufmerksam gemacht hatte. Ich rieb mir mehr oder weniger ein bisschen umständlich mit dem Oberarm den Tränenschleier aus den Augen und bereitete mich mental schon einmal darauf vor, verbal gleich ein weiteres Mal zusammengefaltet zu werden, aber überraschenderweise stand es Hunter nicht im Sinn, mir mein Fehlverhalten anzukreiden. Stattdessen ging er gar nicht erst weiter darauf ein und forderte mich lediglich im Verhältnis zu der Gesamtsituation relativ ruhig dazu auf, mir das Blut abwaschen zu gehen, was ich für keine so schlechte Idee hielt. Wenn ich diese Wohnung hier und heute noch einmal verlassen wollen würde, wäre es alles andere als vorteilhaft, vollkommen blutbeschmiert auf die Straße zu treten. Ich bezweifelte zwar, dass uns um diese Uhrzeit wirklich viele Leute über den Weg gelaufen wären, aber dahingehend wollte ich lieber kein Risiko eingehen, wenn ich mich schon darauf verlassen konnte, dass der Amerikaner sein Bestes tat, mich nicht in den Knast wandern zu lassen. Da musste ich nicht alles daran setzen, dass es doch noch so weit kam, nur weil mich irgendjemand mit Blut in den Haaren auf der Straße gesehen hatte. Ich nickte also noch immer relativ unsicher, würde ich mich wohl auch erst wieder gänzlich beruhigen, wenn ich mich in meinem gewohnten Umfeld befand und die Sache verarbeiten konnte, ehe ich auch der zweiten Bitte meines Freundes nachging und mich vorsichtigen Schrittes ins Badezimmer begab. Dabei musste ich über den ebenfalls toten Körper von Mark steigen, weil ich anders um das Sofa herum hätte laufen müssen und bedingt durch die blutigen Spuren, die ich hinterließ, erschien mir das ganz einfach der kürzere Weg zu sein. Ich brauchte im Bad dann in etwa eine gute halbe Stunde, weil ich mich überaus gründlich sauber schrubbte. Insgeheim hoffte ich wohl, dass ich mit genug Seife auch die Schuld von meinem Körper waschen konnte, die auf mir lastete, aber nach geraumer Zeit wurde mir klar, dass nichts dergleichen passieren würde und hüllte mich schließlich in eines von Carlas Handtüchern. Hunter hatte sich wie abgesprochen um ein paar Klamotten gekümmert und auch wenn der Pyjama nicht besonders schön war, passte er immerhin und würde um diese Uhrzeit draußen auch kaum Aufsehen erregen. Mit noch nassen Haaren - ich würde einen Teufel tun, mir diese jetzt noch föhnen, wollte ich doch einfach nur schnellstmöglich weg von hier -, betrat ich also erneut das Wohnzimmer, wo ich von nun an wie ein Schießhund aufpasste, nicht durch die Blutlachen und Fußabdrücke zu spazieren. Alles in allem war ich wieder ein Stück weit klarer im Kopf, auch wenn mich die Klingel trotz der Vorwarnung Hunters ein wenig zusammenzucken ließ. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die beiden Schoßhunde meines Freundes in der Wohnung angekommen waren, allerdings verzichtete ich auf eine Begrüßung, weil mir gerade schlichtweg nicht danach war. Ich wollte mich am liebsten nur unter einer Bettdecke verkriechen und für den Rest des Tages besagtes Bett nicht mehr verlassen. Auch der mittlerweile inzwischen ausgeprägte Appetit am Morgen, der sich hier auf Kuba entgegen meiner sonst nur spärlichen Mahlzeiten in den frühen Morgenstunden entwickelt hatte, war mir gänzlich vergangen. Mein Schädel dröhnte noch immer und die Gedanken überschlugen sich weiterhin, aber immerhin war ich schon so weit, keinem der Jungs im Wege zu stehen, sondern mich unweit der Tür wartend aufzuhalten, wo ich den schuldbewussten Blick auf meine Füße geheftet hatte, die inzwischen in ein paar grauen Socken steckten. Von meiner sonst so großen Klappe und dem selbstbewussten Auftreten war wohl kaum mehr etwas zu sehen und dass es jemals so weit kommen konnte, hätte ich persönlich ja nicht für möglich gehalten. "Und jetzt?", fragte ich fast schon kleinlaut, als Hunter quasi auf dem Sprung in meiner Nähe war, weil ich einfach wissen wollte, wie es jetzt weiterging. Was Marks Leiche anbelangte... war ich wohl ein ziemliches Arschloch, denn es interessierte mich irgendwie kein Meter, was mit ihm passierte. Aber die Blondine sollte nicht bloß einfach nur irgendwo wie Abfall entsorgt werden.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Wenigstens schien sie mir mit der Dusche nicht widersprechen zu wollen. Hätte sie's getan hätte ich sie eigenhändig unters Wasser packen müssen und ich glaubte nicht, dass das für unsere aktuell recht angeknackste Beziehung irgendwie von Vorteil gewesen wäre. Ich war also recht dankbar dafür, dass Cosma sich stattdessen einfach wortlos ins Badezimmer verzog und ich damit in den nächsten Augenblicken meine Ruhe hatte. Besonders viel Auswahl an zumindest einigermaßen passende Klamotten hatte die Rothaarige allerdings nicht, weil ihre ehemalige Freundin - das schlussfolgerte ich jetzt einfach mal daraus, dass sie der toten Frau übers Bein gestreichelt hatte - ganz einfach ein Stück größer war, was wiederum auch keine besonders große Kunst war. Meine mehr oder weniger bessere Hälfte war nun mal eher recht klein, aber ich mochte das. Weckte den Beschützerinstinkt wohl noch mehr als ohnehin schon und außerdem konnte man kleine Frauen leichter aufs Bett werfen, allgemein leichter Herumwirbeln oder auch problemlos über die eigene Schulter werfen. Dass ich mir darüber beim im Schrank wühlen kurzzeitig Gedanken machte sollte wohl recht deutlich machen, dass mir auch die körperliche Nähe zu der Rothaarigen fehlte - und sei es nur eine flüchtige Kuscheleinheit, bevor einer von uns beiden einschlief. Ich hatte die letzten Wochen über wirklich gut daran getan über unseren Streit nicht viel bis gar nicht nachzudenken und jetzt, wo ich eben doch wieder mit ihr redete, rollte das Ausmaß meiner erfolgreichen Verdrängung ziemlich schwungvoll durch meinen Schädel, sobald nur mehr das Rauschen der Dusche nebenan zu hören war. Nachdem ich Cosma die Klamotten ins Bad gebracht hatte kümmerte ich mich wie gehabt darum die leblose junge Frau in die Plane einzuwickeln und letztere schließlich auch an beiden Enden zuzubinden. Es war zwar unwahrscheinlich, dass sie noch viel mehr Blut verlieren konnte, aber auch an dieser Stelle ging ich nur ungern ein Risiko ein. Danach stand ich ein paar wenige Minuten am Fenster und sah nach unten zur Straße, versank dabei noch zunehmend in den unliebsamen Gedanken, die meine Laune auch nicht gerade aufhellten. Ashton und Desmond hielten schließlich mit dem schwarz lackierten Transporter am Straßenrand und schleppten allerhand Zeug zum Reinigen mit nach oben. Ich schenkte Cosma erst einmal noch keine weitere Beachtung, bis hier alles so weit geregelt war. Ließ meine beiden Handlanger mit in die Wohnung, woraufhin es dann auch nicht lange dauerte, bis Desmonds Augenbrauen wenig erfreut über das Ausmaß der Tragödie nach oben zuckten. Danach sah er zu mir und ich ließ ihm tatsächlich sowas wie einen minimal entschuldigenden Blick zukommen, weil es normalerweise eben zu Niemandes Aufgabe gehörte, den Dreck meiner unfähigen Freundin zu beseitigen und das auch noch, nachdem er bereits etliche Stunden auf den Beinen war. Trotzdem appellierte ich mit ein paar wenigen Worten an seine Konzentration, denn die würde er brauchen. Ich wollte hier bis heute Nacht keine unguten Zwischenfälle erleben müssen, also täte er gut daran seinen Job wie immer zu nicht weniger als 101% zu erledigen und nicht schlapp zu machen. Trotzdem stellte er den Putzkram genauso wie Ashton erst einmal ab und dann kümmerten sie sich ohne weitere Worte meinerseits darum auch die zweite Leiche noch blickdicht zu verpacken. Dann glitt mein Blick unweigerlich das erste Mal seit einer Weile wieder zu meiner Freundin, weil sie das Wort an mich richtete und ich war mir nicht ganz sicher, was genau sie mit dieser Frage von mir wissen wollte, weil es da potenziell mehrere Möglichkeiten gab. Nach ein paar wenigen Sekunden, in denen ich darüber nachdachte, entschied ich mich schließlich dazu einfach mehrere Möglichkeiten abzudecken, um weiteres Nachhaken eher zu vermeiden. "Naja... sie bringen die zwei jetzt gleich runter und Desmond bleibt dann hier, um das Chaos zu beseitigen, während Ashton irgendwo ins Nirgendwo fährt, um die zwei zu vergraben.", erklärte ich das Ganze mit einem Schulterzucken sehr sachlich, wenn auch noch immer ein wenig grummelig, weil es für mich schlichtweg nicht der Rede wert war. Ich glaubte allerdings eher nicht, dass meine rechte Hand das Loch allein schaufeln würde. Vermutlich hatte er schon zwei andere arme Seelen aus meinen Reihen dazu aufgefordert sich zu dem Waldstück aufzumachen - er kannte ja den Dienstplan genauso wie ich, wusste also auch ohne meine Einwilligung, wen er dafür missbrauchen durfte -, das etwa eine Stunde von Havanna entfernt lag. Es gab bisher kaum Zwischenfälle dieser Art, bei denen Jemand potenziell unmaskiert als Mörder identifiziert werden konnte und deshalb war es bisher auch nur zwei weitere Male notwendig gewesen dorthin zu fahren, um Ballast loszuwerden. Ich hatte noch keinen geeigneten neuen Platz für das in Säure auflösen, also griffen mir momentan auf das altbewährte Verbuddeln am Arsch der Welt zurück. Um das Waldstück herum gab es im Grunde gar keine Zivilisation, von einer einzigen, sehr kaputten Straße mal abgesehen. Niemand würde da jemals nach Toten suchen, erst Recht nicht gezielt und auf diese Distanz zum Tatort. "Und wir beide fahren nach Hause.", hängte ich noch ein paar letzte Worte an, während ich meinen beiden Schatten die Tür aufhielt, damit sie zuerst mit dem verhüllten Kerl nach draußen konnten. "Dein Zeug lassen wir hier, Desmond entsorgt das zur Sicherheit. Hol nur was wichtig ist, damit wir abhauen können.", gab ich ihr eine weitere knappe Anweisung, damit wir zeitnah abhauen konnten. Damit meinte ich lediglich sowas wie Handy und Geldbeutel, nicht ihre Klamotten. Ich selbst hob den unteren Teil meines schwarzen Shirts an, um mir damit das bereits getrocknete Blut aus dem Gesicht zu wischen. Auch der Rest der Blutflecken war auf dem wie so oft gänzlich schwarzen Outfit kaum zu sehen, also war das eher kein Problem. Ich gab mir lediglich Mühe damit das Blut von sichtbaren Körperpartien zu wischen, damit ich genauso vorzeigefähig war wie der Rest der Anwesenden. Mit der Leiche der jungen Frau hingegen würde ich Ashton gleich zur Hand gehen, wenn ich mit Cosma ohnehin runterging, damit Desmond kein zweites Mal runter und wieder rauf musste, meine rechte Hand ohne weitere Verzögerungen mit den beiden Problemen abhauen konnte. Je früher, desto besser.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Hunters Jungs würden Carla also weder in Säure auflösen, noch sie lieblos irgendwo auf einer Art Scheiterhaufen verbrennen, was mich ehrlich gesagt ein Stück weit erleichterte. Der Mord als solcher war schon abscheulich genug, da wollte ich wenigstens, dass den leblosen Überresten der jungen Frau ein bisschen Respekt gebührte. Zwar würde ich ihr keinen Grabstein aus Ästen und Blumen basteln, wie das in so manchen Filmen der Fall war, wenn spontan eine geliebte Person mitten im Nichts verstarb, aber alleine der Gedanke, dass ihr Körper friedlich unter der Erde verrotten durfte und nicht erst noch durch das Höllenfeuer spazieren oder durch ein Säurebad schwimmen musste, reichte vollkommen aus, um eine zweite Welle der Tränen erfolgreich zurückzudrängen. Ich schniefte lediglich noch ein bisschen, weil meine Nase lief und ich mir aus dem Bad keine Taschentücher mitgenommen hatte. Warum auch, die Gedanken waren momentan ganz woanders. Deshalb wischte ich mir wohl auch beiläufig mit dem Ärmel über das Gesicht, kurz bevor ich meinen noch immer unruhigen Blick in den meines Freundes legte. Ich folgte noch seinen weiteren Worten bezüglich der Aufgabenverteilung seiner Belegschaft und war schließlich wirklich froh, dass das traute Heim quasi in greifbare Nähe rückte. Denn dahin würde es für uns beide schließlich gehen, wenn die Sache hier soweit geklärt war. Mit den Augen einer Unwissenden betrachtet würde ich vermuten, dass einer der beiden Handlanger noch einiges zutun hatte, um die Spuren im Inneren der Wohnung zu bereinigen und ich stand wirklich kurz davor, mich dafür entschuldigen zu wollen, aber letztlich kam kaum mehr als ein undeutliches Glucksen über meine Lippen, was in seinem Sinngehalt ziemlich undefinierbar gewesen war. "Okay, hört sich... gut an.", murmelte ich daraufhin nur etwas nachdenklich, wobei gut in dem Fall relativ war. Für mich war gerade gar nichts gut. Ich wusste überhaupt nicht, wohin mit mir und den sich überschlagenden Gedanken und wie es ab hier jetzt weitergehen würde. Aktuell standen ziemlich viele offene Fragen im Raum, auf die ich sehr gerne ein paar Antworten gehabt hätte, wie zum Beispiel, ob das gründliche Schrubben der Bude ausreichen würde oder ob Hunter geplant hat, das Gebäude einfach abzureißen oder mit einem Feuer dem Erdboden gleich zu machen. Letztlich kam dann natürlich auch die Frage auf, was passieren würde, wenn Carla schon bald als Vermisst gemeldet und ich mit ihr in Verbindung gebracht wurde, weil uns etwa jemand gemeinsam aus der Diskothek hatte spazieren sehen. Das musste natürlich nicht zwangsläufig etwas Schlechtes sein, schließlich konnte ich auch einfach einer der Wenigen gewesen sein, die sie vor ihrem Verschwinden das letzte Mal gesehen hatte, aber auch wenn ich hier und da ein durchaus geübtes Pokerface aufsetzen könnte, wäre es bei einer polizeilichen Vernehmung nur eine Frage der Zeit, bis ich mich um Kopf und Kragen redete und man mir buchstäblich die Pistole auf die Brust setzen würde, damit ich die Wahrheit ausspuckte. Und die würde mich mal mindestens für einige Jahre, vermutlich eher bis an mein Lebensende hinter Gitter bringen, daran bestand absolut kein Zweifel. Und ich war doch noch so jung, wie sollte ich im Knast denn bitte überleben? Ich war einfach noch nicht bereit, mich tagtäglich in irgendwelche Schlägereien verwickeln zu lassen und die stünden auch im Frauenknast sicher ziemlich weit oben auf der Tagesordnung. Alles in allem machte ich mir also primär gerade wirklich große Sorgen, dass bei der ganzen Sache hier etwas schiefgehen würde, was wohl letztlich der ausschlaggebende Grund dafür war, dass ich nervös von einem Bein auf das andere trat, während ich meine Arme schutzsuchend um den eigenen Körper legte. Vielleicht hätte ich mir über den Ausgang eines Mordes Gedanken machen sollen, bevor ich ihn beging, aber dafür war es jetzt wohl zu spät. Außerdem konnte nun auch wirklich nicht die Rede davon sein, dass ich meiner Freundin mit Absicht ein Messer in den Bauch gerammt hatte, warum also hätte ich mich mit solchen Fragen vorab auseinandersetzen sollen? Ich nickte die Worte meines Freundes jedenfalls noch einmal ab, um ihm zu signalisieren, dass ich verstanden hatte. Daraufhin ging ich - natürlich weiterhin bedacht darauf, keinen der Blutflecken am Boden mitzunehmen - rüber zum Sofa, auf das ich vorhin mein Handy hatte fallen lassen und angelte aus der Clutch dann auch noch meinen Geldbeutel, bevor ich meinen Posten neben der Tür wieder bezog und den Blick schweifen ließ. In der Zwischenzeit hatten die beiden Unterstellten meines Freundes die männliche Leiche bereits verräumt und kamen grad aus dem Treppenhaus in die Wohnung zurück, wo Hunter sich schließlich von mir abwendete, um einen der beiden mit Carlas Leiche unter die Arme zu greifen. Für mich war das ein sehr eindeutiges Zeichen dafür, dass wir beide langsam aufbrechen würden und so schob ich mich hinter dem Amerikaner aus der Wohnung. Vermied ganz bewusst, einen letzten Blick in das Wohnzimmer zu werfen, sondern zog wortlos die Tür hinter mir in den Rahmen, bevor ich den zwei Männern nach unten auf die Straße folgte. Dort empfing mich eine für Havannas Verhältnisse recht kühle Morgenluft, die ich unter aktuellen Umständen jedoch sehr begrüßte. Zwar jagte mir die kühle Brise eine unangenehme Gänsehaut über den gesamten Körper, half mir aber doch deutlich dabei, meine Gedanken weiterhin Stück für Stück zu sortieren. Unweit der Haustür parkte dann auch schon der mir nur allzu bekannte Mustang neben dem schwarzen Transporter, auf den Hunter und Ashton zielstrebig zuliefen. Ich wartete jedoch auf Höhe der Beifahrertür des Sportwagens darauf, dass die beiden sich voneinander verabschiedeten, damit der junge Mann wenig später die Zentralverriegelung löste, um mich dann innerhalb von Sekunden auf den Beifahrersitz zu flüchten. Schon im Wagen wurde ich wieder eine ganze Ecke ruhiger, war mir das Umfeld doch gleich bekannter, als die Wohnung meiner verstorbenen Freundin, aber so richtig entspannt war ich trotzdem nicht. Das lag nicht zuletzt wohl auch einfach daran, dass sich zusätzlich zu den aktuell ohnehin beschissenen Umständen nun auch noch der Streit von vor einigen Wochen auf den Plan schob. Was ich logischerweise gerade überhaupt nicht gebrauchen konnte. Denn ich hätte gerne erst einmal den Vorfall von heute verarbeitete, bevor ich mich den alten Kamellen annahm, aber man konnte sich in den seltensten Fällen aussuchen, worüber sich der Schädel Gedanken machen wollte und damit stand ich erneut kurz vor einem tränenreichen Nervenzusammenbruch, der jedoch nur nicht zustande kam, weil Hunter meine Aufmerksamkeit auf sich zog, indem er kurze Zeit später hinter dem Steuer Platz nahm. Mein Blick lag unentwegt auf dem noch immer sichtlich angefressenen jungen Mann, dem ich neben einer ausführlichen Erklärung wohl auch noch etwas anderes schuldig war. "Danke...", murmelte ich leise, kaum hörbar in seine Richtung, als die Tür neben ihm in den Rahmen gefallen war. "Dass du mich nicht einfach hängen gelassen hast, meine ich.", konkretisierte ich meine Danksagung noch ein Stück, weil ich mir nicht ganz sicher war, ob es nicht auch noch etwas anderes in der jüngsten Vergangenheit gegeben hatte, für das ich mich eventuell hätte bedanken sollen, es bis heute allerdings nicht getan hatte. Außerdem ergänzte ich das Ganze noch um die kleinlauten Worte "Ich wüsste nicht, was ich sonst gemacht hätte.", mit denen ich gegen die miese Laune meines Freundes einlenken wollte, indem ich ihn quasi als meinen Retter oder Helden darstellte. War natürlich ein wenig übertrieben, aber einen weiteren Streit konnte ich heute eigentlich eher nicht gebrauchen und würde ausnahmsweise wohl mal kleinere Brötchen backen, als ich das ansonsten tat. Aber auch nur heute und und lediglich, bis der Amerikaner mir wieder auf den Keks ging, was bei unserer durchweg toxischen Beziehung vermutlich nicht allzu lange dauern würde.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich beobachtete Cosma mit nach wie vor leicht angespannten Schultern dabei, wie sie ein letztes Mal durch den Wohnraum ging und wie von mir gewünscht ihre wichtigsten Utensilien einsammelte. Sehr zu meiner Freude dieses Mal ohne das Blut noch weiter zu verteilen oder noch mehr Spuren zu hinterlassen, als es ohnehin schon der Fall war. Die Handtasche, die sie noch einmal anfasste, würde schließlich mitsamt ihren Schuhen und dem Kleid zeitnah genauso angezündet werden, wie die Bude hier selbst - nur eben schon früher und separat davon. Ich ließ Desmond dann nur noch beiläufig wissen, dass er die Türklinke unten an der Haustür nicht vergessen sollte, bevor ich mich mit Ashton der zweiten Leiche annahm und mit einem letzten, prüfenden Blick in Richtung der Rothaarigen auch schon mit dem nach unten schleppen beschäftigt war. Mit dem Amerikaner am anderen Ende der eingerollten Plane gestaltete sich das auch relativ einfach, obwohl ich als der, der hinten - und damit eben weiter oben auf den Stufen - ging, wohl mehr Gewicht festhielt. Waren sicher trotzdem nicht mehr als um die 65 Kilo, die ich hier halten musste und dementsprechend kaum eine große Anstrengung. Dennoch war ich ziemlich froh darüber, als auch die Leiche der Blondine schließlich im hinteren Abteil des Transporters lag und ich damit zumindest was Mord und dessen Opfer anging erst einmal meine Ruhe hatte. Mehr oder weniger nur noch ins Bett fallen musste, sobald ich Zuhause war, um endlich den Schlaf zu kriegen, den ich schon dringend nötig gehabt hatte, als Cosma mich vorhin angerufen hatte. Von Ashton verabschiedete ich mich dann nur noch recht knapp und bat ihn kurzum darum mir eine Nachricht mit entsprechenden Kennzahlen zukommen zu lassen, damit ich wusste, wen er für das Ausschaufeln des Grabs hergenommen hatte. Ich war zwar ein Egoist, aber ich war nicht blöd - jene Männer würden genauso wie meine beiden wichtigsten Untergebenen am heutigen Abend erst später anfangen, damit sie vorher genug Schlaf und Ruhe bekamen. Mit kaputten, vollkommen übermüdeten Handlangern konnte ich schließlich nicht viel anfangen, steigerten die doch lediglich das Risiko auf Fehler und ernsthafte, rechtliche Konsequenzen. Darauf wollte ich dann doch ganz gern verzichten, wo ich meine Narrenfreiheit hier auf Kuba doch ziemlich genoss. Zwar fingen die Tabak-Bauern wohl langsam damit an sich zu bewaffnen und auch einige Bullen trugen auf Streife in und um Havanna jetzt lieber Schusswaffen mit sich herum, aber das war gegen Norwegen oder Amerika nicht viel mehr als ein schlechter Scherz. Im Grunde konnte ich vorerst beruhigt zum Wagen aufschließen, in dem Cosma bereits saß, als ich mich auf den Fahrersitz fallen ließ. Ich hatte kaum die Tür hinter mir zugemacht und war gerade dabei den Schlüssel ins Zündschloss zu schieben, da hielt ich noch einmal kurz inne und sah zu ihr rüber, während ich ihren Worten mein Gehör schenkte. Ja, der Dank war wohl wirklich angebracht, aber zugegeben hatte ich kaum damit gerechnet, dass sowas jetzt von ihr kam. Vielleicht deshalb, weil mir ganz allgemein nur relativ selten Mal Jemand dankte. Zumindest nicht wörtlich, ein anerkennendes Nicken war häufig schon das Maximum aller gezeigten Gefühle. Außerdem nahmen wir beide den jeweils Anderen und seine Vorzüge manchmal vielleicht schon als etwas zu selbstverständlich hin - ich konnte mich da auch irren, aber hin und wieder kam mir das schon so vor. Ich sah sie sicherlich drei oder vier Sekunden erst einmal wortlos an, bevor ich langsam nickte und den Kopf wieder zurück in seine Ausgangsposition richtete, um den Wagen anzulassen. Ich lenkte den mattschwarzen Mustang erst einmal aus der Parklücke und richtete meine Konzentration zumindest was die Augen anbelangte vorerst vollkommen auf den Straßenverkehr. Ein Unfall wäre jetzt gerade so ungefähr das letzte, womit ich mich auseinandersetzen wollte. "Man sieht's mir wahrscheinlich eher nicht an, aber... eigentlich helf' ich dir gern. Dafür bin ich ja irgendwie auch da.", ließ ich Cosma erst einmal mit einem leisen Seufzen wissen, dass es eher nicht der Umstand ihres Mordes und die dadurch notwendige Hilfe an sich waren, was mich so gereizt hatte werden lassen. Immerhin fiel von der dadurch entstandenen Arbeit kaum etwas auf mich selbst zurück, hatte ich dafür doch mehr als genug Fußvolk übrig. Der führende Kopf einer kriminellen Organisation zu sein war zwar nicht gerade selten stressig, brachte aber auch viele Vorteile mit sich. Einer davon war zweifelsfrei keine Drecksarbeit mehr machen zu müssen, wenn ich keine Lust dazu hatte. "Es ist nur... keine Ahnung, man. Ich bin gestresst, verdammt müde und die Situation macht mich einfach wahnsinnig.", stellte ich fest, dass der sich über Wochen hinweg ziehende Streit mir vermutlich mehr die Seele zerstocherte, als mir eigentlich lieb war. Aber was sollte ich denn auch großartig tun, um wieder auf einen grünen Zweig mit dem rothaarigen, kleinen Teufel zu kommen? Ihr Problem war nun einmal Vahagn an sich und die würde vorerst ein fester Bestandteil meiner Geschäftsbeziehungen bleiben. Erstens, weil sie hier direkt vor Ort war und zweitens, weil es wirklich schwer war andere, absolut zuverlässige Leute zu finden, die freiwillig nach Kuba im- und exportierten. Gerade wegen dem amerikanischen, militärischen Stützpunkt am anderen Ende der Insel war das kein Zuckerschlecken und ich wollte - konnte - dahingehend schlicht keine Risiken eingehen, wenn sie sich durch die Russin vermeiden ließen. Außerdem war sie nun mal auch eine sehr direkte Verbindung zu ihrem Bruder, der für mich jetzt auch relevant war. Sie rauszukicken brachte nichts als Nachteile und das Argument, dass ich Vahagn genauso wenig leiden konnte, wie sie mich, zog ja sehr offensichtlich bei Cosmas Eifersucht nicht. Ich konnte nicht mehr machen, als meine Freundin über anstehende Reisen oder Treffen mit der Brünetten in Kenntnis zu setzen und das reichte ihr nicht, obwohl es genau das war, worum sie mich vorher gebeten hatte und wogegen ich mich innerlich eigentlich noch immer sträubte. Ich war, wie schon so oft für sie, auch was diese Sache anging ein Stück weit über den Schatten meiner Prinzipien - und meiner Sturheit - gesprungen. Das Thema wortwörtlich anzusprechen würde ziemlich sicher aber nichts als noch mehr schlechte Laune herbeirufen, weshalb ich davon bewusst absah. Ich hatte keine Lust darauf mich vor dem Schlafen jetzt noch ein weiteres Mal mit meiner Freundin zu streiten, weshalb meine Worte lediglich dazu dienen sollten ihr klarzumachen, dass es auch zukünftig eher nicht vorkommen würde, dass ich ihr meine Hilfe hinsichtlich irgendwelcher unvorhergesehenen Leichen verwehrte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Hunter letztlich auf meine Worte reagierte und mich damit ebenfalls leise seufzen und den Blick von ihm abwenden ließ. In dem Punkt konnte ich ihm wohl nur zustimmen - Begeisterung, mir bei der Entsorgung einer Leiche zu helfen, sah definitiv anders aus, aber es freute mich zu hören, dass er es, zumindest seinen Worten nach zu urteilen, wieder tun würde. Ich hoffte nur nicht, dass das jemals wieder nötig sein würde, weil mir zumindest im aktuellen Augenblick eigentlich nicht der Sinn danach stand, mein Konto mit Leuten, die ich auf dem Gewissen hatte, weiter zu füllen. Dennoch wusste ich die Geste hinter seinen Worten durchaus zu schätzen, nur wollte mir jetzt noch viel weniger einleuchten, warum er dann mit einem Gesicht wie sieben Tage Regenwetter in der Wohnung aufgeschlagen war, wenn er mir ungeachtet unserer Differenzen weiterhin aus der Patsche helfen würde. Eine entsprechende Erklärung folgte dann allerdings wenige Augenblicke später, was mich unweigerlich doch wieder über unseren Streit nachdenken ließ. Gestresst und müde ließe sich noch ziemlich allgemein halten und als Auslöser konnte man viele Gründe anführen, während er mit der Situation eigentlich nur die Auseinandersetzung von vor einigen Wochen meinen konnte. Und ich verstand, dass ihn das mitnahm, ging mir schließlich nicht anders. Ich mochte es mir in dem Punkt eventuell ebenso wenig ansehen lassen, wie Hunter seine Hilfsbereitschaft, aber er fehlte mir. Zu wissen, dass er da war, aber kaum etwas von ihm zu sehen war einfach kein schönes Gefühl und dabei hatte ich ihm doch schon etwa eine Woche nach dem eigentlichen Krach, der wie gewohnt mit vielen Beleidigungen und erhöhter Lautstärke einhergegangen war, verziehen. Hätte mich am Montagmorgen der zweiten Woche wieder in seine Arme flüchten können, ohne mit einem weiteren Wort auf den Streit zu sprechen zu kommen, aber da stand mir wie so oft mein Stolz im Weg. Der wollte sich schlichtweg nicht eingestehen, dass ich was Vahagn anging einfach immer wieder überreagierte und nicht erwarten konnte, dass Hunter in dem Punkt einlenken würde. Warum sollte er auch? Schließlich traf ihn nur wenig bis gar keine Schuld, wenn es um mein kleines, aber feines Eifersuchtsproblem ging. War schließlich nicht so, als hätte ich ihn bereits einige Male in den Armen einer anderen Frau erwischt. Aber auch jetzt, wo ich die Gedanken über den Streit den Erinnerungen der letzten Nacht vorzog, sträubte sich alles in mir, mich für meinen Aufstand zu entschuldigen und vermutlich würde ich das auch nicht tun, sondern versuchen, das ganze Dilemma einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Hunter war müde? Das traf sich gut. Ich nach der absolut beschissenen Nacht ebenfalls und auch wenn ich bezweifelte, dass ich mit dem Wissen, einen Mord begangen zu haben, ruhig einschlafen konnte, würde ich mich trotzdem an den muskelbepackten Körper kuscheln wollen, wo wir uns doch in den letzten Tage kaum wirklich näher gekommen waren. Das lag zwar nicht zuletzt auch an unseren verschiedenen Arbeitszeiten, aber prinzipiell waren da mehrere Situationen gewesen, in denen man sich hätte annähern können. Nur hatten weder Hunter, noch ich das gewollt. Wobei... nein, nicht gewollt traf es wohl nicht ganz, denn eigentlich war ich immer für Nähe zu dem gutaussehenden Amerikaner zu haben, nur... ja, hatte mich die Situation nicht weniger wahnsinnig gemacht, als ihn, weshalb ich den Kontakt auf ein Minimum heruntergeschraubt hatte. Blöd und vollkommen kindisch, wenn man mich fragte, aber da merkte man wohl, dass wir beide noch nicht besonders geübt darin waren, eine Beziehung auch mit ihren Differenzen zu führen. Falls wir uns nicht irgendwann einander die Köpfe einschlagen würden, legte sich das aber bestimmt und aufgeben wollte ich dieses Pilotprojekt noch lange nicht. Dafür waren meine Gefühle für den jungen Mann inzwischen viel zu stark und außerdem hatten wir gemeinsam nun schon einige einschneidende Erfahrungen sammeln dürfen, die es nur noch schwerer machen würden, loszulassen. Aber genug davon. Es war zwar durchaus angenehmer, über den Streit, als über Carla nachzudenken, aber sowohl als auch erhellte meine ohnehin schon angeschlagene Laune nicht wirklich. "Verstehe...", murmelte ich weiterhin nachdenklich und tat es wirklich. Ich konnte absolut nachvollziehen, dass Hunters Laune momentan schlechter war, als je zuvor, wo ihn doch wieder der Alltagsstress seiner kriminellen Machenschaften einholte. Wenn er sich dann auch noch mit einer quengelnden Freundin herumärgern musste, konnte das das Fass schon mal zum Überlaufen bringen. Ich würde vermutlich nicht weniger angefressen sein, als er, wenn ich während unseres Streits wieder wie gewohnt in der Bar gearbeitet hätte. Bis dato waren das allerdings nur Renovierungs- und Sanierungsarbeiten gewesen, um die ich mich hatte kümmern müssen. Geregelte Arbeitszeiten gab es da noch nicht. "Ich könnte auch eine Mütze Schlaf vertragen. Zumindest, wenn das irgendwie möglich ist. Musst du... früh raus?", unterbreitete ich ein sehr indirektes Friedensangebot, weil mir eine Entschuldigung einfach nicht über die Lippen gehen wollte, egal wie sehr ich mir einredete, dass diese absolut angebracht gewesen wäre. Vielleicht fiel es mir aber auch nur wegen der aktuellen Umstände so schwer und nach ein paar Stunden Ruhe sah das Ganze eventuell anders aus. Bis dahin musste es Hunter allerdings reichen, dass ich mich danach erkundigte, wie viel Zeit ich mit ihm zum Kuscheln und den heutigen Vorfall verarbeiten haben würde.
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Schon Cosmas Seufzen reichte im Grunde vollkommen dazu aus mir klarzumachen, dass sie gerade wohl allgemein nicht viel weniger fertig war als ich selbst. Sicherlich nur zu einem gewissen Teil aus dem selben Grund, weil ihr sehr sicher gerade einfach der kürzlich begangene Mord in den Knochen hing. Zwar konnte ich das nur so halb nachvollziehen, weil ich inzwischen wohl einfach viel zu stark abgestumpft war, um mir um das Ableben von Menschen, die mir nichts bedeuteten, irgendwie Gedanken zu machen, aber falls die junge Frau einen Teil ihres psychischen Ballasts was das anbelangte bei mir abladen wollte, würde ich sie davon kaum aufhalten. Viel mehr als ihr dabei zuhören konnte ich allerdings eher nicht, weil die Sache mit der Empathie bei menschlichen Krüppeln wie mir so eine Sache war. Diese Eigenschaft war bei mir wohl irgendwo auf halber Strecke jämmerlich krepiert und würde nur unwahrscheinlich jemals wieder zurückkommen. Zumindest nicht in Hinsicht auf Leute, die mir vollkommen egal waren. Ich gab mir inzwischen hingegen durchaus Mühe damit zumindest bei Cosma ein bisschen einfühlsamer und weniger ein gefühlstoter Stein zu sein. Mir lag viel an ihr und ich wollte auch, dass sie das merkte. Wollte ihr nicht immer nur wie ein kaltherziges Arschloch gegenübertreten, obwohl auch das sicher weiterhin vorkommen würde. Ließ sich schlichtweg nicht ganz abstellen, aber Abstriche machen musste sie bei mir wohl genauso, wie ich bei ihr. Wir hatten beide unsere Ecken und Kanten - sehr viele davon -, aber ich hatte trotzdem nichts dagegen ihr zumindest einen Hauch von Hilfe zu bieten, indem sie ihren mentalen Schutt in Hinsicht auf den Mord an ihrer Bekannten wörtlich bei mir ablud, sich das von der Seele redete. Mich konnte das wohl kaum mehr runterziehen, dazu hatte ich schlichtweg schon zu viel erlebt und gesehen. Verurteilen tat ich sie dafür logischerweise auch kein Stück, da hatte sie nun wirklich nichts zu befürchten. Die Rothaarige schien mich auch damit verstehen zu können, dass mir der gefühlt endlos lang anhaltende Streit auf die Nieren drückte, was ich mit einem schwachen Nicken zur Kenntnis nahm. Sie war trotzdem im gleichen Atemzug so gut, dieses Thema gar nicht erst weiter zu vertiefen, sondern es so stehen zu lassen. Andernfalls hätte ich womöglich auch noch einmal am Straßenrand angehalten, um sie zu bitten auszusteigen und den Rest des Heimwegs zu Fuß zu absolvieren. Ich war gerade ohnehin nervlich schon hochgradig strapaziert, sie tat also wirklich gut daran nicht weiter auf Provokation zu plädieren. Stattdessen folgte eher sowas wie ein vorsichtiger Annäherungsversuch, wenn auch nur sehr indirekt. Würde ich Cosma inzwischen nicht so gut kennen, hätte ich das unter Umständen gar nicht heraushören können. Nur wusste ich eben, dass sie sich vermutlich genauso ungern entschuldigte oder Wort für Wort einlenkte wie ich selbst, weshalb zusammen schlafen zu gehen doch sehr eindeutig für mich klang. Um auf ihre angehängte Frage zu antworten schüttelte ich an einer Kreuzung haltend dann erst einmal ein wenig den Kopf, ließ den Blick aber weiterhin auf die vorbeifahrenden Autos gerichtet. So lange, bis frei war und ich auf die Straße einbiegen konnte, die uns das kleine Stück bis zur Villa aus der Stadt herausführen würde. Ich war immer noch froh darüber, da draußen ziemlich meine Ruhe zu haben. Bis auf die paar wenigen Nachbarn, die sich ein Grundstück an der Küste ebenfalls leisten konnten, lief mir da keine Menschenseele über den Weg. "Nein, muss erst am Abend los.", gab ich der jungen Frau dann auch noch eine minimal detailliertere Antwort auf ihre Frage, statt es bei dem Kopfschütteln zu lassen. Sagte ihr damit wohl ebenso recht indirekt, dass ich nichts dagegen hatte das Kriegsbeil einfach zu vergraben. Allerdings war das dann vorerst auch alles, was ich zu dieser Angelegenheit noch sagte und verbrachte damit den Rest der Fahrt schweigend. Mir war aber auch einfach nicht wirklich danach viel zu reden, also ergriff ich das Wort erst gut eine Viertelstunde später wieder, als der Wagen in der Garage geparkt war. Ich stieg aus und als sich das Garagentor gerade schloss, sah ich dann kurzzeitig über das Dach des Autos hinweg zu Cosma. "Leg dich schon mal hin... ich muss die Pistole noch saubermachen, dann komm ich.", ließ ich sie mit ein paar wenigen Worten wissen, dass ich die Waffe so nicht einfach wie gewohnt auf den Nachttisch legen konnte. Ich würde das Blut mit Zeitaufwand von nur ein paar wenigen Minuten in dem kleinen Waffenraum im Keller beseitigen - war nicht so, als hätte ich da massenhaft Schusswaffen gelagert, aber eben doch ein paar, damit ich je nach anstehender Mission spontan zum richtigen Werkzeug greifen konnte und dafür keine Umwege machen musste -, auch den Lauf noch checken und dann war ich für diese Nacht endgültig mit Allem fertig. Ich warf der Rothaarigen nur noch einen kurzen Blick zu und riegelte den Wagen ab, bevor ich mich durch die hintere Tür in Richtung Garten aus der Garage verzog, um über die äußere Tür nach unten in den Keller zu gehen. War von hier aus schlicht der kürzeste Weg und ich verzichtete gerade liebend gern auf jeden Schritt extra, der sich genauso gut vermeiden ließ.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Grundlegend beantwortete mir Hunters Aussage alles, was ich wissen wollte und doch wünschte ich mir, dass er sich ein bisschen mehr mit mir unterhalten hätte. Dabei musste es für mich nicht um den Streit gehen, war ich doch wie gesagt froh darüber, wenn wir es einfach gut sein lassen und uns einfach wieder annähern würden, aber... keine Ahnung. Ein Gespräch über seine Arbeit, Taurens Fortschritt im Bootcamp, meine Bar... es gab viele Themen, über die man sich austauschen konnte und die mir dabei helfen würden, nicht an die vergangene Nacht oder den heutigen Morgen zu denken. Eine Leiche vorzufinden war die eine Sache, dabei zuzusehen, wie aus einem noch lebenden Menschen eine gemacht wurde allerdings eine ganz andere. Und mir wurde augenblicklich wieder ganz anders, als ich an Marks zertrümmerten Schädel zurückdachte, sodass ich meinen Blick letztlich aus dem Fenster der Beifahrerseite richtete. Hunter schien nämlich offensichtlich nicht daran interessiert zu sein, aktuell mehr als das Nötigste zu sprechen und das würde ich wohl akzeptieren müssen, wenn ich nicht auch noch doch noch einen Streit provozieren wollte. Ich versank also auf den letzten Kilometern bis zu unserem Haus - ich würde mich wohl nie daran gewöhnen, das von Hunter gekaufte Haus als unser Eigenheim zu titulieren - in ein paar unschöne Gedanken, die mich zeitweise wieder mit den Tränen kämpfen ließen, bis mich das Zufallen der Fahrertür wieder in die Gegenwart zurück katapultierte. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass der Amerikaner den Wagen in die Garage gelenkt hatte und war dementsprechend erst einmal etwas verwirrt, als ich alleine im Auto zurückgelassen wurde. Es dauerte einige Sekunden, bis ich die Lage analysiert hatte und schließlich mit einem tiefen Seufzen ebenfalls ausstieg. Ich war gerade im Begriff, die Beifahrertür zuzumachen, als mich über das Dach hinweg Hunters Worte erreichten, die ich lediglich mit einem leichten Nicken zur Kenntnis nahm. Als der junge Mann sich dann auf den Weg machte, die Garage durch eine andere Tür zu verlassen, als ich das tun würde, gab ich ihm aber noch ein paar Worte mit auf dem Weg. Durch eine Geste der Hand, mit der ich mir aufs Gesicht zeigte, untermauerte ich die darauffolgenden Worte. "Eventuell solltest du auch noch mal duschen... oder dich zumindest waschen.", riet ich ihm mit einem leichten Schulterzucken dazu, sich ebenfalls um das inzwischen verwischte und ziemlich sicher angetrocknete Blut in seinem Gesicht und an den Händen zu kümmern, bevor er zu mir ins Bett kam. Ich würde ihn zwar kaum verschmähen, wenn er darauf verzichten würde, weil ich seine Nähe gerade ganz einfach brauchte, aber ich würde es bevorzugen, wenn ich das Bett nicht schon zum zweiten Mal in dieser Woche neu beziehen müsste. Außerdem war das Blut eines Fremden etwas, dass ich nur äußerst ungerne in meinem Bettlaken und noch viel weniger an meinem Mann haben wollte. Ich hoffte also insgeheim, dass die Worte noch bei Hunter angekommen waren, als ich auf dem Absatz Kehrt machte, um durch die Tür im Inneren der Garage zu verschwinden, die geradewegs in unsere Küche führte. Als das Holz hinter mir ins Schloss gefallen war, verharrte ich einen Augenblick lang in meiner Position und atmete zwei, drei Mal tief durch. Ja, an dem Ort, der sich Zuhause schimpfen durfte, ging es mir gleich um Einiges besser, wenn ich das mal so sagen durfte. Ich konnte zwar nicht behaupten, dass sich die schrägen und alles andere als schönen Gedanken inzwischen gänzlich in Luft aufgelöst hatten, aber daheim konnte ich das Ganze in aller Ruhe verarbeiten. Mich auch entsprechend ablenken, wenn das nötig war, indem ich eine Runde in den Pool sprang oder mich in Hunters Fitnessraum sportlich betätigte. Kam zwar nicht besonders oft vor, weil der junge Mann überwiegend mit Gewichten trainierte, die ich im Leben nicht gehoben kriegen würde, aber an dem ein oder anderen Gerät käme ich sicherlich trotzdem auf andere Gedanken und wenn das nicht reichte, hatte ich hier immerhin noch meinen hiesigen Vorrat an Marihuana. Ich war zwar stets bedacht darauf, nie wirklich viel von dem Zeug zu bunkern, falls wider Erwarten doch einmal unser Haus von Bullen auf den Kopf gestellt werden würde - wobei die Drogen von den Sachen, die wir hier lagerten vermutlich nur das kleinste Übel darstellen würden -, aber ein paar Gram hatte ich durchaus immer in der Schublade meiner Unterwäsche deponiert. Ich sollte mich vermutlich davor hüten, mich nach der Sache in ein genau so tiefes Loch zu stürzen, wie Richard das getan hatte, weil Hunter mich sonst vermutlich einen Kopf kürzer machen würde, aber auf einen Joint mehr oder weniger am Tag kam es letztlich auch nicht mehr an. Ich stand jetzt bestimmt gut zehn Minuten lang reglos in der Gegend herum, bis mich unsere Haushaltshilfe, die durch den eigentlich Haupteingang der Küche getreten war und nun unweit von mir im Türrahmen lehnte. In ihren mütterlichen Gesichtszügen lag ein Ausdruck der Sorge und mit ihrem gewohnt brüchigen Englisch erkundigte sie sich danach, ob es mir gut ging. Ich rang mir schweren Herzens ein Lächeln ab und nickte, obwohl bei mir momentan irgendwie so gar nichts in Ordnung war. Ich gab mir im direkten Anschluss daran einen Ruck und schleppte mich mit Beinen, die sie anfühlten, als wären sie aus Beton gegossen, rüber zu der Kaffeemaschine. Koffein entfaltete bei mir schon lange keine schlafraubende Zustände mehr, sondern half mir lediglich dabei, wieder auf den Damm zu kommen, weshalb ich mir eine Tasse vor dem Schlafengehen durchlaufen ließ. Ich verzichtete allerdings darauf, mich an den Esstisch fallen zu lassen, sondern steuerte geradewegs das Schlafzimmer an, welches ich kurzzeitig dafür verfluchte, am Ende einer schier endlos langen Treppen zu liegen. Ich brauchte überdurchschnittlich lange, bis ich oben angekommen war, weil ich mich auf so viele Arten einfach nur ausgelaugt fühlte. Im Schlafzimmer angekommen, stellte ich die Tasse mit dem heißen Inhalt auf dem Nachtschrank ab und machte mich daran, Carlas Pyjama loszuwerden. Er war zwar durchaus bequem, würde mir aber nicht dabei helfen, über die ganze Sache hinweg zu kommen und in langärmligen Klamotten zu schlafen war für mich sowieso undenkbar. Wenn ich überhaupt etwas beim Schlafen trug, dann wohl maximal ein Top und einen Slip, mehr aber auch nicht. Allerdings stand mir aktuell weniger der Sinn danach, vollkommen nackt zu schlafen, weil mir bedingt durch die innere Unruhe und die Müdigkeit irgendwie kalt war. Als ich mich dann nach weiteren fünf Minuten dann endlich wieder halbwegs wohl in meiner Haut fühlte, kroch ich zuallererst unter die Bettdecke, die ich mir förmlich bis unter das Kinn zog, ehe ich meine Hand nach der Kaffeetasse ausstreckte, um den ersten vorsichtigen Schluck von dessen Inhalt zu nehmen. Indessen wartete ich fast schon seelenruhig darauf, dass mein Freund endlich zu mir aufschloss, denn wenn ich hier so im Bett lag, fielen mir die Augen entgegen meiner Erwartungen immer wieder kurzzeitig zu.
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Das tat ich wohl ohnehin, ja. Ich wusch mir die Hände nach einer langen Nacht so oder so immer recht gründlich und gleich doppelt akribisch, wenn Blut daran klebte. Was die rote Lebensflüssigkeit anging war ich zwar weder angewidert noch war sie mir anderweitig unangenehm, aber DNA an den Händen kleben zu haben war selten gut und vor allem war ich ganz einfach aus der Phase raus, in der mich getrocknetes Blut unter den Fingernägeln nicht gestört hatte. Früher, als ich mich noch in der kriminellen Unterschicht bewegt hatte, war mir das absolut egal gewesen, weil danach kein Hahn gekräht hatte. Allerdings war ein optisch recht gepflegtes Aussehen deutlich besser, um unauffälliger auf offener Straße zu wirken - so weit, wie das halt möglich war, wenn man sich bis unters Kinn und sogar noch darüber hinaus tätowieren ließ. Gerade in Kuba war der Trend mit Tattoos eher noch nicht so verbreitet, beziehungsweise nicht so ausgeprägt wie beispielsweise in den Staaten. Lag mitunter aber wohl auch daran, dass sich die wenigsten hier ein richtig gutes oder großflächiges Tattoo hätten leisten können. Der Großteil der Bevölkerung lebte eher in Richtung Existenzminimum, da waren solche Ausgaben kaum in meinem Ausmaß drin. Jedenfalls hatte ich Cosmas Worte dahingehend noch zur Kenntnis genommen und kümmerte mich dann im Keller ohne große Umschweife darum vor mir selbst noch die Waffe sauber zu kriegen, nachdem ich sie mit wenigen, routinierten Handgriffen zerlegt hatte. Auch dabei war ich gewohnt pingelig und das bewusst sehr hell gewählte Licht, das von der Lampe an der Decke fiel, war dabei wie immer eine ausgezeichnete Hilfe. Zwar nahm das Ganze doch so ein paar Minuten in Anspruch, obwohl ich mit sehr geübten und eher zügigen Bewegungen arbeitete, aber letztlich war ich dann doch so weit zufrieden gestellt, dass ich die erneut rundum saubere Waffe wieder zusammenbaute und mit der zumindest beinahe sauberen Hand mit mir nach oben trug. Die Tür zu dem kleinen, mit Waffen und einem Tisch bestückten Raum im Keller hatte ich wie immer hinter mir abgeschlossen und auch noch einmal kontrolliert, ob sie denn wirklich zu war, bevor ich mich auf den Weg ins Erdgeschoss machte. Ich schenkte der Haushälterin im Vorbeigehen nicht wirklich Beachtung, nahm sie lediglich mit einem Nicken zur Kenntnis und sie sah mich wie immer, wenn sie mich denn mal in diesem Zustand zu Gesicht bekam, ein wenig verwirrt an. Darum machte ich mir allerdings ganz allgemein nur sehr wenig Sorgen, weil ich ihr schon zu Beginn ihrer Arbeit hier sehr unmissverständlich klar gemacht hatte, dass alles, was sie in diesem Haus sah oder was hier passierte, diese Wände auch nicht verlassen würde. Ich bezahlte sie im Vergleich zu anderen Putzkräften hier in Havanna überdurchschnittlich, da sollte ein Schweigegelübde nicht zu viel verlangt sein und sie wirkte mir auch nicht wie der Typ Mensch, der gerne Risiken einging. Auch unabhängig von ein bisschen Blut hier und da konnte ich gut darauf verzichten, dass sie sich auf dem Weg vom Haus zur Haltestelle ein paar Meter weiter noch mit irgendeinem der Nachbarn darüber unterhielt, dass Cosma und ich uns doch häufiger mal stritten und wir wohl weniger das typische, reiche Paar abgaben, das man sonst so gewohnt war. Die in die Jahre gekommene Frau bekam also wie so oft nur einen flüchtigen Gruß von mir und dann machte ich mich auf den Weg ins Badezimmer im ersten Stock. Duschen würde ich jetzt nicht nochmal, das hatte ich vor gut zweieinhalb Stunden erst getan und es war ganz einfach auch damit getan mir das bisschen an getrocknetem Blut mit den Händen am Waschbecken abzuwaschen. Als ich das Shirt auszog, um es in die separate Wäschebox zu schmeißen, in der im Grunde ausschließlich meine fast durchweg schwarzen oder sehr dunklen, grauen Arbeitsklamotten waren, stellte ich allerdings fest, dass ein bisschen vom Blut bis durch den Stoff auch auf die Haut an meiner Brust und meinem Bauch gekommen war, weshalb ich mit einem genervten Seufzen auch das noch abwusch. Die schwarze Hose wanderte in selbige Box und ich sah noch einmal an mir runter, warf auch noch einen abschießenden Blick in den Spiegel, aber da war kein Blut mehr. Also wanderten auch die Socken noch in die Wäschekisten und danach schlurfte ich nur noch in Boxershorts gehüllt sichtlich erschöpft mit der Pistole weiter nach drüben zum Schlafzimmer. Die Vorhänge waren noch immer zugezogen und so konnte ich ohne Umwege zum Bett gehen, um die Waffe auf ihrem Stammplatz auf dem Nachttisch abzulegen. Danach ließ ich mich erledigt auf die Matratze fallen und rutschte unter der Decke das erste Mal seit einiger Zeit mehr in Richtung Mitte, um der Rothaarigen näher zu sein, die sich ohnehin schon mehr oder weniger im Halbschlaf zu befinden schien. Besonders viel geschlafen hatte sie letzte Nacht wohl auch noch nicht. Ich wartete nur noch darauf, dass die Tasse ihren Platz auf dem Nachttisch an Cosmas Bettseite gefunden hatte, bevor ich ich die junge Frau dazu animierte zu mir zu kommen, indem ich meinen Arm nach ihr ausstreckte. Dass sie sich jetzt nicht mehr dagegen sträubte mir nahe zu sein würde meine Schlafqualität, die momentan mehr schlecht als recht war, hoffentlich auch wieder ein bisschen ankurbeln. War zumindest wünschenswert, damit ich mich endlich mal nicht mehr so fühlen würde, als würde ich genauso müde aufstehen, wie ich schlafen gegangen war.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es waren inzwischen zwei Wochen vergangen, seitdem Sabin und ich meinem ehemaligen Mitbewohner einen Besuch abgestattet hatten und ich musste zugeben, dass mir das Gespräch noch einige Tage später in den Knochen saß. Letzten Endes hatte sich Tauren zwar tatsächlich dafür entschieden, mir noch eine Chance geben zu wollen, aber das machte die vorangegangenen, ziemlich harschen Worte nun mal nicht unausgesprochen und ich zerbrach mir sicherlich noch drei oder vier Tage den Kopf über all die unschönen Dinge, die der junge Mann mir an den Kopf geworfen hatte. Erst an Tag fünf konnte ich meinen Frieden damit schließen, dass er jedes Recht dieser Welt dazu hatte - auch in dem Ausmaß -, wütend auf mich zu sein. Schließlich hatte er den Terror wirklich lange über sich ergehen lassen müssen und das war ganz offensichtlich nicht spurlos an ihm vorbei gegangen. Jedenfalls hatten wir seitdem wieder Kontakt, auch wenn sich das Ganze lediglich auf die ein oder andere Textnachricht beschränkte, weil Hunters Unterstellter nun mal viel zutun hatte, zudem mittlerweile eine Beziehung führte und ich außerdem auch gar nicht wirklich wusste, worüber ich mich den lieben langen Tag mit ihm unterhalten sollte. Wir kannten uns mittlerweile zwar schon etwas länger, aber ein enger Vertrauter war Tauren deswegen nun mal trotzdem nicht und Sam war der einzige, den ich momentan als menschlichen Kummerkasten missbrauchte. Grundlegend war es aber auch gar nicht so schlimm, dass wir kaum Kontakt zueinander hatten. Die Hauptsache war, dass das Kriegsbeil begraben war und ich keine Angst mehr haben musste, Todesblicke ausstehen zu müssen, wenn ich dem Norweger über den Weg lief. Bis dahin würde es aber laut Sabin noch ein kleines Weilchen dauern, weil der Italiener absolut sichergehen wollte, dass ich wirklich schon bereit dazu war, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Also machte ich mir um meinen ehemaligen Mitbewohner fürs Erste keine allzu großen Sorgen mehr und flüchtete mich in den folgenden Tagen nach der Unterhaltung wieder gänzlich in die Hausarbeit und die Umsorgung Samueles, dem es mit seinem Fuß stetig besser zu gehen schien. Die Spaziergänge fielen zwar weiterhin flach oder beschränkten sich lediglich auf eine Runde um den Block, aber das war in meinen Augen auch besser so. Er sollte sich lieber an einem Stück auskurieren, bevor er durch zu hohe Belastung noch eine weitere Woche oder auch zwei ausfiel. Insgesamt hatte der jüngere der beiden Italiener im Bunde schon lange genug mit dem geschwollenen Knöchel zu kämpfen gehabt und damit meine Nerven auf eine außergewöhnliche Zerreißprobe gestellt. Inzwischen wusste ich, dass auch der Umgang mit meinem wenig kooperativen Ich die reinste Qual gewesen sein musste, weil ich alles in allem wohl deutlich bockiger gewesen war, als Samuele. Schließlich verlangte das Hirn meines aktuellen Mitbewohners nicht nach irgendwelchen Drogen und ließen ihn dadurch aufmüpfig werden. Nein, er bewegte sich streng genommen noch in einem total humanen Rahmen des quengelig seins, wenn die Schmerzen im Fuß heute stärker waren als am Vortag. Dahingegen musste ich das Maß an anstrengend sein förmlich gesprengt haben. Aber gut, genug davon. Ich befand mich schließlich weiterhin auf dem Weg der Besserung und sah aktuell zumindest noch keinen Grund, warum sich das so schnell bald wieder ändern sollte. Außerdem ging es Samuele inzwischen auch wieder deutlich besser, was sich vom Zeitlichen her sehr gut passte. Inzwischen lief ich seit mittlerweile vier Wochen ohne mein Portemonnaie herum und so langsam aber sicher machte ich mir wirklich Gedanken, wo das gute Stück abgeblieben war und bat meinen Mitbewohner daher, mit mir in mein eigentlichen Zuhause zu fahren, um dort nach dem Geldbeutel zu suchen. Wenn ich mich recht erinnern konnte, dann hatte mein erster Fluchtversuch dort geendet, bevor ich in Sabins eigen ernannten Knast gewandert war und weil letzterer scheinbar auch nicht wusste, wo das gute Stück abgeblieben war, hielt ich es für sehr wahrscheinlich, dass ich das damals dem netten Besuch meines Freundes gar nicht erst mitgenommen hatte. Außerdem gab es noch das ein oder andere Oberteil, welches ich gerne gehabt hätte und überhaupt bedurfte das Haus sehr wahrscheinlich einer gründlichen Aufräumaktion. Ich konnte mich nicht an alle meine Aussetzer zurückerinnern, wusste aber, dass damals einiges zu Bruch gegangen war und unter meinen Anfällen gelitten hatte. Da meine Freiheit in dem Sinne in immer greifbarere Nähe rückte, täte ich mir also gut daran, ein paar der Trümmerteile zu entsorgen, solange ich dabei noch Anhang mit mir führen musste, der mir gegebenenfalls hier und da unter die Arme greifen konnte. Da Samuele mittlerweile wieder einigermaßen gut laufen konnte und der letzte größere Ausflug mit Sabin nun schon eine Weile her war, bat ich den Italiener kurzerhand mit mir zu kommen. Sabin hatte ich vorab natürlich darüber informiert. Nicht zuletzt, um ihn um den Gefallen zu bitten, uns an dem abgelegenen Bungalow abzusetzen. Zwar hätten wir auch mit dem Taxi fahren können, aber ich wollte dem Hausherren nicht auch noch eine Rechnung für mehrere Kilometer Fahrt aufs Auge drücken und selbst hatte ich kein Geld am Mann. Zurück kommen würden wir allerdings schon per Dienstleistung eines Fahrunternehmens, denn auch wenn das Portemonnaie nicht im Haus lag, hatte ich dort noch den ein oder anderen Notgroschen, der uns zwei wieder nach Hause bringen konnte. Es war Mittag, die Sonne stand hoch oben am Himmelszelt, als der ältere Italiener uns vor der Tür meines Hauses rausschmiss und die Auffahrt rückwärts in Richtung der Hauptstraße zurück fuhr. Die umliegenden Bäume des kleinen Waldstücks, in welches meine Terrasse hineinragte, spendeten einen angenehmen Schatten, sodass die Hitze der Mittagssonne zumindest halbwegs erträglich war. Schon vor dem Aussteigen aus dem Auto hatte ich in der Hosentasche nach meinem Hausschlüssel gekramt, der mir irgendwann mal von Sabin abgenommen worden war. Ich hatte das Ding jetzt schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr in den Händen gehalten und war mir anfangs nicht sicher, welcher Schlüssel der insgesamt drei nun eigentlich für die Vordertür war. Der Kleinste davon war der für die Garage, wenn die Bedingung via Fernbedienung einmal versagen sollte, ein anderer für den Kellerraum unter dem Haus und der letzte schließlich für den Haupteingang. Bei der 50/50-Chance, einen der beiden größeren Schlüssel als den Richtigen ins Schloss zu stecken versagte ich logischerweise kläglich, was mich kopfschüttelnd seufzen ließ. Warum sollte auch etwas auf Anhieb klappen, hm? Als dann beim zweiten Versuch die Tür ins Innere des Hauses aufschwang, steckte ich erst einmal vorsichtig meinen Kopf durch die Tür. Ich ging zwar nicht davon aus, dass sich in meinem Bungalow über die Zeit irgendwelche Obdachlose eingenistet hatten, weil das Haus von Außen soweit unbeschädigt aussah, aber ich konnte mich wirklich nicht daran erinnern, ob auch alle Fenster und die Terrassentür geschlossen gewesen war, als Sabin mich eingesackt hatte. Ich wollte also schlichtweg sichergehen, dass sich weder ein Reh, noch andere Tierarten in mein Wohnzimmer verirrt hatten, während ich weggewesen war. Aber soweit sah alles eigentlich noch aus wie früher.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #