Das sich mir hier bietende Schauspiel war wirklich interessant. Denn obwohl Iljah älter war als Vahagn, war ich mir nicht von vornherein sicher damit gewesen, ob sie komplett auf Augenhöhe miteinander kooperierten, oder ob der junge Mann grundlegend trotz ihrer engen, geschwisterlichen Zusammenarbeit die Überhand hatte. Die aktuelle Situation zeigte mir recht deutlich, dass es so war - war zwar gut möglich, dass er seine Schwester nur dann in die Schranken wies, wenn er es für unabdingbar hielt, aber er tat es ziemlich wirksam. Die Brünette hütete sich davor seinen Worten zu widersprechen oder anderweitig noch einmal laut zu werden, nachdem ihr Bruder ihr ganz eindeutig gesagt hatte, dass bereits Schluss mit lustig war. Außerdem war gut zu wissen, dass der Schwarzhaarige durchaus auch anders als entspannt konnte, wenn der Moment es erforderte. Allerdings war mir das bereits ziemlich klar gewesen, weil man ohne starkes Durchsetzungsvermögen schlichtweg nicht an der Spitze einer kriminellen Organisation stand. Er wählte seine Worte an sich zwar weiterhin ziemlich respektvoll, aber wie in vielen anderen Fällen auch machte der Ton hierbei die Musik, nicht die Wortwahl. Ich kam nicht umher recht breit in mich hinein zu lächeln, weil mich die Situation jetzt doch irgendwie ziemlich amüsierte - erst recht die indirekte Drohung eines Schlags gegen meine Wenigkeit. Konnte Vahagn ja mal versuchen, wenn sie das Echo danach auch vertrug. Bis die Bedienung die neuen Getränke der anderen beiden brachte schwieg ich, schob ich dann mein leeres Glas zu und bestellte kurzum noch einen zweiten Whiskey. Erstens schmeckte er gut und zweitens verdiente ich ihn mir ganz einfach auch, weil ich das Biest hier jetzt ertragen musste. Man konnte es mir wohl kaum verdenken, dass ich eigentlich sehr froh darüber gewesen war, dass sie bis hierhin nicht mit von der Partie gewesen war. Andererseits würde das Gespräch jetzt, wo sie da war, wohl ohnehin nicht mehr allzu lange andauern. Denn auf geschäftlicher Basis war das aktuell Notwendige bereits abgeklärt und an die Brünette selbst hatte ich nicht wirklich eine Frage oder Forderung, die nur sie mir hätte beantworten können. "Oh, tut mir leid, aber angesichts der Szene in deiner Wohnung neulich bin ich wohl zurecht skeptisch, was die Ernsthaftigkeit deiner Absichten angeht. Ich will nur, dass du begreifst, welche Auswirkungen das Ganze unter Umständen hat. Wenn du ihm also irgendwann im Verlauf das Herz brechen musst, tust du's besser so sanft wie möglich.", unterstrich ich der Brünetten eingangs mit einer ziemlich trockenen, absolut nicht ernst gemeinten Entschuldigung, dass ich allen Grund hatte was die Beziehung zwischen den beiden anging durchweg skeptisch zu sein. Sie schienen sich für den Augenblick zwar wieder vollständig vertragen zu haben, weil ich mir nicht anders erklären konnte, weshalb sie sich am Flughafen sonst so innig voneinander verabschiedet hatten, aber wer wusste schon, wie lang dieser Frieden diesmal anhielt? Die Bedienung unterbrach meine Gedanken mit der Auslieferung meiner kurzen Bestellung und ich ließ der jungen Frau nur ein kaum sichtbares Nicken zukommen, bevor mein Blick kurzzeitig zwischen den beiden Geschwistern hin und her glitt. Im Grunde hatte ich jetzt nämlich alles zu der Sache mit Tauren gesagt, was ich hatte sagen wollen. Vahagn wusste, dass sie sich auf dünnem Eis damit bewegte und sich überlegen sollte, was sie tat. Das war alles, was ich wollte. Hätte ich die wie auch immer genau zu definierende Beziehung der beiden grundlegend nicht haben wollen, dann hätte ich den Norweger längst ein Ende damit machen lassen. Also zurück zum eigentlich wichtigen Thema. "Jedenfalls hast du sowieso nicht wirklich was verpasst. Bisher ist noch nichts in Stein gemeißelt, was irgendwelche Transporte angeht. Das einzige, was ansatzweise schon eine Bedeutung für dich haben könnte, ist, dass ich anfangs ein paar meiner Männer mitschicken werde.", ließ ich die junge Frau insgesamt wieder etwas ruhiger, aber doch nach wie vor mit gewisser Anspannung in der Stimme wissen, dass sie bei diesem Gespräch ohnehin ziemlich überflüssig gewesen war und sie im Grunde nicht wirklich Irgendwas verpasst hatte. Außer vielleicht, dass ihr Bruder mir auch für Außenstehende sichtbar deutlich lieber war als sie selbst. Deshalb nahm ich erstmal noch einen Schluck zur akuten Nervenberuhigung, obwohl Alkohol bei mir nur noch selten irgendwie half. Dafür war wohl der erforderliche Pegel zu hoch. Vermutlich sollte ich meiner Leber wirklich mal den Gefallen tun ganz aufzuhören.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Na also, ging doch. Warum ich immer erst laut werden musste, um zu meiner Schwester durchzudringen blieb mir zwar ein Rätsel und ich würde mir wünschen, dass es auch anders ginge, aber für den Augenblick war ich schlichtweg froh, dass Vahagn sich zurück hielt. Ihre bissigen Kommentare Hunter gegenüber unausgesprochen ließ und somit nicht noch mehr Ärger machte, als sie das ohnehin schon getan hatte. Grundlegend war es mir egal, ob die beiden sich gegenseitig die Köpfe einschlugen. Immerhin waren beide erwachsen und sollten jeder für sich entscheiden können, was in ihren Augen richtig oder falsch war. Von mir aus durften sie sich also gerne weiter anschreien und gegenüber des jeweils anderen handgreiflich werden, wenn ihnen der Sinn danach stand, aber solange ich noch mit von der Partie war, hatte sich meine Schwester, sowie der Amerikaner am Riemen zu reißen. Ich schwamm aktuell in genügend und weitaus schwerwiegenderen Problemen, da hatte ich wirklich keine Lust, mich zusätzlich noch um irgendwelchen kaputten oder brüchigen Liebesleben kümmern zu müssen. Da spielte es auch keine besonders große Rolle, ob und in welchem Rahmen es meine Schwester betraf, denn auch sie war alt genug, um eigene Entscheidungen zu treffen. Wenn sie es mit Tauren ernst meinte, war das schön und wenn nicht, na ja, dann war das eben ihre Entscheidung. Dass Hunter sie dahingehend so unter Druck zu setzen versuchte, hieß ich keinesfalls für gut, aber einmischen würde ich mich in die Sache trotzdem nicht. Solange er nicht vorhatte, Vahagn körperlich zu verletzen oder aus welch Gründen auch immer umzubringen, durfte er, wenn es ihn persönlich mit Glück und Freude erfüllte, gerne die Zeit und die Kraft investieren, mit ihr darüber zu diskutieren. Nur eben nicht hier und auch nicht heute. Ich rieb mir also gleich ein weiteres Mal über das Gesicht, weil mir das dabei half, die Ruhe zu bewahren, dann setzte ich noch einmal zum Reden an. Der Amerikaner schien mir zu der Sorte Mensch zu gehören, die es einfach nicht gut sein lassen konnten. Die unbedingt das letzte Wort haben mussten und dass die junge Russin auf so ein Verhalten ganz besonders sensibel reagierte, hätte ihm eigentlich klar sein müssen. Trotzdem legte er es darauf an, dass Vahagn entgegen meiner eindringlichen Warnung noch ein paar Worte los wurde und um ein Haar hätte sie das auch getan, wenn ich ihr nicht zuvor gekommen wäre. "Ich bin hergekommen, um mich über Geschäftliches zu unterhalten. Es interessiert mich wirklich nicht die Bohne, welches Herz aus deinen Reihen bricht, Hunter. Wer in diesem Metier noch eines hat, ist selbst Schuld und sollte damit rechnen, auf die Schnauze zu fallen.", teilte ich erst einmal den Seitenhieb in Richtung des Amerikaners aus. Nur weil wir grundlegend die gleichen Ansichten vertraten, hieß das nicht, dass ich meine Schwester nicht trotzdem zwischenzeitlich in Schutz nehmen würde. Aber auch die bekam im Darauffolgenden noch ihr Fett weg. "Und du, Vahagn, verhältst dich wie ein kleines Kind. Deine Manieren hast du wohl auf Kuba gelassen, hm? Potenziellen Geschäftspartnern Schläge anzudrohen, nur weil du deine Emotionen mal wieder nicht im Griff hast... du brennst doch. Ich möchte, dass du dich hier und jetzt benimmst. Ihr könnt eure Wortgefechte austragen, wenn die Sache hier geklärt ist. Ansonsten würde ich jetzt aufstehen und gehen, denn meine Lust, zwischen zwei Streithähnen zu sitzen, hält sich aktuell stark in Grenzen.", wies ich auch meine andere Hälfte zurecht, wobei mein Blick ununterbrochen zwischen den beiden hin- und herwanderte. Meine Ansage betraf schließlich beide gleichermaßen und zumindest die Russin schien sich meine Worte zu Herzen zu nehmen. Sie wirkte etwas geknickt, als sie den stur auf mich gerichteten Blick abwendete und ihn stattdessen auf den Tisch klebte. Ich vermutete allerdings stark, dass sie das nicht primär tat, weil ich ihr an den Karren gepisst hatte, sondern viel eher deshalb, weil Hunters Worte ihr zu denken gaben. Sie wirkte nachdenklich und war plötzlich ganz ruhig, als der Amerikaner sie auf irgendeinen Vorfall ansprach, von dem ich persönlich nichts wusste. Aber wie gesagt: Grundlegend war mir das auch erst einmal vollkommen egal. Wenn wir wieder Zuhause waren, dann war das etwas ganz anderes. Wenn wir unter uns waren, uns niemand stören würde, dann konnten wir offen miteinander reden, aber ganz sicher nicht jetzt.
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Da war dann jetzt auch die unschöne Wendung für Iljah. Der Punktabzug, der wohl schon hinter der nächsten Ecke gelauert hatte, ganz einfach weil er Vahagns Bruder war. Vielleicht musste es ihn jetzt noch nicht zwangsläufig interessieren, ob Tauren an der Russin zu Grunde ging oder nicht. Spätestens wenn es dann aber der Fall sein sollte, befasste er sich besser damit. Würde er vermutlich auch, weil mein Zorn auf seine Schwester ihn mehr oder minder dazu zwingen würde. Außerdem hatte selbst ich ein Herz. Ein sehr verkrüppeltes, das sich im Grunde auch wirklich nur um eine einzige, auserwählte Person scherte, aber es war vorhanden. Wenn ich eines durch Cosma gelernt hatte, dann dass es eigentlich nur eine Frage der Zeit war, bis man auf sein menschliches Kryptonit stieß. Der rothaarige kleine Teufel war meines und vielleicht war Vahagn sogar Taurens, auch wenn ich mir nach wie vor schwer damit tat das glauben zu wollen. Als Krimineller kam man viel herum und es gab haufenweise Umstände, die einen auf eine Person stoßen lassen konnten, die irgendeinen besonderes Nerv im eigenen Körper traf. "Jeder hat sein Kryptonit, Iljah... und wie du schon sagst - es steht dir frei zu gehen, weil vorerst alles geklärt ist.", ließ ich den Russen mit leicht zusammen gekniffenen Augen eine sehr indirekte Warnung hören. Es kratzte mich nicht, dass wir hier in Russland waren und das hier nicht mein Territorium war. Er könnte der König der ganzen Welt sein und dennoch würde ich mir von ihm genauso wenig wie von irgendeiner anderen Person auf diesem gottverlassenen Planeten den Mund verbieten lassen. Wenn ich der Meinung war, Vahagn auf diese Misere anzusprechen, dann tat ich das. Ich war nicht auf eine ernsthafte Auseinandersetzung aus - wenn das der Fall wäre, hätten wir alle hier das längst gemerkt -, aber wenn es ihm für heute reichte, dann sollte er einfach die Biege machen und mich in Ruhe lassen. Dass die Russin jetzt doch fast ein wenig so aussah, als hätte man ihr gerade ihr Lieblingsessen vor der Nase weggezogen, nachdem ihr Bruder einige zurechtweisende Worte an den Kopf geschmissen hatte, war dennoch eine Genugtuung. Welchen Ursprung genau ihr Gemütsveränderung nun hatte wusste ich nicht, aber es konnte nur gut sein, wenn sie erst einmal die Klappe zumachte und in sich ging. Dementsprechend musterte ich sie einen Moment lang und das fast schon sowas wie zufrieden. Es reichte mir, wenn sie sich einfach ein paar Gedanken dazu machte und sich im besten Falle dadurch klar darüber wurde, was sie mit Tauren nun überhaupt wollte - oder im umgekehrten Fall eben nicht wollte. Jetzt, wo er für ein paar Tage lang nicht mit seiner permanent freundlichen, zuvorkommenden Art um sie herumwuselte und ihr unterschwellig eintrichterte, wie perfekt er doch für sie sein könnte, konnte sie am ehesten einen klaren Kopf gewinnen. Sich darüber bewusst werden, ob es das Risiko in ihren Augen denn überhaupt wert war. Es blieb vor allem für den jungen Norweger zu hoffen, dass sie zu einem brauchbaren, klaren Ergebnis kam. "Vahagn soll dir meine Nummer geben. Sag mir, wenn du die vereinbarten Vorkehrungen getroffen hast und wir sehen uns wieder.", schloss ich mit dem geschäftlichen Teil und einem Blick in Iljahs Richtung ab. Hob im Anschluss erneut das Whiskeyglas an, um einen Schluck zu nehmen. Bisher hatte seine Schwester zwischen uns vermittelt, aber jetzt, wo ich ihn persönlich kannte, konnte sie meine Nummer an ihn weiterleiten. Das machte uns den noch folgenden Kontakt einfacher und Iljah konnte sich dann direkt bei mir melden, wenn er den oder die Kandidaten hatte und dadurch ein erneutes Treffen notwendig wurde. Ob wir das Ganze in einem Aufwasch mit der Besichtigung des Autohauses selbst erledigten, oder ob der Schwarzhaarige das Ganze irgendwie trennen wollte, war wohl ihm überlassen. Für mich machte es keinen großen Unterschied, solange er beides nicht mehrere Tage auseinanderlegte. Zeit war Geld und ich wollte mich eigentlich nicht länger als notwendig in Russland aufhalten. War kalt hier und Kubas Sonne gefiel mir deutlich besser. Vom Umfeld mal ganz zu schweigen,
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Entweder hatte ich mittlerweile Schwierigkeiten mit meinem Kurzzeitgedächtnis oder aber ich hatte gerade wirklich mit keiner einzigen Silbe infrage gestellt, dass das durchaus ja auch so sein konnte. Ich hielt es nicht für absolut unmöglich, dass es für jeden Topf und jede Pfanne da draußen einen passenden Deckel gab. Jemanden, der es fertig brachte, die rostige Schrottmühle - im Volksmund besser bekannt als menschliches Herz - wieder zum Laufen zu kriegen. Das war theoretisch schon möglich und schloss Leute wie uns davon auch nicht zwangsläufig aus, nur wollte mir einfach nicht einleuchten, wie man beim sich Verlieben den Aspekt aus dem Auge verlor, dass das Ganze durchaus auch nach hinten losgehen konnte. Meiner Meinung nach wäre Tauren also vollkommen unabhängig davon, in wen er sich letztlich verliebte, selbst Schuld daran, wenn er sich blindlings in irgendetwas hinein stürzte, was ihm das Herz brechen würde und sollte einen Rückschlag dieser Art zu verarbeiten wissen. Aber es machte offensichtlich absolut keinen Sinn, das mit Vahagn oder gar Hunter bereden zu wollen und wie bereits mehrfach erwähnt, war das auch überhaupt nicht meine Intention. Demnach stand ich zu meinem Wort und bat meine Schwester kurz darauf in unserer Muttersprache, dass sie bitte von der Bank abrücken und mich durchlassen sollte. Ich gehörte weiß Gott nicht zu der Sorte Mensch, die einen offenen Konflikt - obwohl es streng genommen kein mich direkt betreffender war - unbedingt noch gerade biegen mussten, bevor sie gingen. Das beinhaltete in den meisten Fällen nämlich, dem jeweils anderen in den Arsch zu kriechen und um Verzeihung zu bitten. Mit letzterem hatte ich in der Regel zwar eigentlich keine besonders großen Schwierigkeiten, weil in meinen Augen jeder einmal Fehler machte und es von Stärke zeugte, zu diesen zu stehen, aber ich entschuldigte mich schlichtweg nicht grundlos. Mir tat hier aktuell nichts leid. Außer vielleicht, dass Vahagn sehr erfolgreich die gute Laune auf beiden Seiten ruiniert hatte, aber etwas anderes erwartete ich von meiner Schwester aktuell kaum noch. Schon am Telefon hatte sie sich psychisch instabil angehört und ich war der festen Überzeugung, dass ihr noch irgendetwas Wichtiges auf dem Herzen lag, aber bis sie darüber nicht mit mir gesprochen hatte, konnte sie von mir schlichtweg kein Verständnis erwarten. Und auch von Hunter nicht. Schließlich konnten wir ihr beide nur vor den Kopf gucken und wenn sie wollte, dass wir verstanden, warum sie aktuell so launisch war - gut, prinzipiell war sie das grundlegend, aber in letzter Zeit eben extrem -, dann musste sie reden. Ob nur mit mir oder dem Amerikaner selbst war mir dabei reichlich egal, aber vorher würde sie wohl ungeniert ein Brett vor den Kopf kriegen, wenn sie sich Aussetzer wie den von gerade eben erlaubte und ewig würde ich sie nicht in Schutz nehmen. Ganz offensichtlich schien sie momentan mit privaten Angelegenheiten zu kämpfen und ich vermutete tatsächlich, dass Tauren dabei eine nennenswerte Rolle spielte, nur konnte ich mir dabei eben nicht zu einhundert Prozent sicher sein, wenn sie mir keine eindeutige Bestätigung dafür gab. Also sollte sie sich entweder auskotzen oder sich schmollend in irgendeine Ecke fernab von mir verziehen. Ich hatte nämlich nur wenig Lust, das bisschen Freizeit, welches ich zwischendrin immer mal wieder hatte, als Kindergärtner zu verbringen. Es waren bereits etliche Jahre ins Land gezogen, in denen ich mich ausgiebig um die junge Frau gekümmert und sie behütet hatte, aber mit 24 gottverdammten Jahren konnte man ja wohl erwarten, dass sie langsam aber sicher mal erwachsen wurde und ihre Gefühle, sowie die leitenden Emotionen in den Griff bekam. Mein Gesichtsausdruck hatte sich inzwischen ein Stück weit verfinstert, als ich von der Sitzbank aufstand und Hunter lediglich noch mit einem knappen Nicken signalisierte, dass ich verstanden hatte. Ich mir seine Nummer geben lassen und mich bei ihm melden würde, wenn ich wichtige Neuigkeiten für ihn hatte. Bis dahin trennten sich unsere Wege allerdings erst einmal. Ohne jegliche Worte des Abschieds verließ ich die Hotelbar und streunte durch die Lobby nach draußen auf die Straße, wo ich von meinen zwei Handlangern bereits begrüßt wurde. Meinem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass ich auf Gespräche aller Art erst einmal verzichten wollen würde, sofern sie nicht wirklich wichtig waren. Stattdessen fischte ich in meiner Hosentasche nach der Zigarettenschachtel, um mir einen der Glimmstängel wenig später zwischen die Lippen zu stecken. Ohne auf Vahagn zu warten, setzte ich mich anschließend in Bewegung, zündete die Zigarette noch im Gehen an, während ich zielstrebig das unweit vom Hotel geparkte Auto ansteuerte. Es waren seit dem ersten Treffen mit Hunter jetzt zwei Tage vergangen. Vahagn und ich hatten uns nach dem Vorfall in der Hotelbar nur flüchtig darüber unterhalten, waren aber zu keinem wirklich zufriedenstellendem Ergebnis bekommen. Ich hatte ihr mitgeteilt, dass sie nicht erwarten brauchte, ihren Rücken durchweg von mir gestärkt zu bekommen, bevor sie mir nicht endlich verriet, was sie die ganze Zeit über zu plagen schien. Daraufhin war sie beleidigt abgezogen und in den darauffolgenden Stunden hatten wir die Gegenwart des jeweils anderen gemieden. Sehr erwachsen, ich weiß, aber ich bevorzugte es, unnötigem Ärger aktuell aus dem Weg zu gehen und mir die Energie für weitaus sinnvollere Dinge aufzusparen. Sollte die junge Frau in ihrem provisorisch eingerichteten Gästezimmer weiterhin Löcher in die Decke starren oder sich in der Innenstadt von Moskau mit was auch immer ablenken, ich hatte jedenfalls Wichtigeres zutun. Beispielsweise war ich gerade dabei, das einzige Café nahe dem Autohaus anzusteuern, wo ich mich für den heutigen Tag mit Hunter verabredet hatte. Meine Schwester hatte mir wie vereinbart die Telefonnummer zukommen lassen und heute, punkt zwölf Uhr hatte ich ausreichend Informationen zusammentragen können, sodass sich ein Treffen mit dem Amerikaner durchaus lohnte. Das Café schlug ich dabei aus folgenden Gründen vor: Zum einen war es weiterhin ein neutrales Plätzchen. Ruhig, ebenfalls mit den ein oder anderen Ecken, in die man sich ungestört zurück ziehen konnte. Außerdem lag es fußläufig etwa zehn Gehminuten von meiner Firma entfernt. Falls Hunter also der Sinn danach stand, sich im direkten Anschluss an den Informationsaustausch die Räumlichkeiten inklusive der Mitarbeiter anzusehen, sollte es an der Entfernung nicht scheitern. Der wohl mit Abstand wichtigste Grund, warum ich das traditionell gehaltene, altbacken wirkende Tschecherl vorschlug war jedoch der unglaublich überragende Schokokuchen, den alte Ladenbesitzerin - ein Wunder, dass sie noch nicht unter der Erde lag, war sie doch sicherlich schon an die 90 Jahre alt - höchstpersönlich jeden Tag frisch backte. Heute gab es den zudem zum halben Preis, also schlug ich mit einem Besuch gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Es war jetzt jedenfalls kurz vor eins, als ich die Türschwelle ins Innere der Räumlichkeiten passierte, damit meinen Begleitschutz, der mir wie immer unauffällig auf den Fersen geblieben war draußen in der Kälte stehen ließ und sofort stieg mir der Geruch von frischem Kaffee und etlichen Süßspeisen in die Nase. Ich atmete den Duft mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen ein - meine Laune war heute wieder einmal fast vorzüglich - und setzte mich dann in Bewegung, um meine Aktentasche nahe der Kasse neben einem Tisch abzustellen, auf dessen zugehörigen Stuhl ich mich kurz darauf fallen ließ. Der dicke Mantel, der mich vor der klirrenden Kälte draußen schützte, wanderte prompt über die Rückenlehne des Stuhls, während Handschuhe, Mütze und Schal kurzum nahe der Aktentasche auf dem Boden landeten. Besagte Tasche beinhaltete heute tatsächlich einmal ein paar dicke Akten, wurde ausnahmsweise einmal nicht zweckentfremdet, sondern sollte dem Amerikaner ausreichend Informationen über mich und leider verhältnismäßig wenige taugliche Leute aus meiner Firma geben.
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Wenn man versuchte die ungemütlichen Außentemperaturen auszublenden, dann war Moskau gar nicht so hässlich, wie ich zuerst angenommen hatte. Natürlich lag es immer noch in Russland und es würde Havanna in Kuba wohl kaum von seinem Thron stoßen, aber die Stadt hatte dennoch ihren eigenen Charme. Es galt einen ganzen Tag totzuschlagen und nachdem ich die erste Hälfte davon im Hotel mit Arbeit verbracht hatte, war ich am frühen Nachmittag mit den Jungs aufgebrochen, um mich ein wenig umzusehen. Ein bisschen aus Langeweile, ein bisschen für Sightseeing und etwas mehr, um nicht einzurosten. Ich war oft mehrere Stunden am Tag auf den Beinen und da war ein grundlegender Drang zur Bewegung einfach vorprogrammiert. Also schleppte ich mich mit den Jungs in die Kälte und wir fuhren eine ganze Weile durch die Stadt, sahen uns überall ein wenig um. Während ich die ganze Zeit über selbst fuhr, weil mir ganz einfach danach war, kippten die anderen beiden hier und da unterwegs mal ein Bier. Ich behielt jedoch im Auge, dass es ein gewisses Maß nicht überstieg, weil wir hier eigentlich nicht wirklich im Urlaub waren. Andererseits gab es aber einfach keinen Grund zur Annahme, dass mir hinter der nächsten Ecke eine böse Schwadron lauerte und auf meinen voraussichtlich neuen Geschäftspartner musste ich heute auch nicht mehr treffen, also stand ein oder zwei Bier nicht wirklich was im Weg. Gegen 23 Uhr waren wir im Grunde fertig damit die Stadt auf den Kopf zu stellen und ich wollte zurück zum Hotel - nicht so die beiden jungen Männer, die meinen zweiten und dritten Schatten bilden sollten. Russische Stripclubs sollten ja so gut sein. Mir war zwar nicht zu hundert Prozent wohl dabei die beiden auf freien Fuß zu setzen, aber sie wussten, dass es Ärger geben würde, wenn sie morgen nicht fit waren - schließlich konnte ich nicht wissen, wann Iljah sich für ein erneutes Treffen meldete. Ihr kleiner Ausflug beschränkte sich also darauf, dass ab jetzt kein Tropfen Alkohol mehr floss und sie um spätestens 2 Uhr zurück im Hotel waren. Selbstverständlich würde ich selbst so lange wach bleiben, um zu kontrollieren, dass sie auch nicht nur eine einzige Sekunde zu spät kamen. Sie bewohnten schließlich zwei deutlich kleinere Zimmer gegenüber, sie zu hören war mit meinem sensiblen Gehör also weiß Gott keine Schwierigkeit. Jedenfalls kamen sie pünktlich und ich hatte keine Strafen zu verteilen, weshalb ich letztlich selbst ins Bett gekippt war und mir einen provisorischen Wecker für 10 Uhr gestellt hatte. Ich war selbst kein Frühaufsteher, sollte der Schwarzhaarige es also jemals auf ein Treffen zum Frühstück anlegen, musste ich ihn jäh enttäuschen. Nachdem ich mich einer Dusche unterzogen hatte ging es für mich - und die Jungs - noch zum verspäteten Frühstücksbuffet, das hier glücklicherweise bis 11 Uhr offen stand. Obwohl die Bedienungen dann bereits abräumten blieben wir noch eine ganze Weile sitzen und ich bekam die kurzweiligen Eskapaden von gestern aufgetischt. Zugegeben vermisste ich es dann doch kurzzeitig, mir sowas nicht mehr erlauben zu können. Zumindest glaubte ich das, weil Cosma ja durchaus sowas wie Eifersucht zu entwickeln wusste. Da nahmen wir uns wahrscheinlich nicht viel, also musste die blanke Vorstellung einer Russin mit angeblich perfektem, kurvig-schlankem Körper und wahnsinniger Körperbeherrschung wohl ausreichen. Ich war wenig traurig darüber, dass sich Iljah dann meldete und mich zu einem Treffen in einer Stunde aufrief. Ich kippte demnach nur noch den inzwischen schon kalten Kaffee runter und ging dann nach oben, um mich für das bevorstehende Treffen zu wappnen. Bis zu dem Café war es fast eine halbe Stunde, weil es in einer ganz anderen Ecke der Stadt lag, aber der Mietwagen machte uns ja glücklicherweise ziemlich flexibel. Ich packte nach meiner Bewaffnung also nur noch die Jungs ein und wir machten uns auf den Weg. Wie in jedem neuen Land war auch hier der Verkehr am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig gewesen, aber dank der Kurverei am Vortag kam ich damit jetzt bereits bestens zurecht. Ich parkte die Limousine wohl ziemlich genau um 13 Uhr unweit des Cafés und stieg ohne Umschweife aus, um nach drinnen zu gehen. Nicht nur der Pünktlichkeit, sondern vor allem auch der Eiseskälte wegen. Meine Handlanger sahen Iljahs' bereits vor der Tür herumstehen und ich wusste, dass sie wenig Lust auf die Kälte hatten, aber mir stand nicht im Sinn das Misstrauen des Russen zu wecken. Deshalb ließ ich sie lediglich hinter mir durch die Tür gehen, damit sie sich ein warmes Getränk mit rausnehmen konnten. Als ich den tätowierten Russen am Tisch mit einem schwachen Nicken begrüßte, traten sie bereits den Rückweg von der Kasse an und verzogen sich wieder nach draußen. Ich wurde meine Jacke los, weil es hier drin doch ziemlich warm war und setzte mich ihm gegenüber an den kleinen Tisch. Auf das Bestellen etwaiger Getränke verzichtete ich vorerst, lag der letzte Kaffee doch noch nicht weit zurück. Ich rieb mir kurz über den etwas kalt gewordenen Schädel - eine Mütze statt nur die Hoodie-Kapuze wäre eindeutig angebracht, selbst mit Heizung im Auto -, bevor ich den jungen Mann gegenüber neutral, recht entspannt ansah. "Was hast du für mich?" Das war eine halb rhetorische Frage meinerseits, weil ich im Grunde ja schon ganz grob wusste, was hier auf mich zukam, nur eben nicht im Detail. Ich war durchaus neugierig darauf, was für Leute er mir hier neben seiner eigenen Person noch präsentierte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich hatte schon Angst, dass es dem Amerikaner an Spontanität mangelte, als er fünf Minuten vor 13 Uhr noch immer nicht in Sicht war. Das wäre in unserem Metier zwar eine denkbar ungünstige Eigenschaft, aber ausschließen würde ich das nicht. Es gab nun mal einfach Menschen, die gar nicht oder nur sehr ungern dazu bereit waren, alles andere stehen und liegen zu lassen, um innerhalb kürzester Zeit pünktlich zu einer Verabredung zu erscheinen. Und für einen kurzen Moment lang ordnete ich Hunter tatsächlich dieser Personengruppe zu, aber ein unangenehm kalter Windzug im Nacken sollte mich eines Besseren belehren. Natürlich hätte es gerade zu dieser Uhrzeit auch ein ganz normaler Kunde des Cafés sein können, der die Tür zur warmen Stube aufschob, aber die bolzten in der Regel nicht mit sechs Paar Winterstiefeln ins Innere. Ich brauchte mich also nicht einmal umzudrehen, um zu wissen, wer sich mir Schritt für Schritt näherte. Stattdessen konzentrierte ich mich lieber auf meinen georderten Kaffee und den noch warmen Schokoladenkuchen, während ich beiläufig in einen der insgesamt vier Akten zu blättern begonnen hatte. Ich unterbrach jenes Blättern, als sich der Amerikaner zu mir an den Tisch gesetzt hatte und mich flüchtig mit einem wortlosen Nicken begrüßte. "Du solltest den Kuchen probieren. Einfach göttlich.", war meine Form der Begrüßung, kurz bevor ich mir eine Gabel voll besagter Backware in den Mund schaufelte. Die Manieren, welche mir offensichtlich anders als Vahagn mit auf den Weg gegeben worden waren, hielten mich jedoch davon ab, direkt weiter zu sprechen, weil ich sonst mit vollem Mund hätte reden müssen und das schickte sich einfach nicht. Am Ende spuckte ich Hunter noch aus Versehen an oder befleckte die fein säuberlich abgehefteten Blätter mit den Informationen über mich und meine Mitarbeiter. Kam gar nicht in Frage, weshalb der Amerikaner leider eine geschlagene halbe Minute warten musste, bis ich ihm endlich eine Antwort liefern konnte. Ich spülte den Kuchen mit einem Schluck Kaffee hinunter, legte die Gabel auf dem Teller ab und schob alles Ess- und Trinkbare zur Seite, sodass es Niemandem im weg war. Dann schob ich dem ebenfalls bis unters Kinn tätowierten Mann die erste Akte zu. Meine. Ich hatte mich nach unserem Treffen sofort an den Computer gesetzt, hier und da auch meine Kontakte außerhalb Russlands spielen lassen, aber viel hatte ich über Hunter Price in Norwegen nicht herausfinden können. Dafür waren die Geschichten aus den Staaten dann umso spannender gewesen. Allerdings war ich gen Ende meiner Recherchen zu dem Ergebnis gekommen, dass ich mich Todeszahlen technisch wohl nicht mit ihm messen konnte. "Sei' bitte nicht allzu enttäuscht. Ich lege Menschen nur dann um, wenn es absolut unumgänglich ist. Von deiner Willkür bin ich wohl noch ziemlich weit weg. Entsprechend kann ich nicht mit so horrenden Zahlen dienen, wie du sie an den Tag legst. Das vorab... nur... rein informativ", kommentierte ich die Übergabe des verhältnismäßig dünnen Hefters und bediente mich dabei einer seiner Aussagen von vor zwei Tagen. Neben ein paar Jugendsünden wie Diebstahl und Brandstiftung, waren dann Anfang meiner Zwanziger noch Eintragungen wie Mord, Totschlag und versuchte Vergewaltigung ergänzt worden. Zwar war ich mir bei dem letztern Anklagepunkt bis heute nicht sicher, ob das Ganze nicht bloß auf einem riesigen Missverständnis aufbaute, aber seit dem Vorfall hatte ich mich damit nicht weiter beschäftigt. Und es seitdem gemieden, Frauen flachlegen zu wollen, die weder Russisch noch Englisch sprachen. Jedenfalls sah ich davon ab, Hunter ausreichend Zeit einzuräumen, um meine Akte bis ins Detail zu studieren und schob daraufhin auch schon die zweite, dann die dritte Mappe zu ihm über den Tisch. Das hörbar unzufriedene Seufzen sollte ihn bereits vorwarnen, dass das Ergebnis in meinen Augen deutlich besser hätte ausfallen können. Aber mehr, als diese drei Personen kämen zumindest intern aus meiner Firma für die ausgeschriebenen Stellen nicht in Frage. "Ich hatte gedacht, dass die Recherche ein Stück weit erfolgsversprechender sein würde, aber Stand heute sind das die einzigen drei Personen, die in der Vergangenheit schon mal mehr ausgefressen haben, als dem Kiosk um die Ecke ein Kaugummi abzuziehen. Bei dem einen bin ich mir nicht ganz sicher, für zwei von denen würde ich aber meine linke Hand ins Feuer legen und dir versichern, dass sie das gewisse Extra für eine Beförderung von ihrer derzeitigen Position mitbringen.", redete ich ohne eine Reaktion auf meine vorherigen Worte abzuwarten einfach weiter, während ich die Akten auf dem Tisch ausbreitete und jeweils den beigefarbenen Einband aufschlug. Vorher versicherte ich mich natürlich mit einem unauffälligen Blick über meine Schulter, dass wir nach wie vor ungestört waren, aber das nette Ömchen stand geduldig auf Kundschaft wartend hinter der Kasse und selbst mit dem Hörgerät würde sie vermutlich trotzdem kein Wort verstehen. Ein Großteil der älteren Bevölkerung Russlands hatte schließlich noch kein Englisch in der Schule gehabt und wenn ich mich hier so umsah, dann schätzte ich das durchschnittliche Alter der drei bis vier anderen Kunden auf etwa fünfzig. Es war also sehr unwahrscheinlich, dass jemand das Gespräch verfolgen konnte, selbst wenn er das denn wollte. Also wandte ich mich wieder Hunter zu, deutete mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf das erste Bild ganz rechts von ihm. Die Ablage war in allen Akten gleich. Als Deckblatt sprang einem das klassische Polizeifoto entgegen. Mit der netten Nummer vor der Brust, wie man es aus den ganzen Filmen und Serien bereits kannte. Grundlegende Informationen wie den Namen, das Geburtsdatum und die Herkunft ließen sich der ersten Seite entnehmen. Darauf folgte dann das Strafregister mit allen Eintragungen bis einschließlich gestern Abend und das Schlusslicht bildeten schließlich irgendwelche teils wirklich unwichtigen Zeitungsausschnitte, Forenbeiträge oder private Bilder, die man im Netz so fand. Die erste Akte erzählte die Geschichte von Aras Bagdahn, einem 25 Jährigen Litauer, der in seiner Jugend nach Russland gekommen war. Er arbeitete seit etwa drei Jahren für mich und hatte ein goldenes Händchen, wenn es um den Verkauf von Autos ging. Er wurde selbst die schäbigsten Gebrauchtwagen noch für einen Haufen voll Kohle los. Eine richtige Goldgrube für das Unternehmen, wenn man so wollte. Wäre schade, wenn er von Hunter ebenfalls für gut befunden wurde, aber keinerlei Interesse daran hatte, kriminell zu werden. Im Umkehrschluss würde das nämlich heißen, jeden Eingeweihten, der nicht mitspielen wollte, mundtot zu machen und weil weder Hunter, noch ich besonders erpicht darauf waren, Abfindungen zu zahlen, lag die Alternative dazu wohl auf der Hand. Vorerst machte ich mir darüber aber keinerlei Gedanken und fuhr unbeirrt mit meinen Erzählungen fort. Der Zweite von den drei potenziell tauglichen Kandidaten war Adrian Kabarov, ein befreundeter Kasache und mit etwa 40 Jahren gehörte er im Büro des Unternehmens quasi schon zum alten Eisen. Er war korrekt, ein sehr netter Typ und wir kannten uns schon lange. Ich wusste, dass er ab und an noch heute krumme Dinger drehte, aber der Zahn der Zeit hatte an ihm genagt und er sagte selbst, dass er mit zu viel krimineller Scheiße nichts mehr zutun haben wollte. Also fiel er prinzipiell auch schon raus, weil ich ihm seinen Ruhestand nach den langen Jahren harter Arbeit wirklich gönnte. Blieb nur noch Irina Kuzmin übrig. Eine bildhübsche Serbin, war mir bei der Anstellung sofort ins Auge gefallen, hatte es aber bei genauerem Hinsehen faustdick hinter den Ohren. Mit ihren 20 Jahren war sie zwar einer der, wenn nicht sogar die Jüngste im Unternehmen, aber das musste ja nicht zwangsläufig etwas Schlechtes sein. So bestand immerhin die Chance, ihren Charakter noch etwas zu formen, auch wenn ich mich vor meinem geistigen Auge dadurch zum Kindergärtner degradiert sah. Aber das war noch alles reine Zukunftsmusik. Erst einmal musste Hunter sein Go geben, vielleicht passte ihm ja auch gar keiner von den drei Auserwählten. Dann lag es an ihm, die passenden Leute für die Jobs zu finden und die Verantwortung der Erziehung jener oblag dann selbstredend ihm allein.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Kuchen? Meine Augenbrauen wanderten einen kurzen Augenblick lang nach oben, als Iljah mich unweigerlich erneut darauf hinwies, dass er Smalltalk für nichts Schlechtes hielt. Ich war tatsächlich weniger erpicht auf Zucker, als es bei vielen anderen Menschen der Fall war, hatte früher als Kind aber ziemlich gern Kakao getrunken. Schokolade war also schon irgendwie mein Ding, aber nur solange sie nicht zu süß war. Ich bevorzugte dunkle und selbst die nur in Maßen. "Vielleicht nehm' ich später einen mit.", erwiderte ich mit einem leichten Kopfschütteln ein paar doch fast schon belustigt klingende Worte. Der Russe schien sich an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen zu können, wusste ein gutes Stück Kuchen noch zu schätzen. Für mich schien es eher eine Villa und eine zickige Frau zu brauchen, um wieder sowas wie durchweg positiv behaftete Endorphine wachzurütteln. War ja nicht so, als könnte das Töten eines anderen Menschen nicht auch ein paar dieser Hormone wachrütteln. Schon ziemlich Grotesk. Ich folgte Iljahs knapper Ausführung seiner eigenen Person und musste ein kleines bisschen grinsen. Ja, Willkür traf es wohl ganz gut. Gerade in meiner Anfangsphase nach dem Knast hatte häufig ein schiefer Blick gereicht um eine Kugel oder einen Stich zu kassieren, wenn ich schlechte Laune gehabt hatte. War schwer zu glauben, aber damals war mein Geduldsfaden tatsächlich noch kürzer als jetzt. War im Endeffekt aber gut gewesen - ich bekam schnell einen Namen in den Straßen, Kohle für den einen oder anderen Auftragsmord und dadurch meine erfolgreiche Flucht nach Norwegen. Ich war drauf und dran etwas in der Richtung 'Eine Version von mir reicht auch, zwei wären kontraproduktiv.' zu erwähnen, während ich einen flüchtigen Blick auf die Akte warf, aber der junge Mann erstickte diese Aussage bereits im Keim, weil er mir die nächsten Unterlagen vorlegte. Ich verwarf den vorherigen Gedanken also und folgte fortan seinen Erzählung bezüglich der drei Kandidaten, die in seinen Augen für all das in Frage kamen. Mehr Auswahl wäre natürlich weit besser gewesen, aber es war wohl sowieso eher nicht zu erwarten gewesen, dass besonders viele seiner Angestellten bereits brauchbare Vorstrafen verbüßt hatten. Es kam einfach selten vor, dass sich ein Verbrecher plötzlich vollkommen legaler Arbeit widmete und dem leichteren Geldverdienen im kriminellen Metier abdankte. Einer der drei Auserwählten schien bis hierhin auch noch gar nicht die Hand ins Feuer gelegt zu haben, was mich ihn grundsätzlich auf die Kippe stellen ließ. Starke Tendenz zum Scheitern. Der zweite schien schon so einige Dinger gedreht zu haben, war aber leider nicht mehr der Jüngste. Ich musste wohl kaum erwähnen, dass ich lieber auf junges, fittes Personal setzte. Das Gehirn eines jungen Menschen schaltete einfach noch grundsätzlich schneller, daran ließ sich nicht rütteln. Andererseits war es gut, dass Iljah ihn lange kannte und sicher hätte sagen können, dass er vertrauenswürdig war. Offenbar stand ihm die Verwicklung in langwierige, größere kriminelle Machenschaften jedoch nicht mehr wirklich im Sinn, also war der Kasache auch eher nur für die Tonne. Die beiden bisherigen Akten hatte ich also beiläufig mit einem etwas unzufriedenen, leisen Grummeln schon zugeklappt, als ich im Anschluss die dritte heranzog. Eine Frau. Eine sehr junge noch dazu. Zwar hatte ich inzwischen gelernt Cosma zu vertrauen und ich liebte sie - was ich bisher so noch nie gesagt hatte, wobei ich sowieso nicht wusste wie die Rothaarige im Allgemeinen zu der Aussage stand -, aber meine Einstellung gegenüber dem Rest der weiblichen Bevölkerung hatte sich deswegen noch lange nicht geändert. Das andere Geschlecht war einfach zu mindestens 95% wesentlich durchtriebener und hinterlistiger, als es ein Mann jemals in Erwähnung ziehen würde. Männer waren meist direkter und versuchten dir nicht hinterrücks einen Dolch reinzurammen, sondern taten es wenn dann ganz offen. Schon während Vahagns Bruder noch über die junge Frau sprach hob ich die rechte Hand, um mir über das sich wieder etwas anspannende Gesicht zu reiben. Erst danach begann ich aktiver einen Blick in ihre Akte zu werfen und sah mir die Eckdaten ihrer Vergehen an. Dafür, dass sie wirklich erst 20 Jahre alt zu sein schien, war die Liste verhältnismäßig lang. Dass sie in ihrer späten Jugend geklaut hatte interessierte mich natürlich nicht die Bohne, aber irgendwann wurde es dann doch interessant, hatte man sie scheinbar häufiger mit Drogen erwischt. Bei den Körperverletzungen - sie war klein, konnte sie überhaupt einer Fliege was zu Leide tun? - und den beiden Malen Totschlag wandere jedoch meine rechte Augenbraue nach oben. Sie war wohl immer frei gesprochen worden, weil sie aus reiner Notwehr gehandelt hatte und nur deswegen noch auf freiem Fuß. War aber sehr auffällig, dass sie dumm genug war immer wieder an Leute zu geraten, die ihr nach dem Leben trachteten, statt sich mal nach einem neuen Wirkungskreis umzusehen. Ich stellte kaum in Frage, dass das mit den Drogen davor irgendwie in Zusammenhang stand, obwohl das scheinbar nicht nachgewiesen wurde. Korruption war aber sicher auch in Russland ein Thema, vielleicht waren da mal wieder zufällig ein paar Beweismittel verschwunden. Wenigstens schien sie nach ihrem letzten Freispruch die Finger von Alledem gelassen zu haben, sonst säße sie wohl nicht im Autohaus herum oder wäre anderweitig auffällig dabei geworden. Ich schlug mit einem genervten Laut auch die dritte Akte zu und legte sie auf die anderen beiden, weshalb nur noch die des Russen gegenüber direkt vor mir auf dem Tisch lag. Es folgte ein schweigsamer Moment meinerseits, in dem ich die Hand erneut hob - dieses Mal um mir die Schläfen leicht zu massieren und einen Moment lang in mich zu gehen. Ich hatte selbst nicht wirklich Männer, die ich stattdessen hätte nehmen können. Die meisten waren nun mal komplett abgestumpft und für den erfolgreichen Verkauf von Autos benötigte man zumindest einen Funken Empathie und sowas wie Geduld neben einem guten Geschäftssinn. Eine Kombination von allen drei Eigenschaften fand ich maximal in Ashton und vielleicht noch in Tauren, weil wohl sogut wie jeder dem jungen Norweger eine Karre abkaufen würde. Es kam aber weder in Frage meine rechte Hand nach Russland zu quartieren, noch den Rohdiamanten ins Ausland zu versetzen. Auch abgesehen davon, dass die beiden während Taurens weiterer Ausbildung ohnehin nicht getrennt werden sollten. Ich hatte also eigentlich gar keine richtige Wahl, wie mir schien. "Das Risiko beim Lamm ist mir zu hoch, der Andere für meine Begriffe eigentlich zu alt...", gliederte ich die beiden Männer zu Beginn aus und löste dann meine Hand wieder vom Kopf. "Sie hat bei dir noch nie Scheiße gebaut..?", hakte ich mit einer indirekten Frage was das anging noch einmal nach, als ich Iljah wieder direkt ansah. "Und du vertraust ihr? Ich bin bei Frauen immer... skeptisch.", formulierte ich sehr mild, wie ich dem weiblichen Geschlecht gegenüber stand. Allerdings war das angesichts meiner Vergangenheit wohl nicht verwunderlich. "Sie ist im Grunde die Einzige, die für mich irgendwie in Frage kommt... mehr oder weniger. Schätze ich muss sie einfach sehen.", schloss ich mit einem schweren Seufzen und einem leichten Schulterzucken ab. Zwar hätte ich auch jeden Mann ohne Ausnahme unter die Lupe genommen, bevor er in Irgendwas von Alledem hier verstrickt worden wäre, aber als Frau müsste sie sich wohl einer noch härteren Prüfung unterziehen. Dieser meinerseits entwickelte Instinkt lies sich nicht umgehen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Auch Hunter schien nicht besonders erfreut darüber zu sein, dass die Recherche lediglich drei potenzielle Kandidaten zutage gefördert hatte. Rückblickend betrachtet dürfte uns das nicht einmal überraschen, schließlich hatte ich für eine bis dato vollkommen legal agierende Firma nicht explizit nach Mitarbeitern mit einer dicken Strafakte gesucht. Ich gehörte in dem Punkt allerdings zu einen der in Russland sehr rar gesäten Arbeitgeber, die über Eintragungen ins Strafregister hinwegsehen konnten. Die Vergangenheit meiner Mitarbeiter interessierte mich schlichtweg nicht, solange sie ihre Arbeit gewissenhaft und meinen Anforderungen entsprechend erfüllten. Bekam ich jedoch mit, dass diese Nachsicht ausgenutzt wurde, etwa indem man mich beklaute oder anderweitig übel mitspielte, dann sollte man besser seine Beine in die Hand nehmen und das Land verlassen. Ich war zwar ein verhältnismäßig geduldiger Mensch im Gegensatz zu vielen anderen im kriminellen Metier, aber irgendwann musste auch mal Schluss sein. Schließlich respektierten einen die Leute nicht alleine deswegen, weil man mit Danksagungen und Lob um sich schmiss, sondern eben auch konsequent durchgriff, wenn es die Situation erforderte. Für gewöhnlich verzichtete ich dabei auf körperliche Gewalt, weil das in den seltensten Fällen den gewünschten Erfolg versprach und bediente mich lieber an einer milderen Form von psychischer Folter. Ein abgetrennter Finger der Liebsten im Briefkasten hinterließ langfristig spuren, während an ein ehemals blaues Auge oder eine gebrochene Nase bald schon nicht mehr gedacht wurde. Na ja, jedenfalls war ich ganz froh, dass sich zumindest auf dem Papier ein paar sehr wenige meiner Mitarbeiter für den Job eigneten, blieb nur noch zu hoffen, dass sie auch in den Augen des Amerikaners etwas taugten. Ich nutzte die Zeit, in der Hunter eine Akte nach der nächsten aufschlug und hörbar unzufrieden die wenigen Eckdaten zu jeder Person studierte, um den Teller mit dem Kuchenstück kurzerhand zu leeren. Ich hatte heute noch nicht wirklich etwas gegessen und da jetzt ohnehin erst einmal ein kurzzeitiges Schweigen eintreten würde, während der Amerikaner sämtliche ihm zur Verfügung gestellten Informationen in sich aufsaugte, konnte ich das unangenehme Magenknurren in der Zwischenzeit besänftigen. Mir wäre warmes, nicht unbedingt so zuckerhaltiges Essen zwar deutlich lieber gewesen, aber das erschien mir nach Jammern auf höchstem Niveau. Bis ich wieder den Heimweg antrat, würde mich das himmlisch gute Stück Kuchen jedenfalls sättigen. Ich beobachtete den jungen Mann dabei, wie er sich zwischendurch etwas anstrengend wirkend über den beinahe gänzlich rasierten Kopf oder das Gesicht rieb, wobei mein eigener Gesichtsausdruck relativ neutral blieb. Hunter hatte schließlich versichert, sich selbst um ein paar geeignete Männer zu bemühen, sollten wir in meiner Firma nicht auf Anhieb fündig werden und deshalb sah ich der ganzen Sache eigentlich relativ entspannt entgegen. Ich konnte ja nicht riechen, dass er eigentlich eben keine Männer hatte, die sich ad hoc für diesen Job eigneten oder die er mal so eben abstellen konnte. Hatte er mir schließlich so nicht kommuniziert und war entsprechend wenig mein Problem. Ich schlürfte gerade den wohl letzten Schluck aus der Kaffeetasse, ehe sich diese zu dem leer geputzten Teller am Rande des Tisches gesellte, als Hunter auf Irina zu sprechen kam. Aras und Adrian schienen ihm nicht besonders gut zu gefallen und weil er danach wieder einen Augenblick lang schwieg, wusste ich eigentlich direkt, dass seine Wahl letztlich auf die junge Serbien fallen würde. Ausgerechnet auf die Mitarbeiterin, für die ich meine Hand noch nicht ohne weiteres ins Feuer legen würde, weil ich sie schlichtweg noch nicht sehr lange und auch nicht besonders gut kannte. Hunter entlockte mir mit seiner indirekt feststehenden Wahl deshalb ein leises Seufzen, dicht gefolgt von einem nachdenklichen Schulterzucken auf seine Fragen. "Ich bin ehrlich mit dir... Irina arbeitet noch nicht lange für mich. Bis jetzt habe ich zwar nur Gutes von ihr gehört und sie ist in der kurzen Zeit auch noch nicht negativ aufgefallen. Von einem aufrichtigen Vertrauensverhältnis sind wir aber trotzdem noch ziemlich weit entfernt.", ließ ich meinen Gegenüber an meinen Gedankengängen teilhaben. Meinen Blick hatte ich dabei permanent auf ihn gerichtete, musterte ihn ruhig und entspannt. Ich hatte Vahagn nach unserem Streit von gestern am heutigen Tag noch darüber in Kenntnis gesetzt, dass ich mich mit Hunter treffen würde. Alleine - und beabsichtigt den Treffpunkt außen vor gelassen. Sie war nicht besonders glücklich darüber gewesen, hatte es aber wortlos hingenommen und war daraufhin noch wütender als am Vortag abgerauscht. Wohin wusste ich nicht und es war mir auch egal, solange sie das heutige Gespräch nicht wieder sprengte, so wie in der Hotelbar. Daraus resultierend war meine Laune eigentlich wieder verhältnismäßig gut, ich konnte nicht klagen. Schon gar nicht nach dem lecker Kuchen und den für russische Verhältnisse exzellenten Kaffee.
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Na das war ja großartig. Weder arbeitete die junge Frau schon besonders lang für Iljah, noch konnte er wirklich mit Sicherheit sagen, dass sie vertrauenswürdig war. Dass Irina sich bis hierhin scheinbar noch nichts hatte zu Schulden kommen lassen wiegte die anderen Umstände auch nur bedingt auf, was unmittelbar das Bedürfnis in mir hervorrief, die Faust auf die Tischplatte zu knallen. Ich besann mich zwar eines besseren und verharrte lediglich mit dem genervten Gesichtsausdruck auf dem Stuhl, statt in irgendeiner Form laut zu werden, aber positivere Antworten wären für uns alle schlicht besser gewesen. Sollte sie also später durch den Test fallen, müsste ich mich vermutlich entweder mit einem alten Knacker oder mit einem lammfrommen Jüngling zufrieden geben. Wieso musste auch jeder der Kandidaten irgendeinen Haken haben? Lag wohl schlichtweg daran, dass sie sich zuletzt alle für die legale Arbeit in einem Autohaus entschieden hatten und nicht für das Waschen von Blüten. Es bewarb sich ja Niemand unter der Prämisse irgendwann vielleicht mal Geld für den Inhaber zu waschen, wenn er sich für einen ganz normalen Job bewarb. Erst recht wenn man bereits einiges auf dem Kerbholz hatte konnte man froh über jede Chance sein, die man auf dem normalen Arbeitsmarkt überhaupt noch bekam. Wieder zur Normalität zurückzukehren war häufig eine Herausforderung, die meisten scheiterten daran. "Super.", wurde ich ein einziges Wort los, das nur so vor Ironie triefte. Der Tag hatte eigentlich wirklich nicht schlecht angefangen. Ashton hatte heute morgen schon gute Nachrichten für mich gehabt und ab davon schien sich auch Tauren weiterhin gut zu mausern. Hielt es trotz seines jämmerlich weichen Charakters aus, dass er im Grunde nur noch arbeitete, chronisch übermüdet und erschöpft war. Meine rechte Hand selbst mochte diese Testphase selbst ebenfalls nicht besonders gern, weil das auch für ihn wenig Ruhe bedeutete, aber es war ja nicht so als gäbe es kein Licht am Ende des Tunnels. Sobald der junge Norweger die zweite Woche auch noch durchgestanden hatte bekamen sie beide ein paar Tage Ruhe... sofern ich sie nicht spontan irgendwo brauchte, versteht sich. Ich hoffte stark, dass ich bis dahin selbst wieder auf kubanischem Boden stand und das serbische Halbblut mir dementsprechend zusagte. Meine Zeit in Russland wollte ich nicht sinnlos verschenkt haben, das wäre für alle Beteiligten ärgerlich. Immerhin ginge auch für Iljah ein potenziell gutes Geschäft zu Grunde, noch bevor es überhaupt richtig angelaufen war, wenn wir nicht zeitnah eine Person ausmachten, die wir beide für diesen Posten gutheißen konnten. "Hast du noch irgendwelche anderen Termine? Ich will die Angelegenheit so schnell wie möglich geklärt haben.", fragte ich den Russen gegenüber danach, wie seine weitere Tagesplanung aussah. Es war theoretisch schließlich möglich, dass er mich nur zur Essenszeit eingeschoben hatte, weil er danach schon wieder weiter musste. Ich selbst schmiss meine eigenen Pläne ja auch nur eher selten mal für Jemanden komplett um. Wenn er also keine Zeit hätte mir die junge Frau - und in diesem Atemzug dann wohl auch das Autohaus, wenn wir sowieso schon da waren - zu zeigen, würde ich das Ganze respektieren und wir verschoben die Aktion. Es war unter der Woche, es würde mich also schon sehr wundern, wenn sie gerade nicht auf der Arbeit wäre. Im Grunde hätte ich aber genauso wenig ein Problem damit Irina einfach bei sich Zuhause zu besuchen, wenn sie gerade einen freien Tag genießen sollte. Das wäre zwar ein klein wenig umständlicher und ich könnte nicht gleich zwei Dinge in einem Aufwasch erledigen, aber gerade die privaten Gemächer verrieten häufig so einiges über eine Person. Wie Jemand wohnte war ein kleiner Einblick in die Seele, zumindest bei unangekündigten Besuchen. Aufräumen konnte schließlich jeder schon vorher, wenn der Besuch fest eingeplant worden war. Sollte Iljah jetzt aber gar keine Zeit mitgebracht haben wäre das für den heutigen Tag nicht mehr wirklich relevant und ich würde mich wahrscheinlich den Rest des Tages darüber ärgern, dass die Auswahl wirklich so bescheiden war. Wenigstens brachte die Schwarzhaarige aber auch eine gute Optik mit. Ich wusste zwar nicht, wie die Traditionen da so in Russland waren, aber in den meisten amerikanischen Haushalten waren doch eher die Männer für den Autokauf zuständig. Die meisten bestanden auch ganz einfach darauf, weil sie der Ansicht waren, dass ihre Frauen keine Ahnung von Autos hatten. War auch oft so, Ausnahmen bestätigten da eher nur die Regel. Sollte das in der eisigen Hölle hier nicht viel anders sein, dann konnte ein hübsches weibliches Gesicht dahingehend bestimmt von Vorteil sein - sofern sie parallel auch gute Verkaufsstrategien hatte. Nur mit dem Körper kam sie auch nicht weit, wenn sie der Auffassung wäre einem Kerl eine Familienkutsche andrehen zu wollen, obwohl der eigentlich etwas sehr sportliches suchte. Blieb also zu hoffen, dass sie auch was ihren Job anging wirklich wusste, was sie tat und nicht zu der Sorte Frau gehörte die optisch viel hermachte, nur um dann dafür nichts im Schädel zu haben.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ja, optimal war anders, da waren wir uns wohl einig. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte ich auch lieber ein paar super trainierte, emphatische junge Männer, die bestenfalls schon in Kontakt mit Geldwäsche gekommen waren für diesen Job eingesetzt, aber solches Personal wuchs nun mal nicht auf Bäumen. Ein Suche und Biete-Aushang im nächsten Supermarkt kam dafür leider auch nicht in Frage, also mussten wir - in erster Linie jedoch Hunter - sich mit dem zufrieden geben, was da war. Passte ihm das nicht, musste er sich eine Alternative überlegen oder sich einen neuen Deppen suchen, der in seiner Firma ausschließlich Kriminelle mit langen Vorstrafenregistern unterhielt. Würde der Amerikaner das Ganze nicht ziemlich kurzfristig aus dem Boden stampfen wollen, wäre es außerdem möglich gewesen, eine Art abgespecktes Bewerbungsverfahren in Gang zu bringen. Natürlich galt es auch da, nicht unnötig viel Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen, eine Stellenausschreibung in der örtlichen Zeitung würde dafür eher nicht in Frage kommen, aber es gab etliche andere Mittel und Wege, potenzielle Kandidaten aufzulesen. Gerade dann, wenn man gute Connections in staatlichen Einrichtungen hatte. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass man auf diese Art sehr viel eher den passenden Mann für die Sache fand, als auf Biegen und Brechen zu versuchen, jemanden, der das im besten Fall auch überhaupt nicht wollte, abzurichten. Das Anlernen alleine würde eine Menge Zeit in Anspruch nehmen und ich sah das letzte bisschen meiner eigentlich durchweg verdienten Freizeit schon vor meinem inneren Auge Adieu sagen. Hunter würde wohl kaum länger in Russland bleiben, um Irina - die es letztlich ziemlich sicher werden würde, weil wer, wenn nicht sie? - in ihrer Anfangszeit über die Schulter zu schauen und Vahagn zog es vermutlich auch wieder zurück nach Kuba in die Arme ihres Geliebten. Also würde die unliebsame Aufgabe damit an mir hängen bleiben und ja, streng genommen hätte ich mich da auch einfach mit dem Arsch drauf setzen, es der Serbien einmal erklären und erwarten können, dass sie mit den Finanzen zurecht kam, aber unter einem Fehltritt ihrerseits würde nicht nur das Geschäft Hunters leiden, sondern auch mein eigenes, das parallel zu der Geldwäsche weiter laufen sollte. Demnach konnte ich es nicht verantworten, sie einfach sich selbst zu überlassen - mal ganz abgesehen davon, dass der Amerikaner sicher auch nur einmal Verständnis dafür aufbringen können würde, wenn irgendetwas - ganz gleich, was es nun war - nicht so lief, wie er sich das vorgestellt hatte. Wenn überhaupt. Eventuell rollte bei dem jungen Mann der Kopf ja direkt und auch wenn von Angst noch lange keine Rede sein konnte, trat ich ihm mit dem nötigen Respekt entgegen. Nicht, weil er Hunter war und ich mittlerweile wusste, wozu er imstande war, sondern ganz einfach deswegen, weil ich selbst von meinen Geschäftspartnern erwartete, dass sie mich ernst nahmen. Es würde nur von ziemlich trauriger Doppelmoral zeugen, wenn ich mich selbst dann aufführte wie das letzte Arschloch. Ich genoss den Tätowierten also wie jeden anderen meiner Geschäftspartner auch mit grundlegender Vorsicht, weil diese bekanntlich besser war als Nachsicht. Auf die Frage, ob ich heute noch anderweitige Termine hatte, schüttelte ich deutlich sichtbar mit dem Kopf. "Das habe ich mir schon gedacht, deswegen sind wir überhaupt erst hier.", unterstrich ich das Ganze auch noch einmal verbal, wobei Hunter schlecht wissen konnte, was das Café jetzt eigentlich damit zutun hatte. "Die Firma liegt nur wenige Gehminuten von hier entfernt. Wenn du möchtest, können wir direkt los.", ergänzte ich die vorangegangenen Worte meinerseits also noch um eine Erklärung, die für ein wenig mehr Klarheit sorgte. Auf eine Antwort meines potenziell künftigen Geschäftspartners wartend, verschränkte ich die Arme vor meiner Brust und ging im Kopf parallel dazu die Einsatzpläne dieser Woche durch. Soweit ich mich recht erinnerte, müsste Irina aktuell auch Schicht haben, ich hieß es also durchaus willkommen, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können. War halt einfach besser, als noch eine weitere Verabredung in meinem Terminkalender unterzubringen, der aktuell aus so ziemlich alles Nähten platzte. Hier mal ein Geschäftsessen, dort ein Einsatz im Außendienst... Ich arbeitete in den letzten Tagen besonders hart daran, neue Aufträge an Land zu ziehen, damit meine Jungs beschäftigt waren und langsam aber sicher wieder das Geld in die Kassen floss. Es käme mir daher nur gelegen, wenn die Sache mit dem Falschgeld relativ zügig anlaufen würde, denn so wie ich das sah, brachte es absolut gar nichts, derart viele Männer in Russland zu unterhalten. Ein weiterer Sitz in einem anderen Land war quasi unabdingbar, wenn die Konstellation der Mitarbeiter bestehen bleiben und die Zahlen sich langfristig wieder erholen sollten. In der Anfangszeit würden diese zwar noch einmal rapide in den Keller rutschen, bekam man ein Grundstück nun mal nicht eben so geschenkt und auch die Unterkünfte in einem neuen Land bezahlten sich nicht von Luft und liebe, aber rein wirtschaftlich gesehen wäre das eine Investition, die sich bei einer guten Auftragslage sehr bald schon rentieren würde.
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Auch bei der Wahl für unseren Treffpunkt schien der Russe bereits im Voraus gut geplant zu haben. Denn das Café hier war nicht zufällig oder gar nur wegen dem unschlagbaren Schokokuchen ausgewählt, sondern befand sich unweit vom eigentlichen Ort der Begierde. Das war wohl so ziemlich die einzig positive Sache, die ich in rein geschäftlicher Hinsicht bisher aus diesem Gespräch hatte mitnehmen können. Der Rest lief aktuell mehr holprig und schlecht als recht, aber mir blieb wohl nichts anderes übrig als zu nehmen, was ich bekommen konnte. Deshalb ließ ich Iljah mit einem deutlichen Nicken und den wenigen Worten "Dann los.", wissen, dass wir uns auf den Weg machen sollten. Danach stand ich ohne zu zögern auf und griff nach der Lederjacke auf der Stuhllehne, die zurück an meine Schultern wanderte. Norwegen war im Winter auch scheiß kalt gewesen, sowas wie einen Wintermantel oder einen dick gefütterten Parker hatte ich trotzdem nicht mal besessen. Obwohl ich was Kälte anbelangte also eigentlich sehr abgehärtet war und es für mich häufig ein dünnes Thermoshirt, ein Hoodie darüber und sonst nur noch die Lederjacke ausreichend getan hatten, war mir derartig angezogen hier in Russland trotzdem etwas kälter. Was das anbelangte schien Kuba mich irgendwie etwas empfindlicher werden zu lassen, aber ich wollte wohl ohnehin nicht öfter nach Moskau reisen, als es zukünftig noch notwendig war. Russland an sich war einfach kein Land, das mich in irgendeiner Form reizte und die Flüge waren schlichtweg ätzend lang. Solange also keine persönlichen Besuche von Nöten waren würde ich mich auf anderweitige Kommunikation - oder im weniger schlimmen Ernstfall auch auf das Vorbeischicken meines Personals - begrenzen. Ich verzichtete - sehr überraschend - auf den Kuchen und trat hinter Iljah zurück an die eisig kalte Luft, wo ich seine Akte einem meiner Männer in die Hand drückte. Ohne Einsichtserlaubnis, versteht sich. Es stand meinen Leuten nicht frei sich ihre eigene Meinung zu Geschäftspartnern zu bilden, solange sie in meiner Hör- und Sichtweite waren. Er verstaute den Umschlag also noch im Wagen, bevor er zu uns aufschloss. Trotz der Kälte war es mir ganz recht, dass wir den Weg zu Fuß zurücklegen konnten. Auch in diesem Fall einfach deshalb, weil ich mich heute noch kaum bewegt hatte und Koffein seinen Job nicht so gut erledigte, wie ich es gern hätte. Ein paar Minuten an der frischen Luft zu verbringen konnte demnach nicht so verkehrt sein, um einfach etwas besser in Schwung zu kommen. Um den Weg nicht schweigend neben dem Tätowierten herzugehen bedienten wir uns tatsächlich an sowas wie sehr oberflächlichem Smalltalk, der bei unserer Ankunft am Autohaus jedoch prompt sein Ende fand. Irina sprang mir schon ins Auge, als ich mit Iljah den vorderen Bereich inklusive Showroom der teureren Wagen betrat. Sie schien gerade ein Kundengespräch mit einem älteren Herren zu führen und deshalb gingen wir vorerst dazu über mir einen anderweitigen Überblick des Autohauses zu verleihen. Das begann mit ein paar Räumlichkeiten und einer allgemeinen Übersicht, bevor wir uns unter vier Augen in seinen privaten Büroraum zurückzogen, um der Sache mehr Tiefe zu verleihen. Ich bestand auf einen Einblick in die Verkaufszahlen und auch die Finanzen. Irgendwie musste ich mich schließlich darüber vergewissern, dass die russischen Geschwister mir keinen Bären aufbanden und mir weiß machen wollten, dass das Autohaus gut lief, während es eigentlich genauso den Bach runter ging wie der Rest. Auch hier war Kontrolle wieder deutlich angebrachter als voreiliges Vertrauen. Dennoch schien soweit alles der Wahrheit zu entsprechen und ich war dahingehend beruhigt. Es sollte sich eine wirklich gute Summe an Falschgeld über Gebrauchtwagen an den Mann bringen lassen, schienen Iljahs Angestellte was das anging doch recht geschickt zu sein - Irina eingeschlossen, waren in den Bilanzen doch auch Namen vermerkt. Sie war wohl in etwa ein halbes Jahr lang hier und schien sich schnell eingefunden zu haben. Was ihr Verkaufstalent anging hatte ich also vorerst nichts zu bemängeln, aber das war leider nicht der einzige wichtige Aspekt. Wir hatten insgesamt etwa eine Dreiviertelstunde im Büro verbracht und was Zahlen anging war ich zufrieden, aber inzwischen war der Kunde von vorhin bestimmt bedient. Also verließen wir das Büro mit dem Vorhaben die junge Frau noch etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Wenn man den Aspekt, dass ich streng genommen nach wie vor unter den Sorokin-Brüdern litt, mal ganz außen vorließ, dann mochte ich meinen Job meistens. Ich war redegewandt und wurde aus den meisten Menschen schnell schlau. Fand zügig die richtigen Knöpfe, die bei den Kunden im Autohaus gedrückt werden mussten, damit sie sich verstanden und gut aufgehoben fühlten und im besten Fall mit einer Kopie des unterschriebenen Kaufvertrags aus dem Geschäft gingen. Der werte Herr, den ich am heutigen späten Mittag bedienen sollte, hatte sich schon gestern mittels Telefonat angemeldet und er war ein bisschen anstrengend. Er schien sich gar nicht so sicher damit zu sein, was er eigentlich genau von einem neuen Auto erwartete, also kauten wir erst einmal diese Angelegenheit durch, bevor er sich zu einer Probefahrt in einer fünfjährigen, silbernen Limousine entschied. Da es in Russland so einigen schräge Typen gab - ich war das gewohnt, war ich doch hier aufgewachsen - war ich bei jener Fahrt auf dem Beifahrersitz mit von der Partie und gerade erst seit fünf Minuten wieder zurück, als der Chef persönlich ins Innere der Verkaufsbereichs marschierte. Unweigerlich schweifte mein Blick also Richtung Eingangstür und ich warf ihm ein kurzes Lächeln zu - was eine gängige, wortlose Begrüßung von mir war und an sich nichts zu bedeuten hatte -, bevor ich mich wieder vollumfänglich dem Kunden widmete. Er wollte sich auch noch die neueren Jahreswagen im Showroom kurz ansehen und mich beschlich schon jetzt ein ungutes Gefühl. Nicht wegen dem etwas verwirrten Kunden, sondern wegen der ungewöhnlichen Begleitung Iljahs. Natürlich kamen hin und wieder mal Geschäftspartner des Inhabers mit ins Haus, wenn es Irgendwas zu besprechen gab, aber die sahen erstens nicht so aus und zweitens hatten sie normalerweise nicht diese... durchweg negativ behaftete Aura. Ich hatte in den letzten Jahren mit mehr als genug Verbrechern zusammengearbeitet, um solche Typen zehn Meter gegen den Wind riechen zu können. Die beiden noch recht jungen Männer, die vor den Türen des Autohauses verweilten und mehrere Zigaretten hintereinander rauchten, bestärkten mich nur weiter in dem unguten Bauchgefühl. Sie hatten den selben toten, kalten Gesichtsausdruck wie der schrankbreite Typ, der mit dem schwarzhaarigen Russen die Eingangstür passiert hatte. Es breitete sich also schon während dem Verkaufsabschluss mit dem älteren Herren eine leichte Nervosität in mir aus und ich war froh, als letzterer nach dem Unterzeichnen der Papiere in meinem Büro nach einer gefühlten Ewigkeit endlich den Heimweg antrat. Den Wagen würde er übermorgen abholen können und ich begleitete den Herrn mit dem grau melierten Haar mit dem Klemmbrett unter dem rechten Arm wieder zurück zum Ausgang. Ich verabschiedete ihn mit ein paar letzten, freundlichen Worten im Rahmen der Glastür und reichte ihm noch einmal die Hand, bevor er das Weite suchte und sich zumindest der erste unangenehme Part meiner aktuellen Situation damit verflüchtigte. Kaum war er außer Hörweite atmete ich einmal etwas tiefer aus und seufzte im selben Atemzug. Er war ja nett gewesen, aber es war immer furchtbar, wenn man Jemandem erst erklären musste, was genau eigentlich das richtige Auto für sich und die Familie war. Ich griff nach dem Klemmbrett und ließ es mitsamt der Hand sinken, kurz bevor ich Schritte in der Entfernung hinter mir hörte. Also straffte ich die Schultern wieder ein wenig und drehte mich auf den etwa fünf Zentimeter hohen Absätze um, damit ich den Auslöser ausmachen konnte. Dass es sich dabei um Iljah und seinen merkwürdigen Anhang handelte hatte ich schon geahnt, aber trotzdem irgendwie gehofft, dass es nicht so war. Umsonst, versteht sich. Sie schienen tatsächlich direkt auf mich zuzukommen und nicht nur die Tür benutzen zu wollen, weil ich die Augenpaare ziemlich penetrant auf mir spürte. Obwohl mir das ein wenig unangenehm war räusperte ich mich leise und fand das schwache Lächeln von vorhin wieder, während ich ihnen die letzten paar Schritte entgegen kam. Dabei sah ich im Grunde so aus wie immer, wenn ich auf der Arbeit war: Ich trug eine relativ enge, schlicht schwarze Jeans oberhalb der sehr dezenten, ebenfalls schwarzen, spitz zulaufenden Pumps mit schmalem Absatz und ein weißes, figurbetontes Hemd, das bis auf die oberen beiden Knöpfe zugeknöpft war. Die langen Haare waren wie gewohnt in einem ordentlichen Dutt verstaut, damit sie mir nicht im Weg waren und lediglich zwei einzelne Strähnen rahmten mein Gesicht seitlich ein, um den Look nicht ganz so streng wirken zu lassen. Das Make Up wie immer nur sehr dezent, ließ mich lediglich etwas frischer aussehen. "Mr Gniwek, wie kann ich helfen?", hakte ich zuvorkommend, wie man es als Verkäuferin und Angestellte nun einmal sein sollte, einfach mal nach was der Spuk hier drin sollte. Iljah duzte meines Wissens nach zwar ein paar seiner Angestellten, aber ich verzichtete darauf sehr bewusst. Immerhin war ich im Grunde nur hier, weil ich ihm Informationen aus der Tasche saugen sollte und nicht, um seine beste Freundin zu werden. Distanz war also absolut angebracht und ich wollte keinerlei Form von Bindung zu Jemandem aufbauen, den ich irgendwann wenn möglich ans Messer liefern sollte, weil er die Sorokins auf weiß Gott welche Art verärgert zu haben schien.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es war schon komisch, nun einmal selbst derjenige zu sein, dem die Hosen herunter gezogen wurden. Für gewöhnlich war das mein Part, die Kundschaft dazu aufzufordern, mir Informationen zu geben. Zwar ging es dabei in den seltensten Fällen um die Offenlegung von Verkaufszahlen oder die Einsicht in Finanzbücher, aber letzteres entwickelte sich seit dem Vorfall in Italien zu einem absoluten Muss. Leider gab es für Kriminelle und deren Geschäfte nämlich keine Schufa oder eine Art Creditreform, bei der sich die Solvenz des jeweiligen Geschäftspartners abfragen ließ. Und einen nicht zahlenden Kunden konnten wir uns in der aktuellen Situation einfach nicht leisten. Wenn also schon von vornherein klar war, dass das vorher vereinbarte Zahlungsziel seitens des Auftraggebers definitiv nicht eingehalten werden konnte, dann arbeitete ich mittlerweile ausschließlich gegen Vorkasse oder gar nicht. Letzteres war zwar auch nicht wirklich das Wahre, aber bei Weitem besser, als Ressourcen in den Sand zu setzen, die man anderswo vielleicht sinnvoller - und vor allem gegen Bezahlung - hätte verwenden können. Wie dem auch sei. Jedenfalls beschlich mich trotz der Tatsache, dass ich es nicht anders machen würde, ein ungutes Gefühl, als Hunter und ich uns nach dem Rundgang durch die Firma schließlich in mein Büro zurück zogen. Dort angekommen war ich froh, endlich den Mantel, sowie Mütze und Schal loswerden zu können. Es war hier drinnen doch um einiges wärmer als draußen und wenn es etwas gab, das ich wirklich, wirklich hasste, dann war es schwitzen. Ich fühlte mich dabei grundlegend unwohl, wollte sofort unter eine Dusche springen und war alleine deswegen in Ländern wie Kuba oder Italien völlig Fehl am Platz. Damals hatte ich mich beinahe mit Vahagn darum geprügelt, die Leitung der Firma in Palermo übernehmen zu dürfen - mit fast dreißig Jahren war ich allerdings froh, es nicht getan zu haben und stattdessen in Russland geblieben zu sein. Zwar wurde es im Sommer auch hier verhältnismäßig warm, aber gegen die horrenden Temperaturen des Südens war Moskau der reinste Witz. Nachdem ich mich also aus den Winterklamotten geschält hatte, ging es dann ans Eingemachte und sämtliche Zahlen, die von Bedeutung waren, wurden von Hunter unter die Lupe genommen. Dass mir nicht besonders Wohl bei der ganzen Sache war, lag im Übrigen nicht daran, dass ich dem Amerikaner irgendetwas verheimlichte oder ihm geschönte Zahlen präsentierte, sondern viel mehr war es der Aspekt, dass er nach relativ kurzer Zeit bereits ziemlich viele Informationen über mein Unternehmen hatte sammeln können, ohne dass er mir die Zusammenarbeit versprach. Prinzipiell konnte Hunter mit dem neu erlangten Wissen jetzt auch einfach wieder abhauen und mich, wie auch Vahagn einfach im Regen stehen lassen. Mir war zwar schleierhaft, warum genau er das tun sollte und was daraus die eigentliche Konsequenz war, vor der ich mich augenscheinlich zu fürchten schien, aber ich war in puncto Finanzen wohl einfach paranoid. Hatte Probleme damit, anderen Leuten Einsicht in meine Verdienste zu gewähren, obwohl das an und für sich eigentlich nichts Weltbewegendes war. Mit diesen Informationen in den Händen anderer hatte ich lediglich zu befürchten, dass irgendwer in der Nacht in den Showroom einbrechen und ein Auto klauen wollen würde. Maximal noch, dass jemand, der wusste, wo ich residierte, mich zu beklauen versuchte, aber das war im Grunde genommen auch schon alles. Jedenfalls überstand ich den Finanzcheck durch den Amerikaner ohne weiteres, was mich mit einem zufriedenen Nicken aus meinem Chefsessel aufstehen ließ. Wir hatten jetzt eine ganze Weile in meinem Büro gehockt, Akten, Ordner und Datenbanken gewälzt. Inzwischen durfte das nächste Objekt der Begierde das Beratungs- oder Verkaufsgespräch zu Ende gebracht haben und ein Blick durch die letztlich halb aufgezogene Bürotür bestätigte das kurzerhand. Irina stand einige Meter von uns entfernt an der Ausgangstür, hatte den Kunden offensichtlich gerade verabschiedet und stand Hunter und mir nun vollumfänglich zur Verfügung. Der Amerikaner und ich stiefelten zielstrebigen Schrittes auf die junge Frau zu und weil ich beim Betreten des Showrooms vorhin versäumt hatte, ihre ganz eigene Art der Begrüßung zu erwidern, holte ich das jetzt nach. Ich verzichtete aus verschiedenen Gründen jedoch auf ein Lächeln und schenkte ihr stattdessen lediglich ein knappes Nicken mit neutralem Gesichtsausdruck. "Irina, schön, Sie zu sehen." Auf einer Geschäftsreise in Deutschland hatte ich irgendwann vor etlichen Jahren einmal aufgeschnappt, dass Mitarbeiter durch ihre Vorgesetzten oft beim Vornamen genannt, aber seltsamerweise trotzdem gesiezt wurden. Worin da der Sinn lag, war mir bis heute schleierhaft, aber offensichtlich stärkte es zum einen die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Arbeitern und Vorgesetzten, während man sich weiterhin auf einer doch irgendwie respektvollen Ebene unterhielt. Es war seltsam, aber ich war jung gewesen und hatte es mir scheinbar irgendwann einfach angewöhnt. Seitdem war das zumindest in meinem Unternehmen Gang und Gäbe. Dementsprechend wenig Probleme hatte ich auch damit, von meinen Verkäufern beim Vornamen genannt zu werden, aber Irina verzichtete seit ihrem Tag der Einstellung darauf und in meinen Augen war das auch okay. Jeder wie er wollte oder so. "Verlief das Gespräch mit dem Kunden zufriedenstellend oder gab es Probleme?", erkundigte ich mich mit ein paar ruhigen Worten nach dem Ausgang der Unterhaltung von vor einigen Minuten. Dem Klemmbrett in ihrer Hand zufolge schien der Kunde jedenfalls einen Vertrag unterschrieben zu haben, insofern war die Frage eigentlich überflüssig, aber auch die junge Frau wusste, dass ich als einer der wenigen Geschäftsmännern Wert auf Smalltalk legte. Außerdem wollte ich auch nicht sofort mit der Tür ins Haus fallen und die Sache lieber ein wenig ruhiger, gesitteter angehen. Sie nicht direkt damit überfallen, dass wir sie gerne ins kriminelle Metier zurückzerren wollten, sondern mich vorsichtig heran tasten, wie sie denn aktuell überhaupt zu illegalen Machenschaften stand. "Wären Sie so gut und begleiten Sie uns in mein Büro? Wir würden uns gerne mit Ihnen unterhalten.", klärte ich Schwarzhaarige vorab schon einmal darüber auf, dass sie sich ihre Mittagspause vorerst abschminken konnte. Natürlich würde ich ihr die Zeit des Gesprächs auf die reguläre Arbeitszeit anrechnen und sie durfte wie gewohnt Feierabend machen. Schließlich war ich kein Unmensch und hatte durchaus ein Händchen dafür, meine Mitarbeiter fair zu behandeln. In meinen Augen verdankte ich ihnen den Gewinn, den diese Firma für gewöhnlich abwarf - dadurch, dass viel Geld von dem Autohaus mittlerweile ins Hauptgeschäft floss, sahen die Zahlen natürlich ein wenig anders aus - und das kam schlicht nicht von irgendwo her. Es brauchte zufriedene Mitarbeiter. Solche, die sich auf der Arbeit wohlfühlten und mit Herzblut bei der Sache waren. Dass es dafür die ein oder anderen Annehmlichkeiten brauchte, sollte für mich jetzt kein Hindernis darstellen. Schließlich war ich ein guter und durchweg fairer Chef. Zumindest war das meine Meinung.
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Statt einer klaren Antwort folgte erst einmal eine mehr oder minder irrelevante Frage seitens des Geschäftsinhabers. An sich störte Smalltalk mich nicht, weil ich jenen mit Kunden in fast allen Fällen selbst ebenso pflegte. Einfach um ein Umfeld zu schaffen, in dem man sich wohlfühlen konnte. Sie sollten schließlich nicht das Gefühl entwickeln, dass ich ihnen auf Biegen und Brechen ein Auto andrehen wollte, sondern mich wirklich nach ihren Bedürfnissen richtete. Funktionierte in der Regel auch ganz gut, weshalb Iljah eine entsprechende Antwort von mir bekam. "Ja, er hat den silbernen Nissan gekauft.", bezog ich mich auf den ersten Teil seiner Frage und nickte ganz leicht. In der Zwischenzeit sanken unbewusst aber auch meine eigenen Mundwinkel ab, was vermutlich schlichtweg daran lag, dass der mir unbekannte Kerl sich weder vorstellte, noch sonst irgendwas sagte. Er bevorzugte es mich stattdessen einfach nur mit seinem Blick zu durchbohren. Sich mit Iljah zu unterhalten war in der Regel wirklich kein Problem, aber konnte er den Kerl bitte wieder entsorgen? Wenn er so interessiert an mir war, dann sollte er einfach sagen was ihm auf dem Herzen lag. Ob ich vielleicht irgendwo im Gesicht einen Pickel kam, den ich bisher nicht bemerkt hatte oder sich eine Fliege in einer der Haarsträhnen verfangen hatte. Ich hatte den Blick des Fremden nur sehr flüchtig mit meinem gestreift und sah sofort wieder zu dem mir bekannten Russen, als jener erneut sein Wort an mich richtete. Nur mit dem Chef ins Büro zu gehen war die eine Sache. Er war an sich ja umgänglich - was angesichts seinem eigentlichen Leben außerhalb dieser Wände ziemlich merkwürdig war, wenn man mich fragte - und selbst dann, wenn es ein Problem gab, konnte man im Grunde verhältnismäßig entspannt mit ihm reden. Dass er den anderen Typen jetzt aber wieder zurück mit ins Büro schleppen und dabei haben wollte, war nochmal was ganz anderes. Das leicht drückende Gefühl in meinem Magen verstärkte sich unweigerlich und ich umschloss das Klemmbrett etwas fester mit der Fingern. "Natürlich.", willigte ich selbstverständlich ein und setzte mich mit den beiden in Bewegung. Mein Gesichtsausdruck blieb ruhig, ziemlich neutral, aber die innere Nervosität stieg gefühlt mit jedem Schritt. Ein Pokerface war in diesem Metier ganz einfach wichtig, aber das Adrenalin schlich sich trotzdem an. Einem Junkie eine Lampe über den Kopf zu ziehen war was anderes, als sich gegen zwei Kerle von diesem Kaliber wehren zu müssen. Ob Iljah rausgefunden hatte, dass ich eigentlich gar nicht wegen der Arbeit hier war? Hatte er mich am letzten Wochenende mit dem jüngeren der beiden Sorokin Brüder reden sehen? Vielleicht wollte er sich einfach nur nicht selbst die Hände schmutzig machen und hatte deswegen den gruseligen Kerl im Schlepptau, um mich verschwinden zu lassen. Nachdem er aus mir rausgequetscht hatte für wen ich arbeitete, versteht sich. Gedanken in dieser Richtung waren wirklich nicht förderlich dafür jetzt nicht die Nerven zu verlieren. Da ich die einzige Frau im Trio war betrat ich das Büro unweigerlich mit einem dankenden Nicken zuerst, bevor die beiden Männer mir hineinfolgten. Auf Geheiß setzte ich mich auf einen der beiden Stühle gegenüber des Chefsessels auf der anderen Seite des Tisches. Der Typ in der Lederjacke nahm neben mir Platz, wobei er aber vorher den Stuhl ein klein wenig drehte, um mir mehr zugewandt zu sitzen. Wahrscheinlich damit er mich weiter so bescheuert anstarren konnte. Ich legte das Klemmbrett auf meine Oberschenkel, faltete die Hände darüber ineinander und sah den Kerl neben mir dann für vielleicht drei Sekunden direkt an. Sein eiserner, kalter Blick veränderte sich genauso wenig wie mein eigener, weshalb ich bald wieder zu Iljah sah, der sich ebenfalls gesetzt hatte. "Hab ich einen Fehler gemacht?", fragte ich ruhig nach, ob ich mir etwas zu Schulden hatte kommen lassen. Schließlich war sowas normalerweise am ehesten der Grund dafür, warum man zum Geschäftsinhaber zitiert wurde, wenn man gerade keine Beförderung erwartete. Trotzdem glaubte ich kaum, dass eine dieser beiden Optionen der Grund für diese unangenehme Zusammenkunft war.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich hatte im Grunde genommen nichts anderes erwartet, als dass Irina meiner Aufforderung bereitwillig nachkam. Wir kannten uns zwar noch nicht besonders lange, aber sie hatte ihren Platz in der Nahrungskette bereits gefunden und dass dieser weit unter meiner Position war, musste ich sicherlich nicht erwähnen. Generell würde es sich wohl kaum einer meiner Angestellten, der geistig noch ganz bei Trost war, wagen, sich mit zu widersetzen. Schlicht, weil es dafür auch einfach keine nachvollziehbaren Gründe gab. Nach Personalgesprächen war bis dato noch nie ein Kopf gerollt, warum sollte sich das also von heute auf morgen einfach so ändern? Es grenzte für mich schon an der Schwelle zur Dreistigkeit, einer so simplen Bitte dann nicht nachkommen zu wollen und ließ außerdem sämtliche Alarmglocken läuten. Es stellte sich mir dann nämlich postwendend die Frage, warum der- oder diejenige ein Gespräch mit mir aus dem Weg gehen wollte und das hieß in aller Regel nichts Gutes. Für heute sollte mir mein Wunsch nach einem Gespräch unter sechs Augen jedoch nicht abgeschlagen werden und so folgte ich den anderen zwei - nachdem die Sache rund um die Finanzen abgehakt war - wieder relativ entspannten Schrittes. Wir legten die wenigen Meter binnen Sekunden zurück und um die kurzzeitig eintretende Stille zu überbrücken ließ ich noch ein anerkennendes "Gute Arbeit. Ich dachte schon, ich muss mich mit dieser Karre beerdigen lassen." von mir hören, kurz bevor wir den Türrahmen zu mein Büro passierten. Dieses Mal allerdings nicht nur Hunter und ich, sondern auch die schwarzhaarige Schönheit. Nachdem ich als letzter das pragmatisch eingerichtete Arbeitszimmer betreten hatte, ließ ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen - es war zwar nur noch Aras im Verkaufsraum unterwegs, aber auch der musste nicht alles mithören - und bat die junge Frau daraufhin, auf einem der beiden Sitzgelegenheiten unmittelbar vor meinem Schreibtisch Stellen zu beziehen. Ich selbst ließ mich ihr gegenüber in den bequemen Ledersessel fallen, von wo aus mein Blick dann abwechselnd zwischen Hunter und Irina hin und herwanderte. Die Vermutung der jungen Frau, weshalb ich sie um ein Gespräch gebeten habe, entlockte mir ein leises, aber durchweg amüsiertes Lachen. Dabei ließe sich ihre Frage ziemlich einfach mit einem Ja beantworten. Ihr Fehler lag darin, hier in meinem Unternehmen angefangen zu haben und wie perfekt für den Job geschaffen zu sein, der mit Hunters expandierender Geschäftsidee einherging. Zwar war da immer noch der Aspekt rund ums Vertrauen, aber ich war mir fast sicher, dass man nahezu Jedermann dazu bekam, die Füße still zu halten. Man musste nur über die richtigen Mittel verfügen und sollte sich in der jetzigen Unterhaltung herausstellen, dass sich Irina gegen die Beförderung sträubte. Tja, dann musste ich das Pokerface eines verständnisvollen, seine Mitarbeiter liebenden Chefs wohl kurzzeitig ablegen und mich auf die Suche nach ihrer Achillesferse begeben. War die erst einmal gefunden, machte ich mir um den weiteren Verlauf keine besonders großen Gedanken mehr. "Oh, nein. Ganz im Gegenteil. Irina, Ihre Verkaufszahlen sind super und beschwert hat sich bis jetzt auch noch niemand über sie. Deswegen freue ich mich, Ihnen Folgendes mitteilen zu dürfen..." Ich beugte mich in meinem Ledersessel ein Stück weit nach vorn, kam der Schwarzhaarigen damit für eine unwesentliche Distanz über den Schreibtisch hinweg näher. Dann senkte ich meine Stimme, als wollte ich es ganz besonders spannend machen. "Ich würde Sie gerne befördern. Allerdings nur unter der Bedingung, Sie in eine andere Abteilung zu versetzen. Ich könnte aktuell eine helfende Hand bei den Finanzen gebrauchen. Wäre das was für Sie? Trauen Sie sich das zu?", offenbarte ich der Serbin ein erst einmal grundsätzlich sehr verlockendes Angebot. Dabei würde ich es im Übrigen auch fürs Erste belassen, denn auch wenn sie die Neutralität ihrer Gesichtszüge perfekt mimte, konnte ich mir gut vorstellen, dass ihr dieses Gespräch gerade unangenehm war. Denn auch mir entging der stechende Blick Hunters nicht und wenn er sich dadurch erhoffte, dass sich ihm Gott und die Welt offenbarte, hatte er sich leider geschnitten. Diese eiskalte Art mochte ihm vielleicht in seinen Reihen etwas bringen, hier und jetzt erschien es mir jedoch mehr als kontraproduktiv. Ganz absehen davon, dass ich mich als Frau in der Gegenwart zweier Männer unseres Kalibers sicherlich auch nicht besonders wohl gefühlt hätte. Ich wollte das Gespräch unter sechs Augen also so kurz wie möglich halten. Lang genug, damit sich der Amerikaner ein Bild von der jungen Frau machen konnte, aber keine Minute länger. Um den Feinschliff würde ich mich im Nachhinein kümmern, wenn ich das Go von dem Tätowierten bekam. Dieses Vorgehen hatte unter anderem den Vorteil, dass wir Irina noch nicht allzu viele Informationen zukommen ließen, die sie tendenziell das Leben kosten könnten, wenn sie sich weigerte, zu kooperieren. Und ich meinte zu glauben, dass sie sich in einem Gespräch zu zweit deutlich offener geben würde. Nicht so zurückhaltend und schüchtern, wie das aktuell der Fall war.
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Beerdigen. Ich wusste, dass das nur ein lockerer Witz sein sollte, weil die Limousine schon eine Weile lang hier herumgestanden hatte, aber ich würde mich wohl nie an den teils sehr makaberen Humor von Schwerverbrechern gewöhnen. Unter dem Umstand, dass ich wusste, dass hier durchaus mal Jemand sterben konnte - vielleicht weniger im Autohaus direkt, aber eben in Iljahs Umfeld allgemein -, war das einfach weniger witzig. Zwar hatte ich in den letzten Jahren schon so einiges gesehen, was ich nicht hatte sehen wollen, aber wie das Leben aus einem Menschen schied... das war eine ganz andere Stufe von unangenehm. Inzwischen kotzte ich zwar nicht mehr, wenn ich eine Leiche sah, aber mir war noch immer nicht wohl dabei. Dass alle immer sagten, dass das irgendwann leichter wurde, konnte ich bisher also nur eher schlecht nachvollziehen. Hier und jetzt sollte aber wohl Niemand beerdigt, sondern befördert werden. Dass ich damit jetzt nicht gerechnet hatte, sah man mir wohl auch an. Ich blinzelte kurzzeitig etwas irritiert und sah den Russen gegenüber mit leicht geweiteten Augen an. Er hatte schließlich andere Mitarbeiter, die schon deutlich länger in diesen vier Wänden zu Gange waren und da war es so gar nicht naheliegend, dass ausgerechnet ich einen neuen Posten bekommen sollte - noch dazu mit Abteilungswechsel, wo ich mit dem ganzen Buchhaltungskram an sich bisher so gut wie nichts am Hut hatte. Natürlich kam man im Verkauf auch ständig mit Zahlen und Rechnungen in Kontakt, aber sich speziell um Finanzen zu kümmern war etwas anderes. Die kurzzeitige Verwirrung und Überraschung in meinen Gesichtszügen dürfte also wiederum Niemanden wundern, aber als ich die anfängliche Verwunderung überwunden hatte kam das Lächeln zurück. Man freute sich bei einer anstehenden Beförderung, nehme ich an, aber eigentlich wusste ich wirklich noch nicht, was ich davon halten sollte. Es erklärte nämlich nicht, warum Iljah seit neuestem gruselige Typen zu Personalgesprächen mitbrachte. "Ich... ich weiß gar nicht, was ich sagen soll." Das war nicht wirklich gelogen und fügte sich gut ins restliche, leicht verlegen wirkende Abbild der Überraschung ein. "Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar für das Angebot und würde es gern versuchen.", willigte ich in das Angebot ein, weil ich im Grunde keine richtige Wahl hatte. Nicht nur die Sorokins würden mir die Hölle heiß machen, wenn ich irgendein Angebot seitens Iljah ablehnte, sondern vermutlich auch die beiden hier anwesenden Männer. Zwar hatte der Chef mich nicht vor vollendete Tatsachen gestellt, sondern mich lediglich danach gefragt, ob das denn eine Option für mich war, aber ein Nein schien in meinen Augen gerade wirklich keine günstige Antwort zu sein. Da wir hier die ganze Zeit in Englisch kommunizierten, was an sich schon mal grundlegend merkwürdig war, ging ich davon aus, dass der Kerl neben mir jedes Wort verstehen können musste. Mein Englisch war ganz gut, ich tat mir mit Sprache allgemein schon in der Schule nicht schwer, aber ein leichter russischer Akzent schwang natürlich trotzdem mit. Mein Blick wandte sich von meinem Gegenüber ab und schwenkte zu dem Lederjacken-Typ. Fror der nicht? Ich ging nur selten ohne den langen, schwarzen Mantel nach draußen, der aktuell drüben in meinem Büro am Kleiderhaken neben der Tür sein Dasein fristete. "Entschuldigen Sie bitte, falls diese Frage unangebracht ist, aber... was haben Sie damit zu tun?", behielt ich gänzlich die förmliche Etikette bei, als ich mein Wort direkt an ihn richtete. Es war einfach unhöflich über den Kopf eines anderen Menschen hinweg zu reden und stattdessen Iljah danach zu fragen, was das sollte. "Es geht dabei um mein Geld.", gab er mir kühl eine sehr knappe, aber zumindest halbwegs informative Antwort und dass er kein Russe war, war deutlich zu hören. Sehr wahrscheinlich ein Amerikaner, der es noch immer nicht für nötig hielt sich mal vorzustellen. "Okay, verstehe.", nickte ich seine Erklärung nach wie vor freundlich lächelnd ab, bevor ich wieder zu Iljah sah. Das Verstehe war natürlich nur eine Halbwahrheit - das erklärte zwar, warum er hier herumsaß und mit seinen Augen förmlich nach Irgendwas zu suchen schien, dass ihm an mir missfiel, aber nicht was das eigentliche Geschäft dahinter war. Vom Abbild oder dem Verhalten eines normalen Geschäftsmanns war er in jedem Fall weit entfernt und so lag die Vermutung, dass es eher nicht nur um bloßen Autohandel ging, für mich weiterhin ziemlich nah.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Irina stand die Überraschung förmlich ins Gesicht geschrieben, was mich ehrlich gesagt aber auch nicht wirklich wunderte. Das Angebot einer möglichen Beförderung zu bekommen, obwohl man deutlich weniger lange als der Rest in einem Betrieb arbeitete war nun mal nicht der Regelfall und so gab ich der jungen Frau bereitwillig ein paar Sekunden Zeit, um sich Gedanken darüber zu machen, ob sie sich das denn überhaupt zutrauen würde. Mehr Geld einheimsen war natürlich einfach, aber die damit verbundene Arbeit wollte auch erledigt werden und wir mussten schließlich zumindest am Anfang den Schein wahren, als würde es Hunter und mich interessieren, was sie persönlich von der Idee hielt, neue Aufgaben übergebügelt zu bekommen. Dass sie prinzipiell keine andere Wahl hatte, als das Angebot früher oder später anzunehmen, erwähnte ich natürlich mit keinem Wort. Brauchte ich ganz offensichtlich aber auch nicht, denn nachdem die schwarzhaarige Schönheit wieder Herr ihrer Sinne und Gesichtszüge war, willigte sie schließlich ohne weiteren Nachdruck seitens des Amerikaners oder mir ein, was mich zufrieden und deutlich sichtbar für alle hier Anwesenden nicken ließ. "Ich habe ehrlich gesagt nichts anderes von einer so engagierten und wissbegierigen Mitarbeiten wie Ihnen erwartet, Irina und trotzdem freue ich mich, Sie dann in den kommenden Tagen als meine Unterstützerin anlernen zu dürfen. Ich bin mir sicher, dass Ihnen die Zahlen liegen und Sie auch diese neue Herausforderung mit Bravour meistern werden.", flötete ich mit beschwingter Laune vor mich hin, wobei nur ein Teil der Aussage tatsächlich auch der Wahrheit entsprach. Ja, ich freute mich, dass sie so bereitwillig zugestimmt hatte, es nicht erst noch einen abgetrennten Finger ihrer Liebsten brauchte und war mir auch sicher damit, dass sie diese Aufgabe meistern würde, aber ich freute mich bei Gott nicht darauf, sie in die Welt der Finanzen einzuarbeiten. Es hatte mich selbst schon eine halbe Ewigkeit gebraucht, die ganzen Buchungsprogramme zu lernen, die Korrespondenz mit dem Finanzamt zu schaukeln und ein Händchen für die Bearbeitung der Ein- und Ausgangsrechnungen zu entwickeln. Mal ganz abgesehen davon, dass auch die illegalen Aspekte dann auch mit beachtet werden mussten... Das lernte man ganz einfach nicht von heute auf morgen und dementsprechend hätte ich gerne auf das Einarbeiten verzichtet. Dass das aber unter keinen Umständen zur Debatte stand, musste ich sicherlich nicht erwähnen. Ich versuchte also, mich parallel zu Irinas an Hunter gerichtete Frage damit anzufreunden, in den kommenden Tagen noch weniger Freizeit genießen zu dürfen, als das ohnehin schon der Fall war und ermahnte mich außerdem dazu, das Ganze positiv zu sehen. Vielleicht mochte es anfangs erst einmal dauern, bis die Serbin ihre Arbeit zu meiner und auch Hunters vollsten Zufriedenheit ausführte, aber danach konnte ich sie hoffentlich damit alleine lassen, was mir auf Dauer eine Menge Zeit einbringen würde. Natürlich würde ich immer mal wieder stichprobenartige Kontrollen durchführen und die Finanzbücher in festgelegten Intervallen genauer prüfen, weil ich nun mal trotzdem paranoid war, aber grundlegend wäre das schon eine Art Arbeitserleichterung. Allerdings war das bis hierhin noch Zukunftsmusik und es galt vorab abzuwarten, wie sich Irina in der Buchführung entwickelte. Ob die Zusammenarbeit sich überhaupt über einen längeren Zeitraum erstreckte oder aber sie früher das Zeitliche segnete, als uns allen lieb war. Eventuell war sie aber auch bereits durch die ziemlich oberflächliche Kontrolle seitens Hunter gerasselt, an den sie kurzerhand eine ziemlich direkte Frage gerichtet hatte. Ich beobachtete das Schauspiel mit einer unauffällig angehobenen Augenbraue und befürchtete schon das Schlimmste, als Hunter mich jedoch positiv überraschte und die Sache gelassen nahm. Lediglich ein wenig kühl auf die Frage der Schwarzhaarigen antwortete, aber das schien ihr absolut nichts auszumachen. Schon kurz darauf hatte ich wieder ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. "Details dazu bekommen Sie, wenn ich den neuen Vertrag aufgesetzt habe. Sie sollen schließlich nicht im Dunkeln tappen.", ergänzte ich meine vorangegangenen Worte noch um ein indirektes Versprechen, dass ich sie über mehr in Kenntnis setzen würde, sobald die Sache in trockenen Tüchern war. Fürs Erste sollte es das allerdings von meiner Seite aus gewesen sein, jedoch wusste ich nicht, ob Hunter nicht gegebenenfalls noch ein paar Fragen an die junge Frau hatte. "Wenn unserer amerikanische Investor dann keine Fragen mehr an Sie hat, Irina, dann können Sie gerne Pause machen gehen. Die haben Sie sich verdient.", verzichtete ich ganz bewusst darauf, Hunters Namen zu erwähnen. Ich wollte nicht, dass Irina vorab schon Anstalten machte, etwas über meinen ominösen Geschäftspartner herauszufinden. Ich bezweifelte zwar, dass Google nur anhand des Vornamens brauchbare Artikel zu Hunter Price ausspucken würde, aber mir war es lieber, einfach kein größeres Risiko einzugehen. Dann, wenn alles geklärt war und sie ohnehin in der Scheiße steckte, war es mir dann auch relativ egal, was sie letztlich über den launischen Amerikaner heraus fand. Denn dann gab es ohnehin keinen Weg zurück mehr. Mit der indirekten Verabschiedung richtete ich das Wort allerdings nicht mehr nur ausschließlich an meine Mitarbeiterin, sondern auch an Hunter selbst, der weiterhin ziemlich kritisch dreinblickte. Ich übergab ihm mit den Worten also quasi die Macht darüber, ob die junge Frau noch einen Augenblick hierbleiben sollte, weil er selbst noch ein paar Fragen an sie hatte oder ob das Gespräch für heute tatsächlich erstmal beendet war. Vielleicht bestand der Tätowierte aber auch darauf, ihr die ganze Geschichte gleich von Anfang an offen zu legen und sie ins kalte Wasser zu schmeißen. Weil er allerdings selbst am besten wusste, wie er es gerne haben wollte, durfte er in dem Fall auch das letzte Wort haben.
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Ich war zwar nicht der Auffassung, dass es wirklich nötig gewesen wäre der Dunkelhaarigen hier Honig ums Maul zu schmieren, bevor sie ins kalte Wasser geschmissen wurde, aber solange sie dadurch nicht leichtsinnig oder vorlaut wurde, sollte es mir recht sein. Die Frage, die sie mir zuvor gestellt hatte, war für meinen Geschmack hingegen definitiv schon etwas zu gewagt gewesen. Wenn sie etwas wissen musste, dann bekam sie es schließlich ohne Fragerei zu hören. Das schilderte Iljah ihr auch im Folgenden noch ausreichend. Deshalb hatte ich einen kurzen Augenblick darüber nachgedacht, ob sie überhaupt eine Antwort von mir bekommen sollte, aber im Grunde konnte es nicht wirklich schaden, wenn sie von vornherein wusste, wem sie ans Bein pissen würde, wenn sie Mist verzapfte. Zwar zeigte sie sich oberflächlich eher ziemlich unbeeindruckt von unser beider Anwesenheit, war lediglich wegen der Unterbreitung des überraschenden Angebots kurzzeitig ein wenig aufgewühlt, aber sie reagierte nicht wirklich auf meinen unnachgiebigen Blick. Die meisten Frauen fingen eher irgendwann an unruhig umherzurutschen oder sich damit abzulenken an einer ihrer Haarsträhnen herumzuspielen. Irina hingegen blieb gefasst und reagierte auch auf die sehr karge, leicht unzufrieden klingende Antwort meinerseits kein bisschen. Lächelte nach einer kurzen Antwort an mich weiter, wandte sich erneut mit ihren Kulleraugen an Iljah, als säße sie hier nicht mit zwei absolut nicht normal aussehenden oder wirkenden Kerlen im gleichen Raum. Dass sie nicht wegen ein paar Blicken gleich zu zittern anfing hatte natürlich den Vorteil, dass sie auch anderen gegenüber nicht sofort einknickte. Das war vor allem dann wichtig, falls irgendwem nach dem Ankauf auffallen sollte, dass er mit Blüten bezahlt worden war. Zwar waren die gefälschten Scheine, die ich bisher in kubanischer Währung anfertigte, wirklich nahezu perfekt und es war wirklich schwer sie zu identifizieren - gleiches galt dann später natürlich für die Blüten in Form des russischen Rubels -, aber das Risiko blieb eben trotzdem bestehen. Sollte das mal passieren war es wichtig, dass sie nicht die Arme hob und sich ergab, sondern die Fassung hielt und ruhig reagierte. Aber dass sie äußerlich wirklich so gelassen auf die aktuelle Situation reagierte, das konnte unter Umständen auch gefährlich sein. Wenn sie durch ihre offenbar häufigen Erfahrungen mit einschüchternden Leuten schon so abgestumpft war, dass sie ein nahezu lupenreines Pokerface servierte, dann könnte sie es durchaus schon etwas zu faustdick hinter den Ohren haben. Wie ich schon sagte - Frauen waren nicht selten hinterlistig. Ich für meinen Teil schloss es also an diesem Punkt noch nicht aus, dass sie sich die Blüten schnappen wollen und über alle russischen Berge verschwinden würde, um sich damit einen ganz eigenen Vorteil zu verschaffen. Der Russe gegenüber entließ die Schwarzhaarige mit ein paar Worten quasi in ihre Pause, weshalb meine Augen sich das erste Mal von der jungen Frau neben mir löste und stattdessen zu Iljah wanderten. Nein, ich würde ihr vorerst keine Fragen stellen. Ich bevorzugte es sie erst einmal noch im Ungewissen verweilen zu lassen, bis ich mehr über sie wusste. Da mein zukünftiger Geschäftspartner mir das Zepter verliehen hatte wanderte mein Blick zurück zu Irina, die mich nach ihren überwiegend an Iljah gerichteten Worten "Vielen Dank. Sie werden es nicht bereuen." abwartend ansah. Ich hob lediglich den rechten Arm und machte eine eindeutige Armbewegung in Richtung Tür, die sie offiziell in die Freiheit entließ. Sie nickte mir noch einmal lächelnd zu und stand dann mit dem Klemmbrett in der Hand auf, um selbstsicheren, eleganten Schrittes die Bürotür anzusteuern. Bevor sie die Tür hinter sich schloss folgte ein weiteres Lächeln in unsere Richtung, dann war ich mit dem Russen wieder allein. Ich wartete trotzdem erst noch darauf, dass der Klang ihrer Absätze auf dem Flur verklang. Nicht, dass sie der Meinung war außen an der Tür stehenbleiben zu müssen, um zu lauschen. Als sie eindeutig außer Hörweite war sah ich von der Tür weg zurück zu Iljah. "Ich trau ihr kein Stück. Gib' mir ihre Adresse, ich werd' sie filzen.", tat ich mein Urteil ohne beschönigende Worte kund, klang dabei sehr nüchtern. Natürlich würde ich keine Leibesvisitation bei ihr durchführen und mich selbst definitiv außerhalb ihres Radars aufhalten, aber ich würde mir ihr Umfeld ansehen und wenn möglich vielleicht einen Blick in ihre Wohnung werfen. Sie würde gar nichts davon mitkriegen und ich wusste danach hoffentlich genug über sie, um mir etwas sicherer damit zu werden, dass sie für den Job wirklich geeignet war.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Hunter schien also auch keinerlei Fragen mehr an die junge Frau zu haben und entließ sie damit in ihre wohlverdiente Pause. Mein Blick folgte Irina noch bis zur Bürotür von wo aus sie uns beiden zur Verabschiedung noch ein Lächeln zukommen ließ. Meine eigenen Mundwinkel zuckten daraufhin unwillkürlich ein Stück nach oben, als die Dunkelhaarige schließlich aus dem Raum verschwand und hinter ihr die Tür zurück ins Schloss fiel. Für einige Augenblicke wurde es dann ganz still und ich lehnte mich in meinem Chefsessel wieder nach hinten, um die Arme bequem auf den dafür vorgesehenen Lehnen abzulegen und kurzzeitig in Gedanken zu versinken. Jedoch nicht für lange und besonders wichtig war das, worüber ich nachzudenken versucht hatte auch nicht gewesen, weshalb ich Hunter kein Bisschen böse war, dass er mich zurück in die Gegenwart holte. Mein durchweg ruhiger Blick wanderte von dem Kugelschreiber, den ich während meiner Reisen durch die Gedankenwelt fixiert hatte also stattdessen zu dem Amerikaner, um sich bei ihm angekommen in den seinen zu legen. Ich folgte seinen Worten aufmerksam und quittierte sie gen Ende mit einem schwachen Nicken. Ja, irgendwie war das Ganze ein wenig zu leicht gewesen und dass sie sich von der Anwesenheit des Amerikaners auch so gut wie gar nicht hatte irritieren lassen, machte mich auch stutzig. Ich erwartete nicht, dass jemand panisch kreischend vor Angst durch den Raum rannte, um vor Hunter zu flüchten, aber gerade als Frau wäre es mir wohl ziemlich unangenehm gewesen, die ganze Zeit von der Seite angestarrt zu werden. Anzeichen innerer Unruhe hatte ich also durchaus erwartet, aber Irina war augenscheinlich tiefenentspannt gewesen. Natürlich konnte man den Menschen immer nur vor den Kopf gucken und vielleicht hatte es sie ja auch einiges an Überwindung gekostet, ruhig zu bleiben, aber gerade weil ich die junge Frau weder besonders gut noch lange kannte, machte ich mir über solche Kleinigkeiten lieber ernsthaftere Gedanken, als am Ende auf die Schnauze zu fallen, weil ich zu leichtgläubig war. Bis ich mir also nicht zu einhundert Prozent sicher war, dass ich ihr wirklich vertrauen konnte, würde ich mir das Misstrauen mit Hunter wohl noch eine Weile teilen. Nichtsdestotrotz würde ich ihr gerne diese Chance geben. Vielleicht auch einfach deswegen, weil ich mich zunehmend mit dem Gedanken anfreundete, nach einer intensiven Anlernphase etwas mehr Freizeit zur Verfügung zu haben. In der Regel hatte ich die Finanzen beider Geschäfte immer ziemlich geschmeidig unter einen Hut gekriegt, aber seitdem ein Teil der Einnahmen durch den Im- und Export von Menschen und Waren weggefallen waren und entsprechend irgendwie aufgefangen werden mussten, war das leider nicht mehr ganz so einfach. Vermutlich wäre ich ohne Hunter überhaupt nicht auf die Idee gekommen, noch jemanden für die Buchhaltung einzustellen - weil warum auch -, aber hinsichtlich der ganzen Annehmlichkeiten, die das mit sich brachte, wurde mir das minütlich immer sympathischer. Sicherlich wäre das Ganze weitaus einfacher gewesen, wenn die Bilanzen des Autohauses weiterhin legal geführt werden würden, weil ich in einer entsprechenden Stellenbeschreibung dann ganz einfach nach Mitarbeitern mit Erfahrung in diesem Tätigkeitsbereich hätte suchen können, aber gut. Man konnte wohl schlichtweg nicht alles haben. "Kann sicher nicht schaden.", pflichtete ich meinem Gegenüber bei, während ich den rechten Arm anwinkelte, um mein Kinn auf der geschlossenen Faust abzulegen. Mit der freien Hand wischte ich ein paar wirr auf dem Tisch verteilte Blätter beiseite, denn irgendwo hatte ich noch die Bewerbungsunterlagen der jungen Frau gehabt. In der letzten Zeit war es einfach nahezu unmöglich, hier mal wieder wirklich Ordnung zu schaffen und demnach lagen neben ein paar relativ unwichtigen Belegen auch Lebensläufe und Bestelllisten vollkommen offen einsehbar für jeden, der sich traute, mein Büro zu betreten. Eine Aufstellung der im letzten Monat verkauften Autos und die Evaluation zum Verkauf unserer angebotenen Marken mussten weichen, damit ich Hunter schließlich das Bewerbungsschreiben der jungen Frau in die Hand drücken konnte. Natürlich hatte ich ihre Adresse auch im System hinterlegt, aber dafür hätte ich jetzt den Computer hochfahren und die Datenbank öffnen müssen. Erschien mir alles ein wenig zu langatmig, wenn ich dem Amerikaner auch einfach das Papier mit der Adresse des Absenders geben konnte. "Würde mich interessieren, was dabei raus kommt.", hängte ich weitere Worte hinten an, mit denen ich den Tätowierten indirekt darum bat, mir Auskünfte zu geben, sofern er mit der Beschattung Irinas fertig war. Auffordern tat ich ihn jedoch zu nichts, weil mir schnell klar geworden war, dass er sich von Fremden kaum etwas sagen lassen würde. Blieb zu hoffen, dass er fair genug war und seine Informationen mit mir teilte, aber bezweifeln tat ich das ehrlich gesagt nicht.
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Der Russe auf der anderen Seite des Schreibtischs schien ganz meiner Meinung zu sein, was die junge Frau anbelangte, die eben das Büro verlassen hatte. Er mochte sie vielleicht schon eine kleine Weile lang kennen, aber er war wohl ebenfalls schon lang genug in diesem Metier unterwegs, um zu wissen, dass ihr Verhalten ein paar Fragen zu viel aufwarf. Dementsprechend machte er sich augenscheinlich auch gleich daran meiner Aufforderung nachzukommen und ich nickte leicht, als er mir die Unterlagen zuschob. Ich richtete mich auf, um besser danach greifen zu können und bevor ich mich aus dem Staub machte, klappte ich die dünne Mappe auf und besah sie mir einige Sekunden. Nicht, weil ich vergeblich nach der Adresse suchte - die war schließlich gleich auf dem Deckblatt mit vermerkt -, sondern weil ich mir zumindest grob einprägen wollte, was da alles so drin stand. Es fiel mir persönlich nämlich zum Beispiel schon wieder schwer zu glauben, dass Irina irgendwo zwischen den Drogenvorfällen und den Menschenverletzungen tatsächlich schon Erfahrung im Verkaufsbereich gesammelt hatte. Drogen zu verscherbeln brachte in der Regel kein schlechtes Einkommen, wenn man nicht grade am wirklich untersten, allerletzten Ende der Nahrungskette stand. Deswegen gab es ja so viele Menschen, die man dafür begeistern konnte. Ein bisschen finanzielle Verzweifelung reichte bei vielen schon aus, um sie zum Verkauf illegaler Waren zu motivieren. Allein der Lebenslauf an sich war also schon ein klein wenig fragwürdig, womöglich gefälscht. Andererseits war es wiederum nicht wirklich schlimm, wenn dem so sein sollte, solange sie im Verkauf trotzdem gut war - was ja sehr offensichtlich der Fall war, wie sie vorhin erst bewiesen hatte. Ich zog im Anschluss dann das Handy aus der Jackentasche, um mir eine Notiz bezüglich der Adresse selbst zu machen und dann klappte ich die Mappe wieder zu. Mir reichte der Papierkram bezüglich Iljahs Akte, ich brauchte nicht noch mehr davon. Er konnte sie also gerne behalten oder durch den Reißwolf jagen, wenn er sie genauso wenig behalten wollte wie ich selbst. Der junge Mann hatte mich noch indirekt wissen lassen, dass er bezüglich Irina ebenfalls neugierig geworden war und ich war auch gewillt, die gesammelten Informationen im Anschluss mit ihm zu teilen. Es konnte schließlich nur gut sein, wenn wir beide wussten, worauf wir uns einließen. Für Iljah erst recht auch deswegen, weil er ja derjenige war, der sie hier in Schach halten sollte, falls sie Zicken machte. Das konnten schließlich alle Frauen ganz besonders gut. "Ich lass es dich wissen, wenn ich fertig bin.", bestätigte ich dem Schwarzhaarigen während ich aufstand, dass er dahingehend mit Rückmeldung meinerseits rechnen konnte. Dabei ließ ich vorerst offen, wie lang es dauern würde, weil das ein bisschen von Irina selbst abhing. Auch davon, ob sie allein wohnte oder nicht. Das mit der Wohnung war zwar kein absolutes Muss, aber ich würde alles an Informationen nehmen, was ich bekommen konnte. Ich hob im Gehen kurzzeitig die Hand zur Verabschiedung, bevor ich ebenso durch die Tür verschwand wie die Serbin. - 2 Tage hier einfügen - Ich wusste nicht wonach ich eigentlich genau bei der jungen Frau gesucht hatte. Ob es Hinweise waren, die darauf schließen lassen würden, dass sie ihre Finger noch weiß Gott wo überall im Spiel hatte. Sie schien allen in allem ziemlich normal zu leben. War in den letzten beiden Tagen mal einkaufen gewesen, hatte sich einmal am Morgen mit einer Freundin im Café zum Frühstück verabredet, bevor sie danach zur Arbeit gegangen war und schien auch sonst nicht wirklich außergewöhnliche oder kriminelle Dinge zu tun. Das einzige, was nicht ganz normal war, waren ihre beiden Mitbewohnerinnen. Die schienen nämlich inklusive Prostitution in einem Stripclub der Stadt zu arbeiten - ganz überraschend hatten sich die Jungs förmlich darum geprügelt dem auf die Spur gehen zu dürfen. Während einer die beiden Stripperinnen bei der Arbeit unter die Lupe nahm folgte der andere weiterhin Irina, die am Abend noch in einer kleinen, gemütlichen Bar unterwegs war, um mich bei ihrer Rückkehr rechtzeitig alarmieren zu können. Das überschnitt sich zeitlich mit der Arbeitszeit der anderen beiden, also verschaffte ich mir ausnahmsweise so unauffällig wie möglich Zugang zu der kleinen WG und stellte sie auf den Kopf. Aber auch da fand ich nicht wirklich etwas, das mir Grund zur Unruhe gab. Es sah aus wie in vermutlich jeder anderen Wohngemeinschaft, in der drei Frauen auf einmal wohnten - das eher kleine Bad überfüllt mit allen möglichen Pflegeprodukten und gefühlt tonnenweise Make Up, während der Rest bis auf ein paar Klamotten hier und da relativ ordentlich gehalten war. In Irinas Zimmer selbst ließ sich ebenfalls nichts finden, das mir komisch vorkam. Also verließ ich die Wohnung nur mehr oder weniger zufrieden, als mein Handlanger mir sagte, dass sie auf dem Rückweg war. Gut zwei Stunden später sammelten wir auch den dritten im Bunde wieder ein. Ich hatte irgendwie gehofft er hätte mehr für mich, aber an den Inhaber des Ladens - oder zumindest seinen Namen - ranzukommen war wohl unmöglich gewesen. Entsprechend nüchtern fiel auch der folgende Anruf an Iljah aus. Ich konnte ihm nicht viel mehr sagen, als dass die einzige richtige Auffälligkeit ihre beiden Mitbewohnerinnen waren, weil Irina ansonsten ein stinknormales Leben führte. Die Durchschnittswohnung ließ auch nicht darauf schließen, dass sie anderweitig noch hohe oder zumindest nennenswerte Einnahmequellen hatte. Trotzdem hinterließ ich dem Russen den Namen des Schuppens, in dem die anderen beiden jungen Frauen ihre Arbeit ableisteten. Stripclubs und gerade Prostitution unterstanden nicht selten einem Clan oder gar einem Kartell und vielleicht konnte er über ein paar Ecken - er hatte hier im Gegensatz zu mir schließlich Kontakte - herausfinden, zu wem der Laden gehörte. Irina selbst hatte zwar scheinbar nichts mit dem Strippen am Hut, aber Frauen waren schrecklich redselig. Wenn sie sich bei einer ihrer beiden liebreizenden Freundinnen auskotzte, dann wollte ich nach Möglichkeit wissen, wohin die Information theoretisch weiterfließen könnte - es war der Schwarzhaarigen natürlich streng anzuraten das Maul zu halten, wenn sie weiterleben wollte. Trotz dieser kleinen anhaltenden Unsicherheit gab ich Iljah am Ende meines Anrufs gegen 9.30 Uhr auch grünes Licht dafür sie einzuweihen. Danach würde ich ihr wieder einen meiner beiden Jungs aufhalsen, um sie im Blick zu halten. Nur für den Fall, dass sie auf dumme Ideen kam.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Dafür, dass die Woche so verhältnismäßig entspannt angefangen hatte, verspürte ich jetzt mittig der Woche ab und an mal den Drang, mich einfach besaufen zu wollen. Bis zur Besinnungslosigkeit, um den Kopf freizukriegen und ein paar Stunden einfach mal an nichts denken zu müssen. Das kam natürlich zu aktuell keinem Zeitpunkt so wirklich in Frage, weil ich bei dem ganzen Stress und dem organisatorischen Mist Herr meiner Sinne sein musste, aber das Bedürfnis war trotzdem da. So auch am heutigen Tag. Nachdem Hunter, Irina und ich uns vor etwa zwei Tagen in meinem Büro im Autohaus unterhalten hatten, war ich überwiegend damit beschäftigt, tatsächlich einen neuen Vertrag für die junge Frau aufzusetzen und den Rest der Zeit hatte ich damit verbracht, Terminen nachzugehen und Zuhause Vahagn zu ertragen. Ich konnte nicht oft genug erwähnen, wie wichtig mir meine Schwester eigentlich war, aber sie mit ihrem aktuellen Gemütszustand um mich herum zu haben war nichts als anstrengend. Ihre miese Laune färbte aufgrund meiner durch den Stress ohnehin schon strapazierten Nerven teils ziemlich stark auf mich ab und ich musste mich vor Verabredungen mit potenziellen neuen Geschäftspartnern immer erst einmal bei einem kleinen Spaziergang in der Kälte beruhigen, weil sich mein Konto für tote Menschen ansonsten ziemlich rasch gefüllt hätte. Natürlich war nicht alles schlecht an dem Besuch meiner kleinen Schwester. Sie nahm mir hier und da ein wenig die Arbeit ab, traf sich mit dem Überbleibsel ihrer alten Crew und auch was den Haushalt anging, packte sie überraschenderweise ein wenig mit an, aber das konnte ihre durchweg komische Art auch nur bedingt aufwiegen. Wir hatten uns gerade wieder wegen irgendeiner komplett bescheuerten Kleinigkeit in den Haaren gelegen, weshalb schon am frühen Morgen - okay, es war kurz vor zehn, eigentlich eine gängige Zeit zum Aufstehen und aktiv werden - sämtliche Toleranzen bei mir erreicht und jedes nur erdenkliche Maß am Anschlag gewesen war. Ich hatte es irgendwann aufgegeben, gegen das sture Miststück anzureden, weil ich mich genauso gut mit einer Wand hätte unterhalten können und war daraufhin in meine schwarze S-Klasse gestiegen, um mit etwas zu laut aufgedrehter Musik zur Arbeit zu fahren. Der noch gänzlich legalen Arbeit, wenn man so wollte. Dass ich dabei einige Verkehrsregeln missachtete, rote Ampeln mitnahm und Geschwindigkeiten überschritt, störte mich dabei nicht besonders. Angst um meinen Führerschein hatte ich keine, denn man konnte mir schlecht etwas abnehmen, was es überhaupt nicht gab. In meiner Jugend hatte ich weder die Zeit, noch anfänglich das Geld dafür übrig gehabt, den Lappen anzufangen und doch erwartete mein Vater seinerzeit, dass ich Im- und Exportkarren auf den Frachter lud. Ich musste sicher nicht erwähnen, dass das Geld, welches bei teils demolierten Autos als Abfindung an wütende Kunden gegangen war sicher drei, vier... ach was, noch so viele mehr Führerscheine hätte bezahlen können, aber ich hatte es nie gewagt, auch nur ein Sterbenswörtchen in diese Richtung an meinen Alten zu verlieren. Stattdessen einfach versucht, das Beste draus zu machen und Stand heute würde ich behaupten, ein verhältnismäßig guter Fahrer zu sein. Wenn ich nicht eben gerade sehr gereizt oder anderweitig emotional geladen war. Letzteres kam zwar überaus selten vor, war aber kein Ding der Unmöglichkeit. Schließlich war auch ich nur ein Mensch, dem es ab und an mal schlecht ging. Heute war es jedenfalls die sich übermäßig anstauende Wut auf meine jüngere Hälfte, die mich einen Bleifuß kriegen ließ, sodass ich in sicher nach zwei Drittel der regulären Fahrtzeit bereits auf den firmeninternen Parkplatz rollte. Ich parkte den Mercedes wie immer nahe der Eingangstür für das Personal, stieß die Tür nach dem Aussteigen ein wenig unsanft zu und riegelt den Wagen dann mittels Zentralverriegelung via Knopfdruck ab. Mit gestrafften, sichtlich angespannten Schultern und einem Gesichtsausdruck, der bestimmt auch schon sonnigere Zeiten hinter sich hatte, betrat ich schließlich den kleinen Flur, der geradeaus weiter in den Showroom führte. Zielstrebigen Schrittes steuerte ich genau jene Tür an, um kurze Zeit später meinen Kopf in den Verkaufsbereich des Autohauses zu strecken und nach Irina Ausschau zu halten. Sie war der eigentliche Grund, warum ich heute überhaupt hier war, obwohl ich deutlich besseres zutun hatte. Vermutlich dachte ich aber gerade auch nur so negativ darüber, weil meine Laune insgesamt nicht besonders gut war. Für ein Gespräch unter vier Augen war das natürlich alles andere als vorteilhaft, aber ändern konnte das die insgesamt zehn Minute Fahrt von Zuhause bis hierher leider auch nicht. Irina hatte sich heute also besser einen dicken Pelz angezogen. Ich entdeckte jene junge Frau an einem unserer Informationstische, als sie gerade dabei war, einem Kunden Autoschlüssel in die Hand zu drücken. Ich identifizierte den Typen als den Mann, der vor zwei Tagen bereits hier gewesen war. Offensichtlich wollte er das Auto jetzt final abholen kommen, was mich tatsächlich ein wenig erheiterte. Das bedeutete schließlich, dass bald wieder etwas Geld fließen würde. Nichtsdestotrotz konnte und wollte ich am heutigen Tag keine allzu große Rücksicht darauf nehmen, die beiden ungestört den Handel abzuwickeln und grätschte kurzerhand mit einem "Irina, wenn Sie fertig sind, kommen Sie in mein Büro." mitten ins Gespräch. Ein Bitte kam mir heute nur sehr schwer über die Lippen und signalisierte meinen Mitmenschen dadurch sehr unmissverständlich, dass ich am heutigen Tag mit allerhöchster Vorsicht zu genießen war. Jedenfalls verzog ich mich auf die Ansage hin dann schon mal in mein Büro und nutzte die Zeit, um Ein- und Ausgangsrechnungen zu prüfen und zu Buchungszwecken vorzubereiten. Sobald ich dann Zeit fand, würde ich mich ihnen genauer annehmen, aber es dauerte Gott sei Dank nicht lange, bis die Schwarzhaarige über die Türschwelle ins Innere meines Arbeitszimmers trat und ich sie lediglich mit einem Nicken dazu aufforderte, auf der anderen Seite des Schreibtisches Platz zu nehmen. Wortlos schob ich ihr indessen den neu aufgesetzten Vertrag unter die Nase, allerdings blieb meine Hand auf dem Papier noch eine ganze Weile lang liegen. Der leicht funkelnde, durchdringende Blick, den ich normalerweise nicht mit auf meine seriöse Arbeit nahm, lag dabei auf der Serbin. "Es gibt da noch etwas zu besprechen. Das hatte ich Ihnen ja versprochen.", redete ich ohne eine weitere Form der Begrüßung darauf los, wobei es mir zudem reichlich egal war, ob Irina schnell genug schaltete, worum es überhaupt ging. Schließlich hatte ich jetzt seit zwei Tagen kein Wort über ihren neuen Arbeitsvertrag oder die damit zusammenhängenden Aufgaben verloren, da kam das jetzt sicher plötzlich und ziemlich überraschend. "Ich mach's kurz. Wie Ihnen sicher aufgefallen sein dürfte, ist meine Laune heute... nicht unbedingt wie dafür geschaffen, lange und ausführliche Gespräche zu führen. Fakt ist jedenfalls, dass wir - also der Herr, der bei unserem letzten Gespräch mit von der Partie war - und ich jemanden suchen, der für uns ein paar Zahlen schönt. Damit das Finanzamt nicht schreit und wir allen in Frieden leben können, in Ordnung? Können Sie mir folgen?", setzte ich dazu an, Irina darüber einzuweihen, dass sie als Auserwählte unseres kleinen Projekts dienen sollte. Während ich redete, hatte ich es mir in meinem Chefsessel so bequem wie möglich gemacht, mich allerdings wieder ein Stück über den Schreibtisch gebeugt, um mir etwas angestrengt über das Gesicht zu reiben. Personalgespräche liefen bei mir in der Regel etwas anders, gesitteter, ruhiger und vor allem geduldiger ab, aber heute... nein, heute war der Tag insgesamt einfach absolut für die Tonne.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #