Er lachte. Warum lachte er? Ich hatte Richard gerade geschlagen und er schien sich darüber zu amüsieren. Mir war nicht wirklich klar weshalb. Ich persönlich fände es nämlich ganz sicher nicht lustig, wenn mir Jemand seine Faust ins Gesicht knallen würde. Man musste jetzt zwar dazu sagen, dass ich natürlich nicht so einen festen Schlag wie Sabin auf dem Kasten hatte und das Ganze sicher hätte noch viel schmerzhafter ausfallen können, wenn ich denn gewusst hätte, was ich genau tat. Wenn ich bewusst gezielt und stärker ausgeholt hätte. Aber mir selbst tat die Hand jetzt auch etwas weh, weshalb ich mir nicht vorstellen konnte, dass der Dunkelhaarige hier gerade so gar keine Schmerzen hatte. Der Schlag war schließlich auch fest genug gewesen, um seine Nase zum bluten zu bringen. Dementsprechend war ich auch recht verwirrt von dem, was er im direkten Anschluss von sich gab. Sagte er mir hier indirekt, dass er einen Gegenwehr meinerseits hatte provozieren wollen? Klang ein bisschen so, als hätte er nachsehen wollen, wo denn jetzt genau eigentlich meine Wohlfühlgrenze lag - wenn man mal außen vor ließ, dass ich mich hier gerade ganz allgemein sowieso nicht wohlfühlte natürlich. Aber ja, so wie der Großteil der Weltbevölkerung war ich Rechtshänder und theoretisch mit der anderen Hand sicher auch ohne Boxtraining geübter, als mit der linken, die noch dazu natürlich von vornherein weniger Kraft hatte. Ich war trotz der noch folgenden Worte des Engländers weiterhin nicht wirklich dazu imstande zu reden, sah ihn auch nach wie vor ziemlich irritiert an. Wusste nicht, was ich jetzt sagen oder denken sollte. Es war ja doch ziemlich offensichtlich, dass er bis hierhin schon weit schlimmeres als einen Schlag auf die Nase hatte durchmachen müssen. Dazu musste ich gar nicht wissen, was ihm denn bei der Folter alles genau widerfahren war, die Narbe im Gesicht reichte schon. Verbrennungen waren höllisch schmerzhaft. Ich hatte selbst eine etwas großflächigere Verbrennung am rechten Unterarm aus meiner Anfangszeit im Café davongetragen. Hatte nach einem Blech im Ofen gegriffen und es danach dann fallen lassen, weil ich mit dem Arm an die Oberkante des Backofens gekommen war - danach war mir das nie wieder passiert. Natürlich war diese Narbe aber inzwischen fast gar nicht mehr sichtbar, auch nur etwa drei Zentimeter lang und einen breit, also keinesfalls vergleichbar mit Richards riesiger Brandnarbe. Aber es gab mir zumindest ein Gefühl dafür, was er damit für Qualen hatte erleiden müssen, wo man doch gerade im Gesicht ständig irgendeinen Muskel bewegte. Womöglich hatte ein Blinzeln schon ausgereicht um seine gesamte Gesichtshälfte schmerzen zu lassen, war die Narbe doch gar nicht so weit entfernt von seinem Auge. Wie auch immer - Schmerzen hatte er durch den Schlag trotzdem und je länger ich darüber nachdachte, desto schlechter fühlte ich mich deshalb. Deshalb schwieg ich auch noch immer, als der Dunkelhaarige mir eröffnete, dass er selbst momentan genauso im Dunkeln tappte wie ich selbst. Allerdings hatte ich auch gar nicht wirklich damit gerechnet, dass er mir hier jetzt tatsächlich eine eindeutige Antwort auf die offenen Fragen in meinem Kopf geben würde, weil dafür seiner bestimmt rollen würde. Nur seine Sorglosigkeit konnte ich was das anging irgendwie nicht so recht teilen, obwohl sich meine verkrampfte Körperhaltung langsam etwas zu lockern begann und ich schließlich mit einem sehr tiefen, erledigten Seufzen ein bisschen in mich zusammensackte und runter auf meine Knie sah. "Ich wollte nicht...", setzte ich murmelnd an, unterbrach mich dabei dann aber selbst, weil das so nicht ganz stimmte. In dem Moment hatte ich sehr wohl gewollt, dass Richard sich schnell wieder von mir distanzierte und seine Hand wegnahm, also war das nicht ganz der richtige Weg zu einer Entschuldigung. Ich beließ es deshalb bei einem knappen "Tut mir leid." was das anging und sah dann zum Couchtisch, auf dessen Ablage unter der Tischplatte eigentlich noch eine Packung Taschentücher liegen müsste. Deshalb beugte ich mich auch nach vorne und tastete mit der linken Hand danach, wurde auch nach ein paar Sekunden fündig und zog sie hervor. Öffnete sie im Anschluss für den Engländer und hielt sie ihm hin, damit er sich eins rausnehmen konnte und ihm das Blut nicht weiter das Gesicht runterlief. Geplatzte Adern bluteten immer unnötig lange und seine Lippe hatte wohl auch irgendwie was abgekriegt. "Willst du was zum kühlen?", kehrte ich noch mehr meiner guten Seite aus mir heraus, obwohl mir das gerade nicht ganz leicht fiel. Dass Richard keine Anstalten machte mir noch einmal näher zu kommen war was das anging aber sicher nichts als förderlich. Ich hatte bestimmt noch ein oder zwei Kühlakkus im Gefrierfach über dem Kühlschrank, die ich ihm reichen könnte, wenn er mir in die Küche folgte. Selbst, wenn der Schmerz für ihn aushaltbar war, würde das eine Schwellung vielleicht trotzdem eindämmen. Ein bisschen beschäftigten mich seine letzten Worte dann aber doch, als ich mich langsam damit abgefunden hatte, dass ich Richard gerade eben einfach so ins Gesicht geboxt hatte. "Aber stört dich das denn echt so gar nicht? Dass du nie weißt was kommt, meine ich...", murmelte ich also ein bisschen nachdenklich vor mich hin. Ich hatte auf der Arbeit nicht ohne Grund einen Terminkalender - digital wie schriftlich, eben für alle Fälle falls einer von beiden aus welchen Gründen auch immer die Biege machte. Ich war gern doppelt abgesichert und als ein Mitglied in Sabins Crew konnte man sich das sehr offensichtlich komplett abschminken. Da konnte man schon froh sein, wenn man zum aus dem Flugzeug springen überhaupt einen Fallschirm bekam. Kam mir zumindest so vor.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Samuele machte noch eine ganze Weile lang einen ziemlich irritierten und geschockten Eindruck auf mich, was das schmale Lächeln in auf meinen Lippen aufrecht hielt. Vermutlich war er gerade dabei, zu verarbeiten, dass er sehr wohl dazu imstande war, andere Menschen zu verletzten, wenn dabei sein eigener Kopf auf dem Spiel stand und das war für einen Einstieg in unser Metier gar nicht mal so verkehrt. Nichtsdestotrotz sollte er vor dem Zuschlagen weiterhin abwägen, bei wem er sich das leisten und mit wem er sich wirklich anlegen konnte, aber ein x-beliebiger Straßendealer hätte es dann schon mal ein Stück weit schwerer, ihn wegen seiner im Verhältnis zu Sabin und Hunter relativ schmalen Statur nicht mehr ernst zu nehmen. Was den Amerikaner anging - dieser gehörte in meinen Augen zu der Sorte von Menschen, denen man lieber nicht die Faust ins Gesicht donnerte, aber ich schätzte Sam dahingehend als klug genug ein, als dass er seine Hand Hunter gegenüber nicht erheben würde. Vermutlich tat er das ohnehin nur in absoluten Ausnahmesituationen, so wie gerade eben und würde ansonsten einen Teufel tun, Menschen in seinem Umfeld zu verletzen. Aber was nicht ist, konnte ja noch werden und sollte er jetzt tatsächlich zu einem Teil unserer Crew werden, konnte ich seine Veränderungen quasi aus nächster Nähe beobachten und blieb gespannt. Einen Moment lang wurde es ziemlich still um uns. Sammy versuchte seine Gedanken zu sortieren und ich lauschte währenddessen ungeachtet der blutenden Nase dem Fernsehprogramm. Allerdings konzentrierte ich mich genau gar nicht darauf, was da momentan lief, sondern ließ mich einfach nur ein wenig von der monotonen Stimme beschallen, bis diese von dem Italiener neben mir unterbrochen wurde. Also drehte ich meinen Kopf wieder in die Richtung, aus der die Geräusche kamen, ohne, dass sich dabei das Lächeln verabschieden wollte. Irgendwie hatte ich gerade ein Stück weit inneren Frieden mit der ganzen Sache hier geschlossen. Fand es nicht mehr so schlimm, entgegen meines Willens hier bei dem Italiener geparkt worden zu sein. Vielleicht war der Schlag ins Gesicht einfach genau das Richtige gewesen, damit ich mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurück fand, hatte es beim letzten Mal durch Sabins Hand doch auch wunderbar funktioniert. Auch Samuele schien sich wieder ein wenig zu entspannen, entschuldigte sich sogar dafür, die Hand gegen mich erhoben zu haben und reichte mir kurz darauf eine Packung Taschentücher, die ich mit einem dankbaren Nicken annahm. Kurz darauf wischte ich mir mit den Papiertüchern einen Großteil des bereits etwas angetrockneten Blutes aus dem Gesicht, wobei sich der ein oder andere schmerzverzerrte Laut seinen Weg über meine Lippen bahnte. "Passt schon. Hab's verdient.", tat ich erst einmal die Entschuldigung ab, unterstrich auch diese Worte wieder mit einer entsprechenden Handbewegung. Was dann das Angebot der Kühlakkus anging überlegte ich kurzzeitig, entschied mich schließlich aber tatsächlich dazu, es anzunehmen. Zwar würde die Kälte meiner Nase nicht sehr viel bringen, aber die Chancen standen gut, dass zumindest meine Lippe nicht danach aussehen würde, als wäre ich eine Runde in den Boxring gestiegen. "Was zum Kühlen klingt gut.", ließ ich ihn also wissen und das Lächeln auf meinen Lippen formte sich erstmals seit dem Schlag zu einem schiefen Grinsen. Im Umkehrschluss hieße das zwar, dass wir beide gleich aufstehen mussten, aber da ich ohnehin durstig war und so ad hoc kein Wasser in unmittelbarer Nähe ausfindig machen konnte, wäre es früher oder später ohnehin so weit gekommen. Also konnte man das wunderbar verbinden. Gerade, als ich zum Aufstehen ansetzen wollte, richtete Samuele noch einmal sein Wort an mich, weshalb ich auf der vorderen Kante des Sofas innehielt und mich ihm wieder zuwendete. Dabei sah ich ihn aus mittlerweile wieder vollkommen ruhigen, gelassenen Augen an, zuckte auf seine Frage hin ein klein wenig mit den ausgemergelten Schultern. Ja, störte es mich denn eigentlich oder hatte ich mich inzwischen damit abgefunden? Ich überlegte kurz, richtete meinen Blick dabei auf die mit Blut beschmierten Taschentücher in meiner rechten Hand, dann setzte ich schließlich zum Reden an. "Na ja, kann schon sein, dass es mich stören würde, wenn ich noch Familie und ein paar meiner alten Freunde hätte...", murmelte ich nachdenklich und bestätigte den jungen Mann darin, dass er mit seiner Ansicht der Dinge durchaus nicht alleine dastand. Immerhin schien er noch irgendwo Familie zu haben und Freunde auf Kuba vermutlich auch. Nachdem ich also ein paar Sekunden lang noch nach unten gesehen hatte, hob ich dann aber meinen Blick wieder an und suchte den von Sam, um den nachfolgenden Worten mehr Ausdruck verleihen zu können. "Aber da mittlerweile niemand Geringeres als ich selbst zu Schaden kommen kann... stört mich das tatsächlich nicht besonders, nein.", beendete ich meine vorangegangene Ansprache, auch wenn sie nicht zu einhundert Prozent der Wahrheit entsprach. Es gab schon einige Situationen, in denen auch ich sehr gerne wissen wollte, was im Verlauf eines bestimmten Plans passieren würde, wie beispielsweise in der Bar damals. Nur manchmal ließ sich das einfach nicht vorhersagen und entweder, man trat früh genug den Rückzug an oder aber wartete einfach ab, was passierte und auf einen zukommen würde. Dass einem dabei nicht immer besonders wohl war, konnte ich absolut nachvollziehen, aber hatte Sammy denn aktuell eine andere Wahl, als einfach hinzunehmen, dass Sabin ihn am Wickel hatte? Ich würde behaupten, dass dem nicht so war. Er keine Alternative hatte, bei der er tatsächlich auch lebend aus der ganzen Sache wieder heraus kam.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Immerhin damit schienen Richard und ich uns hier einig zu sein. Denn auch, wenn ich es nach wie vor nicht guthieß, dass ich ihm einfach eine verpasst hatte, war der Schlag eben doch verdient gewesen. Wie es schien war er auch ein Auslöser dafür gewesen, dass der Dunkelhaarige mich nicht mehr anschnauzte, sondern fast ein wenig... milder gestimmt schien. Nicht mehr so penetrant auf meinen ohnehin schon lange angekratzten Nerven herumspazierte, sondern sich damit zurückhielt und vor sich hin lächelte. Zu letzterem trug vermutlich aber am ehesten die Tatsache bei, dass ich eben nach wie vor ein bisschen überfordert mit der ganzen Sache aussah, was ja auch der Fall war. Einzig dass der Engländer sich nicht weiter an dem Schlag aufhängte, sondern mir sogar die Richtigkeit dessen zugestand - sofern es eben richtig sein konnte, Jemanden ins Gesicht zu schlagen, also eigentlich gar nicht in meinen Augen - und sich insgesamt beruhigt zu haben schien, ließ meine Anspannung Stück für Stück weiter verfliegen. Auch kam es mir ganz gelegen, dass wir uns jetzt wohl zur Küche bewegen würden, weil Richard doch ganz gern etwas zum Kühlen hatte und dementsprechend nickte ich leicht, als ich mit den Worten "Gut, dann komm mit.", vom Sofa aufstand. Ich würde mich wohl nie, oder zumindest nicht mehr heute an das Metall ums Handgelenk, sowie meinen zweiten Schatten gewöhnen, aber ein paar Schritte zu machen lockerte mich zumindest noch ein bisschen mehr auf. Ließ die verspannten Muskeln einer neuen Aufgabe nachkommen und so wartete ich nur noch darauf, dass Richard aufgestanden war, ehe ich mich dann mit ihm auf den Weg in die Küche machte. Schon währenddessen dachte ich über seine noch folgenden Worte nach, die eher ziemlich ernüchternd für mich waren. Ich wusste aber auch nicht, was ich mir als Antwort auf meine Frage eigentlich erhofft hatte. Sowas wie ein Allheilmittel gegen meine Abneigung bezüglich all der Gewalt und den kriminellen Machenschaften gab es nicht. Ich konnte es mir entweder nur selbst so angenehm wie irgendwie möglich gestalten und es akzeptieren, oder früher oder später irgendwas Dummes tun. Sowas wie einen Fluchtversuch zu starten beispielsweise, den ich ziemlich sicher mit meinem eigenen oder dem Leben einer meiner Freunde bezahlen würde. Vermutlich eher letzteres, um mir Druck zu machen und mir unter dieser Prämisse noch eine zweite Chance zu geben. Das würde ich mir nie verzeihen. Ich wollte ganz allgemein nicht, dass Blut an meinen Händen klebte und erst recht nicht das eines Menschen, der mir am Herzen lag. Gut, natürlich waren nicht ausschließlich alle in meinem Handy eingespeicherten Kontakte ganz aktuell, hatte ich doch auch die Nummern von ehemaligen Freunden oder längerfristigen Bettgeschichten noch immer in meinem Handy gespeichert, aber darum ging es in diesem Fall nicht. Kein Blut an meinen Händen war das einzige, was zählte. Egal von wem es kam, es gehörte da nicht hin. Ich griff nach dem Kühlfach am oberen Teil des Kühlschranks und musste erstmal ein bisschen Tiefkühlgemüse und eine Fertigpizza bei Seite legen, um an einen der beiden Akkus in der hinteren Ecke ranzukommen. Danach wanderte das gefrorene Essen zurück ins Fach und ich ging zu einer der Schubladen an der Theke, um ein Geschirrtuch dünn um den Kühlakku zu legen, bevor ich ihn Richard reichte. Ich hatte genug davon, da konnte das anschließend sicher mit Blut befleckte Ding ruhig in den Abfalleimer wandern. "Hmm, ist wohl einer der springenden Punkte...", murmelte ich bei der Übergabe leise vor mich hin und nickte ein klein wenig. Ich würde mich wahrscheinlich schon wesentlich weniger unterdrückt und beengt mit der Sache fühlen, wenn Hunter diese blöde Liste nicht hätte. "Wahrscheinlich würd's mir schon besser gehen, wenn Hunter keine Liste mit sämtlichen Leuten angefordert hätte, die irgendwann hier auf Kuba mal was mit mir zu tun hatten.", fügte ich meinen vorherigen Worten mit einem leisen Seufzen noch ein paar weitere an und zuckte ein klein wenig mit den Schultern, bevor ich mich mit der freien Hand auf der Theke abstütze und mich leicht dagegen lehnte. Den Aufenthaltsort meiner Eltern hatte ich leider Gottes auch auf das Blatt Papier übertragen müssen und das war das allerschlimmste daran."Brauchst du sonst noch irgendwas?", hakte ich nach, um mich selbst ein bisschen vom vorangegangenen Thema abzulenken. Normalerweise war ich eigentlich ein sehr vorbildlicher Gastgeber, aber die gegebenen Umstände ließen das ziemlich untergehen. Wenn wir also schon mal in der Küche waren und er doch Hunger hatte, etwas trinken oder seine Wunden noch anderweitig versorgen wollte, dann konnten wir das gleich mit erledigen und er sparte es sich, danach fragen zu müssen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ja, wenn man noch Freunde und Familie hatte, dann fiel es einem gleich schwerer, sich dem kriminellen Dasein hinzugeben, weil jener Personenkreis zum einen entweder schrumpfte, wenn sie erfuhren, dass Samuele mit gesuchten Schwerverbrechern gemeinsame Sache machte oder aber sehr viel schlimmer noch - sie wurden einer nach dem anderen abgeschlachtet. Das kam leider nicht selten vor, weil die Liebe - egal welcher Art - zu anderen Menschen doch eine ziemlich verletzliche Angriffsfläche bot, die sich sehr gerne zunutze gemacht wurde, um einen mitten ins Herz zu treffen und Fehler machen zu lassen. War bei mir ja nicht anders gewesen. Mich hatte es emotional so stark mitgenommen, dass Agnolo noch vor mir wusste, was zwischen meiner besten Freundin und Hunter Sache war, dass ich mich mehr als nur daneben benommen und mir damit mein eigenes Grab geschaufelt hatte. Ich konnte also absolut nachvollziehen, dass es Sam schwer fiel, die Liste mitsamt der Personen, denen er nahe stand, in Hunters Händen wissen zu müssen. Dahingehend würde ich ihn ja wirklich gerne beruhigen. Ihm sagen, dass er sich keine Sorgen machen brauchte, weil der Amerikaner alles in allem eigentlich ein sehr netter Mensch war, aber das wäre gelogen. Hunter war wohl mit das größte Arschloch, das ich neben Agnolo bis heute hatte kennenlernen dürfen und war zudem noch absolut unberechenbar. Während Sabin mir den Anschein eines fairen Geschäftspartners mit einem durchschnittlich langen Geduldsfaden machte, hatte ich bei dem Amerikaner das ungute Gefühl, dass er oft auch einfach willkürlich handelte. Wie es ihm gerade passte und lediglich abhängig von seiner aktuellen Laune. Also ja, wenn man mich fragte, dann waren Sorgen um die Liebsten durchaus begründet. Dennoch war ich Sam vorerst wortlos in die Küche gefolgt, nahm ihm nahe des Gefrierfachs stehend erst einmal den Kühlakku ab, um ihn mir kurz darauf in einem Küchentuch verpackt mit einem leisen Seufzen an die pochende Unterlippe zu halten. Welch angenehme Abkühlung, fühlte sich das aufgeplatzte Fleisch doch gleich ein bisschen besser an. Anschließend fand ich mich neben Sam mit der Hüfte ebenfalls an die Küchentheke gelehnt wieder, wo ich meinen Kopf sogleich in seine Richtung drehte. "Machen wir uns nichts vor. Hunter ist und bleibt ein Mensch, der nie hätte geboren werden sollen.", stellte ich ein wenig trocken fest und machte somit meinen Unmut über dieses Arschloch Luft. In meinen Augen wäre die Welt ein so viel friedlicherer Ort, wenn der Amerikaner einfach ins Gras beißen würde. Mochte sein, dass ich ihm in der Nacht im Hotel mein Leben zu verdanken hatte, aber nach wie vor war ich der festen Überzeugung, dass das, was Sabin mir diesbezüglich gesagt hatte, vollkommener Quatsch und absolut nicht richtig gewesen war. Ich wäre maximal noch von den Bullen aufgelesen worden, aber das auch nur, wenn mich nicht vorher doch noch irgendeine Kugeln erwischt hätte. Vahagn kannte mich zu dem Zeitpunkt schließlich überhaupt noch nicht. Wusste sicher nicht einmal, dass ich mich in den Fängen der Italiener befunden hatte und Hunter hätte ganz sicher nicht freiwillig nach mir gesucht, weil ich ihm auch schon davon ein Dorn im Auge gewesen war, gerade wenn es um meinen Einfluss auf Cosma ging. Jene hatte er ja mittlerweile auch einer Gehirnwäsche unterzogen, war sie doch irgendwie nicht mehr dieselbe, seitdem sie und Hunter sich gefunden hatte. Zwar war ich letzterem gewissermaßen dankbar, dass er mich auf dem Rückweg aus dem Hotel mitgeschleppt hatten, aber das konnte in meinen Augen nicht ausreichend aufwiegen, was er noch so alles verbockt hatte. Jetzt aufzuzählen, welche Probleme ich konkret mit dem Amerikaner hatte, würde wohl das Ausmaß von gut und böse sprengen, deshalb schüttelte ich die Gedanken an den Idioten mehr oder weniger ab und widmete mich stattdessen der wohl eher beiläufig gestellten Frage meines Schattens, durch die er in Erfahrung bringen wollte, ob ich ansonsten noch etwas brauchte und ja, tatsächlich war da noch etwas. "Weil ich bei dir wohl eher kein Meth bekomme, würde ich mich vorerst mit einem Wasser zufrieden geben.", antwortete ich reichlich ironisch, wobei das Verlangen nach der Droge durchaus da war und ich nicht nein gesagt hätte, würde mir Samuele hier und jetzt etwas anbieten. Ich konnte mir nicht helfen, aber es schien, als hätte sich mein Körper noch immer nicht gänzlich damit abgefunden, dass er keine Rauschmittel mehr bekommen würde und verlangte noch immer nach einer Nadel. Gut, die Stimmen waren nicht mehr ganz so laut wie an Tag eins und machten zudem den Anschein, als würden sie in der nächsten Zeit tatsächlich abebben. Blieb zu hoffen, dass ich es bis dahin noch aushielt, aber die Chancen standen dahingehend gar nicht mal schlecht. Jetzt, wo der Kopf durch den Schlag wie leer gefegt war, konnte ich auch fast schon das Licht am Ende des Tunnels erblicken. Oder aber es waren die Leuchten eines Zuges, der mich innerhalb der kommenden Tage noch überrollen würde. An der Stelle konnte ich wohl nicht anders, als einfach abzuwarten, womit wir wieder beim Thema wären. "Hör' mal. Ich hab mich vielleicht auch nicht gerade wie das Musterbeispiel eines angenehmes Zeitgenossen verhalten, aber... keine Ahnung, man. Es ist momentan irgendwie schwierig, mich zu sortieren. Eigentlich bin ich... anders anstrengend.", empfand ich es doch für den richtigen Moment ebenfalls eine durchaus angebrachte, wenn auch eher gemurmelte Entschuldigung an ihn los zu werden. Das hieß jedoch nicht, dass ich sie weniger ernst meinte, es fiel mir nur irgendwie schwer, weil ich eigentlich gar nichts von dem, was ich getan hatte, so wirklich bereute, aber irgendwie eben auch doch. Aktuell war es für mich einfach schwierig, zu meinem alten Ich zurück zu finden, obwohl ich dort eigentlich sehr gerne wieder hinkommen würde. Dieses unbeschwerte, ausgelassene Leben hatte mir schließlich gefallen, bis mir Agnolo dazwischen gegrätscht war.
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So konnte man das natürlich auch formulieren. Zwar glaubte ich nicht, dass irgendwer als grundlegend schlechter Mensch zur Welt kam und schon von Kindesbein an zum Morden geboren worden war, aber zumindest wäre es für alle Welt besser gewesen, wenn der Amerikaner diese Art von Verwandlung nicht durchgemacht hätte. Es war mir kein Geheimnis, dass auch sein Knacks in der Birne gewisse Gründe hatte, man fand ja doch so ein bisschen was darüber im Internet. Es hatte mich dabei auch wirklich gewundert, dass seine Eltern nie vor der Presse Stellung bezogen hatten was das anging, weil sie ja doch angesehene - und vor allem reiche - Geschäftsleute waren. Hatte man nicht ein gewisses Bedürfnis sich mitzuteilen, wenn das eigene Kind jahrelang unter dem eigenen Kindermädchen hatte leiden müssen? Andererseits konnte das natürlich auch mehr oder minder deren Schuld sein. Natürlich konnte man Niemandem in den Kopf gucken und von vornherein wissen, dass die Frau nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte, aber eine Veränderung hätte man doch sicher bei Hunter feststellen können... ob er sie zum damaligen Zeitpunkt selber jemals darauf angesprochen hatte? Und wenn ja, hatten sie das dann einfach mit einer Handbewegung als Lüge abgetan? Auch hierbei türmten sich in meinem Gehirn Fragen über Fragen, die ich einerseits gern beantwortet hätte, um den Kerl vielleicht ein bisschen besser verstehen zu können, aber andererseits war dieses Wissen vielleicht ohnehin nicht gut für meinen eigenen Schädel. Am Ende ließ mich das nur in einen noch tieferen Abgrund gucken was den hitzköpfigen Amerikane anging und ich hatte so schon genug Schiss vor ihm. "Da hast du wohl Recht.", stellte ich mit einem leichten Schulterzucken fest. Richard schien auch alles in allem so gar nicht gut auf den Tätowierten zu sprechen zu sein, was mich prompt zu meiner nächsten Frage führte. "Abgesehen davon, dass er hier und da offensichtlich gern willkürlich Leute umlegt und ein schlechter Mensch ist... was hast du persönlich gegen ihn? Falls ich fragen darf...", kam ich ja doch nicht umher, den jungen Mann hier danach zu fragen, woher sein eigenes Problem mit dem volltätowierten Amerikaner lag. Ich wollte ihm aber nicht auf die Füße treten und sah deshalb davon ab danach zu fragen, ob die Narbe im Gesicht vielleicht sogar von ihm war, weil ich nicht wusste, ob sie nicht vielleicht einen anderen, noch viel unangenehmeren Ursprung hatte. Richard war gerade erst wieder runtergekommen und ich wollte tunlichst vermeiden, dass er die nächste Palme bis zu den Wipfeln hochkroch, um mich nochmal Bekanntschaft mit seinen Händen schließen zu lassen. Demnach war ich damit lieber etwas übervorsichtig und auf seine noch folgenden Worte hin schnaubte ich leise. "Ne, sorry, Meth war leider noch nie mein Ding.", erwiderte ich nicht weniger ironisch und schüttelte leicht den Kopf, bevor ich mich erneut dem Kühlschrank zuwendete und eine angebrochene Flasche Wasser herauszog. Noch währenddessen fing der Engländer an sich indirekt mehr oder weniger zu entschuldigen, was doch ziemlich unerwartet kam - was aber nicht hieß, dass ich das nicht aufrichtig willkommen hieß. Eben gerade wegen der kleinen Handgreiflichkeit, die mir einen Heidenschreck eingejagt hatte, waren ein paar Worte in genau dieser RIchtung schließlich absolut angebracht. "Ist schon okay... vorausgesetzt du lässt das nach Möglichkeit zukünftig bleiben.", ließ ich ihn mit einem schiefen Grinsen wissen, dass ich eigentlich nicht so sehr nachtragend war, aber doch gern von einer Wiederholung in dieser Richtung absehen würde, wenn es sich einrichten ließ. Schließlich mussten wir wohl noch eine Weile miteinander auskommen und da wäre das wenig förderlich für eine erträgliche bis gute Beziehung zwischen uns beiden. Weder, dass er mich unnötig reizte und mir Angst einjagte, noch dass ich ausholte und ihm eins auf die Nase verpasste. "Und hey, ich fang' ja jetzt auch an um mich zu schlagen wie ein pubertierender Teenager, der gerade durchdreht, also...", hängte ich noch ein paar durchweg sarkastische Worte hinten an, die natürlich nicht ernst gemeint waren. Ich hoffte inständig, dass der Schlag eher ein einmaliger Ausrutscher bleiben würde und stellte in der Zwischenzeit die Flasche nahe Richard auf der Theke ab, bevor ich noch nach einem Glas in einem der oberen Hängeschränke griff, um ihm das ebenfalls zur Verfügung zu stellen. War mit dem glatten, ebenen Rand des Glases sicherlich angenehmer zu trinken, als an dem gerillten Schraubverschluss mit der verletzten Lippe anzusetzen. Stellte ich mir zumindest recht unangenehm vor, aber war ja nicht meine Lippe und wenn er aus der Flasche trinken wollte hinderte ich ihn auch nicht daran. "Was heißt eigentlich anders anstrengend genau?", hakte ich auch diesbezüglich noch einmal nach, weil ich mir darunter bis jetzt nicht wirklich viel vorstellen konnte und doch ganz gerne zumindest in dieser Hinsicht wüsste, was noch so auf mich zukam, falls er irgendwann mal wieder für seine Verhältnisse normal ticken würde.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Von meinem Bedürfnis, hier ordentlich Krawall zu stiften und Sam derart auf den Sack zu gehen, dass er Sabin anflehen würde, mich nie wieder auch nur in seine Nähe zu lassen, war schlagartig verschwunden. Ich verspürte nicht mehr den Drang, penetrant herum zu nerven und dem Italiener Angst vor meiner Wenigkeit einzuflößen, sondern war froh, dass das ganze Gespräch hier gerade eine halbwegs angenehme Richtung einschlug. Einer fast schon normalen Unterhaltung ähnelte, wenn man mal davon absah, dass wir noch immer aneinander gekettet waren, aber auch daran würde ich mich im Verlauf des restlichen Abends sicher gewöhnen. Ich ging nämlich zum jetzigen Zeitpunkt nicht davon aus, dass Sabin in den nächsten ein bis zwei Stunden in der Tür stehen und mich abholen würde. Das Kochen von Crystal brauchte nun mal seine Zeit und ich würde mich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen, würde ich behaupten, dass Sammy mich noch bis mitten in der Nacht an der Backe hatte. Es war also gar nicht so schlecht, dass wir diese kleinen Unstimmigkeiten schon jetzt aus der Welt geräumt hatten, so bot sich mehr Zeit, einander vielleicht tatsächlich ein wenig zu beschnuppern. Nüchtern - im wahrsten Sinne - betrachtet schien mir der Italiener eigentlich ein ziemlich angenehmer Zeitgenosse zu sein und würde ich mich nicht ständig von irgendwelchen Entzugssymptomen oder Wahnvorstellungen - die leider auch noch nach Monaten der Abstinenz auftreten konnten - lenken lassen, könnte mir der junge Mann wahrlich dazu verhelfen, wieder ein wenig zu mir selbst zu finden. Ich schätzte ihn weniger streng ein, als Sabin es war und wenn ich das richtig aufgeschnappt hatte, dann schien er selbst schon die ein oder andere Erfahrung mit Drogen gesammelt zu haben, konnte dadurch vielleicht sogar ein bisschen besser nachvollziehen, wie ich mich aktuell fühlte und mir den ein oder anderen Ausrutscher verzeihen. Und ganz offensichtlich tat er das auch, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass Handgreiflichen dieser Art künftig nicht mehr vorkommen würden. Dahingehend konnte ich ihn allerdings absolut beruhigen, war das - vom Schlag ins Gesicht mal ganz abgesehen - auch keine besonders schöne Erfahrung für mich gewesen, die Angst in seinen Augen aufleuchten zu sehen, als ich meine Hand an Samueles Hals gelegt hatte. Es bestätigte mich gleich ein weiteres Mal darin, dass ich für körperliche Auseinandersetzungen einfach nicht geschaffen war und es bei verbalen Diskussionen belassen sollte. Sam war zwar nichts weiter passiert und bleibende Schäden würde er auch keine davongetragen haben, aber irgendwo meldete sich ja doch mein schlechtes Gewissen. Andernfalls hätte ich mich wohl auch nicht bei ihm entschuldigt, denn das tat ich in den seltensten Fällen grundlos. Jedenfalls nickte ich seine Worte bezüglich meiner Entschuldigung nur stillschweigend ab und beobachtete ihn dann dabei, wie er an meinen Arm gekettet das letzte Stück Freiheit ausnutzte, um mir eine Flasche Wasser und ein Glas zu besorgen. Auch daraufhin nickte ich kurz als Zeichen der Dankbarkeit und kümmerte mich im Anschluss daran, das Wasser ins Glas zu kippen. Dabei lauschte ich Sammys Fragen aufmerksam, musste jedoch das Kühlkissen zur Seite legen, weil es sonst doch ziemlich umständlich geworden wäre, die Wasserflasche aufzuschrauben. War mit nur eineinhalb Händen irgendwie ein bisschen beschwerlich, verschaffte mir jedoch Zeit, um über eine Antwort auf die Fragen des Italieners nachzudenken. Prinzipiell war das etwas, worüber ich ungern sprach, weil es einfach ein Stück weit zu persönlich war, aber würde ich mich jetzt nicht dazu äußern, dann läutete ich damit vermutlich ein betretendes Schweigen ein und danach stand mir noch viel weniger der Sinn. Außerdem würde Sammy Stand heute sowieso noch länger mit uns zutun haben und somit früher oder später ohnehin ein paar Details über mich und auch die anderen erfahren. Ich warf also die Bedenken diesbezüglich über Bord und zuckte unterbewusst mit den Schultern, als ich zum ersten Schluck aus dem Glas ansetzte, um damit meine Kehle zu ölen. "Puh, ich weiß echt nicht, wo ich da anfangen soll. Also erst mal... die Narbe", grübelte ich vor mich hin und zeigte mehr unterbewusst, als wirklich beabsichtigt auf mein entstelltes Gesicht. "Die ist von ihm und wohl mit der ausschlaggebendste Punkt dafür, warum sich meine Sympathie ihm gegenüber in Grenzen hält. Und ansonsten gibt's da einfach noch so ein paar weitere, kleinere Punkte, die mich über ihn bloß den Kopf schütteln lassen...", redete ich einfach weiter und unterbrach zwischendurch nur kurzzeitig, um einen weiteren Schluck Wasser zu nehmen. Es fühlte sich an, als hätte ich seit Stunden nichts mehr getrunken und in Anbetracht der Tatsache, dass ich tatsächlich nicht mehr so genau wusste, wann ich das letzte Mal zur Wasserflasche gegriffen hatte, war das auch gar nicht mal unwahrscheinlich, dass die letzte Flüssigkeitsaufnahme wirklich schon eine ganze Weile zurück lag. Dass Samuele sich mittendrin ziemlich sarkastisch als pubertierender Teenager outete, um damit seinen Schlag in mein Gesicht zu rechtfertigen, ließ ich einfach unter den Tisch fallen, wollte mich daran gar nicht weiter aufhängen, weil sich die Geschichte in meinen Augen bereits erledigt hatte und konzentrierte mich stattdessen auf seine nächste Frage. Was ich unter anders anstrengend verstand? Puh, das war eine gute Frage, aber in erster Linie ließ sie sich wohl damit beantworten, dass ich normalerweise nicht zu derartigen Handgreiflichkeiten neigte und auch niemanden grundlos an den Karren pisste, so wie ich es gerade eben bei dem jungen Mann getan hatte. "Na ja, keine Ahnung... ich...", setzte ich stockend zu einer Erklärung meiner gewählten Worte an, stockte aber mittendrin, weil ich kurz überlegen musste, wie ich eigentlich vor der ganzen Sache mit Agnolo gewesen war. Lag ja nun doch schon ein paar Wochen zurück und die Tage des Drogenkonsums waren an meinem Gedächtnis nicht einfach spurlos vorbei gezogen. Also seufzte ich leise, hörbar resigniert, als ich das Glas neben mir auf der Theke abstellte und wieder nach dem Kühlakku griff, hatte die Lippe unter dem Rand des Glases doch gerade Mucken gemacht. "Für gewöhnlich fällt es Leuten schwer, meine überschwängliche gute Laune zu ertragen. Außerdem bin ich eigentlich immer für einen Witz oder einen Flirt zu haben, aber momentan... ich weiß nicht, hab' ich da einfach keine besonders große Lust drauf und möchte, wie du es schon so treffend formuliert hast, einfach nur gerne in Selbstmitleid versinken, auch wenn ich weiß, dass es nicht der richtige Weg ist, zu meinem alten Ich zurück zu finden. Außerdem habe ich mein Leben lang die Finger von Drogen gelassen. Klar, hier und da hab ich mal 'nen guten Wein getrunken, vielleicht 'ne Zigarette geraucht, wenn es sich gerade angeboten hat, aber nie längerfristig irgendetwas konsumiert, das mir die Sinne derart betäubt hatte.", redete ich weiterhin ziemlich nachdenklich vor mich hin. Den Blick hatte ich indessen abgewendet und vor meinen Füßen auf den Boden geheftet, weil ich noch beim Reden wieder in Gedanken versank. An das Leben vor Agnolo, welches auch nicht immer rund gelaufen war, aber dennoch Spaß gemacht hatte. Ob ich jemals wieder dahin zurückfinden würde? Ich bezweifelte es irgendwie.
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Also doch die Narbe. Angesichts der Tatsache, dass das bei weitem nicht das erste Mal war, dass Hunter Irgendwen fürs Leben oder auch für den Tod zeichnete, war das nicht gerade überraschend. Es hatte schließlich so seine Gründe, warum ich nur die wenigsten Bilder seiner Opfer leichtfertig wieder aus meinem Schädel hatte wischen können. Ein Gefühl für seine Dimension von angemessener Bestrafung zu bekommen war echt schwierig, wenn man ihn so gar nicht kannte. Aber vielleicht gab es da auch einfach keinerlei Maßstäbe und er entschied darüber je nachdem, in welche Richtung der Wind für ihn da gerade wehte. Das traf vermutlich eher zu, würde zumindest gut zu seinem sonst auch so ekligen Charakter passen. "Verstehe...", war trotzdem erst einmal alles, was ich zu dieser Sache noch sagte. Ich wollte nicht nach noch mehr Details fragen, weil ich mir ziemlich sicher war, dass jenes Thema die Laune des Dunkelhaarigen hier neben mir nur unnötig wieder nach unten ziehen würde. Wir hatten gerade erst einen sehr großen Sprung nach vorne gemacht, was die allgemeine Einstellung anging, also machte ich das besser nicht gleich wieder zunichte. Taktgefühl war da das Zauberwort. Ob ich mir das irgendwann abgewöhnen würde, wenn ich erstmal lange genug mit den falschen Leuten verkehrte? Vielleicht. Was eine Definition seines eigentlichen Ichs anging tat Richard sich aber dann doch noch deutlich schwerer, als damit mir zu sagen, warum er Hunter nicht ausstehen konnte - letzteres war auch allein schon durch die Narbe im Gesicht mehr als gerechtfertigt. Theoretisch konnte man die zwar beim Stand der heutigen Medizin größtenteils verschwinden lassen, aber das kam auch mit Geld ziemlich sicher nicht für Richard in Frage. Schließlich müsste er dafür wieder ins Ausland, hier auf Kuba brauchte er kaum nach einem Schönheitschirurgen zu suchen. Vielleicht wollte er die Narbe aber auch behalten, weil manche Verbrecher ihre Brandmarken gerne mit sich herumtrugen. Er wirkte zwar eher nicht so, als wäre er hellauf begeistert von der Zeichnung in seinem Gesicht, aber ich hatte keine Ahnung wie er dazu stand. War sowieso nicht relevant, wenn er den Bullen nicht ins Netz gehen wollte... wobei man mit genug Geld bestimmt auch einen Arzt hierher kriegen könnte. Ich hatte kein Gefühl dafür, was auf dem Schwarzmarkt so alles möglich war, aber ausschließen würde ich es wohl nicht. Jedenfalls versuchte Richard mir dann doch noch zu verdeutlichen, was genau er mit diesem anders gemeint hatte. Von dieser besagten überschwänglich guten Laune hatte ich bisher leider nichts gesehen, was wohl den Drogen und gewissen Geschehnissen davor zu Grunde lag, demnach nicht verwunderlich war. Wein und Zigaretten waren auch nicht ansatzweise mit Crystal Meth zu vergleichen und alles in allem machte er seinen Absturz, der wohl sein komplettes Wesen betraf, mit seinen Worten ziemlich deutlich. Bestärkte mich auch noch einmal darin, dass ich mit der Selbstmitleidstour nicht daneben gelegen hatte und es ihm einfach schwer fiel zumindest hier und das mal eine Kleinigkeit positiv zu sehen. Ich hob meine freie Hand an, um mir kurzzeitig die dunklen Haare zu raufen. Die waren immer leicht gewellt, hatte ich doch von Natur aus fülliges und recht voluminöses Haar. Kam selten vor, dass ich da mal nachhelfen musste, wofür ich dankbar war. Dann musste ich wenigstens nicht noch weitere Minuten vor der Arbeit für eine Frisur opfern. "Das wird schon... ich bin mir sicher, dass Sabin uns früher oder später Freigang einräumt. Dafür bin ich ja eigentlich da... Wird dir gut tun, wenn du mal ein bisschen rauskommst. Dass es eher nicht aufwärts geht, wenn man sowieso schon depressiv ist und dann nur rumhockt ist ja ziemlich vorprogrammiert. Aber ich kenn' mich hier gut aus, gibt so einige Möglichkeit sich in Havanna zu beschäftigen.", redete ich so ein bisschen vor mich hin und musterte Richard dabei noch einmal flüchtig. Blieb wohl zu hoffen, dass Sabin uns auch ohne die Handschellen rausließ, andernfalls könnten wir uns vor Blicken ziemlich sicher nicht retten und das wäre mir vermutlich ziemlich unangenehm. Außerdem dürfte der Dunkelhaarige hier definitiv nicht vergessen sich einzucremen, wenn er keinen Sonnenbrand haben wollte. Für ein Leben auf Kuba hatte er eindeutig zu blasse Haut und sollte sich besser hin und wieder mal ein bisschen in die Sonne legen - vorsichtig und nicht zu lang, versteht sich.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich war wirklich froh, dass Samuele sich mit weiteren Fragen in diese Richtung zurück hielt, hatte ich doch nicht besonders viel Lust darauf, mir den Tag der Tat noch einmal vor Augen zu führen, um ihm bis ins kleinste Detail alle Einzelheiten zu schildern. Demnach war das Thema dann auch vom Tisch, denn ich brauchte den Italiener wohl kaum zu fragen, weshalb er nicht besonders gut auf Hunter zu sprechen war. Darüber hatten wir schließlich schon gesprochen, als Sabin mich in Begleitung von Sam nach meinem Ausreißer nach Hause chauffiert und uns dazu gezwungen hatte, miteinander zu reden. Außerdem war Sammy augenscheinlich bereits damit beschäftigt, sich über meine nachfolgenden Worte Gedanken zu machen, was mir deutlich lieber war, als jetzt noch weiter über den Amerikaner zu reden. Hätte meine Laune doch ziemlich sicher nur wieder ins Bodenlose gerissen, wo sie doch gerade auf dem besten Weg war, ansatzweise brauchbar für einen wenig anstrengenden, halbwegs entspannten Abend zu werden. Gut, der kleine Dämpfer in Form von Gedanken an damals war zwar nicht gerade schön und ließ mich kurzzeitig leise seufzen, aber Samuele hatte schon Recht mit dem was er sagte und sollte Sabin uns künftig tatsächlich ein wenig mehr Spielraum für etwaige Unternehmungen außerhalb von geschlossen vier Wänden einräumen, dann sah ich tatsächlich Chancen, mich wieder halbwegs sortiert und auf die Beine zu bekommen. Allerdings bezweifelte ich, dass sich der Italiener gleich nach dem ersten Treffen mit Sammy dafür aussprechen würde, weil ich vom Kopf her doch noch ziemlich instabil war und zwischendrin auch bei den überwachten Ausflügen vor die Haustür Stress gemacht hatte. Wieder laut geworden war, weil ich nicht gewusst hatte, wohin mit der ganzen Euphorie, die gen Ende wieder in Frust umgeschlagen war, weil postwendend zurück in meine kleine Zelle gesperrt worden war. Also ja, das Ganze blieb weiterhin spannend, aber wenn der junge Mann neben mir ebenfalls Erfahrungen mit Drogen und dem Entzug - er sah mir zumindest nicht danach aus, als konsumierte er immer noch regelmäßig - gemacht hatte, dann wusste er vermutlich besser, wie er mit den Stimmungsschwankungen umzugehen hatte und je länger wir uns wie zwei normale Menschen auf Augenhöhe unterhielten, desto ruhiger wurde ich innerlich. Zwar bemühte sich auch Sabin und ganz besonders Sydney darum, sich auch daheim mit mir halbwegs normal zu unterhalten, aber es waren wohl einfach die bekannten Gesichter, die mir von Zeit zu Zeit auf den Keks gingen. Auch diese Heuchelei von Mitleid der ehemaligen FBI Agentin kotzte mich mittlerweile nur noch an und Sabin war inzwischen auch des öfteren mal gestresst, hatte deshalb nicht mehr allzu viel Zeit und Nerven, die er in meine mentale Genesung stecken konnte... oder wollte, wie auch immer. Jedenfalls merkte ich, dass ich gedanklich zunehmend beschäftigter war und die Drogen zumindest für einen Augenblick in den Hintergrund rückten, weil ich mich mehr auf das Gespräch konzentrierte. "Hört sich... gut an.", äußerte ich vorsichtig und schenkte Sam ein aufrichtiges Lächeln, weil seine Worte seit Langem Musik in meinen Ohren war, dessen Klang ich beinahe vergessen hätte. Ein Hauch von Freiheit - die über den Vorgarten hinaus ging - würde mir womöglich wirklich gut tun und sich mit einem mehr oder weniger Einheimischen die Stadt anzusehen war gleich um ein Vielfaches besser, als wenn man eigens auf Entdeckungstour ging. Früher oder später würde man vermutlich trotzdem die letzten Ecke der Stadt entdecken, aber das dauerte möglicherweise Ewigkeiten und wenn man jemanden hatte, der all die schönen Spots bereits kannte, war das schon fast wie ein Sechser im Lotto. Ich hatte von Havanna bis jetzt nämlich noch genau gar nichts gesehen, außer den Flugplatz, mein Eigenheim und ein paar verschwommene Häuserfassaden der Altstadt, die im Auto bei hoher Geschwindigkeit nur so an mir vorbei gezogen waren. "Ich weiß ehrlich gesagt immer noch nicht so wirklich, was ich von der Ganzen Sache halten soll, aber hey... wir hatten es ja gerade darüber, dass man manches einfach auf sich zukommen lassen muss, hm?", stellte ich mit einem Hauch von Sarkasmus in der Stimme fest, hob meinen Blick jetzt wieder an, um den von Samuele zu suchen. Dann nickte ich wieder in Richtung Wohnzimmer, um zu signalisieren, dass ich mich gerne wieder auf die Couch verkrümeln wollte. Hier jetzt den ganzen Abend an der Küchentheke gelehnt stehen zu bleiben stand mir nämlich weniger im Sinn und beide Gemüter dürften sich mittlerweile beruhigt haben, sodass es zu keiner weiteren Eskalation inklusive Handgreiflichkeiten oder der Verteilung von Fäusten kommen dürfte. "Als Sabin mich hierher gebracht hat, hätte ich am liebsten gegen seine Dreckskarre und ihm anschließend in seinen ansehnlichen Hintern getreten, weil ich der Geschichte hier echt kritisch gegenüber stehe, aber momentan ist es doch echt angenehmer, als wenn mir Zuhause die Decke auf den Kopf fällt.", fügte ich ein paar deutlich ernster klingende Worten hinten an, um dann das Kühlakku sinken zu lassen und mir die Wasserflasche zwischen die Arme zu klemmen. Weil ich für das Glas leider keine weitere Hand mehr frei hatte, blieb jenes einfach auf der Theke stehen, als ich langsam dazu ansetzte, mich wieder in Richtung Wohnzimmer zu bewegen.
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Gegen die künftigen Ausflüge schien der Engländer nichts einzuwenden zu haben, was uns beiden sicherlich zu Gute kam. Hätte er sich dagegen auch noch gesträubt wären wir vermutlich in hundert Jahren noch nicht allein draußen außerhalb meiner Wohnung. Zwar konnte er, wenn es erst einmal soweit war, natürlich auch draußen reichlich Probleme machen, aber ich hoffte es jetzt einfach mal nicht. Immerhin verstanden wir uns nach der schwierigen Anfangsphase jetzt ganz gut, falls man das so sagen konnte. Zumindest konnten wir beide uns jetzt wie zwei halbwegs normale Menschen unterhalten, die lediglich auf komischen Themengebieten unterwegs waren. Je schneller ich mich an Gespräche dergleichen gewöhnte, desto besser wäre das vermutlich für mich, auch wenn sich mein Inneres weiterhin ein wenig dagegen sträuben wollte. Es führte halt leider einfach kein Weg daran vorbei, wenn ich nicht irgendwann vollkommen wahnsinnig werden wollte. Ich konnte die Sache noch so beschissen finden und trotzdem saß ich in dieser Kiste fest. Seine noch folgenden Worte ließen mich leise auflachen, bevor ich mich von der Theke lossagte und dann aber doch nebenher mit einer lockeren Handbewegung nach seinem Glas griff. Ob er es noch wollte oder nicht war dabei für mich nicht wirklich relevant. Wenn nicht, dann stand es anschließend eben umsonst im Wohnzimmer herum, aber wo Richard doch gerade alle Hände voll oder verhindert hatte wollte ich einfach Abhilfe schaffen. Würde mich schließlich nicht umbringen das Glas mit rüberzunehmen. "Da sind wir schon zwei.", stellte ich fest, was die Sache anging, dass er nicht so recht wusste, was er denn nun von Alledem halten sollte. Ging mir ja genauso. Ich konnte nicht anders als die Möglichkeit im Hinterkopf zu behalten, dass Sabins Plan mit uns beiden noch ganz gewaltig schiefging. In welche Richtung genau wusste ich zwar nicht, weil es da sicher einige verschiedene Optionen gab, aber so ganz grundlegend blieb das Risiko eben einfach bestehen. Hing einzig von dem Kerl auf Drogenentzug ab, ob die Geschichte in die Hose ging oder eben nicht. Allerdings erheiterte mich die noch folgende Aussage des Dunkelhaarigen gleich noch mehr. Sabins ansehnlicher Hintern? Ich kam nicht umher ein weiteres Mal in mich hineinzulachen, als ich dem jungen Mann zum Sofa folgte. Dabei war es nicht die Tatsache, dass das schon ziemlich stark danach klang, dass er schwul war, weil mich das ja nicht im Ansatz störte. Schließlich war ich selber weder dem einen, noch dem anderen Geschlecht abgeneigt und eckte damit hier auf Kuba immer wieder bei so manchen Leuten an. Die meisten waren eher ziemlich konservativ eingestellt, da fand das nicht jeder so gut wie ich selbst. Das war es also eher nicht, worüber ich mich amüsierte. Viel mehr lag meine Erheiterung daran, dass er so über Sabin redete. Zwar könnte ich wohl nicht verneinen, dass der Italiener rein optisch schon seinen Reiz hatte, aber bei seiner Persönlichkeit hörte es dann doch auf. "Pass nur auf, dass du dir nicht auch noch das Stockholm-Syndrom einfängst. Ich glaub' damit hast du eher schlechte Karten.", erwiderte ich reichlich ironisch und schüttelte leicht vor mich hin grinsend den Kopf, als ich mich wieder aufs Sitzpolster fallen ließ und stellte dann im Anschluss das Glas vor Richard auf dem Tisch ab. Der Ex-Mafioso - wobei er streng genommen jetzt ja doch irgendwie wieder einer war, so ganz nüchtern betrachtet - machte mir jetzt nicht gerade den Eindruck, als hätte er ein Faible fürs männliche Geschlecht. Zwar konnte ich mich da theoretisch auch täuschen, weil es doch einige Männer gab, die das in der Öffentlichkeit gerne versteckten, aber Sabin wirkte eben absolut gar nicht so. Auch ohne das Wissen, dass zwischen Sydney und ihm was lief. "Aber freut mich, dass du mich jetzt als nicht mehr ganz so lästig empfindest... das macht's auf jeden Fall einfacher.", stellte ich abschließend fest, dass es uns beiden nur zu Gute kommen konnte, wenn er sich mit der Situation hier abfand oder ihr im Idealfall eben sogar noch etwas Positives abgewinnen konnte. "Hast du eine Ahnung davon, wie lang Sabin braucht? So... mindestens? Normalerweise würde ich jetzt eigentlich schlafen gehen.", hängte ich noch eine leicht gemurmelte Frage hinten ran, die mir durch den Schädel kreiste. Zwar hatte ich mich gedanklich sowieso schon von einem ausreichenden Maß an Schlaf verabschiedet, aber so ganz grob wäre es schon gut zu wissen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es wäre auch ziemlich verwunderlich gewesen, wenn sich Samueles und meine Ansichten diesbezüglich unterschieden hätte, weil er doch bereits bei unserer Ankunft ziemlich deutlich gemacht hatte, dass ihm absolut nicht wohl bei der Sache war, einen ganzen Abend lang mit mir alleine gelassen zu werden. Demnach kam die Offenbarung, dass auch er dem Ganzen misstrauisch gegenüberstand, nicht einmal überraschend und ich quittierte seine Worte lediglich mit einem schiefen Grinsen, als ich neben ihm zurück ins Wohnzimmer schlurfte. An der Couch angekommen, legte ich den Kühlakku ein weiteres Mal zur Seite, um die Wasserflasche unbeschadet auf dem Tisch neben dem Glas abzustellen, welches Sam freundlicherweise für mich mitgenommen hatte. Ich bedankte mich mit einem schwachen Nicken, ehe ich mich mit einem leisen Seufzen tiefer ins Polster sinken ließ, die Augen wieder auf den Fernseher heftete. Jedoch nur für wenige Sekunden, weil Sammy meine vorangegangenen Worte ganz offensichtlich nicht unkommentiert lassen wollte und mich indirekt damit aufzog, dass ich unter Sabins Fittichen noch eine weitere psychische Störung zu entwickeln schien. Hielt ich allerdings für Quatsch und nahezu unmöglich. Schon alleine deshalb, weil der Italiener so überhaupt nicht die Art von Mann war, auf die ich stand. Hätte ich wirklich Lust gehabt, etwas flachzulegen - oder mich flachlegen zu lassen, da war ich nicht besonders wählerisch, wobei ich mich momentan vermutlich für weder noch begeistern lassen würde -, dann hätte ich Sabin wohl trotzdem nicht von der Bettkante gestoßen, weil ich das mit dem ansehnlichen Hintern durchaus ernst gemeint hatte. Aber für etwas längerfristiges war er mir dann doch ganz einfach zu alt und vom Gesicht her irgendwie nicht mein Typ. Ich selbst trug zwar für gewöhnlich einen stets ordentlich getrimmten Dreitagebart, aber attraktiv fand ich das an anderen Männern trotzdem nicht. Außerdem hatte er für meinen Geschmack eindeutig zu viele Tattoos, die ihm zwar durchaus standen, aber für jemanden, der sich nackte Haut einfach deutlich lieber ansah, als die Tinte, die sie zierte, war das einfach nicht so wirklich das Wahre. Ich konnte Samuele dahingehend also ohne weiteres beruhigen, auch wenn ich nicht so genau wusste, wie ich darauf jetzt eigentlich überhaupt reagieren sollte. Ich hatte die Anmerkung bezüglich des italienischen Hinters eher beiläufig gemacht und nicht damit gerechnet, dass Sammy da noch einmal drauf zu sprechen kommen würde, weshalb ich ihn einen Moment lang aus nachdenklichen Augen heraus ansah. "Puh, ich geb' mir Mühe.", antwortete ich schließlich jedoch reichlich ironisch und natürlich nicht ohne das schiefe Grinsen, welches mir postwendend wieder Schmerzen in der Unterlippe bescherte. Also wanderte das Kühlpad kurzum zurück an die geschundene Stelle und der amüsierte Ausdruck verblasste langsam. Ich hatte meinen Blick weiterhin auf den jungen Mann neben mir gerichtet, weil mich das, was im Fernsehen lief ja doch nicht interessierte und er wenige Sekunde später noch ein weiteres Mal das Wort an mich richtete. Dieses Mal mit einer Frage, auf die ich ihm leider nur eine relativ ernüchternde Antwort geben konnte, weil das Herstellen von Crystal Meth leider besonders zeitintensiv war und somit nicht in wenigen Minuten abgeschlossen sein würde. Nichtsdestotrotz musste ich kurzzeitig nachdenken, wie lange das Ganze mal mindestens in Anspruch nahm. Das letzte Mal, als ich mich hinter Erlenmeyerkolben und Bunsenbrennern aufgehalten hatte lag jetzt schon eine ganze Weile zurück und ich wollte ihm jetzt auch nichts Falsches sagen. "Hm, so konkret lässt sich das nicht sagen. Sicher ein paar Stunden...", murmelte ich nachdenklich und beschloss, die Aussage doch noch ein wenig zu konkretisieren. "Ich würde schätzen, dass wir uns noch mindestens zwei oder drei Stunden an der Backe haben.", hängte ich entsprechend informativere Worten an meine Vermutung an, zuckte dabei ein wenig mit den schmalen Schultern. Im direkten Anschluss folgte bei der Erwähnung des Wortes Schlaf seitens Sammy auch noch ein ausgiebiges Gähnen, welches symbolisieren sollte, dass in den letzten Tagen auch bei mir um diese Uhrzeit bereits die Hose kalt am Nagel hing. War leider eine der gängigen Nebenwirkungen des Clonidins, welche seit geraumer Zeit zu wirken angefangen hatte und mich damit zunehmends in seinen Bann zog. So richtig zur Ruhe kommen war unter den gegebenen Umständen natürlich alles andere als einfach, aber wenn es hart auf hart kam, dann würde ich mich wohl auch mit einem Powernap auf der Couch zufrieden geben. Mein Nacken würde sich anschließend zwar darüber beschweren, aber dann war das halt so. Etwas wirklich besseres wollte mir jetzt nicht unbedingt einfallen.
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Mühe würde er sich also damit geben. Es war auch insofern nicht wirklich relevant, ob er das nun ernst meinte oder nicht - so oder so täte er sich einen Gefallen damit. Es war schon irgendwie sehr ironisch, dass die kubanischen Landsleuten ansonsten immer so offenherzig und freundlich waren, aber wenn es um sowas wie gleichgeschlechtliche Paare ging so engstirnig waren. Nicht alle natürlich, aber ich hatte es hier grundsätzlich leichter mit einer Freundin als mit einem Freund gehabt. Allerdings ließ ich mich davon nur wenig bis gar nicht beirren - solange ich selbst mit Jemandem glücklich war, war mir in der Regel relativ egal was andere davon hielten. Es sei denn alle meiner Freunde waren sich einig damit, dass derjenige ein ordentlicher Griff ins Klo und nicht gut für mich war. Das war wohl der einzige Punkt, an dem ich mein Handeln und meine Gefühle lieber noch einmal genauer überdenken würde. Bisher hatten sie damit nämlich jedes Mal goldrichtig gelegen und ich vertraute ihnen was das anging dementsprechend schon ein Stück weit. "Besser wär's... man sollte ja meinen die Kubaner wären genauso so offen wie sie nett sind, aber viele sind da echt verklemmt... wobei das für dich vermutlich nicht so relevant ist, wenn du dich im Untergrund hältst.", sinnierte ich was das anging so ein bisschen vor mich hin und zuckte im Anschluss ein klein wenig mit den müden Schultern. Verbrecher hielten sich für gewöhnlich ja grundsätzlich eher bedeckt, oder zumindest nahm ich das mal stark an. Sabin und Hunter stand bestimmt nicht im Sinn sich sofort wieder ins Visier zu rücken und Richard hatte wohl auch erst einmal genug von... allem halt. Er war immerhin noch nicht ansatzweise wieder auf dem Berg, was die bleibenden Schäden der letzten Misere betraf, also sah er sicher gerne von einer neuen ab. Was Sabins Rückkehr anging verlief die Antwort des Engländers ziemlich ernüchternd. Erstens ließ sich das scheinbar nicht besonders genau eingrenzen, also lieferte er mir eher nur einen ganz groben Richtwert was die Stundenanzahl anging und zweitens hieß das auch, dass ich keine Ahnung davon hatte, wann ich wirklich mal endgültig ins Bett fallen durfte, beziehungsweise konnte. Richard würde ich dabei eher nicht gern neben mir liegen haben. Vermutlich war ich was das anbelangte unnötig paranoid, aber ich würde neben ihm wohl kein Auge zubekommen, weil ich permanent im Hinterkopf haben würde, dass er ja doch wieder eine Hand an meinen Hals legen könnte. Weniger sanft dann, versteht sich. Da konnte er wohl noch so oft sagen, dass er keine Leute umbrachte und trotzdem würde es sicher noch eine Weile dauern, bis ich ihm das final abkaufen würde. Aber so wie es aussah hatten wir ja ohnehin noch recht viel Zeit zu Zweit was die Zukunft anbelangte, ich konnte was das anging also durchaus optimistisch gestimmt sein. "Shit... okay, vielleicht geh ich dann einfach gar nicht mehr schlafen.", erwiderte ich mit einem hörbaren Seufzen recht ironisch darauf und massierte mir kurz die mügen Schläfen. Darauf folgte dann prompt Richards Gähnen. "Kannst ruhig die Augen zumachen, wenn du magst.", ließ ich ihn wissen, dass er es mir mit dem Wachbleiben nicht zwangsweise gleichtun musste, wenn er gerne ein bisschen vor sich hindösen wollte.
---> Le Zeitsprung von... 3 Tagen, weil dann haben die final endlich mal neue Möbel in ihrer Villa, das hält ja keiner aus. XD
Der Tag war bis hierhin ziemlich zufriedenstellend, wenn auch körperlich anstrengend gewesen. Ich hatte ein paar von den Jungs kommen lassen, damit die Geschichte mit den Möbel schneller und einfacher vonstatten ging. Immerhin gab es so einige Räume in unserem Haus, die neu bestückt werden wollten und noch dazu musste der alte Krempel ja vorher noch raus aus der Bude. Teilweise hatten sich die Jungs quasi als kleinen Extralohn daran bedient und der Rest war gerade auf dem Weg in einen Secondhand-Möbel-Shop in der Stadt. Ich hatte nicht die Nerven und die Zeit dazu den Krempel einzeln zu verkaufen und hatte Ashton darum gebeten das Zeug dort abzuliefern, wie ich es mit dem Geschäftsinhaber noch vor ein paar Tagen abgeklärt hatte. Bei meiner rechten Hand wusste ich, dass er verhandlungssicher war und sich mit dem Preis, der letztlich nach Begutachtung geboten wurde, nicht einfach so abspeisen lassen würde. Er hatte bisher noch bei jedem Händler - egal ob Schwarzmarkt oder nicht - eine gute Summe rausgeschlagen und würde mich sicher auch dieses Mal nicht enttäuschen, also vertraute ich ihm damit einfach mal. Von so immensem Wert war der Krempel vermutlich sowieso nicht, wenn nicht zufällig ein oder zwei Antiquitäten mit drin waren, aber wie dem auch sei - sofern wir uns nicht im Nachhinein noch ab und zu mal umentschieden, welches Möbelstück nun wo seinen richtigen Platz hatte, erstrahlte die Villa jetzt endlich in ihrem vollen Glanz und hatte ihren wesentlich moderneren Touch abgekriegt. Sah hier jetzt nicht mehr so aus, als würden ein paar Rentner das Ehebett beziehen und die Jungs waren gerade eben - kurz nach 15 Uhr - alle wieder abgedampft, also hatten Cosma und ich unsere Ruhe. Ich musste erst heute Nacht wieder los, was die Arbeit anbelangte und würde höchstens noch eine kleine Trainingseinheit einlegen, wo ich doch jetzt ein eigenes, kleines Fitness-Paradies in einem der Kellerräume hatte. Dort war es am kühlsten, also auch am angenehmsten für körperliche Betätigung und dass kein Tageslicht vorhanden war störte mich nicht. Ich musste mich nun mal fit halten, wenn ich weiterhin schon auf den ersten Blick Angst und Schrecken verbreiten wollte, was in den letzten Wochen verletzungsbedingt deutlich zu kurz gekommen. Nur ein bisschen mit dem eigenen Körpergewicht zu trainieren war nun mal leider nicht so effektiv wie Gewichte zu stemmen. Ich schloss jetzt wieder zu Cosma auf, nachdem ich noch das letzte Paar Hanteln nach unten in den Keller geschleppt hatte und betrat nun die Küche. Die Rothaarige war gerade eben beiläufig von mir darum gebeten worden, mir doch schon mal ein bisschen Whiskey aus dem Kühlschrank mitsamt Eiswürfeln in ein Glas zu kippen, solange ich noch den letzten Handgriff erledigte und so erwartete mich bereits mein gekühltes Belohnungsgetränk, als ich leicht grinsend bei ihr ankam. Denn ja, ich hatte ziemlich gute Laune. Passierte wohl automatisch, wenn man sich im eigenen Haus wegen neuem Mobiliar tausend mal wohler fühlte als vorher und man den Umzug damit endgültig hinter sich hatte. "Endlich... wurde echt Zeit.", stellte ich Cosma gegenüber noch einmal fest, dass es mich erleichterte den Krempel losgeworden zu sein und griff dann mit einem dankenden Nicken in ihre Richtung nach dem Whiskeyglas auf der Kücheninsel. "Darauf, dass wir jetzt nicht mehr wohnen müssen wie in den Achtzigern... und darauf, dass unser neues Bett nicht quietscht.", sprach ich einen kleinen Toast aus und hob das Glas kurz an, wobei ich die junge Frau gegenüber vielsagend ansah und im Anschluss nippte ich dann durchweg zufrieden am Alkohol. Mein erstes Glas heute, nebenbei bemerkt. "Sag mal...", setzte ich nach ein paar Sekunden des Schweigens dann erneut zum Reden an und trat an ihre Seite, um den freien Arm nach ihr auszustrecken und ihn am Rücken um ihre Taille zu legen, sie nah an mich ranzuholen. "...hattest du eigentlich schon Pläne für 'ne neue Bar? Oder willst du das gar nicht mehr?", fing ich erst einmal ganz unscheinbar damit an, ein ganz anderes Thema als unser Haus anzuschneiden und nippte danach noch ein weiteres Mal an dem kühlen Alkohol. Die Frage war in geschäftlicher Hinsicht gerade recht relevant für mich, weil ich ohne eine neue Bar seitens Cosma einen anderen Weg brauchen würde, um das zukünftige Falschgeld zu waschen. Die Planung für letzteres war jetzt mehr oder weniger abgeschlossen und bis zur makellosen Umsetzung würde es zwar noch ein bisschen dauern, weil erst einmal entsprechender Kram dafür her musste und so weiter, aber es wäre auch unauffälliger, wenn die Bar schon ein kleines bisschen lief, wenn wir dann die Blüten einschleusten. Zeitliche Versetzung war manchmal maßgeblich für die Tarnung und in diesem Fall sicher nicht verkehrt.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Weil ich bei der Entrümpelung unserer Villa vermutlich eh keine besonders große Hilfe gewesen wäre, hatte ich mich am späten Vormittag in den Bus gesetzt und war in die Stadt gefahren. Schwere Möbel zu schleppen war nun mal einfach nicht mein Ding und Kleinkram, wie beispielsweise Vasen oder Kerzenständer hatte ich bereits in den Tagen nach unserem Einzug entsorgt. Somit oblag die Verantwortung bei Hunters Jungs und ihm selbst, während ich mich um den Einkauf kümmerte. Zwar brauchten wir nur ein paar Kleinigkeiten, weil der Großeinkauf deutlich angenehmer mit dem Auto zu bewerkstelligen war, aber ich nutzte die Zeit in der Stadt auch dazu, einfach ein paar der Straßen in der Altstadt auf und ab zu laufen. Der Strand hinter dem Haus war natürlich wunderschön und auch am Pool ließ es sich bei den Temperaturen aushalten, aber ich wollte nicht in demselben Trott wie damals verfallen. Auch mal raus kommen und nicht nur Zuhause herum sitzen. Außerdem wollte ich diesem ganzen dekorativen Krimskrams - nach dem man in meiner alten Wohnung vergebens gesucht hatte - noch eine Chance geben und mich darum bemühen, Hunters und mein Eigenheim gemütlich einzurichten. Natürlich wurde ich dadurch nicht gleich zum Messi, war aber ohnehin sehr wählerisch, was etwaige Dekoartikel anging. Letzten Endes hatte ich mich lediglich für ein paar relativ echt aussehende Kunstblumen - so richtiges Gestrüpp würde unter unseren schwarzen Daumen innerhalb von wenigen Tagen verfaulen oder austrocknen - und ein paar Kerzen inklusive passendem Behältnis entschieden. Das alles hatte ich in der einen, unseren Einkauf für ein oder zwei Tage in der anderen Hand, als ich es nach mehreren Stunden durch die Stadt trödeln endlich fertig gebracht hatte, nach meiner Heimkehr die Haustür aufzuschließen. Gut, streng genommen war sie von einem der Jungs im Inneren aufgezogen worden, was mir ziemlich egal und nur recht war. Ich bedankte mich mit dem gewohnt schmalen, eher kühlen Lächeln für den Einlass und ließ den Schlüssel vorerst im Schloss stecken. Jeder der hier im Haus aktuell Anwesenden würde sich davor hüten, ihn einfach einzustecken, weil sonst vermutlich der Bär steppen würde. Stattdessen schob ich mich in den Flur hinein und trug die Einkäufe und meine Errungenschaften in die Küche, wo ich die beiden Tüten auf der Kücheninsel abstellte und gerade, als ich angefangen hatte, den verderblichen Kram zu verräumen, steckte Hunter seinen Kopf durch die Tür. Augenscheinlich - und das war mir bereits beim Betreten des Hauses aufgefallen - schienen sie zeitnah die letzten Möbel an ihre vorgesehenen Plätze zu schieben und ich wurde darum gebeten, einen kühlen Whiskey auf Eis bereit zu halten, wenn er dann gleich zurückkehren würde. Ich nickte seinen Wunsch als Zeichen der Kenntnisnahme ab, widmete mich dem Einschenken des flüssigen Goldes jedoch erst dann, als der Rest seinen Platz im Kühlschrank oder den umliegenden Regalen gefunden hatte. Just in dem Moment, als der Amerikaner erneut die Küche betrat, wanderte die Flasche Whiskey wieder in den Kühlschrank zurück und ich schob Hunter kurz darauf das Glas mit dem Drink zu. Natürlich nicht, ohne ihm dabei ein aufrichtiges Lächeln zu schenken, denn auch wenn ich alle anderen eher mit einer kühlen, beinahe abweisenden Art strafte, hatte ich doch wirklich gute Laune. Zum einen eben deswegen, weil ich wirklich froh war, dass die Möbel der Achtziger endlich ihren Weg raus aus diesem Haus gefunden hatten und zum anderen war mir heute einfach noch niemand wirklich auf die Nerven gegangen. Was nicht zuletzt vielleicht auch daran lag, dass ich die meiste Zeit über alleine unterwegs gewesen war. Hätte ich mich doch dazu entschieden, das Einkaufen auf wann anders zu legen und Zuhause mitzuhelfen, wo es mir möglich war, dann sähe das mit der guten Laune vermutlich anders aus. Mit Hunters Jungs kam ich eigentlich gut aus. Wir hatten halt nicht besonders viel miteinander zutun, aber meine Position als Freundin des Chefs verlieh mir dahingehend auch einfach grundlegende Privilegien. So wurde ich beispielsweise schon mal nicht dumm angequatscht und das war im Prinzip auch alles, was zählte. Hier und da ein knapper Smalltalk und ansonsten war es das dann auch schon wieder gewesen. Nichtsdestotrotz wusste ich, dass längeres Aufeinanderhocken so rein vom charakterlichen einfach vollkommen in die Hose gegangen wäre und wir einander irgendwann nur noch angezickt hätten, wenn etwas nicht funktionierte. Ich war also ganz froh, dass Hunter keinen Einspruch einlegte, als ich ihm mitteilte, dass ich heute in die Stadt gehen und ein paar Erledigungen tätigen würde. Nun, jedenfalls standen wir jetzt also gemeinsam in unserer Küche und ich konnte dem Tätowierten dahingehend nur zustimmen, war ich doch auch ganz froh, dass sie alte Möbel endlich weg waren. "Bin auch echt froh... ich glaube, dass ich um ein paar Jahre gealtert bin, seit wir hier einzogen sind.", stellte ich hörbar ironisch fest und angelte mir parallel dazu eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank, in dem ich gerade noch Aufschnitt für die Woche verstaut hatte. Kurz darauf umrundete Hunter die kleine, mittig gelegene Kücheninsel, um zu mir aufzuschließen und seinen Arm um meine Taille zu legen. Das kam in der letzten Zeit zwar durchaus öfter und eben auch einfach mal so vor, aber ich konnte förmlich riechen, dass das hier und heute noch einen anderen Hintergrund hatte, was sich wenige Augenblicke später auch bestätigen sollte. Ich hatte nach dem Toast gerade einen Schluck von meinem Wasser genommen, da stand der junge Mann auch schon neben mir und noch während ich die Wasserflasche wieder verschloss, lehnte ich meinen Kopf an Hunters muskulöse Brust, hörte dabei aufmerksam zu. Ob ich schon Pläne für eine neue Bar hatte? War das sein Ernst? Natürlich nicht, denn für eine Bar brauchte es erst einmal entsprechend Kohle und auch wenn Hunter mir vermutlich ein paar tausende Euro hätte vorstrecken können, bevorzugte ich es dieses Mal doch eher, alles aus eigener Tasche zu bezahlen und mich nicht noch ein weiteres Mal wegen steuerlicher Vorteile in den Kaufvertrag eintragen zu lassen. Dementsprechend brauchte ich auch gar nicht lange, meinem Freund darauf eine entsprechende Antwort zukommen zu lassen. "Wollen schon noch, aber wohl nicht in naher Zukunft.", äußerte ich nachdenklich und mit einem schwachen Schulterzucken. Erst mal war es in meinen Augen deutlich wichtiger, dass ich selbst einen halbwegs brauchbaren Job fand, damit auch der Wocheneinkauf nicht ständig aus Hunters Geldbeutel gezahlt werden musste. Mochte sein, dass ihm das nichts ausmachte, aber ich fühlte mich einfach nicht gut dabei, jemanden derart lange und wie selbstverständlich auf der Tasche zu liegen. Dafür war ich einfach zu lange alleinstehend gewesen, als dass ich mich mal eben so von jemanden abhängig machen konnte. "Ich wollte mich die Tage mal wegen einem Job umschauen und dann, wenn das Geld da ist, werde ich es sicher wieder in etwas eigenes Kleines investieren.", klärte ich den jungen Mann über meine Zukunftspläne auf, wobei sich mir natürlich schon die Frage stellte, warum er das gerade jetzt wissen wollte.
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Das war nun natürlich nicht ganz die Antwort, die ich am liebsten hatte hören wollen. Am besten wäre es selbstredend für mich gewesen, wenn sie lieber zeitnah wieder mit einer Bar hätte aufwarten wollen. Halt mir einem Kredit oder Irgendwas in dieser Richtung, weil ich ja durch die Sache mit dem Pokertisch damals bestens wusste, wie sehr die Rothaarige immer darauf bestand Dinge aus eigener Kraft zu stemmen. Daran war auch wirklich nichts verwerfliches, ich fand das gut. Auf eine Frau, die nur an meiner Seite saß, weil sie gerne in meinem Geld badete und sich deshalb vögeln ließ, während sie mir ihre ach so große Liebe vorspielte, konnte ich nämlich sehr gut verzichten. Alles in die eigenen Hände zu nehmen war auch eine Sache, die Cosma und ich gemeinsam hatten, nur war das in diesem Fall für mein Anliegen eher ein bisschen hinderlich. Es war ja auch gar nicht so, als würde ich ihr die Bar einfach so sponsern wollen. Es reichte in meinen Augen vollkommen aus, dass ich schon die Bude hier für uns beide bezahlt hatte - was wiederum aber nicht hieß, dass ich von Cosma verlangen würde mir auch hierbei die Hälfte zurückzuzahlen. Ich hatte sie schließlich trotz des hier und da aufkommenden Streits gern hier bei mir und hätte mir sicher auch allein ein Haus in dieser Größenordnung und mit diesem Grad an Luxus gegönnt, weil ich das Geld nun mal einfach hatte. Das war von meinem BMW in Norwegen abgesehen die einzige große Sache, die ich mir von all meinen Verdiensten gegönnt hatte, die auch nicht in Verbindung mit meinen Geschäften stand. Nach mehreren Jahren voll Mord und Totschlag hatte ich es mir schlichtweg verdient auch mal Sonnenseiten des Lebens zu genießen. Außerdem war ich wohl auch ganz froh darum, dass die junge Frau die Sache mit dem Haushalt übernahm, weil ich mich mit solchen Dingen eher ungern befasste. Wenn sie selbst wieder mehr arbeitete oder eben eine Bar neu aufbaute, dann kam das vielleicht auch ein bisschen zu kurz. Es ließ sich jedoch bestimmt eine Haushaltshilfe finden, die uns solche Lappalien abnahm. Musste ja keine junge, hübsche Frau sein - ich war auch mit einer Frau Mitte Vierzig zufrieden, solange sie ihrer Arbeit nachkam und ich nichts zu bemängeln hatte. Mit einer etwas älteren Frau konnte meine Freundin sich bestimmt auch besser anfreunden und ich beugte Eifersuchtstragödie Nummer Zwei damit gleich vor. Bisher war das noch nicht relevant, aber irgendwann würde es sicher schwer für die Rothaarige sein beides zu stemmen, mich auch noch irgendwo in ihrem Alltag unterzubringen und ich hatte selbst auch mehr als genug um die Ohren. Würden wir einfach dann sehen, wenn es soweit war. Ich hatte Cosma aufmerksam zugehört und fing unweigerlich ein bisschen zu grinsen an, als ich ihren unterschwellig fragenden Blick sah. Sie kannte mich wohl inzwischen einfach gut genug, um bereits aus meiner unerwarteten Frage zuvor herauszulesen, dass ich mal wieder dabei war ein bestimmtes Ziel zu verfolgen. "Hmm... und wenn ich dir genug Geld dafür gebe? Vahagn bringt den Rest meiner Kohle auch noch her, wär also gar kein Problem.", stellte ich ihr noch eine weitere Frage. "Du würdest es natürlich nach und nach zurückzahlen. Ich weiß ja, dass du nicht heiß drauf bist wegen Geld in meiner Schuld zu stehen. Der Kaufvertrag würde auch auf dich laufen, heißt es ist deine Bar und du kannst damit machen, was du willst.", fügte ich lieber nach zwei Sekunden Schweigepause noch ein paar mehr Wörter hinten an, damit sie mich damit nicht missverstand. Ich würde sie bestimmt nicht daran hindern mir das Geld wieder zurückzuzahlen, wenn ihr sowas nach wie vor wichtig war. Mehr Geld für mich war schließlich immer gut und so hätte ich insgesamt genau gar keine Kosten für den Geldwäscheposten. Idealer ging es gar nicht. An der Bar an sich hatte ich auch kein Interesse, hieß sie konnte dort von mir aus gerne schalten und walten, wie ihr beliebte. War mir egal wie es darin aussah oder welche Getränke sie anbot, solange die Kundschaft nicht ausblieb. "Und wie du dir sicher schon denken kannst, hab ich einen kleinen Hintergedanken dabei...", setzte ich dann auch noch zu der Aufklärung der Sache an, weil Cosma vermutlich immer noch nicht wirklich schlau aus meinem vorherigen Gerede wurde. Gab schließlich nur sehr selten Dinge, in die ich freiwillig Geld investierte, ohne selbst davon irgendeinen Nutzen zu haben. "Die Lagerhalle, die wir neulich ausgeräumt haben, war eine alte Druckerei. Heißt im Umkehrschluss, dass ich jetzt so ziemlich alles dafür habe, mir mein eigenes Geld zu drucken. Aber ich muss es natürlich waschen, damit es mir wirklich was nutzt und kein Besoffener kontrolliert in einer Bar sein Wechselgeld, wenn du verstehst, was ich meine.", brachte ich Licht ins Dunkle und machte dabei mit dem Whiskeyglas in der Hand eine unterstreichende Handbewegung. "Mit dem Drucken hättest du ansonsten natürlich nichts zu tun, geht wirklich nur darum die Blüten an den Mann zu kriegen. Je nachdem wie groß die Bar ist kriegst du auch ein paar der Jungs, die Alles im Auge behalten, damit da nichts schiefgeht... und weil damit dann natürlich viel weniger Aufwand entstehen würde, als wenn ich den Mist mühsam extern loswerden müsste, würdest du ein paar Prozent fürs Waschen kriegen. Heißt im Umkehrschluss, dass du die Schulden auch schneller wieder los wärst.", kam ich zum Ende meiner Erklärung und nippte dann noch einmal am Glas, weil ich mir hier gerade förmlich den Mund fusslig geredet hatte. Wieder eine reine Win-Win-Situation, wenn man mich fragte. Das hieß zwar im Umkehrschluss auch, dass ich meine bessere Hälfte doch irgendwie ein kleines bisschen in meine Geschäfte einband, aber wenn es damit Probleme geben sollte, dann schloss ich sie eben einfach wieder davon aus. Allerdings glaubte ich ohnehin nicht wirklich daran, dass sie dabei Mist bauen würde - sie hatte doch vorher auch schon illegales Glücksspiel in der Smith and Wesson betrieben, da war das hier auch nicht wirklich was anderes. War zwar vielleicht unmoralischer, weil es eben ziemlicher Betrug war, aber würde sicher sowieso Niemandem auffallen. Niemand wog sein Geld und optisch würden sie dank manueller Druckplatten absolut identisch, nicht vom Original zu unterscheiden sein.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es hätte mich schon ziemlich stark gewundert, wenn Hunter keine höheren Ziele, als lediglich die Information, dass ich gerne wieder eine Bar unterhalten würde, verfolgen würde. Wir zeigten hier und da zwar mittlerweile auch Interesse an den Zukunftsplänen des jeweils anderen, weil sie nun mal in der Regel uns beide betrafen, aber es war doch schon ziemlich auffällig, wie er so plötzlich auf das Thema gekommen war, obwohl wir uns in den letzten Tagen nicht einmal ansatzweise über irgendwas in diese Richtung unterhalten hatten. Und die darauffolgenden Worte des Amerikaners sollten mich wieder einmal nur darin bestätigten, dass ich die Ruhe vor dem Sturm mittlerweile überdurchschnittlich oft kommen sah, noch bevor sich die Wolken über mir zuzogen und es zu regnen anfing. Gut, so schlimm war das Angebot, welches mir Hunter im Folgenden unterbreitete zwar nicht, aber es ließ mich hörbar seufzen und der Grund dafür war dem jungen Mann an meiner Seite absolut klar. Schließlich versuchte er noch im gleichen Atemzug, mich davon zu überzeugen, dass ich ihm das Geld auch auf jeden Fall wiedergeben sollte, nur machte es mich damit nicht weniger... abhängig von ihm. Ich hasste es einfach, in irgendjemandes Schuld zu stehen, selbst wenn es sich bei diesem Jemand um meinen eigenen Freund handelte. Das aufrichtige Lächeln, welches meine Lippen bis hierhin geziert hatte, verblasste langsam und der in Hunters Augen gerichtete Blick wanderte an seinem Oberkörper nach unten, wo er letztlich auf dem Boden haften blieb. "Ich weiß nicht.", murmelte ich nachdenklich, aber noch bevor ich mich wirklich dagegen aussprechen konnte, fing der Amerikaner bereits damit an, mir noch ein paar weitere Informationen zukommen zu lassen, durch die sich mir langsam erklärte, warum und weshalb er gerade jetzt so scharf darauf war, mich alsbald wieder als Chefin einer Bar hinter der Theke stehen zu sehen. Natürlich standen da nur wieder eigene Interessen dahinter und nicht etwa mein Bedürfnis, mich wieder hinter etlichen Schnapsflaschen zu verstecken und zwischen schwitzenden Partygästen hin und her zu tänzeln. Aber gut, konnte ich es ihm denn verübeln und hatte ich überhaupt etwas anderes erwartet? Eher nicht, nein. Nur wusste ich momentan absolut nicht, was ich davon halten sollte und fühlte mich ehrlich gesagt mit Alledem ein kleines bisschen überrannt. So ad hoc würde ich ihm darauf deshalb keine verlässliche Antwort geben können und müsste vorab sowieso erstmal in Erfahrungen bringen, ob sich das hier auf Kuba überhaupt lohnen würde. Ich hatte auf meinem Streifzug durch die Innenstadt vorhin ein Viertel ausfindig gemacht, in der sehr viele Diskotheken, Kneipen und Bars ansässig waren und auch wenn ich von meinem Talent als Wirtin überzeugt war - die Smith and Wesson nicht zuletzt hohe, pechschwarze Zahlen verzeichnet hatte -, wagte ich zu bezweifeln, dass sich im Herzen Havannas so ohne weiteres eine neue Bar aus dem Boden stampfen ließ. Es konnte also durchaus sein, dass man sich Tausende von Dollar sparen konnte, weil es sich so oder so nicht rentierte und für Hunters Vorhaben wäre rege Kundschaft durchaus wünschenswert, notwendig. Zum jetzigen Zeitpunkt konnte ich jedoch keine verbindlichen Prognosen stellen und wenn es am Ende schief ging, dann saß ich auf einem Haufen Schulden und einem Grundstück, welches sich vermutlich nicht so einfach wieder verkaufen ließ und selbst wenn, dann würde der Verkaufspreis deutlich unter dem liegen, was bereits hinein gesteckt wurde. Hieß im Umkehrschluss, dass ich auf einem noch viel größeren Schuldenberg sitzen blieb und das war eigentlich weniger meine Intention. "Mhm, also ich kann ja durchaus nachvollziehen, dass eine Bar für dieses Vorhaben vermutlich die beste Option zur Geldwäsche ist, aber ich weiß nicht...", murmelte ich nachdenklich und die zusammengezogenen Augenbrauen entspannten sich wieder ein klein wenig, aber mein Blick blieb weiterhin skeptisch. "Als ich vorhin in der Stadt war, hab ich einen Haufen voller Bars und Diskotheken gesehen. Glaubst du wirklich, dass wir uns da durchsetzen könnten?", fragte ich ihn direkt und ließ den Aspekt rund um das Thema Geld erst einmal außen vor. Es schmeckte mir absolut nicht, Schulden aufnehmen zu müssen, aber wenn Hunter von der Sache bereits felsenfest überzeugt war, dann lag er mir damit sicher noch eine Weile in den Ohren und grundlegend hörte sich die Geschäftsidee dahinter auch für mich rentabel an. Klar, wäre ein Anteil von fünfzig Prozent reines Wunschdenken, aber man musste auch beachten, dass eine Bar an sich in der Regel auch einiges an Gewinn abwarf. Zumindest hatte das die Smith and Wesson und der Aufwand für die Geldwäsche war nun wirklich nicht hoch. Dass ich also keine horrenden Summen als Beteiligung aus diesem Deal schlagen konnte, war mir daher absolut klar und vermutlich hätte ich mich auch ohne etwaigen Lohn sicher dazu überreden lassen, ihm dahingehend unter die Arme zu greifen. Schließlich war eine Beziehung immer ein Geben und ein Nehmen. Hunter gab mir in dem Fall Kohle, um die Kiste zum Laufen zu Bringen und dafür hätte ich ihm auch ohne den Obolus in Form einer prozentualen Gewinnbeteiligung geholfen, die Blüten an den Mann zu bringen. War auch nichts leichter als das, war es in der Bar doch ohnehin immer ziemlich dunkel und wie der Tätowierte schon den Nagel auf den Kopf getroffen hatte: Wenn sie Leute erst einmal einen im Tee hatten, dann achtete eh kein Arsch mehr auf das Wechselgeld. "Also sicher bin ich mir damit echt nicht - den Umstand mit dem Geld mal außen vor gelassen. Ich müsste mich erst erkundigen, inwieweit sich das rentieren würde, aber okay... wenn ich dir damit helfen kann und gleichzeitig wieder ein wenig auf die Beine komme... warum eigentlich nicht?", ließ ich ihn gen Ende dann doch relativ optimistisch wissen, dass er durchaus auf meine Hilfe zählen konnte, insofern ich mich ausreichend abgesichert hatte, dass das Ganze zumindest den Versuch wert war. Würde ich bei der Recherche herausfinden, dass es hier in Havanna bereits ein oder zwei Bars gab, die einen überdurchschnittlich guten Ruf besaßen, dann wäre ich mir damit schon wieder absolut unsicher. Aber Hunter würde mich nicht einfach im Regen stehen lassen, wenn das Ganze wider Erwarten doch nach hinten losgehen sollte, oder?
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es war wohl schon zu erwarten gewesen, dass Cosma erst einmal ziemlich skeptisch blieb. Das konnte ich ihr auch nicht verdenken, weil ich selbst immer grundlegend argwöhnisch war, was neue Geschäfte oder Geschäftszweige anbelangte. Lieber überdachte man alles doppelt, als blind irgendeiner Vereinbarung zuzusagen und damit im Anschluss auf die Schnauze zu fallen. Anfangs war mir das noch ein oder höchstens zwei Mal passiert, inzwischen kam das nicht mehr vor. Wenn etwas schiefging, dann höchstens mal wegen nicht kalkulierbarer Faktoren - ein gewisses Restrisiko hatte man immer und auch darauf kam die Rothaarige im Verlauf mehr oder weniger noch zu sprechen. Theoretisch war es natürlich durchaus möglich, dass es hier in Havanna mit einer Bar nicht so einfach war. Ich sah ja selbst wie viele Touristen es in der Stadt gab und dementsprechend hoch war das Angebot für abendliche Erheiterung wahrscheinlich auch. Eine gute Lage war sicher das mindeste, das notwendig war, um dauerhaft Kundschaft zu haben. Ich war mir eigentlich aber fast sicher, dass es daran nicht scheitern würde, weil es in Havanna so einige Gebäude gab, die nach einem neuen Besitzer suchten. Lag hauptsächlich daran, dass viele der Einwohner nicht besonders gut bei Kasse waren und dementsprechend auch die wenigstens das notwendige Vermögen für den Kauf oder die Miete dafür aufbringen konnten. Wenn jenes Gebäude nicht zufällig vorher schon eine Bar gewesen war, dann war natürlich noch etwas mehr Zeit für den Umbau und die Einrichtung von Nöten, aber das war mir persönlich auch relativ egal. Wie gesagt dauerte es sicher ohnehin noch ein bisschen, bis wir den Gelddruck vollends optimiert haben würden und vorher stand auch noch der eine oder andere Überfall auf nahe Zigarrenfabriken an - erstens ließen sich letztere sehr gut verkaufen, sowohl im In-, als auch im Ausland und zweitens konnte es für Sabins Drogengeschäfte nur gut sein, wenn die örtlichen Zigarrenverkäufer Probleme damit hatten neue Ware nachzukriegen. Sollten die Überfälle dahingehend nicht reichen spielte ich auch gerne noch den Feuerteufel und zündete ein paar Trockenhäuser der Bauern an, die den Tabak lieferten. Ich war da sehr flexibel. Kurz gesagt war ich für die Zwischenzeit noch gut beschäftigt und es würde eher nicht dazu kommen, dass ich Cosma mit der Bar wegen Zeitdruck Feuer unterm Hintern machen musste. Aber zurück zum eigentlichen Thema. "Ja, ein bisschen Vorsicht ist sicher angebracht... aber ein Restrisiko bleibt uns da wohl so oder so.", stimmte ich ihr mit einem schwachen Schulterzucken zu. Ich fing unterbewusst damit an meine Hand unter ihr Shirt zu schieben und ihr dann an der Hüfte ein bisschen über die nackte Haut zu streichen. Schließlich verlautete aber durchaus schon sowas wie ein sehr vorsichtiges Ja seitens Cosma, das mich wieder zu grinsen anfangen ließ. Es war ein durchweg zufriedenes, angetanes Grinsen. Der Tag hatte gut angefangen und ging einwandfrei weiter. "Gut, etwas in der Richtung wollte ich hören.", ließ ich sie wissen, dass mir dieses indirekte, halbe Ja vorerst vollkommen ausreichte. "Wir finden schon was passendes. Vermutlich sind die Immobilien mit der besten Lage etwas teurer... also für kubanische Verhältnisse teuer, meine ich. Aber wenn's die Kundschaft potenziell erhöht...", sinnierte ich mein Glas schwenkend und nachdenklich nach vorne in die Leere sehend ein bisschen vor mich hin. Kuba war für Jemanden wie mich alles in allem ziemlich billig, am Preis würde es so ziemlich am wenigsten scheitern. Lieber ein bisschen mehr investiert und gewinnbringend aus der Sache rausgehen, als es an so einer Lappalie scheitern zu lassen. "Du wirst schon ein gutes Konzept ausarbeiten, da bin ich optimistisch.", schloss ich ab und gab damit mein Vertrauen in Cosma preis, was das anging. Man konnte ja vorher ein bisschen die anderen Bars in der Umgebung auskundschaften und sehen, woran es Havanna diesbezüglich noch mangelte. Es ließ sich bestimmt etwas finden, das es noch nicht gab und trotzdem für die meisten Bürger erschwinglich war. Ich neigte mich der jungen Frau mit dem Körper etwas mehr zu und stellte das Glas bei Seite, damit ich die Hand an Cosmas Kinn legen und sie küssen konnte. Nur kurz, aber doch recht innig, wobei das leichte Grinsen auch wieder gänzlich unter der Lippenbewegung verblasste.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich würde es vermutlich niemals zugeben, aber dass Hunter voll und ganz auf ein gutes Konzept meinerseits baute und damit ziemlich großes Vertrauen in mich setzte, streichelte mein Ego schon ziemlich. Ich grinste entsprechend ein wenig verlegen und wandte den Blick nach unten ab, um meinen Kopf stattdessen wieder an seine Schulter zu legen und den darauffolgenden Worten des Amerikaners aufmerksam zu lauschen. Dabei spielte ich geistesabwesend an dem Deckel der Wasserflasche rum. Leider konnte ich ihm in puncto Restrisiko nur zustimmen - das war wohl etwas, womit wir zwangsläufig leben mussten. Hieß nur eben noch lange nicht, dass ich das für gut befinden musste. Diese unbekannte Variable nervte mich und doch konnte ich nichts weiter tun, als sie entweder zu akzeptieren oder das Risiko erst gar nicht einzugehen. Und da letzteres absolut nicht in Frage kam, hoffte ich einfach, dass Fortuna uns gnädig gestimmt war und uns mit ein wenig Glück segnete. Ehrlich gesagt war ich mir nämlich nicht sicher, wie ich mit einer Bruchlandung der Smith and Wesson Reloaded umgehen sollte, denn ich wünschte mir eigentlich nichts sehnlicher, als endlich wieder hinter dem Tresen zu stehen und Cocktails zu mischen. Wenn daraus aber nichts wurde, musste ich mir zwangsläufig wohl etwas anderes suchen und das dann vermutlich auch für längere Zeit - nicht nur zum Überbrücken, wie ich das einst geplant hatte. Der Gedanken daran ließ mich leise seufzen, aber ich kam gar nicht dazu, auch nur ansatzweise in eine parallele Gedankenwelt abzurutschen, weil Hunter mich dafür viel zu sehr im Hier und Jetzt festhielt, indem er sich zu mir runter beugte und mir einen innigen Kuss auf die Lippen drückte. Jenen erwiderte ich selbstredend ohne weiteres und verwarf dabei die negativen Gedanken an eine eventuell gegen die Wand fahrende neue Bar. Versuchte, dem Ganzen positiv gestimmt gegenüber zu treten. Schließlich war auch in das Original einiges an harter Arbeit und mittelschweren Krisen geflossen, um dahin zu kommen, wo es letzten Endes gestanden hatte... kurz bevor ein paar Molotovcocktails der Sache ein Ende gesetzt hatten. Mittlerweile verfolgte mich das Feuer in meinen Augen nicht mehr allzu häufig, aber gerade in der Woche nach dem Brand hatte mich das Bild der in Flammen stehenden Bar immer mal wieder aus dem Schlaf gerissen. Schweißgebadet, versteht sich. Aber das würde mir hier ganz sicher kein zweites Mal passieren... oder doch? Nein! Schließlich hatte Hunter mir ein paar seiner Männer zugesagt, die sich sicherlich auch vor der Bar abstellen ließen, wenn sie geschlossen hatte. Einfach für den Fall der Fälle eben. Momentan musste ich mich vor verhältnismäßig wenig fürchten, aber sobald Hunter sein Fuß wieder im Geschäft hatte, umso eher musste ich wohl damit rechnen, auch wieder ins Visier von etwaigen Anschlägen zu rücken. Aber ich hatte mir dieses Leben ausgesucht und würde den aktuellen Mann an meiner Seite nicht gleich wieder bei der nächsten Gelegenheit für eine Bar im Stich lassen. Dafür bedeutete mir Hunter inzwischen einfach zu viel und ich war mir sicher, dass wir gemeinsam noch sehr viel mehr erreichen konnten, als wenn wir getrennte Wege gingen. Auch wenn ich mir manchmal denke, dass ein verhältnismäßiger normaler Freund vielleicht doch die bessere Alternative gewesen wäre. Bezugnehmend auf die Feier von vor wenigen Tagen beispielsweise konnte ich mir nicht vorstellen, dass diese Art von Beziehung auf lange Sicht wirklich gesund war. Klar, der Sex war toll und schön und alles - von dem blauen Fleck an meinem Oberschenkel mal ganz abgesehen -, aber auch der konnte nicht wett machen, dass wir einander noch immer unsere größten Feinde waren. Zumindest eben dann, wenn sich unsere Meinungen schieden. Aber ich schweifte ab, wollte eigentlich gar nicht so tief in Gedanken versinken, sondern noch etwas bezüglich der Planung und dem Kommentar, dass Hunter eine Antwort in diese Richtung hatte hören wollen, erwidern. "Ich nehm' dein Geld als Vorschuss aber nur unter einer Bedingung an.", ließ ich verlauten und sah Hunter dabei schon vielsagend und mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen an. "Das nächste Mal bemühst du dich bitte ein bisschen mehr, so etwas nicht ganz so auffällig an mich heranzutragen, in Ordnung? Schon als du die Küche betreten hast, wusste ich quasi, dass da irgendwas im Busch war.", fragte ich belustigt, wobei ich keine wirkliche ernst gemeinte Antwort darauf hatte haben wollen, sondern einfach... ja, einfach immer noch gut gelaunt war. Ich lediglich einen kleinen Witz machen wollte, der vermutlich nicht mal wirklich lustig war, aber was soll's. Außerdem stellte ich zeitgleich fest, dass ich Hunter mittlerweile gut genug kannte, um von vornherein schon kommen sehen zu können, dass er irgendetwas im Schilde führte. Aber das kam wohl im Verlauf einer Beziehung. Man lernte einander ja doch besser kennen, als einem das manchmal lieb war. Aber wie auch immer. Jedenfalls erheiterte mich der Gedanke an eine neue Smith and Wesson doch auch vor dem Hintergrund, dass ich dafür Schulden aufnehmen musste und der Tag ging wohl genau so gut weiter, wie er angefangen hatte. Gab es jetzt eigentlich noch etwas, dass mir die Laune so richtig verderben konnte?
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Meine rechte Augenbraue wanderte von ganz allein nach oben, als Cosma ankündigte eine kleine Bedingung an unsere Vereinbarung zu haben. Für gewöhnlich stellten nur die wenigsten meiner Geschäftspartner aus eigenen Stücken irgendwelche Ansprüche, das war normalerweise eher nur mein eigener Part. Nur sehr wenige trauten sich überhaupt eigene Forderungen in einen Deal mit einzubauen, damit hatte ich also ganz allgemein nur selten mal Probleme. Nur war Cosma eben nicht wirklich eine Geschäftspartnerin und schon gar nicht einfach nur irgendeine Frau, sondern meine - die einzige, die den Kopf nicht abgeschlagen bekam, wenn sie sich hier und da mal einen Fehltritt erlaubte. Deshalb war es nur vorteilhaft, wenn ich sie auch gar nicht erst zu weit in meine Geschäfte mit einband. Es reichte vollkommen aus, wenn sie für mich im Hintergrund die Blüten loswurde und sie mir durch echtes Geld ersetzte, mehr wollte ich gar nicht von ihr. Es hatte auch gute Gründe, warum ich meine Jungs bei ihr postieren wollte. Schließlich lag es mir fern, dass der Rothaarigen auch nur ein Haar gekrümmt wurde und sollte das doch mal passieren, dann war wohl der Teufel los. Mild ausgedrückt. Es gab nicht viel was mir heilig war, aber Cosma hatte sich was das anging ganz oben auf den Thron gesetzt. Außerdem wusste ich auch gar nicht, inwiefern die mit dieser Art von Geschäften überhaupt klar kam. Geld zu waschen war die eine Sache, sich wirklich tief in dieses Metier zu verstricken eine ganz andere. War besser, wenn wir das gar nicht erst ausprobierten, solange es sich weiter umgehen ließ. Wahrscheinlich war es auch sinnvoller, wenn wir die gefälschten Scheine nicht permanent in der Bar lagerten, sobald sie fertig waren. Was die Sicherheit anging wäre es besser, wenn ich die Schichtwechsel meiner Jungs jeweils beim Öffnen und bei der späteren Schließung der Bar veranschlagte. Dann konnten sie das Falschgeld mit rein nehmen, wenn sie ankamen und falls am Ende der Nacht noch etwas davon übrig blieb den Rest wieder mitnehmen, damit die Scheine nie in der Bar liegen blieben. Sonst konnte ich mit Sicherheitslücken hier und da schon mal leben, wenn das Risiko verhältnismäßig gering war, aber was Cosma anging wollte ich da lieber keine Abstriche machen. Zurück ins Hier und Jetzt - Cosmas Bedingung, die nicht einmal wirklich meiner schlimmsten Befürchtung nach unsere Vereinbarung an sich betraf, ließ mich leise auflachen. Wir wussten vermutlich beide, dass es eher unwahrscheinlich war, dass ich mich in dieser Hinsicht noch einmal änderte. Wozu auch um den heißen Brei herumreden, statt kurzum gleich auf den Punkt zu kommen? Das war nichts als reine Zeitverschwendung, wenn man mich fragte. Meine folgende Antwort war womöglich also nur eher wenig zufriedenstellend für die Rothaarige, obwohl es ohnehin nicht so geklungen hatte, als hätte sie das Stellen dieser Bedingung wirklich ernst gemeint. "Hmm, also ich kann's schon versuchen, aber...", setzte ich noch immer leicht grinsend dazu an Cosma eine Antwort zu geben. Bevor ich den Satz jedoch vervollständigte drehte ich mich ihr frontal zu und griff mit beiden Händen knapp unter ihrem Hintern nach ihren Oberschenkeln, um sie hochzuheben. Mich dann Richtung Küchenzeile zu drehen und sie dort vor mir abzusetzen, womit sie ausnahmsweise fast mit mir auf Augenhöhe war. Ich mochte es aber ohnehin ganz gern, dass die Rothaarige ein ganzes Stück kleiner war als ich. Ich beugte mich noch ein wenig nach vorne zu ihrem Ohr, bevor ich weiter redete. "...du weißt ja, dass das nicht so mein Ding ist. Immer mit der Tür ins Haus.", vollendete ich meinen vorherigen Satz mit rauem Tonfall, aber durchaus mit einem Hauch Sarkasmus und ließ meine Hände währenddessen an ihren Beinen entlang bis zum unteren Saum ihres Shirts wandern, um meine Hände an ihrem unteren Rücken unter den Stoff zu schieben. Meine Aussage entsprach sowohl wortwörtlich, als auch im übertragenen Sinne der Wahrheit. Als ich mich beispielsweise das erste Mal mit Sabin in der Smith and Wesson getroffen hatte, hatte ich die Bar förmlich mitsamt der Eingangstür betreten, damit auch ja jeder mitbekam, dass ich jetzt anwesend war. Auch der erste Kuss mit Cosma war ziemlich aus dem Nichts heraus passiert, war ursprünglich doch eher nicht meine Intention gewesen den damaligen Streit mit einem Kuss aus dem Weg zu räumen - hatte trotzdem funktioniert und mein Standpunkt war dann sehr klar gewesen. Unser erstes Mal war so ebenfalls nicht geplant gewesen und dass das - abgesehen davon, dass wir trotzdem beide auf unsere Kosten gekommen waren - mit dem vorherigen Streit nicht ideal gewesen war, brauchte ich wohl kaum zu erwähnen. Aber gut, so wusste ich wenigstens schon jetzt, dass wir was das anging keine Probleme miteinander kriegen würde. Wenn Cosma so gar nicht mit einer etwas raueren Art klar kommen würde, hätte ich mich was den Sex anging früher oder später vermutlich zu Tode gelangweilt und dann wäre irgendwann sicher Ende im Gelände mit der Beziehung gewesen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Im Grunde genommen war es mir beinahe schon klar gewesen, dass Hunter eigentlich eher rhetorische Frage nicht einfach im Raum stehen lassen würde, sondern sich selbstredend noch einmal dazu äußern wollte. Logischerweise, weil ich hatte ihn ja gerade quasi kritisiert und das konnte der Amerikaner natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Genauso klar war mir jedoch auch, dass die Ernsthaftigkeit seiner Antwort starke Ähnlichkeit mit der meiner vorangegangenen Frage hatte und so kam ich um ein etwas lauteres, durchweg gut gelauntes und amüsiertes Lachen einfach nicht drum herum. Allerdings lachte ich dann auch nur so lange, wie ich noch festen Halt unter den Füßen hatte. Als Hunter mich so plötzlich auf den Arm nahm, um mich auf der Küchenzeile abzusetzen, gab ich nur ein etwas überraschtes Glucksen von mir, welches schließlich wieder in ein Lachen überging. Ich legte meine Beine - weil es schlicht und ergreifend anders gar nicht möglich war - um die Hüften des jungen Mannes, während ich parallel dazu die Wasserflasche neben mir abstellte, um beide Hände, beziehungsweise die dazugehörigen Arme frei zu haben, damit ich jene um Hunters Nacken schlingen konnte. Auch wenn er mir so bereits sehr nah war, entschied er sich jedoch dafür, den zweiten Teil seiner Antwort förmlich in mein Ohr zu raunen und die leichte Gänsehaut, welche sich über meinen ganzen Körper zog, verriet wohl ziemlich deutlich, was für einen Einfluss dieser Mann eigentlich auf mich hatte. Jahrelang war es niemanden mehr gelungen, mich derart in seinen Bann zu ziehen, wie Hunter das geschafft hatte und ich fand es ehrlich gesagt auch immer noch ein wenig befremdlich. Fürchtete mich tief im Inneren nach wie vor vor einem möglichen Reinfall dieser Beziehung, aber ich gab mir wirklich große Mühe, diese negativen Gedanken ungeachtet der zwischenzeitlichen Streitereien und Meinungsverschiedenheiten nicht vorherrschen zu lassen, sondern das Positive zu sehen. Und auch wenn das für Umstehende womöglich total unrealistisch klang, gab es durchaus Dinge, die diesen jungen Mann hier liebenswert machten. Man brauchte eben nur ein dickes Fell und die nötige Geduld, ihm ein wenig Zeit zu geben, aber rückblickend betrachtet waren wir gemeinsam schon wirklich weit voran geschritten und ich fand das schön so. Wenn ich daran zurück dachte, wie oft wir uns damals an den Kragen gesprungen waren und wie oft wir uns den Tod des jeweils anderen gewünscht hatten... puh, da hatten wir quasi eine 180° Grad Wendung vollzogen. Mittlerweile war ich dem amtierenden Gott nämlich überaus dankbar für jeden Tag, an dem wir uns nicht in den Haaren lagen, weil es gerade dann schwierig wurde, sachlich und vernünftig miteinander zu kommunizieren, wenn nicht jeder von uns ausreichend Freiraum hatte, um vor einer Aussprache durchzuatmen. Klar, die Villa war groß genug, sodass Hunter sich im Erdgeschoss und ich mich im oberen Teil des Hauses abreagieren konnten, aber irgendwie... band einen das Zusammenleben auch aneinander und veränderte einen. Früher hatte ich mir keinerlei Gedanken gemacht, wenn Hunter wutentbrannt aus der Smith and Wesson geflohen war, nachdem wir uns mal wieder die Köpfe eingeschlagen hatten, aber mittlerweile machte ich mir Sorgen, wenn er einfach so aus dem Haus stürmte. Vielleicht wollte er nur kurz spazieren gehen oder eine Runde um den Block fahren, jemanden auf die Fresse hauen oder sich besaufen, aber es fiel mir einfach nicht mehr ganz so leicht, ihn einfach gehen zu lassen. Schließlich wusste ich nur zu gut, dass er gerne irgendeinen Mist baute, wenn er sauer war... Das war einerseits natürlich wirklich ein Zeichen dafür, dass er mir inzwischen wirklich wichtig geworden war, konnte aber hinderlich sein, wenn sich die Gemüter erst einmal beruhigen sollten, bevor sie wieder miteinander redeten, aber gut. Man lernte ja nie aus und wir wurden wohl jeden Tag ein bisschen schlauer, was den Umgang mit dem Partner anging - auch Hunter machte sich fleißig Notizen, obwohl er laut eigener Aussage überhaupt kein Beziehungsmensch war. Das kaufte ich ihm sogar ohne wenn und aber ab, denn eine Frau, die halbwegs normal drauf war und an ihrem Leben hing, würde sich wohl kaum länger, als das unbedingt nötig war, auf den Amerikaner einlassen. Früher oder später vermutlich Amok laufen, wenn Hunter mal wieder lauter oder zu grob wurde. Ich hingegen hatte damit kein Problem, war ich doch vom Kopf her in der Hinsicht mindestens genau so kaputt und geschädigt wie er selbst. Aber darüber wollte ich jetzt gar nicht weiter philosophieren, sondern mich eher wieder auf das Hier und Jetzt konzentrierten, in dem besagter junger Mann gerade seine Hände unter mein Shirt schob, nachdem er mir den letzten Teil seiner Antwort ins Ohr gesäuselt hatte. Daraufhin verdrehte ich erst einmal grinsend die Augen, wusste ich doch ganz genau, worauf er damit anspielte und tja, was sollte ich sagen. Etwas anderes, als ihm diesbezüglich zustimmen konnte ich nun mal nicht. Immerhin war das so seine Art und verändern würde er sich dahingehend wohl nicht mehr. Gab aber Schlimmeres, wenn man mich fragte. "Mhm, da magst du wohl Recht haben.", ließ ich ihn also wissen, was ich gerade noch gedacht hatte, nur um ihm kurz darauf einen flüchtigen Kuss auf die Lippen zu hauchen. "Du brauchst aber gar nicht denken, dass du damit immer durchkommst.", hängte ich noch ein paar gespielt mahnende Worte hinten dran, die ich zusätzlich mit einer hochgezogenen Augenbraue und weiterhin mit dem amüsierten Grinsen untermauerte. Letzteres würde sich heute wohl auch nur sehr schwer aus meinem Gesicht wischen lassen. Vorausgesetzt, es grätschte nicht wieder die Russin dazwischen. Die wusste ja inzwischen ziemlich gut, dass sie mich mit ihrer bloßen Anwesenheit bereits auf die Spitze der Palme klettern und mit Kokosnüssen um mich werfen ließ.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Was Cosma für mich mitunter so einzigartig und interessant machte, war wohl schlicht und ergreifend die Tatsache, dass sie mir nicht einfach bedingungslos alles durchgehen ließ. Nicht immer nur nickte, Ja und Amen sagte, sondern ihren eigenen Willen hatte. Natürlich war es nur zu verständlich, dass die eine oder andere Frau - im Grunde eigentlich eher viele bis fast alle - mich schon rein optisch fürchtete. Wenn ich nicht gerade Cosma gegenüberstand, dann lag fast ausnahmslos dieser kühle, eindringliche Blick in meinen Augen und meine Körperhaltung wirkte auch grundlegend immer sehr energisch. Das war auch gut so, schließlich wollte ich meinen Respekt schon auf den ersten Blick haben. Für gewöhnlich tanzte der Großteil der Leute, die mir bei meinen kriminellen Machenschaften so begegneten, dann auch ganz brav nach meiner Pfeife, wenn sie mir von vornherein nicht ebenbürtig waren und ich musste nicht erst mit einer erhobenen Waffe unterstreichen, dass sie besser sehr gut aufpassten, welche Worte sie in den Mund nahmen. Die Rothaarige hier hatte so einige Male mit ihrem Leben gepokert, als sie mir gegenüber getreten war und vermutlich war es ein kleines Wunder, dass ihr Kopf dabei nie gerollt war. Ich müsste wohl auch lügen, um zu sagen, dass Sabin daran nicht irgendwie eine Mitschuld trug. Wir hätten uns sehr sicher nie derart ausgesprochen, hätte er das Ganze nicht erzwungen. Der eigentliche Wendepunkt war aber im Labyrinth hinter dem Haus gewesen, das wir bei unserer Flucht in die Luft gejagt hatten. Es hätte wohl nicht viel für den Tod der jungen Frau gefehlt, als sie sich die Schrotladung eingefangen hatte. Ich wusste auch noch immer nicht so richtig, warum sie das eigentlich getan hatte, wo ich ihr doch mehrfach nach dem Leben getrachtet hatte. Auch nicht, warum sie sich trotz Allem, was wir im Anfangsstadium unserer Bekanntschaft miteinander erlebt hatten, tatsächlich ausgerechnet in meine Arme verloren hatte. Dass sie tatsächlich bei mir blieb, obwohl sie meine Vergangenheit kannte und wusste, womit ich meine Kohle verdiente... und dass ich ein ziemliches Arschloch war konnte ihr auch nicht entgangen sein, das hatte sie oft genug am eigenen Leib erfahren. Zumal sie durch das Abbrennen der Smith and Wesson auch noch unmissverständlich mitgeteilt bekommen hatte, was für sie auf dem Spiel stand, wenn sie bei mir blieb. Inwiefern es gesund war ausgerechnet an meinem Leben teilhaben zu wollen, war also durchaus fragwürdig, aber ich war froh, dass sie sich so entschieden hatte. Dass unsere Beziehung mit ihren Ecken und Kanten trotzdem hielt, obwohl wir vermutlich kein Paar waren, von dem irgendwer behaupten würde, dass es besonders harmonisch oder wie füreinander gemacht war. Ich erwiderte den flüchtigen Kuss, ehe meine Lippen sich kurz darauf nach ihren noch folgenden Worten von ganz allein wieder zu einem schwachen Grinsen verzogen. Nein, immer kam ich bei Cosma wohl nicht mit den Dingen durch, die ich wollte. War aber auch gut so, weil unsere Beziehung sonst ziemlich einseitig verlaufen würde und das in meinen Augen noch sehr viel ungesünder für sie wäre, als unsere jetzige Version, weil ich sie dann vermutlich nicht weniger unterdrücken würde als jeden anderen Menschen auch. Ich löste meine rechte Hand von ihrem Rücken, um sie stattdessen anzuheben und ihr eine lose, rote Haarsträhne aus dem Gesicht und hinters Ohr zu streichen. Kurzzeitig verfolgte ich meine Finger mit meinem Blick, bevor meine Augen wieder Cosmas fanden. "Muss ich auch gar nicht... manchmal reicht.", grinste ich ihr an die Lippen und ließ mich weiter auf die kleinen Wortspielchen mit der hübschen, jungen Frau ein. Küsste sie im Anschluss noch ein weiteres Mal etwas leidenschaftlicher und strich ihr dabei flüchtig über die Wange, ehe ich meine Hand wieder sinken ließ und mich im gleichen Atemzug von ihren sinnlichen Lippen löste. Vielleicht wäre es besser sich für kurze Zeit nochmal ein bisschen mehr aufs Geschäft zu konzentrieren, weil ich sonst unter Umständen vergessen würde, was ich Cosma noch hatte fragen wollen. "Willst du dir zuerst selbst ein paar Immobilien ansehen, was die Bar angeht? Oder soll ich mich umgekehrt auf die Suche machen und dir dann sagen, was ich ausgesucht habe? Wie ist es der... Königin lieber?", fragte ich die junge Frau danach, was ihr am liebsten war, weil mir das prinzipiell egal war. Absprechen musste wir uns so oder so im Anschluss, egal wer auf die Suche ging. Nur hatte sie aktuell sicher mehr Zeit dafür übrig als ich, also hätte ich bestimmt nichts dagegen, wenn sie den ersten Schritt selber machte. Wichtig war mir eigentlich nur, dass die Bullen - auch, wenn die hier auf Kuba echt ein Witz waren - nicht gleich um die Ecke eine Station hatten und dass es mindestens zwei, im Idealfall drei Ausgänge gab. Das preisliche Segment war auch relativ irrelevant, ich war sowieso gut im Verhandeln. Was den Spitznamen anging... na ja, noch hatte ich wohl keinen Namen auf Kuba, aber das würde sich ändern und dann war ich hier König. Erst nur in Havanna, irgendwann auf der ganzen, nicht allzu großen Insel, weil das hier keine allzu große Kunst werden würde. Hatte ich dann mein Amt, hatte Cosma auch ihres. Ganz unabhängig von der Tatsache, dass wir hier jetzt schon ziemlich wie die Könige lebten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Tja und manchmal war selbst das manchmal zu viel, wenn man mich fragte. Das lag aber nicht selten daran, dass sich Hunter ganz einfach Dinge erlaubte, mit denen ich selbst erst einmal umzugehen lernen musste. Wo ich bis dato keinerlei Erfahrungen mit gesammelt hatte und dementsprechend noch nicht so recht wusste, wie ich darauf eigentlich richtig reagieren sollte. Das würde sich allerdings ändern, je länger der Amerikaner und ich tatsächlich ein Paar waren und umso mehr Zeit ich dafür hatte, Geschehnisse zu überdenken. Denn dann würde ich aller Voraussicht nach feststellen, dass es die ein oder andere Sache gab, die er sich vielleicht zwei, drei Mal hatte erlauben dürfen, welche ich dann aber alles andere als gut hieß und ihn in die Schranken weisen würde. Bis dahin genoss der Tätowierte allerdings so etwas wie einen Welpenschutz, der quasi aus meiner eigenen Unsicherheit bestand. Aber genug davon. Wir schienen uns jedenfalls einig zu sein, dass ich ihm auch künftig Paroli bieten würde, wenn mir etwas nicht in den Kram passte und hin und wieder kam er mit angestellten Dummheiten weiterhin davon. Andersrum wäre es vermutlich genau dasselbe, ohne, dass ich mich explizit danach erkundigen musste, also schloss ich damit das Thema für mich ab. Natürlich genoss ich noch den darauffolgenden Kuss und auch die flüchtigen Streicheleinheiten meiner Wange, wollte jedoch im direkten Anschluss daran aufstehen, weil ich dachte, dass das Gespräch an dieser Stelle bereits beendet war. Hunter nun wusste, was er hatte wissen wollen und noch Erledigungen auf ihn warteten oder so. Ich rutschte quasi schon ein Stück auf der Küchenzeile nach vorne und damit noch näher an den Amerikaner heran, der logischerweise nicht nachgab, sondern auf eine Antwort wartete. Einen etwas verdutzten Gesichtsausdruck später entschuldigte mich erst einmal mit einem schiefen Lächeln und dem Ausdruck "Hoppla..." dafür, dass ich ihm zumindest in diesem Augenblick eher unbeabsichtigt auf die Pelle gerückt war. Lange ließ ich mich davon jedoch nicht beirren und machte einfach das Beste draus, was in diesem Fall bedeutete, dass ich meine Arme wieder um den Nacken des Amerikaners legte und Kopf seinen Platz an Hunters Schulter fand, sodass ich beim Reden nunmehr in Richtung der Tür sah. Ja, wollte ich denn lieber selber suchen oder war es vielleicht besser, wenn Hunter nach einem geeigneten Gebäude Ausschau halten würde, wo ich mit der Smith and Wesson Reloaded einen potenziell einfacheren Start hatte, wenn es um den Zufluss von Kunden ging? Ich blieb noch bestimmt eine halbe Minute lang still, bis ich etwas unschlüssig mit den Schultern zuckte. So wirklich sicher war ich mir mit beiden Optionen nicht, wobei ich mich bei letzterer natürlich auch vollkommen auf das geschulte Auge des Amerikaners vertraut hätte. Schließlich war er jahrelang durch eine Großstadt getigert und wusste sicher, an welchen Spots sich mit Abstand die meisten Leute aufhielten. Natürlich kannte er die Gegend hier nicht einmal halb so gut, wie Oslo, aber besagte Spots waren in so ziemlich jeder Stadt gleich. Irgendwelche dunklen Parks beherbergten in der Nacht einen Haufen Dealer, während Franchise Unternehmen am Tag unendlich weite Menschenmassen durch ihre Pforten lockten. Das Prinzip war immer gleich. Gab es bereits etwas, dass bei einem Großteil der Menschen gut ankam, dann hielten sich jene auch ziemlich oft in unmittelbarer Nähe auf. War wieder irgend so ein Psychoding, was ich nicht so recht verstand, aber grundlegend war das ja auch egal. Jedenfalls entschied ich mich kurzerhand dazu, das Ganze lieber doch selbst in die Hand zu nehmen. Irgendwie... wollte ich dieses Mal einfach alles in die eigene Hand nehmen. Mein Baby in Norwegen war mir selbstredend hoch und heilig gewesen, auch wenn ich mir weder den Schuppen so wirklich ausgesucht, noch auch nur einen Penny für den Kauf bezahlt hatte, aber ich musste mich nun mal damit abfinden, dass dieses Kind jämmerlich in den Flammen verbrannt war und nun würde ich einfach gerne die Chance nutzen wollen, mir so richtig etwas eigenes Kleines aufzubauen. Für etwaige Renovierungsarbeiten mussten dann zwar entweder Hunters Jungs noch mit ins Boot oder ich griff auf externe Maler und Lackierer zurück, aber so einhundert Prozent würde ich es wohl nicht hinkriegen, einen heruntergekommenen Schuppen wieder auf Vordermann zu bringen. Zum jetzigen Zeitpunkt glaubte ich nämlich nicht, dass leerstehende Immobilien in einem guten, halbwegs brauchbaren Zustand waren, weil laut Hunters Aussage etliche Räumlichkeiten schon länger leer standen. Da konnte man wohl von Glück reden, wenn man nicht noch Asbest Dämmung und Wasserrohre aus Bambus hatte. Gut, vielleicht übertrieb ich dahingehend ein wenig, aber ich rechnete mir momentan keine besonders guten Chancen aus, dass just in diesem Moment an genau dem richtigen Fleck eine damalige Bar nach einem neuen Besitzer schrie und doch noch so weit in Schuss war, dass man kaum etwas machen musste. Ne ne, stattdessen bereitete ich mich mental darauf vor, doch noch einmal die Latzhose heraus zu kramen und sah mich vor meinem inneren Auge bereits Wände streichen. "Mhm, ich würde gerne erst einmal selbst gucken.", ließ ich Hunter also an meinen Gedanken teilhaben, wobei ich die Worte mehr nur gegen seine Schulter murmelte, als ihm verständlich zu antworten. Lag aber auch an dem breiten Grinsen, welches meine Lippen als Reaktion auf den etwas übertriebenen Kosenamen zierten. Königin also, ja? Man könnte jetzt darüber streiten, ob ich denn auch wirklich wie eine behandelt wurde, aber grundlegend hatte ich hier wirklich nichts auszustehen. Schließlich lebte ich hier für Umme in einer wirklich schicken Villa mit einem Pool im Garten und dem offenen Meer direkt dahinter - also dahingehend lebte ich tatsächlich wie eine Adlige. Was jedoch den Umgang miteinander betraf... na ja. Da ließ der richtige Ton manchmal noch zu wünschen übrig, aber ich wollte jetzt auch nicht päpstlicher als der Papst sein. Stattdessen beschloss ich, diesen Titel einfach anzunehmen und ihn ein wenig damit aufzuziehen. "Werden Königinnen mittlerweile echt misshandelt? Ich hatte in Erinnerung, dass sie auf Händen getragen und vor sämtlichen Gräueltaten beschützt werden.", ließ ich mit hörbar amüsierten Unterton verlauten und spielte damit nunmehr direkt auf den blauen Fleck an meinem Oberschenkel an. Ich wusste natürlich, dass dieser weniger beabsichtigt war und auch in Zukunft nicht daher rühren würde, dass Hunter seine Hand gegen mich erhob, aber es war eine unglaublich gute Vorlage, die ich so einfach nicht ungenutzt lassen konnte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #