Ich musste unweigerlich leise auflachen, als Richard sich ziemlich überrascht davon zeigte, dass Sydney und ich zueinander gefunden hatten. Vermutlich konnte man ihm das auch nicht verdenken, aber das Leben hatte nun mal nicht still gestanden, nur weil er selbst nicht wirklich vom Fleck gekommen war und sich eher permanent im Kreis gedreht hatte. Es hatte sich so einiges getan - wenn vermutlich auch nicht viel, was für ihn selbst aktuell irgendwie massiv von Bedeutung war. Ich wüsste zumindest nicht, was ich ihm sonst noch großartig erzählen sollte. Natürlich war mir hier und da immer wieder aufgefallen, dass es zwischen Hunter und Cosma des Öfteren rappelte, aber ich wusste nicht inwiefern es gut wäre, ihm das zu erzählen. Ich wollte eigentlich nicht riskieren, dass er sich Sorgen um seine ehemals beste Freundin machte und deswegen wieder eine Bruchlandung mit seiner Psyche hinlegte. Jedoch könnte es ihn auch potenziell eher dazu bewegen, sich mal mit der jungen Frau zu treffen und selbst zu sehen, wie es ihr ging. Außerdem war sie auch einfach alt genug, um selbst zu entscheiden wer ihr Henker sein würde. Ich für meinen Teil würde aktuell sicher ein halbes Vermögen auf Hunter setzen, nachdem er an meinem Geburtstag so eine Szene hingelegt hatte. Zwar hatte ich davon nicht viel mitbekommen - genauso wenig von dem Streit, der bis nach draußen zu hören gewesen sein soll -, aber die Jungs hatten noch tagelang darüber geredet. Warum war mir schleierhaft, weil der Amerikaner eigentlich nicht selten austickte und es echt Niemanden wundern dürfte, dass es nicht gut ausging, wenn die versammelte Mannschaft seine so gut wie nackte Freundin begaffte. Demnach verstand ich nicht so recht, was nun so redenswert bei der Sache war, aber konnte mir wohl egal sein. "Danke... es tut auch wirklich gut sie zu haben. Sie ist das einzige, das... mir momentan Halt gibt.", seufzte ich leise, klang an sich aber recht zufrieden. War ich gerade ja auch. Es tat gut mit Richard unterwegs zu sein und das ohne permanent fürchten zu müssen, dass er gleich die Biege machen wollen würde. "Aber sonst... keine Ahnung. Dass Cosma und Hunter sich öfter mal streiten ist wohl überflüssig zu erwähnen... letzterer war vor kurzem in Russland, hat da mit Vahagns Bruder irgendwelche Geschäfte ins Rollen gebracht. Er hat mir leider nicht erzählt, um was es dabei genau ging, aber ich schätze er bringt da entweder die unzähligen Kisten gestohlener Zigarren an den Mann, oder expandiert mit seinem neuesten Geschäftszweig.", murmelte ich ziemlich nachdenklich so vor mich hin. Solange keine Leute in unserer unmittelbaren Nähe waren und ich es nicht gerade zu Richard rüber brüllte, dürfte das ja Niemand hören. "Gott stehe uns bei, wenn er ein noch größeres Ego entwickelt, weil er sich seine Kohle jetzt einfach selbst druckt.", hängte ich ein paar sehr ironische und trockene Worte an, bevor ich kaum sichtbar den Kopf schüttelte und ich doch noch einmal Halt bei den Einkaufswägen nahe des Eingangs machte. Ich versuchte zwar nach wie vor mein Training trotz meines stressigen Alltags aufrechtzuerhalten und ich glaubte kaum, dass mir die Tasche zu schwer werden würde, aber ich musste das Zeug drinnen ja trotzdem nicht tragen, wenn es bequemer ging. War immer unangenehm, wie sich die Tragegriffe aus Stoff in die Handinnenflächen bohrten, wenn etwas mehr Gewicht in den Taschen lag. Jedenfalls wanderte die eine Tüte, die ich noch in der Hand gehalten hatte in den Wagen und ich ließ es Richard offen, ob er die andere weiterhin trug und mir drinnen beim Abgeben half, oder ob er sie mit im Wagen abstellte. "Wirst du dich mit Cosma eigentlich noch irgendwann aussprechen, oder... hat sich das für dich erledigt?", fragte ich dann etwas vorsichtiger, leicht zögerlich nach. Ich wusste nicht, ob er die Freundschaft zu der Rothaarigen noch retten wollte oder ob sich diese Geschichte für ihn erledigt hatte, seit sie ihm die Sache mit Hunter verschwiegen hatte. Immerhin war das eigentlich so eine Sache, die man sich zumindest unter besten Freunden mal hätte erzählen können. Ich war mir auch recht sicher damit, dass Richard dennoch kein Wort anderen gegenüber darüber verloren hätte, wenn die Rothaarige ihn inständig darum gebeten hätte. Andererseits war deren Vertrauensverhältnis wohl schon vorher angeknackst gewesen, seit Hunter dem armen Kerl das Gesicht verbrannt hatte - wegen Cosma. Natürlich auch, weil der Dunkelhaarige hier neben mir sich ihm ganz naiv widersetzt und offenbar geglaubt hatte, dass das keine schlimmen Folgen nach sich ziehen würde. Aber auch in dieser Angelegenheit war die junge Frau der Kernpunkt, der das Fass wohl erst derart stark zum Überlaufen gebracht hatte. Zuwider zu handeln war eine Sache, aber die Angebetete da - unbewusst - mit reinzuziehen... sehr heikel. Mir wären sicherlich auch so einige Sicherungen durchgebrannt, wenn irgendwer versucht hätte meine damalige Frau mit in die Mafia zu verwickeln und mit Sydney jetzt war es ähnlich. Sie wollte sich gerne so weit es ging aus den wirklich schwerkriminellen Dingen heraushalten und das hatten alle zu akzeptieren. Wenn sie sich freiwillig für irgendeine Aktion dahingehend meldete, würde ich sie natürlich lassen - sofern es nicht potenziell stark ihre körperliche Unversehrtheit gefährdete -, aber sie ungefragt mit reinziehen? Nein. Da würde ich auf Teufel komm raus selbst Hunter die Stirn bieten. Aus dieser Warte gesehen konnte ich also auch den Amerikaner ein bisschen verstehen, aber er hatte mit der Bestrafung schlichtweg maßlos übertrieben. Wir redeten hier von Richard. Da hätten es auch ein oder zwei Schläge getan, um ihn in die Schranken zu weisen. Er war schließlich nicht blöd - damals in Oslo hatte es bei mir ja auch schon gereicht ihn einmal den Zaun küssen zu lassen, damit er die Grenze verstand.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aha, aha. Es hatte sich also tatsächlich so Einiges getan, während ich vollkommen fertig mit der Welt meinen Rausch in irgendeiner Ecke ausgeschlafen hatte, nur um Minuten später dann schon wieder drauf zu sein. Ich nickte während Sabins Erzählungen immer mal wieder kurz als Zeichen des Verständnis, während ich fortlaufend neben ihm herlief. Auch meine Tasche wanderte kurzerhand in den Einkaufswagen, weil ich es einfach schrecklich lästig fand, wenn die leeren Flaschen mangels ausreichend Gewicht vor den Knien baumelten und man ständig dagegen stieß. Ich überließ Sabin die Steuerung des Einkaufswagens und schob daraufhin beide Hände in die Hosentaschen, während ich ihm nach drinnen folgte. Ein ehrliches, sehr erfreutes Lächeln zierte meine Lippen, als er mir mitteilte, dass Sydney ihm momentan wohl wirklich gut tat. Als Ausgleich diente, wenn er nach einem stressigen Tag voller Arbeit nach Hause zurückkehrte und das freute mich wirklich zu hören. Sabin hatte, auch wenn das in der letzten Zeit ein wenig in den Hintergrund gerückt war, ziemlich viel für mich getan und hatte parallel dazu noch sein Bestes gegeben, den eigenen Arsch über Wasser zu halten. Meiner Meinung nach hatte er sich da ganz einfach einen starken Partner an seiner Seite verdient, in dessen Arme er sich flüchten konnte, um ein wenig zur Ruhe zu kommen. Ich konnte natürlich nicht beurteilen, ob Sydney da jetzt wirklich die richtige Frau für war, aber Sabin schien sich da absolut sicher zu sein. Andernfalls hätte er es sicherlich nicht so deutlich betont. Was Cosmas und Hunters Streitereien anging... na ja, überraschte mich das ehrlich gesagt kein Bisschen. Mir war schon zu dem Zeitpunkt, als ich realisiert hatte, dass Agnolo mir keinen Mist erzählte und die beiden wirklich zu einem Paar geworden waren, klar geworden, dass die ganze Sache zwischen den beiden eher eine Art Symbiose, als eine gesunde Form von Beziehung war. Ich würde schätzen, vielleicht sogar Wetten abschließen, dass es zwischen den beiden noch das ein oder andere Mal ordentlich krachen würde, aber sie doch immer wieder zusammenfinden würden. Auch da spielten die unterschiedlichen Charaktere, ähnlich wie bei Sabin und mir, eine ziemlich große Rolle. Was das anging zuckte ich also bloß ein wenig ratlos, fast schon desinteressiert mit den Schultern. Auch die Sache mit Hunters Russlandsaufenthalt war jetzt nichts, was mich brennend interessierte, aber der Italiener neben mir schien mich einfach durchweg auf den neuesten Stand bringen zu wollen. Das fand ich gut, immerhin war ich nicht weniger neugierig, als vor der Katastrophe mit Agnolo und den Drogen. "Ehrlich gesagt wundert mich bei den beiden irgendwie gar nichts...", stellte ich bezüglich der Beziehung zwischen Hunter und Cosma noch einmal relativ trocken fest, als wir gerade zielstrebig den Pfandautomaten ansteuerten. Kurz davor ließ Sabin den Wagen schließlich zum Halten kommen und ab da fing ich gleich ein weiteres Mal vollkommen ungefragt an, während ich redete die einzelnen Flaschen in das dafür vorgesehene Loch in der Wand verschwinden zu lassen. "Ich geb' dem Ganzen maximal ein halbes Jahr. Wenn Hunter vorher nicht durch...", ich brach mitten im Satz ab, als sich eine ältere, kubanische Dame neben uns einfand, um ebenfalls Herr über ihren Berg an Flaschen zu werden. Also schwieg ich eine ganze Weile, bis sie mit dem Wagen wieder verschwunden und außerhalb der Reichweite war, dieses Gespräch zu verfolgen, ehe ich kopfschüttelnd wieder zum Reden ansetzte. Musste ja nicht jeder mitkriegen, worüber wir uns unterhielten. Am Ende fand man Hunter oder Cosma noch tot im Graben liegen und wir würden in den Kreis der Verdächtigen rücken. Grundlegend wäre es zwar nicht besonders weit hergeholt, dass sowohl Sabin, als auch ich selbst ausreichend Gründe dafür hätten, einen oder gleich beide für immer verschwinden lassen zu wollen, aber es ging hier gerade auch eher um Hinweise durch Zeugen. Wenn die Granni bei den Bullen aussagte, dass zwei junge Männer neben ihr am Pfandautomaten auf den Tod von Menschen gewettet hatten, dann warf das nun mal Fragen auf. "...was ich sagen wollte... Wenn sich Hunter nicht vorher eine Kugel fängt, dann würde ich einen Zwanziger darauf wetten, dass Cosma diejenige sein wird, die seinen Tod zu verantworten hat. Rammt ihm ein Messer in den Rücken oder so...", murmelte ich nachdenklich vor mich hin. Dann warf ich die letzte Flasche ein und ließ den Pfandbon ausspucken, den ich Sabin kurz darauf in die Hand drückte. "Und wenn seitens der Rothaarigen bis dahin nichts passiert ist, dann sperrt Hunter sie vermutlich in ein Auto ein, was er dann in die Luft sprengt. Irgend so eine kranke Scheiße, weißt du, was ich meine?" Das war natürlich eine rein rhetorische Frage. Natürlich wusste er, was ich meinte. Immerhin kannte er Hunter und Cosma inzwischen mindestens genau so gut, wie ich selbst. Letzterer vielleicht nicht, aber immer noch gut genug, um einschätzen zu können, dass ein Ableben der beiden nicht unbedingt ein schöner Anblick sein würde. Um weiterhin bei dem rothaarigen Teufel zu bleiben, erkundigte sich der junge Mann kurze Zeit später noch danach, ob ich künftig vorhatte, mich nebst Tauren auch noch mit meiner besten Freundin auszusprechen und ehrlich gesagt... wusste ich das noch nicht so genau. Ja, eigentlich stand das durchaus als Punkt auf meiner Agenda, war aber weitaus weniger dringend, als beispielsweise die Sache mit dem Norweger zu klären. "Bin mir ehrlich gesagt noch nicht sicher... ich würde schon gerne noch mal mit ihr reden. Hab' mich ihr gegenüber auch nicht besonders vorbildlich verhalten. Beruht zwar auf Gegenseitigkeit, aber... ja.", stellte ich ein wenig vor mich hin gemurmelt fest, während ich neben dem Einkaufswagen herlaufend durch den ersten Gang schlenderte. Dabei kramte ich in meiner Hosentasche nach dem prallen Einkaufszettel, um zu sehen, ob ich aus der Abteilung hier bereits etwas gebrauchen konnte. Aber nein, für mich ging es erst im nächsten Gang los. Jedenfalls gab es da noch einige Differenzen zwischen Cosma und mir, die ich irgendwann schon gerne noch aus dem Weg räumen würde, aber bis dahin sollte sie ruhig noch die ungestörte Zeit mit ihrem Lover genießen, bevor eine Welle voller Fragen über sie zusammenbrechen würde.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Da waren wir zwei uns wohl ebenfalls einig. Ich hielt es für durchaus wahrscheinlich, dass Cosma und Hunter sich gegenseitig zu Grunde richten würden. Selbst ein Blinder mit Krückstock würde merken, dass die beiden eine ziemlich toxische Beziehung führten. Ich konnte nicht beurteilen, inwiefern sie auch gute Momente miteinander hatten, weil ich nicht bei ihnen wohnte und abseits des Geschäfts auch sonst aktuell im Grunde gar nichts mit ihnen zu tun hatte. Selbst dann, wenn ich bei Hunter Zuhause vorbeikam, um mit ihm zu reden, weil er keine Lust hatte sich außerhalb zu treffen, sah ich die Rothaarige wenn, dann nur flüchtig. Ich ging rein, sprach mit dem Amerikaner und machte dann auch schon wieder einen Abgang. Vielleicht fanden die beiden wirklich etwas an sich, das sie sonst mit Niemandem haben konnten, aber gesund konnte das trotzdem nicht sein. Ich hatte bis zu unserem spontanen Besuch in Form einer älteren Dame noch nichts darauf erwidert und wartete auch danach noch geduldig ab, bis Richard gesagt hatte, was er schon vorher hatte veräußern wollen. Und ja, ich konnte durchaus nachvollziehen, was er da sagte. Es war sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis die Beziehung der beiden sehr unschöne Ausmaße haben würde. In welche Richtung genau ließ sich nur eher schwer voraussagen, aber dass Irgendwas passieren würde, war so gut wie sicher. "Ja, ich fürchte da könntest du Recht behalten.", pflichtete ich dem Dunkelhaarigen mit einem leisen Seufzen bei. Als das Pfand beseitigt war kam er auch schon bald auf meine Frage zurück. Er schien sich noch unsicher damit zu sein, ob er eine Versöhnung mit Cosma anstreben wollte oder lieber nicht. Allerdings drängte die Zeit dahingehend ja auch wirklich kein bisschen, weshalb ich lediglich ein bisschen mit den Schultern zuckte. "Eilt ja nicht... Tauren ist sicher auch der einfachere Verhandlungspartner, fang' lieber mit ihm an.", ließ ich Richard mit ein paar leicht sarkastischen Worten wissen, dass er sich darüber ohnehin lieber in Ruhe Gedanken machen sollte. Er brauchte mir auch keine klarere Antwort als jetzt darauf zu geben. Sollte er sich irgendwann dazu bereit fühlen konnte er sich melden und ich unterstützte ihn gerne dabei. Sei es nur mit einem Fahrservice oder gar damit, dass ich mich dazu setzte. Ich war gerne der Ruhepol für andere und außerdem würde ich Cosma ziemlich sicher den Hals umdrehen wollen, wenn sie sich zu viel erlaubte. Sie hatte schließlich genauso Fehler gemacht wie der Engländer, also sollte sie versuchen sich mit ihm auf Augenhöhe zu bewegen, statt wegen irgendwelcher Kleinigkeiten an die Decke zu gehen, was ja leider nur allzu typisch für sie war.
*** le Zeitsprung vong diese... idk, 5 Tage einfach mal XD ***
Statt Tauren nur eine Nachricht zu schreiben hatte ich ihn am Tag nach dem Einkauf mit Richard angerufen. Aus dem ganz einfachen Grund, dass er mich nicht ignorieren konnte, wenn er mich direkt am Hörer hatte, statt nur eine Nachricht auf dem Display zu haben. Wider Erwarten brauchte es auch tatsächlich ein bisschen Überredungskunst und ein etwa viertelstündiges Gespräch, damit er einem Treffen mit dem Kunstfanatiker zustimmte. Er machte sehr klar, dass er keine Lust darauf hatte sich nur wieder irgendeine Scheiße von ihm anhören zu müssen, aber dahingehend konnte ich ihn eben wirklich beruhigen. Richard hatte eindeutige Fortschritte gemacht und sah inzwischen ein, dass er ganz einfach Mist gebaut hatte. Er wollte sich nur entschuldigen und dem Norweger nicht weiter das Leben schwer machen. Das war aus unserem Gespräch klar hervorgegangen und das konnte ich besten Gewissens auch Tauren vor Augen führen, bis er schließlich einlenkte. Ich dankte ihm und sagte noch, dass ich ihm Bescheid geben würde, wenn ich wusste, wann wir vorbeikamen. Der Anruf erfolgte vom Labor aus beziehungsweise knapp außerhalb davon, weil ich ein paar Minuten lang frische Luft schnappen gehen musste, während die aktuelle Charge für den Moment sich selbst überlassen werden konnte, bis der nächste Schrott folgen würde. Nach dem Telefonat verschwand ich dann aber auch bald schon wieder zurück ins Innere. Inzwischen lag der kurzweilige Alltagsausflug von Richard und mir fünf Tage zurück und ich beschloss schon während dem heutigen Frühstück gegen 10 Uhr ihn heute dazwischen zu schieben. Also schickte ich Tauren eine Nachricht - die er bestimmt erst am Mittag gelesen hatte, weil er aktuell ziemlich sicher wieder überwiegend nachts arbeitete - und kündigte mich auch bei Sam und Richard für den späten Nachmittag an. Bis dahin erledigte ich noch einige andere Dinge, die auf meiner To-Do-Liste standen und verbrachte am Mittag auch noch ein paar Minuten mit Sydney, bevor sie zu ihrer Schicht im Cafe am Nachmittag aufbrechen musste. Ich ließ sie wie immer nur eher ungern gehen und verabschiedete sie auch noch an der Haustür. Etwa drei Stunden später setzte ich mich dann ins Auto - heute zwangsweise in den Gebrauchten, weil Hunters Männer schon auf Achse waren, um irgendeine Aktion für die Nacht vorzubereiten - und machte mich auf den Weg zu Richard, um ihn für das Treffen aufzugabeln. Sam schien es mit den neuen Schmerzmitteln und der Salbe schon etwas besser zu gehen, wirkte er doch ganz allgemein ein bisschen weniger schmerzempfindlich, wenn er sich bewegte. Aber lange hielt ich mich in seiner Wohnung gar nicht auf, sondern sammelte im Grunde genommen nur den Engländer ein, um dann gleich weiter zu fahren. Bis zu Taurens etwas abgelegenerer Wohnung waren es knapp zwanzig Minuten, in denen wir beide uns überwiegend anschwiegen. Ich wusste aber auch nicht wirklich, was ich sagen sollte. Richard musste da jetzt eben durch, nachdem er es sich mit dem Norweger verscherzt hatte. Als ich den Wagen schließlich am Straßenrand hielt, weil die richtige Hausnummer erreicht war, stellte ich den Motor ab und sah dann zu dem Dunkelhaarigen auf dem Beifahrersitz. "Gehst du allein rein oder soll ich mitkommen?", fragte ich ihn mit vollkommen ruhiger Stimme danach, was ihm lieber war. Ich wartete auch gern im Wagen, wenn er die Sache lieber gänzlich in die eigene Hand nehmen, sich den Dingen allein stellen wollte. Andererseits war es aber auch kein Problem mitzukommen, wenn er sich dadurch irgendwie sicherer oder wohler fühlte. Ich überließ die Entscheidung also einfach ihm, während ich ihn abwartend ansah.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es waren inzwischen vier Tage vergangen, seitdem ich gemeinsam mit Sabin ein Stück mehr Freiheit ausgekostet hatte und es war, trotz dass wir lediglich Lebensmittel und ein paar Hygieneartikel gekauft hatten, wirklich schön gewesen. Ich unterhielt mich einfach wahnsinnig gerne mit dem Italiener, da spielten die restlichen Umstände eigentlich kaum noch eine Rolle. Vor allem dann nicht, wenn Sabin selbst gute Laune hatte. Momentan war das vielleicht etwas seltener, weil der junge Mann ziemlich unter Strom stand, aber ich würde mich wohl nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen, würde ich behaupten, dass seine Laune sich zumindest gen Ende der Unternehmung deutlich gebessert hatte. Zwar beschränkten sich die darauffolgenden Tage nach dem Ausflug dann eher wieder darauf, den Haushalt zu schmeißen und mich auch sonst ausschließlich in der Wohnung aufzuhalten, weil Treppen steigen auch mit dem neuen Schmerzmittel einfach noch eine Zumutung für meinen Mitbewohner mit dem kaputten Fuß war, aber das machte mir nichts aus. Ich vertraute Sabin insoweit, als dass er mich nicht belügen und früher oder später etwas mit mir unternehmen würde. Und am heutigen Tag sollte es endlich so weit sein. Seit ich mir mein Hirn nicht mehr regelmäßig mit irgendeinem synthetischen Mist wegballerte, empfand ich nämlich wieder so etwas wie Hoffnung und sollte dahingehend auch nicht enttäuscht werden. Sabin hatte mich am Tag nach dem gemeinsamen Einkaufen darüber in Kenntnis gesetzt, dass sich Tauren dazu bereit erklärt hatte, mich in Empfang zu nehmen, wann immer der Italiener und ich Zeit finden konnten und als sich mein Freund schließlich für den späten Nachmittag ankündigte, um mich bei dem Norweger abzusetzen, rutschte mir förmlich das Herz in die Hose. Den ganzen gottverdammten Tag hatte ich wohl nicht eine einzige Minute lang still sitzen können, sondern mir ständig den Kopf darüber zerbrochen, was ich Tauren jetzt eigentlich alles sagen wollte und wie ich die Worte am besten verpackte. Normalerweise hatte ich mit letzterem eigentlich keine besonders großen Probleme, aber nur, weil ich inzwischen wieder zum Scherzen aufgelegt war, hieß das noch lange nicht, dass ich vollumfänglich der Alte war. Gerade ernstere Konversationen, bei denen es vor allem auch noch um etwas ging - in dem Fall um die Freundschaft zu dem Norweger -, fehlte es mir doch an einem angemessenen Vokabular. Außerdem wusste ich gar nicht, wo ich eigentlich anfangen sollte, zu erzählen. Es gab unendlich viel, für das ich mich bei dem jungen Mann definitiv entschuldigen müsste... ob da ein Treffen überhaupt ausreichte? Blieb abzuwarten. Jedenfalls räumte ich gerade die Töpfe und Pfannen, die durch die Vorbereitung des Abendessens in Mitleidenschaft gezogen worden waren, in die Spüle und ließ den angebratenen Inhalt einweichen, als es auch schon an der Tür klingelte. Neben dem Becken hatte ich einen - meinen - Teller voller Essen stehen gehabt und zwang mich jetzt, wie ich den letzten Tagen bereits auch, zumindest ein paar Gabeln davon zu mir zu nehmen. Ich hatte mich um Reis, Fisch und Gemüse für meinen Mitbewohner bemüht, doch selbst bis jetzt nichts davon angefasst. Weil ich aber in den letzten Tagen vermehrt darauf achtete, zumindest drei - wenn auch nicht besonders große - Mahlzeiten zu mir zu nehmen, musste der Mist jetzt auch weg. In die Tonne schmeißen tat ich es bestimmt nicht, aber streng genommen könnte ich von dem, was da auf dem Teller lag, sicherlich drei Tage speisen. Ich zwang mich jedoch ungeachtet des kaum vorhandenen Hungers, mindestens die Hälfte davon zu essen. Den Rest stellte ich für später in den Kühlschrank. Faktisch war es einfach so, dass ich mich auch einfach ein Stück weit besser fühlte, wenn ich gegessen hatte, was rein logisch gesehen natürlich auch vollkommen Sinn machte. Woher sollte der Körper bitte die Energie nehmen, gute Laune und den Willen zu leben zu produzieren, wenn er kaum Reserven hatte, um die lebensnotwendigen Organe zu versorgen? War eben noch so ein Grund, warum ich mir zwischendurch ein Schokoriegel, mal eine Banane oder ein Toast zwischen die Kiemen schob, obwohl ich von einem knurrenden Magen noch sehr weit weg war. Ich hielt den Teller mitsamt der Gabel noch in der Hand, als ich Sabin die Tür aufmachte und entschuldigte mich für einen kurzen Moment, um die Reste abzudecken, sie in den Kühlschrank zu stellen und dann noch die Gabel in die Spülmaschine wandern zu lassen. Dann schnappte ich mir auch schon mein Handy - das Portemonnaie war immer noch nicht aufgetaucht -, und von mir aus konnte es losgehen. Ich konnte zwar nicht behaupten, dass ich für das Treffen wirklich bereit war, aber jetzt noch einen Rückzieher zu machen war vollkommen ausgeschlossen. Ich verabschiedete mich also noch flüchtig bei meinem Mitbewohner, bevor ich Sabin zum Wagen folgte und mich von ihm zu Taurens recht abgelegenen Eigenheim fahren ließ. Mir schlug das Herz bis zum Hals, als der junge Mann den Motor abstellte und ich blieb bestimmt noch an die fünf Minuten im Wagen sitzen, ehe ich mich mit einem leisen Seufzen dazu durchrang, die Beifahrertür aufzustoßen und auszusteigen. Dabei erreichte mich noch eine Frage seitens des Italieners, für die ich einen Augenblick brauchte, um sie zu beantworten, weil mir etliche Gedanken doch momentan förmlich durch den Kopf rauschten. Schließlich nickte ich aber leicht und bat ihn mit einem "Komm' bitte mit." seinen aktuellen Posten zu verlassen und mir zumindest bis zur Haustür zu folgen. Ich wusste einfach nicht, was mich erwartete. Wusste nicht, ob er alleine war, wie Tauren drauf war, wie er reagieren würde, wenn er mich sah... ich wusste schlichtweg einfach eine Menge Nichts. Und ich würde mich kaum zu verteidigen wissen, wenn wider Erwarten böse Worte seitens des Norwegers fielen. Zwar schätzte ich Tauren als alt genug ein, dass er ein Gespräch sachlich führen konnte, aber im Eifer des Gefechts, wenn einem dann auch noch die Emotionen übermannten... da war einem schon mal der ein oder andere blöde Spruch über die Lippen gekommen und mit dem Italiener im Rücken fühlte ich mich da gleich ein Stück wohler. Ich wartete also noch, bis Sabin zu mir aufgeschlossen hatte, nur um darauffolgend die Haustür anzusteuern. Meine Hand zitterte, als ich die Klingel drückte und ab jetzt war definitiv alles zu spät. Jetzt musste ich da durch, ob ich wollte oder nicht... Es dauerte erst einmal eine kleine Weile, bis sich Regung vernehmen ließ und mir schlug das Herz sekündlich schneller bis zum Hals. Kurzzeitig bildete ich mir sogar ein, dass es einfach stehengeblieben war, als sich die Tür endlich öffnete und Tauren mir gegenüber stand. Er sah zweifelsfrei gut aus wie immer - auch wenn Blondinen eher weniger mein Fall waren -, aber etwas müde. Schien wohl wieder zu arbeiten oder schlief in der letzten Zeit verdammt beschissen. Vielleicht aber auch einfach beides. "Ich... eh... Hi.", stammelte ich etwas wirsch eine knappe Begrüßung in seine Richtung und wusste schon jetzt nicht mehr so richtig, wohin eigentlich mit mir. "Schön... dich zu sehen.", ließ ich anschließend noch von mir hören, wobei das aktuell wohl weniger auf Gegenseitigkeit beruhen dürfte. Wirklich verdenken konnte ich es dem Norweger allerdings nicht. Schließlich hatte ich ihm echt übel mitgespielt und könnte absolut nachvollziehen, wenn er meine Entschuldigung, die ich hoffentlich irgendwann im Verlauf des Nachmittags noch auf die Reihe bekommen würde, schlichtweg nicht annehmen wollte. Es würde mich zwar verdammt traurig machen, weil wir uns bis zu meinem Drogenexzess eigentlich immer ganz gut verstanden hatten, aber dann war das nun mal so. Immerhin schrie mein Gewissen dann nicht mehr allzu laut, denn ich hatte es schließlich versucht, um Verzeihung zu bitten.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Richard ließ sich wieder einen Augenblick mit der Antwort Zeit, was aktuell ziemlich häufig vorkam. Dass ich zumindest in Anwesenheit des Dunkelhaarigen mittlerweile wieder ein bisschen das Gefühl hatte abschalten zu können, statt mir ununterbrochen Sorgen um seine - und damit auch meine - weitere Existenz machen zu müssen, trug aber maßgeblich dazu bei, mich recht geduldig auf die Antwort warten zu lassen. Es schien ihm letztendlich auch besser damit zu gehen, wenn ich er mich während des Gesprächs sinnbildlich noch mit im Rücken stehen hatte. Vielleicht war es auch ganz gut, wenn ich mitkam, weil der Norweger sich dann womöglich eher überlegen würde, was er veräußerte und was nicht. Natürlich hatte er jedes Recht dazu sauer auf Richard zu sein, aber wenn er es irgendwie damit übertreiben würde mit Anschuldigungen um sich zu schmeißen, dann wäre einschreiten sicher ganz gut. Zwar sollte der Engländer sich den Problemen, die er selbst verursacht hatte, natürlich dennoch stellen, aber er konnte nun mal auch nicht mehr tun als sich dafür zu entschuldigen. Wenn Tauren schon bereit dazu war sich seine Worte anzuhören, dann sollte er auch offen dafür sein und sie nicht nur an irgendeinem Schild abprallen lassen, indem er Richard unschöne Dinge an den Kopf schmiss. Gar nicht darauf achtete, wie ernst es dem Kunstliebhaber mit der Aktion hier war. Zwar wusste ich, dass es Tauren irgendwie ziemlich mitgenommen hatte mit einem drogenverseuchten Richard unter einem Dach zu wohnen, aber das lag inzwischen Monate zurück. Ich hoffte also, dass er was das anbelangte einen recht kühlen Kopf haben würde, wo er doch eigentlich wirklich nicht die Kategorie Mensch war, die schnell an die Decke ging oder anderen endlos lange böse war. "Ist gut.", ließ ich noch ein paar knappe Worte mit einem Nicken von mir hören und tat es dem jungen Mann dann gleich. Kaum war ich ausgestiegen riegelte ich den Wagen noch ab und schloss zu Richard auf, um ihm zur Haustür zu folgen. Er schien sichtlich nervös und das war ihm kaum zu verdenken. Es dauerte nur einen kleinen Augenblick, bis Tauren uns schließlich die Tür aufmachte, nachdem der Engländer geklingelt hatte. Ich musterte ihn einen Moment lang, während der Dunkelhaarige ihn begrüßte und stellte gleich von vornherein fest, dass er angespannter wirkte als sonst. Zu sagen der Norweger wäre durchweg eine Frohnatur wäre vielleicht übertrieben, wenn man bedachte, dass er nachts beim Arbeiten ganz anders tickte als tagsüber im normalen Leben, aber er war eigentlich ein wirklich umgänglicher Zeitgenosse. Als sein Blick jetzt auf Richard fiel wirkte er in jedem Fall noch ziemlich wenig begeistert davon. Er strahlte zwar dennoch nicht so eine grundsätzliche Negativität aus, wie das bei vielen anderen von Hunters Männern der Fall war, aber für seine Verhältnisse wirkte er schon relativ schlecht gelaunt. Deshalb beschloss ich auch noch in diesem Moment nach einer knappen Begrüßung an ihn wirklich lieber mit hochzugehen, um im Ernstfall etwas Schadensbegrenzung zu betreiben.
Ob ich Lust dazu hatte mich mit Richard zu treffen? Nicht mal ein bisschen. Das dürfte ich schon bei dem etwas längeren Telefonat mit Sabin ziemlich deutlich gemacht haben und hätte der Italiener nicht noch einmal ausdrücklich betont, dass es wichtig für die weitere Therapie des Engländers sein konnte, zumindest mit diesem Konflikt abzuschließen, hätte ich trotz allem vermutlich abgelehnt. Ich nahm es ihm noch immer übel, dass er so viel von meiner Vergangenheit wieder zurück an die Oberfläche geholt hatte und ich wochenlang absolut beschissen geschlafen hatte, weil dieser ganze Scheiß wieder in mir hochkam. Natürlich hatte ich die Sache mit meinem Vater eigentlich schon lange hinter mir gelassen und sie auch bis zu einem gewissen Grad verarbeiten können, aber das war wohl einfach mein Kryptonit. Ich konnte es nicht ab, wenn Jemand Drogen überkonsumierte und damit andere Leute mit in den Dreck zog - in diesem Fall auch noch mich selbst. Für mich gab es dafür auch einfach nicht mehr als lasche Ausreden. Jeder war selbst dafür verantwortlich, wenn er sich das Hirn mit etwaigen Substanzen betäubte. Natürlich hatte das in diesem Fall triftige Gründe und ich selbst wusste wohl mit am besten, wie skrupellos die Italiener mit ihren Gefangenen umgingen, aber in meinen Augen war es eben dennoch Richards Schuld, dass er sein gesamtes Umfeld daran hatte teilhaben lassen. Ich wäre ja gleich zu Anfang ausgezogen, aber das war ein bisschen schwierig, wenn man selbst noch verletzt in der Ecke herumlag und Krücken brauchte, um überhaupt halbwegs brauchbar vorwärts zu kommen. Auch Vahagn war da noch bei uns gewesen und genauso wenig fähig gewesen, sich um sich selbst zu kümmern. Dann hatte die Arbeit wieder angefangen und außerdem hätte ich mich bis zu einem gewissen Grad auch schlecht damit gefühlt den Engländer einfach sich selbst zu überlassen. Vielleicht hatten mich alle seine Wutausbrüche und sein Drogenkonsum fertig gemacht, aber wer wusste schon was passiert wäre, wenn er ganz allein in seinem Haus zurückgeblieben wäre? Ich hätte es mir sehr sicher mein ganzes Leben lang vorgehalten, wenn er sich tatsächlich eine Überdosis gesetzt hätte und ich nicht mehr anwesend gewesen wäre. Ich seinen endgültigen Abgang potenziell hätte aufhalten können, wenn ich geblieben wäre. Es hatte mir wirklich gereicht meine Mutter damals an der Decke baumelnd vorzufinden, ich wollte nicht auch noch Richard bergen müssen. Jemanden tot aufzufinden, zu dem man bis zu einem gewissen Grad eine zwischenmenschliche Beziehung hatte, war etwas ganz anderes, als Jemanden umzulegen oder in Säure aufzulösen, der einem so absolut gar nichts bedeutete. Jedenfalls hatte ich still und heimlich nach Sabins Ankündigung für den heutigen Nachmittag darauf gehofft, dass Richard es sich einfach noch anders überlegte und einen Rückzieher machte. Tat er aber nicht, weil mir letztlich das Klingeln aus dem Flur an die Ohren drang und das rief automatisch ein genervtes Seufzen meinerseits hervor. Ich saß noch mit Vahagn auf dem Sofa und wollte da eigentlich jetzt auch nicht weg. Ich war erst seit ungefähr zwei Stunden wach - was gestern sehr spät geworden - und fühlte mich eigentlich weder mental, noch körperlich gerade dazu bereit, mich von meiner Freundin zu lösen. Es lief wirklich gut zwischen uns und es wunderte mich selbst ein bisschen, dass wir innerhalb der letzten beiden Wochen noch keinen Grund zu streiten gefunden hatten. Wir schienen wohl beide einfach die gemeinsame Zeit zu genießen und die Russin wohnte aktuell wohl auch so halb bei mir. Natürlich ging sie immer mal wieder nach Hause, aber durch meine gefühlt täglich leicht variierenden Arbeitszeiten - der viel zu kurze Urlaub war inzwischen längst vorbei - war es einfacher sich zu sehen, wenn sie einfach einen großen Teil ihrer Zeit bei mir fristete und ich nicht stattdessen ständig zu ihr fahren musste. Das hätte ich zwar auch gemacht, wenn ihr das lieber gewesen wäre, aber so war es aktuell wohl schlichtweg für uns beide bequemer. Außerdem bot das auch viel mehr Möglichkeiten für spontanen Sex und der war ohne jeden Zweifel einfach nur gut. Aber wie auch immer. Mein Leben lief grade ziemlich gut, auch was die Arbeit anbelangte - Hunter schien tatsächlich wesentlich mehr Vertrauen in mich zu setzen und gab mir deutlich wichtigere Aufgaben als vor seiner Russlandreise - und jetzt kam halt Richard, um mir die Laune zu vermiesen. Nachdem ich mich von Vahagn gelöst hatte ging ich relativ zügig durch den Flur und nach unten zur Haustür, damit ich die Sache einfach möglichst schnell hinter mich bringen konnte. Also zog ich die Tür etwas angespannt auf und das erste, was mir auffiel, war, dass der Engländer noch immer ziemlich mager war. Allerdings wiederum nicht mehr so blass und auch sonst nicht mehr so verunstaltet, wenn ich an seine blau angelaufenen Arme zurückdachte. Er sah also eigentlich schon besser aus, aber gut noch immer nicht. Meine Begrüßung fiel mit einem knappen "Kommt rein." für meine Verhältnisse ziemlich kühl aus und nachdem mein Blick Sabins gestreift hatte, drehte ich mich auch schon um und ging die Treppe wieder zurück nach oben. Eigentlich war es nicht verwunderlich, dass der Italiener mit von der Partie war, aber mir wäre es wohl trotzdem lieber gewesen, wenn er uns diese Sache allein hätte klären lassen. Es ging ihn nun mal eigentlich nichts an, aber was soll's. Ich betrat den Flur wieder und bat die beiden ins Wohnzimmer zu gehen - der Küchentisch war für eine Intervention mit so vielen Leuten schlicht zu klein, da konnte man schon froh sein, wenn man zu zweit gerade so genug Platz dran hatte -, ehe ich die Tür hinter ihnen zumachte. Dann folgte ich ihnen in besagten Raum und ließ mich nach einer Handbewegung, die ihnen bedeutete sich zu setzen, erneut direkt neben Vahagn aufs Sitzpolster sinken. Es folgte noch eine kurze, allgemeine Begrüßung im Raum und dann lagen meine Augen unentwegt auf Richards Gesicht. "Ich höre..?", forderte ich ihn zwar mit recht ruhigen, aber weiterhin eher kargen Worten dazu auf anzufangen. Im Grunde hatte ich zwar bis ich heute Abend wieder los musste Zeit, aber ich wollte mich mit dem Ganzen nicht länger aufhalten als notwendig.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Alleine Taurens erste Reaktion auf meine knappe Begrüßung ließ mich daran zweifeln, dass wir mit dem Gespräch hier und heute irgendwie auf einen grünen Zweig kommen würden. Dennoch setzte ich wirklich alles daran, die negativen Gedanken vorerst aus meinem Oberstübchen zu verbannen, weil eine durchweg schlechte Erwartungshaltung mir in dem Fall absolut nichts brachte. Ich würde einfach mein Bestes geben und die Entschuldigung so ausführlich und ehrlich, wie mir nur irgendwie möglich war, gestalten. Mehr konnte ich sowieso nicht tun. Auf die Aufforderung des jungen Mannes, das Innere des Hauses zu betreten, nickte ich nur kurz und folgte Tauren kurz darauf bereits die Treppenstufen nach oben. Dass sich dabei jeder Schritt so anfühlte, als würden die Dielen mir gleich unter den Füßen weggezogen werden, musste ich sicher nicht extra noch mal erwähnen. Ich fühlte mich gerade einfach nicht besonders wohl und war daher gleich doppelt froh, Sabin als eine Art Backup hinter mir zu haben. Als wir die Wohnung des Norwegers betreten hatten, ließ ich meinen Blick kurzzeitig schweifen, einfach der Orientierung wegen, bis wir schließlich ins Wohnzimmer gebeten wurden. Dort wartete Jemand, den ich heute am liebsten nicht gesehen hätte, aber ich befand mich wohl am allerwenigsten in der Position, jetzt auch noch Ansprüche zu stellen. Ich konnte vermutlich froh darüber sein, dass Tauren sich überhaupt dazu hatte bewegen lassen, mir sein Gehör zu schenken. Ich begrüßte die Russin daher ebenfalls mit einem knappen "Hi." und rang mir parallel dazu ein eher halbherziges Lächeln ab. Anders als ihr Freund erwiderte sie diese Begrüßung sogar wörtlich und klang ausnahmsweise mal nicht so, als wäre sie drauf und dran, irgendwem den Kopf abschlagen zu wollen, was mich zumindest kurzzeitig ein wenig beruhigte. Solange Vahagn sich nicht in die Unterhaltung einmischen würde, wäre es mir vermutlich egal, ob sie da war oder nicht. Zwar gefiel mir das zusätzliche Augenpaar, das nunmehr auf mir ruhte keinesfalls, aber wenn ich erst einmal angefangen hatte, mich mit der Formulierung der Entschuldigung zu befassen, würde das Gefühl, beobachtet zu werden, vermutlich ohnehin nachlassen, weil ich mich schlichtweg darauf konzentrieren musste, auch ja nichts außen vor zu lassen. Von den treffenden Worten mal ganz zu schweigen. Der Norweger schien mit alledem auch gar nicht lange warten zu wollen und forderte mich quasi im nächsten Atemzug dazu auf, endlich mit der Sprache heraus zu rücken, was mich ihn, dann Vahagn und letztlich auch Sabin ein wenig verunsichert ansehen ließ. Ich hatte darauf verzichtet, mich hinzusetzen, denn vermutlich würde ich nur unruhig auf meinen vier Buchstaben hin und her rutschen, weshalb ich wohl als Einziger ein wenig verloren im Raum stehen geblieben war. Ich nestelte nervös mit meinen Fingern am unteren Saum meines Shirts, als ich nach einer schier unendlich langen Zeit dazu ansetzte, endlich auf den Punkt zu bringen, wie falsch ich mich gegenüber dem jungen Mann eigentlich verhalten hatte. "Ich... weiß gar nicht, wo ich anfangen soll... Es tut mir einfach schrecklich leid, dass ich so ein Ekel zu dir war, Tauren und ich weiß, dass sich das nur schwer bis gar nicht wieder gutmachen lässt. Dennoch war es mir wichtig, mich bei dir zu entschuldigen, weil mir inzwischen klargeworden ist, wie falsch ich mich verhalten habe.", murmelte ich anfänglich noch ein wenig unsicher vor mich hin, fand auch überhaupt nicht den Mut, den Norweger beim Reden anzusehen, sondern starrte geradewegs auf den Boden zu meinen Füßen. Ob ich jetzt auch noch aufzählen sollte, worin ich meine Fehler gesehen hatte? Würde ich absolut nichts auslassen, dürfte das ziemlich sicher jeden erdenklichen Zeitrahmen sprengen, aber zumindest ein paar Dinge, mit denen ich wirklich negativ aufgefallen war, sollte ich eventuell konkretisieren. "Ich meine... am meisten tut mir wohl leid, dass du derjenige warst, an dem ich meinen Frust und den Hass auf die ganze Welt ausgelassen habe. Und auch, dass ich... dich einfach scheiße behandelt habe, obwohl du mir nur helfen wolltest...", redete ich weiter und sah wohl zum ersten Mal, seitdem wir die Wohnung betreten hatten direkt in seine Richtung, suchte ein wenig verunsichert seinen Blick mit dem meinen und unterstrich die Aussage zudem noch mit einem schwachen Schulterzucken. Ich wusste, dass es da noch so viel mehr gab, mit dem ich ihm zugesetzt hatte, aber wenn ich so darüber nachdachte, dann waren eben genannten Punkte wohl schlichtweg am stärksten gewichtet, weil sie doch mit am häufigsten vorgekommen waren. Mein ehemaliger Mitbewohner hatte nicht selten die Hand ausgestreckt, um mir helfen zu wollen, aus dem Drogensumpf heraus zu kommen und ich hatte jedes Mal wieder nicht mehr getan, als ihm vor die Füße zu spucken. Außerdem hatte er wirklich oft, wenn ich wirklich jeglichen Bezug zur Realität verloren hatte, als eine Art Punchingball herhalten müssen, wenn ich mal wieder über Agnolo, dem Rest des Suicide Squads und der ganzen Welt geschimpft hatte. Ziemlich häufig hatte er dabei selber ein paar unschöne Worte an den Kopf geknallt bekommen und im Nachhinein... fühlte ich mich schrecklich mies. Tauren war wohl mit einer der Menschen, die noch ein wirklich reines Herz hatten. Für den Freundschaft und Nächstenliebe noch Begriffe waren, nach denen es sich zu leben und zu streben lohnte, aber ich... hatte mich einfach mit dem Arsch darauf gesetzt.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Einsicht war der erste Weg zur Besserung, oder wie war das noch gleich? Ich hielt Richard die ganze Zeit über im Blick, auch wenn er selbst lediglich den Boden oder seine Füße anstarrte, solange er im Begriff war sich bei mir zu entschuldigen. Jedem seiner Worte schenkte ich aufmerksam mein Gehör und auch, als er damit fertig zu sein schien, sah ich ihn noch einen Augenblick lang wortlos an. Musterte seinen Blick, um daraus zu lesen, ob er das alles denn wirklich zu einhundert Prozent ernst meinte und die Entschuldigung nicht nur auf die Bitte Sabins hin vortrug. Allerdings war ihm tatsächlich recht eindeutig anzusehen, wie unangenehm ihm das alles war und dass er sich schämte für das, was er getan hatte - war auch gut so. Alles andere wäre für mich vollkommen indiskutabel und dann hätte er auch sofort wieder aus meiner Wohnung verschwinden können. Sollte er sich ruhig scheiße deswegen fühlen, war schließlich nicht weniger als absolut angebracht. Ich schwieg sicherlich für gut eine Minute und dachte darüber nach, was genau ich jetzt eigentlich sagen wollte. War ich denn überhaupt bereit dazu dem Engländer seine Aktionen zu verzeihen? Normalerweise tat ich mir nicht besonders schwer damit Jemandem seine Fehltritte zu vergeben, aber das hier war für mich schlichtweg eine relativ persönliche Sache. Das ging tiefer als eine simple Beleidigung, die mir an den Kopf geschmissen wurde oder ein Schlag ins Gesicht, der nur aus einer hitzigen Situation resultierte. Natürlich konnte Richard das nur bedingt bis gar nicht wissen. Woher auch? War nicht so, als würde ich meine Vergangenheit jedem, den ich neu kennenlernte, sofort auf dem Silbertablett servieren. Aber Unwissenheit schützte nun mal nicht vor Strafe. Es hatte schon so seine Gründe, weshalb man andere Menschen - wenn man halt nicht grade Hunter war und sich leider Gottes so gut wie alles erlauben konnte - mit Respekt behandeln sollte. So, wie man sich das auch von anderen erwartete, weil man nie wissen konnte auf welcher Ebene man den jeweils anderen mit unüberlegten Worten verletzte. Der Dunkelhaarige hatte mich schlichtweg auf mehr Ebenen getroffen, als ihm überhaupt bewusst sein konnte. Ich seufzte schwer, weil ich nicht so recht wusste, wie ich jetzt reagieren sollte und richtete mich etwas mehr auf. Stützte mich mit den Ellbogen nach vorne auf die Knie und sah einen Moment lang auf meine Finger runter, als ich die Handinnenflächen aneinander rieb. Dann hob ich den Blick wieder in den des Engländers an. "Weißt du, Richard... es ist nicht so, als würde ich dir nicht verzeihen wollen. Ich bin weder ein besonders nachtragender Mensch, noch mag ich's im Streit auseinander zu gehen... aber scheiße ist echt kein Wort mehr für das, was du dir geleistet hast. Dass du meine Hilfe nicht wolltest - okay, damit kann ich umgehen, gar kein Problem. Aber du hast mir das Leben wochenlang zur Hölle gemacht und dich einen Scheiß dafür interessiert, was du damit anrichtest. Du hast mich so weit getrieben, dass ich mir für einen Moment lang echt gewünscht habe, ich hätte mich nicht mehr an das Hotel erinnern können, damit Hunter dich gar nicht erst noch vom Boden hätte kratzen können... und dafür braucht's bei mir echt verdammt viel.", versuchte ich dem jungen Mann mit jeglichen möglichen Mitteln zu verdeutlichen, was für einer Art von Tortur er mich mit seinem exzessiven Drogenkonsum ausgesetzt hatte. Meine Stimme war relativ ruhig, aber es schwang unweigerlich ein leiser, verärgerter Unterton mit. Ich konnte schlichtweg nicht verbergen, wie sehr ich mich über ihn geärgert und was er für einen Frust in mir ausgelöst hatte. Nicht selten war ich förmlich aus dem Haus geflüchtet und für ein paar Stunden verschwunden, um ihm aus dem Weg zu gehen, bis die akut schlimme Phase wahrscheinlich wieder vorbei war. Natürlich war der Gedanke daran, dass er einfach im Hotel bei den Italienern hätte verrecken sollen, nur ein sehr flüchtiger gewesen und ich hatte daraufhin auch recht bald den Kopf geschüttelt, weil ich so wirklich nicht denken wollte. Ich hatte ihm den Tod nicht wirklich wünschen wollen, aber er hatte ganz einfach dafür gesagt, dass sich unfassbar viele schreckliche Erinnerungen und Emotionen in mir angestaut hatten, die dann irgendwann darin resultiert waren, dass ich ihn nur noch hatte loswerden wollen. Das war nicht nett, aber es war die Wahrheit und die sollte er ruhig wissen. "Klar, ich hätte einfach gehen können, ist ja schließlich dein Haus und es hätte mich wahrscheinlich Niemand daran gehindert... aber ich hätte nicht damit leben können, wenn Sabin dich irgendwann tot eingesammelt hätte, also bin ich geblieben. Einfach nur um alle paar Stunden danach zu sehen, ob du wenigstens noch atmest. Und was hab ich dafür gekriegt?", hängte ich noch ein paar mehr Worte an, ergänzte ganz am Ende eine eigentlich vollkommen überflüssige, rhetorische, zynische Frage. Vielleicht war es nicht besonders nett ihm all diese Worte jetzt ungeschönt an den Kopf zu schmeißen, aber es musste ganz einfach mal raus. Mich hatte diese ganze Sache auch nach meinem Auszug aus dem Höllenhaus noch eine Weile lang beschäftigt und es war nur fair, wenn der Dunkelhaarige das jetzt auch indirekt zu hören bekam. Außerdem fühlte ich mich jetzt, wo das alles mal raus war, tatsächlich auch ein wenig besser was diese ganze Geschichte anging. Zwar wirbelte das Gespräch natürlich auch die Erinnerungen daran wieder auf, aber das hier war wohl auch für mich wichtig, um diese Sache ein Stück weit besser verarbeiten zu können. Bloße Verdrängung war nämlich eher der schlechteste Weg, um mit etwas fertig zu werden.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Normalerweise war ich eigentlich ein recht geduldiger Mensch. Konnte gut damit umgehen, wenn jemand ein bisschen mehr Zeit brauchte, um auf eine Frage zu antworten oder wie im aktuellen Beispiel einfach nicht so recht zu wissen schien, ob und was er zu einer bestimmten Thematik, einem Problem denn eigentlich sagen wollte. Nur aktuell ließ es mein Herz wieder sekündlich schneller schlagen und ich wünschte mir zunehmend mehr, dass sich unter meinen Füßen einfach ein Loch auftun würde, durch das ich verschwinden konnte. Man sah mir vermutlich auch ziemlich deutlich an, dass ich immer unruhiger wurde, je länger Tauren mich in der Schwebe hängen ließ, weil ich irgendwann damit anfing, auf den Füßen auf und ab zu wippen. Und als der Norweger letztlich zum Reden ansetzte, blieb mir das Herz wie bereits an der Haustür auch schon beinahe stehen. Allerdings hätte es mich jetzt vermutlich noch nicht einmal gestört, wenn es denn so gewesen wäre, denn das, was Tauren letztlich für mich übrig hat, war schon ziemlich schwere Kost. Ich konnte verstehen, dass er sauer war und er hatte auch jedes erdenkliche Recht dazu, wenn man mich fragte, aber musste er mir das unbedingt auf diesem Wege auch noch einmal verdeutlichen? Ich wusste doch, wie sehr er gelitten hatte, es bedurfte da meines Erachtens nach keinerlei ausführlichen Erklärung, wie sehr ich ihn im Endeffekt verletzt hatte. So genau wollte ich es nämlich überhaupt nicht wissen. Das hatte jedoch weniger damit zutun, dass ich ignorant war und ihm hier nur etwas vorspielen wollte, sondern damit, dass ich schon jetzt nicht mehr wusste, wie ich mit meinem schlechten Gewissen am besten umging. Wenn Tauren mir nun auch noch auf diese Art und Weise unter Nase rieb, was ich alles falsch gemacht hatte, dann machte es das Ganze nicht gerade leichter. Aber ich hatte es wohl schlichtweg nicht anders verdient, als mir nun auch den Ärger des Norwegers anzuhören, nachdem er wochenlang unter meinem gelitten hatte. Nichtsdestotrotz wurde ich mit jedem seiner Worte wohl ein Stückchen kleiner und wandte zwischendrin auch den Blick wieder in Richtung Boden ab, weil ich den seinen einfach nicht mehr standhalten konnte. Und als ich dachte, dass es kaum mehr schlimmer werden könnte, ließ der junge Mann die Hotel-Bombe platzen, die mir sofort und ohne, dass ich etwas dagegen hätte unternehmen können, das Wasser in die Augen trieb. Zwar ließen sich die Tränen noch einigermaßen passabel zurückhalten, aber der Kloß im Hals schnürte mir kurzum die Luft ab. Wenn ich jetzt versucht hätte, noch ein Wort von mir zu geben, dann hätte ich womöglich Rotz und Wasser geheult, weil ich mich nicht gleichzeitig aufs Atmen, die Tränen zurückhalten und aufs Sprechen konzentrieren konnte. Deshalb schloss ich die Augen für einen Moment, um mich zu sammeln. Versuchte, mir immer wieder einzureden, dass er das gar nicht so meinte, aber so richtig funktionieren tat das nicht. Es schwang nämlich kein ironischer oder belustigter Unterton mit, außerdem lachte Tauren nicht und es zierte auch kein Grinsen seine Lippen... er hatte das vollkommen ernst gemeint. Ob der Mist, den ich gebaut hatte, wirklich ein solches Denken rechtfertigte? Ja, schon... schließlich hatte ich Sabin, Syd und einen Haufen von Hunters Schlägern in den letzten Wochen aus weniger triftigen Gründen gedanklich ebenfalls zum Teufel gejagt, aber es traf mich trotzdem. Da konnte auch das Addendum, er wäre nur bei mir geblieben, um ein Auge auf mich zu haben, damit er sich später nicht meinen Tod vorwerfen musste, absolut nichts dran rütteln. Es zogen sicher ein paar Minuten ins Land, in denen ich etwas verloren einfach nur Löcher in den Boden gestarrt hatte, während ich mir überlegte, was ich jetzt eigentlich noch sagen wollte. Machte es überhaupt Sinn, jetzt noch irgendetwas zu sagen? Tauren hatte seinen Standpunkt ziemlich klar gemacht und ich würde einen Teufel tun, das Gesagte in Frage zu stellen. Schließlich hatte er mit all den Vorwürfen absolut ins Schwarze getroffen und dessen war ich mir auch bewusst. Hieß nur eben noch lange nicht, dass mir das auch gefiel, aber darum ging es jetzt ja auch überhaupt nicht. ´"Tja, ich schätze... dann ist wohl alles gesagt.", stellte ich irgendwann nach schier unendlich langer Zeit mit leiser und hörbar zittriger Stimme fest. Hob dabei auch endlich meinen Blick wieder an und zuckte ein weiteres Mal mit den schmalen Schultern. Ich hatte jetzt hin und her überlegt, aber alles, was mir noch durch den Kopf geschossen war, hätte die Situation im Zweifelsfall nur noch schlimmer gemacht. Also entschied ich für mich dafür, das es besser war, einfach gar nichts mehr zu sagen und die Sache so stehen zu lassen. Mich nicht weiter darauf einzulassen, ihn auch noch in all den schlimmen Dingen zu bestätigen, die ich ihm angetan habe. Schließlich hatte ich das bereits getan, als ich zu meiner Entschuldigung angesetzt hatte und über was hätte ich noch groß mit ihm reden sollen? Hätte ich mich in Ausreden flüchten oder doppelt und dreifach um Verzeihung bitten sollen? Nein. Ich war mir sicher, dass das schon beim ersten Mal angekommen war. Der junge Mann mochte vielleicht den ein oder anderen Defizit haben, wie ihn jeder von uns hatte, aber er war nicht blöd. Offensichtlich wollte er sich einfach nur noch mal den Frust von der Seele reden und das... war okay. Schätze ich. Ich glaubte ohnehin nicht daran, dass der Norweger noch einlenken würde und wie ich bereits eingangs erwähnt hatte, war das auch überhaupt nicht mein primäres Ziel gewesen. Natürlich machte es mich traurig, dass sie Taurens Worte ziemlich endgültig anhören, weil er mit keinem Wort etwas Gutes an meiner Entschuldigung erwähnte, aber es war ganz allein seine Entscheidung. Ich hatte getan, was ich konnte, mehr als mich entschuldigen konnte ich nun mal auch nicht. Natürlich hätte ich jetzt auch hier vor ihm auf die Knie fallen und in Tränen ausbrechen können, aber ich hatte meinen Stolz lange genug in der Ecke verwahrlosen lassen und es wurde Zeit, Rückschläge endlich wieder einstecken zu können, ohne, dass ich mich gleich wieder mit einer Spritze ins Aus katapultieren wollte. Und tatsächlich... verschwendete ich nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde daran, mich in irgendeine Art von Droge flüchten zu müssen, sondern wollte einfach nur nach Hause. Einen Kaffee trinken und die Sache für mich abschließen.
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Ich seufzte ein weiteres Mal ziemlich schwer, als Richard erst einmal eine ganze Weile lang schwieg. Dabei wohlgemerkt parallel wohl auch fast zu heulen anfing, was mir unweigerlich den Hauch eines schlechten Gewissens eintrieb, obwohl ich das an diesem Punkt nicht einmal haben müsste. Vielleicht waren meine Worte hart gewesen, aber es war nun mal nicht weniger als die Wahrheit. Ich legte nachdenklich den Kopf nach vorne in meine Hände, rieb mir ein paar mal über das angestrengte Gesicht, wobei die eine oder andere Haarsträhne über meine Stirn fiel. Da war bis jetzt noch keinerlei Form von Stylingprodukt drin, also verselbstständigten sich die Haare wohl ein Stück weit. Ich wusste wirklich nicht, was ich machen sollte oder was ich wollte. Ich hasste es Menschen von mir zu stoßen, aber in manchen Fällen war das ganz einfach die deutlich bessere Option und ich wusste nicht, was hier in Richards Fall zutreffen würde. Was, wenn er einfach wieder rückfällig und damit erneut ein Ekelpaket wurde, als hätte er rein gar nichts gelernt? Ich hatte keine Lust darauf meine Energie weiter an Jemanden zu verschwenden, der das unter Umständen ganz einfach nicht zu schätzen wusste. Als er dann schließlich nur noch veräußerte, dass wohl alles gesagt worden war, zuckte ich nur mit den Schultern, ohne den Kopf erneut anzuheben. Es dauerte von da an vielleicht noch fünf Sekunden, dann hörte ich ein leises Seufzen von Sabin, der sich in den einzelnen Sessel schräg gegenüber gesetzt hatte. "Tauren, meinst du nicht du könntest...", setzte er an, aber ich hob den Kopf an und sah ihn kühl an, als ich ihn unterbrach. "Was, Sabin? Wieder Irgendwem vergeben, damit er mir später nochmal irgendwann in den Rücken fällt oder sein Wort bricht? Das macht verdammt müde und ich hab's satt.", grummelte ich zu ihm rüber, kniff die Augen leicht zusammen. Vielleicht war es einfach mein überaus freundliches Gesicht und das fast immer aufblitzende Lächeln, das Leute glauben ließ, dass ich es schon irgendwie aushielt, wenn man mir ein Messer in den Rücken steckte, weil ich halt so ein fröhlicher Mensch war. Ich wünschte wirklich ich würde solche Dinge so leicht wegstecken, wie sich das die ganze Welt vorzustellen schien. "Jeder hier versteht, dass du sauer bist... und du hast wirklich jedes Recht dazu, Tauren. Aber schau ihn dir doch an... glaubst du nicht, dass das Strafe genug war?", setzte der Italiener vollkommen ruhig bleibend erneut zu ein paar Worten an und machte eine beiläufige Handbewegung in Richards Richtung. Ich atmete hörbar tief durch, bevor meine Augen von Sabin zurück zu Richard glitten. Ich fing an ihn zu mustern und er war jetzt noch viel mehr das perfekte Beispiel für ein Häufchen Elend, als unten an der Haustür. Ja, er litt sichtbar darunter, dass ich ihm all diese Worte an den Kopf geschmissen hatte. Jedoch war ich persönlich mir wirklich nicht sicher damit, ob das schon ausreichte. Er hatte mich eine gefühlte halbe Ewigkeit unter seinem Drogenkonsum leiden lassen und er befand sich hier gerade mal ein paar wenige Minuten in einer absolut unangenehmen Situation. Ich war weit davon entfernt ein rachsüchtiger Mensch zu sein, aber in meinen Augen hätte der Engländer es durchaus verdient noch eine Weile oder gar für immer auf eine positivere Antwort meinerseits warten zu müssen. Zumindest sagte mir das der Kopf ziemlich vehement und unmissverständlich, aber das Herz klopfte langsam eben doch wieder an. In Momenten wie diesem wünschte ich wirklich ich könnte für ein einziges Mal so kalt und herzlos wie Ashton, Desmond oder Hunter sein. Ich sah sie alle drei jetzt deutlich öfter als zuvor, aber ich war zweifelsfrei noch immer der Sonderling in der Gruppe. Ich war nun mal anders, hatte den Glauben an meine Mitmenschen noch nicht restlos aufgegeben, obwohl ich schon so unfassbar oft eines besseren belehrt worden war. Dass es Richard aufrichtig leid tat und er sich absolut unwohl in seiner Haut fühlte ging ja doch nicht spurlos an dem noch ziemlich funktionstüchtigen Stück Fleisch in meiner Brust vorbei. Ich wusste nun mal auch einfach, dass der Kunstliebhaber kein chronisches Arschloch war - wie beispielsweise der Amerikaner -, sondern lediglich einen verdammt tiefen Absturz hingelegt hatte. Schließlich hatte ich ihn vorher ganz anders gekannt und vermutlich war es auch das, was ihm in diesem Moment den Arsch rettete. Ich wusste, dass er eigentlich viel zu intelligent dazu war sich die Gehirnzellen ins Nirwana abzuschießen und daran irgendwann zu verrecken. Er hatte eben einfach nur nicht gewusst wohin mit sich und er konnte vermutlich wirklich von Glück reden, dass er den Italiener mit hier rein geschleppt hatte. Erstens strahlte er eine gewisse Ruhe aus und zweitens war er einfach... keine Ahnung, er war Sabin. Versuchte immer alles in die richtigen Bahnen zu lotsen und das auf vollkommen friedliche Art und Weise. Er gab Denkanstöße, die man sonst vermied um seinen Willen durchzukriegen. Bei mir brauchte es wohl auch einfach nicht besonders viel, um mich weich werden zu lassen. "Na schön... Waffenstillstand.", lenkte ich nach einer kleinen Weile noch immer leicht grummelnd ein, rieb mir dann ein weiteres Mal übers Gesicht, wenn auch dieses Mal nur mit der rechten Hand. Danach legte ich meinen Blick wieder in Richards. "Aber du hast was gutzumachen, Richard. Wenn ich dich brauche, ganz egal um was es geht, dann bist du da, klar?", hängte ich mit wieder etwas ruhigerer Stimme noch eine kleine Bedingung an. Die war auch nicht verhandelbar. Entweder wir einigten uns darauf, dass er mir einen - eigentlich echt riesigen - Gefallen schuldete, oder wir gingen getrennter Wege. Ich würde schon nicht von ihm verlangen mir mit einer Waffe Rückendeckung zu geben, aber er war im Grunde ein kleines Genie und vielleicht konnte mir das irgendwann mal helfen, ihn gleichzeitig Schadensbegrenzung verrichten lassen. Ich war gern für andere Menschen da - allerdings nur, wenn sie gleiches für mich taten, wenn ich sie darum bat. "Und wenn ich dich nochmal so erlebe ist echt Schluss mit lustig.", ließ ich ihn am Ende noch wissen, dass das wirklich das absolut letzte Mal gewesen sein musste, dass ich ihn dermaßen zugedröhnt im Kontrollverlust erlebt hatte. Sich mal an einem Wochenende das Hirn mit Alkohol oder anderen Drogen zu leeren war eine Sache, aber wenn er den Scheiß nochmal täglich konsumierte, dann nagelte ich ihn persönlich an der nächstbesten Wand fest, um ihn in der Luft hängend einen kalten Entzug machen zu lassen. Darauf konnte er sich verlassen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Irgendwie schien sich das Gespräch auch dann nicht unbedingt zum Positiven wenden zu wollen, als Sabin schließlich Partei für mich ergriff. Ganz im Gegenteil, verpasste mir Taurens forsche Unterbrechung des Italieners gleich den nächsten Schlag ins Gesicht und ich war drauf und dran, einfach auf dem Absatz Kehrt zu machen und zu gehen. Zum einen war es absolut offensichtlich, dass der Norweger schlichtweg nicht einlenken wollte und zum anderen stießen mir die weniger mit Bedacht und eher durch Emotionen gewählten Worte ziemlich sauer auf - auch wenn man mir das vielleicht nicht direkt ansah. Ich konnte mittlerweile nicht einmal mehr an beiden Händen abzählen, wie oft ich mir inzwischen meine Fehler eingestanden und Verständnis dafür gezeigt hatte, dass der sich auf dem Sofa befindliche junge Mann sauer auf mich war, aber irgendwo musste man nun mal auch einen Punkt setzten. Für ihn dürfte ich schon lange nicht mehr bloß Irgendwer, sondern zumindest ein guter Bekannter sein, wenn es für die Titulierung als Freund nicht mehr ausreichte. Außerdem hatte ich ihm bis heute meiner Meinung nach noch keinen Grund gegeben, anzunehmen, dass man auf ein gegebenes Wort meinerseits nicht bauen konnte - gut, wenn man Hunter hieß und meine beste Freundin flachlegte, war das eventuell etwas anderes, aber zurück zum eigentlichen Thema. Zu sagen, dass ich ihm irgendwann also ein weiteres Mal ab von der Drogengeschichte in den Rücken fiel, fand ich einfach nicht fair. Aber gut, sei's drum. Für mich hatte sich das Thema damit eigentlich erledigt und ich positionierte mich bereits seitlich in Richtung Tür, aber Sabin zeigte sich von Taurens emotionalen Gefühlsausbruch sichtlich unbeeindruckt. Ich stellte mir unweigerlich die Frage, wie ein Mensch in wirklich jeder erdenklichen Lebenslage so ruhig bleiben konnte, wie es der Italiener tat, aber das Geheimnis dahinter würde ich wohl nie erfahren. Jedenfalls schien sich die Beharrlichkeit, die Ruhe und Geduld, die meine Begleitung mitbrachte, letzten Endes aber durchaus bezahlt zu machen. Ich machte den halben Schritt, den ich gerade in Richtung Tür getan hatte also rückgängig und nahm kurzerhand wieder meine Ausgangsposition ein, um den Norweger mit einem lediglich minimal veränderten Gesichtsausdruck erneut anzusehen und seine Reaktion abzuwarten. Inzwischen waren die Tränen nämlich kein Thema mehr, ich hatte sie erfolgreich weggeblinzelt, weshalb mein Blick nun nicht mehr glasig, sondern eher bloß ein wenig gekränkt in dem meines alten Mitbewohners lag. Jener hisste wider Erwarten nach Sabins Appell offensichtlich die weiße Flagge und rief kurz darauf dann auch den Waffenstillstand aus, was mich ihn nunmehr mit einer Mischung aus Verblüffung, Unglaube und weiterhin einem Hauch von Gekränktheit ansehen ließ. So, wie sich Tauren mir gegenüber gerade verhalten hatte - ich betonte gerne noch ein weiteres Mal, dass ich ihm auch jedes erdenkliche Recht dazu einräumte -, war ich mir sicher gewesen, dass ich mir die ursprünglich mehr oder weniger vorhandene Freundschaft von der Backe schmieren konnte, aber er entfachte in mir mit seinen Worten zum ersten Mal am heutigen Abend die Hoffnung, dass doch noch alles gut werden würde. Er mir noch eine Chance geben konnte, auch wenn er sich nicht gerade begeistert zeigte. Ich schenkte jedes seiner Worte meine ungeteilte Aufmerksamkeit und richtete mich dabei unbewusst ein wenig gerader auf, damit ich zumindest nicht mehr gänzlich den Anschein eines getretenen Hundes erweckte, als ich gen Ende seiner Bedingung und der indirekten Drohung langsam, aber deutlich sichtbar nickte. Ich öffnete gerade den Mund, wollte sagen, dass er bloß nicht auf die Idee kommen sollte, mir einen Mord aufzutragen, aber ich ließ es dann doch lieber bleiben. Schlimmer als der Drogenexzess und die damit verbundenen Folgen konnte selbst ein Mord und der anschließende Knastaufenthalt nicht mehr werden. Zwar würde letzterer aufgrund der ein oder anderen unangenehmen Umstände sicher alte Wunden aufreißen, aber das konnte mir dann auch getrost egal sein. Sobald ich im Bau saß und es keinen Sabin mehr gab, der mich aus dem Sumpf zerren konnte, würden die Gitterstäbe und eine Bettdecke den Rest erledigen. Aber davon waren wir im Augenblick hoffentlich noch eine ganze Ecke entfernt und ich ging einfach mal nicht davon aus, dass es Tauren im Sinn stand, diesen Gefallen für etwas einzulösen, was mir selbst maßgeblich schaden könnte, weshalb ich der Bedingung wortlos zustimmte. Allerdings entschied ich mich ein paar Sekunden später dann doch dazu, noch ein paar Worte, zum einen als Zeichen des Verständnis, zum anderen als Zeichen des Einverständnis, loszuwerden. "In Ordnung. Ich... hatte eigentlich nicht vor, den ganzen Mist noch einmal von vorn durchzuspielen. War echt keine schöne Zeit.", konnte ich ihn dahingehend mit fast einhundert prozentiger Sicherheit beruhigen. Natürlich konnte ich nur für jetzt und die unmittelbare Zukunft sprechen, in der hoffentlich noch alles in Ordnung sein würde. Ereilte mich aber ein weiterer Schicksalsschlag dieses Ausmaßes, dann konnte ich natürlich für nichts garantieren. Aber ich versuchte der Zukunft positiv ins Auge zu blicken. Wollte gerne aus meinen Fehlern lernen und sie, wenn es irgendwie möglich war, nicht noch einmal wiederholen. "Ich kann's nur noch mal wiederholen und echt nicht oft genug betonen... Es tut mir wirklich leid, Tauren. Und ich muss mich wohl auch bei deiner Freundin entschuldigen.", fügte ich noch ein paar erleichterte, aber noch immer etwas zittrige Worten meiner vorangegangenen Aussage hinzu und wandte mich beim letzten Teil der Entschuldigung an Vahagn, die überraschenderweise das ganze Gespräch über ruhig dagesessen und nicht dazwischen gefunkt hatte. Dafür zeigte sie sich allerdings auch sichtlich unbeeindruckt von meiner Entschuldigung. Entweder, sie wollte sie einfach nicht annehmen, was für mich auch okay war, oder sie interessierte sich schlichtweg nicht dafür, wie ich mit ihr umgegangen war, weil wir uns ohnehin kaum gekannt hatten. Es auch jetzt nicht unbedingt taten. Mir erschien es jedoch als richtig, auch der Russin gegenüber noch ein paar entschuldigende Worte loszuwerden. Schließlich hatte sie ebenfalls eine gewisse Zeit unter meiner Tyrannei gelitten.
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Na wenigstens schienen wir beide uns an diesem Punkt auch einig zu sein. Andernfalls hätte ich die beiden jetzt wohl auch schleunigst eigenhändig aus meiner Wohnung geschoben, damit sie mir nicht länger auf die Nerven gingen, weil ich dann ganz einfach keinerlei Sinn mehr in dieser Konversation gesehen hätte. Jedenfalls schien Richard sich mit meinen Worten arrangieren zu können und so nickte ich schließlich noch einmal langsam, bevor Entschuldigung Nummer Zwei und Drei seitens des Engländers folgte. Die zweite galt mir, die dritte dann tatsächlich der Brünetten neben mir. Was sie nun mit der Entschuldigung anfing war wohl ganz ihr überlassen, ich redete ihr da ganz bestimmt nicht rein. Schließlich hatte sie im Grunde ohnehin kaum einen Draht zu Richard und deshalb kratzte sie der ganze Aufriss vermutlich nur wenig bis gar nicht, was für mich vollkommen okay war. Reichte schließlich wenn einer von uns beiden dieses elende Drama durchmachen musste. Ich warf ihr einen kurzen Blick zu, sah dann aber alsbald wieder zu dem Dunkelhaarigen mit der Brandnarbe im Gesicht. Ich hatte ihm seine Entschuldigung mit gegenüber auch schon bei ersten Mal abgekauft. Das war nicht der Grund dafür, weshalb ich so mit mir gerungen hatte, aber es konnte sicherlich nicht schaden, wenn er sich noch ein weiteres Mal bei mir dafür entschuldigte. Es war auch zweifelsfrei von Vorteil, dass er mir noch einmal eindeutig vermittelt hatte, dass er die ganze Scheiße mit den Drogen von nun an lassen würde. Was das anbelangte nahm ich ihn wohl genauso beim Wort wie bei den Entschuldigungen. Ein Rückfall und ich war ziemlich sicher sinnbildlich über alle Berge - Kuba würde ich arbeitsbedingt ganz bestimmt nicht verlassen und auch nicht irgendwo ins Gebirge ziehen, wo mich kein Arsch mehr besuchen kam. Ich mochte Havanna inzwischen auch wirklich gern. Jedenfalls würde ich das mehr oder weniger freundschaftliche Band zwischen Richard und mir dann wohl nur im übertragenen und nicht aber im räumlichen Sinne cutten. Er würde dann nach wie vor nur auf der anderen Seite der Stadt wohnen und war nicht aus der Welt, aber ich würde es dann sicherlich vermeiden ihm irgendwo über den Weg zu laufen. "Gut, dann sind wir uns ja einig.", sprach ich noch ein paar eher gemurmelte Worte auf die Eskapaden mit Drogen bezogen aus, nickte kaum sichtbar und richtete mich dann wieder auf, um mich wenig später mit dem Rücken zurück an die Lehne sinken zu lassen und damit eine weniger angespannte Körperhaltung einzunehmen. Ich war mir irgendwie noch immer nicht ganz sicher damit, ob das hier gerade wirklich die richtige und beste Entscheidung für mich selbst war. Allerdings hatte ich wohl was Gutes getan und Richard sicher ein bisschen durch das Beilegen des Konflikts geholfen, indem ich ihn angehört und sogar eingelenkt hatte. Blieb wohl einfach zu hoffen, dass ich das nicht irgendwann in Zukunft noch bereuen müssen würde und wenn doch, dann durfte Sabin sich ganz bestimmt auch ein paar unschöne Worte von mir gefallen lassen. "Ich glaub' dir das schon.", ließ ich Richard auch noch wissen, dass es nicht an mangelnder Aufrichtigkeit seiner Entschuldigung gelegen hätte, wenn ich ihn ohne gehisste, weiße Flagge wieder aus der Wohnung entlassen hätte. Das war bei dieser Kiste ja nie mein Problem gewesen und das noch einmal zu veräußerlichen dürfte nicht schaden. Was ich ansonsten noch dazu hätte sagen sollen wusste ich allerdings nicht, denn jetzt schien in meinen Augen wirklich endgültig alles gesagt worden zu sein, was gesagt werden musste. Wir hatten uns versöhnt - was ganz offenbar auch in Sabins Sinn war, weil der Italiener minimal zu lächeln angefangen hatte - und im Grunde wäre es mir wohl ganz recht, wenn die beiden mich diese Sache jetzt schlichtweg noch in Ruhe ohne ihre Anwesenheit verarbeiten lassen würden. Es stresste mich auch einfach zusätzlich, dass Richard die ganze Zeit über herumstand, statt sich mal hinzusetzen und ganz allgemein würde ich vor der sicher wieder viel zu lang werdenden Nacht ganz gerne noch ein bisschen entspannen. Das ging zweifelsfrei nicht, wenn die beiden hierblieben. "Nehmt's mir nicht übel, aber ich hätte jetzt ganz gern noch ein bisschen Ruhe vor der Arbeit. Also wenn's euch nichts ausmacht, dann...", bat ich das unheilvolle Duo mit indirekten Worten darum die Biege zu machen und unterstrich das Ganze auch noch mit einer Armbewegung in Richtung der Wohnzimmertür. Meine Wohnung war nicht groß, rausfinden würden sie also sicherlich allein und ich hatte um ehrlich zu sein gerade auch einfach schrecklich wenig Lust, noch einmal aufzustehen. Würde mich schlichtweg gern bei Vahagn verkriechen und die Sache für heute gut sein lassen. Oberflächlich zumindest. Ich kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich mir jetzt in Nachhinein trotzdem noch den einen oder anderen Gedanken darüber machen, den Wortwechsel sicherlich noch einmal in meinem Kopf Revue passieren lassen würde. Was das anging war ich gerade tatsächlich ganz froh darum, später noch loszumüssen - die Arbeit ließ mir für gewöhnlich angenehm wenig Zeit dafür mir über Irgendwas den Kopf zu zerbrechen, war dabei doch meistens höchste Konzentration gefragt. Sabin stand jedenfalls mit einem schwachen Nicken und den Worten "Ja, natürlich." aus dem Sessel auf. "Danke, dass du dir die Zeit genommen hast.", richtete der Italiener noch seinen Dank an mich, den ich mit einem aufrichtigen Nicken quittierte, bevor meine Augen zurück zu Richard wanderten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Irgendwie war mir das plötzliche Tohuwabohu rund um unseren Ex-Drogenjunkie mehr als nur suspekt... Schon als Tauren mir mitgeteilt hatte, dass Sabin und Richard irgendwann in den nächsten Tagen zu auf der Matte stehen würden, hatte ich mich hochgezogener Augenbraue ein leises, kaum hörbares Schnauben von mir gegeben. Wenn ich die Zeit dazu gehabt hätte, dem Norweger ins Gewissen zu reden und ihn davon abzuhalten, sich den Mist anzutun, dann hätte ich das vermutlich auch getan. Allerdings war ich an jenem Tag für ein Telefonat mit Iljah verabredet gewesen und hatte den Heimweg antreten müssen, weil ich das Laptop und die arbeitsrelevanten Unterlagen allesamt nach meiner Heimkehr wieder Zuhause deponiert hatte. Mittlerweile lag ein Haufen Mist hier und da auch in der Wohnung meines Freundes verteilt herum, aber zum damaligen Zeitpunkt halt nicht. Und als ich irgendwann nach einer schier unendlich langen Zeit dann zurückgekehrt war, hatte ich es irgendwie vergessen, ihn noch einmal darauf anzusprechen. Deswegen war ich wohl auch reichlich überrascht, als Tauren mir heute mitgeteilt hatte, dass die beiden Männer sich am späten Nachmittag auf den Weg machen würde, um die Sache mit der Entschuldigung anzugehen, was ich alles andere als willkommen hieß. Zwar kannten Richard und ich uns nicht besonders gut, aber der ganze Terror war auch an mir nicht spurlos vorbeigezogen. Den jungen Mann, der sich inzwischen mein Freund schimpfte, schien das in dem Fall sehr viel eher mitzunehmen, als mich. Ich persönlich war lediglich genervt. Für mich brauchte es da keine Aussprache, weil ich sehr wohl ein nachtragender Mensch war und schlichtweg keine Lust hatte, hier irgendwem einen Gefallen zu tun, indem ich mich mit dem Engländer aussprach. Sollte er von mir aus an seinem schlechten Gewissen zugrunde gehen, war mir absolut egal. Dafür kannten wir uns einfach zu wenig und dass ich ohnehin kaum Freunde hatte, es auch nicht darauf anlegte, mir welche zu machen, war wohl auch nichts Neues. Tauren schien eingangs auch eher weniger begeistert zu sein und ich hoffte klammheimlich, dass er das Treffen kurzfristig abblasen würde, aber er ließ sich ja doch darauf ein und der Verlauf der Verlauf des Gesprächs war absolut vorhersehbar gewesen. Der junge Mann hatte einfach ein viel zu großes Herz dafür, jemanden, der dastand wie ein Häufchen Elend, noch den letzten Tritt an den Rande des Nervenzusammenbruchs zu geben und daraus resultierend war es für den Italiener und den Engländer ein Leichtes gewesen, meinen Freund um den Finger zu wickeln und zum Einlenken zu bewegen. Ich knirschte während des gesamten Schlagabtauschs, der mich hier und da hatte schmal grinsen lassen, als Richard einen Seitenhieb kassiert hatte, schon überaus genervt mit den Zähnen, hielt es aber für sinnvoller, mich vorerst zurück zu halten, weil es mich im Grunde ja auch überhaupt nichts anging. Tauren war alt genug, selbst zu entscheiden, mit wem er befreundet sein und wem er noch eine weitere Chance geben wollte, aber gänzlich unkommentiert stehen lassen konnte ich es ja dann doch wieder nicht. Ich wartete damit allerdings, bis sich Sabin und Richard nach viel zu langer Zeit endlich von uns verabschiedet hatten, um dann in aller Ruhe mit ihm zu reden. Der junge Mann mit der Brandnarbe im Gesicht wurde kurz vor Ende der Sitzung noch eine wörtliche Entschuldigung an mich los, die ich mit einem leichten Kopfschütteln geflissentlich ignorierte. Er brauchte sich in dem Fall absolut keine Hoffnungen machen, dass ich ihm die Strapazen verzieh, die ich gemeinsam mit dem Norweger hatte durchstehen müssen, als ich nach meiner Italienreise lädiert nach Kuba zurückgeflogen war. Ja, vielleicht war das ein wenig undankbar, weil Richard mich schlichtweg nicht bei sich hatte aufnehmen müssen und es trotzdem getan hatte, aber das interessierte mich ehrlich gesagt einen Scheißdreck. Mein Zorn auf ihn war einfach größer, als die Dankbarkeit für das Dach über dem Kopf. Ich war also entsprechend froh, als die Pestbeulen sich endlich von uns verabschiedet hatten und Tauren und ich damit alleine im Wohnzimmer zurück blieben. Ich wartete noch einen Augenblick, bis ich die Haustür letztlich ins Schloss fallen hörte - besonders groß war die Wohnung nicht, dazu bedingt durch das Alter auch ziemlich hellhörig -, bis ich mich mit einem leisen Seufzen und dem vorwurfsvollsten aller Blicke an meinen Freund wandte. "Musste das sein? Du weißt genau so gut wie ich, dass das nach hinten losgehen wird.", stellte verständnislos mit dem Kopf schüttelnd fest. Eventuell war jetzt nicht unbedingt der richtige Zeitpunkt dafür, wo dem jungen Mann ohnehin nur noch wenige Stunden bis zur Arbeit blieben und er außerdem nicht so aussah, als könnte er Meinungsverschiedenheiten gerade irgendwie gut gebrauchen, aber inzwischen dürfte er mich gut genug kennen, um zu wissen, dass mir das, wie so vieles, einfach egal war. Wenn mir etwas durch den Kopf waberte, dann brachte ich das meistens auch ungeschönt zum Ausdruck und er durfte das auch ruhig Scheiße finden, nur würde es trotzdem nichts daran rütteln, dass ich die Wahrheit sagte. Was er wusste, denn andernfalls hätte sich Tauren kaum so widerspenstig aufgeführt. Ihm war klar, dass das Ganze gewisse Risiken barg und die Chance, dass etwas schiefgehen würde, ziemlich hoch standen. Trotzdem hatte er sich einlullen und um den Finger wickeln lassen und als seine Freundin war es ja wohl meine Pflicht, an seinen gesunden Menschenverstand zu appellieren und ihn davon zu überzeugen, dass er Richard und alles, was mit ihm zutun gehabt hatte, hinter sich lassen musste. Andernfalls würde er sich nur ärgern - da gab ich Brief und Siegel drauf.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ehrlich gesagt hatte ich nicht damit gerechnet, dass Vahagn sich in irgendeiner Form noch zu dem Gespräch äußerte, dem sie gerade ziemlich unbeteiligt zugehört hatte. Immerhin hatte die Russin im Grunde nur wenig bis gar nichts damit zu tun, ob ich Richard diese Misere nun verzieh oder eben nicht. Wie ich meine Freundschaften regelte ging sie auch nicht wirklich etwas an. Sie durfte gern ihre Meinung zu meinem Handeln haben, aber sie hatte in keinem Fall ein Recht darauf sich einzumischen, beziehungsweise mich in irgendeiner Art und Weise umstimmen zu wollen. Ich war alt genug, um meine eigenen Entscheidungen zu treffen und außerdem hätte es sowieso hiesige Konsequenzen für den Engländer, wenn er noch einmal rückfällig werden sollte. Da bräuchte ich nicht einmal selbst zu toben anfangen, der Amerikaner kam mir da sehr sicher zuvor. Wenn er es nicht war, dann bestimmt Sabin. Keiner von beiden dürfte sonderlich begeistert davon sein, wenn sie schon so lange darauf warteten, dass Richard endlich mit seiner Therapie am Ende angelangte, falls er plötzlich wider Erwarten doch noch einen Rückfall kriegen würde. Hunter äußerte sich ohnehin nie wirklich positiv dem Engländer gegenüber und es war kein großes Geheimnis in der Führungsetage der Crew, dass er es hasste noch immer auf Sabins Schuldentilgung warten zu müssen. Natürlich verstand ich ihn in dieser Hinsicht wie so oft nicht wirklich - immerhin war es nicht so, als würde er noch gar nichts von seinem Geld wiedersehen und außerdem hatte er doch sowieso schon mehr als genug Geld. Konnte vermutlich darin baden, wenn ihm spontan der Sinn danach stand. Details blieben mir selbstverständlich bisher noch weiterhin erspart, aber Sabin arbeitete längst wieder an den Drogen und da war es naheliegend, dass er mit den Rückzahlungen bereits begonnen hatte. Ich war mit von der Partie gewesen, als das Meth im Kaffee seinen Weg aufs Meer angetreten hatte. Zwar nur auf Distanz, um den gesamten Ablauf im Auge zu behalten - eben für den Fall der Fälle, dass irgendwas dabei unerwartet bereits hier im Heimathafen schief lief -, aber was das anbelangte hatte ich Gewissheit. Es war schließlich auch in Hunters Interesse gewesen, dass der Deal mit den Mexikanern soweit glatt lief. Bisher schien dahingehend auch noch keine negative Rückmeldung gekommen zu sein, also ging ich eigentlich schon davon aus, dass das eine regelmäßige Geschichte werden würde, sobald deren Kundschaft Blut geleckt hatte. Vorausgesetzt natürlich, dass der Italiener bei der Produktion keinen Mist gebaut hatte, aber das hielt ich für unwahrscheinlich. Schließlich kannte ich Sabin als ziemlich gewissenhaften Geschäftsmann, da würde er ganz bestimmt nicht ausgerechnet bei einer Sache, von der gewissermaßen sein Leben abhing, eine Ausnahme machen. Jedenfalls war es in seinem und auch Hunters Interesse, dass Richard keine erneute Bruchlandung mit seinem Leben hinlegte und ich wäre ganz bestimmt nicht derjenige, der ihm dann eine Ohrfeige - oder schätzungsweise eher schlimmeres - verpassen müssen würde. "Du kennst Richard doch überhaupt nicht richtig, also kannst du das eigentlich gar nicht wissen.", stellte ich ein wenig trocken fest und sah die Brünette neben mir mit hochgezogener Augenbraue an. Verstand ganz einfach nicht, warum sie das jetzt unbedingt hatte sagen müssen. Davon hatte sie nichts, außer einen noch schlechter gelaunten Freund. Es war zwar nicht so, als würde ich ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter ziehen, aber wenn Vahagn jetzt im Sinn stand mit einer derartigen Konversation weiterzumachen, war ich sicher früher oder später nicht mehr allzu weit davon entfernt. Vielleicht war es nicht so klug dem Engländer zu verzeihen, aber es war das eigentlich richtige. Zwar widerstrebte mir all das noch immer ein bisschen, weil ich mir nicht einmal selbst zu einhundert Prozent sicher damit war, gerade keinen Fehler gemacht zu haben, aber ich war einfach nicht der Typ Mensch dafür alles von vornherein nichts als pechschwarz zu sehen. Das war auch eine der Eigenschaften, die ich um jeden Preis behalten wollte. Es konnte unter Umständen wirklich weh tun ein gutes Herz zu haben, aber das war die guten Momente im Gegenzug ganz einfach wert. Es war das gute Recht der Russin in diesem Punkt eine andere Ansicht zu vertreten, aber an meiner würde sie wohl kaum etwas ändern können. Sie täte also gut daran es gar nicht erst zu versuchen. Wenn sie es doch tat, dann schob ich die heute noch nicht stattgefundene Dusche vermutlich einfach jetzt statt irgendwann später ein. Es war einfach eine Sache, bei der wir uns nicht einig werden würden und deshalb war es wohl besser, wenn ich mich gar nicht erst darauf einließ.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das mochte sein. Richard und ich kannten uns wirklich noch nicht lange, geschweige denn gut genug, als dass ich mir ein objektives Urteil darüber hätte bilden können, ob der Engländer meinem Freund künftig nun tatsächlich ein Messer in den Rücken stechen würde oder aus seinen Fehlern gelernt und sich die Risiken eines Rückfalls bewusst vor Augen geführt hatte. Inzwischen dürfte Tauren aber wissen, dass ich das auch überhaupt nicht musste - Richard kennen, meine ihn -, um ihn scheiße zu finden. Es reichte vollkommen aus, dass ich meine durchweg negativen Erfahrungen mit dem jungen Mann gemacht und von seiner angeblich guten Seite bis auf den heutigen Tag schlichtweg noch nichts gesehen hatte. Demnach konnte man es mir wohl nicht verdenken, dass ich misstrauisch war, oder? Natürlich hätte ich mich jetzt auch vollkommen entspannt zurücklehnen und mir die Sache angucken können, weil ich nun mal nicht unmittelbar betroffen sein würde, falls der Ernstfall eintreten sollte, aber... ich wollte einfach nicht, dass der Norweger enttäuscht wurde und dann traurig, gekränkt, verletzt oder was auch immer war. Man konnte also meinen, ich wolle Tauren eigentlich nur vor einem künftigen Ärgernis schützen, aber dass sich das Ganze gerade in eine vollkommen falsche Richtung bewegte und damit auf einen Streit zusteuerte - das war mir nicht unbedingt bewusst. Wobei ich mir auch nicht sicher war, ob mich das Wissen darüber wirklich davon abgehalten hätte, ihn darauf anzusprechen, dass ich seine Entscheidung, dem Engländer noch eine weitere Chance zu geben, sein gutes Herz mit Füßen zu treten, einfach vollkommen schwachsinnig fand. Schließlich gehörte sein Herz jetzt mir und es kaputt zu machen, sollte ausschließlich mir vorbehalten sein. "Ach und du kennst ihn so viel besser?", fragte ich mit ebenfalls hochgezogener Augenbraue und verschränkte die Arme vor der Brust. "Mal ganz abgesehen davon, dass er dir ein Dach über dem Kopf geboten hat... was hat er denn jemals für dich persönlich getan, dass du ihm so einen scheiß Terrorakt nach einer knappen Entschuldigung einfach verzeihen kannst?", erkundigte ich mich mit gewisser Skepsis in der Stimme nach den genauen Gründen, warum Tauren entgegen seinen anfänglichen Bedenken doch noch einmal zurück gerudert war. Das erschloss sich mir nämlich nicht so ganz, denn offensichtlich hatte er - in meinen Augen vollkommen berechtigte - Zweifel daran, dass Richard in der Zukunft die Finger von den Drogen lassen und wieder zu einem halbwegs lebensfähigen, sozial aktiven Menschen werden würde. Warum also der ganze Zirkus? Ich atmete einfach tief ein und dann wieder aus, griff schließlich vorsichtig nach der Hand des Norwegers. "Hör' zu, ich will einfach nicht, dass du dich da in etwas verrennst und am Ende auf die Schnauze fliegst. Ich habe jetzt schon echt 'ne Menge Erfahrung mit Drogenabhängigen gemacht und... niemand von denen hat sich einfach mal so um hundertachtzig Grad gedreht. Der Mist hinterlässt bleibende Schäden, Tauren. Und Richard wird davon keine Ausnahme bilden.", versuchte ich wieder ein Stück weit ruhiger an die Vernunft des Norwegers zu appellieren, dass es einfach keinen Sinn machen würde, weiterhin Kraft und Zeit in den Engländer hinein zu stecken, weil er auf kurz oder lang ohnehin wieder zu einem total Wrack werden würde. Vielleicht war er dann aber wenigstens in der Lage, sich den goldenen Schuss zu setzen und dem betroffenen Teil der Gruppe in Zukunft eine Menge Ärger zu ersparen. Schließlich war der sichtlich unentschlossene Mann neben mir hier nicht der Einzige, dem der Kerl mit der Brandnarbe im Gesicht zur Last fiel. Sabin, Sydney, Cosma... meine Einstellung zu all den Leuten mochte nicht besonders gut sein, aber auch sie waren mit verhältnismäßig viel Geduld und dem Bedürfnis, dem Englänger zu helfen, an ihn heran getreten und was hatten sie dafür bekommen? Einen Haufen Scheiße auf dem Silbertablett serviert. Ganz toll. Ich mochte bedingt durch die vorherigen Erfahrungen mit Bekannten aus der Drogenszene wirklich voreingenommen sein, aber das lag vielleicht auch wirklich einfach daran, dass ich absolut keine Ahnung davon hatte, wie Richard eigentlich vor dieser ganzen Geschichte drauf gewesen war. Eventuell hätte mich das ja genau so denken lassen, wie Tauren das jetzt tat, aber aktuell? Nein, wollte ich einfach nicht verstehen, wie man sich den Ärger freiwillig antun konnte. Demnach sah ich meinen Freund sicherlich auch ein Stück weit verständnislos an, wobei meine Stimme weiterhin eher ruhig war. Ich wollte ja gar nicht streiten, sondern ihn lediglich davon überzeugen, dass er auf seine erste innere Stimme hätte hören sollen und dass es noch nicht zu spät war, der Sache noch einen ordentlichen Cut zu verpassen.
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Ich hatte gedanklich darum gebetet, dass die Brünette neben mir es einfach gut sein lassen würde. Dass sie nach meiner fast schon genervt klingenden Antwort einsah, dass es nicht wirklich einen Sinn hatte jetzt mit mir darüber zu reden, inwiefern es sinnvoll gewesen war dem Engländer seine Vergehen zu vergeben. Vahagn schien nicht akzeptieren zu wollen, dass das lediglich meine und zu nicht einem einzigen Prozent ihre Entscheidung war. Ja, vielleicht hatte ich mich dahingehend ein klein wenig von Sabin beeinflussen lassen, aber auch das wuchs auf meinen eigenen Mist. Ich brauchte die Russin nicht um Entscheidungen für mich zu treffen, das konnte ich bestens allein. Demnach zog ich die Augenbraue auch etwas tiefer ins Gesicht und sah die junge Frau für meine Verhältnisse wohl wirklich hochgradig entnervt an. "Ja, Vahagn, ich kenne ihn besser. Und tatsächlich bin ich auch einfach nicht der Typ Mensch dafür mich nur dann mit anderen zu verbünden, wenn ich einen persönlichen Vorteil darin sehe.", grummelte ich zynisch zu ihr rüber, ohne sie dabei aus meinem Blick zu entlassen. Musste sie hier jetzt wirklich die Konfrontation suchen? War echt nicht offensichtlich genug, dass ich absolut keine Lust dazu hatte mich jetzt auch noch mit ihr darüber zu streiten, ob was ich getan hatte nun richtig oder falsch war? Offenbar nicht. "Wenn ich also gerne auf die Schnauze fliegen möchte, dann lass mich das tun. Bis es so weit ist werd' ich weiterhin ans Gute im Menschen glauben. Vielleicht nicht in jedem, aber Richard ist ganz einfach kein schlechter Mensch und er ist auch nicht dumm. Er hat Fehler gemacht, aber das tut jeder und ihm eine zweite Chance zu geben ist kein Weltuntergang. Du hast eben deine Erfahrungen mit Junkies, ich mach' weiterhin meine eigenen. Ende der Diskussion.", beendete ich dieses durchweg aussichtslose Gespräch mit einem eindeutigen Kopfschütteln für mich, weil ich ganz einfach keinen Sinn darin sah und stand vom Sofa auf. So viel dann zu der Ruhe vor der Arbeit. Als wären Richard und Sabin allein nicht schon anstrengend genug gewesen, musste mir jetzt auch noch meine Freundin auf den Sack gehen. Ich hatte sie ja wirklich gern so viel bei mir, aber wenn sie die Geschichte jetzt nicht einfach auf dich beruhen ließ, dann sah ich unweigerlich unseren ersten Streit seit unserem Beziehungsbeginn auf uns zurollen - und das noch nicht einmal wegen uns selbst, sondern wegen Richard, der ihr nun wirklich vollkommen egal sein konnte. Was interessierte sie das alles überhaupt so? Sie musste ihm sein schlimmes Verhalten ja nicht verzeihen, aber mir stand es frei genau das zu tun, wenn mir nun einmal ganz einfach der Sinn danach stand. Sie brauchte mir also in keinerlei Form ins Gewissen zu reden, weil ich schlichtweg alt genug war mir meinen Weg im Leben selbst zu bahnen. Wenn ich dabei dann eben mal falsch abbog war das meine Sache und nicht ihre. Es zwang sie schließlich Niemand dazu mir dann im Nachhinein mein Gejammer anhören zu müssen, wenn es die falsche Entscheidung gewesen war. Vahagn konnte im Fall der Fälle einfach Distanz zu mir suchen und ich verarbeitete das wie sonst auch immer ganz allein. Das hatte bis jetzt immer funktioniert und ich bekam das - wenn es denn überhaupt dazu kam - sehr sicher allein hin. Die Brünette hatte also eigentlich gar keine Gründe dafür sich hier irgendwie zu beschweren und deshalb suchte ich die Distanz zu ihr, indem ich mich wie bereits vorher gedanklich angepeilt ins Badezimmer verzog um zu duschen. Im naiven Glauben die Russin vorerst los zu sein schloss ich die Tür hinter mir auch gar nicht ab, bevor ich mich aus den Klamotten schälte und zur Dusche rüberging. Gar nicht erst damit wartete, bis das Wasser eine angenehme Temperatur hatte, sondern bereits unter den kalten Wasserstrahl stieg. Vielleicht half das ja dabei den Kopf wieder leerzukriegen und einfach an etwas anderes als diesen absolut unnötigen Zwist zu denken. Meine Hand lag noch immer am Wasserhahn, als wegen des starken Temperaturunterschieds ein flüchtiges Zittern meinen Körper durchfuhr und mir die ersten nassen Haarsträhnen über die Stirn und auch die geschlossenen Augen fielen. Erst, als das ein paar Sekunden später lästig wurde nahm ich die Hand vom Hahn und strich die nassen Haare nach hinten, um die Augen wieder öffnen zu können und mich dem Einseifen zu widmen.
** Le Sprüng vong Zeit**
Seit Iljah und ich im Autohaus nach der durchzechten Nacht so unschön aneinander gerauscht waren, waren inzwischen ein paar Wochen vergangen. Ich war immer noch froh darüber, dass wir uns dabei relativ einig hatten werden können, weil ich seitdem ganz einfach grundlegend weniger Angst davor hatte, dass er mich noch einmal aus dem Nichts heraus anfasste oder anderweitig zu nahe kam. Wir hatten die Freundschaftsgrenze gezogen und das sorgte dank meiner leichten Naivität dafür, dass ich mich etwas weniger von dem Schwarzhaarigen eingeschüchtert fühlte. Zwar war ich hier und da immer noch ein wenig distanziert, wenn ich mir nicht ganz sicher war, ob ich ihm das eine oder andere private Detail über meine Person denn nun wirklich schon anvertrauen wollte, aber dennoch war ich ein bisschen entspannter. Vielleicht lag das aber auch einfach daran, dass ich jeden Tag gefühlt noch ein Stück kaputter von der Arbeit wieder nach Hause kam und ich gar nicht mehr wirklich Energie dafür übrig hatte, mich in die ganze Sache um Iljah allzu sehr hineinzusteigern. Zwar kamen wir gut damit voran mich bezüglich der Buchhaltung anzulernen und in alle wichtigen Bereiche einzuweihen, aber es war schlichtweg unfassbar anstrengend parallel dazu noch fünf Tage die Woche meinem normalen Job im Autohaus nachgehen zu müssen. Von meinen zwei freien Tagen in der Woche mal abgesehen tat ich im Grunde nichts anderes mehr als zu ackern und das hinterließ hier und da durchaus seine Spuren. Ich konnte wirklich von riesigem Glück reden, dass Ksenia und Anastasia kein Problem damit hatten vorübergehend einen kleinen Teil meiner Hausarbeit noch mitzuerledigen, weil ich sonst wohl gänzlich untergegangen wäre. Dafür gab ich ihnen dann eben das Essen aus, wo wir doch ohnehin einmal wöchentlich beim Lieferdienst unserer Wahl bestellten. Seit dem Gespräch mit Iljah im Büro hatte ich mich auch zwei mal mit ihm außerhalb der Arbeitszeiten getroffen, um eben diese ominöse Freundschaftssache zwischen uns beiden anzugehen. Zwar lief das wohl noch nicht ganz reibungslos und hier und da eckten wir weiterhin ein bisschen an, aber wenn ich es mit unserem ersten, vollkommen ungeplanten Treffen in meiner Lieblingsbar verglich, dann hatten wir eindeutig beachtliche Fortschritte hingelegt. Wir konnten uns inzwischen relativ zwanglos miteinander unterhalten, solange wir bestimmte Gesprächsthemen vermieden und uns geschickt um jene herumhangelten. Es ganz einfach noch nicht zu persönlich wurde, sondern wir mehr nur hier und da ein paar verhältnismäßig leicht oberflächlich erkennbare Dinge vom jeweils anderen herausfanden. Zwar stand ich dem gutaussehenden jungen Mann nun etwas weniger skeptisch gegenüber, aber ihn schon zu nah an mich heranzulassen stand wohl dennoch nicht zur Debatte. Ich war lieber ein bisschen zu vorsichtig, als erneut unangenehm mit ihm aneinander zu rasseln. Bisher kamen wir so auch ganz gut miteinander klar. Allerdings schien ich vor lauter Arbeit und Hektik vollkommen vergessen zu haben, dass für den heutigen Samstagabend ein weiteres dieser rein platonischen Treffen mit Iljah anstand. Ich lehnte gerade noch mit einer Schüssel Müsli an der Küchentheke - ich war wohl schlichtweg zu faul, mir etwas richtiges zu essen zu machen -, als mir einfiel, dass ich wohl seit über zwei Stunden nicht mehr auf mein Handy gesehen hatte. Also ging ich kauend mit der Schüssel in der Hand rüber ins - im Gegensatz zu meinem Schlafzimmer - geräumige Wohnzimmer, um nach meinem Mobiltelefon zu suchen. Auf dem Weg dorthin verabschiedete ich Ksenia noch im Flur, weil sie sich auf den Weg zur Arbeit im Club machte und stellte kurz darauf die Schüssel auf dem Couchtisch ab, bevor ich nach meinem Handy zu suchen begann. Das dauerte einen kleinen Moment, weil das Ding zwischen Kissen und Polster gerutscht war. Als ich es dann in der Hand hatte leuchtete auf dem Sperrbildschirm eine frisch angekommene Nachricht von meiner gerade verschwundenen Mitbewohnerin auf, die sich auf die kurzen Worte 'Du kriegst Besuch.' beschränkten. Ich entsperrte das Telefon und sah erst dann, dass Iljah mehrfach versucht hatte mich anzurufen und in diesem Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen - ich hatte unser Treffen verpennt. Wir hatten uns vor einer Stunde schon zum Billardspielen verabredet und mit entfuhr ein hektisches "Oh Shit.", bevor ich vor lauter Schreck förmlich vom Sofa fiel und rüber in mein Zimmer sprintete. Ich konnte ihm schlecht nur mit riesigem Shirt und Slip bekleidet die Tür aufmachen. Also kramte ich zügig eine kurze, schwarze Stoffhose aus meinem Kleiderschrank und zog sie über, bevor ich nach dem über dem Schreibtischstuhl hängenden, hautfarbenen BH und einem weißen Top daneben griff. Noch währenddessen klingelte es irgendwann an der Tür und ich zog das Shirt noch im Zimmer aus, um mir dann im Gehen die Unterwäsche anzuziehen. Kurz bevor ich an der Wohnungstür ankam zog ich mir auch das Top hastig über den Kopf und drückte dann auf den Knopf zum Öffnen der Haustür im Erdgeschoss. Ich atmete einmal tief durch und zog dann die Wohnungstür auf. Dauerte auch gar nicht wirklich lange, bis ich den Schwarzhaarigen erblickte, wo er doch lediglich in den ersten Stock hochkommen musste. "Hey... sorry, ich hab grade erst gesehen, dass du angerufen hast, Iljah. Ich hab das mit dem Billard echt komplett vergessen...", begrüßte ich ihn schon während er die letzten drei oder vier Stufen zu mir nach oben kam, warf ihm dann ein peinlich berührtes, verlegen schiefes Grinsen zu. Dann trat ich erstmal einen kleinen Schritt zur Seite, um ihm die Möglichkeit zu geben reinzukommen, falls er das wollte. "Wir können noch los, wenn du willst... aber das dauert dann wohl leider noch 'ne halbe Stunde.", meinte ich leise seufzend und zuckte ein bisschen mit den Schultern, bevor ich flüchtig an mir runtersah. Eigentlich hatte ich keine allzu große Lust dazu mich jetzt noch in andere Klamotten zu werfen, mir die Haare zu föhnen - ich hatte vor pi mal Daumen einer halben Stunde geduscht und die waren nach wie vor feucht - und mich zumindest ein bisschen öffentlichkeitstauglich zu machen. Aber wenn Iljah das gerne wollte, würde ich kaum nein sagen. Es kam mir noch immer nicht besonders sinnvoll vor, meinen Chef in irgendeiner Art und Weise zu versetzen, auch wenn es auf rein freundschaftlicher Ebene passierte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es lag jetzt sicher schon eine halbe Ewigkeit zurück, als ich zum letzten Mal eine Freundschaft geschlossen und diese dann auch intensiv gepflegt hatte. Man hätte mit also durchaus unterstellen können, dass ich gar nicht mehr wusste, wie genau das eigentlich ging - eine Freundschaft aufzubauen und das fast ohne Hintergedanken auch noch mit einer Frau, meine ich. Nichtsdestotrotz hatte ich das Gefühl, dass die Sache zwischen Irina und mir für den verkorksten Start eigentlich ganz gut lief. Natürlich hatten wir hier und da noch unsere Differenzen, aber es war recht offensichtlich, dass definitiv beidseitiges Interesse bestand, sich einander ein Stück weit mehr zu öffnen. Zwar war ich was das Austauschen privater Informationen über mein Leben anging immer noch genau so vorsichtig, wie Irina selbst, aber auf lange Sicht betrachtet war es zumindest mir für absolut sinnvoll, eine gesunde Vertrauensbasis zu ihr zu schaffen. Stück für Stück eben. Auch wenn ich in meinem Leben einige Rückschläge hatte einstecken müssen, war ich bei Weitem noch nicht so gestört und kaputt wie meine kleine Schwester, die augenscheinlich kaum mehr Jemanden an sich ranzulassen traute. Eine gewisse Vorsicht war alleine schon wegen dem Metier unabdingbar, aber mein Leben in Einsamkeit verbringen wollte ich persönlich zumindest nicht. Außerdem war es in puncto der Serbin einfach ganz klar von Vorteil, wenn ich ihr ein Stück weit vertrauen konnte und sie mir ebenso. Dann hatte ich immerhin eine gute Grundlage, auf der ich etwaige kleinere Fehler dem Amerikaner gegenüber rechtfertigen konnte. War nämlich nicht ganz so toll, wenn man nicht wusste, woran man war. Ich konnte in dem Fall leider nachvollziehen, dass man strikter durchgriff, was Bestrafungen anging, aber wenn ich mich darauf verlassen konnte, dass sie sich ansonsten tadellos verhielt, dann ließe Hunter sicher mit sich reden. Auch ich selbst würde mich ein Stück weit besser fühlen, wenn ich mir nicht immer Gedanken darum machen müsste, ob Irina mir meine Finanzen nun versaute oder sie mir zuliebe stets sauber hielt. Aber auch die junge Frau ging natürlich nicht mit leeren Händen aus der ganzen Geschichte raus. Sollte sie es erst einmal geschafft haben, mein Vertrauen zu gewinnen, dann konnte sich die Schwarzhaarige sicher sein, dass ich ein sehr loyaler Freund war, der ihr in jeder Lebenslage unter die Arme greifen würde, wenn sie meine Hilfe brauchte und auch annehmen wollte. Allerdings war mir eine Sache nicht nur in geschäftlicher Hinsicht wichtig und das war Pünktlichkeit. Wir hatten uns am heutigen Abend für eine Runde Billiard verabredet und ich hatte gedacht, Irina darauffolgend noch zum örtlichen Lagerfeuer zu entführen. War in den letzten Jahren immer ganz witzig gewesen und auch ohne massig Alkohol auszuhalten. Die Leute waren nicht besonders anstrengend und die Laune war in der Regel top, aber daraus sollte heute scheinbar nichts werden. Ich saß bereits seit einer Viertelstunde in dem Unterhaltungsschuppen, der nebst Billiard auch noch Airhockey und Bowling anbot, nur schien mich meine Verabredung irgendwie zu versetzen. Ich versuchte Irina daraufhin sicher zwei oder drei Mal telefonisch zu erreichen, weil ihrerseits absolut keine Resonanz kam, bis es mir nach etwas über eine halbe Stunde dann zu blöd wurde, weiterhin auf sie zu warten. Außerdem machte ich mir gewissermaßen Sorgen, weil ich die Schwarzhaarige doch als sehr gewissenhafte und pünktliche Person in Erinnerung hatte, die außerdem sofort Bescheid gab, wenn sie sich verspätete. Ich ging zwar nicht unbedingt davon aus, dass ihr etwas zugestoßen war, aber genau so wenig wollte ich glauben, dass sie mich einfach so im Regen stehen ließ. Es hatte sicher seine Gründe, warum sie nicht an ihr Handy ging und denen wollte ich ganz gerne auf den Grund gehen. Ich bezahlte im Vorbeigehen also meine Cola, die ich mir bestellt und lediglich bis zur Hälfte ausgetrunken hatte und machte mich dann in meinem Mercedes auf den Weg zur Wohngemeinschaft der jungen Frau. Dieses Mal machte ich mir allerdings nicht die Mühe, den Wagen ein paar Querstraßen weiter zu parken, sondern hielt ihn direkt vor ihrer Haustür in einer freigewordenen Parklücke, wo ich kurzerhand den Motor abstellte, ausstieg und die Karre mittels Zentralverriegelung verschloss. Auf dem Weg in Richtung Haustür kam mir Irinas Mitbewohnerin entgegen, aber ich hielt mich zurück, schon bei ihr nachzuhorchen, ob alles in Ordnung war, sondern nickte ihr im Vorbeigehen lediglich zu. Die Hände tief in die Taschen meines schwarzen, knielangen Mantels versenkt, machte ich noch die wenigen Schritte, bis ich schließlich auf einer einzelnen Treppenstufe angekommen die Klingel drückte. Es dauerte auch gar nicht besonders lange, bis die junge Frau mir letztlich aufmachte und bereits beim Treppensteigen zog ich eine Augenbraue nach oben. Sie war mir in jedem Fall eine Erklärung schuldig, was sie aktuell Zuhause machte, denn ich ging nicht davon aus, dass mir ganz plötzlich die zweite Mitbewohnerin die Tür öffnete. Ich sollte Recht behalten und ich befand mich noch immer auf der Treppe in die erste Etage, als mich Irinas entschuldigenden Worte erreichten. Wenig später stand ich dann mit mäßig in die Mitte des Gesichts gezogenen Augenbrauen vor ihr und musterte sie kurz. Wollte in ihrem Gesicht lesen, ob sie mir hier gerade nur einen Bären aufbinden wollte, aber das Entsetzen über mein Auftauchen, beziehungsweise die Überraschung darüber stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. Meine Gesichtszüge entspannten sich deshalb wenige Sekunden später und die Lippen verzogen sich zu einem schiefen Grinsen, als ich auf die Bitte der jungen Frau hin ihre Wohnung betrat. Vorher hatte ich allerdings ein mehr oder weniger neutrales "Schon okay.", verlauten lassen. Zwar hatte ich mich in gewisser Hinsicht auf den Abend gefreut, weil ich schon lange kein Billiard mehr gespielt hatte, aber davon hing meine Glückseligkeit persönlich nicht ab. Ich folgte ihr also in den Flur und ließ dort erst einmal den Blick schweifen. Die Wohnung kannte ich bis jetzt ja nur aus den sehr vagen Erzählungen Hunters und selbst der hatte sich von der WG als solches nur bedingt ein Bild gemacht. "Ich hätte auch nichts dagegen einzuwenden, wenn wir hierbleiben oder bloß in der Nähe etwas unternehmen.", stellte ich mit einem leichten Schulterzucken fest und blieb dann erst mal einen Augenblick lang etwas ratlos im Flur stehen, die Hände nach wie vor in den Jackentaschen. Die Fahrt zu zum Billiard würde ja auch noch einmal gute zwanzig Minuten in Anspruch nehmen, bis wir dann mal anfangen würden zu spielen, würde sicherlich eine kleine Ewigkeit ins Land ziehen und bis spät in die Nacht hatte der Laden auch nicht auf. Ich wusste zwar nicht wirklich, was man in den vier Wänden der Serbin alles - jugendfreies, nicht Sexuelles - anstellen konnte, aber wenn sie eine Idee hatte, wäre ich wohl der Letzte, der dagegen etwas einzuwenden hätte. Vorausgesetzt, ich bekam heute noch meinen Drink. Den konnte ich nach der anstrengenden Woche nämlich gut gebrauchen. "Was war los? Geht es dir nicht gut?", fragte ich außerdem noch ein paar Sekunden später nach dem Grund dafür, warum sie mich vergessen hatte, weil sie, wie bereits erwähnt, doch immer sehr bedacht darauf, Termine einzuhalten. Es ging hier zwar nicht ums Geschäft, aber das war schlichtweg eine Angewohnheit, die man im Privatleben nicht unbedingt ablegte.
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Kurzzeitig fürchtete ich wegen seinem skeptischen Blick wirklich, dass Iljah sauer sein würde und mich das auch spüren ließ, weil er nur selten mal ein Geheimnis aus seiner aktuellen Gefühlslage machte. Glücklicherweise blieb ich davon aber verschont, weil er zu erkennen schien, dass es mir eben wirklich leid tat und es lediglich ein ungutes Versehen meinerseits war, dass ich ihn auf mich hatte warten lassen. Das erleichterte mich wirklich und sorgte unweigerlich dafür, dass ich mich nicht mehr so halb verkrampft an den Türrahmen klammerte, weil ich böse Worte fürchtete. Der Schwarzhaarige trat dann auch ein und ich schloss die Wohnungstür hinter ihm wieder, drehte mich gleich im Anschluss zu ihm um. Mein Blick wanderte nach Iljahs Frage einen Moment lang nachdenklich auf die billige PVC-Version von Laminat auf dem Boden im Flur. Hierbleiben? Ich war mir nicht sicher, ob mir das nicht nach wie vor irgendwie ein Stück weit zu privat war. Immerhin waren das hier meine vier Wände und wir waren hier eben auch allein, weil die anderen beiden arbeiten waren. Zwar fühlte ich mich damit längst nicht mehr so unwohl wie vor einigen Wochen noch, aber auf dem Sofa herumzusitzen barg eben auch irgendwie so seine Tücken, wenn man sich nicht ganz bewusst auf größtmöglicher Distanz zueinander befand. Sich quasi einer in die linke und der andere in die rechte Ecke setzte, damit auch ja kein Körperkontakt auf welche Art und Weise auch immer entstand. Ich musste nicht erwähnen, dass ich dem Frieden noch immer nicht ganz traute, oder? Lag wahrscheinlich hauptsächlich daran, dass ich wusste, dass er mich eher nicht von der Bettkante schubsen würde, wenn er eine Möglichkeit dazu sah mich stattdessen ins Bett zu ziehen. Andererseits strahlte ich gerade wohl eher nicht mein perfektes Ich aus - die noch nassen Haare waren ein bisschen wirr, auch wenn sie relativ glatt in nur leichten Wellen nach unten fielen, ich war absolut ungeschminkt und meine Klamotten hatten auch eher nichts anziehendes. Vielleicht hätte ich eine lange Jogginghose anziehen sollen, um sicher zu gehen und weniger Haut zu zeigen, denn an meiner nicht vorhandenen Lust jetzt wirklich noch vor die Tür zu gehen hatte sich seit Iljahs Eintreten in die Wohnung rein gar nichts geändert. Bis wir dann endlich mal draußen waren und uns auf etwas geeinigt hatten würde nur zusätzlich Zeit ins Land ziehen. "Ich glaub, dann... würd' ich lieber hierbleiben.", tat ich indirekt meine Gedankengänge kund und stieß mich leicht von der Tür. Bevor ich sonst noch etwas sagen konnte richtete der Tätowierte erneut eine Frage an mich, auf die ich leicht mit den Schultern zuckte. "Keine Ahnung, ich bin wohl einfach ein bisschen kaputt... ist halt viel Arbeit, aber sonst ist alles gut.", lieferte ich dem jungen Mann den Grund, der in meinen Augen die Schuld an meiner Vergesslichkeit trug. Dabei klang ich aber recht ruhig und entspannt, weshalb das Ganze kein bisschen nach einem Vorwurf an ihn klang. Es würde ja auch nicht ewig so bleiben. Wenn ich mich erst einmal vollumfänglich eigenständig um die Buchhaltung kümmern konnte, dann fiel der Job mit dem Autoverkauf weg und ich hatte wieder genug Freizeit. War jetzt in der Zwischenzeit recht anstrengend, aber wie gesagt ja nicht für immer und ich kam schon noch eine Weile damit klar, ohne ganz den Bach runterzugehen. Hier und da hieß das offenbar eben Abstriche machen zu müssen, was die Erinnerungsfähigkeit an etwaige Verabredungen oder ganz allgemein meine Freizeit betraf. Ich wollte mich darüber aber auch nicht unbedingt länger als nötig unterhalten. Über Arbeit konnte ich mich während meiner Arbeitszeit mit Kollegen oder eben Iljah austauschen, das brauchte ich in meiner Freizeit eher nicht. "Lass' Schuhe und Jacke einfach hier an der Garderobe... willst du was trinken?", stellte ich ihm nun wiederum eine Frage und ging noch währenddessen an ihm vorbei zum Türrahmen der Küche. "Falls ja komm' am besten mit zum Kühlschrank. Bin mir nicht sicher, was dir am ehesten zusagt.", bat ich Iljah schief grinsend mir zu folgen und ging dann schon mal voraus, während er sich noch den überflüssigen Klamotten entledigte. Meine nackten Füße trugen mich zum Kühlschrank und wie erwartet hoffte man da auf Whiskey beispielsweise ziemlich vergeblich, weil das von uns Mädels ganz einfach keiner trank. Wenn er Alkohol wollte, dann musste er sich also wohl oder übel entweder mit Sekt, meinem etwas teureren Wein, Vodka oder dunklem, eher billigem Rum zufrieden geben. Was anti-alkoholische Getränke anbelangte hingegen konnte ich ihm vermutlich so ziemlich alles bieten, was am untersten Fach im Kühlschrank auch recht deutlich wurde. Da lagerten immer ein paar verschiedene Flaschen an Softgetränken und auch Wasser, wobei ich mir erst einmal die Sprite herausnahm und dann weiter zum Hängeschrank mit den Gläsern ging. In der Zwischenzeit schloss auch Iljah zu mir auf. Während ich mir selbst etwas von der Limonade eingoss ließ ich den besagen Gläserschrank noch offen, damit je nachdem worauf die Wahl meines Chefs fiel noch ein weiteres passend zum Getränk problemlos herausgenommen werden konnte. Als ich die Sprite letztlich zudrehte sah ich erneut zu ihm. "Vielleicht könnten wir Anastasias Konsole benutzen. Ist zwar nicht das gleiche wie Billard, aber zumindest auch irgendwie ein Spiel... allerdings hast du's da wahrscheinlich nicht wirklich schwer zu gewinnen.", machte ich einen Vorschlag zur weiteren Beschäftigung und ergänzte ihn am Ende um ein paar sarkastische Worte. Ich hatte bisher nur selten mit meinen beiden Mitbewohnerinnen an dem Ding gezockt, also kannte ich mich im Grunde absolut nicht damit aus und war vermutlich dementsprechend eine ziemliche Niete darin. Es erschien mir aber besser als sich einen Film anzusehen, weil das doch von sehr vielen Männern sehr falsch verstanden wurde und ich mir durchaus vorstellen konnte, dass es irgendwie unangenehm wurde, wenn wir nur rumsaßen und redeten und sonst eben nichts taten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich wartete geduldig auf eine Antwort der Schwarzhaarigen und nickte ihre Entscheidung, lieber daheim bleiben zu wollen, anstatt jetzt noch eine geeignete Alternative zum Billiard hier in unmittelbarer Nähe zu finden, ab. Fürs erholsame Abschalten und die Woche in Ruhe ausklingen lassen, war es sicher gar nicht mal schlecht, einfach einen entspannten Abend anzupeilen und die Füße hochzulegen, anstatt sich noch auf die Piste zu begeben. Falls uns später noch der Sinn danach stand, würde zumindest das Lagerfeuer uns noch mit offenen Armen begrüßen, denn das brannte voraussichtlich die ganze Nacht und mit ihm blieben auch immer eine Hand voll Leute da, selbst bis in die frühen Morgenstunden. Jedenfalls hatte ich bereits damit angefangen, den Mantel aufzuknüpfen und mir die Schuhe von den Füßen zu schieben, als Irina mir auch meine zweite, sehr viel direktere Frage beantwortete und mich darüber aufklärte, dass scheinbar das aktuelle Arbeitspensum der Grund dafür war, weshalb die unsere Verabredung vergessen hatte. Klar, es war sicher sehr stressig für Irina, sich neben dem alltäglichen Job inklusive Privatleben dann auch noch mit den extra Lernstunden zu arrangieren, aber es würde hoffentlich nicht mehr allzu lange dauern, bis sie sich sicher genug war, die Aufgaben alleine zu übernehmen. Wobei man bis dahin eventuell auch ein oder zwei Tage Pause einschieben konnte. Mir ging das Ganze schließlich auch auf den Keks und eine kurze Auszeit käme mir selbst sehr gelegen. Die nächste Woche versprach wieder einen Haufen Arbeit und unabhängig von Irinas Anmerkung diesbezüglich hätte ich mir über das Wochenende sehr sicher Gedanken darüber gemacht, es für ein oder zwei Tage etwas ruhiger angehen zu lassen. Gab da ein paar Besorgungen, die ich erledigen musste und es standen wichtige Termine an, nach denen ich zu einhundert prozentiger Sicherheit keine Lust mehr haben würde, mich dann auch noch der jungen Frau anzunehmen. Schwierige Kunden mit Extrawünschen konnten einem das Leben schon schwer machen. "Dann nehm' dir doch ein paar Tage frei.", entgegnete ich deshalb, als ich meinen Mantel gerade an den Haken hängte und die Schuhe beiläufig mit den Füßen zur Seite schob, damit sie keine Stolperfalle für Jemanden darstellten. Dann folgte ich Irina in die Küche und blieb vorerst im Türrahmen gelehnt stehen, verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich habe nächste Woche alle Hände voll zu tun, mir käme es gelegen, wenn wir uns nur zwei oder drei Mal treffen würden.", fügte ich indirekt und mit einem Schulterzucken hinzu, dass es für mich absolut kein Problem war, die Übungsstunden das ein oder andere Mal ausfallen zu lassen. Hunter würde davon auch nichts mitbekommen und selbst wenn, dann machte ich mir um den mit Abstand am wenigsten Sorgen. Schließlich sollte in seinen Augen nur zählen, dass die Zahlen stimmten. Wer sich letztlich darum kümmerte und vor allem wann, das konnte ihm mehr als nur egal sein. Wir würden schon in keine Bredouille geraten, nur weil wir uns Zwischendrin eine Pause gönnten. Apropos Pause... um den Abend vollkommen entspannt ausklingen lassen zu können, würde ich sehr gerne etwas trinken, weshalb ich mich kurze Zeit später auch wieder aus dem Türrahmen abstieß unter hinter Irina an den Schrank trat, um mich ebenfalls an einem der Gläser zu bedienen, ehe ich meinen Blick von der schlanken Schönheit abwendete, die auch in Natura und ohne Mascara oder Highlighter verboten gut aussah, um mir den Inhalt des Kühlschranks vor Augen zu führen. Dabei fielen zwei der alkoholischen Getränke bereits ohne weiteres raus. Rum hatte ich gerne gut und teuer, Sekt war absolut nicht meins. Der Wein sah gut aus, aber ich entschied mich letztlich ja doch für den Wodka, weil mir nach dem gerade einfach deutlich eher der Sinn stand und man damit am wenigstens falsch machen konnte so rein geschmackstechnisch. Allerdings verzichtete ich dabei auf etwaige Verunreinigungen durch Softgetränke und füllte das Glas deshalb fast bis zum oberen Rand voll mit dem Hochprozentigen, bevor ich mich neben der Schwarzhaarigen mit der Hüfte an die Küchenzeile lehnte. Erneut glitt mein Blick beiläufig über ihre wohlgeformte Silhouette, bis ich mich selbst gedanklich ermahnte und stattdessen vor meine Füße auf den Boden starrte. Dabei nahm ich bereits den ersten Schluck meines Drinks, der aus kaum mehr als billigem Destillat bestand, als die junge Frau ein paar weitere Worte an mich wandte, die sich damit befassten, den Abend nicht ganz so langweilig werden zu lassen. Wegen mir hätte es eine einfache Unterhaltung zwar definitiv auch getan, aber ich war da gewohnt flexibel, weshalb ich lediglich ein weiteres Mal schwach mit den Schultern zuckte. "Das würde ich nicht beschreien. Ich hab mit Konsolen vermutlich genauso wenig zu tun, wie du.", mutmaßte ich mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen, stimmte dem Vorschlag aber daraufhin noch einmal verbal zu. "Aber ja, können wir gerne machen. In die Richtung? Seit du die Vorhänge zuziehst, weiß ich leider nicht, wo sich das Wohnzimmer befindet...", stellte ich also eine Frage, die ich mit einem Nicken und dem Deuten des Zeigefingers in die entsprechende Richtung untermauerte und um ein paar sarkastische Worte hinsichtlich ihrer Anschuldigungen ergänzte. Dabei dürfte mein Tonfall ziemlich deutlich darauf schließen, dass ich das alles andere als wirklich ernst meinte und noch bevor sich Irina angegriffen fühlen konnte, setzte ich mich auch schon in Bewegung, um das Wohnzimmer anzusteuern. Auch wenn das hier eine WG war, ließ sich die Wohnung noch recht gut überschauen. Vor allem dann, wenn sämtliche Türen offen standen. Ich war also so frei, mich einfach in den gemeinsamen Wohnbereich der Mädels zu bewegen, um mich dann schließlich auf dem Sofa fallen zu lassen. Dabei ließ ich mich ganz bewusst an einer der äußeren Ecken nieder. Zum einen, damit ich den Arm bequem ablegen konnte und das Glas nicht ewig in der Schwebe hing, ich es nicht aus den Händen geben musste, zum anderen aber auch deshalb, weil ich wusste, dass Irina sehr viel wert darauf legte, die körperliche Distanz zwischen uns zu wahren. Und ich wollte einfach nicht riskieren, dass sie sich stattdessen auf den Sessel oder einen Hocker zurück zog, nur weil ich mich auf ihrem Sofa breit machte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ein paar Tage freinehmen? Einfach so? Iljah war zwar für gewöhnlich relativ umgänglich, wenn es darum ging sich mal etwas kurzfristiger einen oder zwei Tage freizunehmen, wenn es für das eigene Privatleben von Nöten war, aber diese Aussage kam dann doch eher etwas unerwartet. Allerdings dauerte es auch gar nicht lange, bis eine entsprechende Begründung für jene Aussage folgte und dann ergab das für mich schon mehr Sinn. Wenn er selber viel um die Ohren hatte war es sicher auch für den jungen Mann recht anstrengend, sich danach oder zwischendurch noch den Übungsstunden mit mir widmen zu müssen. Dann musste ich mich wohl auch eindeutig kein bisschen schlecht dafür fühlen, das Angebot annehmen zu wollen. Die anderen bekamen die Kundschaft im Autohaus schon auch ohne mich geschaukelt - mussten sie ja bald ohnehin, also konnten sie sich an diesen Testlauf quasi schon einmal gewöhnen. "Wenn das wirklich in Ordnung geht, dann würd' ich das vielleicht sogar machen.", ließ ich den Tätowierten an meinen Gedankengängen teilhaben und nickte ein bisschen nachdenklich, während ich ihn bei seiner Getränkewahl beobachtete. Er schien sich ganz der typische Russe für den Vodka zu entscheiden und machte das Glas auch noch fast randvoll. Ich bewunderte ihn - und viele anderen Menschen auch - wirklich für seine Trinkfestigkeit. Würde ich das trinken lag ich danach vermutlich bewusstlos in der nächstbesten, freien Ecke. Aus dieser Sicht betrachtet war es also ganz gut, dass ich Vodka ohnehin nicht mochte. Weil ich den Tätowierten fast die ganze Zeit über im Blick behielt fiel mir schon auf, dass er mich hier und da mal ein kleines bisschen genauer ansah, aber vermutlich sollte ich das nicht überbewerten. Die Paranoia behauptete zwar das Gegenteil, aber es war nun mal schlichtweg das erste Mal, dass der Schwarzhaarige mich in diese Aufzug sah. Ich gab hier eben gerade ein ganz anderes Bild ab als beispielsweise im Büro, da war der eine oder andere zusätzliche Blick wahrscheinlich gar nicht ungewöhnlich. Hoffte ich zumindest. Was die Geschichte mit der Abendbeschäftigung anging schien Iljah nichts dagegen zu haben auf die Konsole umzusteigen, auch wenn er mit Videospielen normalerweise scheinbar genauso wenig am Hut hatte wie ich auch. "Dann muss ich wenigstens nicht die Schmollmund-Karte ziehen, damit du mich mal gewinnen lässt.", gab ich dazu noch einen sarkastischen Kommentar ab. Ich müsste wohl lügen, um zu sagen, dass ich hier und da nicht mal Gebrauch von meinem absolut perfekt einstudierten Hundeblick machte. Zumindest normale, nicht kriminelle Männer waren dagegen kein Stück immun. Vielleicht war mein noch junges Gesicht in Kombination mit den runden Augen dabei auch wirklich sehr von Vorteil. Womöglich würde den jungen Mann hier jene Mimik aber ohnehin kaum interessieren. Er war eben kein 0815-Normalbürger, sondern ein in durchweg kriminelles Metier verstrickter Schwerverbrecher, der sicher schon zu ganz anderen Dingen konsequent Nein gesagt hatte. Allerdings konnte ich was das anging nach wie vor nur mutmaßen, weil ich ihn in dieser Hinsicht nicht kannte. Ich kannte nur den Iljah, der mir mit einem lockeren Witz auf meine Kosten noch einmal meinen Fehltritt unter die Nase rieb, was mich postwendend mit den Augen rollen ließ, während ich ihm langsam ins Wohnzimmer folgte. "Du sorgst noch irgendwann dafür, dass das wer auf meinen Grabstein schreibt, oder?", fragte ich nicht weniger sarkastisch, als ich mit dem Glas in der Hand den Türrahmen zum Wohnzimmer hinter ihm passierte. Er fand sich ja Gott sei Dank trotz geschlossener Vorhänge ganz gut mit seinen Augen hier drin zurecht. War aber auch nicht besonders schwer, hausten wir hier doch weder extrem geräumig, noch anderweitig unübersichtlich. Ich stellte mein eigenes Glas beiläufig auf dem flachen Tisch vor dem Sofa unweit meines Müslis ab, bevor ich mich um das Anschalten der Konsole kümmerte. Ich hatte Anastasia glücklicherweise schon mehr als oft genug dabei beobachtet, um das jetzt recht zielsicher auch ohne ihre Hilfe hinzukriegen. Dann durchforstete ich den unteren Teil der Wohnwand auf dem Teppich davor kniend nach einem brauchbaren Spiel und entschied mich kurzerhand für das einzige, von dem ich noch sicher wusste, dass ich es schon einmal gespielt hatte. Man konnte dabei zwischen einigen Minigames und auch Rennstrecken wählen, was eher kurzweilig, aber relativ abwechslungsreich war. Also wechselte ich noch kurzerhand die CD und ließ mich dann mit den beiden Controllern in den Händen - mit relativ viel Distanz zu dem jungen Mann - aufs Sofa fallen, bevor ich einen auf dem Polster zu ihm rüberschob. Ich schaltete auch den relativ großen Fernseher noch an - wenn man zu dritt zusammenlegte war es nur noch halb so schwer sich brauchbare, halbwegs aktuelle Technik ins Haus zu holen - und während das Spiel lud legte ich den Controller auf meinem linken Oberschenkel ab. Ich saß recht bequem im Schneidersitz und griff nach der Müslischüssel, um noch ein paar Löffel zu essen. Als die Konsole soweit startklar war, richtete ich meinen Blick und auch mein Wort erneut an den Dunkelhaarigen am anderen Ende des Sofas. "Such dir irgendwas aus, ich mach die Schüssel so lang noch leer... mich hat vorhin aus dem Nichts so ein tätowierter Krimineller beim Essen gestört.", übergab ich mit nach wie vor durchweg sarkastischen Worten die Wahl des ersten Games an Iljah, um die letzten drei oder vier Löffel noch aus der Schüssel holen zu können. Dass das auch wieder nur ein Witz war, dürfte offensichtlich sein - weder war er grundlos hergekommen, noch war ich selbst viel weniger eine tätowierte und gleichzeitig kriminelle Person als er. Vielleicht bewegte ich mich in einem geringeren Ausmaß was letzteres anbelangte, aber das war in dieser Hinsicht gerade nicht weiter von Belang. Hätte mich sein Aufkreuzen wirklich extrem gestört, dann hätte ich ihm die Wohnungstür wohl eher wieder vor der Nase zugeschoben, als ihn mir stattdessen mit aufs Sofa zu holen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Na ja, ich hätte Irina wohl kaum angeboten, sich ein paar Tage Auszeit zu genehmigen, wenn es für mich nicht in Ordnung gehen würde. Zwar müsste ich mich in der Zeit selbst um die Buchhaltung kümmern, aber in dem Punkt war es wohl schlichtweg von Vorteil, dass ich wortwörtlich mein eigener Chef war. Mir würde so schnell niemand aufs Dach steigen, wenn sich die Ausgangsrechnung einen Tag später auf ihrem Weg zum Kunden befand oder Zahlungen einmal nicht am Donnerstag, sondern doch erst am Freitag angewiesen wurden. Solange ich bei keinem Lieferanten in Zahlungsverzug kam, war noch alles paletti. Im Grunde genommen brauchte ich mir darum also absolut keinen Kopf machen, weil die Mehrarbeit mehr oder weniger sowieso auf die Schwarzhaarige zurückfallen würde. Demnach nickte ich das Ganze lediglich noch mit einem Schulterzucken ab und damit hatte sich das Thema für mich dann auch erledigt. Ich widmete mich darauffolgend lieber Irinas Antwort, mit der sie mir ganz deutlich machte, dass meine Aussage bezüglich der Unterstellung, ich würde sie aktiv stalken, ihre gewünschte Wirkung nicht verfehlt hatte. Sie fühlte sich auf gute Art und Weise auf den Schlips getreten und schien ihren Fehltritt mit Humor nehmen zu können. "Wenn ich mir die Radieschen nicht vor dir von unten angucke, dann würde ich das wohl persönlich übernehmen.", ließ ich sie schief grinsend wissen, während ich die Serbin dabei beobachtete, wie sie die Spielekonsole für den Gebrauch präparierte. Dabei nahm ich immer mal wieder einen kleinen Schluck vom Wodka und wenn ich mit meinen Augen ausnahmsweise mal nicht am Körper der jungen Frau hing, dann ließ ich den Blick flüchtig über das Interieur des Wohnzimmers schweifen. Jedoch nicht sehr lange, weil sich Irina schon sehr bald zu mir aufs Sofa gesellte und mir einen Controller über das Polster zuschob. Ich besah mir das gute Stück einen Augenblick und richtete meinen Blick unweigerlich auf den Flachbildfernseher, während ich mich mit den Knöpfen und Joysticks vertraut machte - zumindest, soweit das mit nur einer Hand möglich war. Passieren tat da natürlich auch noch nichts, schließlich fuhr das System gerade erst hoch. Vahagn und ich hatten damals zwar auch eine Spielekonsole besessen, als die Firma unseres Vaters ihre Hochzeit durchlebte, aber die war doch ganz anders gewesen, als der moderne Mist von heute. Inzwischen hatte ich kaum mehr Zeit und nicht zuletzt auch vollkommen andere Interessen, weshalb ich was Konsolen oder auch Zocken am Computer anging nicht besonders bewandert war. Mit dem Alter entwickelten sich nun mal andere Vorlieben, die mindestens genau so zeitintensiv waren, wie irgendwelche Onlinespiele. Schließlich musste ich meinen Drink aber dann doch auch auf dem flachen Couchtisch abstellen, weil ich mir nur schwer vorstellen konnte, dass das Glas auf dem unebenen Polster wirklich auch nur ansatzweise festen Halt hatte. Wenn dann auch noch Bewegung in die Sache kam - man lachte, ärgerte sich oder warf sich mit dem Rücken frustriert gegen die Lehne -, wäre es um das Getränk womöglich geschehen und das musste nun wirklich nicht sein. Zwar würde ich die Kohle für die Reinigung des Teppichs und der Couch noch problemlos aufbringen können, sollte Irina darauf bestehen, aber diese Kosten würde ich nun doch gerne einsparen. Der Wodka wanderte also kurzum eine Etage tiefer und als ich mich gerade zurücklehnte, um den Controller mit beiden Händen zu umfassen, richtete besagte junge Frau noch ein weiteres Mal ihr Wort an mich, die mich in ihrem Verlauf herzhaft auflachen ließen. Es war ein ehrliches, unbeschwertes und durchweg angetanes Lachen, das quittierte, für wie amüsant ich ihre Aussage eigentlich gerade befand. Im Detail hatte sie natürlich Recht. Ich war schließlich tätowiert und das nicht zu knapp, außerdem traf auch der Ausdruck Krimineller den Nagel so ziemlich auf den Kopf. Der Knackpunkt, warum ich mich darüber gerade köstlich amüsierte war jedoch, dass sie gerade auf spielerische Art und Weise versuchte, ihren Fehler auf mich abzuwälzen, sodass ich im Prinzip der Böse war. Es ging natürlich aus Wortwahl und Wortlaut ganz klar hervor, dass sie das nur wenig bis gar nicht ernst meinte und ich entschloss mich kurzerhand schließlich dazu, das Spiel einfach mitzuspielen. Nachdem ich mich also wieder eingekriegt und es mir auf dem Sofa wieder bequem gemacht hatte, sah ich Irina mit gespielt ernster Miene an. "Ich hoffe doch sehr, dass du ihn ausreichend in die Schranken gewiesen hast, sodass so etwas nicht noch einmal vorkommt?", fragte ich mit ebenfalls relativ ernster Stimme und auch wenn es eine Kleinigkeit für mich gewesen wäre, das Pokerface aufrecht zu erhalten - war in dem Metier schlichtweg unabdingbar, seine Gesichtszüge vollumfänglich zu beherrschen -, zierte schon wenige Sekunden später ein schiefes Grinsen meine Lippen. Schließlich wussten wir wohl beide, dass wir einander gerade nur ein wenig verarschten und es faktisch wohl sehr unwahrscheinlich gewesen wäre, dass Irina einem deutlich gefährlicheren Kriminellen als mir kaum ein böses Wort entgegen gebracht hätte. Bis jetzt hatte ich noch keinen Gedanken daran verschwendet, der Schwarzhaarigen etwas anzutun, weshalb ich den ein oder anderen blöden Spruch oder eine Abweisung gut weggesteckt hätte, aber bei einem Hunter wäre ihr Kopf vermutlich schon bei sehr viel weniger gerollt. Während ich also darüber philosophierte, was mich jetzt für eine Antwort erwarten würde, switchte ich mich mit dem Pfeiltasten und anderen Knöpfen durch das Spielemenü, um mir schließlich eines der Level auszusuchen. Dabei brauchte ich vermutlich ein oder zwei Minuten, um mir auch die Beschreibungen zu den jeweiligen Minigames und den Rennstrecken durchzulesen. Irgendwann wurde mir das allerdings zu viel und ich klickte einfach irgendetwas an. Im Prinzip war es mir nämlich ziemlich egal, was konkret wir jetzt eigentlich spielten. Hauptsache, wir waren beschäftigt.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #