Kaum hatte Richard mir eine Antwort auf die bevorstehende Beichte an Sabin gegeben, fiel mir ein, dass ich den Italiener ohnehin noch brauchen würde. Ich hatte kaum noch Schmerzmittel da und das war noch nicht mal wirklich brauchbares. Ohnehin müsste ich wohl auch noch zum Arzt wegen meiner eigentlichen, legalen Arbeit und außerdem bekam man hoch dosiertes Schmerzmittel in der Regel nicht ohne Rezept. Ich wusste zwar nicht, ob man das als Verbrecher irgendwie auch anders bewerkstelligen konnte, aber wenn ich sowieso noch zu meinem Hausarzt musste, dann waren andere Wege ja gar nicht notwendig. Ich - oder vielleicht lieber Sabin, wenn er den Willen dazu besaß, damit ich die drei oder vier Stufen vor der Apotheke nicht hoch musste - würde einfach das Rezept abgeben und die Sache wäre geregelt. Wobei ich mir jetzt andererseits auch wieder nicht sicher damit war, ob es dem Italiener überhaupt recht war, wenn ich hier starkes Schmerzmittel herumliegen hatte. Wegen Richard. Ich würde es ihm aber wirklich übel nehmen, wenn er mir ernsthaft wegen dem Engländer schmerzstillende Mittel verweigern wollte - immerhin war genau jener Kerl der Grund dafür und außerdem war es auf Sabins Mist gewachsen, dass er hier wohnte. Zwar würde ich von einer ernsthaften Rebellion sicher absehen - weil ich mich die Strafe nicht entgegenzunehmen traute - , aber zumindest für einen angepissten Kommentar würde mein Mut sicher doch noch ausreichen. Einfach deswegen, weil ich mit Schmerzen unfassbar unleidlich wurde und chronisch genervt war, weil es schlichtweg absolut unangenehm war. Bevor die Sache mit den Medikamenten jedoch überhaupt zur Diskussion stand, galt es Sabin erst noch zu informieren und das eben mit einer geeigneten Ausrede. Es reichte ja, wenn ich ihm dann ausführlich schilderte, wenn er hier aufkreuzte. Denn dass er sich die Umstände so oder so ansehen wollen würde, daran hegte ich keinen einzigen Zweifel. Wir redeten hier schließlich immer noch vom selben gewissenhaften Italiener. Richard schien es jedoch für ebenso schwierig zu halten eine geeignete Geschichte für den Sturz zu finden, wie ich selbst auch. Deshalb folgte auch nochmal ein ziemlich resigniertes Seufzen meinerseits, nachdem er mir quasi wörtlich erlaubt hatte ihn ruhig dennoch als Sündenbock mit einzubauen. Nur fiel mir dazu irgendwie wenig ein, das glaubhaft geklungen und ihn nicht automatisch in schlechtes Licht gerückt hätte. Vielleicht doch lieber den jungen Mann neben mir ganz aus der Sache raushalten? Dann musste der Sturz jedoch anderweitig wirklich schlimm gewesen sein, so viel Schwung wie Richard mir in Wirklichkeit mitgegeben hatte. Also überlegte ich weiter und grenzte meine Suche nach einem geeigneten Hergang auf die beiden Bereiche mit dem absolut härtesten Boden ein - Bad und Küche, weil beides gefliest war und Stein nun mal doch noch weniger federte oder nachgab, als es das Laminat in den sonstigen Wohnbereichen tat. Das machte schlimmere Verletzungen nämlich von vornherein sinnvoller. Irgendwie in der Dusche oder auf dem Boden davor ausgerutscht zu sein würde aber kaum den lädierten Knöchel erklären. Dass es glaubwürdig genug war dafür Richards Klamotten herzunehmen hielt ich auch für unwahrscheinlich. Da stolperte man vielleicht drüber - wie ich vorhin bewiesen hatte -, aber man knickte eigentlich kein bisschen um. Da musste man schon extrem viel Pech haben. Zum Badezimmer fiel mir also eher nur wenig bis nichts Brauchbares ein, weshalb ich gedanklich weiter zur Küche switchte. Aber wieso sollte ich da so übermäßig schwungvoll nach hinten kippen und mir deshalb gefühlt den gesamten Körper prellen? Nüchtern betrachtet war es nämlich allgemein ziemlich unwahrscheinlich, dass ich überhaupt innerhalb meiner Wohnung rückwärts ging und dadurch etwas übersah. Der Mensch ging grundsätzlich vorwärts, wenn er die Möglichkeit dazu hatte, weil Rückwärtsgehen einfach keinerlei Vorteile versprach. Außerdem kam ein Katzenspielzeug ja nicht lautlos von irgendwoher aus dem Nichts und ich wüsste, wenn es hinter mir lag. Schließlich klapperte das meiste von dem Zeug, es würde mir also auffallen, wenn Bandit damit zu Gange war oder es eben schon vorher dalag. Jener schwarzer Kater stand jetzt auch geduckt ganz vorsichtig um die Ecke guckend im Türrahmen zum Wohnzimmer. Schien mir nach dem Rechten sehen zu wollen und ging dann ganz langsam - gewohnt hier und da mal leicht hinkend - an der Wand entlang in unsere Richtung, blieb nahe meiner Füße stehen und sah mich mit einem leisen Miauen an, was mich unweigerlich Lächeln ließ. Außerdem brachte er mich damit auf eine Idee. Sein Katzenfutter stand immer in einem der oberen Küchenschränke verstaut und wenn sich der Vorrat dem Ende zuneigte brauchte ich die kleine Trittleiter, um bis in die hintere Ecke des Fachs zu kommen. Nehmen wir also an ich stand auf der Leiter und hielt die Dose aber nicht richtig fest - aus Schusseligkeit, was wohl Jedem mal passieren konnte -, weshalb ich ruckartig beim Versuch sie noch aufzufangen ins Wanken geriet. Dadurch mit dem Fuß blöd auf die Kante der Leiterstufe trat, mir den Knöchel verdrehte und mit gut Schwung aus leicht erhöhter Position auf die Fliesen knallte. "Hilfst du mir hoch? Ich würd' mich langsam gern aufs Sofa setzen, mir tut echt der Arsch weh... dann kann ich auch mein Handy einsammeln und Sabin anrufen.", bat ich den Dunkelhaarigen neben mir darum, mir wieder auf die Beine zu helfen, während der schwarze Kater noch näher zu mir kam und ich ihm mit einem sanften Streichler über den Kopf verdeutlichte, dass alles in Ordnung war und ich sein Kommen zu schätzen wusste. Dann ließ ich meine Hand jedoch wieder sinken und sah stattdessen zu Richard. "Und danach müsstest du mir noch bei der Tatort-Vortäuschung helfen.", teilte ich ihm indirekt mit, dass mir etwas eingefallen war, das womöglich ausreichen könnte. Wir brauchten nur noch mindestens die ausgeklappte Leiter in der Nähe des Hängeschranks und eine verbeulte Katzenfutterdose. Ich hatte nicht im Kopf wie der Vorrat an Futter im Schrank gerade aussah, also müsste er unter Umständen noch ein paar Dosen ausräumen und in die Kammer bringen, aber das dürfte an sich vielleicht schon reichen. Oder aber der Dunkelhaarige wies mich noch auf Lücken in meinem Plan hin, während ich ihn ihm erklärte.
~ le ZS vong diese... 1,5 Wochen.
Ich rang eine ganze Woche mit mir selbst, ob ich den Sorokins nun schon etwas von Alledem stecken sollte oder nicht. Ich war da wohl mehrfach im Zwiespalt mit mir selbst. Zum einen hatte ich ohnehin noch nicht wirklich irgendwas Relevantes in der Hand, aber zum anderen war es eben doch schon eine Veränderung, die sie durchaus interessieren könnte, weil sie mich Iljah nun mal eine ganze Ecke näher bringen würde. Dann wiederum wollte ich den beiden Brüdern aber gar nicht wirklich einen Vorteil über den Russen verschaffen, mit dem ich mich gleich treffen würde. Sie waren Arschlöcher und es wäre mir ziemlich sicher lieber, wenn man ihnen das Licht ausknipste, statt Iljah - und in seinem Handgepäck wohl auch den hochgradig gruseligen Amerikaner - früher oder später ans Messer zu liefern. Bei den anderen beiden wusste ich zumindest mit Sicherheit, dass sie es verdient hätten, während ich Gniwek wohl kaum genug kannte, um das wirklich beurteilen zu können. Vielleicht würde ich ihm auch irgendwann noch gedanklich den Tod wünschen, aber bisher war das eben noch nicht so. Letztlich entschied ich mich zu meinem eigenen Schutz aber dennoch dazu die Sorokins zumindest darüber in Kenntnis zu setzen, dass ich den Job gewechselt hatte. Worum es dabei ging ließ ich trotzdem noch außen vor. Könnte mir unter Umständen vielleicht genauso zum Verhängnis werden, aber ich glaubte eigentlich nicht, dass sie mich beschatten lassen würden, um auf eigene Faust mehr Details zu kriegen. Ich hatte ihnen noch nie einen triftigen Grund dafür gegeben mir misstrauen zu müssen, weil ich nicht blöd war. Ich hatte aber bisher auch noch nie so lange Zeit ohne ihre permanente, hochgradig nervtötende Anwesenheit verbracht, seit sie mich in der Bar aufgelesen hatten. Ich genoss das - es fühlte sich fast wieder so an als wäre ich sowas wie selbstständig unterwegs, obwohl das nicht ganz der Realität entsprach. Deswegen hatte ich ja auch still und heimlich gehofft, dass mir Iljah einfach für den Rest der Zeit, die ich offiziell noch als Spitzel absitzen musste, keinerlei Gründe dafür gab wieder mehr Kontakt zu ihnen aufnehmen zu müssen, als mich einmal wöchentlich mit dem Jüngeren der beiden zu treffen. Ich wollte jetzt lieber nicht behaupten, dass ich vor hatte ein komplett legales Leben zu führen, wenn ich erst einmal auf freiem Fuß war, weil ich über diese Phase jetzt wohl schon lange hinaus war. Ich klaute ja immer noch hin und wieder, wenn etwas in meinen Augen zu teuer war. Mittlerweile ließ ich mich eben nur nicht mehr dabei erwischen, wie ich auf unrechtmäßigem Weg Geld einsparte. Jedenfalls wählte ich bezüglich der Informationsweitergabe an die Brüder einen etwas riskanten Mittelweg, der für den Augenblick aber vollkommen genügte und sie keine weiteren Fragen stellen ließ. Ich wechselte halt das Berufsfeld, musste dafür hier und da ab jetzt Überstunden schieben und gut. Inzwischen war ich mental zumindest auch fast sowas wie darauf vorbereitet mich gleich mit Iljah zu treffen, um die ganze Sache in Angriff zu nehmen. Er hatte mittlerweile offenbar eine Lösung dafür gefunden, wie und wann er meine Neuausbildung am besten umsetzen konnte und dementsprechend war ich jetzt auf dem Weg zu der Adresse, die er mir gestern kurz vor Feierabend noch gegeben hatte. Zugegeben plagte mich trotz der langen Zeit, in der ich mich darauf hatte einstellen können, auch jetzt wieder ein etwas mulmiges Bauchgefühl, während ich die letzten Meter zum Treffpunkt zu Fuß zurücklegte. Den Großteil der Strecke war ich mit dem Bus gefahren, lag doch ohnehin unweit meiner Wohnung eine Haltestelle. Die paar letzten Meter zu Fuß taten zusätzlich auch gut, um noch einmal ein bisschen durchzuatmen und mir noch einmal vor Augen zu halten, dass von dem Schwarzhaarigen momentan nun wirklich keine akute Gefahr ausging. Würde einfach keinen Sinn machen, wenn er mir jetzt plötzlich ein Haar krümmen wollte, obwohl ich doch für diesen supertollen, neuen Geldwäscher-Job vorgesehen war. Ich hasste meine chronische Paranoia wirklich, aber sie ließ sich nur schwer abstellen, wenn man mit Verbrechern verkehrte. Letztlich kam ich etwa drei Minuten zu früh an dem Bürogebäude an, zu dem Iljah mich offenbar beordert hatte. Sah von außen zumindest stark nach einem solchen aus. Ich sah mich kurz um, aber der junge Mann war noch nicht zu sehen und so lehnte ich mich einfach ein klein wenig an die Hauswand, während ich wartete. Allerdings nicht in meinem gewöhnlichen Bürooutfit. Erstens hatte ich mir die schwarze Jeans schon beim Mittagessen mit Salatsoße versaut und zweitens hielt ich ein derartiges Outfit hier auch für nicht notwendig. Weder hatte ich hier Kundenkontakt, noch anderweitig geschäftlichen Besuch zu erwarten. Also hatte ich es bei einer deutlich stretchigeren, bequemeren hellen Jeans und einem weißen Top - der mit sehr dezenter Spitze verzierte, obere Saum machte den eigentlichen Ausschnitt etwas kleiner - gelassen, über das ich wegen den kühleren Außentemperaturen am Abend noch einen etwas dickeren, langen, grauen Wollcardigan gezogen hatte. Der hielt unter dem langen schwarzen Mantel und mit den ebenfalls schwarzen Doc Martens Stiefeln an den Füßen ausreichend warm, um mich in den folgenden Minuten und auch auf der Heimreise später keinen Kältetod sterben zu lassen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Die letzten anderthalb Wochen waren, wie ich befürchtet hatte, kein Zuckerschlecken gewesen. Zwar war es Zuhause wieder deutlich ruhiger, seitdem Vahagn nicht mehr da war, aber das ließ mich maximal den kläglichen Rest an Freizeit in Ruhe genießen. Die Termine wurden dadurch trotzdem nicht weniger und die anstehenden Arbeiten im Autohaus, sowie im Im- und Export erledigten sich leider auch nicht von selbst. Seit der Amerikaner gemeinsam mit meiner Schwester abgereist war, fielen zwar gemeinsame Treffen weg, aber wir telefonierten trotzdem fast täglich, um die neuesten Informationen auszutauschen und das weitere Vorgehen zu besprechen. So wusste Hunter beispielsweise, dass ich mit Irina inzwischen ihren neuen Vertrag besprochen hatte und das ihre Einarbeitungsphase heute beginnen würde. Mir wäre es zwar deutlich lieber gewesen, die Sache direkt nach der Unterzeichnung ihres neuen Arbeitsvertrages angegangen zu haben, aber dafür hatte ich schlichtweg keine Zeit. Zwischen meiner Wohnung, der Firma am Rande Moskaus und dem Autohaus hin und her zu pendeln war einfach ätzend und gemeinsam mit meiner ohnehin schon rar gesäten Freizeit wäre auch der Sprit meines Wagens von dannen gezogen, lagen die drei Locations doch nicht gerade nah beieinander. Nicht, dass ich etwas Negatives dagegen einwenden wollte, schließlich hatte das damals alles einen Sinn und Zweck gehabt. Diente dem Schutz, damit man von dem einen nicht aufs andere schließen konnte und umgekehrt, aber in Situationen wie diesen war das schrecklich belastend. Nichtsdestotrotz würde ich einen Teufel tun und Irina mit in das Büro des Im- und Exportunternehmens schleppen. Wir kannten uns nach wie vor nicht besonders gut, mein Vertrauen ihr gegenüber war stark eingeschränkt und nur, weil sie eine imaginäre Pistole auf die Brust gesetzt bekommen hatte, hieß das noch lange nicht, dass sie auch wirklich dicht hielt, was Informationen anging, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Das Unternehmen litt so schon genug und auch wenn das Autohaus die einzige finanzielle Stütze zu unserer eigentlichen Haupteinnahmequelle war, demnach besser auch nicht bankrott gehen sollte, war es mir lieber, dass etwaiger Mist, den die Dunkelhaarige eventuell verzapfte, nur dieses Geschäft betrafen. Wäre je nach Schwere der Tat in jedem Fall einfacher wieder aufzufangen. Beim Verkauf von Autos ging es natürlich auch um eine Stange Geld, aber die paar tausend Euro waren ein Witz dagegen, was man mit dem Schmuggel von Menschen und nationalen, wie internationalen Beschaffungen an Kohle scheffeln konnte. Ich wollte also kein Risiko eingehen und sie von dem Nebengeschäft - welches streng genommen eigentlich das Hauptgeschäft war - nichts wissen lassen. Genau so blöd wäre es aber auch gewesen, sie einfach zu mir nach Hause zu bestellen. Zum einen wusste sie dann logischerweise, wie und wo ich wohnte, was mir grundlegend schon mal nicht schmeckte und zum anderen lagen bei mir daheim auch einige, das Speditionsgeschäft betreffende Unterlagen herum. Sollte sie nur mal aufs Klo müssen, könnte sie dabei selbst unbeabsichtigt auf sensible Informationen stoßen und demnach blieb mir eigentlich kaum etwas anderes übrig, als die Einarbeitung vollständig auszulagern. Das stellte natürlich auch wieder einen gewissen Kostenfaktor dar, aber der hielt sich durch mein Geschick beim Feilschen mit dem Vermieter Gott sei Dank in Grenzen. Es war viel mehr die Zeit, die dabei drauf ging, nach einem einzelnen Büro zu schauen, welches unweit meiner Wohnung lag, jedoch noch weit genug weg war, dass man mir im Fall der Fälle mindestens zehn Minuten lang folgen musste, um zu wissen, wo ich letztlich residierte. Und innerhalb dieser Zeit fielen etwaiger Verfolger mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit auf. Na ja, jedenfalls hatte ich schließlich etwas Passendes entdeckt und meine Männer kurzerhand darum gebeten, mir das Räumchen entsprechend herzurichten. Einen Schreibtisch und einen PC dort unter zu bringen, damit Irina und ich am heutigen Tag direkt damit loslegen konnten, ihr buchhalterisches Wissen zu vertiefen. Ich war vorher noch im Autohaus gewesen und hatte die zu buchenden Belege eingesackt, dann war ich in einen Stau geraten. Ein Unfall blockierte eine ganze Weile lang die Hauptzufahrtsstraße zu dem Gebäudekomplex, in dem ich das Büro angemietet hatte, weshalb ich mich wohl um ein paar Minuten verspätete. Ausnahmsweise sollte mich das aber gar nicht weiter stören, weil meine Laune heute ausnahmsweise ziemlich gut war. Sehr zu Irinas Vorteil, wenn man mich fragte, ließ es sich mit einigermaßen ausgeglichener Laune doch sehr viel besser zusammenarbeiten. Ich parkte den Mercedes etwa zehn Minuten nach der vereinbarten Zeit auf dem Parkplatz vor dem mehrstöckigen Gebäude, an dessen Hauswand die Serbin bereits lehnte. Die Unterlagen unter den Arm geklemmt, stieg ich schließlich aus und verriegelte noch mittels Zentralverriegelung alle Türen, bevor ich zu der jungen Frau aufschloss. "Entschuldigen Sie bitte die Verspätung, der Verkehr war fürchterlich...", bat ich in Hinsicht auf mein Zuspätkommen um Verzeihung, fackelte dann aber gar nicht mehr lange, Irina ins Innere zu bitten, um mit ihr gemeinsam den Fahrstuhl in den dritten Stock zu nehmen. Noch bevor sich die Fahrstuhltüren geöffnet hatten, kramte ich bereits nach dem Schlüssel für das Büro, welches etwa zehn Meter entfernt auf der rechten Seite des Ganges lag. Ich persönlich hatte mir die Räumlichkeiten noch nicht angesehen, lediglich meine Unterstellten waren schon einmal hier gewesen, weshalb mir die Überraschung förmlich im Gesicht gestanden haben musste, als ich den Schlüssel im Schloss herum drehte und die Tür aufschob. Ich war noch vor Irina über die Türschwelle getreten und sah somit als Erster, was meine Männer unter der Gestaltung des Büros verstanden hatten. Vielleicht dachte ich das nächste Mal ein bisschen eher darüber nach, dass soziale Krüppel, die eher pragmatisch dachten, weniger begabt darin waren, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. Demnach dürfte es mich eigentlich nicht wundern, dass der Raum abgesehen von dem Schreibtisch mitsamt Computer, einer Ablage in Form eines Aktenschranks und zwei Stühlen ansonsten vollkommen leer war. Es hingen keine Bilder, keine Vorhänge, nicht einmal eine einzige Blume hatte ihren Weg in dieses Zimmer gefunden. Auch der Schreibtisch war bei näherer Betrachtung nur mit dem Nötigsten ausgestattet. Ein paar Stifte, Lineal und Schere, außerdem ein Notizblock und Post Its, das war dann auch schon alles. Ich stieß ein unzufriedenes, aber irgendwie auch leicht amüsiert klingendes Schnauben aus, während ich mir mit einer Hand gespielt angestrengt über das Gesicht wischte. Beschweren wollen würde ich mich nicht, immerhin war alles da, was wir für die Einarbeitung brauchten - auch um ein Karton mit leeren Ordnern wurde sich gekümmert, damit die Ablage am Ende einfacher war -, aber meine Vorstellung von einen Raum einrichten überschnitt sich wohl nicht ganz mit den Vorstellungen meiner Mitarbeiter. "Mhm, hätte ich das Kleingedruckte gelesen, wüsste ich wohl, dass ich lediglich das Sparangebot geordert habe, was die Dekoration dieses Raumes hier angeht.", witzelte ich und ein leises Lachen stahl sich über meine Lippen. Natürlich war es ein bisschen ärgerlich, vor allem, weil die Stimmen hier drinnen mangels ausreichender Dämmung hallten ohne Ende, aber das war nun wirklich nichts, was sich nicht im Laufe der nächsten Zeit noch beheben lassen würde. Je nach dem, wie es lief und die ganze Sache sich entwickelte, spielte ich mit dem Gedanken, Irina gänzlich als Personal des Autohauses auszumustern und sie stattdessen dauerhaft hier einzuquartieren. Mittlerweile fehlte mir drüben nämlich ein super Verkäufer und die Stelle auf kurz oder lang neu zu besetzen wäre wohl ratsam. Vielleicht war es also gar nicht so schlecht, dass das Büro bis auf die Grundmauern ansonsten völlig leer stand. Dann konnte die junge Frau bei der Gestaltung ihres neuen Arbeitsplatzes aktiv mitwirken und ihn sich so einrichten, wie sie es für richtig und am schönsten hielt. Ich würde mich hier hoffentlich ohnehin nicht lange aufhalten. Nur in der Anfangszeit und dann sollte Irina eigenständig arbeiten können. Jedenfalls war die Empörung über die spärliche Einrichtung dann auch schnell verflogen und ich bat meine Begleitung, mit mir am Computer Platz zu nehmen. Ich hatte schließlich nicht ewig Zeit, heute mussten wir also noch ein bisschen was schaffen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
ich wartete leider noch ein bisschen mehr als die ursprünglich angepeilten drei Minuten und war gleich doppelt froh darüber, dass ich mich nicht nur für eine dünne Bluse oder dergleichen unter dem Mantel entschieden hatte. Die Hände hatten auch schon zu Beginn ihren Platz in meinen Jackentaschen gefunden, aber zumindest an meinem freiliegenden Gesicht wurde es doch ein bisschen kühl, weil ich nun mal nicht in Bewegung war, sondern nur herumstand. Umso glücklicher war ich darüber Iljahs Wagen schließlich angerollt kommen zu sehen und stieß mich schon sachte von der Wand ab, als der Russe ausstieg. Er ließ mir auch alsbald eine Erklärung inklusive einer Entschuldigung zukommen, als er in Hörweite war und zu mir aufgeschlossen hatte. "Halb so schlimm, waren ja nur ein paar Minuten.", winkte ich mittels Worten ab. Unabhängig davon, ob es nun wirklich am Verkehr oder an etwas anderem gelegen hatte - man benutzte schlechte Verkehrslage ja auch gerne hier und da mal einfach nur so als Ausrede, wenn es plausibel klang -, war es zwar eher keine vorbildliche Einstellung als Chef zu spät zu kommen, aber mir war das egal. Sofern es sich nicht um eine halbe Stunde oder gar noch mehr handelte, weil ewig in der Kälte herumstehen schlichtweg unschön war. Ich mochte die Temperaturen hier zwar gewohnt sein, aber ich schob es gerne auf meine Mutterlinie, dass ich ab und an doch eine ziemliche Frostbeule werden konnte. War einfach unangenehm, im tiefsten Winter noch mehr als jetzt. Aber es waren nur etwa zehn Minuten mehr gewesen, also sei es dem jungen Mann verziehen. Auch, wenn es mir selbstredend lieber wäre, wenn das nicht zur Gewohnheit wurde, weil das auch schlichtweg unhöflich wäre. Ich folgte Iljah nach drinnen und in den Aufzug, wo es ganz allgemein schon mal deutlich weniger kalt war als draußen. Zimmertemperatur vielleicht nicht unbedingt, aber das war in einem öffentlichen Gang sicher auch eher unnötig. Es ging dann oben noch weiter und ich hielt kurz hinter dem Schwarzhaarigen inne, während er die Tür zu einem... ja, einem Büro aufschloss. Einem sehr kahlen, absolut kalt wirkenden Raum, der wohl wirklich nur mit dem absolut Allernötigsten bestückt worden war, damit man darin arbeiten, beziehungsweise eben lernen konnte. Im Grunde war das auch vollkommen ausreichend dafür und ich wusste ja nicht einmal, ob ich hier länger bleiben würde, oder nur die Zeit während der Umschulung hier herumsaß. Dahingehend hatte der junge Mann bisher nichts gesagt und wenn ich hier wirklich länger bleiben sollte, dann musste sich definitiv etwas an der Räumlichkeit ändern. Ich würde zwar vielleicht nicht jeden freien Quadratzentimeter mit unnötigen Deko-Elementen vollkleistern - wäre ja weiterhin nur mein Büro und nicht mein Wohn- oder Schlafzimmer -, aber ich wollte mich schon gerne etwas wohler darin fühlen können als es jetzt gerade der Fall war. Was das anbelangte traf Iljah den Nagel mit seinen Worten also zweifellos auf den Kopf. Auch schien er aktuell recht gute Laune zu haben und das Alles mit Humor zu nehmen, was mich immerhin ein kleines bisschen entspannte. Zwar hatte er bei unserem Vertragsgespräch seinen Ton trotz miserabler Laune mit der Zeit auch ein wenig gemildert, weil ich ziemlich gezielt an allen Ecken und Enden brav eingelenkt hatte, aber das war keine Garantie dafür, dass das immer funktionierte. Es war mir also deutlich lieber, wenn er gleich wortwörtlich ein - wenn auch nur leises - Lachen an den Tag legte, das mich selbst unweigerlich ein bisschen lächeln und etwas weniger angespannt sein ließ. "Ach, zum Arbeiten reicht's.", erwiderte ich entspannt und zuckte leicht mit den schmalen Schultern. Ich wollte mich jetzt nicht Wort für Wort darüber beschweren, dass es mir hier zu lieblos eingerichtet war, weil das ganz einfach nicht wirklich einen guten Eindruck machte und undankbar klang. Also öffnete ich stattdessen den Gürtel des Mantels und ließ ihn erstmal auf die Rückenlehne des mir angedachten Stuhls wandern. Mit Kleiderhaken war ja nicht hier drin, auch wenn das eher eine Nebensächlichkeit war. "Aber vielleicht findet trotzdem übergangsweise das nächste Mal eine kleine Tischpflanze ihren Weg auf den Tisch, wenn ich hier bin.", hängte ich noch ein paar sarkastisch angehauchte Worte an, als ich mich auf den Stuhl sinken ließ. Dagegen war ja nichts einzuwenden. Würde mich zumindest wundern, war das im Büro im Autohaus doch auch nicht verboten. Wäre ja auch kein riesiger Blumentopf, der uns keinen Platz zum Arbeiten mehr ließ. Also im Prinzip gar nicht der Rede wert und ich sagte das wohl auch nur, um mich von meiner eigenen unterschwelligen Nervosität abzulenken. "Womit fangen wir an?", kam ich dann auf das eigentlich wichtige Thema zu sprechen und schob die Ärmel des Cardigans bis zu den Ellenbogen nach oben, damit sie mich im Folgenden nicht nervten. Ich drehte den Kopf in Iljahs Richtung und sah ihn an, wobei ich mir beiläufig noch die Haarsträhne hinters Ohr strich, die ich aus dem gerade sehr simplen Zopf wie so oft rausgelassen hatte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Und im Prinzip war das auch alles, was zählte. Wir waren schließlich nicht zum Vergnügen hier und demnach sollte sich eigentlich keiner von uns beiden an der lieblosen, eher gar nicht vorhandenen Einrichtung dieses Büroraums stören. Irina schien das Ganze auch eher locker hinzunehmen, wollte sich in den kommenden Tagen bloß eine Topfpflanze mit ins Büro nehmen, woraufhin ich nur zustimmend nickte. "Richten Sie sich das Büro so ein, dass Sie sich darin wohlfühlen.", ließ ich die jungen Frau auch noch einmal verbal wissen, dass sie von mir keinen Anranzer zu befürchten hatte, wenn sie dem Raum hier ein wenig Leben einhauchte. Ob nun mit Blumen, Bildern oder anderen gängigen Dekorationsartikeln - das war mir vollkommen egal. Hauptsache, es sah hier danach nicht mehr so trostlos aus. Ich würde mich jetzt zwar selbst nicht als ein Fan von übermäßiger Dekoration betiteln, aber so ein bisschen Farbe hier und da passend zur Jahreszeit oder den herannahenden Anlässen, wie Ostern oder Weihnachten musste auch in meinem Büro sein. Ich würde mich also davor hüten, meinen Angestellten nicht das selbe Recht einzuräumen. Ein gutes Verhältnis zu den Mitarbeiter schuf sich nämlich nicht, indem man seine Position als Chef ausnutzte, während man den in der Nahrungskette weiter unter Stehenden nur Verbote auferlegte. Vielleicht fand ich ja Zuhause auch noch den ein oder anderen Blumentopf, der nach den letzten Wochen zwar sicher kurz vorm Vertrocknen stand, aber irgendwie noch zu retten war. Einfach als Zeichen des guten Willens oder so. Schließlich war ich an sich ja kein böser Mensch und was soziale Interaktion anbelangte wohl auch noch lange nicht so verkrüppelt wie Hunter oder meine kleine Schwester. Dabei hatte ich sicherlich nicht weniger Scheiße gesehen oder durchmachen müssen als die beiden, nur hatte ich eben meine ganz eigene Art und Weise, mit traumatisierenden Ereignissen oder Rückschlägen umzugehen. Allerdings blieb es mir diesbezüglich trotzdem ein Rätsel, wie ich weiterhin ein zeitweise so selbstloser Mensch sein konnte. Ich half gerne anderen Leuten, sofern mir das möglich und ich in der Stimmung dazu war. Ohne eine Gegenleistung zu erwarten und das, obwohl ich nicht selten in meinem Leben enttäuscht worden war. Mittlerweile befand ich mich wohl aber auch einfach in einem Alter, wo sich am Charakter nur noch schwer etwas ändern ließ. Es brauchte wohl ein überaus einschneidendes Ereignis, um mich jetzt noch davon abzuhalten, meine Mitmenschen... wie ein fühlendes Lebewesen zu behandeln. Nicht wie ein Schwerverbrecher. Natürlich konnte ich nicht weniger mit einer Waffe irgendetwas einfordern, als Kollegen in meinem Metier das taten, aber dass ich lieber erst einmal zu ein paar klärenden Worten griff, bevor ich einen Schritt weiter ging, meinte ich bereits erwähnt zu haben. Nun gut, jedenfalls schienen Irina und ich uns einig zu sein, dass das Büro definitiv ein Upgrade gebrauchen könnte. Damit war das Thema für mich dann aber auch erstmal abgeschlossen, sodass wir uns jetzt der Arbeit widmen konnten. Glücklicherweise schien die Dunkelhaarige in dem Punkt ebenfalls meiner Meinung zu sein, ging die Initiative, endlich mit der Einarbeitung anzufangen, doch von der jungen Frau neben mir aus. Ich hatte mich ebenso wie sie aus meinem schwarzen Trenchcoat geschält, der mich vor den kalten Temperaturen draußen schütze und ihn über die Lehne des Stuhls gelegt, auf den ich mich wenig später dann fallen und beiläufig schon mal den PC hochfahren ließ. Indessen schob ich Irina einen Eckspanner mit einem Haufen von Papieren unter die Nase. Etliche Rechnungen, abgeschlossene Kaufverträge, eine Aufstellung der zu buchenden Fixkosten und periodenfremde Ausgaben. Noch blieb sie von dem illegalen Mist und der Schönung von Zahlen verschont. War zum Einstieg in die Buchhaltung auch definitiv leichter, schließlich musste sie erst einmal die Basics kennenlernen, bevor sie in der Bilanz herum fuschen und die Zahlen fürs Finanzamt plausibel, vor allem aber unauffällig fälschen konnte. Sollte das noch nicht sitzen, wenn es mit den Blüten schließlich in die Vollen ging, würde ich das Ganze zwangsweise für den Anfang übernehmen, aber ich ging zum jetzigen Zeitpunkt einfach mal davon aus, dass Irina ein bisschen was in ihrem hübschen Köpfchen hatte und mich nicht allzu viele Nerven kosten würde. "Haben Sie schon einmal irgendwas in Richtung Buchhaltung gemacht? Oder soll ich von Null anfangen bei den Erklärungen?", richtete ich neutral klingende Frage an die junge Frau, während ich parallel dazu checkte, ob auch ja nicht versäumt wurde, die für die Buchung von Zahlen notwendigen Programme zu installieren. In dem Punkt konnte ich meinen Jungs jedoch blind vertrauen und schon kurze Zeit später war auf dem Desktop eine lange, mit endlos vielen Zahlen bestückte Tabelle zu sehen. Kreditoren, Debitoren, Sachkonten. Für mich alles überhaupt nichts Neues, mein täglich Brot, wenn man so wollte. Wie das bei Irina aussah wusste ich allerdings nicht, betete aber stillschweigend zu dem aktuell amtierenden Gott, dass sie bereits irgendwelche Vorkenntnisse hatte. Rechnungswesen von Anfang an aufzuarbeiten würde uns nämlich mehr Zeit kosten, als ich einkalkuliert hatte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich nahm Iljahs verbale Bestätigung zwecks etwaiger dekorativer Elemente in diesem Raum für die Zukunft mit einem sichtbaren, aber nur eher knappen Nicken zur Kenntnis. Damit war diesbezüglich alles gesagt worden und ich hatte sogar noch eine offizielle Erlaubnis dazu bekommen, mich ein bisschen um dieses lieblose Stück Raum kümmern zu dürfen, wenn mir der Sinn danach stand. Das Thema war vorerst also gänzlich abgehakt und der junge Mann im Stuhl neben mir fackelte nach meiner Frage auch gar nicht mehr lange damit, zur Sache zu kommen. Zuerst bekam ich eine ziemlich dicke Mappe von ihm, die mich zugegeben schon Schlimmes ahnen ließ. Es war nicht so, als wäre ich nicht fähig etwas Neues zu lernen. Meine Auffassungsgabe war was das anging eigentlich sogar ganz gut, hatte ich doch auch in der Schule - bis kurz vor dem Abschluss - nie wirklich schlechte Noten geschrieben. Daran würde es an sich vermutlich also eher nicht scheitern, aber es war nun mal auch kein Mathelehrer, der hier neben mir saß - wobei ich, wenn es in der Schulzeit nach mir gegangen wäre, sicher lieber einen tätowierten, gutaussehenden Mann als solchen bevorzugt hätte, hätte ich die Wahl gehabt -, sondern Iljah. Musste ich noch mal erwähnen, dass seine direkte Anwesenheit mich irgendwie grundlegend einfach ein bisschen wirr machte, ohne dass es dafür ersichtliche, triftige Gründe gab? Ich glaube nicht. Während er also noch damit beschäftigt war den PC hochzufahren schlug ich die Mappe schon einmal auf und besah mir zumindest das oberste Blatt, das mir gleich reichlich Zahlen offenbarte. Das an sich war jedoch nichts Schlimmes, weil ich ganz gut mit Zahlen konnte. Nur bei komplizierten Gleichungen hörte mein Verständnis für die Zahlenwelt ab einem gewissen Punkt auf. Allerdings glaubte ich auch nicht, dass mir das bei diesem Unterfangen hier zum Verhängnis werden würde, also hatte ich dahingehend wenig Bedenken. Mit einem Computer umgehen zu können lag wohl auch irgendwie schon im Blut meiner gesamten Generation, also würde es auch dahingehend keine Schwierigkeiten geben. Bisher gab es alles in allem demnach nicht wirklich einen Grund dafür mir unterbewusst selbst einzureden, dass ich hier gleich Irgendetwas verbocken würde. Dass das menschliche Gehirn hin und wieder aber gerne unabhängig vom Träger handelte, wenn es in einer Situation Gefahrenpotenzial aus vorherigen Erlebnissen zu erkennen meinte, war also eindeutig eine Funktion, die ich hier und da ganz gerne abschalten können würde, wenn ich mir nur selbst damit im Weg stand. Vor allem in diesem Fall, weil ich nun mal einfach nicht drum herum kommen würde, jetzt und in naher Zukunft öfter mal Zeit mit einem mehr oder weniger fremden Mann allein zu verbringen. Iljahs Frage ließ mich meine Gedanken kappen und den Blick, den ich bis jetzt auf das Blatt im Eckspanner gerichtet hatte, wieder in seine Augen anheben. Meine Erfahrungen mit Buchhaltung waren... rar gesät, mild ausgedrückt. Im Grunde war das Einzige, was ich gezielt in dieser Richtung bisher getan hatte, ab und an mal einem Kollegen im Autohaus über die Schulter zu schauen. Man arbeitete schließlich Hand und Hand, damit das Unternehmen funktionieren konnte und da war es gut, wenn man auch mal Einblicke in andere Büroecken mitnahm, wenn grade wenig zu tun war und man etwas Puffer mit den eigenen Erledigungen hatte. Schließlich gab einem das auch mehr Verständnis für die Denkweise innerhalb anderer Tätigkeitsbereiche und man konnte so potenziell gut Konflikten vorbeugen, die nur aus Missverständnissen resultierten, weil der eine keinen blassen Schimmer davon hatte, wie die Arbeit des jeweils anderen funktionierte. Aber nur, weil ich das Grundprinzip was Buchhaltung anbelangte wahrscheinlich verstand, würde ich nicht von Erfahrung damit sprechen. Schließlich hatte ich keinen einzigen Mausklick dabei selbst gemacht, sondern lediglich zugesehen und das war jetzt eben doch auch schon wieder einige Wochen her, ohne dass ich es nochmal aktiv selbst verinnerlicht hatte. Es wäre also eher riskant zu behaupten, dass ich schon mal Irgendwas in der Richtung gemacht hatte. Ich seufzte leise, ein bisschen resigniert. "Ich denke es ist besser, wenn Sie mir zu viel erklären, als zu wenig. Ich hab den Kollegen hin und wieder mal in einer freien Minute über die Schulter geschaut, also müssen wir uns mit den Grundlagen bestimmt nicht allzu lange aufhalten, aber... ich gehe lieber auf Nummer sicher.", erläuterte ich dem Schwarzhaarigen ehrlich und mit einem anschließenden Schulterzucken meinen im Grunde nur wenig bis gar nicht vorhandenen Bildungsstand zwecks Buchhaltung. Alles andere würde mich gleich nur unnötig in die Bredouille stürzen, worauf ich allzu gern verzichtete. Lieber nochmal etwas weiter vorne anfangen und es dafür potenziell wahrscheinlicher im Anschluss ganz richtig machen, als unnötig Fehler vor Iljahs Augen zu provozieren, die nicht hätten sein müssen. Trotzdem würde ich sicher noch die meisten Begriffe zuordnen können, also hoffte ich einfach mal, dass wir die absoluten Basics schnell hinter uns lassen konnten und ich seine Geduld nicht überstrapazieren musste.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aha, na das war ja ganz große Klasse. Irinas Ehrlichkeit in allen Ehren, aber das war wohl mit Abstand eine der Antworten, die ich am wenigstens hatte hören wollen. Sie schien bis dato also noch nicht mit der Buchhaltung in Kontakt gekommen zu sein, hatte sich aber hier und da ein bisschen Wissen angeeignet. Immerhin etwas, aber dass das nicht wirklich das Wahre war, brachte die Schwarzhaarige ganz von alleine auf den Punkt. Ich nickte während ihrer Erläuterung zu der in meinen Augen sehr bedauerlichen Bildungslücke immer mal wieder, um ihr damit zu verstehen zu geben, dass ich ihren Erzählungen aufmerksam folgte. Am Ende ließ ich noch ein "Verstehe." gefolgt von einem leisen Seufzen von mir hören, ehe ich mich auf dem Stuhl zurück lehnte. Die Finger von Maus und Tastatur ließ, um stattdessen meine Arme vor der Brust zu verschränken. "Okay. Das... kostet uns natürlich ein bisschen mehr Zeit, aber wir kriegen das schon hin.", redete ich mehr zu mir selbst, als dass ich zu der jungen Frau sprach. Dann schwieg ich einen Augenblick, rieb mir erneut mit einer Hand über das Gesicht und ließ sie dort auch einen Moment liegen, um mir mit Daumen und Zeigefinger das Nasenbein zu massieren. Dabei überlegte ich fieberhaft, wo ich mit der Einführung eigentlich anfangen sollte. Immerhin war ich kein ausgebildeter Lehrer, konnte somit auch nicht sagen, mit was es sich bei dem Thema eigentlich anzufangen lohnte, also begann ich nach kurzer Zeit des Nachdenkens einfach damit, Irina erst einmal die gängigsten Begriffe zu erläutern, damit sie später wusste, was das Buchungsprogramm eigentlich von ihr wissen wollte. Im nächsten Schritt schob ich ihr den Kontenrahmenplan unter die Nase, erklärte ihr auch dazu ein paar Kleinigkeiten. Worauf es zu achten galt, wie die einzelnen Positionen gegliedert waren und warum sie letztlich an der Stelle standen, wo sie nun mal standen. Damit war zumindest das Gröbste, aber auch mit Abstand Wichtigste bereits abgefrühstückt und ich konnte damit beginnen, ihr die Wichtigkeit einer Bilanz zu erläutern. Dass uns das Finanzamt im Nacken sitzen würde, wenn wir falsche Auskünfte gaben, dürfte ihr wohl klar sein, aber es gab da auch noch ganz andere Feinheiten, für die die doppelte Buchführung wichtig war. Die Kosten- und Leistungsrechnung beispielsweise. Es war mir einfach wichtig, ihr so viele Informationen mit auf den Weg zu geben, wie mir das nur irgendwie möglich war, auch wenn das eine ganze Menge - teilweise auch unwichtig erscheinender - Schrott war, aber ich würde ihr kaum davon erzählen, wenn es nicht in irgendeiner Situation mal von Bedeutung sein könnte, jenes Wissen zu besitzen. Es nervte zwar, dass dafür ein Haufen wertvoller Zeit flöten ging, aber ich besann mich zwischendurch immer wieder zur Vernunft, wenn ich der Meinung war, hier und da ein paar Infos waren vollkommen ausreichend, der Rest nicht weiter wichtig und rief mir vor Augen, dass Irina mir tatsächlich auch ab von der Geldwäsche-Geschichte eine große Hilfe sein konnte. Von Jemanden, der mir zuarbeiten sollte, erwartete ich allerdings, dass dieser auch wirklich wusste, was er tat und nicht einfach nur stupide irgendwelchen Leitsätzen folgte, die irgendwo geschrieben standen. In der Regel gab es nämlich zeitintensive Probleme, wenn jemand seine Arbeit nicht zu einhundert Prozent verstanden und verinnerlicht hatte. Da brauchte nur einmal alle hundert Jahre ein Sonderfall auf dem Schreibtisch landen und der gesamte Fluss geriet ins Stocken, weil sich die Problemlösungskompetenz aus dem Wälzen von Informationsbänden passend zum Thema oder der Befragung des Internets zusammensetzte. Und das war einfach Zeit, die ich gerne einsparen würde. Im Umkehrschluss hieß das zwar, dass wir heute noch eine ganze Weile lang zusammen lernen würden, aber wenn sie mir im Anschluss daran mit exzellenter Arbeit unter die Arme greifen konnte, war es die Bemühungen allemal Wert. Außerdem legte ich für gewöhnlich auch ab von diesem besonderen Umstand, dass sie mich persönlich unterstützen sollte, viel Wert auf eine vernünftige Einarbeitung. Demnach sollte ich allen Ausbildungsbeauftragten mit einem guten Beispiel voran gehen und, wie sie es schon ganz treffend formuliert hatte, ihr lieber ein paar Informationen zu viel, als zu wenig mit auf den Weg geben. Ob sie die auch alle für sich behalten konnte, wusste ich natürlich nicht, aber immerhin konnte man mir dann nicht vorwerfen, ich hätte es nicht wenigstens versucht, ihr alles bis ins kleinste Detail zu erklären. Es zogen sicher an die zwanzig Minuten ins Land, bis ich mit den Grundlagen durch war, diese durch entsprechende Beispiele und anhand alltäglicher Situationen untermauert hatte, bis mir auffiel, dass ich eventuell schon einmal viel früher eine bestimmte Frage hätte stellen sollen. "Das war jetzt relativ viel auf einmal. Können Sie mir soweit noch folgen? Oder haben Sie fragen?", richtete ich mein Wort nun wieder direkt an die Dunkelhaarige, sah sie dabei direkt an. Wieder mit diesem abschätzenden Blick, der sämtliche Regung in ihrem Gesicht aufsaugen würde. Nur für den Fall, dass sie meine Nerven schonen wollte und mich anlog, als es darum ging, ob sie alles verstanden hatte. Denn damit würde sie bloß das Gegenteil von dem erreichen, was ihr vermutlich im Sinn stand. Lieber erklärte ich Dinge zwei Mal, als irgendwann mitten im Prozess feststellen zu müssen, dass sie absolut gar nichts kapiert und Scheiße gebaut hatte.
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Ich verstand, warum ihn das nervte. Mir wäre es schließlich auch lieber, wenn ich jetzt schon Ahnung von dem ganzen Mist hätte und ich all die Privatstunden mit dem Chef persönlich überspringen könnte. War eben nicht gerade ideal, dass ich noch nie Irgendwas in dieser Richtung vorher gemacht hatte, aber es war eben auch nicht so, als hätte ich mich für den Jobwechsel selbst beworben. Wenn ich also wie in diesem Fall hier von Grund auf neu für die Tätigkeit angelernt werden musste, dann war das eben so. Sollte Iljah das nicht passen konnte er sich mehr oder weniger immer noch dazu entscheiden, die Buchhaltung bezüglich der Geldwäscherei Jemand anderes machen zu lassen - wogegen ich wohlgemerkt absolut nichts einzuwenden hätte. Aber ich stellte mir das hier auch grade sehr leicht vor. Schließlich wusste ich, dass man in vielen Fällen aus einer Sache halt nicht mehr wirklich rauskam, wenn man erst einmal drinsteckte. Allein schon deswegen, weil man dann Dinge wusste, die man nicht wissen sollte, wenn man aus seiner Pflicht doch wieder entbunden wurde. Gedanken zu löschen war nur leider unmöglich und deshalb täte ich gut daran die Sache hier annehmbar über die Bühne zu bringen, damit keine andere, unter Umständen tödliche Lösung für mich gefunden werden musste. Mein Leben lief zwar nicht unbedingt rund, aber das hieß noch lange nicht, dass ich den Löffel abzugeben schon bereit war. Ich war erst 20 und hatte im Grunde noch gar nicht wirklich gelebt, was ich doch ganz gern erst noch abhaken würde, bevor ich ins Gras biss. Also beugte ich mich kurzerhand noch zu meiner Handtasche, die ich nahe dem Schreibtisch auf dem Boden abgestellt hatte, um ein kleines Notizbuch rauszuholen, während der junge Mann neben mir scheinbar noch damit beschäftigt war sich mental darauf vorzubereiten, die Buchhaltung jetzt ganz von vorne mit mir durchkauen zu müssen. Im Anschluss schnappte ich mir einen der Kugelschreiber aus dem Becher auf dem Tisch und folgte dem Schwarzhaarigen neben mir danach so gut ich konnte bei sämtlichen seiner Erklärungen. Notierte mir dabei nur in groben Stichpunkten das, was mir als essentiell erschien und was ich später - oder morgen, oder die Tage darauf... wohl so oft ich Zeit und Lust dazu aufbringen konnte - gerne noch einmal gedanklich wiederholen würde, damit ich es auch richtig verinnerlichen konnte. Es zu hören war eines, all das danach auch noch korrekt zu verarbeiten und für sich zu behalten jedoch etwas anderes. Also hoffte ich einfach mal für alle Beteiligten, dass ich nicht ausgerechnet was Finanzen und deren korrekte Buchführung anbelangte ein absolutes Defizit hatte. So weit, so gut - Iljah zog das Ganze relativ zügig durch, womit ich an sich auch kein Problem hatte. Ich konnte ihm einigermaßen gut folgen und als er mich dann schließlich fragte, ob ich überhaupt noch so weit mitdenken konnte, oder stattdessen auf Probleme stieß, sah ich zuerst zu ihm rüber und dann zurück auf meinen Notizblock. Überflog das Geschriebene noch einmal und nickte dann langsam, vielleicht etwas zögerlich. Es war bei mir häufig auch eher so, dass mir erst situationsbedingt Fragen auftraten und nicht, dass ich Vorgänge mit Zahlen grundlegend nicht verstand. Dadurch, dass er mir zu den meisten Punkten aber auch Beispiele mitlieferte, die das eigentliche Vorgehen recht gut erläuterten, schaffte er dahingehend gleich etwas Abhilfe und beugte Problemen in dieser Richtung vor. Trotzdem konnte reine Theorie die eigentliche Praxis nicht gänzlich ersetzen. "Ich denke schon.", unterstrich ich mein Nicken vier oder fünf Sekunden später noch einmal verbal, als ich auch den Blick wieder von den niedergeschrieben Seiten - war nicht groß, das Notizheft, da war in zwanzig Minuten schon mehr als eine Seite zusammen gekommen und ich bevorzugte es grundlegend lieber Themas abgrenzend eine neue Seite zu viel anzufangen, als zu wenig, damit auch alles übersichtlich blieb - wieder anhob. "Aber es wär sicher gut, wenn ich das Alles selber nochmal versuchen könnte... einfach, damit's auch drinbleibt.", hängte ich ein paar wenige Worte mehr hinten an, die etwas leiser waren als die vorherigen und unterstrich meine Worte zum Verständnis noch damit, dass ich den Kugelschreiber in meiner Hand aufrichtete und mit dem Ende in Richtung meines Kopfes zeigte, ohne mich jedoch insgesamt viel zu bewegen. Ich wollte Iljah damit nicht sagen, wie er mich hier zu unterrichten hatte und wenn er es gern bei reiner Theorie belassen wollte, würde ich das kommentarlos so hinnehmen. Womöglich hatte er aber ohnehin vor, mich den einen oder anderen Handgriff noch selber machen zu lassen und dann würden sich meine Worte als überflüssig herausstellen. Ich wollte lediglich zu meiner eigenen Sicherheit - irgendwie hing von meinem zukünftigen Handeln im Job schließlich der Kopf auf meinen Schultern ab - darauf hinweisen, sollte er daran bisher noch keine Gedanken verschwendet haben.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Immerhin schien ich die verschiedenen Informationen insoweit gut aufzuarbeiten, dass Irina mir bis hierhin problemlos folgen konnte. Zumindest erkannte ich nach ihrer Antwort keinerlei Anzeichen in ihren Gesichtszügen, die dafür sprachen, dass sie mir hier nur etwas vormachte. Sollte meine Gabe dahingehend etwas schwächeln, würde ich es aber spätestens dann sehen, wenn sie sich das erste mal am Einbuchen von Belegen versuchen würde. Zum jetzigen Zeitpunkt wollte ich ihr allerdings erst einmal Glauben schenken, denn mir entging nicht, dass sie fleißig dabei war, sich Notizen zu machen und die Sache damit in meinen Augen entsprechend ernst nahm. Man könnte mir gegenüber vermutlich noch so oft behaupten, dass man sich nicht zwangsläufig etwas aufschreiben brauchte, weil man pfiffig genug war, gleich nach der ersten Besprechung alles schon drauf zu haben und trotzdem würde ich es wohl Niemanden glauben. Mochte sein, dass man in dem Augenblick die Informationen auf Abruf hatte, aber zogen erst einmal ein paar Tage ins Land, die man mit einem bestimmten Thema nicht mehr zutun hatte, dann wurde es da mit fehlerfreiem Arbeiten schon mal spannend. Entweder die gestellten Aufgaben wurden auf ganzer Linie verbockt und mussten im Nachhinein korrigiert werden oder man zog sich jemanden mit Fachwissen heran. Beide Optionen zählten für mich zu den zeitintensiven Problemen, die ich gerne, wie mittlerweile klar sein durfte, vermied. Demnach sammelte sich Irina mit der Aktion hier gerade auch den ein oder anderen Pluspunkt bei mir, wenn auch nur unterbewusst. Nahm sie sich das Geschriebene dann auch nach Feierabend noch mal zu Herzen, wenn sie im Bus auf dem Weg nach Hause saß oder schaute noch einmal drüber, wenn sie morgen frühstückte, sollte das komplexe Thema Buchführung ihr eigentlich ziemlich schnell einleuchten. Natürlich brauchte es, wie sie den Nagel gleich zum zweiten Mal am heutigen Tag auf den Kopf traf, auch ein bisschen praktische Erfahrung, damit sich der ganze Mist im Oberstübchen manifestierte, aber daran sollte es nun wirklich nicht scheitern. Es hatte schließlich einen Grund, warum ich die Belege mitgenommen und sie nicht in der Firma oder meinem Wagen hatte liegen lassen. Sie sollte sich selbstverständlich auch mit dem Buchungsprogramm vertraut machen, was ich nebenbei bereits geöffnet hatte. Ich klickte die überdimensionierte Liste voller Zahlen weg und öffnete ein neues Blatt. Hier und da ein paar Einstellungen, die noch geändert werden musste und schon konnte es losgehen. "Natürlich, das sollen Sie auch.", stimmte ich ihr erst einmal zu, dass ich voll und ganz verstehen konnte, wie wichtig es im Lernprozess eines jeden Mensches war, Dinge auch mal ausprobieren und auch Fehler machen zu dürfen. Aus denen lerne man schließlich am besten. Moderne Buchungsprogramme hatten dafür eine super Option, die ich Irina kurzerhand vorstellte. "Es gibt hier die Möglichkeit, Buchungen zu simulieren. Super, wenn man sich noch nicht sicher ist mit dem, was man tut. In der Regel buchen Sie nämlich etwas ein und die übermittelten Daten landen dann bei mir zur letzten Kontrolle, bevor ich Zahlungen anweise oder offene Posten erstelle, denen Zahlungseingänge später anhand Ihrer Eintragungen zugeordnet werden können. Das Programm gibt Ihnen jedoch die Möglichkeit, ein bisschen herumzuspielen. Ein- und Auszubuchen, ohne, dass davon später irgendwas fälschlicherweise schon an mich weitergeleitet wird. Fürs Erste werden Sie also auf dieser Oberfläche arbeiten...", erklärte ich nicht weniger ausführlich als den Rest zuvor auch, was ich mit meinen vier bis fünf Klicks gerade eingestellt hatte. Ein roter Rand um das eigentliche Blatt signalisierte, dass es sich hierbei nicht um die originale Oberfläche, sondern mehr eine Kopie des Bildschirms handelte. Unten rechts wurde man auch mit einem entsprechenden Vermerk - Testumgebung in kaum übersehbaren, roten Lettern - unmissverständlich darauf hingewiesen. Dennoch zeigte ich kurze Zeit später auch noch mal mit meinem Finger darauf. "Und auch in der Zukunft können Sie gerne darauf zurück greifen, wenn Sie sich unsicher mit etwas sind. Hier ist es einfacher, Positionen zu löschen oder abzuändern, als wenn die Daten erst einmal verschickt sind. Ich habe Ihnen die Belege der letzten Wochen mitgebracht. Ich bin selbst leider noch nicht dazu gekommen, mich um sie zu kümmern. Also dachte ich mir, dass Sie das einfach im Zuge Ihrer Einarbeitung erledigen könnten.", redete ich weiter und deutete beim Erzählen mit dem Zeigefinger dann auf den Eckspanner, den ich Irina zu Anfang unter die Nase geschoben hatte. Darauffolgend lenkte ich die Aufmerksamkeit der Schwarzhaarigen mit einem "Schauen Sie...", auf den Bildschirm, um ihr zu erklären, wie sie zu besagter Testumgebung gelangte. Und dann natürlich auch, wie sie Belege letztlich einbuchte. Schließlich gab es unzählige Buttons, die man drücken konnte. Da wäre es gut, wenn sie denn auch wusste, welche die waren, die sie brauchte.
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Gut, okay. Iljah schien was das anging glücklicherweise vollkommen meiner Meinung zu sein und erörterte mir im Folgenden dann eine scheinbar ideale Lösung dafür, wie ich das ganze Unterfangen absolut gefahrlos erst einmal austesten konnte. Jene Testversion des eigentlichen Systems schien auch eine wirklich gute Sache zu sein, falls ich mir zukünftig mal mit Irgendwas unsicher sein sollte und am Ende deshalb was falsch machte, weil man es dann im Nachhinein trotzdem noch abändern konnte und es nichts Endgültiges war. Ich war mir sehr sicher, dass ich davon in jedem Fall häufiger mal Gebrauch machen würde - gerade in der Anfangszeit. Einfach nur, um auf Nummer sicher zu gehen, weil ich weder den Russen neben mir, noch den Amerikaner verärgern wollte. Erst recht nicht beide gleichzeitig, war ich mir doch ziemlich sicher, dass Iljah sich in der Pflicht sehen würde so gut wie alles, was ich verbockte, unmittelbar an den schrägen Typen weiterzuleiten, worauf ich wirklich gerne verzichten wollte. Ich war also schon jetzt froh über diese Funktion des eigentlichen Programms, die mir hier und da bestimmt den Arsch retten konnte. Den wollte ich nämlich genauso behalten wie meinen Kopf. Ich folgte dem Dunkelhaarigen also auch dieses Mal wieder ausdauernd mit den Ohren und Augen, während er mir recht einleuchtend die Funktionen erklärte. Nickte dann auch einmal zum Zeichen dafür, dass ich verstanden hatte, kurz bevor er mich noch auf den vermeintlich offensichtlichen Hinweis aufmerksam machte, an dem zu erkennen war, dass man sich in der Simulationsversion befand und nicht im eigentlichen Programm. Wenig später erklärte er mir dann glücklicherweise auch, wie ich eigentlich überhaupt erst einmal von der richtigen Version zur ungefährlichen kam und darauffolgend zogen ein paar weitere Minuten damit ins Land, dass er mir die Buchungsvorgänge an sich veranschaulichte. An sich war das Programm eigentlich recht übersichtlich gestaltet, hatte aber doch irgendwie gefühlt endlos viele Funktionen, die zu sortieren mir gedanklich dann etwas weniger leicht fiel, als die kurze, reine Theorie-Einführung zuvor. Vielleicht einfach deshalb, weil er bis dato ja nach wie vor logischerweise alles selbst bediente und ich im ersten Moment zwar noch alles assoziieren konnte, aber ich merkte selbst schon irgendwo ab der Hälfte, dass es langsam schwieriger wurde mir zu merken, welcher Button jetzt nochmal genau zu welcher Aktion gehörte. Deshalb atmete ich auch einmal - möglichst unbemerkt - etwas tiefer ein, um mich verbal schon mal darauf vorzubereiten, dass ich ziemlich sicher gleich noch den einen oder anderen Fehler machen würde. Sollte an sich zwar nicht schlimm sein, weil es ja erstmal noch keinerlei endgültige Buchungen waren, die ich da tätigte, aber ich mochte das einfach nicht. Man fühlte sich dann so... ertappt und bloßgestellt, obwohl es eigentlich gar keine Gründe dafür gab. Immerhin war das ganze Unterfangen hier ja genau dazu da, dass ich die Fehler eben jetzt und bemerkt machte und nicht erst dann, wenn es im Grunde schon zu spät war und jene dann prompt auf Iljahs Schreibtisch landeten, der sicher keinen Spaß daran hätte meine Fehler auszubaden. Dennoch war das für mich einfach schon immer ein unangenehmes Gefühl gewesen, das ich sehr gerne umging. Würde sich hier nur einfach nicht vermeiden lassen, dass ich an der einen oder anderen Ecken doch noch einmal nachhaken musste oder womöglich auch etwas verwechseln würde. Schmeckte mir nicht, aber da musste ich gleich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen. Denn als Iljah mit seinen Erklärungen so weit fertig war und mir offenbar alles gezeigt hatte, ging es dann für mich darum den ersten der Belege zu verarbeiten. Einen aus dem riesigen Haufen, zu dem der junge Mann offenbar bisher keine Zeit oder Lust hatte aufbringen können. Vielleicht auch beides. Er war ein recht vielbeschäftigter Mann soweit ich das beurteilen konnte und da hätte ich an seiner Stelle sicher auch hin und wieder mal einfach keinen Bock dazu, mich am Abend nach getaner Arbeit dann auch noch um die Buchhaltung zu kümmern. Nur stand es für mich jetzt gerade nicht zur Debatte, einfach nichts zu tun und den Kram an jemand anderes abzuschieben, sondern es blieb an mir hängen und so rückte Iljah schließlich ein Stück bei Seite, damit ich selbst gut an Maus und Tastatur kam, was ich beides auch etwas mehr in meine Richtung rückte. Ich saß damit insgesamt etwas näher bei dem jungen Mann als zuvor, aber das sollte mich erst einmal nicht zu sehr stören, während ich nebenbei etwas zu tun hatte. Also nahm ich mit den leicht gemurmelten, nachdenklichen Worten "Gut, dann mal los." den Hefter wieder etwas näher zu mir, damit ich ihn in angenehmer Sichtweite hatte und nicht permanent mit dem Blick auf dem Schreibtisch kreuz und quer wandern musste. Das entsprechende Eingeben der Daten funktionierte in meinen Augen dann auch noch ganz gut, dabei stieß ich nicht wirklich auf Probleme. Aber danach dann halt. Ich war zwar nicht blöd, aber wohl einfach ein bisschen überfordert damit so extrem viele Infos auf einmal wie ein Schwamm aufzusaugen. Könnte auch daran liegen, dass ich heute eben schon gearbeitet hatte und mich das ebenfalls so einige Nerven - gefühlt auch die eine oder andere graue Zelle - gekostet hatte. Für ein paar Sekunden lang sah ich planlos auf den Bildschirm und dann ließ ich mit einem hörbar von mir selbst genervten Seufzen den Kopf nach vorne kippen, wobei sich auch die vorher extra bei Seite geschobene Haarsträhne erneut selbstständig machte. Als ich den Blick kurz darauf wieder anhob sah ich zu Iljah. "Okay, es hakt... wo muss ich noch mal draufklicken?", gestand ich ehrlich und fragte im selben Atemzug nach, weil mir nichts anderes übrig blieb. Wahllos einfach irgendwohin zu klicken stand für mich nicht zur Debatte. Ich war zwar vielen Menschen damit voraus, dass ich mir Fehler oder Schwächen offen eingestehen konnte, aber das hieß noch lange nicht, dass mir das auch gefiel. Dementsprechend leicht grummelig musste mein Gesichtsausdruck für den Moment auch aussehen, aber ich war nun mal einfach ein sehr selbstkritischer Mensch.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Nachdem ich die Testumgebung für Irina eingerichtet hatte, rückte ich ein Stück zur Seite, damit die junge Frau ausreichend Platz hatte, um sich bequem und zumindest halbwegs ergonomisch vor den Bildschirm zu setzen. Maus und Tastatur gab ich ebenfalls an sie ab und verschränkte dann abwartend die Arme vor der Brust. Die Unterlagen hatte ich vorab allesamt überflogen und stichprobenartig geprüft, ob Rechnungen und Verträge auch ja anständig kontiert waren, sodass sich die erste Maske der Testumgebung quasi von selbst ausfüllte. Zumindest dann, wenn man des Lesens mächtig war und genug Hirnmasse besaß, um zu erkennen, dass der ausgefüllte Kontierungsstempel über alle notwendigen Informationen verfügte, nach dem das Programm verlangte. Glücklicherweise schien die Serbin eine solche Auffassungsgabe zu besitzen, sodass Schritt eins schon sehr bald abgehakt war. Wäre das nicht mit Abstand die simpelste Aufgabe eines gesamten Buchungsvorganges, hätte sie jetzt von mir einen kleinen Applaus bekommen, aber dafür musste sich die junge Frau schon noch ein bisschen mehr ins Zeug legen. Offensichtlich schien die Schwarzhaarige aber schon an der nächsten Seite zu scheitern, was mich verwundert eine Augenbraue anheben ließ. Nun wurde schon ein bisschen mehr Eigenintiative bei den Eintragungen gefragt, aber diesbezüglich hatte sich Irina, wenn mich nicht alles täuschte, das Meiste aufgeschrieben. Warum warf sie denn nicht einfach einen Blick in ihre Notizen? Aus Angst, dass sie mich damit verärgern könnte vielleicht? So ein Quatsch... Ich hatte zwar hohe Anforderungen an Jemanden, der mir zuarbeiten sollte, aber es war noch kein Meister vom Himmel gefallen und auf das Niedergeschriebene durfte sie in den ersten Tagen gerne noch zurück greifen, solange es dann nach zwei oder drei Wochen endlich saß. Hätte sie von Anfang an wirklich alles verstanden und konnte die Theorie auch genau so fix in die Praxis umsetzen, wie sie sich Stichworte notierte, wäre sie an einer Universität deutlich besser aufgehoben, als an der Seite eines Schwerverbrechers. Ich nahm das Ganze also noch sehr gelassen, es zierte lediglich ein amüsiertes Grinsen meine Lippen, als der Kopf der jungen Frau sich vermutlich wegen der ganzen überschlagenden Gedanken resigniert nach vorne kippte und sich dabei eine lose Haarsträhne in ihr Gesicht verwirrt. Ohne lange darüber nachzudenken oder etwas Bestimmtes damit bezwecken zu wollen, streckte ich eine Hand nach jener Strähne aus, um sie Irina kurzerhand wieder hinter das Ohr zu streichen. Warum und weshalb ich das tat, war mir im nächsten Moment ziemlich schleierhaft, aber ich ging einfach gar nicht weiter darauf ein und sah Irina völlig unbeirrt, mit einem ruhigen, ziemlich entspannten Blick an und zuckte ein wenig mit den breiten Schultern. "Sie haben sich doch eine ganze Menge dazu notiert. Werfen Sie ruhig einen Blick in Ihre Unterlagen. Schließlich befinden Sie sich noch in einem Lernprozess. Hilfsmittel sind erlaubt, solange Sie sich in der Simulationsversion bewegen.", motivierte ich meine Mitarbeiterin dazu, ihre eigens erstellten Lernmitteln zu verwenden, solange ich ihr das noch erlaubte. Dennoch wollte ich sie jetzt nicht einfach im Regen stehen lassen und für die Beantwortung von Fragen war ich schließlich hier. Also erklärte ich ihr den Schritt, der ihr augenscheinlich entfallen war, ein weiteres Mal. Dieses Mal allerdings nur in der Theorie, ohne die Klicks mit der Maus zu übernehmen. Das musste sie selbst machen, quasi meinen Worten folgen und mich beschlich dabei das ungute Gefühl, dass die Serbin nicht ganz bei der Sache war. Ich konnte nicht genau festmachen, woran es letztlich lag, aber die sonst so engagierte junge Frau mit der schnellen Auffassungsgabe schien auch nach der wiederholten Erklärung noch nicht ganz begriffen zu haben, welche Buttons sie jetzt eigentlich drücken musste. Das ließ mich erneut, aber weitaus misstrauischer eine Augenbraue anheben, während ich auf dem Stuhl wieder nach hinten rutschte. Um mit dem Finger auf die einzelnen Symbole zeigen zu können, hatte ich mich nämlich mit dem Oberkörper in Richtung des Bildschirm beugen müssen. Jetzt sah ich die junge Frau aber aus meiner Ausgangsposition heraus an. Irina hatte bis jetzt maximal zwei Anläufe gebraucht, um etwas zu verstehen und das Thema, worum es gerade ging, war nun wirklich nicht komplex. Es war also schon verwunderlich, dass sie jetzt augenscheinlich so etwas wie eine innere Blockade zu haben schien. Ob sie vielleicht eine kurze Pause brauchte? Vielleicht waren das jetzt einfach ein paar Informationen zu viel gewesen. Einfach durchatmen, vielleicht eine rauchen wäre auch ganz in meinem Sinne. Schließlich saßen wir nach meinen ganzen Erklärungen und Ausführungen nun fast schon über eine Stunde hier zusammen. Für jemanden, der gewöhnlich alle dreißig Minuten vor die Tür ging, um zu quarzen war das schon eine verdammt lange Zeit. "Irina, brauchen Sie vielleicht eine Pause? Sie scheinen mir gerade nicht ganz bei der Sache zu sein.", stellte ich mit neutral klingender Stimme fest. Sie blöd dastehen zu lassen oder ihr ein schlechtes Gewissen einzureden stand mir dabei selbstredend nicht im Sinn.
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Ich hörte ihm nicht zu. Kein einziges Wort drang von meinen Ohren bis zum meinem Gehirn mehr durch. Das Alles ging irgendwo auf dem Weg dazwischen verloren und es war wirklich ein kleines Wunder, dass ich mich nicht einfach in einem verzweifelten Fluchtversuch ruckartig nach hinten an die Lehne schmiss und damit hinten über kippte. Ich war auf wirklich Vieles vorbereitet gewesen. Dass er mich anmaulte, mich kritisierte, mich auslachte, sich anderweitig darüber amüsierte... aber dass Iljah seine Hand nach mir ausstreckte, um die für das Geschäft vollkommen irrelevante Strähne zurück an ihren ursprünglichen Platz zu bringen, das kam aus dem Nichts. Ich zuckte auch nicht mal zusammen, weil der Schock diesbezüglich so tief saß, dass ich mich kaum rühren konnte. Ihn stattdessen einfach nur aus den braunen Augen heraus anstarrte, während er irgendwas von Notizen und Simulation faselte. Das Einzige, was in diesem Zeitrahmen sonst meinerseits noch passierte, war der Hauch eines rötlichen Schimmers, der sich an meine Wangen legte. Selbst mein Kopf war vollkommen leer und ich drehte jenen zwar mit leicht flackernden Augenlidern wieder in Richtung des Bildschirms, aber der Russe stieß weiterhin gänzlich auf taube Ohren meinerseits. Während er also eine Weile lang im Grunde nur mit sich selbst redete ohne es zu wissen, weil ich nicht mal ein kleines bisschen aufnahmefähig war, brach dann parallel dazu auch noch der Sturm an Gedanken über meinen gefühlt sekündlich schwerer werdenden Kopf herein. Warum machte Iljah das? Einfach nur so? Brachte er Frauen schlichtweg gern zu seiner eigenen Unterhaltung in Verlegenheit, wenn sich ein günstiger Moment dafür bot? Hatte er vielleicht doch irgendwelche anderen Pläne bezüglich meiner Person, die ich nur bis jetzt noch nicht kannte? Die Liste mit Fragen, die ich mir in diesem Moment stellte, war gefühlt endlos und zu einem vollumfänglichen Ergebnis oder auch nur einer einzigen Antwort kam ich dabei natürlich nicht. Das Einzige, das ich mit Sicherheit in diesem Moment wusste, war, dass ich gerne mit meinem Stuhl so weit wie in diesem Raum nur irgendwie möglich von ihm wegrutschen wollte. Versteht mich nicht falsch - wahrscheinlich gehörte der junge Mann zu den attraktivsten Autohausbesitzern Russlands, wenn man markante Gesichtszüge und Tattoos mochte. Das änderte nur leider weder etwas an seiner Identität, noch an dem was er tat, oder gar an meinem ohnehin schon beständig vorhandenen Trauma mit dem männlichen Anteil der Weltbevölkerung, das wirklich absolut keinerlei Bestätigung mehr nötig hatte. Erst recht nicht in Hinsicht auf hinter dem Rücken des Staats agierende Clanführer, dafür hatte ich schon die beiden Sorokin-Arschlöcher im Nacken sitzen. Ich zwang mich mit fortwährend langsam klarer werdendem Kopf dazu zumindest an Ort und Stelle sitzen zu bleiben, solange der Tätowierte neben mir weiterhin Irgendwas erklärte, aber ihm gedanklich zu folgen war nach wie vor nicht möglich. Ich wusste ehrlich gesagt nicht mal mehr, worum es hier gerade überhaupt ging. Hatte vergessen, wonach genau ich vor gar nicht langer Zeit gefragt hatte und wo das Problem gelegen war. Die Angst kroch mir immer weiter im Hals nach oben und von dem Adrenalin, das mir förmlich durch die Adern rauschte und selbst meine Finger ein winziges bisschen zittern ließ, brauchten wir gar nicht erst anzufangen. Erst als Iljah mich schließlich danach fragte, ob ich eine Pause gebrauchen konnte, fand ich mehr oder weniger die Kontrolle über meinen Körper und meine Stimme wieder, die er mir bis hierhin ganz gekonnt verschlagen hatte. Wahrscheinlich gewann ich auch nur deswegen einen winzigen Teil meiner Fassung zurück, weil ich darin einen absolut dringend notwendigen Ausweg aus der Situation sah. Aber selbst das Nicken, das ich jetzt zustande brachte, sah noch leicht stockend und alles andere als sicher aus. "J... Ja, Pause klingt gut." Ich musste mich nach dem ersten Ansatz ein wenig räuspern, weil meine Stimme so dünn klang, dass der Ton fast nicht existent war. Auch danach ließ sich die Verunsicherung nicht ganz aus meiner Stimme beseitigen, obwohl ich es wirklich versucht hatte. Nach meinen Worten wartete ich aber gar nicht mehr lange damit vom Stuhl aufzustehen. Schob während den ersten Schritten danach die beiden Ärmel wieder nach unten und schlang danach meine Arme mitsamt dem Cardigan selbst um meinen Körper. Ich musste mich auch wirklich dazu ermahnen ruhige Schritte zu machen, statt förmlich zum Fenster zu sprinten. Dort angekommen löste ich die rechte Hand nur noch einmal aus der abweisenden Körperhaltung, damit ich nach dem Henkel greifen und das Fenster leicht öffnen konnte. Nicht so, dass der Raum innerhalb von zehn Minuten gefühlt auf Minustemperatur fallen würde, aber doch so, dass etwas mehr frische Luft hereinkam, als wenn ich die Scheibe nur gekippt hätte. Ich lehnte mich seitlich mit der Schulter an die Wand neben dem Fensterrahmen, damit ich Iljah im Augenwinkel behalten konnte, ihn aber nicht direkt ansehen musste, sondern durch den offenen Spalt aus dem Fenster sehen konnte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Zu sagen, dass mich Irinas Reaktion irritierte, wäre wohl noch mild ausgedrückt und zudem auch noch vollkommen überflüssig zu erwähnen gewesen. Dass die junge Frau plötzlich derart neben sich stand, ergab für mich schlichtweg keinen Sinn, hatten wir uns doch gerade eigentlich ganz gut unterhalten. Außerdem machte in einer beachtlichen Zeit wirklich große Fortschritte, wenn man mich fragte. Hier und da haderte es vielleicht ein bisschen, aber das war doch vollkommen normal und absolut kein Grund, gedanklich von der Erde auf einen anderen Planeten auszuwandern. Ich dachte nicht einmal im Traum daran, dass meine Berührung von gerade eben auch nur im Ansatz etwas mit ihrer Verstimmung zu tun haben könnte, sondern wunderte mich einfach weiter darüber, was plötzlich in Irina gefahren war. Normalerweise würde ich jetzt einfach nachfragen, was los war, wo das Problem lag, aber von letzteren hatte ich aktuell schon genug und demnach keine Zeit, mich auch noch um die von meinen Mitarbeitern zu kümmern. Die Pause war also alles, was ich Irina anbieten konnte und wie es schien, wurde das Angebot auch bereitwillig angenommen. Schon wenige Augenblicke später stand die Schwarzhaarige von ihrem Stuhl auf, um sich förmlich an das Fenster zu flüchten und ein wenig Frischluft in den Raum hinein zu lassen. Nicht, als wäre das jetzt wirklich notwendig gewesen, denn auch wenn es hier drin im Gegensatz zu draußen schon deutlich wärmer war, lief die Heizung hier drin lediglich auf der zweiten von insgesamt fünf Stufen, was übersetzt so viel hieß wie irgendwie ist's hier doch etwas frisch. In meinen Augen allerdings angenehm temperiert, man konnte gut arbeiten, wenn man mich fragte. Wenn aber die Eiseskälte gerade das war, was Irina brauchte, um den Kopf wieder frei zu bekommen, dann sollte mir das nur recht sein. Ich würde einen Teufel tun und sie ermahnen, das Fenster wieder zu schließen. Immerhin war ich diese frostigen Temperaturen schon von klein auf gewohnt und konnte, wenn es sein musste, auch im T-Shirt vor die Tür gehen, ohne, dass ich innerhalb von zwei Minuten erfror. Irgendwann war nur leider rein körperlich Sense, wenn die körpereigene Temperatur langsam absackte, denn sich mit eisernem Willen zu wärmen funktionierte noch nicht. Jedenfalls blieb ich noch einen Moment lang an meinem Platz sitzen, sah der Schwarzhaarigen argwöhnisch hinterher, ehe ich mich dann doch dazu entschied, aufzustehen und ihr an das geöffnete Fenster zu folgen. Vorab kramte ich in der Jackentasche allerdings nach der Zigarettenschachtel, die neben den Glimmstängeln auch das Feuerzeug beherbergte. Ohne mir die Jacke über die Arme zu ziehen, schloss ich schließlich zu der jungen Frau auf und streckte meine Hand nach dem Fenstergriff aus. Irina hatte das Fenster nur um einen Spalt weit für frische Luft geöffnet, wenn ich aber rauchen sollte, wäre ein anständiger Durchzug, beziehungsweise eine gescheite Abluft von Nöten. Ich hasste es nämlich, im kalten Rauch zu sitzen und ging deshalb in der Regel zum Rauchen lieber vor die Tür. Heute allerdings nicht, was schlichtweg daran lag, dass mich die Serbin neugierig hatte werden lassen. Eine schrecklich lästige Eigenschaft, wenn man mich fragte, denn noch vor wenigen Sekunden hatte ich mich selbst dazu ermahnt, sie nicht zu fragen, was los war und nun erwischte ich mich dabei, wie ich es doch tat. Als würde die finanzielle Krise und das mehr schlecht als recht laufende Unternehmen nicht vollkommen ausreichen, wollte ich mich jetzt scheinbar doch noch den Problemen meiner Unterstellten annehmen. Ich klemmte mir gerade den Filter der Zigarette zwischen die Lippen, als ich mich mit der Hüfte gegen die Fensterbank lehnte und meinen Blick auf die an die Wand gelehnte junge Frau richtete. "Was ist los, Irina? Ich merke, dass Ihnen nicht wohl ist. Geht Ihnen das alles ein bisschen zu schnell? Wo gibt es Probleme?", erkundigte ich mich zwischen dem ein oder anderen Zug an der Kippe, wobei ich es tunlichst vermied, ihr den Rauch beim Ausatmen oder Ansprechen direkt ins Gesicht zu pusten. Stattdessen drehte ich den Kopf leicht seitlich, sah damit zwischenzeitlich mehr aus dem Fenster, damit sich der Qualm nach draußen verflüchtigten konnte, anstatt gleich noch eine ewig lange Zeit im Büro zu stehen. Nichtsdestotrotz versuchte ich, den ruhigen, alles andere als drängenden Blick so oft wie es mir möglich war auf die Schwarzhaarige zu richten. Ich wollte einfach gerne wissen, wo der Schuh drückte, denn mit einer solchen Einstellung, wie Irina sie kurz vor der kleinen Pause an den Tag gelegt hatte, ließ sich einfach nicht gut arbeiten. Ich würde ihr also tatsächlich mehr aus Eigennutz helfen wollen, nicht etwa, weil ich so ein netter Chef war. Aber es brachte mir nichts, meine Zeit mit ihr zu vertrödeln, wenn ich alles doppelt und dreifach erklären musste. Blieb nur zu hoffen, dass nicht etwa irgendein Familienmitglied gestorben war und sie sich gerade daran erinnert hatte. Das wäre nämlich eine Sache, bei der ich kaum mit ein paar netten Worten einlenken konnte. Wer ahnte denn aber bitte, dass sie sich nur so verrückt machte, weil ich ihr beiläufig und ohne jegliche Art von Hintergedanken eine Strähne aus dem Gesicht gestrichen hatte?
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es war gut, dass Iljah zumindest im ersten Moment noch dort sitzen blieb, wo er war. So hatte ich immerhin ein kleines bisschen Zeit dafür meinen Kopf in eine fast annehmbare Richtung zurückzulenken. Die nervigen Kreise, die meine Gedanken gerade drehten, waren nämlich wirklich kein bisschen mit guter Arbeit vereinbar und ich hätte mir gewünscht, dass Ksenia mir mit einem ihrer Joints durchs Fenster entgegen gekrabbelt kam. Ich rauchte nicht, hatte ich mich doch noch nie mit diesem Geschmack anfreunden können, aber meine beiden Mitbewohnerinnen teilten sich öfter mal ein bisschen Gras und wenn es einer der Tage war, an denen ich selbst gestresst war, zog ich gerne daran. Häufig reichten ein oder zwei Züge bei mir vollkommen, sofern ich sie ein bisschen länger in der Lunge hielt, um eine ausreichende Wirkung zu erzielen und mich ein wenig entspannen zu lassen, weil ich das Zeug nur selten konsumierte. Nur stand eine Tüte hier weder zur Diskussion, noch kam ich jetzt an eine ran. Ich musste also auf den einzigen übrig bleibenden Weg zurückgreifen, wenn er keinen Wein mit ins Büro hatte liefern lassen - atmen. Kontrolliert ein und ausatmen, bis der Kopf wieder mitspielte. Mir parallel dazu innerlich immer wieder sagen, dass ich nicht überreagieren sollte und der junge Mann im Grunde gar nicht wirklich was getan hatte, das mich sofort die Beine in die Hand nehmen und wegrennen lassen musste. Nur kam ich gar nicht erst wirklich bis zu einem brauchbaren, wirklich ruhigen Punkt in meinem Kopf zurück, weil Iljah mich damit unterbrach, dass er aufstand. Dadurch hatte er unweigerlich sofort wieder meine volle Aufmerksamkeit und ich folgte ihm aus dem Augenwinkel heraus mit meinem Blick. Dass er Irgendwas aus seiner Jackentasche holte schürte sofort wieder meine Paranoia, die sich aber zumindest in dieser Hinsicht mit der Kippenschachtel zeitnah wieder beruhigen ließ. Er ging danach dann auch ganz normal zu mir ans Fenster, strahlte keinerlei Anspannung oder anderweitige Unruhe aus und trotzdem stieg der Pegel meiner Nervosität gleich wieder ein kleines Stück weit an. Aber ich blieb wo ich war, verharrte in meiner Position. Sah dem Russen dann mit noch leicht unruhigem Blick dabei zu, wie er das Feuerzeug aus der Schachtel holte und sich die Zigarette anzündete. Ich wäre ihm wohl dankbar dafür gewesen, wenn er es dabei auch belassen hätte, statt mir diese eine, blöde Frage zu stellen, von der ich mir so gar nicht sicher war, wie ich sie beantworten sollte. Die unausgeschmückte Wahrheit? Ganz bestimmt nicht. Mir stand nun wirklich nicht der Sinn danach einem im Grunde vollkommen fremden Menschen meinen bisherigen Leidensweg zu erörtern, nur damit er verstand, warum mich die Berührung jetzt so kirre gemacht hatte. Lügen und mir irgendeine andere Geschichte aus dem Hut zu ziehen schien mir aber auch ziemlich sinnlos, weil ich derartig aufgekratzt ganz einfach eine furchtbar schlechte Lügnerin war. Ich konnte sehr glaubhaft lügen - wenn ich mich mental darauf vorbereiten konnte und wusste, wohin genau mich diese Lüge führen sollte. Nur eben nicht so spontan, wie ich das jetzt tun müssen würde und das auch noch in so aufgewühlter Verfassung. Nein, ebenfalls keine Option. Die einzig gangbare Möglichkeit schien mir eine Halbwahrheit zu sein, die mein eigentliches Problem eher nicht widerspiegelte, sondern den Kernpunkt auf etwas anderes legte, aber trotzdem nicht ganz fernab der Realität war. Zwar war ich mir absolut nicht sicher damit, wie Iljah darauf reagieren würde, wenn ich ihm nun sagen würde, dass ich seine Berührung als unangebracht empfand, aber da musste ich jetzt dann wohl oder übel ins kalte Wasser springen. Ich seufzte leise und zog den Cardigan am Dekolleté noch etwas höher, weil es dort durch das inzwischen deutlich weiter geöffnete Fenster sonst ziemlich unangenehm kalt werden würde. "Ich... denke einfach, dass die Sache mit den Haaren unangebracht war. Wir sind zum arbeiten hier, wenn ich mich nicht irre...", murmelte ich, aber der Dunkelhaarige stand ohnehin nicht weit weg. Ich hatte wieder aus dem Fenster gesehen und streifte das Gesicht des jungen Mannes auch erst nach meinen Worten für ein paar Sekunden flüchtig mit meinem Blick, bevor die Augen erneut das Weite suchten. Es war mir egal, dass man in meine Worte theoretisch rein interpretieren konnte, dass ich schrecklich spießig oder verklemmt war. Oder dass ich heimlich für den Tätowierten schwärmte und deswegen nur Konfrontation auf der Arbeit vermeiden wollte. Oder aber, dass ich sehr indirekt in Frage stellte, ob wir denn wirklich nur zum Arbeiten hier waren. Von mir aus konnte Iljah in meinen Worten sehen was er wollte, solange er nicht in eine unschöne Richtung weiter nachhakte oder mir erneut auf die Pelle rückte. Jemandem mehr oder weniger ins Gesicht zu fassen war in meinen Augen so oder so eine Sache, die für blanke Arbeitsatmosphäre deutlich zu weit in den privaten Radius einrückte. Um recht unmissverständlich zu signalisieren, dass mir nach weiterer Berührung eher nicht der Sinn stand, schlang ich die schmalen Arme noch enger um meinen Oberkörper und vergrub dabei unbewusst auch die Hände bis in die Ärmel.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Gerade weil das menschliche Unterbewusstsein in den denkbar ungünstigsten Situationen Vergangenes auf den Plan rief, hatte ich prinzipiell mit so ziemlich allem gerechnet. Entweder eben mit einem verstorbenen Eltern- oder Großelternteil, vielleicht hatte es aber auch die Katze oder den geliebten Fisch erwischt, was wusste ich schon. Andererseits wären da noch Existenzängste, die sie plagen könnten. Ich bezahlte meine Angestellten zwar nun wirklich nicht schlecht, aber wenn sie hohe Schulden hatte wäre auch das prinzipiell möglich gewesen. Dass es jedoch an der kurzen, außerplanmäßigen Berührung lag, mit der ich ihr die lose Haarsträhne hinter das Ohr gestrichen hatte, ließ mich Irina kurzzeitig etwas verblüfft angucken. Sie war also nur deswegen so durch den Wind? Ich wusste übertrieben gesagt wirklich nicht, ob ich nun lachen oder weinen sollte, aber das war in meinen Augen gerade der absolute Wahnsinn. Zum einen war es total amüsant, dass sie sich an der Sache aufzuhängen schien, weil das natürlich eine ganze Menge Raum für Interpretationen bot, auf der anderen Seite stand es mir natürlich weniger im Sinn, die junge Frau hier und heute um den Verstand zu bringen. Sei es jetzt nun deswegen, weil ich unglaublich gut aussah und sie die Berührung in ihren Augen ein bisschen zu sehr genossen hatte oder weil sie sich bedrängt fühlte. Schließlich hatte das, wie man gerade bestens sehen konnte, negative Auswirkungen auf die Arbeitsweise der jungen Frau und mehr Zeit ins Land ziehen lassen, als das für die Einarbeitung nötig war, wollte ich nun auch nicht. Zumindest nicht wegen einer beiläufigen Berührung. Nichtsdestotrotz war ich jetzt erst einmal baff und rauchte bestimmt noch die Hälfte der Zigarette auf, bis ich mich final dazu entschieden hatte, was für eine Art Antwort sie von mir bekommen sollte. "Wenn es das ist, was Sie so stört, Irina, warum haben Sie nicht direkt etwas gesagt? Das hätte uns viel Zeit erspart, weil ich mich dann früher bei Ihnen hätte entschuldigen können. Es war definitiv nicht meine Absicht, Sie zu bedrängen oder Ihnen anderweitig zu nahe zu treten. In der Regel reagieren Frauen nur nicht so... geschockt auf meine Berührungen. Ich habe zugegebenermaßen nicht darüber nachgedacht, dass es in der Hinsicht sicherlich auch Ausnahmen gibt. Es tut mir also leid, wenn ich mich in Ihren Augen unangemessen verhalten habe.", drehte ich den Spieß schließlich einfach um und wälzte damit einen großen Teil der Schuld daran, dass wir die Arbeit unterbrechen mussten, auf die Schwarzhaarige ab. Natürlich behielt ich den ruhigen, vollkommen entspannten Tonfall bei, während meine Augen von einem kaum wahrnehmbaren, herausfordernden Funkeln heimgesucht wurden und meine Lippen ein verschmitztes Lächeln umspielte. Die Entschuldigung war in dem Fall also nur mehr oder weniger ernst gemeint gewesen, was anhand der vorangegangen Worte auch ziemlich offensichtlich war. Ich fühlte mich nicht unbedingt auf den Schlips getreten, legte ich es ja nun wirklich nicht drauf an, die junge Frau neben mir hier um den Finger zu wickeln. Dafür hatte ich ganz andere, eher unkonventionellere Methoden, als sie mit ein paar Berührungen verrückt nach mir werden zu lassen, aber ich fand es einfach unglaublich amüsant, wie sie das augenscheinlich mitnahm. Und weil es mir doch irgendwie schwer viel, meine Belustigung darüber zu verbergen, verpackte ich es einfach ein bisschen netter. Zumindest hörte sich das Gesagte schon mal weitaus besser an, als Oh, entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie mit meiner Anwesenheit und meinen Berührungen nervös mache. Ist Ihnen das nur so unangenehm, weil Ihnen ein Mann noch nie so offen gegenüber getreten ist oder hat das andere Gründe? Klar, ich ging stark davon aus, dass die hübsche Serbin mit einigen Verehrern zu kämpfen hatte, sich sicherlich täglich mit dummen Sprüchen rumärgern musste. Hässlich war sie schließlich nicht, was zum Teil auch einer der ausschlaggebenden Gründe für ihre Einstellung damals gewesen war. Logischerweise war es nicht darum gegangen, dass meine Mitarbeiter oder ich selbst etwas zu sehen hatten, sondern schlichtweg mehr männliche Kunden ins Autohaus gelockt wurden. Waren sie erst einmal durch die Tür in den Showroom getreten und wurden von Irinas professionellem Lächeln und ihrem guten Aussehen empfangen, war ein verkauftes Auto nur noch eine Frage der Zeit. Schließlich war die junge Frau auch ziemlich hartnäckig und damit eine echte Bereicherung für mein Unternehmen gewesen. Es war also ziemlich schade, dass sie ihren Job als Verkäuferin an den Nageln hängen und stattdessen mit mir in der Buchhaltung schuften musste. Etwas dagegen einzuwenden hatte ich logischerweise nicht. Rein optisch war sie total mein Typ, aber ich bevorzugte es, Geschäftliches und Privates strikt zu trennen. Es war aus meiner Sicht daher schon vollkommen unmöglich, mehr in diese Haar hinters Ohr streichen Geste hineinzuinterpretieren. Die indirekte Unterstellung, wir wären nicht bloß wegen der Arbeit hier zusammengekommen wollte ich jedoch nicht unkommentiert stehen lassen und gab Irina deshalb eine sehr ausdrucksvolle Einführung in die Lernfelder Wie drehe ich den Leuten die Worte im Mund herum und Wie drehe ich Aussagen so, dass ich am Ende nicht Schuld bin.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es dauerte eine ganze Weile, bis der Schwarzhaarige sich dann dazu aufraffte überhaupt mal zu einer Antwort anzusetzen. Den vorherigen, offenbar ziemlich überraschten Blick nahm ich durchaus war, bevorzugte es aber dennoch einfach erstmal weiter aus dem Fenster zu sehen. Ich wäre gern auch noch ein oder zwei Schritte rückwärts gegangen, weil es mich auch nicht gerade beruhigte, dass Iljah sich mit der Antwort so lange Zeit ließ. Aber hey, wenigstens ging er nicht prompt an die Decke oder irgendwas anderes in dieser Richtung. Ich war mir nämlich nicht sicher, ob ich dann nicht wirklich einfach im Laufschritt meine Tasche vom Boden und den Mantel vom Stuhl gezogen hätte, um die Flucht anzutreten. Es kitzelte jetzt schon seit einer Ewigkeit einen ganz bestimmten Nerv in meinem Körper, wenn Männer laut oder anderweitig aggressiv wurden und es löste Panik aus. Pure, instinktive Angst. Als der junge Mann dann endlich mal den Mund aufmachte und sich zu der Misere äußerte, drehte ich den Kopf doch wieder vorsichtig in seine Richtung und musterte seine Gesichtszüge. Zwar wusste ich nicht so recht, was ich darin suchte, aber seine Wortwahl war wirklich... maximal semi-zufriedenstellend. Warum hast du das nicht gleich gesagt? Weil es unterschwellig unhöflich war, beziehungsweise so aufgefasst werden könnte. Hauptsächlich natürlich aber einfach deswegen, weil ich gar nicht hatte reden können. Meine Stimmbänder vermutlich kurzzeitig zugefroren waren, so wie so ziemlich der gesamte Rest meines Körpers. Das konnte ich so nur schlecht sagen, wenn er von der eigentlichen Angst nichts wissen sollte. Es war ja auch schön für ihn, dass er was Frauen anbelangte scheinbar selten Abweisung zu spüren bekam, nur gewöhnte er sich in Hinsicht auf meine Wenigkeit besser jetzt schon daran. Das allerletzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war irgendein kompliziertes Liebesdrama mit meinem Chef - nicht, als würde ich irgendwelche Gefühle für den Russen hegen. Aber wir verbrachten zwangsweise künftig etwas mehr Zeit miteinander und dadurch lernte man sich besser kennen, ob man das nun wollte oder nicht. Er konnte also auch noch so sanft beim Haarsträhne aus dem Gesicht streichen sein - seine Hände sollten trotzdem am besten für immer da bleiben, wo sie jetzt gerade waren: abseits von mir. Es kribbelte mir wirklich in den Fingern ihm noch einmal mit einigen eher unhöflichen Worten ins Gesicht zu knallen, dass ich nicht Frauen war und auch ihn zu fragen, ob er das denn häufiger bei dem Rest seiner weiblichen Angestellten machte. Ich war vielleicht nicht besonders groß oder anderweitig furchterregend, aber ich konnte wirklich giftig werden, wenn mir etwas gegen den Strich ging. Nur konnte ich es mir hier und jetzt eher nicht erlauben ihm seine dem Klang nach zu urteilen ohnehin nicht ernst gemeinte Entschuldigung vor die Füße zu kotzen. Schlichtweg weil ich nicht wusste, wie sensibel er auf sowas reagierte und ob er mich dann einfach spontan aus dem Fenster schmiss. Einen Sturz aus dem dritten Stock zu überleben war eher unwahrscheinlich und alles auf eine Karte zu setzen, nur weil mir seine Worte nicht passten, kam gar nicht in Frage. Um ein leises, kurzes Schnauben kam ich dann aber doch nicht ganz herum. Allein schon deshalb, weil ich es nicht mochte, wenn Jemand den Spieß umzudrehen versuchte. "Weil es dem einen oder anderen unhöflich erscheinen könnte, obwohl es gar nicht so gemeint ist. Sie sind mein Chef und ich habe keine Lust auf ein angespanntes Arbeitsverhältnis, nur weil das männliche Geschlecht auf Körbe häufig sehr empfindlich reagiert.", enthielt ich ihm die eigentliche Ursache meiner Anspannung weiterhin vor, verwies ihn stattdessen auf ein ebenso der Wahrheit entsprechendes Problem in der Gesellschaft. Ließ ihm danach noch ein allzu seliges Lächeln zukommen und wandte mich von ihm ab. Löste mich von der Wand, um zurück zum Schreibtisch zu gehen. Dort stellte ich Iljahs Stuhl demonstrativ etwas mehr als dreißig Zentimeter weiter von meinem eigenen weg, bevor ich mich selbst hinsetzte und versuchte, mich einfach wieder auf die Arbeit zu konzentrieren. So gut, wie es eben möglich war, wenn der Kerl immer noch im Raum war. Aber dass er für kurze Zeit etwas auf Distanz war, weil er die Zigarette wohl noch zu Ende rauchen musste und sie dabei nicht in den Raum hineintragen wollte - was ich ihm tatsächlich positiv anrechnete, weil im Zigarettenrauch sitzend zu arbeiten wirklich beschissen wäre -, ließ mich zumindest halbwegs ruhig in meinem Notizbuch Blättern und mich in Verbindung mit dem Bildschirm auf dem Tisch den Punkt wiederfinden, an dem es gerade so massiv gehadert hatte. Mehr nur deshalb, weil der gutaussehende junge Mann mich angefasst hatte und deutlich weniger, weil es zu kompliziert war. Letzteres bestätigte ich mir selbst dann auch noch einmal damit, dass sich die Lösung für den Schritt nach dem Eingeben der Daten durch meine vorher niedergeschriebenen Stichpunkte leicht von mir wiederfinden ließ. Jetzt war der Kopf aber halt auch wieder ein bisschen klarer als vor zehn Minuten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Bitte was? Es könnte unhöflich aufgefasst werden? Keine Ahnung, mit was für Unmenschen Irina in ihrem bis dato noch ziemlich kurzen Leben verkehrt hatte, aber in meinen Augen war es alles andere als unhöflich, auf etwas hinzuweisen, das man nicht mochte. Natürlich hätte ich mir auch nicht einfach das Recht rausnehmen und sie berühren dürfen, das war wohl auch klar. Aber was hätte Irina denn getan, wenn statt meiner Wenigkeit jemand anderes neben ihr gesessen und sie angefasst hätte? Wenn sie mit nicht mehr als dieser überaus komischen, in sich gekehrten Art darauf reagierte, konnte man das auf sehr vielen Ebenen absolut missverstehen. Mir persönlich hatte nicht im Sinn gestanden, sie nach der Aktion noch weiter zu bedrängen - nicht einmal das Haar hinters Ohr streichen war wirklich geplant gewesen -, jedoch ging ich stark davon aus, dass viele der männlichen Mitmenschen vielleicht noch einen Schritt weiter gegangen wäre, wenn von der jungen Frau kein eindeutiges Signal ausging, dass sie das nun mal einfach nicht wollte. Dass sie direkt noch einen drauf setzte und scheinbar der Auffassung war, ich würde jetzt nur so reagieren und ihr die Schuld an der Misere zuschieben wollen, weil ich mit einem Korb nicht umgehen konnte, ließ mich dann doch leise auflachen. Offensichtlich redeten wir nämlich vollkommen aneinander vorbei und ich fühlte mich kurzzeitig in eine Auseinandersetzung mit Vahagn von vor ein paar Tagen zurückversetzt. Wir hatten nach ihrer Abreise noch das ein oder andere mal telefoniert und, wie war es anders eigentlich zu erwarten, natürlich gestritten. Wie so oft, wenn wir nicht einer Meinung waren und mein geliebtes Schwesterherz einfach mit irgendeiner gequirlten Scheiße ohne Sinn und Verstand um sich warf. Irina nahm sich augenscheinlich ein absolutes Beispiel an meiner anderen, vier Jahre jüngeren Hälfte, sodass ich mich kurz nach ihrem Abgang - der mehr einem Rückzug glich - nur noch kopfschüttelnd mit meiner Zigarette befasste. Ab und an vergaß ich, dass die Serbin noch derart jung war und man manchmal glatt meinen könnte, sie hätte die Pubertät noch nicht ganz hinter sich gelassen. Das lag wohl einfach daran, dass sie im Verkauf einen sehr selbstsicheren, souveränen Eindruck machte und ich sie deshalb deutlich älter einschätzte. Und eigentlich war sie das ja auch. Zumindest geistig. In Situationen wie diesen hier, wollte ich mir jedoch nur mit der Hand an die Stirn fassen und den lieben Gott fragen, was ich denn nun schon wieder verbrochen hatte, dass er mich ein weiteres Mal mit einem zickigen Kleinkind strafte. Ein Kind, was einfach bockig wurde und an einem weiteren, klärenden Gespräch kein Interesse hatte... Aber auch das nahm ich noch einigermaßen gelassen, wobei mir vor allem das Nikotin sehr gut half und die Tatsache, dass ich dieses Spiel schon einmal gespielt hatte. Das Ganze demnach nur noch mit Humor nahm und sie ohne einen weiteren Kommentar diesbezüglich abzulassen gehen ließ. Ich selbst blieb noch einen Moment lang am Fenster stehen, um den Glimmständen zu Ende zu rauchen, ehe ich ihn ungeachtet geltender Hygieneregeln hier in Moskau einfach aus dem Fenster schnipste. Nachdem ich für ein paar Sekunden noch die frische Luft eingeatmet hatte, stieß ich mich schließlich von der Fensterbank ab, kippte das Fenster und beobachtete im Augenwinkel dabei, wie Irina ihren Stuhl ein Stück weit von meinem entfernte, was mich weiterhin nur amüsiert grinsen ließ. Mittlerweile war es absolut vergeudete Liebesmüh, zu versuchen, meine Belustigung hinter ein paar gespielt ernst gemeinten Sorgen zu verbergen, weil die Dunkelhaarige sich davon offensichtlich nicht wirklich beeinflussen ließ. Dafür hatte sie schlichtweg ein bisschen zu viel im Kopf, als dass sie auf meine mehr oder weniger charmante Art, die Dinge zu regeln, hereinfiel. Stattdessen wurde die süße Maus ganz schön garstig, was mir so bis dato noch nie wirklich aufgefallen war. Zugegebenermaßen hatten wir aber auch noch nie besonders eng miteinander gearbeitet. Für gewöhnlich grüßten wir uns lediglich im Showroom und verabschiedeten uns flüchtig beim Feierabend voneinander. Das letzte Mal, als wir so nah beieinander gesessen hatten, war wohl bei ihrem Einstellungsgespräch gewesen und da hatte sogar noch ein Schreibtisch zwischen uns gestanden, war im Vergleich zu jetzt also auch etwas ganz anderes. Jedenfalls schloss ich schon bald wieder zu der jungen Frau auf, ließ mich auf den Stuhl fallen, der jetzt insgesamt ein bisschen weiter weg stand, als noch zuvor. Von der Aktion zeigte ich mich allerdings sichtlich unbeeindruckt, denn wenn ich es wirklich gewollt und darauf angelegt hätte, wäre ich auch weiterhin mit dem Ausstrecken meines Armes an Irinas Gesicht gekommen. Nur wollte ich das eben nicht und konzentrierte mich damit nicht weniger als die junge Frau neben mir wieder auf die Arbeit. Inzwischen schien sie das Problem, an dem es vor ein paar Minuten noch gehakt hatte, gelöst zu haben, weshalb ich wieder die lockere, entspannte Position mit vor der Brust verschränkten Armen einnahm. Immer mal wieder zwischen ihrem Gesicht und der zu verrichtenden Arbeit hin und her sah. Diese Kratzbürstigkeit, wenn ihr etwas unangenehm war, sie sauer wurde... die hatte was. Ließ Irina doch ein wenig interessanter werden als sie es noch vor unserer kleinen Auseinandersetzung gewesen war.
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Der Abend vor ein paar Tagen, an dem ich mich von Iljah in die Buchführung hatte einweisen lassen, war sehr zu meinem Missfallen noch ziemlich lang geworden. Nach unserer kleinen Auseinandersetzung wäre es wirklich schön gewesen, wenn ich mich zumindest nicht mehr allzu lange in seiner Anwesenheit hätte aufhalten müssen. Die kleine, brave Soldatin, die ich nun einmal - mehr oder weniger - war, wusste es aber auszuhalten und trotzdem fiel mir auf dem Nachhauseweg gefühlt tonnenweise Schutt von den zuvor chronisch angespannten Schultern. Zuhause war dann auch wirklich ein Glas Wein notwendig gewesen, bevor ich mich im Versuch zu schlafen später ins Laken gerollt hatte. Leider hatte aber der Alkohol nichts daran ändern können, dass mein Unterbewusstsein sich weiter mit der Iljah-Situation befasste und das auf gefühlt jede mögliche Art und Weise. Meine Träume gestalteten sich in dieser Nacht also dementsprechend sehr lebhaft und der nächste Tag war kaum zu übertreffen, was mein Level an Müdigkeit betraf. Nur noch fünf Prozent Akku auf dem Handy waren da sicher ein sehr treffender Vergleich. Ich war auch so ziemlich den ganzen Tag über gedanklich damit beschäftigt meinen eigenen Schädel dafür zu verfluchen, dass er es nicht einfach gut sein lassen konnte, sondern mir noch einmal ausgerechnet des Nachts vor Augen führen musste, was statt dem eigentlich gar nicht soo schlimmen Gespräch rein theoretisch so alles hätte passieren können. Und wenn ich sagte alles, dann meinte ich wirklich absolut alles. Am nächsten Tag danach hatte ich dann meine nächste Privatstunde mit dem werten Herrn Gniwek und ich brauchte wohl kaum zu erwähnen, dass ich mich dabei wieder in etwa genauso unwohl fühlte, wie schon das erste Mal. Mein Unterbewusstsein hatte meine anhaltende Paranoia wirklich hervorragend unterstützt, aber wenigstens kam es nicht noch einmal zu einem Zwischenfall mit unangebrachtem Körperkontakt. Dementsprechend konnte ich mich verhältnismäßig gut auf die Lehrstunde konzentrieren und in meinen Augen tat ich mir mit der teils auf den ersten Blick verwirrend aussehenden Zahlenflut auch gar nicht so schwer. Natürlich musste ich auch dieses Mal hier und da nachfragen oder nochmal auf meine Notizen zurückgreifen, machte ein oder zwei kleinere Fehler, aber ich würde zu behaupten wagen, dass Iljah an meiner Arbeit an sich nicht wirklich etwas auszusetzen haben konnte. Ich versuchte vorbildlich mein Bestes zu geben - was ganz gut funktionierte, solange er mich nicht anfasste - und mehr konnte er ohnehin nicht von mir verlangen. Aber auch, wenn ich mir mit Alledem nicht grundlegend schwer tat, war ich auch dieses Mal nach der Lerneinheit mit dem Russen ziemlich erledigt. Körperlich vielleicht nicht, aber mental in jedem erdenklichen Sinne. Mir rauchte der Kopf vom Denken und meine Nerven waren allein von Iljahs Anwesenheit schlichtweg ziemlich angespannt - demnach insgesamt komplett überstrapaziert, als es vorbei war und ich hieß es wirklich willkommen, dass Ksenia bei meiner Rückkehr Zuhause war. Sie musste nicht arbeiten, hatte jetzt zwei Tage unter der Woche frei, damit sie stattdessen das Wochenende durcharbeiten konnte. Also musste ich wenigstens nicht allein auf dem Sofa in meinen Gedanken versinken, sondern konnte mich zum einen ein bisschen bei ihr auskotzen und zum anderen auch auf andere Gedanken kommen. Nach all dem Stress war ich umso glücklicher darüber, dass der Tätowierte mir am heutigen Abend - dem Tag danach - wieder einen Tag Pause von dem Finanzkram ließ und ich wie gewohnt meine Freunde in unserer Lieblingsbar treffen konnte, nachdem ich mich am Nachmittag noch einmal selbstständig ein bisschen mit Buchhaltung befasst hatte. Es kam nur manchmal eine meiner beiden Mitbewohnerinnen mit, aber dass Ksenia frei hatte kam uns heute gelegen. Wir betraten die Bar mit ineinandergehakten Ellbogen lachend und meine Laune hätte kaum besser sein können, weil ich dieses einfach den Kopf abschalten wirklich herbeigesehnt hatte. Wir ließen uns gegen 21 Uhr zu den anderen an den Tisch sinken und erstmal floss ganz gemütlich nur ein mildes Glas voll prickelndem Sekt meine Kehle runter. Ksenia forderte mich irgendwann innerhalb der nächsten Stunde zu einem kleinen Tanz auf, weil eines ihrer aktuellen Lieblingslieder im Hintergrund lief und ich ließ mich mit einem leichten Augenrollen grinsend von der Sitzbank hochziehen. Dass Iljah irgendwann in der Zwischenzeit ebenfalls die Bar betreten hatte, bekam ich gar nicht mit. Schließlich starrte ich nicht permanent in Richtung Eingang, während ich entweder mit der Blondine tanzte oder mich mit dem bunt zusammengewürfelten Rest am Tisch unterhielt. Es waren wohl die unterschiedlichsten Nationalitäten im Alter von 18 bis 25 vertreten. Die Jungs in der Runde waren schon wieder dabei sich eine Flasche Vodka und genügend Shotgläser für Jedermann zu bestellen. Das taten sie jedes Mal, weil das Zeug nicht so teuer war und jeder am Tisch dafür zu haben war - außer mir. Zwei oder drei Minuten weigerte ich mich noch sehr vehement gegen das durchsichtige Gesöff, weil ich es ganz einfach nicht mochte - ich war wohl einfach mehr Serbin als Russin, auch was die Alkoholverträglichkeit anbelangte. Letztendlich kam ich um zumindest einen einzigen Shot aber doch nicht rum. Stieß mit den anderen an und verzog direkt im Anschluss angewidert das Gesicht, kaum hatte ich den Vodka runtergekippt.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es war schon seltsam, wie lange man sich mit einer Sache befassen konnte, die im Grunde genommen eigentlich gar nicht wirklich der Rede wert war. Der Vorfall von vor wenigen Tagen war beispielsweise etwas, worüber ich noch am heutigen Morgen nachdachte, als ich am Frühstückstisch meinen Kaffee trank und mir parallel dazu ein belegtes Brot zwischen die Kiemen schob, bevor ich unter die Dusche stieg und mich für den Arbeitstag wappnete. Irina und ihre Kratzbürstigkeit wollten mir einfach nicht aus dem Kopf gehen und ich merkte schnell, dass sich das Ganze in eine für mich sehr ungünstige Richtung zu entwickeln schien. Machten wir uns nichts vor - die junge Serbin war eine wirklich ansehnliche Frau, die, wie sie mir eindrucksvoll bewiesen hatte, wusste, wie man Konter gab und das machte sie für meinen ausgeprägten Jagdinstinkt leider unheimlich interessant. Es war jetzt nicht so, als säße ich auf dem Trockenen oder hatte es anderweitig nötig, mir mal wieder jemanden anzulachen, es ging mir bei der ganzen Sache eher um ein ziemlich spannendes, sehr amüsantes Spiel. Für mich zumindest. Wie die Frauen das im Nachhinein sahen, wenn ich erst einmal mit ihnen fertig war, wusste ich nicht und eigentlich war es mir auch egal. Das einzige, riesige Problem an der ganzen Geschichte war jedoch, dass ich gut daran täte, die schwarzhaarige Schönheit bloß sich selbst zu überlassen. Wirklich kein einziges Mal mehr Hand an sie zu legen, weil sie für das Geschäft schlicht und ergreifend ziemlich wichtig war. Würde sie schon bald traumatisierter, als sie es am Tag der beiläufigen Berührung gewesen war, in einer Ecke hocken und kein Ton mehr von sich geben, würde Hunter zurecht Fragen stellen und mich dann erklären zu müssen war einfach blöd. So weit war ich jedenfalls in der Theorie. Praktisch sah es jedoch so aus, dass ich mich mit dem Arsch auf all die potenziell negativen Auswirkungen setzte und kurzerhand bei Hunter durchklingelte, um mir die ein oder andere Information bezüglich der Serbin geben zu lassen. Es war leider keine Zeit mehr gewesen, noch vor der Abreise des Amerikaners über die Beschattung der jungen Frau zu reden, was im Prinzip aber auch gar nicht weiter schlimm war. Ein paar Randinfos am Telefon reichten schon vollkommen aus, um mich bereits am heutigen Abend aktiv werden, mich auf die Pirsch legen zu lassen. Ich wusste zwar noch nicht genau, was ich mir letztlich davon erhoffte, Irina ganz zufällig in ihrer Lieblingsbar über den Weg zu laufen, aber noch hatte ich ja ausreichend Zeit, mir darüber Gedanken zu machen. Was ich jetzt schon wusste war, dass ich gerne ein bisschen mehr über die attraktive junge Frau herausfinden wollen würde und wo ginge das bitte besser, als in einer Bar? An dem Ort, wo Menschen mit Abstand am meisten Alkohol konsumierten - vor allem dann, wenn sie in Begleitung trinkwütiger Freunde waren, die einander dazu animierten, mehr oder mehr der vollkommen legalen, ab einem gewissen Punkt sinnesberauschenden Droge zu sich zu nehmen. Ich wusste natürlich nicht, ob die Informationen, die Hunter über seine Männer erfahren hatten, noch immer aktuell und nicht inzwischen überholt waren, aber ich hatte mir zwischen ein paar Terminen und Telefonaten fest vorgenommen, nach Feierabend mal in diesem Ambiente vorbei zu schauen. Und wenn ich schließlich alleine dort sitzen und Irina nicht auftauchen würde, könnte ich mir bei einem Glas Rum zumindest darüber im Klaren werden, die Sache besser doch sein zu lassen. So oder so, irgendein Ergebnis würde ich am heutigen Abend in jedem Fall erzielen. Wie so oft, wenn man sich auf etwas freute, zog sich der Tag noch eine ganze Weile hin, bis ein Blick auf die Armbanduhr mir schließlich verriet, dass es für heute Zeit war, Schluss zu machen. Ich schob also die Unterlagen, an denen ich gerade gearbeitet hatte, fein säuberlich auf einen kleinen Haufen, sodass ich am morgigen Tag dort weitermachen konnte, wo ich gerade aufgehört hatte, dann schnappte ich mir meine Tasche vom Boden und die Jacke vom Haken, bevor ich relativ zügig den Heimweg antrat. Ich wollte nach dem anstrengenden Tag zumindest ein bisschen Deo auftragen und die Haare neu formen, war Wind und Wetter in den meisten Fällen doch stärker, als das Haarspray, obwohl immer damit geworben wurde, dass es in allen erdenklichen Lebenslagen bombenfest saß. Selten so gelacht... Nur wenig später saß ich wieder hinter dem Steuer des Mercedes, den ich ein paar Straßen hinter der Bar abstellte. Schließlich kannte Irina mein Auto inzwischen gut genug und würde sich sicher wundern, was die Karre vor der Bar zu suchen hatte. Diese unter Umständen dann gar nicht erst betreten, weil sie einer Konfrontation mit mir gerne aus dem Weg gehen würde. Ich konnte ja nicht ahnen, dass sie im Inneren bereits auf mich zu warten schien. War natürlich Quatsch, vermutlich wollte sie mich überhaupt nicht sehen, aber sie war immerhin schon mal da, was mir ein zufriedenes, durchweg angetanes Lächeln auf die Lippen zauberte, als ich mich unauffällig mit einer Traube voll Neuankömmlinge in den hinteren Teil des Lokals bewegte. Dort bezog ich meinen Posten an einem Tisch, der dem von Irina und ihren Freunden noch einige Meter entfernt war, von wo aus ich jedoch einen exzellenten Blick auf die Gruppe hatte. Zumindest solange, wie niemand vor meiner Nase herumlief oder die Gäste wie Bekloppte das Tanzen anfingen. Es verging sicher eine geschlagene halbe Stunde, in der ich mir selbst etwas zu Trinken bestellt und meine Augen kaum eine Minute von der jungen Frau abgewendet hatte. Ich beobachte sie, dann ab und an mal ihre Freundin, mit der sie zwischendrin auf die Tanzfläche spaziert war und nicht zuletzt auch die halbstarken Männer, von denen Irina sich zu einer Shotrunde mit Wodka überreden ließ. Der schien ihr im Übrigen nicht besonders gut zu bekommen, wie sich aus ihrem Gesicht herauslesen ließ, als sie das alternative Wasser der Russen heruntergeschluckt hatte. Für mein Vorhaben, über das ich jetzt seit geschlagenen zehn Minuten nachdachte, würde sie also irgendetwas Lieblicheres von mir gesandt bekommen. Was genau das sein sollte, wusste ich allerdings nicht. Liköre und allgemein süße Alkohole waren absolut nichts meins. Für mich galt, je trockener und bitterer, umso besser. Ich übertrug also der Bedienung, die ich mit einer Geste der Hand zu mir gewunken hatte, die Verantwortung, ein für die junge Dame brauchbares Getränk - ohne starken Alkohol - in Auftrag zu geben und ihr dieses darauffolgend an den Tisch bringen zu lassen. Bis es so weit war und die Frau, die meine Bestellung entgegen genommen hatte, das Getränk persönlich an Irina auslieferte und mit einem beiläufigen Wink in meine Richtung verriet, wer denn der spendable Herr des Abends war, widmete ich mich wieder meinem Rum, über dessen Glasrand hinweg ich weiterhin in die Richtung der Gruppe sah. Dabei in das flüssige Gold hinein grinste, bevor ich es meine Kehle hinabfließen ließ.
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Es dauerte noch ein paar viel zu lange Sekunden, bis das Brennen des Alkohols in meinem Hals sich legte. Es gab in meinen Augen kaum ein alkoholisches Getränk, das überbewerteter war als das russische Traditionsgetränk. Ich war also für den heutigen Abend absolut ausreichend damit bedient und es war ganz sicher der letzte Shot, den ich heute trinken würde. Ich bestellte mir auch erst einmal nichts Neues, würde was den Alkohol anbelangte eine kleine Pause machen - dachte ich zumindest. Als die Bedienung an unseren Tisch trat sah ich automatisch zu ihr hoch, weil ich durch das Aufstehen zwischendrin jetzt am dem Gang zugeneigten Ende der Sitzbank saß. Als sie das Glas jedoch sehr gezielt vor mir auf der Tischplatte abstellte, wollte ich ihr eigentlich gleich sagen, dass ich nichts bestellt hatte. Natürlich war das hier gerade jetzt nicht das allererste Mal, dass mir irgendein Kerl einen Drink zukommen ließ, aber es kam doch nur recht selten vor. War zu stilvoll, zu klassisch für die meisten Russen, die eher auf in meinen Augen viel zu plumpe oder zu direkte Anmachen setzten, die bei mir so gar keinen Anklang fanden. Gerade Männer in meinem Alter waren schrecklich unfähig dazu sich einer Frau charmant anzunähern, statt sie förmlich sofort auf ihren Schoß ziehen zu wollen. Das war vielleicht auch einer der hier springenden Punkte. Denn als die nette Dame mir sagte, dass mir der Drink spendiert worden war und mit einer Handgeste in die Richtung zeigte, aus der die Order kam, saß da kein zwanzigjähriger Halbwüchsiger. Bis gerade eben hatte ich noch gelächelt - wenn auch vielleicht etwas verwirrt dabei ausgesehen -, aber meine Mundwinkel sanken unweigerlich in eine vollkommen neutrale Position zurück, als mein Blick den Iljahs traf. Was zum Teufel machte er hier? Wollte er mir jetzt hier einen Hefter voll Belege auf den Tisch knallen und mir sagen, dass ich zu arbeiten hatte, wann ihm der Sinn danach stand? Und die viel wichtigere Frage - warum in Gottes Namen spendierte er mir freiwillig einen Drink? Einfach so, vollkommen aus dem Nichts. Hatte ich mich nicht klar genug ausgedrückt, was die Sache mit Annäherungen zwischen uns beiden anging? Oder war er was das anging einfach nur gerne chronisch taub? "Hör auf zu starren und geh rüber.", lachte Sergej, weil ich wohl ein paar Sekunden zu lang wortlos in Richtung meines Chefs gestarrt haben musste. Mein Blick wanderte daraufhin zu ihm und ich schüttelte kaum sichtbar den Kopf, sagte aber nichts. "Gefällt er dir nicht?", hakte er weiter nach. "Du weißt doch, dass sie schüchtern ist.", schaltete Iwan sich danach ein und grinste mir provokant entgegen, was mich nur die Augen verdrehen ließ. "Ich bin nicht schüchtern. Ich stehe nur nicht auf Teenager, die mit dem Kopf im Kindergarten-Sandkasten stecken geblieben sind.", konterte ich wissend in Hinsicht auf einen seiner Anmachsprüche in meine Richtung von vor einem Jahr. Weder war er optisch mein Typ, noch war er im Kopf ansatzweise reif genug und irgendwie schien er nicht drüber wegzukommen, dass ich nichts von ihm wollte. Sergej ließ auch weiterhin nicht locker und so sagte ich schließlich, dass der Drink nicht von irgendeinem x-beliebigen Fremden kam, sondern es sich um einen Arbeitskollegen handelte und ich das nicht mit meinem Privatleben vermischen wollte. Leider zog auch das nicht bei dem männlichen Anteil am Tisch und ich bekam endlose Kommentare in Hinsicht auf heiße Affären am Arbeitsplatz um die Ohren geworfen, auf die ich irgendwann nichts mehr zu erwidern wusste. Also fand mein Blick den meiner besten Freundin und mir gefiel nicht, was ich darin sah. Ich wusste nicht, ob sie eine Ahnung davon hatte, wie Iljah aussah. Aber ich hatte ihr eine grobe Beschreibung über ihn geliefert, als wir uns über den Vorfall bei meiner ersten Unterrichtsstunde unterhalten hatten und sie schien ihn an den Merkmalen erkannt zu haben. Sie wusste auch, dass es im Grunde meine Aufgabe war den Kerl auszuspionieren wo ich nur konnte, schließlich arbeitete sie für den selben miesen Verein wie ich und da waren Geheimnisse voreinander in dieser Hinsicht einfach nicht notwendig. Scheinbar hatte ich mir mit meiner gestrigen Redseligkeit auf dem Sofa das Grab für den heutigen Abend geschaufelt, denn die junge Frau neben mir wusste so gut wie ich selbst, dass ich eigentlich jetzt nicht einfach hier sitzen bleiben konnte. Es waren sage und schreibe acht Minuten vergangen, seit ich den Cocktail geliefert bekommen hatte und jetzt seufzte ich schwer, als ich die Hand danach ausstreckte. "Pass auf meine Sachen auf.", übertrug ich noch eine Aufgabe an die Blondine neben mir und sobald sie mir zunickte stand ich auf. Zupfte dann während ich mich an den herumstehenden Leuten vorbeischob mein Oberteil zurecht, etwas weiter nach oben. Wünschte mir noch im selben Atemzug, dass ich den Cardigan von neulich mit in die Bar genommen hätte, weil mir der spitz zulaufende, eher tiefe Ausschnitt gerade echt ungünstig vorkam. Noch dazu war das dünne Oberteil bauchfrei und ich hatte wirklich das dringende Bedürfnis dazu meine Haut irgendwie zu bedecken, obwohl zumindest meine Arme zu drei Vierteln in den dünnen, schwarzen Stoff gehüllt waren. Käme nur wirklich schräg, wenn ich einen Schlenker zur Garderobe machen würde, nur um mir den Mantel drüberzuziehen und mich dann wieder hinzusetzen. Zumal das hier drin auch wirklich viel zu warm wäre und mich förmlich in Schweiß ausbrechen lassen würde. Also setzte ich mich schließlich mit einem für diese Situation zu knapp geratenen Oberteil und einem leisen Räuspern Iljah gegenüber an den Tisch, sah ihn direkt an. "Eigentlich war das neulich keine Einladung einfach außerhalb der Arbeitszeiten weiterzumachen.", begrüßte ich ihn mit ein paar ironischen, aber durchaus ernst gemeinten Worten, die sich auf unsere kleine Auseinandersetzung von vor vier Tagen bezog. Er durfte auch ruhig wissen, dass ich eigentlich so gar nicht scharf darauf war, dass er mir hier Drinks um die Ohren warf. Ich verstand auch wirklich nicht, was er damit bezwecken wollte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Irina schien augenscheinlich nicht so recht zu wissen, wohin mit sich und dem Cocktail, was das Grinsen auf meinen Lippen nur noch breiter werden ließ. Besonders begeistert schien sie über das spendierte Getränk wohl nicht zu sein, aber das wunderte mich ehrlich gesagt auch nicht wirklich. Schließlich hatte sie ihren Standpunkt mir gegenüber vor ein paar Tagen ziemlich deutlich gemacht, weshalb es ihr absolut nicht zu verdenken war, dass sie eine Begegnung auf privater Ebene nur so mittelmäßig bis überhaupt nicht gut fand. Es brauchte sogar die Überredungskünste ihrer Mitstreiter, damit sie sich nach etwa zehn Minuten mit dem Drink in der Hand dazu aufraffte, zu mir an den Tisch zu kommen und sich auf der gegenüberliegenden Bank niederzulassen. Besagtes Getränk hatte damit seinen Zweck erfüllt, der lediglich darin bestanden hatte, auf mich aufmerksam zu machen. Sie sollte wissen, dass ich da war, ohne dass ich mich mit ihren postpubertären Freunden hätte unterhalten müssen. Man musste keine besondere Gabe, maximal einen IQ über Raumtemperatur besitzen, um selbst auf die Distanz, welche zwischen unseren Tischen lag, erkennen zu können, dass gerade der männliche Teil dieses Stammtisches, wie Hunter das Zusammenkommen der Gruppe tituliert hatte, ihr ziemlich penetrant in den Ohren lag, sodass die Flucht zu mir der aktuell einzig gangbare Weg für Irina gewesen war. Vermutlich alles junge Halbstarke, die ihre Jungfräulichkeit an ihre rechte Hand verloren hatten... da würde ich eine Konversation auf geistiger Augenhöhe wohl auch bevorzugen. Schon als sich die schlanke Schönheit an umstehenden Barbesuchern vorbeischlängelte, richtete ich mich wieder in eine etwas geradere Position auf und begrüßte die Schwarzhaarige, als jene mir gegenüber Platz genommen hatte, mit einem unschuldigen Lächeln. Indessen beugte ich mich ihr über den Tisch etwas entgegen, stützte mich dabei auf meinen Ellenbogen ab, während die Hände weiterhin das Glas mit dem Rum umklammerten. Ein leises, durchweg amüsiertes Lachen entrann meiner Kehle, als Irina mir noch einmal unter die Nase rieb, dass ihre Ansage von vor ein paar Tagen keine Einladung gewesen war, ihr nun auf privater Ebene näher zu kommen, wenn ich mir geschäftlich schon nichts erhoffen durfte. Leider sah ich das Ganze in dem Punkt etwas anders. Und wie ich über den Tag verteilt herausgefunden hatte, war genau das der Grund, warum ich mich heute Abend hier eingefunden hatte. Ich wollte mehr von dieser frechen Schlagfertigkeit. Es reizte mich nämlich ungemein, wenn Frauen ein unnahbares Individuum mimten, das es erst noch mit ein paar flotten Sprüchen und einer charmanten Art zu knacken galt, bevor sie einem auf den Schoß sprangen. In meinen Augen hatte das einfach einen ganz anderen Reiz, Jemanden erst noch von sich überzeugen zu müssen, als Russlands schönsten Nutten stupide für einen Blowjob zu bezahlen. Das war einfach nicht meins, ich schätzte die Herausforderung sehr viel mehr. Dass ich diesbezüglich wohl volles Brett eins an der Klatsche habe, dürfte Irina inzwischen klar sein. Schließlich hatte ich mich ihr gegenüber vor unserer gemeinsamen Zeit im Büro auch immer sehr akkurat und professionell verhalten. Es war also offensichtlich, dass es Gründe gab, die sie mich jetzt als mein nächstes Beutetier sehen ließ. Eines, an dem ich mir womöglich noch die Zähne dran ausbeißen würde, wenn ihre Schale auch nur ansatzweise so hart war, wie sie schien. War leider sehr schwer abzuschätzen und erst nach geraumer Zeit besser zu beurteilen. Aber genau das war es ja, was mich an der ganzen Sache so reizte. Man wusste anfangs nie, woran man wirklich war. Entweder man blieb ausdauernd und wurde am Ende dann dafür belohnt oder aber man ging mit leeren Händen wieder nach Hause. Alleine dieses Spiel machte schon unglaublich viel Spaß. Nicht auszudenken, wie amüsant es werden würde, hatte ich eine Frau erst einmal um den Finger gewickelt. So weit waren wir hier aber noch lange nicht. Irina kam gerade erst an meinem Tisch an und ihre nicht vorhandene Begeisterung stand ihr dabei förmlich ins Gesicht geschrieben. "Was, schmeckt Ihnen das Getränk etwa nicht? Ich hab gesehen, dass Wodka bei Ihnen nicht besonders gut ankommt und die freundliche Bedienung darum gebeten, etwas nach Ihrem Geschmack zu servieren.", erwiderte ich etwas vollkommen Unpassendes auf Irinas Aussage und lenkte damit die Aufmerksamkeit ganz geschickt auf ein anderes Thema. Dabei nickte ich schwach in Richtung meines eigenen Getränks, um an die vorangegangenen Worte anzuknüpfen. "Ist der Drink zu süß? Ich bin zwar kein großer Fan von Likör, aber wenn Ihnen Rum besser schmeckt, können wir auch gerne tauschen. Besonders wählerisch bin ich nicht.", bot ich an, mit ihr die Getränke zu tauschen, wohlwissend, dass das nach wie vor nicht der Grund war, warum sie sich zu mir gesetzt hatte. Vermutlich wollte Irina einfach nur noch einmal klar stellen, dass ich es weder geschäftlich, noch auf privater Ebene bei ihr versuchen sollte, aber davon ließ ich mich gar nicht weiter beirren. Stattdessen umspielte ein herausforderndes Grinsen meine Lippen, als ich das Glas mit meinem Getränk aus meinen Händen entließ und es Irina noch die letzten paar Zentimeter über den Tisch hinweg zuschob. Wo würden wir denn hinkommen, wenn ich nach der ersten Abfuhr gleich aufgeben würde? Kam überhaupt nicht in Frage! Es wurde doch erst richtig spannend, wenn von der Frau erst einmal kein besonders großes Interesse ausging. Schließlich musste ich mir selbst ja auch irgendwie beweisen, dass ich trotz meiner 28 Jahre immer noch dazu in der Lage war, Jemanden von meinen Qualitäten zu überzeugen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #