Ich hatte bereits ein vollkommen unbewusstes Lächeln auf den Lippen liegen, während ich darauf wartete, dass sich die Tür öffnete. Hatte die Hände kurzzeitig in die Hosentaschen geschoben, als Vahagn mir letztlich aufmachte und mir prompt mal wieder eher ziemlich kühle Laune entgegenschlug. Das kam zwar bei der Russin allgemein nicht gerade selten vor und ich hatte mich schon ganz gut daran gewöhnt, aber trotzdem hatte sie mich in den letzten Tagen auch schon merklich netter begrüßt. Weniger kurz angebunden, weniger mies gelaunt und weniger abwesend, meine ich. Ich ließ ihr nur ein ebenfalls knappes "Hey.", zur Begrüßung zukommen, bevor ich ihr ins Innere der Wohnung folgte und dann die Tür wieder hinter mir zumachte. Als ich mir die Sneaker von den Füßen schob fiel mein Blick dann erstmals aktiv auf dieses sichtlich demolierte Stück Ton, das vorher vermutlich eine Vase oder etwas ähnliches dargestellt hatte. Zumindest ließ die Form der Scherben darauf schließen und so wanderte meine rechte Augenbraue ein wenig in die Höhe, als ich die Schuhe losgeworden war und an den Bruchstücken des Tongefäßes vorbeiging. Meine Beine trugen mich dann vom Flur ins Wohnzimmer zu der jungen Frau, wobei mir auch hier gleich eine Veränderung auffiel. Dass hier und da mal ein paar Blätter herumlagen war jetzt nichts Ungewöhnliches, aber es schienen mir doch deutlich mehr Unterlagen als gewöhnlich auf dem Tisch verteilt worden zu sein. Außerdem starrte Vahagn jene Papiere sonst nicht so verbissen an, wenn ich herkam. Alle gegebenen Umstände zusammen ließen mich darauf schließen, dass Irgendwas absolut gar nicht so lief, wie es das sollte und das sehr wahrscheinlich in geschäftlicher Hinsicht. Andernfalls konnte ich es mir nicht recht erklären, warum sie so genervt auf das Papier starrte, als würde es ihr dann innerhalb kürzester Zeit ein paar brauchbare Antworten für was auch immer geben. Ich ließ mich davon jedoch nicht abschrecken oder anderweitig beirren - lediglich das Lächeln verblasste unbewusst fast gänzlich -, wo ich Vahagns Launen doch inzwischen schon gewohnt war und machte es mir einfach bei ihr auf dem Sofa bequem. Ganz bewusst entspannt an das Rückenpolster gelehnt und nicht nach vorne geneigt, damit sie keinesfalls wirklich fürchten musste, dass ich Irgendwas aus ihren Akten herauslesen wollen würde. Dass sie mit ihrem Geschäft eher ziemlich penibel war und wohl nicht einmal mir trauen würde was das anging - gut, lag vielleicht auch einfach daran, dass ich nach wie vor für Hunter arbeitete und man sich bei dem Amerikaner als Neukunden kaum sicher sein konnte, woran man eben wirklich war - war mir schließlich nichts Neues und dahingehend bei ihrer anhaltenden schlechten Laune auch noch einen Streit zu provozieren stand mir nun wirklich nicht im Sinn. Da war ich lieber ein bisschen zu vorsichtig, wo ich doch wirklich so gar keine Lust darauf hatte unser aktuell sehr gutes Verhältnis zueinander unschön erneut auf die Kippe zu stellen und damit zu riskieren, dass die junge Frau sich wieder von mir distanzieren würde. "Alles okay? Du wirkst ziemlich... gestresst.", hakte ich also einfach mal ganz ruhig und entspannt nach, wie es ihr ging und warum sie so das Gesicht verzog, als hätte es die ganze letzte Woche über dauerhaft geregnet. Wenn es wirklich um etwas Geschäftliches ging konnte ich ihr zwar vermutlich eher nur wenig oder gar nicht dabei helfen, eine Lösung für ihr Problem zu finden, aber dann konnte sie sich trotzdem nach Belieben darüber bei mir auskotzen und damit zumindest einen Teil der negativen Emotionen loswerden. Dass mit Jemandem über Probleme oder Unstimmigkeiten zu reden gar nicht so verkehrt war, hatte sie inzwischen ja doch mal eingesehen, also wartete ich jetzt einfach mal auf eine Antwort und würde mich je nachdem ganz auf sie einstellen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich hatte schon lange wieder auf dem Sofa Platz genommen, als Tauren hinter mehr das Wohnzimmer betrat. Davon beirren ließ ich mich allerdings nicht und steckte die Nase schon bald wieder in meine Unterlagen, aber als der Norweger neben mir auf dem Sofa Platz genommen hatte, war ich ja doch nicht mehr ganz bei der Sache. Konnte mich einfach nicht richtig konzentrieren und wenn man ohnehin schon keinen wirklichen Plan hatte, dann fiel einem das Nachdenken gleich sehr viel schwerer, wenn man abgelenkt war. Also seufzte ich quasi parallel zu der Frage ob alles in Ordnung war und legte die Statistiken und anderweitigen Informationen in meinen Händen wieder auf dem Tisch ab. Schob, wie ich das auch schon in dem Bungalow getan hatte, all die ausgedruckten Seiten ineinander und legte sie fein säuberlich neben das Laptop, ehe ich mich mit dem Oberkörper in Taurens Richtung drehte. Mein Blick, welcher in dem des jungen Mannes lag, war noch immer nicht sehr viel weicher, als er das zur Begrüßung gewesen war, aber ihm war sicherlich bewusst, dass er nicht der Auslöser für meine schlechte Laune sein konnte. Ich überlegte einen Augenblick lang, was ich jetzt genau auf diese Frage erwidern wollen würde, zuckte letzten Endes dann aber erst einmal nur unentschlossen mit den schmalen Schultern. Geschäftliche Dinge hatten Tauren eigentlich nicht wirklich etwas anzugehen und es sträubte sich alles in mir, ihm dahingehend meine Probleme zu offenbaren, aber momentan... na ja, hatte ich streng genommen noch nicht einmal ein Geschäft. Es waren alles bloß Ideen, die schon an ihrer Umsetzung zu scheitern drohten und mich damit tierisch fuchsten. "Gestresst ist vielleicht der falsche Ausdruck.", stellte ich erst einmal mit einer für mich verhältnismäßig ruhigen Stimme fest, ehe ich ein weiteres Mal seufzte und mir die Haare raufte. "Es ist... keine Ahnung... ich bin ein bisschen frustriert, um ehrlich zu sein.", gestand ich schließlich leise, wendete den Blick allerdings wieder ab. Ich hatte mich bis hierhin ausschließlich über mein Geschäft profiliert, es immer sehr gut im Griff gehabt und nicht zuletzt auch das Ruder kurz vor den Bankrott herum gerissen. Ich hatte einfach so viel erreicht! Ohne dass ich mich jetzt wie der Retter einer Nation darstellen wollte, verdankten mir mehrere Menschen ein Leben außerhalb der Angst, ein anderer Teil wiederum schwelgte im - für das Heimatland eher unüblichen - Luxus und entgegen meiner eigentlich ziemlich verkrüppelten sozialen Ader hatte mir die Arbeit mit den Kunden durchaus Spaß gemacht. Mir jetzt eingestehen zu müssen, dass es vermutlich unmöglich war, hier auf Kuba etwas derart Großes hochzuziehen, wie ich das in Italien geschafft hatte, kratzte daher einfach ganz gewaltig an meinem Ego, welches in den letzten Tage, Wochen ohnehin schon hatte leiden müssen. Es tat mir im Herzen weh, diese Art von Arbeit wegschmeißen und voraussichtlich durch etwas ganz anderes ersetzen zu müssen, aber auch dahingehend hatte ich noch keine alternativen Lösungen parat. Legale Arbeit kam in keinem Fall in Frage, da würde ich auf kurz oder lang sicher durch die Decke gehen, weil ich schlichtweg ein gewaltiges Problem damit hatte, mich unterzuordnen. Ich war nun mal einfach ein Alpha, brauchte mein Rudel, welches sich führen ließ. Da konnte ich nicht einfach irgendeinen billigen Eurojob im nächsten Supermarkt annehmen und diesen für den Rest meines Lebens ausüben. Irgendwann würde ich daran zerbrechen - Brief und Siegel drauf. Aber ich schweifte ab, ließ Tauren wieder länger warten, als das eigentlich nötig gewesen war und doch hing ich meinen Gedanken dahingehend einfach nach. "Ich hab in den letzten Tagen mal recherchiert und irgendwie... ist es halt nahezu unmöglich, hier in Kuba etwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen und deshalb weiß ich momentan nicht so ganz, wo mir der Kopf steht.", klärte ich den jungen Mann auf der anderen Seite der Couch also darüber auf, warum bei mir momentan eben nicht alles... okay war. Natürlich könnte es mir weitaus schlechter gehen, immerhin hatte ich noch ein bisschen Kohle, mit der ich mich die nächsten Woche, sogar Monate noch über Wasser halten konnte, aber ich hatte in der letzten Zeit genug auf der faulen Haut gelegen. Brauchte einfach wieder ein bisschen Aktion, weil die negative Laune sonst sehr bald wieder Überhand nehmen würde. Dabei hatte ich sie bis hierhin relativ gut im Griff behalten können, was nicht zuletzt vermutlich auch an der Anwesenheit des Norwegers lag, die seit dem Kuss ein Stück weit beruhigend auf mich wirkte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es war also scheinbar weniger Stress und mehr Frustration, welche die Brünette momentan ein bisschen in den Wahnsinn trieb. Worauf sich jene genau bezog enthielt sie nur noch einige Sekunden lang, bevor sie tatsächlich noch ein wenig in die Tiefe ging und mir das Problem, das sie plagte, zu schildern begann. Mir erzählte, dass es wie bereits von mir vermutet mit den Geschäften zu tun hatte und es sich offenbar sehr schwierig gestalten ließ, hier auf Kuba überhaupt wieder etwas in Richtung von illegalem In- und Export auf die Beine zu stellen. Wenn ich jetzt kurz im Schweigen darüber nachdachte, dann war das wohl auch ziemlich naheliegend. Schließlich war die Verbrechensrate hier auf Kuba fast schon verboten gering - was ich eindeutig darauf schon, dass die Leite hier einfach auch mit wenig glücklich waren - und demnach dürfte es nur recht wenige Leute geben, die daran irgendwie ein Interesse hatten. Wenn man dann davon noch die Leute abzog, die sich ein Geschäft mit Vahagn überhaupt leisten konnten... nein, dann blieb da vermutlich wirklich nicht viel außer einer kleinen Randgruppe übrig, die es dann auch erstmal ausfindig zu machen galt. Was mich aber noch viel mehr an der ganzen Sache störte, war dass das im Umkehrschluss eigentlich nur zwei Dinge bedeuten konnte. Entweder würde Vahagn sich etwas anderes suchen müssen, wenn ihr bezüglich ihres alten Geschäftsmodells keine zündende Idee mehr kam, oder aber sie würde Kuba wahrscheinlich doch verlassen. Dass mir die Möglichkeit auf letzteres ganz besonders sauer aufstieß, war wohl kein Wunder. Ich wollte ganz und gar nicht, dass die junge Frau das Weite suchte und mich wieder mit dem Rest der Gruppe alleine ließ. Ich genoss ihre Anwesenheit, redete gern mit ihr und hatte in den regelmäßigen Treffen eine Art Ruhepol gefunden, der mir unheimlich gut tat. Gerade nach den elenden Eskapaden mit Richard. Zwar war er jetzt nicht mehr da - wenn er nicht gerade stiften ging -, aber trotzdem fühlte ich mich in seinem Haus jetzt nicht mehr wirklich wohl. Der Zug war vermutlich einfach abgefahren, also war ich der Russin gleich doppelt dankbar dafür, dass sie mich immer wieder vorbeischauen ließ. Ich wollte absolut nicht, dass sie die Insel wieder verließ, also rutschte mein Blick wohl etwas nachdenklich auf meine Oberschenkel ab, während ich die Worte "Kann ich verstehen, das ist natürlich verdammt ungünstig...", vor mich hin murmelte. Hatte ich denn überhaupt irgendwelche Möglichkeiten, ihr bei der Problemlösung behilflich zu sein? Nicht viele wahrscheinlich. Ich selbst war mit keinerlei Mitteln in dieser Richtung gesegnet, konnte da nichts beisteuern oder ihr anderweitig unter die Arme greifen. Ich wusste auch nicht, inwiefern Hunter hier schon irgendwelche Kontakte hatte oder ob er selbst noch irgendwas aus dem Ausland brauchte, oder in jenes bringen wollte. Er gab an seine Männer - Ashton ausgenommen - ja nichts weiter, das nicht relevant für sie war und zog die meisten Strippen allein im Hintergrund. "Nur auf dein Hauptgeschäft oder absolut Alles bezogen?", hakte ich erst einmal vorsichtig und bewusst nur sehr oberflächlich nach, weil ich ja nicht besonders viel über ihre sonstigen Geschäfte wusste und wohl auch nicht wissen sollte. Ich wusste nur, dass das hin und her verschiffen ihre Haupteinnahmequelle war. Auch den Blick hob ich wieder zu Vahagn an, drehte mich ihr dabei mehr zu und zog ein Bein aufs Sofa, um es dort auf dem Polster anzuwinkeln. Meine Hand auch darauf liegen ließ, während ich mich seitlich mit der Schulter ans Polster lehnte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ungünstig... ja, so konnte man das natürlich auch sagen. Für mich war es jedoch weit mehr als das. Es glich einer Katastrophe, weil dieses Geschäft nun mal den Menschen aus mir gemacht hatte, der ich heute war. Zwar mochte das für mein Umfeld nicht immer besonders angenehm gewesen sein und auch ich selbst hatte hier und da mit mir selbst zu kämpfen gehabt, aber alles in allem gab mir diese Arbeit ein Gefühl der Sicherheit - was ironisch war, wo ich doch nur in den seltensten Fällen unbewaffnet aus dem Haus ging. Gut, hier auf Kuba hatte ich aus zwei ganz einfachen Gründen darauf verzichtet. Zum einen war das Führen von solchen Gegenständen mit der Schwere an Verletzungen verdammt unangenehm und zum anderen war mir das kubanische Volk bis jetzt als sehr freundlich und zuvorkommend entgegen getreten. Bedroht fühlte ich mich jedenfalls nicht und sah es deswegen auch nicht ein, mich um die Organisation einer Pistole oder einem geeigneten Messer zu kümmern. Klar, das wäre grundsätzlich eine Geschichte, der ich mich mit Abstand als erstes annehmen würde, sobald ich ein neues Geschäft aus dem Boden gestampft hatte, aber der aktuelle Stand der Dinge ließ eher weniger darauf schließen, dass das in der nächsten Zeit passieren würde. Diese Erkenntnis entlockte mir jetzt also bestimmt schon zum dritten oder vierten Mal ein tiefes Seufzen in Taurens Gegenwart, als ich mich auf dem Sofapolster ebenfalls etwas anderes positionierte, um den Norweger besser ansehen zu können. Dazu zog ich beide Beine in einen Schneidersitz und lehnte mich ebenfalls seitlich mit der unversehrten Schulter an die Rückenlehne der Couch. "Ja, auf den Im- und Exportbereich bezogen... Menschen schmuggeln. Das findet hier ganz offensichtlich nicht besonders viel Anklang. Und...", ich hielt kurz inne, wendete den Blick, der bis jetzt relativ ruhig auf dem jungen Mann gelegen hatte auf meine Hände ab. Natürlich bedrückte mich auch der Umstand, dass es Iljah momentan durch den Vorfall in Italien auch nicht besonders gut ging. Vielleicht frustrierte mich das sogar ein Stück weit mehr, als dass es hier auf Kuba so schwer war, Fuß auf kriminellen Boden zu fassen. "Ach... es ist eigentlich nicht so wichtig. Ich will dich damit echt nicht nerven, wird sich irgendwann bestimmt eine Lösung finden. Du hattest heute sicher schon genug Stress, da möchte ich dich mit so belanglosen Kleinigkeiten nicht belagern.", war ich im Begriff, die ganze Geschichte einfach unter den Tisch zu kehren, auch wenn es mich ganz offensichtlich ziemlich bedrückte und in meinen Augen nun mal doch keine so unwesentliche Kleinigkeit darstellte. In dem Punkt war es viel weniger der geschäftliche und mehr der private Aspekt, der mich ungerne darüber reden lassen wollte, auch wenn es mir auf der Seele brannte. Ich das dringende Bedürfnis verspürte, mich jemanden anvertrauen zu wollen, aber für mich war das noch immer keine Selbstverständlichkeit, mit Tauren über solche Dinge zu reden... reden zu können. Demnach ließ ich ihm mehr oder weniger die Wahl, ob er sich auch den Rest meiner Misere noch anhören wollte, aber bis dahin hielt ich den Blick gesenkt und stand sogar kurz darauf vom Sofa auf. "Willst du etwas trinken? Oder eine Kleinigkeit essen?", sträubte sich mit einer Frage das letzte bisschen Vernunft in mir, ihm überhaupt erst die Chance dazu zu geben, noch weiter nachzuhaken. Denn damit zeigte ich ja doch ganz offensichtlich, dass ich weniger bereit war, mich ihm in diesem Punkt anzuvertrauen, aber... Man, das war doch alles Scheiße. Vollkommener Quatsch und ich wollte mein Gehirn in genau diesem Augenblick echt gerne in die Tonne treten. Es malte sich einfach schon wieder unzählige realitätsferne Szenarien aus, was der Norweger mit den Informationen denn alles anfangen könnte, weshalb sich mein Kopf mal wieder mehr oder weniger dagegen weigerte, dieser Konversation eine Chance geben. Auf der anderen Seite hatte mir unsere Aussprache von vor ein paar Wochen auf der Festung am Meer doch ganz klar gezeigt, wie gut mir dieser offene Umgang eigentlich tat und bis jetzt war nichts, was ich dem gut aussehenden Mann anvertraut hatte negativ auf mich zurück gefallen, also warum hatte ich solche Angst? Wovor? Ich würde wohl wirklich noch eine Menge Zeit brauchen, mich daran zu gewöhnen, dass es nun mal tatsächlich Menschen auf der Welt gab, denen ich am Herzen lag und die sich ganz ohne jegliche Hintergedanken nach meinem Wohlergehen erkundigten. Sich vielleicht nicht unbedingt für meine Probleme interessierten, aber mir dennoch zuhören und Ratschläge geben würden. In meinen Augen war das ein weiterer Grund, warum mir die Organisation einer Firma hier auf Kuba so am Herzen lag. Mir ging es seit einer sehr, sehr langen Zeit grundlegend mal wieder gut. Nicht unbedingt körperlich, aber psychisch merkte ich das ganz extrem. Wenn Tauren in der Nähe war, ließen sich dich sonst so unerträglichen Gedanken zumindest ansatzweise aushalten und wenn ich nicht zeitnah eine Alternative zu meinem eigentlich Geschäft fand und Iljah sich drüben in Russland auch nicht mehr fing, dann... war der ganze Fortschritt bis jetzt vollkommen für den Eimer gewesen.
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Scheinbar hatte ich mit meiner Vermutung bezüglich des Problems schon ziemlich richtig gelegen, das überwiegend eben im hin und her kutschieren von Menschen bestand. Hatte sie ja für uns auch getan und damit nicht wenig Geld abgestaubt, wobei ich allerdings stark anzweifelte, das von jenem Geld denn auch noch etwas übrig geblieben war, wenn sie prompt nach der Landung angegriffen worden waren. Die Italiener wären schon blöd gewesen die Kohle nicht entweder selbst mitzunehmen oder zumindest zu verbrennen, damit die Russin - beziehungsweise ihre Männer - nicht mehr rankam. Dass davon also ziemlich wahrscheinlich auch nichts mehr übrig war kam der Brünetten hier absolut nicht zugute, wenn sie ein neues Geschäft aus dem Boden stampfen wollte. Ganz unabhängig davon, ob es nun ihr vorheriges Geschäftsmodell mit neuem Standort oder etwas ganz Neues sein sollte. Deshalb seufzte auch ich leise, als Vahagn gesagt hatte, dass die Kubaner wohl einfach nicht empfänglich für diese Geschäfte waren, beziehungsweise einfach kein Interesse oder Geld dafür bestand. Allerdings brach sie ihren nächsten Satz dann ziemlich abrupt ab, weshalb ich meinen Blick in ihrem Gesicht ruhen ließ und gewohnt geduldig auf eine Fortsetzung wartete. Allerdings schien die junge Frau sich dann doch eher wieder komplett drum herum winden zu wollen, kam auch mit ihren folgenden Worten nicht auf den Punkt und winkte im übertragenen Sinne ab, weil es nicht so wichtig war. Ich konnte ihr aber im gleichen Zug ansehen, dass es - was auch immer es war - ihr durchaus Unbehagen bereitete und sie beschäftigte, weshalb ich mich doch unweigerlich fragte, weshalb sie jetzt wieder den Rückzug antrat. Ich hatte der Brünetten doch am Fort an der Küste sehr deutlich gesagt, dass es egal war, wie unwichtig ihr manche Dinge, die sie mir sagen wollte, womöglich erscheinen mochten. Es konnte sich um noch so eine winzige Lappalie handeln und ich würde ihr trotzdem mein Gehör schenken, wie ich es mehr oder minder versprochen hatte. Dennoch wusste ich, wie schwer es ihr fiel sich Jemandem zu öffnen - eben auch dann, wenn es sich dabei um mich handelte - und deswegen ließ ich was das anging erst recht Geduld walten. Vahagn zeigte ja immer wieder Ansätze es besser machen zu wollen und deshalb war es ziemlich sicher die beste Taktik sie darin zu bestätigen, damit sie sich zukünftig irgendwann vielleicht mal ein bisschen leichter damit tun würde auf Anhieb zur Sprache zu bringen, was ihr auf dem Herzen lag. Zwar lag dieser Tag vermutlich noch irgendwo in der Ferne, aber ich hatte Zeit. "Ich hab heute den ganzen Tag noch nicht viel mehr gemacht als eine Lagerhalle auszuräumen... das war körperlich zwar vielleicht ein bisschen anstrengend, aber das war's auch schon. Du kannst mich also liebend gern ein bisschen nerven, dafür bin ich ja da.", setzte ich die junge Frau weiterhin die Ruhe selbst darüber in Kenntnis, dass sie mir gerne ihr Leid klagen konnte, weil ich ihr ganz einfach immer gerne zuhörte. Betonte das eine Wort ganz besonders, weil sie mir schlichtweg kein Stück damit auf die Nerven gehen würde. Wieso auch? So funktionierte eine aufrichtige Freundschaft - oder worauf auch immer wieder momentan zusteuerten, war das doch nach wie vor eine absolut ungeklärte Sache - nun mal. Man teilte nicht nur durchweg positive Dinge miteinander, sondern nahm sich auch mal den Sorgen des jeweils anderen an, wenn das notwendig war. Allerdings änderte das nicht viel daran, dass mir der Magen knurrte, weil ich seit heute Mittag nichts mehr gegessen hatte und sich der Körper langfristig leider nicht von Luft und Liebe ernähren konnte. "Aber falls du den Weg in die Küche trotzdem auf dich nimmst, würd' ich gern was zu essen nehmen... egal was, ich ess fast alles. Und... 'n Wasser.", bat ich Vahagn mit einem leichten Grinsen und leicht schiefgelegtem Kopf darum sich ein kleines bisschen um mein leibliches Wohl zu kümmern, wenn sie es mir schon angeboten hatte. Getrunken hatte ich heute zwar schon genug, aber wenn ich was zu Essen bekommen sollte, dann brauchte ich was zum runterspülen. Was sie mir letztlich vorsetzte war mir dabei ziemlich egal. Das konnten von mir aus irgendwelche Reste von ihrem Mittag- oder Abendessen sein, oder auch nur ein Brot, ich war da absolut flexibel und nur selten mal wählerisch. Selbstverständlich gab es Dinge, die ich lieber aß als andere, aber das hatte gerade keinerlei Priorität. Ich wollte einfach nur, dass diese Leere in meinem Bauch gestopft wurde und ich mir nicht später selber noch irgendwas machen musste. Wenn es nach mir gehen würde, dann würde ich ja auch einfach hier schlafen und mir den Rückweg für morgen aufsparen, aber bisher hatte sich die junge Frau dagegen ausgesprochen. Deswegen ging ich jetzt mal nicht davon aus, dass sich daran heute noch irgendwann etwas ändern würde... was absolut schade war, weil ich mich leider auch schon ziemlich stark daran gewöhnt hatte nicht allein schlafen zu müssen. Die Entwöhnung dahingehend war auch echt viel zu plötzlich passiert und ich würde eigentlich ganz gerne wieder zu der anderen, viel besseren Schlaf-Version umswitchen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich stand bereits auf der Schwelle zum Flur, als Tauren mich die Worte hören ließ, auf die ich unterbewusst so inständig gehofft hatte. Gut, dass er tatsächlich ein Hungergefühl verspürte und etwas essen wollen würde hatte ich zwar nicht gedacht, aber ich bot ihm nichts an, was sich im Ernstfall nicht wirklich umsetzen ließ. Demnach nickte ich ihm mit einem aufrichtigen Lächeln auf den Lippen zu, als ich mich vom Türrahmen, an den ich bis eben gelehnt und auf eine Antwort gewartet hatte, abstieß, um ein paar Schritte weiter schließlich in die Küche einzubiegen. Dort angekommen musste ich nicht lange überlegen und beschloss, dem Norweger einfach die Reste meines asiatischen Mittagessens zu überlassen, die ich heute ohnehin nicht mehr geschafft hätte. Zwar wäre ich damit sicherlich auch noch gut über den morgigen Tag gekommen, aber ich würde dem jungen Mann kaum ein Brot anbieten, wenn es etwas deutlich besseres gab. Demnach steuerte ich auch ohne zu zögern den Kühlschrank an, um das dort gelagerte Essen in seiner Umverpackung heraus zu nehmen. Ich drapierte das in Sojasoße eingelegte Gemüse auf einem hitzebeständigen Teller und kratzte auch noch das letzte bisschen Reis zusammen, ehe alles zeitnah in die Mikrowelle wanderte. In der Zwischenzeit stellte ich schon einmal eine Flasche Wasser bereit und wartete dann an die Küchentheke gelehnt darauf, dass die Mikrowelle mit dem nur allzu bekannten Ping ihren Dienst quittierte. Dabei verschränkte ich die Arme nachdenklich vor der Brust und senkte den Blick auf den Küchenboden, um zu überlegen, wie ich meine Probleme gegenüber Tauren gleich am besten in Worte fassen sollte, aber ein wirklich zufriedenstellendes Ergebnis kam dabei in meinen Augen nicht rum. Leider war ich auch kein Stück schlauer, als schließlich das erwartete Geräusch ertönte und ich den nahezu kochend heißen Teller an mich nahm. Mit dem Essen in der einen und dem Wasser in der anderen Hand ging ich also ein wenig ratlos zurück ins Wohnzimmer, wo ich Speis und Trank vor dem Norweger auf dem kleinen Tisch abstellte. "Sorry, seit meinem Auszug hab ich kaum selbst gekocht. Probiere gerade Havannas Imbissbuden, seitdem ich wieder länger, als nur ein paar Minuten laufen kann.", entschuldigte ich mich mit einem schiefen Grinsen, dass er jetzt leider mit etwas Vorlieb nehmen musste, das ich nicht selbst gekocht hatte. Aber dafür war ich in den letzten Tagen auch einfach zu beschäftigt gewesen und hatte dann am Abend nur noch bedingt Lust dazu, mich in die Küche an den Herd zu stellen. Lieber spazierte ich eine Runde durch die Innenstadt, kundschaftete die Gegend aus und nahm mir auf dem Rückweg bei den ortsansässigen Imbissbuden etwas mit. Besonders teuer war Kuba im Verhältnis zu Italien nämlich nicht, demnach konnte ich mir das durchaus auch einmal öfter erlauben, ohne befürchten zu müssen, Bankrott zu gehen. Generell würde ich schätzen, dass es gerade hier im Herzen Havannas deutlich günstiger war, sich Essen zu bestellen oder liefern zu lassen, als frisch einzukaufen, wobei man bei den angebotenen Waren hier natürlich wusste, woher es kam. Das konnte man von den meisten Supermärkten größerer Länder leider nicht behaupten, aber nun gut. Ich nahm mir einfach vor, die Sache mit dem Kochen ein Stück weit ernster zu nehmen, wenn ich wusste, wie es eigentlich weiter gehen sollte. Wenn ich erst einmal eine zündende Idee hatte, dann musste ich mir auch keine Sorgen mehr darum machen, dass mir plötzlich die Bude unter dem Arsch weg brannte, weil ich geistesabwesend Nudeln ohne Wasser kochen wollte oder so. Na ja. Jedenfalls hatte ich den Teller also auf dem Wohnzimmertisch abgestellt und mich kurz darauf zurück auf das Sofa fallen lassen. Noch bevor mein Hintern das Polster erreicht hatte, war das Grinsen bereits verflogen und der etwas verloren wirkende Blick lag wieder auf meinen Händen. "Was mein Problem angeht... na ja. Streng genommen ist es irgendwie nicht mein Problem. Eher Iljahs...", setzte ich ohne weiteres - quasi als war mir nie der Sinn danach gestanden, es ihm eigentlich gar nicht erzählen zu wollen - dazu an, mit meiner unterbrochenen Erklärung von vorhin fortzufahren, auch wenn ich immer mal wieder einen kurzen Blick auf meinen Gegenüber riskierte, um seine Reaktion zu beobachten. Sollte ich feststellen, dass er doch weniger begeistert war, mir und meinen Problemen sein Ohr zu schenken, würde ich es wohl einfach lassen, weiter zu reden. Aber bis dahin... sprudelte all das Leid förmlich aus mir heraus. "Seit der Sache in Italien geht es auch dem Unternehmen in Russland nicht besonders gut und Iljah hat da drüber Männer, die er ohne die zusätzliche Arbeit in Palermo einfach nicht bezahlen kann. Und ich weiß nicht..", ich stockte, seufzte und zuckte ein wenig hilflos mit den Schultern. "Vielleicht ist es sogar das, was mich aktuell noch ein Stück weit mehr stört. Ich würde ihm gerne helfen, vermitteln kann ich schließlich, aber ich habe kaum Kontakte mehr in Italien und selbst wenn, dann wäre es in meinen Augen viel zu gefährlich, Kontakt zu ihnen aufzunehmen.", stellte ich resigniert fest und rieb mir daraufhin etwas angestrengt über das Gesicht. Momentan war so vieles einfach scheiße, um es mal freundlich auszudrücken. Einzig und alleine mein Leben an sich schien wieder etwas mehr Lebensqualität zurück zu erlangen. Trotzdem fehlte mir ohne Arbeit einfach etwas und wenn ich dann auch noch wusste, dass es meinem einzigen existierenden Familienmitglied nicht sehr gut ging... brachte mich das einfach in eine Zwickmühle. Einerseits wollte ich gerne hier weiter an mir selber arbeiten. Mich vielleicht doch von dem Menschenschmuggel lossagen und etwas anderes, neues aufbauen, aber auf der anderen Seite verspürte ich das dringende Bedürfnis, Kuba zu verlassen, um Illjah zu helfen, die Sache gerade zu biegen.
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Ich bekam tatsächlich wenig später etwas zu Essen von der Russin vorgesetzt und damit erreichte unweigerlich schon das nächste aufrichtige Lächeln mein Gesicht. Dabei spielte es absolut gar keine Rolle, ob Vahagn das Essen nun irgendwann im Laufe des Tages selbstgemacht hatte oder nicht - mir reichte die Geste an sich vollkommen aus, um hellauf zufrieden damit zu sein und so winkte ich flüchtig mit der Hand ab. "Macht keinen Unterschied, ich bin zufrieden... danke.", ließ ich der Brünetten meinen Dank zukommen und rutschte dann ein Stück weiter nach vorne an die Tischkante, um halbwegs ordentlich essen zu können. Natürlich war die niedrige Tischhöhe da jetzt nicht optimal, aber vom Sofa aus zu essen betrieb ich hier gerade weiß Gott ja nicht zum ersten Mal. Es war mir nur wichtig das Polster des Sofas zu verschonen, während ich langsam zu essen anfing und dabei dann auch Vahagns Worten zu lauschen begann. Während ich mir ein um die andere Gabel des asiatischen Gerichts zwischen die Kiemen schob offenbarte mir die junge Frau, was ihr zusätzlich zu ihrem eigenen Geschäftsproblem noch auf der Seele lag. Dabei schien es sich um ihren Bruder zu handeln, der mir bisher eher nur wenig sympathisch rübergekommen war. Wenn er dahingehend jedoch wie Vahagn tickte und vornherum grundlegend nur dumme Sprüche klopfte, während er im Grunde eigentlich ganz in Ordnung war, dann wollte ich den bisher nur knappen Wortwechsel mit ihm lieber noch nicht überbewerten. Ich kannte den Schwarzhaarigen schlicht nicht gut genug um zu beurteilen, wie und wer er eigentlich war, also blieb ich was das anging vollkommen unvoreingenommen. Jedenfalls schien es Vahagns Bruder finanziell im Augenblick auch nicht besonders gut zu gehen und das machte die Misere wohl komplett. Es hätte nun wirklich gereicht, wenn die junge Frau sich nur um ihr eigenes Budget hätte sorgen müssen und nicht zusätzlich noch um Iljahs Ausgangslage fürchten musste. Sie hatte nach dem Angriff auf ihre Person einfach auch ohne diesen zusätzlichen Ballast ziemlich sicher genug Sorgen und so ließ mich ihre Schilderung leise seufzen. Bevor ich aber zu einer Antwort ansetzte nahm ich erst noch eine weitere Gabel voll Gemüse zu mir und während ich kaute griff ich dann schon nach der Wasserflasche, um ein paar Schlucke nachzutrinken, nachdem ich runtergeschluckt hatte. Dann drehte ich meinen Kopf zu Vahagn rüber, sah sie direkt an. "Ich kann verstehen, dass dich das runterzieht... ist schließlich dein Bruder, da ist es echt blöd, wenn du ihm nicht unter die Arme greifen kannst...", setzte ich erst einmal zu ein paar verständnisvollen Worten an. Denn wieder Kontakt nach Italien aufzunehmen war einfach viel zu gefährlich, kam nicht ansatzweise in Frage. Zumal Hunter ihr ziemlich sicher aufs Dach steigen würde, wenn er irgendwie Wind davon bekommen würde. Ich würde ihm das zwar nicht sagen, wenn er nicht explizit danach fragte - weil in dem Fall müsste ich dann wohl doch mit der Sprache rausrücken -, aber sollten deshalb Italiener ihre Füße auf kubanischen Boden setzen, wäre das alles andere als gut. Weder für Vahagn, noch für mich, noch für irgendjemanden sonst. "...Kontakte nach Italien nochmal spielen zu lassen wär wohl wirklich keine gute Idee. Ich würd' dir echt gern irgendwie helfen, aber...", redete ich noch ein bisschen weiter vor mich hin, zuckte dann am Ende leicht mit den Schultern und senkte den Blick wieder auf meinen Teller. Dass ich selbst weder Kontakte, noch sonst irgendwelche hilfreichen Ressourcen für aktive Hilfe besaß, dürfte der Brünetten hier schließlich nichts Neues sein. Dementsprechend waren meine Möglichkeiten da sehr begrenzt und ich nahm erst noch zwei weitere Gabeln voll zu mir, bevor mein Schädel in Gedanken noch einmal zurück zu dem Amerikaner schwankte. Konnte ich ihn nach etwas Unterstützung fragen, ohne, dass er mir den Kopf abriss? Immerhin wäre es ja nicht ganz uneigennützig für ihn, wenn er der Russin einen weiteren Job zukommen ließ und sie darum bat, noch ein paar mehr verbliebene Ressourcen aus Norwegen einzufliegen. Vielleicht hatten es sich inzwischen auch ein paar seiner dort übrig gebliebenen Männer anders überlegt und wollten doch noch nachziehen. Möglich war das schon, wenn man mich fragte. Andererseits konnte ich zum jetzigen Zeitpunkt eben trotzdem absolut nicht einschätzen wie er dazu stand gleich ein weiteres Geschäft mit ihr zu machen, wo er es jetzt doch sicher noch nicht zwingend benötigte. "Ich könnte höchstens mal Hunter fragen, wenn du willst... er hat bestimmt noch Zeug drüben in Norwegen, das er hierher haben will, auch wenn er's eigentlich nicht sofort braucht. Oder vielleicht hat sich's der eine oder andere Zurückgebliebene jetzt anders überlegt... ist wohl leider das Einzige, das ich dir anbieten kann.", schlug ich Vahagn also letztlich doch vor, dass ich mich beim Chef beiläufig danach erkundigen konnte, ob er womöglich Interesse daran hätte noch ein weiteres Geschäft mit ihr abzuwickeln. Versprechen konnte ich natürlich nichts, aber eine andere Möglichkeit ihr zu helfen hatte ich vermutlich nicht.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Im Verlauf des Gesprächs zog ich dann die Beine erneut in einen Schneidersitz und lehnte mich seitlich mit der Schulter gegen das Polster. Dieses Mal legte ich meinen Arm allerdings auf der Rückenlehne ab, winkelte diesen an und lehnte meinen Kopf gegen die zur Faust geballten Hand. Aus dieser Position heraus beobachtete ich Tauren dabei, wie er nach einer sich recht zufrieden anhörenden Danksagung das Essen in sich hinein schaufelte und mir parallel dazu sein Gehör schenkte. Dann, als ich die Geschichte schließlich auf den Punkt gebracht hatte, zog noch eine verhältnismäßig lange Zeit ins Land, bis endlich eine Resonanz des jungen Mannes folgte, auf die ich nur zustimmend, wenn auch schwach nickte, aber ja... Blöd war das Ganze schon und ich empfand das Wort dahingehend schon als keinen passenden Ausdruck mehr. Absolut zum kotzen, hätte den Nagel vermutlich sehr viel eher auf den Kopf getroffen, aber ich wusste sein Verständnis durchaus zu schätzen, wirklich. Auch, dass er mir zuhörte, tat mir unglaublich gut. Ich musste zwischendrin zwar immer mal wieder warten, wenn er eine Gabel des asiatischen Gemüse in sich rein stopfte, aber wie hatte meine Großmutter immer gesagt? Niemand soll hungern oder frieren. Genau und deswegen würde ich den jungen Mann wohl auch keinesfalls hetzen, schien er den ganzen Tag über noch nicht wirklich feste Nahrung zu sich genommen zu haben. Und so wie ich das sah, schien es ihm ja auch zu schmecken, also gab ich ihm fairerweise die Zeit, welche er mir in der Regel auch einräumte, um mich ihm gegenüber ein klein wenig mehr zu öffnen. Mir lag Geduld nach wie vor nicht und das spürte ich, wurde ich leider doch zunehmend unruhiger, je öfter er sich unterbrach, aber ich beherrschte mich. Sagte nichts und versuchte mich in der Zwischenzeit einfach auf etwas anderes zu konzentrieren. Das war nur leider gar nicht mal so leicht, wenn die Gedanken wieder anfingen, sich um Iljah und das damit verbundene Geschäft zu drehen. Ich würde fast vermuten, dass er sehr viel eher zu einer Lösung für diese ganze Misere kommen würde, als ich das tat, denn mein Bruder war von Natur aus mit deutlich mehr innerer Ruhe gesegnet worden, aber trotzdem konnte ich nicht aufhören, an ihn zu denken. "Du hilfst mir schon, indem du mir zuhörst.", murmelte ich nachdenklich und hob den Blick wieder in den seinen an, als Tauren sich kurzzeitig in meine Richtung drehte. Und das tat er wirklich. Das Problem löste sich dadurch zwar leider nicht in Luft auf und wirklich besser machen tat es der Umstand, dass nun noch jemand weiteres davon Kenntnis erlangt hatte nun auch nicht, aber ich persönlich fühlte mich irgendwie ein Stück weit entlastet. So als müsste ich nicht mehr alles mit mir alleine umherschleppen und konnte zwischendrin wieder aufatmen. Mich etwas sortieren, während mein Gegenüber in der Zeit womöglich auch Optionen, Alternativen und Lösungen abwägte. Was das anging, konnte ich mich wohl wirklich daran gewöhnen, mich hier und da einfach mal auszukotzen, wenn es mir nicht gut ging, aber... es hinterließ auch ein leicht flaues Gefühl in meinem Magen. Schließlich durfte man nicht vergessen, dass Tauren mit seinem Kontakt zu Hunters Clan noch immer so etwas wie... Konkurrenz war. Zwar hatte ich mittlerweile streng genommen kein Geschäft mehr, mit dem sich das von Hunter konkurrieren könnte, aber trotzdem blieb da dieses gewisse - vermutlich angeborene - Misstrauen dem Norweger gegenüber, das ich leider auch nach dem Kuss nicht gänzlich hatte ablegen können. Gut, also streng genommen musste man dazu sagen, dass das flaue Gefühl noch lange nicht so unangenehm war, als dass ich mich daran aufhängen würde. Jedoch machte es hier und da auf sich aufmerksam und ich musste mich immer mal wieder kurzzeitig damit beschäftigen, nur um mich dann mit dem Arsch drauf zu setzen und ja doch weiter dem Rat, meinen Kopf einfach auszuschalten, zu folgen. Dass ich inzwischen fast dauerhaft auf Autopilot lief, wenn der junge Mann in der Nähe war, war aber vermutlich nicht Sinn und Zweck der Übung gewesen. Faktisch gesehen hatte ich in Taurens Gegenwart jetzt schon einige Prinzipien achtlos über Bord geworfen und mein Engelchen, dessen Flügel mittlerweile kein Pflaster mehr zierte, lief vollkommen aufgebracht durch mein Oberstübchen. Schimpfte mit mir, aber ich stieß die Spalt breit geöffnete Tür ja doch immer wieder mit dem Fuß zu, wenn der Zweifel, ob der Norweger mir wirklich gut tat, an mir nagte. Ich war gerade dabei, in einer der Sprechpausen meines Gegenübers wieder in Gedanken zu versinken, als er wider Erwarten doch noch einmal relativ zügig das Wort an mich richtete. Mir eine Idee offenbarte, die mich ihn eine Zeit lang entgeistert anstarren ließ, bis ich schließlich entschlossen mit dem Kopf schüttelte. Nein. Das... "Ich weiß das Angebot wirklich zu schätzen, aber..." Ja, aber was? Wenn man mal eine Minute länger darüber nachdachte, ehe man sich quer stellte, würde man feststellen, dass das eigentlich gar keine so schlechte Lösung war. Immerhin hatte der Blonde auch in dem Punkt vollkommen Recht. Es könnten noch Sachen in Norwegen sein, die gebraucht wurden oder Hunters Männer wollten doch noch zu ihrem Chef aufschließen, weil sich in der Zwischenzeit einiges verändert hatte. Ihnen eventuell die Italiener auf den Fersen waren und ein kostengünstiger Abgang sicher gerade gelegen kam, aber... ich wollte nicht, dass Tauren den Amerikaner in meinem Namen fragen würde. Dann käme ich mir absolut beschissen vor. Klein, als hätte ich nicht den Mut, selber zu fragen. Aber an Mut sollte das ganze nicht scheitern. Viel eher war es mein Stolz, der mir dahingehend im Weg stand. Gegenüber einer Person wie Hunter wollte ich mir ungern die Blöße geben und ihm offenbaren, dass es mir fast schon wichtig war, wenn er mich mit irgendeinem Import beauftragte, aber streng genommen wäre es mir das ja auch. Nicht wegen mir persönlich, ich würde von der Kohle vermutlich nichts behalten wollen, sondern eben wegen Iljah. Ich würde hier auf Kuba sicher irgendwie klar kommen, aber auch wenn ich die Jüngere von uns beiden war, hatte ich schon immer das Bedürfnis gehabt, schützend meine Hand über meinen Bruder zu halten. So wie er das bei mir auch immer getan hatte. Und in Anbetracht der Tatsache, dass wir für prinzipiell ziemlich geringen Aufwand echt einen Haufe Asche verlangen konnten, war es vielleicht nicht die schlechteste Idee bei dem Amerikaner anzuklopfen. So tief mich dieser Demut auch kränken würde, aber mir viel so spontan auch keine Alternative ein, also seufzte ich etwas resigniert und zuckte nachdenklich mit den Schultern. "Ich würde ihn selber fragen wollen. Denkst du, er findet in den nächsten Tagen Zeit für mich?", äußerte ich mich nicht mehr ganz so negativ der Idee gegenüber, wandte den Blick dennoch ab, weil mir die durchweg aussichtslos erscheinende Situation wirklich an die Substanz ging. Außerdem hängte ich gleich noch eine Frage hinten dran, die in Erfahrung bringen sollte, ob der Chef des Clans mittlerweile auch wieder mit beiden Beinen im kriminellen Alltag stand. Dann war es nämlich ziemlich schlecht mit einfach mal spontan aufschlagen. Ich wusste inzwischen wo er wohnte, daran sollte es nicht scheitern, aber ich hatte gewiss keine Lust darauf, dem rothaarigen Teufel über den Weg zu laufen, der sich für meine Verhältnisse indirekt viel zu sehr in die Geschäfte ihres Lovers einmischte.
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Die Worte bezüglich meinen offenen Ohren für die junge Frau ließen mich unbewusst wieder ein kleines bisschen lächeln. Es war einfach schön zu hören, dass sie sich inzwischen doch schon deutlich besser damit zu fühlen schien, wenn sie ihre Gedanken mit mir teilte. Zwar hatte es eine Weile gedauert, aber die Brünette schien langsam tatsächlich damit anzufangen sich mir etwas mehr anvertrauen zu wollen. Nur in kleinen, vorsichtigen Schritten, aber das war auch vollkommen ausreichend. Langsam aufgebautes Vertrauen war häufig sowieso tiefgehender als flüchtig verschenktes. Wenn wir es also schafften den Kontakt zu halten war ich fest davon überzeugt, dass sie irgendwann nicht mehr zuerst darüber nachdenken musste, ob sie mir ihre Probleme nennen sollte oder doch lieber nicht, sondern von allein damit auf mich zukommen würde. "Na immerhin das.", zeigte ich mich erfreut darüber, dass Vahagn allein das Reden schon gut zu tun schien. Im ersten Moment schien die Brünette jedoch von meinem Vorschlag bezüglich des Amerikaners absolut gar nicht begeistert zu sein. Schüttelte sofort ziemlich eindeutig den Kopf und hängte noch ein paar Worte hinten ran, die meine erste Vermutung bestätigen konnten. Tja, das war es dann aber leider auch schon mit meinem Repertoire gewesen. Natürlich war ich in keinster Weise irgendwie dazu verpflichtet der Russin zu helfen, aber ich wollte es eben trotzdem gerne. Ich freute mich immer, wenn ich Jemandem unter die Arme greifen konnte und wenn es sich dabei auch noch und die hübsche junge Frau hier handelte, dann war das gleich doppelt gut. Nicht, weil ich mich bei ihr einschleimen wollte oder dergleichen, sondern weil ich sie einfach gern hatte. Vielleicht ein bisschen zu gern dafür, dass wir nach wie vor irgendwo im Nirgendwo miteinander standen. Aber es würde wohl Niemand anderes als Vahagn selbst mir wirklich die Hoffnungen auf etwas mehr als blanke Freundschaft nehmen können. Bis es soweit war und sie mir keinen endgültigen Riegel vorgeschoben hatte, würde ich ihr also zur Seite stehen und helfen, wo ich konnte... wobei ich das ziemlich sicher auch nach einem Korb weiterhin tun würde, weil ich nun mal einfach so war. Ich half wo ich konnte, auch wenn für mich dabei absolut nichts heraussprang außer einem Dankeschön. Innerlich war ich bereits ein an mich selbst gerichtetes Seufzen losgeworden und hatte mich parallel dazu dem letzten bisschen Asiagemüse auf dem Teller gewidmet, als die junge Frau neben mir wider Erwarten doch noch einmal darauf zurückkam und die Sache nicht unversucht lassen wollte. Also schob ich mich nach dem letzten Bissen vom Teller endgültig mit der Wasserflasche in der Hand wieder zurück nach hinten an die Rückenlehne des Sofas, bevor ich noch ein paar Schlucke nahm und die Flasche im Anschluss zwischen meinen Oberschenkel und die Armlehne packte. Dann wandte ich meinen Blick erneut Vahagn zu und zuckte ein klein wenig mit den Schultern. "Weiß ich nicht. Lass mich Hunter wenigstens fragen wann er Zeit hat, er kommt morgen glaube ich sowieso auf der Baustelle vorbei... wir haben ja gemerkt, wie sehr er es nicht leiden kann, wenn man unangemeldet aufkreuzt.", bat ich die Russin darum mir zumindest ihr Einverständnis dafür zu geben, vorher einen Termin für das Gespräch für sie aushandeln zu dürfen. Hielt das für die beste Variante der Vorgehensweise. Dass sie lieber persönlich nach Hunters Unterstützung fragen wollte - wenn vermutlich auch eher indirekt - konnte ich durchaus nachvollziehen. Es war ja auch nicht unbedingt notwendig, dass ich dabei die Brücke zwischen den beiden war. Vermutlich war es sogar deutlich besser, wenn sie das Ganze unter vier Augen klärten und sich gemeinsam einigten. Zumindest hoffte ich für Vahagn, dass Hunter sich auf ein Treffen überhaupt einlassen würde und ihr damit eine Chance gab sich dahingehend mit ihm in Verbindung zu setzen. Wie voll sein Terminkalender aktuell war konnte ich nicht genau einschätzen, aber noch dürfte der eigentlich nicht bis zum Überlaufen vollgestopft sein. Vielleicht irrte ich mich da aber auch. In jedem Fall blieben meine Augen aber abwartend auf die hübsche Brünette gerichtet. "Außerdem hab ich dann einen guten Grund morgen wieder herzukommen.", fügte ich noch ein paar Worte mit einem leicht verlegenen Grinsen hinten an. Ich überbrachte Vahagn die Nachricht nämlich selbstredend am liebsten persönlich und konnte ihr dann auch ganz ausgiebig schildern, wie genau der Amerikaner auf meine Frage reagiert hatte. Quasi eine Win-Win-Situation, wenn man mich fragte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Oh ja, das war mir ganz unmissverständlich klar gemacht worden und ein weiteres Mal konnte ich auf diese Art von Demütigung wirklich verzichten. Es war nicht so, als würde mein Ego das nicht verkraften, aber es musste ganz einfach nicht sein und demnach konnte ich dem jungen Mann nur zustimmen, dass es womöglich besser war, vorab einen Termin mit dem Amerikaner auszumachen. Dann konnte ich mir auch sicher sein, dass Cosma uns nicht dazwischen funkte, denn so wie ich Hunter bis jetzt kennen gelernt hatte, bemühte er sich - mehr oder weniger erfolgreich - sein Geschäft von privaten Angelegenheiten zu trennen. Tauren konnte ihm meinetwegen schon einen entsprechenden Wink geben, wobei seinem Chef eigentlich klar sein müsste, dass es um etwas Geschäftliches ging, wenn ich um ein Treffen bat. Schließlich waren wir keine Freunde, noch nicht einmal gute Bekannte - entsprechend gering war die Wahrscheinlich, dass ich ihn wegen etwas anderem, als unseren Geschäften kontaktieren würde. Aber gut, sicher war sicher, denn auch wenn ich körperlich wieder einigermaßen fit war, hieß das noch lange nicht, dass ich die Kraft und die Lust dazu besaß, mich mit dem kleinen Teufel auseinander setzen zu müssen. "Ja, ist... ist in Ordnung.", gab ich dem Norweger eher widerwillig die Erlaubnis, Hunter zumindest in meinem Namen um eine Verabredung zu bitten. Zwar hätte ich auch das definitiv selbst erledigen können, aber wenn sein Chef ja morgen ohnehin auf der Baustelle vorbeischneien würde, dann sollte er das wegen mir ruhig übernehmen. Ich überlegte zwar im nächsten Augenblick, ob er die Idee auch ausreichend überdacht hatte, wusste ich nicht genau, wie der Amerikaner zu der Beziehung zwischen Tauren und mir stand und ob er letztlich überhaupt davon wusste, dass sich unser Verhältnis zueinander sich in den letzten Wochen ein klein wenig verändert hatte, aber grundlegend konnte mir das ja eigentlich egal sein, oder? Schließlich war sein Handlanger alt genug, persönliche Entscheidungen ganz von selbst zu treffen und wenn er etwas dagegen hatte, sollte er das gefälligst mit dem Norweger direkt klären. Mir brauchte er jedenfalls nicht versuchen, aus dieser etwas seltsamem Situation auch nur irgendeinen Strick drehen zu wollen, denn ich hatte es ganz bestimmt nicht darauf angelegt, die Gunst seines Schützlings für mich zu gewinnen und noch sehr viel weniger, meine eigene Blechbüchse von Herz wieder zu entstauben und klappern zu lassen. Wie sie es im Übrigen auch gerade jetzt wieder tat, als der unglaublich gut aussehende Mann so verlegen vor sich hin grinste, während er mir indirekt gestand, dass er sich über ein weiteres Wiedersehen durchaus freuen würde. Ich konnte nicht anders, als meine Lippen unweigerlich ebenfalls zu einem Grinsen zu verziehen und dabei mit den Augen zu rollen. "Das hört sich an, als würde ich mich nur mit dir unterhalten, wenn es wirklich unabdingbar ist.", kommentierte ich kopfschüttelnd, aber hörbar amüsiert. Tauren war mitunter wohl mit einer der Letzten, denen ich die Tür einfach so vor der Nase zuschlagen würde, wenn er plötzlich auf der Matte stand und bei mir klingelte und das hatte ich ihm in den letzten Tagen doch eigentlich sehr deutlich gemacht. Schließlich war ich nicht ausnahmslos so lange wach geblieben, nur weil ich derart viel zutun hatte, sondern weil ich mich hin und wieder auch einfach auf seinen Besuch freute. Entsprechend gerne dann auch eine Stunde oder zwei länger wach blieb, obwohl mich der momentan wirklich erholsame Schlaf beinahe vor dem Fernseher dahin gerafft hatte. Also nein, einen triftigen Grund brauchte er definitiv nicht, damit ich ihn herein ließ. Schließlich war er gerade zu der Zeit, als Richard jeden Tag ein Stück weit unerträglicher wurde, auch ohne vorherige Ankündigung vorbei gekommen und da hatte ich nie auch nur den Gedanken daran verschwendet, ihn nicht herein zu lassen. Gut, letzten Endes hatte ich ihn dann immer wieder nach Hause geschickt, wenn wir mit Lästern oder dergleichen fertig waren, aber man konnte mir nicht vorwerfen, dass ich nicht wirklich versuchte, mich dem jungen Mann gegenüber ein Stück weit zu öffnen und ihn an mich heran zu lassen.
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Wirklich begeistert schien Vahagn auch von dieser Bitte meinerseits nicht zu sein, das konnte ich dann doch heraushören. Nichtsdestotrotz willigte sie aber ein mich zuerst mit dem Amerikaner Kontakt herstellen zu lassen und darüber war ich ein Stück weit erleichtert. Irgendwie fühlte ich mich damit einfach besser, weil ich wusste, wie leicht Hunter an die Decke ging und auch, wenn ich nicht glaubte, dass er wegen der simplen Frage nach ein bisschen Zeit gleich austicken würde, falls sie ihm nicht passte... keine Ahnung, irgendwie wollte ich den Weg wohl einfach so weit ebnen wie ich konnte, damit die Russin selbst im Idealfall gar keine Probleme mit ihm haben würde. Mein hitzköpfiger Chef war eben schlichtweg so gar kein einfacher Zeitgenosse, daran gab es nichts zu rütteln. Außerdem solle ich mir wohl auch noch zeitnah mal überlegen, wie ich es ihm beibrachte, dass ich die hübsche Brünette geküsst hatte und - wenn sie mich denn irgendwann ließ, was bis dato noch in den Sternen stand - durchaus auch auf mehr aus war. Nicht nur auf rein körperlicher Ebene, aber das dürfte inzwischen wohl klar sein. Ich durfte ihn darüber einfach nicht im Dunkeln lassen, weil ich es ungern riskieren wollte dadurch meinen Kopf zu verlieren... oder Vahagns' vor meine Füße rollen zu sehen, weil er mir die Konsequenzen anderweitig aufzeigen und spüren lassen wollte, ohne mich umzubringen. An die Frage nach dem Termin anhängen würde ich das aber wohl nicht, sondern ihn eher irgendwann anders demnächst mal bei Seite nehmen. "Okay, gut.", schloss ich die Sache für mich damit vorerst ab und war froh darüber, mich doch irgendwie bezüglich des Problems der Brünetten nützlich machen zu können. Zwar hieß das Alles noch nicht, dass Hunter ihr auch wirklich helfen würde, aber den Versuch war es wert. Ihre Reaktion auf meine zweite Aussage ließ mich ungeniert weiter vor mich hin grinsen, weil mir ihre Worte doch sehr deutlich aufzeigten, dass sie sich auch ohne triftige Gründe dazu überreden ließ mich weiterhin relativ regelmäßig bei sich willkommen zu heißen. Zwar war das eigentlich nichts Neues für mich - andernfalls hätte sie mich kaum so oft reingelassen, wenn ich hier aufgekreuzt war -, aber ich hörte sowas einfach immer gerne wörtlich. "Nein, natürlich nicht... hab ich ja gemerkt in den letzten Tagen...", meinte ich erst einmal nur, zuckte dabei ein kleines bisschen mit den Schultern. "...und ich bin dir auch echt dankbar dafür, dass du mich nicht draußen stehenlässt. Keine Ahnung, ich... fühl mich im Bungalow echt nicht mehr wohl. Allein erst recht nicht... wird wohl Zeit, dass ich mir auch was Neues suche.", gestand ich der Brünetten weiterhin den Blickkontakt aufrecht erhaltend etwas indirekt, dass ich mich momentan am liebsten gar nicht mehr in Richards Haus aufhalten würde, weil es mir psychisch damit einfach nicht wirklich gut ging. Es war natürlich bei Weitem nicht so schlimm, als dass mich die Umstände irgendwie maßgeblich in meinem Alltag beirren würden, aber ich merkte ganz einfach schon selbst, dass ich dadurch im Durchschnitt weniger gut gelaunt war als sonst. Ich zog zwar kein Gesicht wie drei Tage Regenwetter, aber es nervte mich einfach. Gerade jetzt wo ich wieder die Arbeit aufgenommen hatte und es dort ab und an wie gewohnt einfach auch mal rauer zuging wollte ich mich Zuhause wohlfühlen und entspannen können. Allerdings würde ich wohl auch ohne das unwohle Gefühl in meinem aktuellen Heim so oft ich könnte bei Vahagn vorbeischauen, solange sie mich ließ.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das Thema Hunter war damit dann erst einmal vom Tisch und auch wenn ich mich wirklich darüber freuen würde, auf die Hilfe des Amerikaners zählen zu können, war ich trotzdem froh, dass er im Darauffolgenden nicht mehr Teil des Gesprächs war. Meine Sympathie für ihn hielt sich nach wie vor einfach sehr stark in Grenzen und wenn ich mich den lieben langen Tag - gut, so lang war er ja gar nicht mehr - damit beschäftige, mir immer wieder vor Augen zu halten, wie ich bei ihm ankriechen würde, dann rutschte meine Laune wohl schneller ins Bodenlose, als ich bis drei zählen konnte. Dass ich das gerade in der Gegenwart von Tauren gerne vermeiden wollte sollte mittlerweile selbstredend sein. Hier und da würde es nicht vermeiden lassen, dass er meine schlechte Laune länger als bloß ein paar Minuten ertragen musste, sofern er die regelmäßigen Besuche beibehalten wollte, aber man besserte sich schließlich auch nicht von heute auf morgen einfach mal eben so. Das brauchte Zeit und ich gab schließlich schon mein Bestes. Ich nickte die Worte des jungen Mannes daher nur noch mit einem leichten Nicken ab und wendete mich dann dem einerseits sehr viel angenehmeren, andererseits auch sensiblen Thema zu. Ich konnte absolut nachvollziehen, dass sich der Norweger in seinen vorübergehenden vier Wänden - die eigenen waren es ja in dem Fall nicht - kaum mehr wohl fühlen konnte, nachdem er dort die ein oder andere negative Erfahrung in Form von absolut unberechtigten Anschuldigungen oder hitzigen Diskussionen hatte erleben müssen. Ich selbst fühlte mich seit dem Auszug ja auch ein Stück weit weniger gestresst, weil ich nun keine Angst mehr haben musste, unberechtigter weise angemotzt zu werden für Dinge, die sich in Richards beschriebener Form so nie abgespielt hatten. Der Typ brauchte wirklich Hilfe und so leid mir das auch tat - oder eben nicht - konnte ihm die keiner von uns geben. Zumindest eben nicht in dem Umfang, den er ganz dringend nötig hatte und außerdem machte mir der Engländer nicht den Anschein, als würde er Angebote der Unterstützung überhaupt annehmen wollen. Tauren hatte es bereits etliche Male versucht und jedes Mal wieder war er damit ins Leere gelaufen. Dass man dann irgendwann keine Lust mehr hatte, sich nur noch anschnauzen zu lassen konnte ich konnte ich verstehen. Nur leider wusste ich so gar nicht, was ich auf diese Art von Aussage jetzt erwidern sollte und sagte daher eine verhältnismäßig lange Zeit erst einmal gar nichts. Ein 'Ja, kein Problem, immer wieder gerne.' erschien mir an der Stelle irgendwie falsch, allerdings... scherte ich mich doch normalerweise auch nicht darum, ob und wenn ja, was Worte in meinem Gegenüber eventuell auslösen konnten. Dennoch dachte ich gerade lieber zwei Mal über eine Antwort nach, bevor ich meinen Mund schließlich wieder öffnete. Den Blick hatte ich in der Zwischenzeit nicht eine Sekunde von dem Gesicht des Norwegers abwenden können, weil ich ihn einfach gerne ansah, wenn er dieses bezaubernde Grinsen auf den Lippen trug. Natürlich nicht nur dann, aber unter diesen Umständen eben besonders gerne. Anstecken tat es mich aber aufgrund meiner Überlegungen momentan nicht. "Hm, kann ich verstehen.", setzte ich also zu einer Antwort an, indem ich ihn erst einmal über mein Mitgefühl in Kenntnis setzte. Ihn wissen ließ, dass ich es durchaus nachvollziehen konnte, wenn er sich nicht mehr besonders wohl in dem Bungalow fühlte, selbst wenn oder gerade auch weil er eben alleine war. Sich niemand mehr mit ihm beschäftigte oder ihn nervte, so wie ich das jetzt eine doch relativ lange Zeit getan hatte. Das waren zwar auch nicht immer schöne Zeiten gewesen, lag der letzte größere Krach noch gar nicht so lange zurück, aber ich hatte es irgendwie trotzdem genossen. Es war ein unglaublich seltsames Gefühl, wenn sich aus dem Nichts plötzlich Jemand um einen sorgte und doch hatte ich mich sehr schnell daran gewöhnen können. Das lag nicht zuletzt vielleicht aber auch daran, dass mir Tauren bei unserem ersten Treffen schon aufgefallen war. Positiv wie negativ spielte da jetzt gerade keine große Rolle, auch nicht unbedingt sein damaliges Milchbuben-Gesicht - welches durch den stetig wachsenden Bart gar nicht mehr so jung aussah -, das anfangs doch eher abschreckend gewirkt hatte, aber irgendwas... war einfach durchweg interessant an ihm gewesen. Ich konnte nicht genau beschreiben, was es letztlich gewesen war und in dem Sinne spielte es ja auch eigentlich gar keine Rolle mehr. Wir standen jetzt immerhin an dem Punkt, an dem wir standen und alles was davor gewesen war, sollte mir fürs Erste egal sein. Was mir allerdings weniger egal sein sollte war, dass ich mich irgendwann selbst reden hörte, wie ich sagte "Ich glaube, die Couch kann man ausziehen." und ihm daraufhin ein schmales Lächeln schenkte. Man müsste wohl mehrfach auf den Kopf gefallen sein, um in diese Aussage keine eindeutige Einladung zur Übernachtung hinein zu interpretieren, wenn man mich fragte. Der Satz an sich wirkte als solcher zwar ein wenig zusammenhangslos, wenn man keinen Kontext dazu hatte, aber das war hier bei Tauren schließlich nicht der Fall. Er würde also ganz sicher verstehen, worauf ich - beziehungsweise mein Autopilot - hinaus wollte und ich hätte mich bereits im nächsten Augenblick eigenhändig dafür ohrfeigen können. Die letzten zwei Wochen war ich stark geblieben, unnachgiebig und hatte den Norweger konsequent vor die Tür gesetzt, auch wenn mir das nicht immer leicht gefallen war, weil er einem mit seinem doofen Hundeblick ja doch immer wieder darüber nachdenken ließ, ob das wirklich die richtige Entscheidung gewesen war, ihn gehen zu lassen... aber heute. Ja, heute schien wieder grundsätzlich alles überhaupt nicht so zu laufen, wie es sollte und allmählich war es nur noch ein jämmerlicher Versuch meine Emotionen und Gefühle im Zaum zu halten. Faktisch wollte ich heute wohl ebenso alleine sein, wie der junge Mann hier in den Bungalow zurückkehren wollte und eigentlich war da ja auch eigentlich gar nichts weiter dabei, oder? Wir hatten und schließlich auch im Griff gehabt, als wir noch zusammenwohnten, da würde sich doch wegen der ein oder anderen Nacht jetzt nichts dran ändern, oder doch? Davon ausgehen tat ich zumindest nicht, allerdings wusste ich auch, wohin uns die Bitte, dass der junge Mann an meiner Stelle auf dem Sofa schlief, schon einmal hingebracht hatte und in dem Sinne... na ja.
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Zugegeben waren verständnisvolle Worte seitens Vahagn nach wie vor ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Nicht im negativen Sinne natürlich, aber in unserer Anfangszeit hätte sie mir bei solchen Worten wohl eher ein 'Heul nicht rum' oder ein 'Ist dein Problem und nichts meins' an den Kopf geschmissen. Ich hätte mir fast schon dafür auf die Schulter klopfen können, dass ich es mit meiner einfühlsamen Art tatsächlich hinzukriegen schien, dass die Brünette langsam aber sicher ihre eigentlich viel angenehmere und bessere Seite aus sich herauszukehren begann. Nur Stück für Stück, aber ein bisschen stolz war ich ja schon. Mal ganz davon abgesehen, dass es auch wirklich angenehm war sich so mit der jungen Frau zu unterhalten. Sie war zweifelsohne nach wie vor sehr leicht reizbar und ich sollte meine Worte weiterhin stets mit Bedacht wählen, aber es wurde doch allmählich einfacher und das war schön. Ließ mich ihre Anwesenheit und Nähe noch mehr genießen als ohnehin schon... was vielleicht zu noch mehr Ungleichgewicht in unserer Beziehung führte, weil ich Vahagn ja nach wie vor nicht in den Kopf sehen konnte. Aber ich hoffte trotzdem, dass sie mich inzwischen so zu schätzen wusste, wie das auch umgekehrt der Fall war. Das Grinsen schmälerte sich erst einmal zu einem aufrichtig dankbaren Lächeln als Antwort für ihre mitfühlenden Worte, ehe ich auch ihren nächsten Worten noch zuzuhören begann. Einen kurzen Moment lang musste ich sie dann wohl fast schon ungläubig ansehen, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass sie mir wegen meines vorangegangenen Gejammers - unter Jammern verstand ich eigentlich etwas viel penetrant nervigeres, wo ich doch eigentlich nur flüchtig den Unmut über meine aktuelle Wohnsituation preisgegeben hatte und nicht einmal ins Detail gegangen war - jetzt gleich einen Platz auf ihrem Sofa anbieten würde. Immerhin hatte ich es die letzten Tage ja auch überlebt mich unruhig in den Laken wälzend einzuschlafen, daran hätte sich heute also vermutlich auch nichts geändert. Jedoch schien die Russin das tatsächlich ernst zu meinen, konnte ich in ihrem Gesicht oder ihrer Körperhaltung doch keinerlei Anzeichen dafür sehen, dass sie mich damit nur verarschen wollte. In der Regel wusste ich sowas nämlich sehr gut zu deuten, bekam ich von Hunters Männern doch nicht selten irgendwelche makaberen Witze an den Kopf geknallt, die im ersten Moment jedoch vollkommen ernst wirkten. Allerdings nur so lange, bis man entweder die Augen- oder Mundwinkel, sowie die Bauchdecke unruhig zucken sah, die sie eindeutig verrieten. Also wurde das Lächeln doch sehr schnell wieder zum Grinsen und am liebsten hätte ich mich ihr jetzt wohl mit einer Umarmung an den Hals geschmissen, um sie damit mit mir aufs Polster des Sofa zurückzuwerfen. Jedoch wäre das erstens in ihren Augen sehr wahrscheinlich eine absolut übertriebene Reaktion und zweitens wäre es auch für die noch nicht vollends verheilten Verletzungen an ihrem Körper sicherlich nicht gerade angenehm. Schmerzen bereiten wollte ich Vahagn nun wirklich nicht, als ließ ich das bleiben. Was mir allerdings noch schwerer fiel, war die nächsten Worte für mich zu behalten. Denn ich kam einfach nicht umher darauf anzuspielen, dass eine Abstufung zum Sofa ja irgendwie schon ein bisschen überflüssig war. Schließlich hatten wir uns in der Zeit zwischen unserer Aussprache - damit auch dem Kuss - und ihrem finalen Umzug auch weiterhin ein Bett geteilt, ohne dass irgendwas passiert war. "Puh, vom Bett zurück aufs Nackenschmerzen-Sofa...", seufzte ich also leise, wobei der amüsierte Unterton jedoch deutlich herauszuhören war. Aber sagte ich damit doch schon wieder zu viel? Eigentlich wollte ich nicht, dass die hübsche Brünette das jetzt in den falschen Hals bekam, nur weil ich den Mund nicht hatte halten können. Da ich irgendwie ein bisschen Angst davor hatte, dass mir die vorherige Aussage teuer zu stehen kam, hängte ich lieber noch ein paar mehr hinten an, die etwas mehr Licht ins Dunkle bringen sollten. "Ich weiß, man sollte nicht die ganze Hand nehmen, nur weil einem der kleine Finger ausgestreckt wird, aber... ich vermiss es wohl einfach ein bisschen.", legte ich mit einem leichten Schulterzucken und leise gemurmelt offen dar, dass ich mich womöglich schon zu sehr daran gewöhnt hatte sie neben mir liegen zu haben. Den Blick hatte ich inzwischen auf meine Oberschenkel abgesenkt und auch das Grinsen verblasste gänzlich. Ich war schon wieder zu aufdringlich... oder? Ich konnte einfach nicht anders, als ihr nahe sein zu wollen. War das so verwerflich?
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Tauren konnte von Glück reden, dass er wirklich ein viel zu hübsches Gesicht hatte, als dass ich dieses freiwillig demolieren wollen würde. Ein schiefes Nasenbein in Folge eines Bruchs würde ihm aufgrund seiner allgemein relativ markanten Gesichtszüge sicher keinen Abbruch tun, aber ich hielt mich dennoch zurück und versuchte, das aufgeregte Kribbeln in meiner sich öffnenden rechten Hand, die ich kurzzeitig zur Faust geballt hatte, zu unterdrücken. Schlicht und ergreifend aus dem Grund, weil ich wusste, dass ihn dahingehend kaum irgendeine Art von Schuld traf. Schließlich war mir von Anfang an klar gewesen, dass eine solche Aussage früher oder später kommen würde, nur hatte ich eben nicht damit gerechnet, sie derart dreist als eine Resonanz auf mein vielleicht etwas übereifriges Angebot zu bekommen. Entsprechend hatte ich Tauren anfangs erst irritiert und als ich verstanden hatte dann ein wenig zornig angesehen, denn der amüsierte Unterton interessierte mich bei seinem Wortlaut kein Stück. Ich wollte ihm dahingehend gerade mit ein paar fiesen Worten den Wind aus den Segeln nehmen und ihm klar machen, dass er sich entweder für das Sofa oder den Bungalow entscheiden müsse, als der junge Mann noch einmal die Hände nach dem Steuer ausstreckte, um die Situation gerade noch einmal rechtzeitig herum zu reißen. Entgegen all der verhältnismäßig positiven Gefühle, die ich für den Norweger aufbringen konnte, sollte er meine ohnehin nur knapp bemessene Gutmütigkeit nämlich nicht noch einmal überstrapazieren, so wie er das vor einiger Zeit im Bungalow bereits getan hatte. Nur weil ich damals auf seine überaus charmante Art hereingefallen war, würde ich den gleichen Fehler - konnte man das überhaupt als solchen titulieren? Vermutlich nicht und ich machte aus einer Mücke gerade gedanklich wieder einen Elefanten... - sicher kein zweites Mal machen und das schien Tauren zu merken. Ich konnte mir anders zumindest nicht erklären, warum er sonst zu den beschwichtigenden Worten hätte ausholen sollen, wenn es ihm nicht wichtig gewesen wäre, die Sache klar zustellen. Mit einem Fakt, der mich ihn gleich weniger grimmig und eher etwas hilflos ansehen ließ. Erst dachte ich, er wolle mich weiter auf die Schippe nehmen, aber als er dann den Blick von mir abwendete und auch das Grinsen gänzlich erlosch, wurde mir plötzlich ganz anders und die tief ins Gesicht gezogenen Augenbrauen entspannten sich wie von selbst. "Was?", fragte ich unnötigerweise mit erstickter Stimme, obwohl ich ganz genau verstanden hatte, was der Norweger gerade gesagt hatte. Ich versuchte mir damit lediglich ein kleines bisschen Zeit erkaufen zu wollen, in der ich diese Aussage erst einmal sacken lassen musste, weil sie in meinen Augen doch einiges darüber aussagte, wie der junge Mann zu mir stand. Gut, dass da so überhaupt nichts zwischen uns war, hatte sich ja bereits mit dem Kuss widerlegen lassen, aber... keine Ahnung, irgendwie schien mein Hirn gerade nicht mehr besonders aufnahmefähig zu sein. "Ich... das... Warum machst du das?", fragte ich schließlich fast ein wenig hilflos und ziemlich leise, weil ich mit der Gesamtsituation gerade vollends überfordert war. Zum einen wusste ich ja, dass er mit seiner anfänglichen Aussage nur Spaß gemacht hatte, sich in jedem Fall auch mit der Couch zufrieden geben würde, wenn ich mich dagegen aussprach, ihn mit in mein Bett zu nehmen, aber das Geständnis, welches mit Tauren mir gerade offenbart hatte, stellte mich vor ein Rätsel. Ein Rätsel für Gefühlskrüppel wohlgemerkt, denn jeder andere, sozial auch nur ansatzweise geprägte Volltrottel hätte verstanden, worauf diese Aussage deutete... nur ich wusste das eben nicht oder aber ich wollte des Rätsels Lösung ganz bewusst nicht wahr haben. Stattdessen war ich lieber verwirrt, irritiert und überfordert. Gleichzeitig. Keine gute Kombination, wenn man mich fragte, weil die Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu tun dann doch plötzlich sehr präsent war und das, obwohl ich dieses Gefühl schon mehrere Jahre lang nicht mehr gespürt hatte. Aber jetzt klopfte es ganz ungestüm gegen die Tür meines Oberstübchens und mahnte mich davor, auch nur einen einzigen Schritt in die falsche Richtung zu machen. Blöd war nur, dass ich gar nicht so wirklich wusste, welche Richtung denn jetzt überhaupt die richtige und welche die falsche war, denn das hatte zur Folge, dass ich am liebsten gar nichts weiter sagen wollen, aufstehen und gehen würde.
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Ich schaffte es doch sonst auch immer erst zu denken und dann zu reden. Wieso hatte ich mich mit diesen beiden blöden Aussagen dann nicht einfach zurückhalten können? Warum musste ich es mir sofort wieder kaputt machen, wenn Vahagn mir ausnahmsweise ausnahmsweise mal von sich aus ein kleines Stück entgegenkam? Hätte ich mich jetzt einfach mit dem Sofa zufrieden gegeben, dann wäre irgendwann sicher auch wieder das Bett gekommen. Ich war ein geduldiger Mensch und konnte auf gute Dinge auch einfach mal warten, wenn das notwendig war. Nur machte die hübsche Brünette mir das unfassbar schwer, indem sie immer wieder ein Stück entgegen kam, nur um das später irgendwann wieder bis zu einem gewissen Teil zu revidieren. Erst küsste sie mich, ließ sich von mir im Arm halten und teilte sich ein Bett mir mit... nur kam irgendwie nie der nächste Kuss, sowas wie miteinander zu kuscheln passierte auch nie und plötzlich schien sie auch wieder getrennte Betten zu bevorzugen. Ich wollte wohl einfach gern wieder ein bisschen auf sie zugehen, weil von ihrer Seite aus ja nicht wirklich etwas kam. Das hatte auch nichts damit zu tun sich wie eine Klette zu verhalten. Ich wollte damit ja lediglich bezwecken, dass die junge Frau merkte, dass ich ihr gerne wieder näher wäre. Natürlich wollte ich nicht, dass Vahagn sich unwohl fühlte, wollte sie auch nicht krampfhaft zu irgendwelchen Schritten drängen, die sie womöglich einfach nicht bereit war zu gehen. Nur wenn von der Gegenseite nach einem schönen Abend inklusive Kuss irgendwie nicht mehr wirklich auch nur der Hauch von mehr kam, dann war das komisch. Ich glaubte zwar nicht, dass sie es sich inzwischen anders überlegt hatte und einfach nichts mehr mit mir zu tun haben wollte - denn das hätte sie mir sehr sicher unmissverständlich gesagt und mich schon gar nicht wieder in ihre Wohnung gelassen -, aber es war nicht weniger als Folter immer zwei Schritte vor und dann wieder einen zurück zu machen. Bittersüßer, seelischer Schmerz, der mich zwischendurch zwar immer wieder nach Luft schnappen und nach mehr verlangen ließ, aber nie ein paar durchgängige Atemzüge erlaubte. Ich war zwar sicher im Stande dazu das auf diese Weise noch eine ganze Weile mitzumachen, wenn es das war, was Vahagn so unbedingt brauchte, um sich irgendwie sicher mit dem Aufbauen einer Bindung zu fühlen. Das änderte jedoch nichts daran, dass es nicht besonders angenehm wäre ewig so fortzufahren und ich eine weniger psychisch anstrengende Art des Beziehungsaufbaus eindeutig bevorzugen würde. Ich beugte mich nach vorne und legte einen Moment lang das Gesicht in meine Hände, atmete etwas tiefer durch. Was sollte ich denn darauf jetzt antworten, ohne dass es noch unangenehmer wurde? War ja quasi komplett vorprogrammiert, ziemlich unumgänglich. Natürlich könnte ich einfach schweigen und das Thema begraben, aber das half hier eben Niemandem weiter. Verdrängung war nie eine gute Lösung. "Ich... ich weiß es nicht. Keine Ahnung, ich...", startete ich wenig erfolgreich zu einer genuschelten Antwort, bevor ich den Kopf leise seufzend anhob und doch wieder etwas zögerlich den Blick der Russin suchte. "Ich mag dich einfach, Vahagn... und ich bin sehr offensichtlich scheiße darin, das für mich zu behalten.", stellte ich gemurmelt fest, was ziemlich offensichtlich Fakt war. Außerdem wollte ich es vielleicht auch einfach nicht mehr für mich behalten. Ich würde weiß Gott nicht so weit gehen zu sagen, dass ich sie liebte. Für aufrichtige, ehrliche Liebe brauchte es mehr als einen Kuss und hier und da mal einen kleinen Finger. Trotzdem war sie mir aber wichtig geworden und ich schwärmte ohnehin schon seit Tag Eins ziemlich offensichtlich für sie. Es dürfte also im Grunde Niemanden in diesem Raum wirklich ernsthaft überraschen, dass ich gerne mehr als das Sofa haben wollte. Hier und da eine kleine, kurze Kuscheleinheit oder einen flüchtigen Kuss... einfach irgendwas, das mich ihre Nähe spüren ließ. "Ich weiß, dass du deinen Abstand und deinen Freiraum brauchst... und das akzeptier' ich auch, das weißt du. Es ist nur... ich wär dir einfach gern wieder ein bisschen näher.", redete ich selbst wehmütig auch ein bisschen wirr vor mich hin und drehte den Kopf dann wieder weg, um mir mit der rechten Hand von oben nach unten übers Gesicht zu streichen. Ich hatte es irgendwie einfach satt ständig das Blatt für mich zu behalten, statt mit offenen Karten zu spielen. Geheimniskrämerei war absolut nicht mein Ding, ich sagte gern was ich dachte - außer Hunter gegenüber vielleicht, weil sowas bei ihm mit Vorliebe tödlich oder mindestens hässlich endete. Siehe Richard. "Sorry, ich wollte nicht... vielleicht geh ich doch lieber nach Hause.", seufzte ich kopfschüttelnd, raufte mir dann kurz die dunkelblonden Haare. Ich hasste es, wie ich die Sache unnötig so kompliziert machte, statt mich einfach mit der Couch zufrieden zu geben. Aber ich kam gegen diese Gefühle einfach nicht an und streng genommen war es so oder so kompliziert. Ich war nur der, der anfing darüber zu reden, statt es weiter totzuschweigen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich konnte gar nicht in Worte fassen, wie unangenehm mir die Situation gerade war und ich bereute es tatsächlich, in dem Punkt einfach auf Autopilot geschaltet zu haben. Jetzt im Nachhinein wurde mir nämlich klar, dass ich es schon wieder getan hatte. Und damit meinte ich, dieses kleine Fünkchen Hoffnung auf mehr in dem Norweger anzufachen, wo ich mir doch noch immer nicht sehr sicher war, ob ich denn überhaupt bereit dazu war. Dass wir jetzt auf dem besten Wege waren, ein durchweg unschönes Gespräch zu führen, lag wohl einzig und alleine daran, dass ich eingeknickt war und Tauren nicht wie gewohnt am Ende unserer Verabredung nach Hause schicken wollte. In dem Sinne war es wohl die Strafe Gottes, jetzt mit den Konsequenzen meines Handelns zu leben, von denen ich genau gewusst hatte, dass sie mich irgendwann treffen würden. Ich war zwar von weitaus mehr Vorbereitungszeit ausgegangen, aber das Leben war nun mal kein Wunschkonzert und ich musste das Kind jetzt leider irgendwie schaukeln. Nur wusste ich überhaupt nicht, wie ich das anstellen sollte, weil ich doch noch immer so unsicher und hin und her gerissen war. Nicht im Ansatz wusste, was ich eigentlich wollte und momentan streng genommen auch gar keine Zeit dazu hatte, mir darüber Gedanken zu machen, weil der Aufbau eines neuen Geschäfts in meinen Augen sehr viel wichtiger war. Ich bezweifelte jedoch, dass mir in den nächsten Tagen eine bessere Idee einfiel, als Hunter um Hilfe zu bitten und demnach konnte ich mich vermutlich doch ein wenig mit den chaotischen Gefühlen in meinem Inneren beschäftigen. Aber wollte ich das überhaupt? War ich denn überhaupt schon bereit dazu, mehr zu geben, als ich das bis jetzt getan hatte? Tja, das war wohl die alles entscheidende Frage, die mich etwas ratlos seufzen ließ, nachdem Tauren mir offenbarte, dass er nicht besonders gut darin war, seine Gefühle mir gegenüber zu verbergen. Ja, ganz offensichtlich tat er sich wirklich schwer damit, ein wenig an sich zu halten, aber das war ja auch überhaupt nicht der springende Punkt. Nichts von dem, was er sagte oder wie er sich im Augenblick verhielt war falsch oder unangemessen. Ich war nur schlichtweg überfordert, dass ein eigentlich sehr ruhiges und entspanntes Gespräch derart eskalierte. Andernfalls hätte ich mich auf die Geschichte mit den Gefühlen und dem ganzen anderen Mist womöglich ein bisschen besser vorbereitet, um jetzt nicht dazustehen, wie der Ochs vor dem Scheunentor. Verdammte Scheiße nochmal. Der junge Mann genoss während er sprach meine ungeteilte Aufmerksamkeit und ich saugte jedes seiner Worte auf, als wäre ich ein beschissener Schwamm, aber mir wollte einfach nichts davon entgehen. Es war seltsam und zugleich auf eine ganz eigene Art und Weise beflügelnd, ihn Reden zu hören und ich erwischte mich einen Moment lang dabei, wie sich ein schwaches, sehr zurückhaltendes Lächeln auf meinen Lippen bildete. Dieses verflog jedoch sofort wieder, als der Norweger sich abschließend der Situation entziehen wollte, indem er ankündigte doch lieber nach Hause zu gehen, wo er sich laut eigener Aussage aber einfach nicht besonders wohl fühlte. Auf der einen Seite kränkte mich die Aussage, dass er sein Eigenheim wider Erwarten doch der Couch vorzog, andererseits wusste ich, dass ich dahingehend gerade einfach sehr empfindlich reagierte. Nichtsdestotrotz hatte ich beinahe reflexartig nach seinem Handgelenk gegriffen, auch wenn Tauren noch überhaupt nicht im Begriff gewesen war, aufzustehen. Ich wollte es jedoch auch gar nicht erst so weit kommen lassen und hängte ein leicht zittriges "Nein, bitte... bitte geh' nicht." hinten dran. Man, ich wusste ja, dass das Alles hier aktuell überhaupt nicht optimal lief und das letzte Wort diesbezüglich noch nicht gesprochen war, aber hätte er nicht einfach erst einmal das Angebot stillschweigend annehmen können? Zumindest für den Moment und erst dann vorsichtig nachzuhaken, wenn es langsam Zeit wurde, ins Bett zu gehen..? Diese Vorgehensweise wäre mir in jedem Fall deutlich lieber gewesen, denn bis dahin hätte ich Zeit gehabt, über die anhaltenden Zweifel nachzudenken und sie aus der Welt räumen zu können. Momentan fühlte ich mich durch seine Reaktion jedoch nur darin bestätigt, dass er besser doch den Heimweg antreten sollte. Aber jetzt, als er das von sich aus vorschlug, wollte ich das allerdings schon aus Prinzip nicht mehr und eben auch deswegen, weil ich mir sicher war, dass ich mich im Verlauf des heutigen Abends eben noch dafür ausgesprochen hätte. Es kein Fehler, sondern die richtige Entscheidung gewesen war. Nur half mir das aktuell effektiv leider gar nicht bei der Findung von ein paar weiteren passenden Worte, um es nicht nur bei der simplen Bitte, nicht zu gehen zu belassen. Ich brauchte also sicher eine weitere halbe bis ganze Minute, in der ich Tauren stumm ansah und seine Hand hielt, ehe sich in meinem Oberstübchen ansatzweise etwas Brauchbares zusammengetan hatte, was ich mich letztlich auch auszusprechen traute. "Es... das... also...", setzte ich ziemlich hoffnungslos zu einem ersten Versuch an, der Lage Herr zu werden, brach allerdings mittendrin ab. Das Gestammel hatte sich bis eben in meinem Kopf noch ganz anders und echt vernümftig angehört, heraus kam aber offensichtlich so gar nicht das, was ich eigentlich sagen wollte. Also atmete ich kurzzeitig etwas tiefer durch, schloss die Augen und versuchte es gleich ein weiteres Mal. "Wenn es nach mir geht, dann... dann musst du das auch überhaupt nicht für dich behalten, es ist nur... alles so neu für mich und ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich damit umgehen soll. Also weder mit deinem Geständnis, noch dem Bedürfnis, dass du mir gerne wieder ein wenig näher kommen würdest. Das... also ich..." Ja, was wollte ich denn eigentlich? Ihm auch wieder etwas näher kommen? Weiterhin den Abstand wahren, bis das Geschäft irgendwann in hundert Jahren dann vielleicht mal lief oder ich nach genau der gleichen Zeit einfach aufgegeben und damit einige Chancen auf zumindest einen kleinen Teilerfolg in meinem Leben einfach so in den Sand gesetzt hatte? Schwierige Entscheidung, wenn ich ehrlich sein sollte, aber tatsächlich lag das Problem ganz woanders, eine Antwort auf die an mich selbst gestellte Frage dafür auf der Hand. "Es hat mich ziemlich viel Überwindung gekostet, dich am Fort zu küssen... versteh' mich nicht falsch...", jetzt war wohl ich diejenige, die sich um Kopf und Kragen redete, weil ich es einfach nicht schaffte, in nur einem Satz die Sache auf den Punkt zu bringen. Unweigerlich verfestigte sich der Griff um sein Handgelenk aus Angst, dass der Norweger nun beleidigt aufstehen würde noch bevor ich schließlich weiterredete. "Das lag aber ganz sicher nicht an dir als Person, sondern... mir fällt es einfach schwer, in der Hinsicht den ersten Schritt zu machen, weil..." ich Angst hatte. Ganz einfach. Angst davor, abgewiesen zu werden und den Rückschlag nicht verkraften zu können. Auf der anderen Seite widersprach sich das natürlich ein Stück weit damit, dass Tauren ja in dem Augenblick derjenige gewesen war, der indirekt um ein bisschen körperliche Zuwendung bat, aber wie bereits mehrfach erwähnt, duellierten sich Herz und Kopf nach wie vor, sodass ich mit dem situationsgerechten Reagieren überhaupt nicht mehr hinterher kam. Würde ich denn jemals eine Entscheidung treffen können, wenn es mir schon jetzt so unglaublich schwer fiel? Ich meine, das Ganze wurde doch nicht leichter, nur weil mehr Zeit ins Land zog, oder etwa doch? Ich hoffte es jedenfalls. Nicht nur, um mir damit einiges an Ärger zu ersparen, sondern auch um den armen, sichtlich geknickten Kerl hier neben psychisch zu entlasten.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Huch, das kam unerwartet. Vermutlich genauso schnell wie Vahagn nach meinem Handgelenk gegriffen hatte, war auch mein Blick auf jene Hände gewandert, weil ich mit dieser Art von Reaktion jetzt nicht gerechnet hatte. Eher der Annahme gewesen war, dass ich in ihren Augen sogar gehen sollte, weil sie sich wieder erst über irgendwas klar werden musste. Auch, wenn letzteres irgendwie nie wirklich zielführend war und uns trotzdem immer wieder von neuem in Situationen wie diese hier schlittern ließ, also keinesfalls präventiv angewendet werden konnte. Gerade schien der Brünetten aber tatsächlich absolut nicht der Sinn danach zu stehen mich vor die Tür zu setzen, viel mehr sogar das Gegenteil. Deshalb fanden meine Augen auch langsam über ihren Arm hinweg die ihren, als sie mit gestammelten Worten zum Reden ansetzte. Ich hatte auch an dieser Stelle kein Problem damit ihr ein bisschen mehr Zeit zu geben, damit sie sich so weit sortieren und die Situation einordnen konnte, um mich im Anschluss dann wissen zu lassen, was in ihr vorging. Vahagn startete also noch einen weiteren Versuch und ließ mich wissen, dass es gar nicht schlimm war, wenn ich ihr sagte, was ich dachte. Wie ich für sie empfand und was diesbezüglich in mir vorging. Das allein war für mich schon eine gewisse Erleichterung, weil das hieß, dass ich mich dahingehend zukünftig nicht mehr so sehr zurückhalten musste. Zwar würde ich wohl weiterhin davon absehen ihr ständig unter die Nase zu reiben, dass sie mir wichtig war und sie damit unter Druck zu setzen, aber ich musste es dann in jedem Fall nicht mehr unterdrücken. Konnte es ihr stattdessen sagen, ohne dass sie im Schweinsgalopp den Rückzug antrat. Die junge Frau gestand mir im gleichen Atemzug auch noch, dass sie einfach nur nicht so recht wusste, wie sie mit meinen Worten und der von mir gewollten Nähe umgehen sollte, weil sie das so nicht gewohnt war. Was an sich irgendwie ziemlich traurig war, so ganz nüchtern betrachtet. In meinen Augen war die aufrichtige Zuneigung eines anderen Menschen wohl mit das schönste, faszinierendste und ziemlich sicher auch die am meisten süchtig machende Droge der Welt. Konnte einen regelrecht beflügeln und einem einreden, dass die ganze Welt in Ordnung war, selbst wenn sie gerade auseinanderfiel. Ich war auch dabei nach wie vor bereit dazu sie Stück für Stück an diese Sache ranzuführen, ohne dabei irgendwas zu überstürzen. Nur musste sie das eben auch zulassen. Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, da ergriff Vahagn noch einmal das Wort - mit sehr unschönen Worten, die sich mich kurzzeitig wohl ziemlich enttäuscht ansehen ließen. Deswegen war ich auch heilfroh darum, dass sie jene Worte ziemlich bald wieder gerade rückte und sie nicht einfach so stehen ließ. Denn ich wollte alles, aber ganz bestimmt nicht, dass es sie Überwindung kostete sich mir zu nähern, weil es sich dabei eben um mich handelte. Denn dann hätten wir die ganze Sache hier sofort abblasen und ich mich frustriert in die hinterste Ecke von Richards Haus verkriechen können. Zwar kam sie auch mit ihrer darauffolgenden Erklärung - die mich sichtlich erleichterte - nicht wirklich zu einem richtigen Ende, das mich ihr Verhalten restlos verstehen ließ, aber ich konnte mir schon denken wo der Knackpunkt lag. Denn mir war es zu dem Zeitpunkt ja ähnlich gegangen. Ich hatte auch nicht gewusst, ob ich sie küssen sollte und hatte mich dann dagegen entschieden, weil ich Angst gehabt hatte, dass ich mich damit wieder einen Schritt zu weit vorwagte und sie in die Flucht jagte. Womöglich brauchte sie bei mir aber nicht halb so viel Angst davor zu haben, dass ich sie abwies... eher gar keine streng genommen, weil ich sie wohl zu jeder Tages- und Nachtzeit mit offenen Armen willkommen heißen würde. Vahagn fühlte sich eben nur insgesamt noch nicht wirklich sicher damit, was das Aufbauen von körperlicher Nähe zu mir anging. Was sagte ich jetzt am besten dazu? "Ich würde dir das ja abnehmen... das mit dem ersten Schritt, meine ich. Nur ist es... irgendwie ziemlich unmöglich für mich einzuschätzen, ob und wann du dazu bereit bist... oder eben nicht.", äußerte ich leise seufzend mit einem Schulterzucken ein paar wenige Worte zu der ganzen Misere. Es war eben einfach nach wie vor alles sehr verwirrend und alles andere als eindeutig, was sie nun wollte oder was nicht. Das wusste die Russin selbst wohl genauso gut wie ich. "Du musst mich nur lassen, dann... dann kann ich dir auch helfen rauszufinden, was du willst...", fügte ich noch ein paar mehr leise Worte an, bei denen ich sachte mein Handgelenk aus ihren Fingern löste und deshalb auch auf unsere Hände hinab sah. Im Anschluss daran griff ich nach wie vor eher zögerlich nach ihrer Hand, um ihr sachte über den Handrücken zu streicheln, während ich sie nur locker festhielt und meine Augen wieder die ihren fanden. Ich wusste, wie sehr Vahagn es hasste, an irgendwen anders das Steuer abzugeben und keine Kontrolle mehr zu haben. Aber wenn wir mit der Sache zwischen uns nie vorwärts kamen und nie irgendwer den ersten Schritt machte, dann war es irgendwann zu spät dafür. Ich wäre ihr also mehr als dankbar dafür sie mich einfach unterstützen zu lassen, indem sie es mir einfach auch erlaubte ihr näher zu kommen. Ihr zu zeigen, wie es sein konnte, wenn sie mich an sich heranließ - sollte das der attraktiven jungen Frau dann nicht gefallen konnte sie schließlich immer noch die Handbremse ziehen und wieder den Rückwärtsgang einlegen, die Sache beenden. Zwar tat es dann sicher noch mehr weh, als es das jetzt tun würde, aber dieses Risiko war ich bereit einzugehen. Ich pokerte was Vahagn anging ja sowieso schon die ganze Zeit.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich fand es nach wie vor wahnsinnig faszinierend, wie unterschiedlich eine einzige, menschliche Persönlichkeit doch sein konnte. Geschäftlich, sowie im Umgang mit Freunden und Bekannten war ich stets die gefühlskalte, unnahbare junge Russin, an der Mitmenschen aufgrund des beinahe südländischen Temperaments und der Ungeduld verzweifelten, aber wenn es um das Thema Emotionen und Gefühle ging... Tja, dann hatte ich plötzlich das Gemüt einer pubertierenden 14 Jährigen, die sich das erste Mal in einen Jungen verguckt hatte. Ich wusste überhaupt nicht, wo mir der Kopf stand und fühlte mich alles in allem ein wenig verloren zwischen all den Gedanken in meinem Schädel. Ich war nämlich noch immer der festen Überzeugung, dass so etwas wie eine engere Freundschaft oder gar eine Beziehung schrecklich anstrengend war. Die Tatsache, dass ich als Vergleichswert jedoch nur Michail hatte, den man in so ziemlich jedem Aspekt einer gesunden Beziehung getrost in die Tonne treten konnte, ließ mich andererseits aber eben auch darüber nachdenken, ob Tauren nicht vielleicht doch eine Chance verdient hätte. Es zumindest versuchen können sollte, mich von den positiven Dingen zu überzeugen, die er selbst wohl in seinen vorherigen Beziehungen kennen und lieben gelernt hatte. Und warum eigentlich nicht? Ich glaubte nicht daran, dass der Norweger all seine Charakterzüge, mit denen er mich bis heute verzauberte, einfach so ablegen würde, wenn ich erst einmal sein Mädchen war. Natürlich konnte ich mich dahingehend auch total irren und das Ganze ging am Ende kläglich in die Hose, aber dann hatten wir es immerhin versucht, oder? Aber war ich denn bereit dafür, gegebenenfalls einen Rückschlag einstecken zu können? Würde ich mich wieder fangen oder wie in meiner vorherigen Beziehung noch Jahre später - wie in Situationen wie diesen - unter der gescheiterten Beziehung zu meinem Ex leiden? Schwer zu sagen, aber herausfinden würde ich es wohl durch nichts anders, als es einfach auszuprobieren. Es auf mich zukommen zu lassen, auch wenn mich der Gedanke daran schwer schlucken und den Blick abwenden ließ. Aber in dem Fall war es entweder oder. Entweder ich versuchte es und hoffte bei der 50/50-Chance, ob ich auf die Schnauze fliegen oder zu einem der glücklichsten Menschen der Gott verlassenen Erde werden würde auf den richtigen Coinflip oder aber ich ließ es ganz bleiben. Dass ich mich für die erste Option entschied lag dabei wohl ziemlich nahe, war meine Entscheidung in der Hinsicht doch schon einmal gefallen, also was machte ich mir eigentlich vor? Mir jedes Mal wieder die gleiche Frage zu stellen, deren Antwort bereits vollkommen klar war, erschien mir wenig sinnvoll und es wäre wohl allerhöchste Eisenbahn, diese Entscheidung auch endlich zu akzeptieren und mich auf Tauren einzulassen, auch wenn mir das am Anfang vielleicht erst einmal Unbehagen bereiten würde. Ich hatte die Worte des jungen Mannes weiterhin aktiv verfolgt, auch wenn mein Blick eine lange Zeit auf meinem Oberschenkel klebte. Hob ihn auch erst dann wieder an, als er sein Handgelenk aus meinem Griff befreite, um stattdessen meine Hand in seine zu nehmen und die dünne Haut des Handrückens zu liebkosen. Einen Augenblick lang ruhten meine Augen auf dem sich langsam vor- und zurückbewegenden Daumen, ehe mein Blick am Arm des jungen Mannes nach oben wanderte und den seinen suchte. Dabei seufzte ich leise und zuckte bei seinem Gesicht angekommen nur leicht mit den Schultern, weil mir aktuell wirklich die Worte fehlten. Tauren eine verlässliche Antwort darauf zu geben, woran er erkannte, wann ich etwas wollte und wann nicht, war schlicht nicht möglich, weil ich mir darüber manchmal selbst nicht wirklich im Klaren war und ihm falsche Tatsachen aufzutischen, nur damit er am Ende noch lachend in eine Kreissäge rannte, erschien mir nicht besonders fair. Also seufzte ich ein weiteres Mal, sah jetzt auch an ihm vorbei gegen die weiße Wand, weil ich den Blick einfach nicht viel länger erwidern konnte. Meine rostige Blechbüchse tat sich unglaublich schwer damit, den verhältnismäßig aufgelösten Norweger länger ansehen zu müssen, als das wirklich nötig war. Erst, als ich nach einer Weile des Nachdenkens zu einer Antwort ansetzte, suchten meine Augen wieder dieses unglaublich schöne Blau meines Gegenübers, um sich darin kurzzeitig zu verlieren. "Ich... kann dir das leider auch nicht sagen.", gestand ich dem jungen Mann, dass es für mich selbst schon unglaublich schwierig war, mich zu entscheiden, ob ich zum Beispiel einen Kuss in diesem Augenblick für richtig hielt und bereit war, diesen zu erwidern, aber wenn dem nicht so wäre, würde ich das spätestens dann merken, wenn sich seine Lippen plötzlich nicht mehr so gut anfühlten, wie zum Zeitpunkt, als wir am Fort einander näher gekommen waren. Ihm blieb also kaum eine andere Möglichkeit, als es auf gut Glück zu probieren. Mal würde er gewinnen, sicher aber auch das hier und da verlieren. Was sein darauffolgendes Angebot anging haderte ich wieder ziemlich mit mir, ob das wirklich eine so gute Idee war, aber ein weiteres Mal kam ich bloß zu dem Entschluss, dass ich es wohl nie herausfinden würde, wenn ich es nicht einfach auf mich zukommen ließ. Außerdem... was sollte schon schiefgehen? Ich zuckte also nachdenklich, ziemlich vorsichtig mit den schmalen Schultern, dicht gefolgt von einem zögerlichen Nicken, während mein kurzzeitig gesenkter Blick wieder den von Tauren fand. "Und... okay. Dann... dann lass' uns das versuchen. Ich meine... viel habe ich ja nicht zu verlieren, oder?", versuchte ich meine Unsicherheit mit einer Ironie behafteten Aussage und einem verzweifelt wirkenden Lächeln zu überspielen, aber ich musste wohl genau so aussehen, wie diese eingangs erwähnte 14 Jährige, als sie herausfand, dass ihr Schwarm bereits mit einem anderen Mädchen das Schulfest besuchen würde, wo sie doch gerade im Begriff gewesen war, ein kleines Willst du mit mir gehen?-Zettelchen in seinen Schulranzen zu stecken, es dann aber doch eher frustriert in den Papierkorb warf.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich konnte Vahagn deutlich ansehen, dass ihr die Situation weiterhin recht unangenehm blieb. Dass sie sich schwer damit tat mir überhaupt irgendeine Form von Antwort zu geben und einfach nicht recht wusste, was sie sagen sollte oder wollte. Das war nur leider eines der wenigen Dinge, bei denen ich der jungen Frau nicht helfen konnte. Ich wollte sie dahingehend auch zu Nichts zwingen, würde das doch ganz eindeutig nach hinten losgehen. Stattdessen wartete ich ziemlich geduldig auf eine Antwort, ohne dabei das leichte Streicheln einzustellen. Schien als müsste ich weiterhin damit pokern, wann sie mich bei sich willkommen heißen würde und wann eben nicht, was die körperliche Ebene anging, aber ich hatte wohl auch gar nicht wirklich etwas anderes erwartet. Zwar war es schon so, dass man durchaus dazu tendierte auch das zu tun, was man dachte, aber wenn die Russin nicht einmal wusste, was sie denken sollte, dann war das eine entscheidende Hürde. Ich würde also einfach von jetzt an spontan entscheiden und auf meine Intuition vertrauen müssen, wenn es um Annäherungen ging, zu denen die hübsche Brünette nach einer halben Ewigkeit tatsächlich nicht nein sagte. Zwar klang sie weiterhin sehr unsicher, was die ganze Geschichte zwischen uns anging und versuchte das relativ offensichtlich mit etwas Ironie zu überspielen, aber das war nicht schlimm. Dass sie sich mit dem Gedanken anfreundete die Sache einfach ein bisschen vor sich hinrollen zu lassen und sich nicht mehr so sehr davor zu verschließen, wie sie das bis jetzt tat, war für sich schon eine unheimliche Erleichterung für mich. Vahagn hatte wahrscheinlich keine Ahnung davon, was sie mir damit für einen unsagbaren Gefallen tat, weil das aufkommende, aufrichtig erfreute Lächeln in meinem Gesicht das nicht einmal ansatzweise genug zur Geltung bringen konnte, obwohl es meine leicht zu funkeln beginnenden Augen ebenfalls erreichte. Vermutlich war das hier besser als Weihnachten und mein Geburtstag zusammen... was vielleicht auch daran liegen könnte, dass ich meinen Geburtstag ewig nicht gefeiert hatte, genauso wenig wie das im Kommerz stehende Weihnachtsfest. Mit wem hätte ich auch feiern sollen? Hunter? Ashton? Klar bestellte ich mir mal mit ein paar von Hunters Männern eine Pizza und stieß mittels Bier mit ihnen an, weil es ja durchaus auch welche gab, mit denen ich mich sehr gut verstand, aber das würde ich nicht als feiern deklarieren. Da war das Gefühl, das ich gerade hatte, dann doch schon eine merkliche Steigerung. Viel besser. Ich strahlte dementsprechend über beide Ohren und versuchte auch gar nicht das zu verstecken. "Nein, ich glaub nicht.", bestätigte ich sie leicht gemurmelte und vor mich hin lächelnd in ihren vorherigen Worten. Ich war schließlich ganz eindeutig ein Gewinn - würde wohl immer kommen und helfen, wenn sie das brauchte - auf privater Ebene versteht sich -, würde ihr jederzeit mein Gehör schenken und bis jetzt wagte ich es stark zu bezweifeln, dass von mir dahingehend jemals ein Cut kommen würde. Da war es sehr viel wahrscheinlicher, dass Vahagn von sich aus ein Ende setzen würde, falls sie merkte, dass es doch nichts für sie war. Ich fasste mir dann einfach ein Herz und biss mir einmal kurzzeitig überlegend auf der Unterlippe herum, bevor ich meine Hand von Vahagns löste und ihr stattdessen auf dem Sitzpolster recht nah rutschte. Zwar wusste ich, dass sie sich mit der Nähe zu mir noch unsicher war, aber wenn sie sich erstmal überwand, dann konnte das Gegenteil davon eintreten. Konnte ihr wieder mehr Sicherheit verleihen und sie vielleicht zumindest ein bisschen von dem Gedanken abbringen, was für ein Risiko damit einging oder was sich sonst für Probleme in ihrem Leben abspielten. Also griff ich vorsichtig nach ihren Beinen und legte sie einfach über meine, ehe ich einen Arm nach ihr ausstreckte und ihn locker um sie legte. "Lass es einfach auf dich wirken... wie bei einer Geschmacksprobe... oder einem neuen Parfüm...", stieg ich mit einem leichten Grinsen auf ihre vorherige Ironie ein und unterlegte meine Taten mit einem ganz lockeren Witz, damit wir hier jetzt nicht ewig lange viel zu ernst blieben. Das würde hier schließlich Niemandem helfen und uns nur weiter herumdrucksen lassen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Gut, dann... dann wäre das ja geklärt, oder? Wir waren jetzt also... ja, was eigentlich? Irgendwie einen Schritt weiter offensichtlich, aber ich konnte überhaupt nicht einschätzen, wo wir jetzt standen und wohin uns das Ganze noch führen würde. Was das alles zu bedeuten hatte und last but not least welche Berge meine vorangegangenen Worten eigentlich gerade versetzt hatten. Aber das war okay. Schließlich hatte ich vor wenigen Sekunden mehr oder weniger das Versprechen gegeben, es einfach auf mich zukommen zu lassen und demnach musste ich mich wohl überraschen lassen - an der Stelle würde ich sehr gerne noch einmal anmerken, dass ich Überraschungen auf den Tod nicht ausstehen konnte. Besonders schön war dieses Gefühl, irgendwie in der Schwebe zu hängen momentan nämlich nicht wirklich, ich hoffte jedoch, dass sich das bald legen würde. Außerdem schien es ganz offensichtlich zumindest Taurens Gemüt zu erheitern und ich konnte nicht anders, als bei dem Lächeln, welches sich bis über beide seiner Ohren erstreckte mit einzustimmen. Zwar verzogen sich meine Lippen ein Stück weit zurückhaltender, aber ich konnte nicht anders. Der freudige Gesichtsausdruck des Norwegers gab der ollen Blechbüchse in meiner Brust einen ordentlichen Tritt und das Ding klapperte plötzlich, als gäbe es kein Morgen mehr. Wenigstens schien sich einer in dieser Situation hier wirklich sicher zu sein und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass er mir diese Sicherheit irgendwann in der Zukunft auch geben würde. Mir zeigte, dass es auf dieser Erde noch einen Platz für mich gab, an dem ich willkommen war, um nach einem stressigen Tag zur Ruhe zu finden. Und so wie das aussah, wollte Tauren auch gleich damit anfangen, denn anders konnte ich mir nicht erklären, warum er mich so plötzlich los ließ, nur damit ich mich dann wenige Sekunden später so halb auf seinem Schoß sitzend wiederfand. Mit einem überraschten Glucksen waren mir die verunsicherten Gesichtszüge entglitten, als der junge Mann nach meinen Beinen griff, um diese über seine eigenen zu legen und mich ihm damit unweigerlich noch ein ganzes Stück näher kommen zu lassen. Im ersten Moment hatte ich ihn wohl ziemlich verdutzt und mit einer Mischung aus Entsetzen und Unsicherheit angeguckt, außerdem schrie mein Inneres förmlich nach einer Flucht, aber die mehr oder weniger beruhigenden Worte des Norwegers sollten ihre Wirkung nicht verfehlten. Zwar saß ich sicherlich noch etwa dreißig Sekunden lang ziemlich angespannt und verkrampft da, aber nachdem ich mich dazu gezwungen hatte, gedanklich einmal tief durchzuatmen, nickte ich schließlich leicht und bettete meinen Kopf daraufhin an Taurens Schulter, schmiegte mich alles in allem ein klein wenig an ihn. Und dann versuchte ich das Ganze auf mich wirken zu lassen, wie es mir aufgetragen worden war und was sollte ich sagen? Es hätte schlimmer sein können. Zwar zwickte die Verletzung am Schlüsselbein ein kleines bisschen, aber die Nähe... seinen Duft einzuatmen... war wider Erwarten unglaublich beruhigend. Der Tag war bis hierhin aber auch verdammt nervenaufreibend gewesen und ich war mittlerweile nur noch müde, kaputt, weil ich mir in vielerlei Hinsicht einfach mehr Stress machte, als nötig oder angebracht war und besonders alt würde ich demnach heute nicht mehr werden. Ich konnte zwar fühlen, wie mein Körper sich der einsetzenden Müdigkeit hingeben wollte, aber noch sträubte sich mein Inneres dagegen, die Augen zu schließen. Es war nicht so, als würde ich dem jungen Mann, in dessen Armen ich lag unterstellen wollen, dass er mir etwas antat, sobald ich hier wegratzte, aber... es gab einfach Schutzmechanismen des Körpers, die musste man einfach nicht verstehen und man sollte einfach akzeptieren, dass sie manchmal auch vollkommen ohne begründeten Verdacht aktiv waren und jener hielt mich gerade ganz einfach davon ab, einzuschlafen. Dabei würde ich fast schätzen, dass der Schlaf zur Abwechslung mal richtig erholsam sein würde, weil ich mich mit der Entscheidung trotz des mosernden Unterbewusstseins tatsächlich wohl fühlte. Ich mochte eventuell noch nicht den Anschein machen, weil sich die unschönen Gedanken nun mal nicht eben so aus der ausradieren ließen, aber ich - beziehungsweise eben mein Herz - war der festen Überzeugung, dass es sich richtig entschieden hatte. Es war nur alles momentan noch so... komisch. So verwirrend und in meinen Augen alles andere als klar, aber gleichzeitig auch irgendwie aufregend und beflügelnd, je länger ich an Taurens Brust gelehnt ruhte. Es zog eine halbe Ewigkeit ins Land, bevor wieder Leben in mich kehrte und ich den Kopf ein Stück weit in Richtung Gesicht des Norwegers anhob. Aus dieser Position heraus sah ich ihn einen Augenblick lang schweigend an, ehe ich den Kopf noch einen Stück weiter drehte, um ihm einen hauchzarten Kuss auf die dünne Haut des Übergangs vom Schlüsselbein zum Hals zu geben. Nur vorsichtig, zögerlich, aber ich wollte ihm gerne zeigen, dass ich es ernst meinte. Es wirklich versuchen wollte, mich in Hinsicht auf den Umgang mit meinen, beziehungsweise unseren Gefühlen zu bessern. "Ich versuche es...", begründete ich meine Tat im Anschluss leise, gemurmelt und musste dann leider feststellen, dass sich meine Augen wider Erwarten doch langsam aber sicher von selbst schlossen, ohne, dass ich groß einen Einfluss darauf nehmen konnte. Vermutlich war es wirklich bald Zeit, ins Bett zu gehen... und ich vermutete, dass ich heute nicht alleine schlafen würde.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #