Dass Richard nicht weniger gegen das Alles protestieren wollte als ich selbst auch, stimmte mich nicht unbedingt optimistischer was die kommenden Stunden mit ihm anging. Viel mehr im Gegenteil. Sabin schien die Schnauze jetzt auch endgültig von ihm und seinem Gezicke vollzuhaben, denn er machte kurzen Prozess und griff sich mein Handgelenk, um seine vorherigen Worte in die Tat umzusetzen. Zwei oder drei Sekunden lang starrte ich perplex auf das glänzende Metall runter, schluckte dann leise, bevor ich erst zu dem Italiener und von dort aus weiter zu Richard sah. Denn er ließ danach auch noch eine indirekte Drohung fliegen, die gleich wieder ein Stück weit Panik in mir schürte. Ich kannte Richard einfach noch lange nicht gut genug, als dass ich hätte einschätzen können, inwiefern solche Aussagen bei ihm gefährlich waren. Ich glaubte nicht wirklich daran, dass er so schlimm wie Sabin oder gar Hunter war, weil man das mit ein bisschen Menschenkenntnis ganz einfach schon optisch irgendwie sehen konnte. Er ging nicht so energisch und herrisch, wirkte neben dem Italiener eher nur ziemlich verloren mit seiner schmalen Gestalt und hatte eben ganz allgemein und nicht dieses... Schlägertyp-Auftreten. Einstecken konnte er wohl, das sah man an seinem Gesicht ja ziemlich deutlich - mich würde auch wirklich die Geschichte dahinter interessieren, aber danach zu fragen war vermutlich keine gute Idee -, die Frage war halt nur, ob er gelegentlich auch selbst austeilte, wenn er das für richtig hielt. Zwar konnte er aktuell nicht besonders viel Kraft haben, so ausgemergelt und blass wie er aussah, aber das hieß ja noch lange nicht, dass ein Schlag oder Tritt von ihm nicht trotzdem weh tun konnte. Dafür brauchte es nämlich leider gar nicht so viel Kraft, gutes Zielen reichte häufig schon aus. Es blieb also schlichtweg zu hoffen, dass der Dunkelhaarige darin nicht besonders geübt war oder es alles in allem nur als leere Worte in den Raum schmiss, um Sabin vielleicht doch noch umzustimmen. Sollte das der Plan gewesen sein funktionierte er aber nicht besonders gut, schnaubte der doch lediglich spöttisch und schüttelte im direkten Anschluss leicht den Kopf. "Was auch immer, Richard. Bring' dem guten Sammy ruhig bei wie man sich prügelt, kann ihm nicht schaden.", hängte er seiner Reaktion noch ein paar ironische Worte an, die mich natürlich auch alles andere als beruhigten. Prügeln? Ich wollte Niemanden schlagen und das auch ganz bestimmt nicht mit Paxisunterricht lernen. Weder jetzt, noch irgendwann in Zukunft. Dementsprechend fassungslos darüber, wie der junge Mann mich hier einfach so einem wütenden Junkie aussetzte, sah ich ihn auch auch. "Und wann bist du wieder da?", hakte ich gewohnt kleinlaut ihm gegenüber nach, wenn er gerade nicht in bester Laune war, weil ich im Gegensatz zu meiner neuen, zweiten Hälfte ziemlich schnell begriffen hatte, dass hier jegliche Diskussion schlicht ins Leere verlaufen würde. "Merkst du dann schon.", waren die einzigen, sehr vagen Worte, die Sabin mir noch mit einem gleichgültigen Schulterzucken zukommen ließ und dann drehte er sich auch schon wieder zur Haustür um. "Und ruf mich ja nicht an, wenn's Probleme gibt - ich will meine verdammte Ruhe, klar?", murrte er mir noch ein paar letzte Worte zu, als die Tür schon einen kleinen Spalt breit offen war und ich nickte nur noch als Zeichen dafür, dass ich verstanden hatte. Mehr als Ja und Amen sagen stand ja sowieso nicht in meiner Macht, Rebellion war ausgeschlossen. Ich wollte meinen Kopf gerne behalten, also zog der großgewachsene Italiener schließlich mit einem letzten Blick von dannen und ließ die Tür hinter sich unsanft zurück ins Schloss fallen. Erst sah ich nochmal zu den Handschellen, an denen Richard eben recht unsanft gerüttelt hatte. War nicht angenehm gewesen. Danach suchten meine Augen aber recht zielstrebig die des Engländers. "Ich wollte... eigentlich grade essen. Kommst du..?", setzte ich mit ein paar vorsichtigen Worten dazu an irgendwie ein bisschen Normalität in die Angelegenheit zu bringen, sofern das möglich war. Deutete mit dem Oberkörper und einem halben Schritt danach auch leicht an, dass ich ins Wohnzimmer zurückwollte. Wenn der Dunkelhaarige das jetzt aber nicht wollte sah ich wohl alt aus. Im Gegensatz zu Sabin war ich einfach ein ziemliches Hemd, obwohl ich durchaus versuchte mich fit zu halten. Ich trainierte wegen der Arbeit eben nur unregelmäßig, wenn sich dann doch mal genügend Freizeit ergab. Nach Möglichkeit schon wenigstens zwei Mal die Woche, aber das reichte natürlich bei Weitem nicht aus, um zum Michelinmännchen zu werden.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sabin schien es also echt ernst zu meinen. Machte keine Witze und ließ mich doch tatsächlich an den anderen Italiener gekettet hier zurück. Ich sah bestimmt noch eine halbe Ewigkeit gegen die geschlossene Tür, durch die der junge Mann soeben verschwunden war und meinem Gesichtsausdruck war wohl ziemlich deutlich zu entnehmen, was ich von dieser ganzen Scheiße hier eigentlich gerade hielt. Nämlich absolut gar nichts. Einen Augenblick lang war ich tatsächlich ziemlich still, geschockt, dass mich Sabin hier einfach abgeschoben hatte wie einen räudigen Köter und mich ganz vielleicht irgendwann in der Nacht oder am kommenden Morgen wieder abholen kommen würde. Mochte sein, dass ich ihm ziemlich auf die Nerven ging, das wollte ich auch überhaupt nicht anzweifeln oder leugnen, aber ich erinnerte ihn gerne noch mal daran, dass er sich vollkommen freiwillig dazu bereit erklärt hatte, sich mir anzunehmen. Ich zu keinem gottverdammten Zeitpunkt darum gebeten hatte, mich aus dem Loch heraus zu ziehen. Für mich hätte das Ganze Chaos mit den Drogen gut und gerne noch weiterlaufen können, wie das bisher der Fall gewesen war und entweder wäre ich irgendwann selber zur Vernunft gekommen oder aber am Rauschmittel verreckt. Aber nein, Sabin war es ja äußerst wichtig, dass ich wieder auf die Beine kam. Nur sich ein Stück weit mehr darum bemühen, als mir bloß jeden Abend das Clonidin einzutrichtern wollte er ganz offensichtlich nicht. Keine Ahnung, ob es besagtem Medikament zu verschulden war, dass ich gerade in den letzten Tagen überaus empfindlich auf so ziemlich alles reagierte, ich tatsächlich einfach so derart mies gelaunt war oder es doch an dem Entzug als solchen lag, aber grundlegend war mir das auch echt egal. Ich befand mich in meiner Blase, in der es bloß mich selbst gab und niemand anderen sonst. Ich fühlte mich durch noch so kleinen Ungereimtheiten schon überfordert und hatte durchgehend das Gefühl, die Menschen in meinem Umfeld wollten mir etwas Böses, obwohl eigentlich genau das Gegenteil der Fall war. Kam halt nur leider so überhaupt nicht bei mir an, weshalb ich gerade in der letzten Zeit kein besonders angenehmer Zeitgenosse war und das sollte auch die Pestbeule an meiner Seite gleich erfahren. Als ich den Blick von der verschlossenen Tür abgewandt hatte, schickte ich Sabin gedanklich zum Teufel und fluchte noch ein leises "Dieses blöde Arschloch, wart' nur ab..." vor mich hin, als Samuele mich mit seinen bezaubernden Augen - deren Farbe ich, aufgebracht wie ich war, so ad hoc nicht definieren konnte - gefangen nahm, nur um mir mitzuteilen, dass er eigentlich gerade etwas essen wollte und wir ihn dabei ganz offensichtlich gestört hatten. Wie traurig. Mein kurzzeitig leicht verwirrter Blick verfinsterte sich augenblicklich, wobei wieder einmal nur die eine Gesichtshälfte so richtig mitspielte. "Ich hab' keinen Hunger.", äußerte ich patzig und wollte mich gerade in Bewegung setzen, mich in irgendeine leere Ecke zu verkriechen, als das kalte, unangenehm zwickende Metall am Handgelenk mich postwendend daran erinnerte, dass das ja überhaupt nicht möglich war, ohne den unerwünschten Schatten mit mir zu herum zu schleppen. Was wohl im Übrigen auch der Grund dafür war, dass meine letzte Aussage sich auch bloß auf mich bezogen hatte, obwohl Sam sicher einfach nur seinen Teller Nudeln aufessen wollte. Sicher hätte er mir etwas abgegeben, wenn ich ebenfalls hungrig gewesen wäre, aber primär ging es bei seiner Aussage eher darum, dass er selbst noch zu Abend essen wollte und mich aufgrund der aktuellen Umstände darum bat, ihm zu folgen. Stattdessen blieb ich trotzdem im Flur stehen, hätte am liebsten die Arme vor der Brust verschränkt, aber nicht einmal das war mir vergönnt, weil mir der Italiener auch hinsichtlich dieses Vorhaben einen gewaltigen Strich durch die Rechnung zog. Zu sagen, dass ich gerade mächtig angepisst war und wirklich Lust gehabt hätte, Sammys ansehnliche Visage zu verunstalten, wäre wohl die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen, aber ich konnte mir einfach nicht helfen. War einfach viel zu geblendet vor Wut und Frust, dass ich überhaupt nicht wahr nahm, dass es dem jungen Mann an meiner Seite mindestens genau so unangenehm war, wie mir selbst auch, dass wir hier quasi Händchen haltend aufeinander hocken mussten und das für weiß Gott wie lange. Ansonsten hätte ich mich womöglich anders verhalten, wobei ich das so nicht unbedingt unterschreiben wollen würde, aber... ich hätte mich wohl ziemlich sicher nicht derart egoman verhalten, weil das auch sonst eher weniger meine Art war. In letzter Zeit leider doch vermehrt, jedoch auch nur deswegen, weil ich unterbewusst wirklich versuchte, mich von den Drogen los zu sagen und sich deshalb einfach viel um mich drehen musste, damit ich ausreichend abgelenkt war. Wenn dem nicht so war... na dann sah man ja, wohin uns das führte.
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Ich konnte nicht anders als schwer zu seufzen, als Richard ganz offen kund gab, dass er scheinbar nicht einmal den Hauch einer Chance dafür sah, uns den Abend - oder die Nacht, wie lange er hier herumhocken würde wusste ich schließlich nicht - nicht noch miserabler zu gestalten, als das ohnehin schon der Fall war. Zu meiner sowieso schon absolut nicht freiwilligen Annahme des trotzigen Engländers kam jetzt auch noch sein absolut nicht nettes, durchweg widerspenstiges Verhalten. Allein deshalb konnte ich es Sabin wohl auch schon weniger übel nehmen, dass er ihn hier ablud, weil ich selbst sicher - wenn ich eine Wahl hätte - auch absolut keine Lust dazu hätte, mir das den ganzen Tag lang anzutun. Ich wollte doch nur den sicher noch halbvollen Teller auf dem Wohnzimmertisch leer machen, mehr nicht. War es wirklich so unfassbar schwierig, sich für die paar Minuten neben mir aufs Sofa zu setzen und mich den noch immer leicht knurrenden Magen stillen zu lassen, weil ich den ganzen Tag über dank der stressigen Arbeit nicht besonders viel gegessen hatte? Scheinbar schon. Dem Dunkelhaarigen schien absolut nicht bewusst zu sein, dass er seinem Willen sich sonstwohin zu verziehen nicht einfach nachgehen konnte, denn es folgte ein weiterer unschöner Ruck an den Handschellen. Ich hielt dem Ganzen ohne große Mühe stand, wendete er dazu doch noch kaum Kraft auf und unterdrückte dabei ein weiteres Seufzen. Eigentlich wollte ich mich hier nicht wie ein beschissener Therapeut aufführen - obwohl ich in Sabins Augen scheinbar irgendwie ein Ersatz für einen solchen sein sollte -, aber mit der Einstellung kamen wir hier kein Stück weiter. "Ich hab ja auch nicht gesagt, dass du mitessen musst.", stellte ich erst einmal etwas trocken fest, dass es bei der Essensgeschichte lediglich um mich selbst gegangen war. Es wäre theoretisch allerdings auch noch mehr in den beiden Töpfen in der Küche gewesen, wenn er etwas hätte abhaben wollen. Das war zwar eigentlich meine Portion fürs morgige Mittagessen, aber ich konnte mir theoretisch als Ersatz ja auch einfach ein Stück Gebäck im Café mitgehen lassen. Ich saß dort ja direkt an der Quelle und konnte das machen wann immer mir der Sinn danach stand, weil mich keiner dafür belangte. War dann zwar nicht vergleichbar mit einer warmen Mahlzeit, aber im Notfall hätte ich die paar Meter zum Imbissstand um die Ecke in der Mittagspause auch noch laufen können. War also nicht so, als wäre ich auf die zweite Portion in der Küche zwingend angewiesen, aber Richard schien sowieso nicht der Sinn nach Essen zu stehen. "Ich hab auf das hier", ich hob die Hand mit der Handschelle minimal an, um meine Worte zu verdeutlichen. "genauso wenig Lust wie du, aber ich hab echt Hunger, Richard... von mir aus kannst du dir das TV-Programm auch aussuchen, aber bitte lass mich zumindest meinen Teller leer machen.", bat ich den jungen Mann ein weiteres Mal mit recht ruhiger Stimme um vernünftige Einsicht, obwohl sein Gesichtsausdruck eher weniger darauf schließen ließ, dass er auch nur ansatzweise zu irgendwelchen Kompromissen bereit war. Wo hatte er gerade überhaupt hingewollt? Ans andere Ende des ohnehin nur kurzen Flurs? Einfach in den nächstbesten Raum, dessen Tür ihm sympathisch erschien? Zwar war er schon mal hier gewesen, aber ich zweifelte doch stark an, dass er auf Anhieb ein ganz bestimmtes Ziel gehabt hatte. Dementsprechend fürchtete ich schon jetzt, dass die nächsten paar Stunden - Sabin würde wohl kaum in dreißig Minuten schon wieder auf meiner Türschwelle stehen - nicht viel weniger als der blanke Horror werden würden, weil wir uns hier endlos lange im Kreis bewegen würden. Es würde ihm doch nicht weh tun mich einfach nur ein paar Minuten essen zu lassen und er hatte hier doch sonst ohnehin nichts zu tun. Wo lag also eigentlich genau das Problem? Sich vom Fernseher berieseln zu lassen war doch auch allemal besser, als hier tatenlos und bestenfalls noch mit Streit oder Schweigend herumzustehen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Grundlegend - wenn ich nicht gerade einen Entzug durch machte und dadurch größere Probleme hatte, als dass der letzte, einvernehmliche Sex bereits mehrere Monate zurück lag - war ich ja was Übernachtungen und entsprechende Partys bei hübschen Männern anging absolut unproblematisch. Hatte absolut kein Problem damit, mir ein Sofa oder das Bett mit einem hübschen Schönling wie Samuele einer war teilen zu müssen, aber heute und unter diesen Umständen könnte ich glatt das pazifistische Denken über Bord werfen und Amok laufen. Meine Laune wäre sicher besser - wenn auch weiterhin nicht besonders gut - gewesen, wenn mich Sabin ohne diese absurden Handschellen hier abgesetzt hätte. Keine Ahnung, woran es lag, eventuell holte mich da einfach ein Stück weit die Erinnerung an Agnolo wieder ein, aber ich reagierte mittlerweile wirklich allergisch darauf, wenn ich mich nicht frei bewegen durfte. Mit einem kleinen, wegen mir ruhig verriegelten Raum, in dem ich wenigstens ein paar Meter auf und ab tigern konnte wäre ich deshalb deutlich zufriedener gewesen, als mir jetzt von Sam irgendwelche pseudo-psychologischen Bullshit an die Backe quatschen zu lassen. War gut möglich, dass er auf diesen ganzen Irrsinn hier genau so wenig Lust hatte, aber ich konnte oder viel eher wollte wohl gerade einfach nicht einsehen, dass es einzig und allein in unser beider Macht stand, uns den Abend zumindest so angenehm wir nur irgendwie möglich zu gestalten. Raus kamen wir aus der ganzen Geschichte ohnehin erst dann, wenn Sabin sich dazu erbarmte, mich wieder abzuholen, denn ich bezweifelte, dass Sammy hier so etwas wie einen Winkelschleifer herumliegen hatte, mit dem sich die Handschellen mal eben zweiteilen ließen. Und selbst wenn, hätte er vor einem Einlauf seitens des deutlich älteren Italieners wohl viel zu viel Angst, als dass er sich dazu überreden lassen würde, mich einfach von dannen ziehen zu lassen. Denn nichts anderes hatte ich gerade vor. Ich wollte einfach nur gehen, mich gar nicht weiter mit ihm unterhalten, weil ich - anders als Hunter und Cosma - gut einschätzen konnte, ob ein Gespräch zufriedenstellend verlaufen würde oder man es gar nicht erst versuchen brauchte, weil die Standpunkte einfach zu verschieden waren. Und hier und jetzt sah ich absolut keine rosigen Erfolgsaussichten, dass Samuele und ich zu einer gescheiten Lösung kommen würden, was schlicht und ergreifend einfach daran lag, dass ich mir scheinbar nicht einmal Mühe gab, zu verbergen, wie sehr mir die ganze Sache gerade auf den Zeiger ging. Der Italiener an meiner Seite hingegen versuchte noch ein Stück weit versuchen zu wollen, das Beste aus der Sache heraus zu holen und da standen wir nun. Zwei vollkommen verschiedene Ansichten vertretend, in die wir uns beide vermutlich nicht reinreden lassen wollen würden und dann mussten wir jetzt auch noch für die nächsten Stunden aufeinander hocken? Ich hätte kotzen können und das im Dreieck. Aber nachdem Sam mir wortwörtlich, auch wenn mir der Ton nicht besonders gefiel, auch noch einmal erläuterte, dass es gar nicht darum ging, mir etwas zu Essen einzutrichtern, sondern lediglich er selbst einen riesen Kohldampf hatte, verdrehte ich nur genervt die Augen, setzte mich aber kurz darauf in Bewegung, den Weg in Richtung Wohnzimmer einzuschlagen. Es war der einzige Raum, in dem zurzeit Licht brannte, also war ich mir ziemlich sicher, dass ich so falsch gar nicht liegen konnte, als ich die Türschwelle schließlich passierte. Ich sah mich kurz misstrauisch um, inspizierte die Umgebung und wollte gerade mit einem leisen Seufzen die weiße Flagge schwingen, weil mich die Einsicht darüber, dass uns sowieso keine andere Wahl blieb, als diesen Abend irgendwie herum zu bekommen, einholte, als mein Blick an einem Kratzbaum in der hinteren Ecke des Wohnzimmers hängen blieb. Den hatte ich bei unserem letzten Besuch wohl überhaupt nicht wahr genommen und auch das Tier, welches vermutlich dazu gehörte, war mir noch nicht begegnet. Ansonsten hätte ich wohl schon viel früher wie folgt reagiert. Mein Blick war nach wie vor finster, hatten sich die Augenbrauen auch dann nicht entspannen wollen, als ich kurz darüber nachgedacht hatte, das Friedensangebot zu unterschreiben, indem ich ihm wortlos ins Wohnzimmer folgte, damit er in Ruhe essen konnte, deshalb sah ich Samuele ein weiteres Mal aus düsteren Augen an. "Sag mir bitte, dass du dich an diesem bescheuerten Kratzbaum da hinten austobst...", ich nickte in Richtung des Zubehörs für Katzen, um meine Worte zu verdeutlichen. "Und mich nicht gleich irgendein haariges Mistvieh anfällt.", grummelte ich weiter und machte damit meiner Abneigung Katzen gegenüber Luft. Hunde wären noch okay gewesen, Vögel oder Schildkröten von mir aus auch, aber warum mussten es Katzen sein? Katzen und ihre Zerstörungswut hatten mich schon im Kindesalter unglaublich viele Nerven gekostet und irgendwie hatte ich die Abneigung diesen Tieren gegenüber nie so wirklich abgelegt. Der junge Mann, den ich an meinem Arm hinter mir her geschleppt hatte, sollte also für sein Haustier beten, dass es mir nicht unter die Augen trat, weil ich für absolut Nichts garantieren konnte, wenn mir das Ding zu nah kam.
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Zugegeben wunderte es mich ein bisschen, dass er nicht noch einen weiteren Fluchtversuch startete, sofern man das vorherige Gezappel denn wirklich als einen solchen hätte titulieren können. Es dauerte zwar noch eine kleine Weile, aber Richard lenkte tatsächlich ein, was meinen Hunger betraf. Gedanklich dankte ich welchem amtierenden Gott auch immer dafür, dass zumindest dahingehend erst einmal keine weitere Diskussion entstand und ich mir den Magen füllen durfte. Ich war nicht gläubig oder so, auch wenn es gut möglich war, dass es da Irgendwas gab. Besonders engstirnig war ich da nicht, solange Niemand versuchte mir irgendeinen Glauben penetrant aufzudrängen, aber an sich war ich wohl in sehr vielen Lebensbereichen ein sehr offener Mensch. Jedenfalls folgte ich dem Dunkelhaarigen ohne ein weiteres Wort durch den Türrahmen zum Wohnzimmer, war dadurch kurzzeitig wirklich erleichtert - zumindest eben so lange, bis er einen neune Grund dafür gefunden hatte den Teufel an die Wand malen zu wollen. Ich konnte nicht anders als flüchtig die Augen nach oben zu rollen, weil er mir mit seiner hundsmiserablen Laune einfach unsagbar auf die Nerven ging. Natürlich blieb ich ruhig, solange das in meiner Macht stand, weil sich mit einem Junkie zu streiten ganz einfach vollkommen sinnfrei war, aber er machte es einem halt wirklich nicht leicht. "Ja, na klar... ich reib' mich ab und zu mit dem Rücken dran und schärf' mir die Krallen. In der Schale ganz oben sitz' ich auch hin und wieder zum Spaß.", gab ich ihm eine durchweg sarkastische Antwort auf seine eher nur indirekte Frage danach, ob es hier eine lebende Katze gab und hob dabei noch die freie Hand an, um ihm meine nicht vorhandenen Krallen zu zeigen. Ich hatte gepflegte Hände, aber nach merkwürdig langen oder gar künstlich aufgeklebten Fingernägeln würde er bei mir vergebens suchen. Was das anging musste ich ihn also leider enttäuschen. Vielleicht brachten ihm wenigstens meine sarkastischen Worte ein paar unterhaltsame Gedanken auf meine Kosten ein. Wenn er dadurch bessere Laune bekam war mir das nur recht. Jedenfalls schüttelte ich kaum sichtbar über seine grundlegend hochgradig negative Einstellung den Kopf, sah dabei selbst auch noch in Richtung des Kratzbaums. Man sah den kleinen, schwarzen Kater mit der weißen Schwanzspitze nicht, lediglich seine Augen reflektierten einmal kurz im Licht der Deckenleuchte, als er den Kopf etwas bewegte. Allerdings war Bandit deutlich zu schlau dafür sich einer Person zu nähern, die keine Lust auf ihn hatte. Katzen waren da ohnehin in den meisten Fällen sehr sensibel und er ging Ärger immer gerne aus dem Weg. War ansonsten auch ein sehr ruhiger und verschmuster Zeitgenosse, der mir nur selten mal Chaos in der Wohnung bereitete. Nie im großen Stil, er schmiss höchstens Mal irgendwas auf dem Tisch um oder verteilte sein Spielzeug in alle Himmelsrichtungen, wenn ihn mal die Jagdlust packte. Er war jedoch verletzungsbedingt eine reine Wohnungskatze, weil er einen irreparablen Sehnenschaden im rechten Hinterbein hatte, der ihn durchweg etwas humpeln ließ. Rührte von einem Unfall in seinen ersten paar Lebensmonaten - da war er noch Straßenkater gewesen -, aber solange er dabei keine Schmerzen hatte rieten die Ärzte von einer Operation oder gar der Amputation des Beines ab. Er kam damit auch gut zurecht, stürzte lediglich beim Klettern oder Springen ab und zu mal ungeplant ab, wenn er jenes Bein etwas überschätzte. "Keine Sorge, mein Kater ist nicht blöd. Der kommt nicht, wenn man so viel schlechte Laune wie du ausstrahlt... und selbst wenn, dann kratzt oder beißt er nicht. Nie. Er faucht höchstens und macht von allein wieder die Biege.", konnte ich Richard beruhigen, was das anging. Deshalb zog ich ihn auch recht bestimmt hinter mir her zum Sofa, um mich hinzusetzen. Der Hunger beseitigte sich schließlich nicht von selbst und von dem Kater ging keine Gefahr aus, also sollte er sich jetzt bitte einfach neben mich pflanzen, damit ich endlich essen konnte. Sonst konnte er früher oder später dabei zusehen, wie mein Magen mich wie ein schwarzes Loch in sich hinein zog. Wäre dem Miesepeter sicher auch ganz recht gewesen, sofern das Freiheit für ihn bedeutete.
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Ja, aber sicher doch. Mochte sein, dass ich keine andere Art von Antwort auf meine ziemlich unfreundliche Frage hätte erwarten dürfen, aber nichtsdestotrotz strafte ich Samuele gleich wieder eines bösen Blickes. "Werd' nicht frech, Kleiner.", unterstrich ich diesen zusätzlich noch verbal, wobei sich der unsinnige Beiname viel eher auf sein Alter bezog, als auf seine Körpergröße. Sam überragte mich zwar nicht, war allerdings auch nicht kleiner und die Behauptung, wir waren in etwa auf Augenhöhe dürfte in diesem Fall gar nicht so weit hergeholt sein. Schließlich trafen sich unsere Blicke tatsächlich ziemlich direkt, ohne, dass einer von uns seinen Kopf unangenehm in die eine oder andere Richtung drehen musste. Ich wusste jedoch, dass er jünger war als ich. Drei Jahre, um genau zu sein, was ich in einem Gespräch mit Sabin herausgefunden hatte. Eher beiläufig und auch nur wieder so zwischen Tür und Angel, wusste ich doch schon nicht mehr, wie wir überhaupt auf den Italiener gekommen waren. Vielleicht, weil ich mich bereits nach unserem letzten Besuch darüber echauffiert hatte, dass er mich im Notfall hier absetzen würde, so wie er das heute getan hatte und irgendwie waren wir dann mehr auf Sam als Person zu sprechen gekommen. War im Grunde genommen aber auch vollkommen egal, ich wusste jedenfalls, dass er deutlich jünger war als, wobei Respekt eigentlich kein Alter kannte. Alt wie auch jung sollten einander respektvoll behandeln und ich brauchte mich wohl nicht wundern, dass er sich mir gegenüber derart aufspielte, wenn ich keinen Deut besser war. Einsehen wollte ich das so aber natürlich nicht und meldete mich daher prompt zu Wort, als er mir schlechte Laune unterstellte, denn... die hatte ich, ja, aber ich wollte mich einfach schlicht und ergreifend nicht darauf ansprechen lassen. Erst recht nicht von jemanden wie dem jungen Mann hier zu meiner Linken. "Hast 'ne ganz schön große Klappe dafür, dass ich tendenziell nicht weniger psychopathisch als Hunter und Sabin sein könnte.", stellte ich relativ trocken fest, als ich neben dem Italiener in Richtung Sofa stolperte, um mich nach einem letzten kritischen Blick in Richtung Kratzbaum neben ihm nieder zu lassen. Mir stand mit der Aussage absolut nicht im Sinn, Sam in irgendeiner Art Angst einzujagen, aber ich an seiner Stelle wäre im Umgang mit Fremden wohl ziemlich vorsichtig. Vor allem dann, wenn ich nicht direkt vor ihnen weglaufen konnte und nur ein, vielleicht zwei geschickte Griffe von Nöten waren, um ihm das Genick zu brechen oder ihn zu strangulieren. Immerhin sprach ich da aus Erfahrung und hatte selbst schon erlebt, wie überraschend es sein konnte, wenn man wider Erwarten mit dem Gesicht zwischen den Streben eines Zauns klebte, weil man das Maul zu weit aufgerissen hatte. Ich an Sammys Stelle würde mir also besser zwei Mal überlegen, wie ich mich verhalten sollte und das selbst dann, wenn von mir eigentlich wirklich keine akute Gefahr ausging. Schließlich hatte ich mich in meinen Räuschen wohl überwiegend nur selbst verletzt und meine Mitmenschen überwiegend nur psychisch terrorisiert, wenn sich denn welche in meiner Nähe aufgehalten hatten, würde wohl auch weiterhin auf Gewalt verzichten, solange es auch andere Mittel und Wege gab. Nicht zuletzt eben auch deswegen, weil ich im Nahkampf eine absolute Niete war. Das sollte aber keinesfalls heißen, dass ich nicht wusste, wie ich mein Anhängsel davon überzeugen konnte, dass er sich zumindest zeitweise auch vor meiner Wenigkeit hüten sollte. Stille Wasser waren bekanntlich tief und auch mein Geduldsfaden - der momentan durch die ganze Entzugsscheiße ohnehin ziemlich kurz war - war irgendwann zu Ende. Zwar würde ich Sam nüchtern wohl nie ein Messer an die Kehle halten, wie Hunter und Sabin das vermutlich problemlos tun würden, aber vielleicht reichte bei dem jungen Mann ja auch schon der ein oder andere kleinere Schreck, dass er mich das nächste Mal mit anderen Augen sah. Momentan machte ich wohl trotz der gut sichtbaren, alles anderen als schönen Narbe in meinem Gesicht keinen allzu angsteinflößenden Eindruck mit meiner ausgemergelten Statur und der relativ blassen Haut, aber man sollte sich definitiv nicht vom Aussehen täuschen lassen. Psychopathen waren von meinen beiden Geschäftspartnern mal ganz abgesehen auch nicht immer breit gebaut und braun gebrannt. Aber was wusste ich schon... von einem Serienkiller oder Schwerverbrecher im Allgemeinen war ich wohl noch ziemlich weit weg, würde wohl kaum wegen Kunstfälschung und dem Herstellen von Drogen genau so lange in den Bau wandern, als Hunter mit seinen etlichen Morden beispielsweise. Dennoch war ich der Meinung, in der Nahrungskette schon noch ein Stück weit über unserem guten Sammy hier zu stehen und das sollte ihm gefälligst klar sein.
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Irgendwie schienen mir die Idioten inzwischen alle absolut gleich zu sein. Vielleicht hatten sie nicht alle gleich viele Leichen auf dem eigenen Konto und arbeiteten in verschiedenen Bereichen, was ihr kriminelles Dasein anging, aber im Grunde tickten sie zumindest zum aktuellen Zeitpunkt ziemlich ähnlich. Sabin war zwar ruhiger als Hunter, bestand aber genauso sehr auf seine Autorität wie der hitzköpfige Amerikaner. Richard hier war zwar bisher weder irgendwie handgreiflich, noch mir gegenüber sehr laut geworden, aber seine Worte schilderten mir doch ziemlich eindeutig, dass ich besser aufpassen sollte, wie ich mich verhielt. Man könnte mich jetzt wahnsinnig nennen, weil ich das irgendwie so gar nicht ernst nahm und es besser hätte tun sollen, weil ich den Dunkelhaarigen kaum kannte bis auf ein paar wenige Eckdaten, die Sabin mir gegeben hatte, aber Richard machte mir schlichtweg keinen allzu gefährlichen Eindruck. Natürlich waren Junkies oder solche auf Entzug immer sehr mit Vorsicht zu genießen, selbst wenn sie temporär mal nicht aggressiv oder hochgradig angepisst waren, das würde ich nie anzweifeln. Allerdings brauchte es in seinem Fall wohl einfach ein bisschen mehr als schnippische, beleidigte Worte, um mir sowas wie Angst vor ihm einzutrichtern. Erst einmal rein vom Optischen - okay, die riesige Narbe im Gesicht war schon irgendwie creepy, aber mal abgesehen davon - und dann schlichtweg eben auch noch von seiner Art her. Was solche Dinge anging täuschte mich meine Menschenkenntnis ganz einfach nur ziemlich selten, ich hatte da einen guten Riecher... wobei ich mit meinem blinden Vertrauen in Sydney ziemlich blauäugig gewesen war. Andererseits hatte das wohl weniger mit schlechter Menschenkenntnis zu tun - sie war an sich schließlich kein schlechter Mensch, was ich durch ihre Arbeit bei mir im Café inzwischen durchaus beurteilen konnte -, sondern mehr nur mit meiner eigenen Dummheit und Leichtsinnigkeit. Würde mir bis hierhin nicht nach wie vor etwas an meinem Leben liegen, dann würde ich mir vermutlich einfach selbst eine Kugel dafür in den Kopf jagen. Es blieb also zu hoffen, dass Sabin mich mit seiner blöden Drogenverschifferei nicht irgendwann noch in den Wahnsinn treiben und ich das dementsprechend doch noch umsetzen würde. Ich musste ihm zwar wirklich lassen, dass er bisher für jede Sicherheitslücke, die beim Verschicken des Crystals unter Deckung des Kaffees entstehen könnte, eine gute Lösung gefunden hatte, aber selbst nach seinen Angaben blieb trotzdem immer ein Restrisiko, mit dem wir halt leben mussten. Konnte er ja auch leicht sagen, wo ihn ganz bestimmt keiner mit den Drogen in Verbindung bringen würde, wenn sie bei irgendeiner Kontrolle doch mal auffliegen sollten. Sein Name war ja nicht im Unternehmen zu finden und ich würde mich ganz sicher davor hüten ihm irgendwem zu nennen, oder sonst irgendeinen der anderen Beteiligten ans Messer zu liefern. Gefängnis konnte ich mit viel Glück vielleicht sogar überleben, einen Verrat an der Amerikanisch-Italienisch-Irgendwas-Mafia wohl kaum. Andererseits war ich mir wiederum auch echt nicht sicher damit, ob ich nicht lieber sterben würde, als in den Knast zu wandern. Mein Körperbau und mein Gesicht luden ziemlich sicher zu stark zum Vergewaltigen und Unterdrücken ein, als dass ich im Anschluss an meine Aufenthaltszeit dort etwas anderes als vollkommen geistig hinüber sein konnte. Also vielleicht wäre es doch besser wenn noch möglich einfach schon vorher ans andere Ende der Welt zu flüchten oder abzukratzen, weil ich mir ziemlich sicher war, dass ich ein kubanisches Gefängnis mental nicht überleben würde. Ich seufzte hörbar, aber mehr aus Erschöpfung und weniger aus Genervtheit. Sabin hatte sich einfach wirklich keinen guten Tag - beziehungsweise keine gute Nacht - dafür ausgesucht mich mit seinem Sorgenkind zu betreuen. "Mein Gott Richard...", setzte ich zum Reden an und lehnte mich dabei leicht nach vorne, um nach dem Pastateller zu greifen. Mittlerweile waren die Nudeln bestimmt auch nur noch maximal lauwarm. "Ich hab einfach nur versucht einen Witz zu machen, okay? Und aus deiner miesen Laune machst du jawohl echt kein Geheimnis.", schüttelte ich verständnislos über sein Verhalten den Kopf. Überging dabei einfach mal den Spitznamen, den er mir spontan verpasst hatte, wobei ich den an sich eigentlich auch nicht schlimm fand. War ja keine direkte Beleidigung, war es in meinen Augen doch nicht schlimm, dass ich ein bisschen kleiner als viele andere Männer war. Frauen waren meistens trotzdem kleiner als ich und wenn der Mann meiner Begierde größer als ich war, dann war das auch kein Problem für mich. Sollte es rein aufs Alter bezogen gewesen sein konnte ich auch behaupten lange aus den Teenagerstiefeln raus zu sein, also kratzte mich das erst einmal nicht weiter. "Und nimm's mir nicht übel, aber das hier meine Wohnung und eigentlich mein Feierabend. Es wäre also echt nett, wenn du zumindest versuchen könntest dich ein bisschen zu beruhigen... Ist nicht böse gemeint, aber du machst mir auch nicht unbedingt den Eindruck als wärst du ernsthafte Konkurrenz für Sabin oder gar Hunter, was den Knacks in der Birne angeht.", machte ich jetzt auch einmal meinem Unmut darüber Platz, dass er mir hier den wohlverdienten Feierabend ruinierte. Zwar änderte sich meine Stimmlage dabei wenig bis gar nicht und ich behielt den ruhigen Ton bei, aber so ein minimal angesäuerter Unterton war dann eben doch dabei. Lag vermutlich aber einfach nur dran, dass die schlechte Laune des Engländers langsam ansteckend wurde. Der letzte Satz war an sich jedoch absolut nicht böse gemeint - war das doch eigentlich sogar etwas sehr Positives in meinen Augen -, deswegen auch die Betonung darauf, aber vielleicht war der Dunkelhaarige doch so bekloppt wie alle anderen Kriminellen, mit denen ich bisher Kontakt gehabt hatte und würde sich jetzt angegriffen fühlen, weil er nicht gleichermaßen beängstigend wirkte oder so. Was wusste ich schon... so als ganz normaler, ursprünglich mal legal lebender Bürger. Ich wünschte mir schließlich nach wie vor nichts als meinen Kopf endlich wieder aus diesem riesigen Haufen Scheiße ziehen zu können.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mochte schon sein, dass ich im Gegensatz zu Hunter noch ein echt netter und umgänglicher Bursche war, aber was die Zerstörungswut und der allgemeine Hass auf die Menschheit anging konnte wohl kaum einer dem Amerikaner wirklich das Wasser reichen. Dennoch fand ich es fast schon beleidigend, dass Samuele mir gerade indirekt mitteilte, sich vor mir eher nicht zu fürchten, weil ich ihn im Gegensatz zu den anderen beiden noch nicht entführt, die imaginäre Pistole auf die Brust gesetzt und in kriminelle Machenschaften hereingezogen hatte. Und das würde ich auch nicht. Gut, letzteres vielleicht schon, aber dann eben auch nur deshalb, weil er bereits in der Sache mit drin steckte und wir auf kurz oder lang sicherlich zusammenarbeiten würden, wenn ich irgendwann in der Zukunft wieder dazu in der Lage war, Methamphetamin anzusehen, ohne direkt das Bedürfnis zu verspüren, mir eine Nadel setzen zu müssen. Gerade während des Entzugs kreisten meine Gedanken und kaum mehr etwas anderes, was nicht zuletzt auch der Grund dafür war, warum ich mir ein Stück weit Unterhaltung wünschte, um ausreichend abgelenkt zu sein. Vermutlich war auch nur das der Grund, warum ich hier gerade vollkommen überflüssig mit dem Italiener diskutierte. Einfach weil ich wusste, dass wir uns ansonsten wohl nur anschweigen würden und ein bisschen Stress war allemal besser als gar nichts. Dass es dem jungen Mann allerdings an die Substanz gehen könnte, sich hier nach Feierabend auch noch mit mir streiten zu müssen... darüber dachte ich nicht im Entferntesten nach. Stattdessen schob ich mir beidseitig die Ärmel meinen Shirts nach oben und offenbarte somit die durch die etlichen Einstiche dunkelblauen, bis tiefschwarz unterlaufenden Arme, welche ich unter den langärmligen, wenn auch ziemlich dünnen Oberteilen verbarg, nur um sie so mehr oder weniger vor meiner Brust zu verschränken. Funktionierte natürlich nur so semi-optimal und ich sah wohl aus, als würde ich ziemlich verzweifelt versuchen, mich selbst zu umarmen. So mit nur einem Arm. Jedenfalls sah ich den jungen Mann an meiner Seite mit hochgezogener Augenbraue an, nachdem er mich darum gebeten hatte, ihm zumindest ein klein wenig Ruhe einzuräumen, wo wir uns doch hier in seiner Wohnung befanden und ich natürlich mit voller Absicht seinen Feierabend ruinieren wollte. Das ich nicht lachte. Ich schnaubte nur leise, als sich Sam die erste Gabel voll Pasta in den Mund schob, bei dessen Anblick mir schon schlecht wurde. Ich war irgendwie noch immer nicht fürs Essen zu begeistern und dennoch hatte ich innerhalb der letzten Wochen wieder zwei Kilo zugenommen. Syd und auch Sabin achteten leider verstärkt darauf, dass ich zu allen drei Tageszeiten wenigstens ein bisschen aß und so einfach viel mir das wieder hochwürgen nicht, als dass ich weiterhin meine überaus schlanke Linie beibehalten konnte. War im Endeffekt aber auch gar nicht so schlimm, schließlich befand ich mich momentan vermutlich weit unter dem Idealgewicht und ein paar Kilo mehr auf den Rippen täten mir absolut keinen Abbruch. Nichtsdestotrotz musste ich immer ziemlich mit mir ringen, weil sich der Hunger schlichtweg in Grenzen hielt. So eben auch heute und ich war wirklich froh, dass ich das Abendessen mit dem Ausflug hier gekonnt umgangen hatte, aber wirklich schmackhaft machte es mir das Treffen mit dem kleinlauten Italiener, der momentan eine ziemlich große Klappe hatte, halt auch nicht. Aber na ja... ändern ließe sich das jetzt nun mal nicht, also mussten wir zusehen, wie wir die Zeit halbwegs herum bekamen. Aber ganz stupide hier auf der Couch zu hocken und Sam beim Essen zuzusehen war absolut nicht das wahre, langweilte mich ziemlich, weshalb ich wohl auch einfach nicht damit aufhören konnte, ihn zu nerven. "Deine Art von Humor finde ich irgendwie ziemlich... scheiße.", stellte ich erst einmal relativ trocken fest und zuckte dabei ein wenig nachdenklich mit den Schultern, ehe ich noch ein paar gemurmelte Worte hinten dran hängte. "Hey, du hast doch hier sicher einen Laptop, oder?" Mein Handy hatte ich natürlich in all der Euphorie, dass Sabin und ich einen netten kleinen Ausflug machen würden daheim vergessen. "Vielleicht überzeugst du dich ja einfach selbst davon, zu was ich so imstande bin. Vielleicht bin ich nicht ganz so rigoros wie Sabin oder Hunter es bei ihren Geschäften sind, aber es gibt ein paar echt tolle Seiten im Internet, die über mich berichten.", schlug ich vor und meinte das Ganze durchaus ernst. Auch an dieser Stelle war ich mir nicht mehr sicher, wie ich dazumal über jene Seiten gestolpert war, aber über den Tod meiner Elten wurde wohl zumindest in den Commonwealth Staaten ziemlich viel bereichtet, was mich überhaupt nicht wunderte. Schließlich hatten sie in gut der Hälfte dieser Länder ihre Finger in irgendwelchen Organisationen stecken, während ich mich an Internaten und letztlich auf dem Campus der Universität herumgetrieben hatte. Und wenn man nicht gerade nach dem Tod der O'Loreans suchte oder durch das Gemälde Apollo und Daphne auf jene Story stieß, dann ließ sich viel darüber lesen, wie ich als rennomierter Kunstprofessor in Norwegen Fuß gefasst hatte und das mir seit Jahren schon Kunstfälschung, sowie der Handel mit Immitaten unterstellt wurde. Nachweisen konnte man mir das bis dato allerdings nichts und das kam schließlich nicht von irgendwo her. Mochte also sein, dass ich mich an Muskelmasse nicht viel zu bieten hatte und womöglich keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, aber ich hatte doch schon ordentlich was im Kopf und vor Gerissenheit und Geschick sollte man sich wohl mal mindestens genau so sehr in Acht nehmen, wie vor einem Auftragsmörder. Am Ende saß der gute Sammy hier noch für etwas im Gefängnis, das er gar nicht zu verantworten hatte.
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Mein Blick glitt unweigerlich von meinem Teller weg und zurück zu Richard, als er sich neben mir vermehrt bewegte. Ich hatte zwar nicht akut Angst vor ihm, aber für etwaige Versuche mir wider Erwarten doch ein Haar zu krümmen wollte ich gerne bereit sein. Na ja, so bereit wie man dafür eben sein konnte, also in meinem Fall gar nicht. Aber noch entsprechend darauf zu reagieren war halt einfacher, wenn man schon vorher Anzeichen dafür sah und deshalb konnte es nicht falsch sein ihn immer mindestens im Augenwinkel zu haben. Wenn er seine Arme bewegte wollte ich lieber direkt hinsehen - oder vielleicht auch nicht. Denn die Spuren seines einstigen Drogenkonsums waren daran noch immer deutlich sichtbar und wirklich schön anzusehen war das nicht. Deshalb richtete ich die Augen auch zügig wieder auf meine Nudeln und schob mir die nächste Gabel voll zwischen die Kiemen. "Könnte dran liegen, dass du grade grundsätzlich alles scheiße findest.", meinte ich ziemlich ironisch mit noch halbvollem Mund - wozu Manieren bei einem Verbrecher verwenden? -, als er meinen Humor als untauglich bezeichnete, schüttelte dabei selbst auch ein klein wenig den Kopf. Wenn man wirklich durchweg mies gelaunt war, dann fiel es eben auch schwer sich durch ein paar Witze aufheitern zu lassen. Vor allem dann, wenn man dazu auch noch so absolut gar keine Lust hatte, wie der Dunkelhaarige hier bestens demonstrierte. "Sollte sich das nicht lieber mal ein Arzt ansehen?", stellte ich eine eher beiläufige Frage bezüglich der anhaltenden Verletzungen an Richards Armen, weil das einfach ziemlich ungesund aussah. Ich war wirklich froh darüber, dass ich es damals beim Einschmeißen von Pillen, sowie dem Rauchen und Schnupfen etwaiger Substanzen belassen hatte, war ich wohl einfach zu vernünftig gewesen, um mir selbst - oder durch fremde Hände - irgendeine Nadel in die Adern zu rammen. Allerdings mochte ich Nadeln so ganz allgemein nicht wirklich gern, was sicher ein Mitgrund dafür war. Entsprechend wenig kannte ich mich allerdings auch mit derartigen Entzündungen aus. Vielleicht konnte man da an sich gar nicht viel gegen machen und es musste von allein sehr mühselig durch den Körper abtransportiert werden, aber ich für meinen Teil wäre sicher trotzdem damit zum Arzt gegangen. Einfach nur zur Sicherheit. Ich wüsste auch nicht, was dagegen sprechen sollte, wenn man mal von Richards Dickschädel gänzlich absah. Immerhin hatten sie hier auf Kuba doch bisher noch nichts zu verbergen und dass der Arzt die Cops rief war demnach unwahrscheinlich. Zum Entzug mit Klinikaufenthalt konnte ihn auch Niemand zwingen, solange er keine Gefahr für andere Leute darstellte, also sah ich da an sich kein Problem. Womöglich dachte ich dabei aber auch einfach zu rational und es hatte bestimmte Gründe, warum der Kerl keinen medizinischen Fachmann aufsuchte. Was seine Frage bezüglich meines Laptops anging wanderte allerdings prompt meine rechte Augenbraue nach oben und ich sah den Engländer argwöhnisch an. Wollte ich denn überhaupt wissen, zu was er imstande war? Vielleicht wäre es wirklich sinnvoller mir nicht auch noch vor ihm etwas zu viel Respekt einzuflößen, weil ich keine Lust darauf hatte mir aus Angst vor etwaigen Handgreiflichkeiten seinerseits von einem Junkie auf der Nase herumtanzen zu lassen. Zumal Sabin mich ja sicherlich eher als normalen Kontakt für ihn halten wollte, damit er mal wieder ein bisschen auf dem Boden der Tatsachen oder allgemein auf dieser Erde ankam. Ich hatte einfach keinen Schimmer davon, was der junge Mann bis hierhin schon verbrochen und angestellt hatte und war mir auch nicht sicher damit, ob ich es zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt wissen wollte. "Überleg' ich mir noch.", war also meine leicht nachdenkliche, eher gemurmelte Antwort darauf, bei der sich auch meine Augenbraue langsam wieder absenkte. Danach wendete ich mich wieder gänzlich meinem Teller zu und verputzte schweigend den Rest der Nudeln. Machte mir währenddessen noch ein paar Gedanken dazu und kam aber dennoch nicht wirklich auf einen grünen Zweig. Ich lehnte mich also ein weiteres Mal nach vorne, um den Teller wieder loszuwerden und im Anschluss wanderte mein Blick dann erneut zu Richard. "Womit muss ich denn rechnen? Ich hab' eigentlich keine Lust auf noch mehr Alpträume wegen Bildern von Folteropfern oder anderweitig bestialisch ermordeten Menschen... was das angeht haben die anderen beiden mir echt schon mehr als genug Stoff geliefert.", murmelte ich mit Sarkasmus angehaucht weiter vor mich hin, ohne ihn aus meinem Blick zu lassen. Nein, mir reichte es was das anging echt. Ich schlief ohnehin schon fast durchgehend beschissen und musste meiner Schlafstörung nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen, um bald als lebender Toter durchs Café zu schlurfen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Damit mochte er durchaus Recht haben. Momentan sah ich wohl alles durchweg negativ, obwohl das doch sonst eigentlich nicht meine Art war. Gut, ich mochte mich hier und da vielleicht ein bisschen zieren, wenn es um Dinge ging, die potenziell mehrere lange, ziemlich trostlose Jahre Knast nach sich zogen, aber das war ja auch absolut verständlich oder nicht? Ansonsten war ich jedoch immer ein recht lebensfroher Mensch gewesen mit eigentlich ganz normalen Interessen für jemanden, dessen Geld auch nicht besonders koscher war, aber seitdem mich Agnolo in seine Höhle verschleppt hatte, war das eben alles ein bisschen anders. Mir fiel es nicht mehr so leicht, die Mundwinkel zu einem Lächeln zu formen und nach Lachen war mir nüchtern ohnehin kaum mehr zumute. Vielleicht mal ein ironisches Auflachen, ein amüsiertes Schnauben, aber so richtig von Herzen und voller Elan gelacht hatte ich jetzt schon lange nicht mehr. "Vielleicht, das hat aber auch seine Gründe.", stellte ich erst einmal relativ trocken fest, dass ich ganz bestimmt nicht so negative Laune schob, weil mir gerade der Sinn danach stand, sondern nach wie vor mein scheinbar noch immer nicht wirklich verarbeitetes Trauma dahinter stand, welches es mir unglaublich schwer machte, wieder halbwegs gelassen und vor allem vollkommen clean durch die Welt zu stiefeln. Aber was wusste er schon... nichts wusste er. Was die Sache mit meinen Armen anging, zuckte ich lediglich mit den mittlerweile ziemlich schmalen, knochigen Schultern. Sah dann selbst kurz auf die Blutergüsse hinunter, die meine beiden Arme von den Ellenbogen aus nach oben und unten zierten. "Passt schon, tut nicht weh.", erwiderte ich auch diesbezüglich nur ein paar knappe Worte, die aber durchaus der Wahrheit entsprachen. Zwar war es sicherlich alles andere als gesund, dass ich nach der langen Zeit noch immer derart blaue Flecken mit mir herum trug, aber schmerzen taten sie schon lange nicht mehr. Hatten sie allerdings in ihrer Anfangszeit und ich war wirklich froh, dass das vorbei war. So richtig weh getan hatten die Einstiche und die damit verbundenen geplatzten Äderchen zwar nicht, aber es war doch ein wirklich unangenehmer Druck gewesen, auf den ich gut und gerne verzichten konnte. Außerdem hätte sich das in meinen Augen maximal Cosma noch ansehen dürfen, vielleicht Sydney, weil sie durch ihre jahrelange Arbeit beim FBI sicher auch noch ein Stück weit Ersthelfer war, aber einen richtigen, studierten Arzt würde ich wohl auch hier in Kuba nur äußerst ungerne aufsuchen. Und solange ich noch aufrecht sitzen konnte, mir nichts weh tat und ich noch atmete, würde ich einen Teufel tun, mich in eine der Arztpraxen hier in der Stadt zu setzen. Zu groß war das Risiko, dass mich jemand danach fragen würde, woher die Einstiche herrührten. Mochte sein, dass auch die Ärzte auf Kuba einer Schweigepflicht unterlagen, aber ich für meinen Teil wollte mir schlichtweg nicht die Blöße geben, mit noch mehr Leuten über mein Drogenproblem zu reden, als ich das ohnehin schon gemusst hatte. Also, Sammy... Danke, aber nein danke. Damit war dann auch dieses Thema für mich abgehakt und letztlich blieb nur noch offen, ob sich der Italiener denn tatsächlich dafür interessierte, ein wenig mehr über mich heraus zu finden. Natürlich hätte ich ihm all das, was er auf den unzähligen Websites lesen würde auch einfach erzählen können, aber in meinen Augen verlieh mir die Presse ein ziemlich mysteriöses Auftreten und das gefiel mir. Ich mochte es, im Schatten zu Arbeiten und andere Leute um mich herum an der Nase herum zu führen. Was passierte, wenn ich den Schatten verließ und an die Öffentlichkeit trat, hatte der Übergriff von Hunter auf meine Wenigkeit wohl ziemlich deutlich gemacht. Aber gut, das waren wohl auch zwei unterschiedliche Paar Schuhe und für gewöhnlich blieb ich mit sämtlichen Kunstfälschungen unentdeckt. Wundern tat mich das allerdings nicht, weil ich nun mal eben wusste, dass meine Arbeit echt verdammt gut war und die Leute, mit denen ich zusammen gearbeitet hatte auch echt etwas auf dem Kasten hatten. Schade eigentlich, dass ich nach der Sache im Hotel nicht mehr dazu in der Lage gewesen war, sie zu fragen, ob sie sich nicht eventuell vorstellen konnten, in Kuba ein neues Leben anzufangen. So musste ich mir leider ein paar neue Deppen suchen, die so zuverlässig und präzise für mich gearbeitet hatten. Na ja... aber wohl weder heute, noch morgen, hatte das doch alle Zeit der Welt. So schnell lief mir das Geld schließlich nicht davon, welches ich noch auf der hohen Kante hatte. Aber ich schweifte ein wenig ab, also konzentrierte ich mich wieder ganz bewusst darauf, Samuele mein Ohr zu schenken, wobei ich mir das nach seinen Worten echt hätte sparen können. Augenscheinlich schien er sich noch überlegen zu müssen, ob er das, was ich ihm zeigen würde denn auch verkraften konnte. Dabei handelte es sich ja noch nicht einmal um irgendwelche bestialischen Morde oder schlimm zugerichtete Leichen, weshalb ich ihn wohl auch noch einen Moment lang ziemlich unverständlich ansah. Er hatte doch gerade noch behauptet, dass er in mir keine wirkliche Konkurrenz zu Sabin und Hunter sah, unterstellte mir dann ferner aber Folter und Mord? So wirklich einig war er sich wohl noch nicht. Es vergingen also ein paar Minuten, in denen Sam seine vermutlich bereits kalte Paste in sich hinein schaufelte und ich mit weiterhin tief ins Gesicht gezogenen Augenbrauen darauf wartete, was als nächstes passieren würde. Ich rechnete schon gar nicht mehr damit, dass sich der Italiener doch tatsächlich noch für meine mehr oder weniger Vergangenheit interessierte, weshalb ich ihn einen Augenblick lang etwas überrascht ansah, dann schnaubte ich jedoch belustigt und wandte meinen Blick wieder von ihm ab, um ihn stattdessen auf meine Hände zu richten, die ich locker in meinen Schoß gefaltet hatte. "Hast du gerade eben nicht selbst noch gesagt, dass ich hinsichtlich des Knacks in meiner Birne vermutlich nicht mit Sabin und Hunter mithalten kann? Denkst du jetzt wirklich, ich könnte jemanden ermorden?", fragte ich rhetorisch, allerdings reichlich amüsiert. Weil ich eine Antwort seinerseits aber nicht abwarten wollte, schüttelte ich kurz darauf mit dem Kopf. "Keine Sorge... durch mich sind noch keine Menschen gestorben. Kann sich natürlich ändern, wenn du weiterhin so blöde Fragen stellst, aber ansonsten findest du eigentlich nur eine Menge Kunst und ziemlich viele Auszeichnungen auf meinen Namen. Und auf ein Werk bin ich besonders stolz.", redete ich so vor mich hin und meine Augen fingen beim letzten Teil ein wenig zu leuchten an. Der Gedanke an jenen Wanderausflug ließ mich doch gleich wieder bessere Laune kriegen, auch wenn nicht einmal mehr die Erinnerung an die leblosen Körper meiner Eltern mich wirklich so richtig aufheitern konnten. Unter den aktuellen Umständen konnte das vermutlich lediglich das Crystal und weil das in unerreichbarer Ferne lag, brauchte ich sicher nicht erwähnen, dass sich mein Gemütszustand heute kaum mehr ändern würde.
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Das war mir auch bewusst. War ja nicht so, als wüsste ich nicht von der Foltergeschichte und dem anschließenden Drogenkonsum. Natürlich kannte ich keine Details, weil Sabin es nicht für gut befunden hatte mir mehr als unbedingt notwendig zu sagen - was ich wiederum nicht so gut gefunden hatte, eben zum einen wegen meiner Neugier und zum anderen hätte ich einfach gern gewusst, worauf ich mich mit dem Engländer genau einließ -, aber dass der Dunkelhaarige vor Kurzem so einiges durchgemacht hatte war kein Geheimnis hier im Raum. Trotzdem war das für mich nicht ausschlaggebend. Wenn er nicht aktiv daran arbeitete den Schädel mal von dieser negativen Einstellung wegzukriegen, dann würde das nämlich noch ewig lang so bleiben. Vielleicht sogar für immer, wurde man Depressionen ohne aktive Eigeneinwirkung doch niemals los. Ich selbst hatte mich damit bisher zum Glück eher nicht auseinandersetzen müssen, hatte lediglich einen Freund, der darunter immer mal wieder zu leiden hatte und mich deshalb mal ein bisschen schlau darüber gemacht. Ich hatte einfach wissen wollen, wie ich dem armen Kerl helfen und ein bisschen für ihn da sein konnte. "Das weiß ich schon, aber sich dran festzubeißen und alle um dich herum anzuschnauzen wird's trotzdem nicht besser machen.", meinte ich schulterzuckend, weil es daran nun mal einfach nichts zu rütteln gab. So holte er sich nur noch mehr negative Energie in sein Umfeld und versank noch tiefer in seinem Frust. Was den Arzt anging wollte er auch lieber passen, was ich kommentarlos hinnahm. War seine Sache und auf eine Diskussion in dieser Richtung hatte ich nicht wirklich Lust, also ließ ich es einfach bleiben. Er war wohl alt genug, um das selbst zu wissen und so konzentrierte ich mich eher auf das Schnauben und die Worte, die kurz darauf noch folgten. Er missverstand mich da ein kleines bisschen, glaube ich. Aber das war wohl nicht verwunderlich, was meine vorherige Formulierung anging. War etwas unglücklich gewählt. "Das meinte ich nicht. Um mit sowas in Verbindung gebracht zu werden muss man das nicht zwangsweise selbst getan haben und ich hab einfach keine Lust auf Irgendwas... Krankes.", rückte ich leicht grummelnd und etwas leiser meine vorherigen Worte ins richtige Licht, sah Richard dabei aber gar nicht an. So viele Leute, die laut den Medien auf Hunters Kappe gingen, konnte der Amerikaner ja auch kaum allein umgebracht haben. Dafür hatte er ja die zahlreichen Schlägertypen, die ihm hinterher dackelten. Mit so vielen Banden und Clans wie er es sich schon verscherzt hatte, hätte er allein ja gar nicht überleben können und trotzdem ging das Alles indirekt irgendwie auf sein Konto. Schließlich bezahlte er die Mörder ja für ihre Arbeit... was wiederum nicht heißen musste, dass sie keinen Spaß daran hatten, aber das waren so Dinge über die ich ungern nachdenken wollte. Ich hatte auch so schon genug Angst vor dem Haufen, da brauchte ich mich nicht noch intensiv damit beschäftigen wie sehr seine Männer Hunter selbst womöglich ähnelten, weil ich dann irgendwann sicher gar nicht mehr schlafen würde. Was das anging war weniger ziemlich sicher mehr, dieses Depot wollte ich weiß Gott nicht noch weiter aufstocken. "Lass diese indirekten Drohungen bleiben. Das finde ich nämlich wiederum kein bisschen witzig.", ließ ich den Dunkelhaarigen doch mit einem kurzzeitig angesäuerten Blick wissen, dass ich diese Art von Humor eben kein Stück mochte. Es reichte echt, dass Hunter und Sabin mir permanent imaginär die Pistole auf die Brust setzten, da brauchte ich das hier Zuhause von Richard jetzt nicht auch noch. Aber wie schlimm konnte seine Kunst schon sein? Ich dachte dabei bis jetzt ja nicht mal im Entferntesten daran, dass er Leichen für ein solches Kunstwerk genutzt hatte, also überlegte ich wohl nur noch ein paar Sekunden lang, bevor ich mit einem leisen Seufzen nachgab. "Na schön, von mir aus... aber ich hab keine große Lust dich mit ins Schlafzimmer zu ziehen, also wirst du mit meinem Handy Vorlieb nehmen müssen.", lenkte ich ein und zog dann das Smartphone aus der rechten Hosentasche. War ein ziemlich Neues, er würde sich also nicht mit einem zu kleinen Display herumärgern müssen oder dergleichen und was immer er mir zeigen wollte konnte ich sicher auch damit gut genug sehen. Ich wischte nur noch die paar Benachrichtigungen bezüglich privater Nachrichten zur Seite und öffnete im Anschluss den Browser, ehe ich es ihm entsperrt entgegenhielt. Er musste da jetzt nicht mehr lesen als unbedingt notwendig war, auch wenn ich nicht wirklich etwas zu verbergen hatte. War ja schließlich nur ein normaler, junger Erwachsener, der sowas wie ein gesundes Sozialleben hatte. Natürlich war da auch der eine oder andere Flirt dazwischen, hatte ich bis vor kurzem doch eigentlich zumindest an den Wochenenden ein relativ aktives Sexleben geführt, aber auch das war jetzt nichts Außergewöhnliches in meinen Augen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Auch diesbezüglich mochte Samuele womöglich Recht haben, dennoch tat ich diese Aussage nur mit einem wortlosen Schnauben und einem weiteren Kopfschütteln ab. Gar nichts wusste er. Vielleicht hatte ihn Sabin darüber in Kenntnis gesetzt, dass mich Agnolo eingesackt und ins Hotel verschleppt hatte, aber was dieser widerliche Bastard hinter geschlossenen Türen mit mir angestellt hatte... darüber traute ich mich bis heute nicht zu reden und bei dem Gedanken daran wurde mir auch gleich wieder ganz anders. Meine Augen wurden glasig und hätte ich mir zur Beruhigung nicht mit der freien Hand das Nasenbein massiert und mir dabei beiläufig über das Gesicht gewischt, hätten es die ein oder andere Träne mit Sicherheit ans Tageslicht geschafft. So schluckte ich jedoch nur den Kloß, der sich inzwischen in meinem Hals gebildet hatte hinunter und ein schwaches, ziemlich verzweifeltes Lächeln umspielte meine Lippen. "Sorry, dass sich meine gute Laune in Grenzen hält, wenn man tagein tagaus wie Vieh behandelt wird.", entschuldigte ich mich nur wenig ernst gemeint dafür, dass es mir einfach schwer viel, wieder zu mir selbst zu finden, wenn ich ständig nur überwacht wurde. Mochte ja sein, dass es für alle - inklusive mir selbst - das Beste war, mich weitestgehend von der Öffentlichkeit fernzuhalten, weil es dort einfach viel zu viele Möglichkeiten für mich gab, an Stoff zu kommen, aber... irgendwie befürchtete ich dennoch, dass ich mich unter dieser etwas abgespeckten Art von Isolation nicht unbedingt positiv entwickeln würde. Ganz im Gegenteil sogar. Man sah mir schließlich deutlich an, wie unzufrieden und labil ich war. Jeden Tag die gleichen Gesichter sehen zu müssen, ohne, dass man zwischendurch einmal mal rausgehen, sich ablenken konnte nagte schon an mir. Stück für Stück, aber auf kurz oder lang würde Sabin mich wohl einfach aufgeben, weil ich dann vielleicht nicht mehr drogenabhängig, dafür aber schwerst depressiv und akut selbstmordgefährdet war und er sicher nicht noch mehr seiner kostbaren Zeit aufopfern wollen würde, um mich auch aus diesem Loch wieder heraus zu ziehen. Dabei begrenzte sich die Hilfe des Italieners bereits bei dem Problem im Umgang mit Drogen darauf, dass er mir statt Crystal einfach irgendetwas anderes gab und der Rest, wenn es beispielsweise um die Unterhaltung ging, blieb nicht selten dann an Sydney kleben, wobei jene in letzter Zeit auch vermehrt arbeiten ging... Aber gut, momentan trat ich vielleicht ein wenig auf der Stelle, aber ich war nichtsdestotrotz ein realistischer Mensch. Zeitweise zumindest und so glaubte ich fest daran, dass ich irgendwann Fortschritte machen würde. Ob in die richtige oder doch dich vollkommen falsche Richtung - das würde sich dann heraus stellen. Um die Unliebsamen Gedanken an meine Zukunft abzuschütteln, konzentrierte ich mich kurze Zeit später dann auf Sams weiteren Worte, mit denen er mir zu erklären versuchte, dass ich nicht zwangsläufig die Exekutive sein musste, wenn es um unschöne Gräueltaten ging, womit er sich vermutlich auf Hunter bezog, der durch die Direktion seiner Männer überdurchschnittliche Tote auf seinem Konto anhäufte. Dahingehend konnte ich unsere kleine Heulsuse, die sich im selben Atemzug im Übrigen noch über meine indirekte Drohung beschwerte, allerdings beruhigen. Weder dirigierte ich Anhänger - die ich hier sowieso nicht hatte -, Menschen für mich umzubringen, noch tat ich das selbst. Mit einer Ausnahme, aber... na ja, verübeln konnte man mir das wohl nicht, oder? Agnolo hatte nach der Aktion einfach nichts anderes verdient, als mit seinem Leben dafür zu bezahlen, dass er mir meines mehr oder weniger weggenommen hatte. Darüber wollte ich jetzt allerdings nicht reden und nahm stattdessen das Handy an mich, welches mir kurzerhand bereits entsperrt angereicht wurde, was mir ziemlich deutlich signalisierte, dass Sam sich offensichtlich dazu entschieden hatte, mich ein wenig besser kennen zu lernen. Nicht, dass ich ihm jetzt an meinem gesamten Leben teilhaben lassen würde, aber das, was man online unter dem Namen Richard O'Lorean fand, war wohl absolut kein Geheimnis und zum Teil war ich sogar richtig stolz auf das, was da stand. Von den ganzen Verschwörungstheoretikern und Unwahrheiten über mich oder mein Leben mal ganz abgesehen. Jedenfalls sah ich den Italiener an meiner Seite noch kurz mit einer hochgezogenen Augenbraue an, bevor ich schließlich anfing, ein paar Schlagwörter in die Suchmaschine einzugeben. Mein Nachname reichte schon, um etliche Berichte über meine Eltern ans Tageslicht zu befördern und es brauchte dann doch noch meinen Vornamen, damit auch zwischendrin mal von mir die Rede war. Beiläufig fing ich wieder zu Reden an und kommentierte beispielsweise meinen Schulabschluss an einer der renommiertesten Universitäten im ganzen vereinigten Königreich. Daraufhin folgte das Studium mit dem Doktortitel, den ich auf einem Bild ganz stolz in die Kamera zeigte. Im Anschluss daran klaffte jedoch ein Loch von ein paar Jahren in den Berichten, bis ich schließlich irgendwann in Norwegen wieder auftauchte, dort an einer ebenfalls sehr hoch angesehenen Universität Oslos als Professor ernannt wurde und ab da finden dann die Kuriositäten an. Meine Galerie bestünde nur aus Fälschungen, andere Seiten wiederum berichteten über einen mehrere Millionen Kronen hohen Wert der Sammlung, aber mein Favorit blieb wohl auf Ewigkeiten, dass ich selbst derjenige war, der seine Galerie mit all den nahezu echt aussehenden Bildern bestückte, was streng genommen ja auch stimmte. Nur war ich nie dumm genug gewesen, mich erwischen zu lassen und dass sich darum eine Vielzahl von Menschen den Kopf zerbrach gefiel mir sehr. "Schau, ich mag zwar nicht so viel Muskelmasse oder auch nur ansatzweise so viele Waffen haben, wie das bei Sabin und Hunter der Fall ist, aber um Leuten auf der Nase herum zu tanzen und sich herzhaft mit einem Arsch voll Kronen auf Kosten anderer zu amüsieren, braucht es das auch gar nicht. Ah, aber... ich hab dir noch gar nicht das Beste gezeigt.", murmelte ich noch etwas leise vor mich hin, weil mich die Sache mit dem Mord an Agnolo noch kurzzeitig beschäftigte, aber als ich dann nach Apollo und Daphne suchte, fingen meine Hände bereits leicht an zu zittern. Natürlich zeigte das erste Resultat das, was man erwartete, wenn man nach Bildern der beiden suchte, aber ich fand auch schnell den Artikel, der weltweit wohl die meisten Schlagzeilen gemacht hatte, wenn es um den Unfall meiner Eltern ging. Nur einen kurzen, fast schon flüchtigen Moment warf ich einen Blick auf das Antlitz der entstellten Leichen, die in meinen Augen einem wahren Meisterwerk glichen, dann drückte ich Sam das Handy gänzlich in die Hand, konnte es mir einfach nicht länger angucken, weil ich sonst womöglich zu sabbern angefangen hätte. Nach mehr lechzen würde und das war gerade im aktuellen Augenblick denkbar ungünstig. Faktisch gesehen bezweifelte ich trotzdem, dass ich jemals dazu in der Lage war, jemanden - ohne besonderen Grund - einfach abzumurksen, aber ich musste schon sagen, dass es durchaus seinen Reiz hatte, traumhaft schöne Gemälde einfach mit echten, nicht mehr lebenden Menschen nachzustellen. Wie eben auch bei der Wanderung von vor mittlerweile gefühlt etlichen Jahren. Ich erinnerte mich noch genau daran, dass erst Mutter und dann Vater abgerutscht waren, weil sie wider besseren Wissens einen anderen Weg eingeschlagen hatten, als erlaubt war und die Missachtung der Regeln hatte sie buchstäblich das Leben gekostet. Vor meinem inneren Auge flackerte sofort die Erinnerung an jenen Tag auf, als ich über den Felsvorsprung hinweg zu meinen Eltern, deren Knochen auf so unterschiedliche Art und Weise gebrochen waren, hinab blickte. Was dann passiert war... daran konnte ich mich leider nicht mehr erinnern, war ich doch wie in Trance gewesen, als ich mich vorsichtig zu den beiden hinunter gearbeitet und mich dann um die leblosen Körper gekümmert hatte. Anders, als das vermutlich jeder andere Sohn getan hätte, aber auch wenn sie nie wirklich für mich dagewesen waren, liebte ich meine Eltern und wollte ihnen damit die letzte Ehre erweisen. Dass ich direkt des Mordes bezichtigt und aus meinem Heimatland vertrieben wurde, konnte ich zu dem Zeitpunkt ja nicht ahnen, aber gut...
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Auch wieder wahr. Wirklich viel Entscheidungsfreiraum hatte der Dunkelhaarige momentan wohl nicht - eher gar keinen, so wie ich Sabins Gewissenhaftigkeit einschätzte - und das war sicher auch nicht förderlich für seinen Gemütszustand. Andererseits war es vermutlich auch schwer ihm sowas wie Freiraum zu gewähren, wenn er bei der erstbesten Möglichkeit vermutlich auf und davon wäre, um sich die nächste Nadel in den noch immer geschundenen Arm zu jagen. War also alles nicht so einfach und irgendwie beides kontraproduktiv. Ein Mittelweg war da schwierig zu finden. "Ja, ich kann schon verstehen, dass das... auch nicht gerade ideal ist.", gestand ich dem jungen Mann was das anging also durchaus mein Verständnis zu, weil er damit schlichtweg Recht hatte. Aber wenn er bald mal etwas weniger leicht aus der Haut fuhr, etwas ruhiger war, dann ließ Sabin uns bestimmt auch mal ohne die blöden Handschellen alleine. War nur die Frage, was wir dann machten. Rausgehen wäre für Richards Kopf sicher ziemlich gut und soweit ich wusste war er bisher noch kein bisschen in Havanna oder auf Kuba allgemein herumgekommen, seit er mit den anderen hier aufgeschlagen war. Es gab doch einiges in der Landeshauptstadt zu sehen, wenn man Sightseeing mochte. Es gab meines Wissens nach auch mehrere Museen und bestimmt befasste sich mindestens eines davon ausschließlich oder zumindest fast nur mit Kunst. Wäre sicher was für den werten Herren hier, der sich damit doch augenscheinlich allzu gern den lieben, langen Tag beschäftigen konnte. Das machte auch all das, was er mir im Folgenden zeigte und schilderte, ziemlich deutlich. Man schlug sicher nur dann eine Karriere in Richtung Kunst ein, wenn man wirklich einen starken Draht dazu hatte. Ich hörte Richard aufmerksam zu, warf auch immer mal wieder einen Blick aufs Display meines Telefons, wenn er es in meine Richtung hielt. Mal ganz davon abgesehen, dass man für einen Doktortitel sicherlich viel Arbeit investieren musste, war auch das Fälschen von Gemälden alles andere als einfach. War bestimmt ein riesiger Aufwand, musste dabei doch auf jedes noch so winzige Detail geachtet werden und Papiere brauchte man für solche sicherlich auch. Gefälschte eben. Dass er deshalb auf einem Haufen Schotter sitzen musste zweifelte ich kein bisschen an. Man brauchte sich nicht viel mit Kunst befassen, um zu wissen, dass seltene Kunstwerke gerne mal Millionen schwer waren. Geldsorgen hatte er also vermutlich eher keine. "Schon beeindruckend..", stellte ich leise vor mich hin gemurmelt fest, als er noch einmal kurzzeitig in mein Handy vertieft war. Scheinbar nach einem weiteren Artikel suchte, der kurz darauf auch gefunden war. Also nahm ich mein Smartphone endgültig wieder entgegen und warf dann einen Blick auf das... Bild. Ich wünschte wirklich, es wäre einfach nur ein weiteres, normales Gemälde gewesen, dass Richard irgendwann mal reproduziert hatte. Aber nichts da. Wieso auch? Wäre ja zu normal. Hätte ihn dann ja auch weiterhin als weniger gestörten Menschen vor meinen Augen auftauchen lassen, als den Rest dieser verdammten Sippschaft. Ich konnte mir das Bild nicht einmal lang ansehen und meine Augen hatten sich schlagartig geweitet, als ich realisierte, was ich da sah, obwohl ich sie wohl lieber zusammengekniffen hätte. Ich scrollte also schleunigst weiter und widmete mich lieber dem Text, der darunter zu finden war. Ich wollte das Bild nur ungern fehlinterpretieren, obwohl ich mir wirklich gewünscht hatte, dass ich mit meiner Annahme falsch war. Nur war das nicht so. Das waren tote Menschen. Genutzt für irgendeine in meinen Augen abartige Form von Kunst. Aber das war ja noch nicht einmal das schlimmste daran - es waren seine Eltern, gottverdammt. Wenn ich seiner vorherigen Aussage trauen konnte, dann hatte er sie nicht umgebracht, was angesichts der Tatsache, dass die Todesursache wohl nachweislich ein Sturz von der Klippe gewesen war, nicht mal so abwegig war... aber ob das hier so viel besser als Mord war? Ich konnte nicht anders als ein Stück weiter von Richard wegzurücken und dann das Hand mit leicht zitternden Fingern auf das frei gewordene Polster fallen zu lassen. "Was zum Teufel stimmt eigentlich nicht mit euch... findest du echt, dass das Entstellen von Toten so viel besser ist als Mord selbst?!", stellte ich ihm eine absolut rhetorische Frage, wobei meine Stimme dann doch auch wieder ein bisschen dünner war und ich ihn meinen Worten entsprechend absolut fassungslos ansah. In meinen Augen unterschied er sich damit gar nicht mehr so weit von Hunter und Sabin, was den Knacks in der Birne anging, wo gerade der Amerikaner doch auch ganz gerne mal seine Mordopfer mit Symbolen verzierte, damit man wusste, mit wem sie sich angelegt hatten. Natürlich war das nicht das Gleiche und er killte sie eben auch vorher, aber sich eine halbe Ewigkeit damit zu befassen Leichen zu Kunst zu machen war nicht weniger als absolut krank. Richard hatte es also ziemlich erfolgreich geschafft mich in ein weiteres Bild mit sehr tiefem Abgrund zu schubsen. Ich sah schon vor meinem Inneren Auge, wie ich davon träumte, dass Hunter mich killte und der Freak hier neben mir danach irgendwas auf total eklige Art und Weise künstlerisches mit meinem Körper anstellte. Ich würde aus dieser Achterbahnfahrt, in die ich unfreiwillig reingedrängt wurde, langsam echt gern wieder aussteigen. Oder einfach springen. Vielleicht war der Tod - fernab von Richard - doch ab einem gewissen Zeitpunkt die beste Option.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es dauerte gar nicht lange, bis Samuele mich aus entsetzten Augen ansah, was mich ein zufriedenes Lächeln aufsetzen ließ. Wie ich bereits vermutet hatte, reichte ein Schock schon vollkommen aus, um den jungen Mann hier neben mir aus der Bahn zu werfen und sich ein Stück weit von mir entfernen zu lassen. So weit, wie das mit den Handschellen eben möglich war, aber zwischen uns klaffte nun doch eine etwas mehr als eine Armlänge breite Lücke, hatten wir doch bei den mehr oder weniger normalen Artikeln relativ nah beieinander gesessen. Wo ich ihn mit meinem Doktortitel und der Auszeichnung als Professor noch beeindruckt hatte, schien ich das Bild eines zumindest ansatzweise vernünftigen Menschen wieder gänzlich aus dem Hirn des Italiener radiert zu haben. Zumindest ließ seine Reaktion darauf schließen, der sich außerdem entnehmen ließ, dass er ganz offensichtlich wirklich noch nie auch nur ansatzweise auf der richtig schiefen Bahn gelebt hatte. Es war natürlich gut möglich, dass auch Samuele so seine Vergangenheit hatte - was wusste ich schon -, aber es machte mir doch stark den Anschein, als hätte er in eben jener weniger mit toten Menschen zutun gehabt. Ich seufzte auf seine rhetorische, hörbar entsetzte Frage also nur leise, wobei sich das Lächeln von meinen Lippen nicht verabschieden wollte. "Enstellt? Entstellt wurden sie durch den Sturz. Das, was ich mit ihnen gemacht habe, erzählt allen anderen bloß ihre Geschichte.", antwortete ich ungeachtet dessen, dass er darauf vermutlich gar keine Antwort hätte haben wollen, aber er konnte nicht einfach behaupten, dass ich hier Menschen - tot, wie auch lebendig - entstellte, wenn das doch nur wieder einer der Unwahrheiten war, über die ich mich so ärgerte. In meinen Augen hatte ich da ein wahrlich gutes Bild geschaffen und es war wirklich schade, dass sehr viele Menschen leider so tickten, wie auch hier Italiener neben mir. Mich für meine Arbeit verachteten, obwohl ich niemanden Unrecht getan hatte. Immerhin war es nicht meine Schuld gewesen, dass Mutter und Vater abgestürzt waren und mich hatte ihr Tod genau so getroffen, wie alle anderen dazu mal, war die Anteilnahme am Ableben der beiden doch unbeschreiblich hoch gewesen. Aber kaum einer der damaligen Ermittler hatte sich damals mit dem Hintergrund zu diesem Bild befasst und für alle - so auch für Sammy - war ich einfach nur ein kranker Psychopath mit hohem Bildungsstand. Dass ich nur das Ende ihrer Geschichte verbildlicht hatte, schien niemanden so wirklich zu interessieren. Ein, zwei Kunstkenner vielleicht, aber ansonsten... "Aber ich erwarte nicht, dass du das verstehst. Enttäuscht wäre ich nur, wenn du einer meiner Kunststudenten wärst. Von denen erwarte ich nämlich, dass sie sich ein Bild erst genauer angucken, bevor sie urteilen. Du hast dir ja noch nicht einmal die Mühe gemacht, dem Kunstwerk ein Hauch von Beachtung zu schenken und bist direkt im Text versunken. Schande...", grummelte ich ein Stück weit unzufrieden vor mich hin, weil er mich damit wieder einmal an die Studenten aus dem ersten Semester erinnerte, die sich kaum Zeit nahmen, ein Bild zu analysieren. Und damit meinte ich nicht, sich bloß die Farben und Formen anzusehen, sondern sich auch Gedanken darüber zu machen, was der Künstler einst ausdrücken wollte. Ja, die Farbe blau war blau und sie wirkt oft kalt, schon klar. Aber es ging mir viel eher um die Positionierung einzelner Elemente und... ach, was auch immer. Ich schweifte ab und würde mich ja doch nur wieder in Gedanken verlieren, die zum jetzigen Zeitpunkt einfach unangemessen gewesen wären, also schüttelte ich leicht mit dem Kopf. Das Lächeln war verblasst und meine Augenbrauen zogen sich wieder ein wenig zusammen. "Kennst du die Geschichte von Apollo und Daphne, Sammy?", fragte ich ihn gerade heraus, obwohl ich meinen Blick schon längst wieder von ihm abgewendet und auf meine Hände gerichtet hatte. "Meine Eltern... waren wie die beiden. Ich habe mir das Bild nicht willkürlich ausgesucht, es sollte so sein, verstehst du?", dieses Mal äußerte ich eine vermutlich rein rhetorische Frage, bezweifelte ich doch stark, dass ich in Samuele einen Freund meiner Kunst finden würde. Nichtsdestotrotz wollte ich - auch wenn ich mein Ziel, dass er mich nun auch etwas ernster nahm, bereits erreicht hatte -, dass er verstand, dass diese Art von Kunst keine Entstellung von leblosen Körpern war und ich es jederzeit wieder machen würde, wenn sich mir die Möglichkeit dazu ergab. Leider klappte das nur mit Menschen, denen ich verhältnismäßig nah stand, denn wahllos ein Bild nachzustellen machte überhaupt kein Sinn. Man musste schon wissen, wie die jeweiligen Elemente des Kunstwerkes gelebt hatten und welche Geschichte sie erzählen sollten.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Das war also sein Ernst, ja? Richard schien ernsthaft zu glauben, dass es mich interessieren sollte, was er sich denn bei dieser ganze Sache gedacht hatte. Ich ihn vermutlich sogar verstehen würde, wenn ich erst einmal wusste, was der Hintergrund zu dem verstörenden Bild war. Nur fehlte er damit sehr weit. Hatte quasi nicht nur außerhalb der Zielscheibe aufs Brett daneben getroffen, sondern gleich mit viel zu viel Schwung darüber hinweg geworfen. Ich wollte mir nicht einmal die Mühe machen, irgendwas von Alledem zu verstehen. Es ging mir am Arsch vorbei, wer denn nun Apollo und Daphne genau waren und welchen Bezug das zu seinen Eltern hatte. Ich würde auch stark zu bezweifeln wagen, dass die beiden selbst das gutgeheißen hätten... aber was wusste ich schon. Vielleicht waren seine Wurzeln ja genauso rettungslos bekloppt in der Birne und hatten ihm aus dem Jenseits heraus dafür applaudiert, weil sie hellauf begeistert davon waren. Irgendwas musste ja bei dem Kerl falsch gelaufen sein und vielleicht war es einfach nur die Erziehung. Würde mich für meinen Teil zumindest kein Stück wundern. "Nein, kenn' ich nicht und es interessiert mich auch nicht.", zischte ich zu ihm rüber, weil ich weiß Gott nicht noch mehr über diese Tragödie wissen wollte. Ich war ein normaler, empathisch denkender, gewissermaßen liebevoller und fürsorglicher Mensch - noch dazu einer, der sich für Kunst bisher schlichtweg nicht interessierte. Richard könnte mir hier vermutlich die ganze Welt erzählen und ich würde alledem trotzdem nicht auch nur einen Hauch von Positivem abgewinnen können. Nichts davon sollte so sein, daran gab es bei mir nichts zu rütteln. Meiner Meinung nach war die großflächige Brandnarbe - sah zumindest nach einer aus, die waren optisch doch eigentlich alle ziemlich ähnlich - ganz einfach das Karma für diese Scheiße gewesen. Oder auch für Irgendwas anderes, das er verbockt hatte. Aber gerade kam ich wohl an einem Punkt an, an dem ich dafür kein Mitleid mehr aufbrachte. "Weder das, noch irgendwelche anderen Details. Du machst es damit nur schlimmer und darauf kann ich liebend gern verzichten.", verdeutliche ich dem Engländer noch einmal, dass er um Himmels Willen davon absehen sollte, mir meine kommenden Alpträume noch weiter zu versüßen. "Ich bin ein normaler Mensch. Weder morde ich, noch sehe ich mir regelmäßig Bilder von Leichen an. Egal ob Kunst oder nicht. Das illegalste, was ich jemals gemacht habe, war mir Drogen einzuwerfen und dabei hätte es ursprünglich auch bleiben sollen. Ich will mit nichts, aber auch wirklich gar nichts von einem von euch zu tun haben... außer den Drogen im Kaffee meines Chefs natürlich, was früher oder später bestimmt sowieso auffliegt, also verschon' mich mit diesem Scheiß. Die Vorstellung davon irgendwann im Knast vergewaltigt zu werden reicht mir, ich bin bedient.", wies ich ihn dahingehend ziemlich eindeutig in die Schranken und fuchtelte dabei etwas wild mit der freien Hand herum. Über normale Kunst reden? Von mir aus, solange ich mich nicht hochgradig produktiv dazu äußern musste, weil ich das nun mal einfach mangels Wissen nicht konnte. Aber ich wollte kein Sterbenswörtchen mehr über seine Eltern verlieren. Nie. Es reichte schon, dass ich dieses Bild jetzt nie wieder aus meinem Schädel kriegen würde. Vielleicht würde es mich auch einfach beruhigen, wenn ich mal mehr Wissen über die persönliche kleine Mafia des Amerikaners, allgemein über das ganze Unterfangen kriegen würde und nicht mit absolut jedem Mist im Dunkeln gelassen wurde. Wenn ich wüsste, wie gut sie zusammen eigentlich aufgestellt waren und ob ich überhaupt was zu befürchten hatte, wenn die Cops uns deswegen irgendwann mal am Hals hingen, wäre schon vollkommen ausreichend. Ich meine, es wäre an sich vermutlich nicht besonders schwierig mich aus der Zelle eines der eher schlecht aufgestellten Polizeireviere zu kriegen, wenn man nur mit genug Waffen da reinmarschierte, aber die Frage war eben grundlegend erst einmal, ob ich überhaupt mit dem Hals aus der Schlinge gezogen werden oder einfach verrotten würde. Womöglich behielten sie alles, was ich nicht wissen musste, ganz einfach deswegen für sich, damit ich nicht leichtsinnig wurde oder die Sache auf die leichte Schulter nahm, sollten sie mich im Ernstfall wirklich wieder da rausholen, aber ich würde mich echt besser damit fühlen. Außerdem würde es mir die Angst vor Hunter ganz sicher nicht nehmen und plaudern würde ich auch nicht. Wem sollte ich sowas denn erzählen? Ich wäre einfach nur froh darüber, wenn niemals auch nur eine einzige Menschenseele in meinem Umfeld mitbekommen würde, was ich zukünftig für Spielchen mitspielen musste.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Bis zum heutigen Tag war ich davon ausgegangen, dass meine Wenigkeit die einzige war, welche bei weniger durchdachten Vorhaben des Suicide Squads den Teufel an die Wand malte, aber Samuele sprengte dahingehend wirklich sämtliche Rahmen. Er tat ja gerade so, als hätte ich seine Familie mitsamt Freundeskreis auf bestialische Art und Weise abgeschlachtet, was mich genervt mit den Augen rollen ließ. Schön und gut, dass er ein normal denkender, nicht mordender Mensch war und nie so wirklich mit Kriminellen zutun hatte, aber jetzt war das nun mal anders. Sam hatte sich eigens in die ganze Scheiße hinein manövriert und sollte sich langsam aber sicher damit anfreunden, die beschissenen Konsequenzen seines Handels zu tragen. Dass er dadurch auch ein Stück weit Einblick in die kranken Köpfe der Mitglieder bekommen würde, war wohl unabdingbar und im Vergleich zu dem, was Sabin und Hunter bereits alles angestellt hatten, war der Antlitz meiner leblosen Eltern ein schlechter Scherz. Immerhin hatte ich sie nicht mit einer Brandmarke versehen oder versucht, sie in Säure aufzulösen oder so. Also sollte Sammy mal locker und entspannt durch die Hose atmen. Leider schien ihm danach nur so gar nicht der Sinn zu stehen und er echauffierte sich noch eine ganze Weile darüber, dass er mit uns - also unserer eigenen, kleinen Mafia - nicht mehr zutun haben wollte, als das ohnehin schon der Fall war. Dann bat er mich noch darum, auf weitere Details zu verzichten, die seine Alpträume zusätzlich füttern würden und teilte mir am Ende auch noch mit, dass er schon jetzt ziemliche Angst davor hatte, im kubanischen Knast das Bückstück spielen zu müssen. Ob diese Sorge begründet war, wusste ich natürlich nicht, weil ich schlicht und ergreifend auf einvernehmlichen Sex stand und nicht wusste, nach welchem Beuteschema sich Triebtäter ihre Opfer aussuchten, aber rein optisch hätte ich den jungen Mann hier zu meiner Linken sicher auch nicht von der Bettkante gestoßen. Das nur mal so nebenbei erwähnt. Jedoch war er in meinen Augen eine ziemliche Memme, was einerseits natürlich... nachvollziehbar war, wenn man aus seiner heilen Welt so abrupt herausgerissen wurde, aber auf der anderen Seite konnte er ja wenigstens versuchen, sich mit der ganzen Scheiße hier zu arrangieren. Versuchte ich immerhin auch, so mehr oder weniger zumindest. "Mein Gott, hörst du dich eigentlich reden?", fragte ich mit nach oben gezogener Augenbraue, als mein Blick wieder den seinen suchte. "Ich dachte immer, dass ich derjenige sei, der alles schwarz sehen würde, aber den Posten muss ich wohl für dich räumen." Mit der freien Hand fing ich an, mir wieder das Nasenbein zu massieren, weil ich nicht damit gerechnet hatte, ein solches Gefühlschaos seitens Sam loszutreten, indem ich ihm mein Meisterwerk zeigte. Jetzt mochte er vor mir vielleicht den erwünschten Respekt haben, hing mir nun allerdings wie ein weinendes Baby in den Ohren, wo sich mir doch momentan keine Möglichkeit bot, dem Geflenne aus dem Weg zu gehen. "Gut, schön. Du magst meine Kunst also nicht. Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters, das verstehe ich schon, aber wenn du mir erzählst, dass es nicht besser wird, immer nur das Negative in manchen Dingen des Lebens zu sehen, dann solltest du das auch nicht tun. Du solltest dich endlich mit dem Gedanken anfreunden, dass du aus diesem beschissenen Teufelskreis nie wieder herauskommen wirst und ich weiß, wovon ich rede, Samuele. Leg' dir also am besten schon mal einen dicken Pelz zu und wenn du nicht besonders scharf darauf bist, dir von irgendwelchen Knastis das Arschloch penetrieren zu lassen, solltest du auch nicht den Anschein erwecken, dass man es mit dir ja machen kann, okay?", fauchte ich nur so zurück und zwang ihn mit einem ziemlich unsanften Ruck an den Handschellen dazu, wieder ein wenig zu mir aufzuschließen.
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Es ließ sich wohl nicht vermeiden, dass mein Blick sich stetig weiter verfinsterte, je länger Richard redete. War mir schon klar, dass man mit einem kranken Schädel wie seinem einfach mal eben so drüber hinwegsehen konnte, dass man von Mord und Totschlag umringt war, aber ich wollte das einfach nicht. Wieso sollte ich auch scharf darauf sein? Es gab schlichtweg nichts Gutes daran. Ich war normalerweise nicht einmal wirklich leicht reizbar, es brauchte einiges um mich an die Decke zu befördern - andererseits wäre ich in einem Café, in dem ich auch immer mal wieder Kontakt zu eher ziemlich lästigen Kunden hatte, absolut fehl am Platz. Aber erstens hatte der Dunkelhaarige dafür wohl ein Händchen und zweitens stand ich inzwischen seit Wochen permanent total unter Strom. Das Gespräch hier machte das gerade auch eher nicht besser, wo ich doch nur allzu gut wusste, dass Sabin mir den Idioten womöglich noch wesentlich öfter ans Handgelenk ketten würde. Hätte Richard diesen ekligen Teil seiner selbst nicht einfach weglassen können? Mochte ja sein, dass das irgendwie ein einprägendes Erlebnis für ihn gewesen war und das Ganze sein Leben doch ziemlich gezeichnet hatte, aber sowas wie Taktgefühl war für Verbrecher und Leichenschänder wohl ganz allgemein ausverkauft. Ich wusste selbst, dass ich mich mit dem Gedanken an die ganze Scheiße langsam mal anfreunden sollte, aber das sagte sich ziemlich leicht, wenn man das Alles gewohnt war. Er hatte sich schließlich freiwillig für diesen Weg entschieden, ich nicht. Es wäre auch ganz einfach nicht notwendig, mich in all das einzubinden, weil ich so oder so niemals ein Sterbenswörtchen über die Gruppe verloren hätte. Wie gesagt - mir lag noch was an meinem Leben und ich hatte selbst keinerlei Interesse daran, der italienischen Mafia wieder eine Spur zu Sabin zu geben. Eher ganz im Gegenteil. Ich wollte einfach nur meine Ruhe haben, war das so schwer zu verstehen? Dass der junge Mann mich jetzt auch noch einfach so wieder zu sich hinzog ließ ihn mich zuerst kurzzeitig entsetzt, dann aber ziemlich biestig ansehen und erneut ein Stück wegrücken. Was wollte er damit denn bitte bezwecken? Auf Druck oder Zwang greagierten die wenigsten Menschen positiv. "Wie zum Teufel soll ich das denn, wenn ich nicht einmal weiß, was überhaupt wirklich auf mich zukommt?!", murrte ich zurück, funkelte ihn ziemlich angepisst an. Ich hätte nicht einmal sagen können, wann mich zuletzt mal Jemand so gereizt hatte wie er. War ja kein Wundern, dass mein Landsmann keinen Bock mehr auf ihn hatte, wenn er permanent so provokant nervtötend war. "Es wäre echt wesentlich einfacher, wenn ich sowas wie einen Einblick in... eure Dimension von Verbrechen hätte, damit ich mich auch nur ansatzweise auf irgendwas einstellen könnte.", grummelte ich weiter vor mich hin, weil das wohl mein Hauptproblem an der ganzen Sache war. Also wenn man von Mord, Folter und anderen Dingen in dieser Richtung mal absah natürlich. Aber ich war einfach Jemand, der Strukturen brauchte, um zu funktionieren und sich wohlzufühlen. Diese ständige spontane Aufkreuzen von Sabin - ob mit oder ohne Anhängsel war in der Hinsicht dann auch relativ egal - machte es auch nicht unbedingt besser, war es in meinen Augen doch wirklich nicht zu viel verlangt, mal kurz durchzuklingeln oder zumindest eine Nachricht zu hinterlassen. Ich wusste einfach gern, worauf ich mich einstellen musste und so spontanes Eindringen in meine Privatsphäre war echt nicht förderlich. Auch langfristig nicht, aber ich durfte was das anging wohl kaum Wünsche oder Ansprüche stellen. Sonst endete ich noch wie Richard mit einer Narbe im Gesicht, worauf ich echt gut verzichten konnte. "Außerdem brauchst du mir nun wirklich nichts von einem dicken Pelz erzählen, wo du doch selber die ganze Zeit in Selbstmitleid versinkst und deinen Drogen nachheulst.", fügte ich ein paar leise, eher nur an mich selbst gerichtete Worte hinzu, als ich den Blick von ihm abwendete und stattdessen wieder nach vorne sah, wo nach wie vor der Fernseher vor sich hin plapperte, zwischenzeitlich aber vollkommen in den Hintergrund gerückt war.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich wünschte mir gerade wirklich nichts sehnlicher, als einfach aufzustehen und zu gehen - vielleicht auch eine Nadel zu setzen -, weil mir die ganze Sache hier schlichtweg wirklich zu blöd wurde. Ja, ich hatte mich nach ein wenig Unterhaltung gesehnt und wäre auch mit einem Streit vollkommen zufrieden gewesen, aber ich hatte nun wirklich keine Nerven dafür übrig, jemanden zu erklären, wie das Leben im Untergrund funktionierte. Ich war ja selbst momentan noch dabei, mich dahingehend erst einmal wieder neu zu sortieren, da konnte ich mich nicht auch noch um jemand kümmern, der damit noch überhaupt nicht in Berührung gekommen war. Ich wischte mir also ein weiteres Mal entnervt mit der freien Hand über das Gesicht, als Samuele sich von mir wieder abrückend darüber beschwerte, dass er ohne ausreichend Informationen bezüglich unserer kleinen Sippschaft wohl nie auf einen grünen Zweig kommen würde, was das ganze illegale Handeln anging - Bullshit, wenn man mich fragte. "Wenn du noch nicht einmal weißt, was auf dich zukommt, würde ich persönlich damit anfangen, nicht alles von Anfang an derart negativ zu sehen.", beantwortete seine erste, vermutlich eher rhetorische Frage und unterstrich die Worte mit einem abfälligen Schnauben. Manchmal war es einfach besser, gar nicht erst so viel darüber nachzudenken und das Ganze auf sich zukommen zu lassen. Aus eigener Erfahrung konnte ich sagen, dass es sich einfacher anhörte, als es das eigentlich war, aber in der Hinsicht hatte er einfach kaum eine andere Wahl, wenn er nicht daran kaputt gehen wollte. So, wie Sam aktuell drauf war, würde er daran noch zerbrechen, bevor er überhaupt ein nennenswerter Teil unseres Clans war. Natürlich könnte er es auch genau darauf anlegen, damit Sabin ihn vielleicht kurzerhand doch noch irgendwie aus dem ganzen Mist hier raus hielt, aber vermutlich würde Sam das... nicht lebend überstehen. War aber auch nur eine Vermutung, ich konnte mich selbstredend auch täuschen. Was dann die Sache mit unseren Dimensionen von Verbrechen anging, konnte ich ja dann doch nicht anders, als kurzzeitig amüsiert aufzulachen. Dabei sah ich ihn aus funkelnden Augen an, die Augenbrauen waren auch meinerseits tief ins Gesicht gezogen. "Was genau willst du denn wissen? Du scheißt dich ja schon ein, wenn du ein paar friedlich im Baum hängende Tote siehst und willst dann trotzdem noch mehr über uns erfahren?", verstand ich nicht, ehrlich nicht und mein fragender Gesichtsausdruck machte das wohl auch ziemlich deutlich. Auch konnte ich absolut nicht nachvollziehen, wie es ihm dabei helfen sollte, besser mit der Furcht vor der Kriminalität umzugehen. Es war nämlich eigentlich offensichtlich, womit er zu rechnen hatte. Mord, Totschlag, entstellte Menschen, laute Diskussionen... sollte ich etwa ins Detail gehen? Besser nicht, hinterher lag mir der junge Mann noch weinend in den Armen, weil er sich solche Sorgen machte, dass das auch alles irgendwann auf ihn zukommen würde. Dabei musste das nicht zwangsläufig sein. Schließlich war ich bis jetzt auch ohne viel Gewalt und mit nur einem - absolut begründeten - Mord am Leben, warum musste es bei ihm dann anders an? Ich konnte und wollte momentan wohl einfach nicht aus dem Italiener schlau werden, fühlte mich nur ein weiteres Mal darin bestätigt, dass ich mit Menschen dieser Nationalität einfach nichts mehr zutun haben wollte. Auch meine Sympathie gegenüber Sabin hielt sich momentan stark in Grenzen, aber weil wir uns doch nun schon eine ganze Weile kannten, ging ich fest davon aus, dass sich diese zumindest wieder erholen würde und am Ende wäre ich ihm womöglich wirklich dankbar, dass er mich aus diesem Loch gezogen hatte. Bis dahin hieß es jedoch, mich mit dieser beschissenen Situation hier an Samuele gekettet anzufreunden, auch wenn ich dem wirklich nichts abgewinnen konnte. Er nervte mich und traf mich mit seinen Worten an verwundeten Stellen, die noch nicht gänzlich abgeheilt waren. Wie beispielsweise bei der Geschichte rund um die Drogen. Ich sah Sam auf diese Aussage hin wohl einen Moment lang ziemlich ausdruckslos an, dann drehte ich mich ihm mit meinem Oberkörper ein Stück entgegen, um die mittlerweile nur noch halbe Armlänge, die zwischen uns lag, mit der freien Hand zu überwinden, um dem jungen Mann meine Hand um den Hals zu legen. Ich drückte nicht zu, machte auch sonst keine Anstalten, ihn ernsthaft verletzen zu wollen, aber ich wollte gerne etwas ausprobieren. Etwas, das auch für mich ziemlich neu war, denn ich hatte noch nie so wirklich bewusst dazu angesetzt, jemanden unter Druck setzen zu wollen, nur um zu sehen, wie er darauf reagierte, aber vor dem Hintergrund, dass er mich mit seinen Worten gerade wahrlich reizte, fiel es mir auch gar nicht mehr so schwer. Dabei hatte er grundlegend Recht und ich sollte diesbezüglich wohl nicht allzu große Töne spucken. "Mach's einfach besser als ich, anstatt mich auf meine Schwächen anzusprechen.", knurrte ich ihn an und räumte ihm damit mehr oder weniger die Richtigkeit seiner Worte ein. Schmeckte mir nicht besonders gut, aber na ja...
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Das sagte sich natürlich sehr leicht, wenn man selbst schon bis zum Hals in diesen Mist verwickelt war. War ja schön für Richard, dass er seine Seele gerne verkauft, aber auf mich traf das ganz einfach nicht zu. Ich hatte mich nicht aus Italien verzogen nur um jetzt in die nächstbeste andere Mafia einzusteigen, der ich mehr oder weniger versehentlich über den Weg lief. Freiheit war ein hohes und von mir einfach unfassbar wertgeschätztes Gut - weil ich meine komplette Jugend verschanzt Zuhause hatte verbringen müssen -, das mir damit mehr oder weniger komplett ausgeschlagen wurde. Zwar war es kein großes Geheimnis, dass man für gewöhnlich mit guter Karrierelaufbahn bei kriminellen Organisationen durchaus ab einem gewissen Punkt ein sehr viel besseres Leben mit deutlich mehr Freiheiten führen konnte, aber das wollte ich nicht. Mit höherem Amt kamen schlichtweg auch mehr schlimme Taten und es lag mir fern mich so sehr mit dem Gedanken anzufreunden, dass der Tod anderer mir irgendwann am Arsch vorbeiging. Ich wollte so nicht sein und nicht die Karriereleiter der Mafia hochkriechen wie ein unterdrückter, räudiger Köter, der sonst keinen anderen Ausweg sah. "Ich will nicht wissen wie vielen Leuten ihr auf welche Art und Weise die Köpfe abschlagt oder sonst irgendwas in der Richtung... ich wüsste einfach nur gern, wie weit der ganze Mist reicht. Ich glaube kaum, dass Hunter sich von euren Drogen mitfinanzieren lässt und ich hasse es einfach, wenn ich etwas nicht... nicht einschätzen kann. Also von euer aller Dachschaden halt mal abgesehen, der ist ja ziemlich offensichtlich.", definierte ich meine vorherige Aussage etwas genauer und grummelte das Ganze noch immer reichlich unzufrieden und genervt klingend vor mich hin. Es war aber auch einfach schwer wieder runterzukommen, wenn der Vollpfosten neben mir mich kein Stück ernst nahm. Andererseits war das wohl kaum verwunderlich angesichts der Tatsache, dass ich für seine Verhältnisse eben so empfindlich auf das reagierte, was zur Zeit um mich herum passierte. Ich nahm mir deshalb hier und jetzt vor Sabin das nächste Mal, wenn wir uns unter vier Augen sahen und er gute Laune mitbrachte, die eine oder andere Sache zu fragen. Nicht um etwas zu erbitten oder darauf zu plädieren, dass er mir Dinge erzählte, die mich in seinen Augen nichts angingen. Ich wusste ja, dass weder Hunter, noch der Italiener dazu neigten mehr als nur das unbedingt Notwendige an mich - oder auch sonst wen in den unteren Rängen - weiterzugeben. Etwas anderes, als das so zu akzeptieren, blieb mir wohl auch gar nicht übrig, solange ich mir nicht einmal den Hauch von Vertrauen bei einem der beiden erarbeitet hatte... na toll. War ich jetzt wirklich schon so weit, dass ich doch ernsthaft darüber nachdachte mir Vertrauen bei Schwerverbrecher zu erschleichen? Wirklich gut, Samuele. Mach ruhig weiter so und schlitter geradewegs in dein kriminelles Verderben, aufhalten wird dich dabei bestimmt keiner. Mit der noch folgenden Aktion des Dunkelhaarigen hatte ich jedoch nicht einmal ansatzweise gerechnet. Weder damit, noch mit sonst irgendwelchen Handgreiflichkeiten seinerseits. Schließlich war ich mir - trotz der entstellten Leichen seiner Eltern - sicher damit gewesen, dass das nicht seine Art war. Gerade nach der kleinen Ausführung seiner Karriere an den Universitäten war ich vermehrt davon ausgegangen, dass er normalerweise dazu tendierte sich seinen Vorteil mit einem klugen Kopf und nicht stumpf mit seinen Händen zu erarbeiten. Bei Typen wie Sabin würde er da auch einfach ausnahmslos den gnadenlos kürzeren ziehen und auf die Schnauze fliegen. Und bei mir? Ein paar wenige Sekunden lang saß der Schock über die ungewollte Hand an meinem Hals ziemlich tief und ich schluckte, während er noch ein paar Worte anfügte. Es gab ja durchaus andere Situationen, in denen eine Hand am Hals nicht verkehrt war - egal ob Mann oder Frau. Hier und jetzt machte mir das aber eine Scheißangst, dazu musste er noch nicht einmal ernsthaften Druck ausüben. Es reichte vollkommen aus, dass es eben Richard war und er mich an einer eindeutig empfindlichen Körperstelle berührte. Ich wusste nicht viel über ihn. Außer, dass er Kunst liebte und die auch an Leichen auslebte, wenn sich ihm eine brauchbare Gelegenheit dafür bot. Da war dieser Handgriff mehr als ein bisschen zu viel des Guten. Es war demnach nicht weniger als ein aus Angst hervorgerufener Reflex, der mich meine eigene, freie Hand anheben, die Finger zur Faust ballen und auf sein Gesicht zielen ließ. Naja, so mehr oder weniger eben, weil ich einfach noch so gut wie nie einen Schlag auf eine Person angesetzt hatte und vor allem noch nie aufs Gesicht. Dementsprechend konnte man von Zielen eigentlich nicht wirklich reden, aber ich traf eben trotzdem. Die Nase, was auch der vom Widerstand des Nasenbeins hervorgerufene Schmerz in meinem mittleren Fingerknöchel ziemlich deutlich machte. Ich zog meine Hand wohl ebenso schnell zu mir zurück, wie ich sie nach vorne hatte schnellen lassen. Schob mich sofort wieder so weit wie möglich auf dem Sitzpolster von dem Idioten weg, dessen Hand sich bei meinem Schlag automatisch gelöst hatte. Sah dabei wohl noch perplexer aus als vorher, weil ich das eigentlich nicht wirklich gewollt hatte. Es lag mir absolut fern anderen wehzutun, aber ich hatte schlicht und ergreifend Angst und die beflügelte einen nicht selten zu unüberdachten Handlungen. Richard hatte das also schon mehr oder weniger verdient, aber es tat mir trotzdem sofort leid... was ich nicht sagte, weil ich noch damit beschäftigt war zu verarbeiten, was ich hier gerade getan hatte. Parallel dazu erklang aus der hinteren Ecke des Zimmers ein unmissverständlich aufgebrachtes Fauchen. Dicht gefolgt von einem innerlichen, leisen Knurren des schwarzen Katers, der mit aufgestelltem Fell aus der kleinen Höhle kroch und sich eine höhere Position auf dem Kratzbaum suchte, von welcher er uns gut im Blick hatte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ehrlich gesagt wusste ich jetzt nicht genau, was ich als Reaktion seitens Samuele eigentlich erwartet hatte. Grundlegend machte er mir den Anschein, als könne er - genauso wenig wie ich - einer Fliege was zuleid tun, auf der anderen Seite wuchsen Menschen in Gefahrensituationen nicht selten über sich hinaus. Dass er sich zur Wehr setzen würde war zwar mein Ziel gewesen, kam aber doch ziemlich überraschend, weil er gar nicht lange fackelte. Nicht erst noch versuchte, mich davon zu überzeugen, ihm nichts zu tun und ihn am Leben zu lassen. Stattdessen schlug der Italiener ziemlich genau in dem Augenblick zu, wo ich die Hand um seinen Hals gelegt hatte. Ohne wenn und aber, ohne jegliche Vorwarnung. Das ließ mich, nachdem mein Kopf durch den Schlag ein Stück nach hinten geflogen war und ich mich somit zwangsweise von Sam gelöst hatte, leise auflachen. Das unangenehme Pochen inmitten meines Gesichts und der darauffolgende Geschmack von Blut ließ mich wissen, dass der junge Mann hier trotz der Tatsache, dass er beim Ausholen vermutlich nicht gezielt hatte, gut getroffen hatte. Meine Nase schmerzte, wobei ich beim vorsichtigen Abtasten glücklicherweise Entwarnung geben konnte, was einen Bruch anbelangte. Trotzdem lief mir Blut aus der Nase und die Innenseite meiner Lippe hatte auch etwas abbekommen, wobei letzteres eher nicht durch den Schlag selbst, sondern meine Reaktion darauf herrührte. Ich hatte mir beim Aufprall der Faust in meinem Gesicht wohl auf die Unterlippe gebissen. Aber das war okay - immerhin ein Zeichen dafür, dass ich tatsächlich noch lebte und Schmerz empfinden konnte, außerdem hätte ich damit rechnen müssen. Ich machte Sammy also keinerlei Vorwürfe, lachte nur weiterhin leise, als ich mir das lebenserhaltende Serum einfach an meinem schwarzen Shirt abwischte. "Na also, das klappt doch eigentlich schon ganz gut. Wenn hinter der rechten Hand noch mehr Schwung steckt und du ein bisschen an deiner Treffsicherheit feilst, sollte dein Hintern eigentlich sicher sein.", stellte ich ziemlich ironisch angehaucht fest, dass ein Schlag mit der Hand, die momentan in den Handschellen steckte sicher mehr wehtun würde, während ich mich wieder ein wenig mehr ins Sitzpolster des Sofas sinken ließ. Dieses Mal ließ ich Sammy jedoch, so weit das eben möglich war, den Rückzug antreten und starrte einfach einen Augenblick lang nach vorne auf den Fernseher. Erst nach ein paar Sekunden widmete ich mich noch mal dem geschockten Etwas neben mir. Er sah aus, als hätte er einen Geist gesehen, dabei war er einfach nur seinen natürlichen Überlebensinstinkten gefolgt und das war, was ich hatte austesten wollen. Wäre er tatsächlich so weich gewesen, wie seine Worte es erahnen ließen, dann wäre er vermutlich hoffnungslos verloren in unserer Welt, aber dass er ohne mit der Wimper zu zucken ausgeholt und zugeschlagen hatte, sobald Gefahr drohte, signalisierte mir, dass es da durchaus noch Luft nach oben gab. Er eben doch gar nicht so unschuldig war, wie er das hier behauptet hatte, sondern sich tatsächlich noch Formen ließ. "Und jetzt guck' mich nicht so an. Hab' schon weitaus schlimmeres hinter mir. Der Schlag ins Gesicht wird mich nicht umbringen. Auch wenn ich zugeben muss, dass meine Nase echt weh tut.", stellte ich einerseits belustigt, andererseits ein wenig grummelnd fest. Bei den letzten Worten fasste ich gerade ein weiteres Mal an die schmerzende, durch Blut verschmierte Stelle, aber auch bei der erneuten Kontrolle konnte ich keine Deformation der Knochen feststellen. Dann fing ich an, über Samuele vorangegangenen Worte nachzudenken, die ich durch die Hand um seinen Hals unbeantwortet im Raum stehen gelassen hatte. Er wollte wissen, wie weit der ganze Mist hier also reichte? Wie wir hier auf Kuba unsere Kohle machen würden und wer dabei welchen Part übernehmen würde? Tja, das war eine verdammt gute Frage, die ich ihm leider nicht beantwortet konnte, weil ich die Antwort darauf ebenso wenig kannte. Seit wir hier auf der Insel gelandet waren, hatte ich mich mit niemanden auch nur im Ansatz darüber unterhalten, wie es geschäftlich hier für die Bande eigentlich weitergehen sollte und konnte dahingehend nur mutmaßen. Aber auch wenn ich gewusst hätte, was der aktuelle Stand der Dinge war - bis jetzt wusste ich ja nur, dass Sabin wieder damit angefangen hatte, Crystal herzustellen -, wäre ich vermutlich nicht in der Position, mit dem zweiten Italiener im Bunde darüber zu unterhalten. Nachdem ich sowohl von Sabin, als auch von Hunter im Zuge unserer Bekanntschaft einen Einlauf kassiert hatte, würde ich mich wohl davor hüten, diesbezüglich etwas auszuplaudern. Und ich beschloss, Sam das auch genau so wissen zu lassen. "Wie weit unser kleines Imperium reicht wirst du Sabin allerdings selbst fragen müssen. Seit ich hier auf Kuba bin, hab ich nicht besonders viel mitbekommen. Du weißt schon, die Drogen und so...", sinnierte ich und unterstrich die gen Ende etwas leiser werdenden Worte mit einer wegwerfenden Handbewegung. "Ich lass mich dahingehend auch einfach überraschen. Für mich zählt ja erst mal nur, irgendwie clean zu werden.", fügte ich noch ein ein paar Worte an und gestand dem jungen Mann somit, dass auch ich momentan nicht wirklich wusste, wohin das Ganze hier noch führen würde. Er war also nicht alleine und müsste sich prinzipiell nicht so viele Sorgen machen.
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