War vermutlich einfach schwer für Sydney, sich an diesen rauen Umgang miteinander zu gewöhnen. Dass auf Menschenleben, wenn es keine Geschäftspartner, Freunde oder Familie waren, ganz einfach kein besonders großer Wert gelegt wurde. Man da auch einfach gar keine Gefühle aufkommen lassen durfte, wenn man sich psychisch nicht in den Ruin treiben wollte. Diesen Fehler - den wohl jeder normale Mensch begehen würde - hatte ich zu Beginn meiner Mafiakarriere leider noch mehrfach gemacht und es hatte eine Weile gedauert, bis bei mir angekommen war, dass ich mit dieser Einstellung nicht weiterkam. Dass ich lernen und mir immer wieder sagen musste, dass das schon irgendwie okay war, weil sonst mein eigener Kopf irgendwann auf dem Silbertablett lag. "Ist hier und da vielleicht auch gar nicht so verkehrt, wenn du ein bisschen an der Agentin festhältst. Dann hat zumindest noch einer hier einen Sinn für... etwas weniger unschöne Mittel.", äußerte ich mich dahingehend nur noch einmal eher knapp und begrub das Thema damit. Ich selbst und Hunter auch hatten schon etliche Jahre zwischen anderen Kriminellen hinter uns und waren dadurch an manchen Ecken vielleicht ein bisschen festgefahren. Da war es nicht so verkehrt, wenn die Brünette uns - oder zumindest mir und ich leitete das dann indirekt weiter - ab und an mal andere Wege aufzeigte. War in jedem Fall für mich sehr erfrischend mit ihr nicht wie mit allen anderen über potenzielle Opfer so zu reden, als wären sie Vieh, das nur noch auf die Schlachtung wartete. Ich folgte ihr mit meinem Blick durch den Raum, als sie sich aufs Bett verzog und nippte nebenher noch einmal an der Bierflasche. Sydney schilderte mir grob, dass der Amerikaner schon damals zumindest einen Tick anders als der Rest gewesen war, aber wohl in wesentlich weniger schlimmem Ausmaß. Wäre er damals schon Leute abstechend durch die Gegend gerannt wäre das auch ziemlich sicher irgendwem aufgefallen. Da war es mit Sicherheit im ersten Augenblick merkwürdig gewesen, dass der junge Mann zum mordenden Tornado Oslos geworden war. Streng genommen auch international, hatte er zu Beginn doch häufig auch ein paar Attentate für viel Geld im Ausland ausgeführt. An sich eine sehr interessante Geschichte, über die ich gerne noch mehr Details hätte, aber ich hütete mich davor ihn danach zu fragen. Allgemein vor sämtlichen Fragen, die potenziell zu persönlich sein konnten. Wir waren schließlich keine Freunde, sondern lediglich Geschäftspartner. "Verständlich... vermutlich will ich gar nicht wissen, was meine ehemaligen Mitschüler inzwischen von mir denken.", stellte ich nachdenklich fest. Nicht, als würde deren Meinung mich jetzt noch interessieren, aber mein Gesicht war ja doch hier und da Mal in den Nachrichten aufgetaucht. Eben immer dann, wenn ich den Cops mal wieder durch die Lappen gegangen war und sie mit Kopfgeldern ganz verzweifelt die Bevölkerung um Hinweise gebeten hatten. Das war wohl das Einzige, was Hunter und ich gemeinsam hatten - die Bullen an der Nase herumzuführen machte uns Spaß und wir waren Meister darin. Gut, den Geschäftssinn teilten wir uns womöglich auch noch, aber das war's dann vermutlich gewesen. "Ich mach mich lieber mal wieder an die Arbeit... der Pöbel scheucht sich nicht von selbst.", verabschiedete ich mich durchweg ironisch von der Brünetten und warf ihr noch einen kurzen Blick zu, bevor ich mich leicht von der Tür abstieß und dann Kehrt machte, um im Flur angekommen das Bier restlos meinen Rachen runter zu kippen und im Anschluss zurück zum unfertigen Badezimmer zu gehen.
*Sprung vong diese Zeit her*
Ich müsste vermutlich lügen, um zu sagen, dass ich in der letzten Nacht einwandfrei durchgeschlafen hatte. Obwohl ich genauso wie immer in den letzten Tagen und Wochen absolut K.O. ins Bett gefallen war, hatte mir die Mafia die ganze Nacht über keine Ruhe gelassen. Mal träumte ich, dass Sydney mit einem gehässigen Lachen und einem Arsenal von Leuten angerollt kam, um mich einzusammeln. Dann spielten sich unschöne Erinnerungen an meine wenigen direkten Kontakte mit der Mafia in meinem Schädel ab und rissen mich damit erneut aus dem Schlaf. Im nächsten Traum war es dann die italienische Mafia selbst, die mich einen grausamen, unfassbar schmerzhaften Tod sterben und mich schweißgebadet hochschrecken ließ. Ich hätte es einfach lassen sollen. Mich nicht noch einmal ausgiebig über Sydney informieren und sie auch nicht zu mir ins Café zum Vorstellungsgespräch einladen sollen. Dann hätte mich hier und da vielleicht auch ein Gedanke der Neugier und Unwissenheit wegen geplagt, aber niemals in diesem unschönen Ausmaß. Leider kam ich meine Wissensgier nur in den seltensten Fällen an und das hatte ich jetzt davon. Stand bereits vollkommen erledigt wieder um halb Sieben auf, nur um mich viel zu langsam der morgendlichen Routine und auf dem Hinweg zur Arbeit meinem Kaffee zu widmen. Letzterer half nur sehr bedingt und ich gähnte mehrfach, als ich auf der Arbeit angekommen war und die ersten paar Dinge erledigte. Warenannahme, Lösung eines kleinen Problems hinten in der Bäckerei und danach noch der wichtigste Papierkram, der am gestrigen Abend liegen geblieben war. Dabei war ich dauerhaft von einer gewissen Unruhe geplagt, bis es schließlich kurz vor zehn Uhr war, als ich mich mit einer Schürze für die Brünette in der Hand in den öffentlichen Teil des Gebäudes bewegte. Als Sydney angekommen war begrüßte ich sie ebenso nett wie schon am gestrigen Tag und bat sie die Schürze schon einmal um ihre Hüfte anzulegen, bevor ich dem jungen Mann, der bis jetzt noch hinter dem Tresen stand, mitteilte, dass er sich mit den anderen vorerst der Bestellungsaufnahme und dem Abwischen der Tische kümmern sollte, weil ich mit Sydney erst einmal hier bleiben würde. Sie war bei Weitem nicht die erste Person, die ich neu anlernte und so zeigte ich ihr die Vorgänge absolut routiniert und fachlich. Gab ihr Hinweise, worauf sie beim Befüllen der Tassen achten sollte, wie die hochwertige Barista-Maschine an sich funktioniert und was sie bei der Herausgabe von Gebäck aus hygienischer Sicht bedenken musste, damit wir hier keine Probleme mit den Kunden bekamen. Ich band sie dabei dann auch postwendend mit in den Betrieb ein, ließ sie unweit nach der Einführung Alles selbst probieren und sie stellte sich dabei auch ganz gut an. Natürlich blieb ich selbst immer mit hinter der Theke, damit der normale Kundenbetrieb parallel weitergehen konnte und nicht ins Stocken geriet, weil sie - wie jeder, der sich das erste Mal mit einer neuen Arbeit beschäftigte - zu Beginn natürlich noch nicht besonders schnell war. Das kam dann erst mit der Routine, war also vollkommen normal und kein Grund sie nicht anzustellen. Ansonsten machte die Brünette sich auch ganz gut. Besaß eine recht hohe Auffassungsgabe und wusste sich bei der Arbeit zu konzentrieren, damit möglichst wenig schiefging. Hier und da ließen sich ein paar typische Anfängerfehler natürlich nicht vermeiden, aber auch das nahm ich gelassen. Es fiel schließlich kein Meister einfach so vom Himmel und ihre Einstellung gegenüber der Kundschaft war auch vorbildlich, wenn einer mal nur für ein Gebäckstück zum Mitnehmen nach drinnen an die Kasse kam, statt sich an einem der Tische niederzulassen. Kurz nach Halbzeit genehmigte ich der jungen Frau eine halbe Stunde Pause, damit sie zur Ruhe kommen konnte und später in den letzten beiden Stunden ließ ich sie dann auch hinter der Theke vor, schickte sie gemeinsam mit einer der anderen Kellnerinnen auf Tour, damit sie sich die Bestellungsaufnahme zuerst ansehen und dann selbst auch mal probieren konnte. Ich nahm selbst mit ein paar Unterlagen vorne an einem freien Tisch Platz, von wo aus ich einen guten Blick aufs Geschehen hatte, nebenher aber weiter meiner eigentlichen Arbeit nachgehen konnte. Die machte sich schließlich auch nicht von selbst und bei Ablauf der Probestunden brachte Lucia mir die Brünette auch zurück, ließ mich mit ein paar knappen Worten und einem Lächeln wissen, dass das Alles soweit ganz gut funktioniert hatte und widmete sich dann wieder ihrer Arbeit. Ich hatte sie ja vorher wissen lassen, dass sie für Sydney erst einmal möglichst Tische mit internationaler Kundschaft herauspicken sollte, damit es da keine Probleme gab. Es ging mir ja auch viel mehr nur darum zu sehen, wie sie sich bei der der Bedienung selbst anstellte, von der Sprachbarriere wusste ich schließlich schon und die ließe sich beheben. Ich geleitet die Amerikanerin dann im Anschluss in mein Büro. Schilderte ihr mit meiner gewohnt ruhigen Art, dass ich an sich sehr zufrieden mit ihrem Auftreten und ihrer Arbeit war - sowohl was die Arbeit hinter, als auch vor der Kasse anging. Bot ihr kurz darauf auch an, dass sie theoretisch zu Beginn nächster Woche schon anfangen konnte, wenn sie auch in ihren Augen gut mit der Arbeit zurechtkam und die Stelle dahingehend weiterhin antreten wollte. Ließ sie auch wissen, dass sie mir das nicht heute noch sagen musste, sondern sie theoretisch morgen und übermorgen noch Zeit hatte, um mir diesbezüglich Rückmeldung zu geben. Später wäre allerdings ungünstig, mussten Arbeitsvertrag und Co. ja auch noch aufgesetzt werden und irgendwo danach, aber vor Beginn nächster Woche musste sie dann ja auch nochmal herkommen, um den Papierkram zu unterschreiben. Das war es dann von meiner Seite aus aber auch und so kam ich schließlich zum Ende. "Wenn du", ja, ich blieb beim Du. "sonst keine Fragen mehr hast, dann würde ich dich jetzt aus meinem Büro entlassen.", schloss ich die ganze Sache für mich also vorerst ab, sah Sydney dabei vollkommen neutral und ein bisschen fragend an.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ja, vielleicht war es das. Zwar hatte ich einen Großteil der Prinzipien, nach denen ich beim FBI gelebt hatte, bereits über Bord geworfen, aber das musste ja nicht zwangsläufig heißen, dass ich an der ein oder anderen positiven Eigenschaft nicht doch festhalten wollte. Ich für meinen Teil würde schließlich dem kriminellen Metier größtenteils den Rücken kehren, sobald ich mit beiden Beinen wieder im Leben stand, aber bis dahin unterstützte ich die Jungs natürlich gerne mit meiner friedliebenden Lebenseinstellung und zeigte hier und da eventuell einen anderen Weg, fernab von roher Gewalt und sinnloser Metzelei auf. Ich war nämlich der festen Überzeugung, dass das teilweise pazifistische Denken zu dem Teil von mir gehörte, der sich auch in Zukunft kaum mehr ändern würde. In Stein gemeißelt war das allerdings nicht und konnte sich zu gegebener Zeit natürlich noch ändern. Aber Stand heute konnte ich Sabin dahingehend mit einem leichten Nicken des Kopfes beruhigen. So schnell würden sie mich als kleiner Engel auf den breiten Schultern wohl nicht loswerden. Jedenfalls solange ich noch hier wohnte und im regen Kontakt zu dem Italiener und dem Amerikaner stand. Das Gespräch neigte sich damit dann langsam dem Ende entgegen und die Arbeit rief sowohl auf Sabins, als auch auf meiner Seite, woran er mich leider mit seiner Verabschiedung erinnerte. Es stand zwar heute nichts besonders Unangenehmes wie Einkaufen gehen oder Aufräumen mehr an, aber meine Lust, mich im Internet nach einer Sprachschule und der örtlichen Bibliothek zu erkundigen, hielt sich halt leider auch stark in Grenzen. War nur leider wichtig und weil ich zwischenzeitlich doch immer noch ein gewissenhafter, disziplinierter Mensch war, stand ich schon kurz nach Sabins Abgang vom Bett auf, um mich auf die Suche nach dem Laptop zu begeben, der uns durch einen von Hunters Handlangern zur Verfügung gestellt worden war. Ältere Generation, war auch nicht mehr der schnellste, aber zu Recherchezwecken taugte er noch allemal. Ich wurde im Wohnzimmer fündig, entschied mich jedoch dagegen, mich auf dieser komplett herunter gekommen, definitiv zu erneuernden Couch niederzulassen und verzog mich mit dem Teil deswegen kurzerhand in die Küche. Der Rest des Tages verging dann doch relativ zügig, hatte ich einen Großteil davon, nachdem ich genug Informationen über örtliche Bildungsangebote eingeholt hatte, mit Gammeln verbracht. Hier und da hatte ich noch einmal nach den tatkräftigen Männern gesehen und ihnen etwas zu Trinken vorbei gebracht, weil das im Eifer des Gefechts doch ganz gerne mal vergessen wurde, aber gerade an solch heißen Tagen unglaublich wichtig war. Tja und danach? Tat ich eine ganze Menge Nichts, weshalb es mich doch ziemlich überraschte, dass ich am Abend schon relativ früh ins Bett gehen musste, weil mich die Müdigkeit übermannte. Die Nacht verlief trotz der sich um sich selbst kreisenden Gedanken Gott sei Dank sehr ruhig und ich konnte guten Gewissens behaupten, am nächsten morgen fit und gut ausgeruht zu sein, als ich nach meiner morgendlichen Routine im Bad schließlich die Küche betrat, wo ich um diese Uhrzeit wenig überraschend - es war in etwa acht Uhr in der Früh - alleine war. Ich frühstückte ganz in Ruhe eine Scheibe Brot, trank dazu ein Glas Orangensaft, was in den letzten Tage irgendwie zu einem Ritual geworden war und schmierte mir im Anschluss noch mein Pausenbrot. Dabei fiel mir auf, dass wir ganz dringend ein paar Brotdosen brauchten, war ich im Allgemeinen kein besonders großer Fan von Papiertüten. Zum einen weichten die immer so schnell auf und produzierten zum anderen in meinen Augen Müll, der sich ganz leicht vermeiden ließ. Ich war kein linker Ökö-Hippie, der gemeinsam mit Greenpeace die Erderwärmung stoppen wollte, aber ich verzichtete rein aus Bequemlichkeit gerne auf mehr Müll, als unbedingt notwendig war. Ich verräumte das Essen bald darauf in meiner Handtasche und schlich mich auf leisen Sohlen durch den Flur vor die Haustür. Das Zeitmanagement fiel mir am heutigen Tag merklich leichter und ich war schon ein paar Minuten vor Eintreffen des Busses an der Haltestelle, der mich auf direktem Wege in die Stadt kutschierte und vor dem Café absetzte. Sam schien schon auf mich zu warten und drückte mir quasi die Schürze in die Hand, da hatte ich noch nicht einmal meine Handtasche abgelegt. Die darauffolgenden Stunden sollten für den heutigen Abend in jedem Fall Erklärung genug sein, warum ich so kaputt war, schien das letzte Mal, dass ich mich bei normaler Arbeit körperlich betätigt hatte schon eine Weile her zu sein. Es machte Spaß, all die neuen Informationen und Einflüsse normaler, nicht krimineller Menschen in mich aufzusaugen, war aber leider auch ziemlich anstrengend, weshalb ich über die kurze Pause nach etwa der Hälfte der abgesprochenen Arbeitszeit wirklich froh war. Kurz die Füße hochlegen zu können, dir mir vom dauerhaften Stehen langsam schmerzten, weil ich es einfach nicht mehr gewohnt war, den ganzen Tag auf den Beinen zu stehen, ohne eine Pause einlegen zu können, wann immer man das wollte. Das Ende der Probearbeit und damit verbunden auch das Gespräch mit dem Manager rückte dann nach der Unterbrechung immer näher und so langsam wurde ich doch ein klein wenig nervös. Vermutlich schlichen sich deshalb hier und da ein paar kleinere, nicht besonders tragische Fehler ein, die mich bei meinem ehrgeizigen Gemüt natürlich trotzdem fuchsten. Aber da stand ich drüber und auch die junge Frau, der ich an die Hand gegeben worden war, zeigte großes Verständnis, sprach sich offensichtlich trotzdem für mich aus, als sie mich am Ende meiner Schicht wieder an den Chef übergab. Dieser zitierte mich für ein abschließendes Gespräch schließlich in sein Büro. Ich hatte auf dem Weg dorthin die Schürze abgenommen und sie locker über meinen Schoß gelegt, als ich wie am Tag zuvor gegenüber des Chefsessels auf dem freien Stuhl Platz nahm. An der Stelle teilte mir auch Samuele direkt mit, dass er sich eine Zusammenarbeit mit mir durchaus vorstellen konnte, weil die von mir verrichtete Arbeit ganz offensichtlich gar nicht so schlecht gewesen war, was mir prompt ein ehrliches Lächeln auf die Lippen zauberte. Ich würde die Stelle ja auch sofort antreten, aber... "Also ich würde sofort anfangen können und auch wollen, aber ich glaube, es gibt da ein kleines Problem.", setzte ich mit einem leisen Seufzen zu dem deutlich ungemütlicheren Teil des Gesprächs an. Fragen hatte ich keine mehr, zumindest nicht solche, die sich auf den heutigen Arbeitstag oder eine Anstellung im Allgemeinen bezogen - dafür konnte ich ihn mit Tatsachen und Fakten überhäufen. "Ich weiß nicht, wie es dir" - ja, auch ich war beim Du geblieben, auch wenn mir etwas mehr Distanz in der aktuellen Situation ganz lieb gewesen wäre - "gestern Abend noch ergangen ist, aber mich wollte die Sache irgendwie nicht mehr loslassen." Tja und wie verpackte ich jetzt am besten, dass ich vor hatte, ihn indirekt zu entführen? Lieber um den heißen Brei herum reden oder direkt auf den Punkt kommen? Weil es mich gestern im Gespräch mit Sabin schon genervt hatte, dass ich mir selbst alle Einzelheiten aus der Nase ziehen lassen musste, entschloss ich mich heute dafür, einfach gerade raus zu sagen, was Sache war. Dazu musste ich aber leider ein kleines bisschen weiter ausholen, was die Beziehung zu Sabin anging und ich hoffte, dass ich damit jetzt keinen schwerwiegenden Fehler beging. Aber sobald Sam sich im Keller unseres Zuhauses befand, würde er ja ohnehin von der Anwesenheit des Italieners erfahren, also musste ich mir dahingehend sicher keine großen Sorgen machen. "Ich versuche mich kurz zu fassen und dich trotzdem mit allen nötigen Informationen zu versorgen. Erst einmal möchte ich dich dahingehend beruhigen, dass ich nach wie vor sehr sicher sagen kann, dass die Mafia nicht hier auf Kuba ist, aber... na ja, Sabin halt schon. Und er... wie auch Hunter - wenn du schon über mich und deinen Landsmann so gut informiert bist, wird dir der Amerikaner sehr sicher auch etwas sagen - würden gerne mit dir reden. Es ist ein bisschen kompliziert, dir jetzt zu erklären, in was für einer Beziehung wir zueinander stehen, jedenfalls... war ich nach dem Gespräch gestern doch ein wenig verunsichert und hab mit Sabin geredet. Weil wir dir nicht so einfach trauen können, mussten wir natürlich Hunter Bescheid sagen, weil der im Moment so ein bisschen das Sagen hat und der ist ein wenig hitzköpfig, wollte dir vermutlich aufgrund deiner Nationalität und dem Grad der Verwandtschaft zur italienischen Mafia vermutlich direkt den Kopf abschlagen, aber...", ich machte eine kurze Pause, nachdem ich all diese verwirrenden, gen Ende jedoch etwas unwichtigeren - deshalb auch eher beiläufig und schnell herunter geratterten - Informationen komprimiert an den Manager weiter gegeben und mit einigen, nicht weniger wirren Gesten der Hand untermauert hatte. "Um auf den Punkt zu kommen: Es tut mir wirklich sehr Leid, dass ich dir jetzt Probleme bereiten werde, aber ich muss dich bitten, mit mir zu kommen. Ich möchte, dass du weißt, dass das nicht alleine auf meinem Mist gewachsen ist, auch wenn ich den Stein vermutlich ins Rollen gebracht habe, aber ich konnte das Risiko, dass du vielleicht doch noch Kontakte nach Italien hast, die unser Leben auf Kuba in Gefahr bringen könnten, einfach nicht unausgesprochen gegenüber meinen Mitstreitern lassen. Draußen wartet ein Wagen mit zwei von Hunters Männern auf uns und wenn ich nicht innerhalb der nächsten zwanzig Minuten mit dir im Schlepptau nach draußen komme, um dich mit verbundenen Augen auf der Rückbank zu parken, werden sie hier rein kommen und dir weh tun. Weil ich dich sowohl gestern, als auch heute bei der Zusammenarbeit als einen sehr netten Menschen kennen gelernt habe, bei dem mir mein Bauchgefühl einreden möchte, dass all das, was du mir gestern anvertraut hast, der Wahrheit entspricht, möchte ich nicht, dass du verletzt wirst. Es lässt sich für mich momentan sehr schwer einschätzen, wie du dich fühlst und was du von mir hältst, weil ich mit meinen eignen Emotionen gerade ehrlich gesagt ein kleines bisschen zu kämpfen habe, aber ich bitte dich, auch wenn wir uns kaum kennen, mir den Gefallen zu tun, dich nicht zur Wehr zu setzen und mir freiwillig zu folgen. Wenn du kooperierst und Hunter davon überzeugen kannst, dass du die Wahrheit gesagt hast, als du mir mitteiltest, dass du keinen Kontakt zu der Mafia hast, wird er dich auch unversehrt wieder gehen lassen, da wette ich drauf. So oder so wirst du mit ihm Bekanntschaft schließen, es liegt jedoch in deinen Händen, auf welche Art das geschieht.", stellte ich Samuele schließlich vor vollendete Tatsachen und musste dann einmal etwas tiefer Luft holen. Dabei sah ich ihn durchweg entweder mit einem neutralen, entschuldigenden oder bittenden Gesichtsausdruck an, weil ich sicher gehen wollte, dass bei dem Italiener auch wirklich ankam, wie Leid mir die Sache tat und wie unangenehm mir das Ganze war. Schließlich hatte er darauf vertraut, in keinerlei Schwierigkeiten zu geraten, wenn er in Kontakt zu mir stand und na ja... in Schwierigkeiten steckte er ja streng genommen auch gar nicht - noch nicht zumindest. Aber ich bereitete ihm Umstände und selbst das stieß mir unglaublich bitter auf.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Schon bei dem von Sydney genannten Problem wurde ich hellhörig. Mein Blick wurde unruhig und ich musterte jeden ihren Gesichtszüge in der Hoffnung, darin im Voraus irgendetwas beruhigendes vorzufinden. War aber nicht so. Viel mehr stand ihr noch vor den ersten unheilbringenden Worten bereits ins Gesicht geschrieben, dass es jetzt gleich sehr unangenehm wurde. Ich schenkte der Brünetten mein Gehör und je länger sie einfach so vor sich hin redete, als wäre das vollkommen normal - na ja, natürlich nicht gänzlich, aber in meinen Augen war sie eindeutig viel zu ruhig für den Umstand, dass sie mir hier nach und nach offen darlegte, dass sie geplaudert hatte -, desto mehr brach in meinem Kopf gerade die halbe Welt zusammen. Dass sie mein Vertrauen, obwohl ich es ihr bereitwillig gegeben und es an keinerlei Bedingungen geknüpft hatte, einfach so mit Füßen trat, konnte ich einfach nicht nachvollziehen. Natürlich war ich zu einem Anteil sicher selbst daran Schuld, dass ich jetzt sowas wie friedlich gekidnappt werden sollte, aber hätte sie den Mund gegenüber Sabin - und damit auch Hunter - nicht aufgemacht, sondern diese Geschichte schlichtweg für sich behalten, dann würde jetzt nichts von alledem passieren. Sie würde dann nicht hier sitzen und mir Stück für Stück erläutern, warum ich mich am besten einfach so einsammeln ließ, ohne vorher einen Fluchtversuch zu starten. Natürlich war ich nicht blöd - zu flüchten wäre vermutlich selbst ohne die zwei Securitys vor der Tür ziemlich unsinnig. Eine Weile könnte ich mich theoretisch schon in der letzten Ecke Havanna verkriechen, aber wenn sie mich dann doch irgendwann fanden, traf mich kein Gespräch wie dieses hier mit Sydney mehr, sondern nur noch der Henker und sein Beil. Nur, weil ich nicht aktiv Teil der italienischen Mafia war, hieß das nicht, dass ich mir nicht denken konnte wie der Hase in etwa lief. Ich wagte mal ganz stark zu bezweifeln, dass der Amerikaner sich mit seiner eigenen, kleinen Mafia großartig von anderen unterschied. Wenn ich nicht nach deren Pfeife tanzen wollen würde, dann hagelte es Drohungen und wenn ich dann immer noch nicht spurte, war's das vermutlich mit mir gewesen. Wie sollte ich denn bitte lupenrein beweisen, dass ich nichts mit meiner Verwandtschaft in Italien zu schaffen hatte? Natürlich konnte ich ihnen mein Handy zeigen, auf dem entsprechend keinerlei derartige Kontakte zu finden waren, konnte ihnen noch mein Mailpostfach aufmachen... und das war es dann auch schon wieder gewesen. Ich könnte genauso gut ein zweites Telefon haben und an Stelle meines privaten Smartphones damit die Mafia regelmäßig kontaktieren. Im Grunde genommen hatte ich also wirklich weniger als Nichts in der Hand, um zu beweisen, dass ich mit dieser blöden Fehde rein gar nichts zu tun hatte. Wie stellten sie sich das also bitte vor? Auf diesem Weg konnte das ja kaum funktionieren und so ahnte ich schon jetzt Böses. Das erste, was ich tat, nachdem ich sie sicherlich eine ganze Minute nach Beendigung ihrer Schilderung noch durchweg fassungslos angeschaut hatte, war den Kopf nach vorne in die Hände zu legen und damit kurzzeitig in völliger Dunkelheit abzutauchen. Nach ein paar weiteren schweigsamen Sekunden war dann ein durchweg verzweifelt klingendes, leises Jammern zu hören. So eine Mischung aus tonlosem Seufzen und trockenem Schluchzen. Vor meinem inneren Auge sah ich meinen Kopf schon am morgigen Tag hier ins Café geliefert werden. Nur den Kopf, versteht sich. Ich rieb mir mehrfach über das Gesicht und war kaum mehr fähig, überhaupt noch einen einzigen, klaren Gedanken zu fassen. Auch dann noch nicht wirklich, als ich die Hände sinken ließ und meine Augen wieder in Sydneys richtete. "Um es kurz zu fassen lieferst du mich also einem psychotischen Killer und einen ehemaligen Mafioso aus und willst mir parallel dazu weiß machen, dass du nicht willst, dass mir was passiert? Ziehst mich hier in deine blöde Sekte mit rein, nachdem ich unmissverständlich gesagt habe, dass ich mit so einer Scheiße nichts zu tun haben möchte und dich nur deswegen danach gefragt habe... schönen Dank auch.", knurrte ich zu ihr rüber, wobei durchweg die leise, unterschwellige Angst herauszuhören war. Ich konnte sie nicht verstecken, wo sie mir doch gerade bis nach oben in den Hals kroch und mir langsam aber sicher auch schon schlecht davon wurde. Trotzdem griff ich jetzt nach dem Festnetztelefon auf meinem Schreibtisch, um einmal sehr tief durchzuatmen und dann meinen Boss anzurufen. Er ging nicht ran, aber ich sprach ihm aufs Band, dass ich heute wegen eines dringenden Notfalls früher Schluss machen musste. Nur für den Fall, dass er herkam und mich dann nicht antraf oder anderweitig versuchen würde mich zu erreichen. Dann würde in keinem Fall Jemand innerhalb der nächsten paar Stunden nach mir suchen und so stand ich schließlich auf, um die beiden Finanzakten auf meinem Schreibtisch zurück in den verschließbaren Schrank zu räumen, damit hier nichts mehr offen herumlag. Vermutlich auch ein bisschen deswegen, weil Bewegung gerade das einzige war, das mich meinen Kopf ein klein wenig sortieren und noch einmal tief durchatmen ließ. Trotzdem fiel es mir extrem schwer daran zu glauben, dass mir nichts passieren würde, solange ich spurte. Wäre es nicht leichter mich einfach nur umzulegen? Vielleicht holten sie mich deswegen hier weg - damit sie mir ungestört die Kehle aufschlitzen und mich irgendwo im Wald verscharren konnten, wo mich keine Menschenseele finden würde. Ich versuchte diesen Gedanken mit einem leichten Kopfschütteln loszuwerden und ging dann langsam zur Tür. "Nach dir... ich muss abschließen.", bat ich die Brünette darum vorauszugehen, damit ich die Tür hinter mir verriegeln konnte. Gesagt, getan - das Büro war trotz geringfügig zitternden Fingern schneller abgeschlossen, als mir eigentlich lieb war und so ging ich nur noch zu Lucia, um ihr für den Rest des Nachmittags die Verantwortung zu übertragen, ehe ich mit rasendem Herzen und rauschendem Blut in Sydneys Beisein aus dem Café trat. Jetzt wäre sicher ein guter Zeitpunkt dafür doch noch gläubig zu werden, wo ich besser jede Hilfe nehmen sollte, die ich kriegen konnte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich konnte überhaupt nicht in Worte fassen, was für ein schlechtes Gewissen ich Samuele gegenüber gerade hatte. Er schien zwar sichtlich aufgelöst zu sein, was ich absolut nachvollziehen konnte, aber alles in allem hatte er die Informationen über seine baldige Entführung entgegen meinen Erwartungen doch ganz gut weggesteckt. War mir nicht über den Schreibtisch an den Hals gesprungen und ein Schlägertyp der italienischen Mafia kam auch nicht plötzlich ins Büro gestiefelt. Schon nach der ersten Reaktion seitens des jungen Mannes, als er ziemlich verzweifelt sein Gesicht hinter den Händen versteckte, war mir klar gewesen, dass er eigentlich nur die Wahrheit gesagt haben konnte. Er keinen Kontakt zu seinen Verwandten hatte, weil er sonst nicht dermaßen emotional reagieren würde. Mir waren nun schon einige Mitglieder der Mafia untergekommen und nicht einer davon hatte sich derart leicht an den Rande des Nervenzusammenbruchs treiben lassen, wie mein Gegenüber. Ich konnte mir also nicht vorstellen, dass er aktiv in irgendwelche Machenschaften seiner Familie involviert war und wenn dem doch so wäre, dann wusste er sicherlich nichts davon. In dem Moment tat mir Samuele gleich doppelt Leid, war doch das letzte, was ich wollte, ihm Angst einzujagen. Aber die hätte ich an seiner Stelle vermutlich auch gehabt, wenn ich zu einem Gespräch mit renommiertesten Auftragsmörder Norwegens eingeladen worden wäre und mir dann noch nicht einmal die Wahl gelassen wurde, ob ich hingehen wollte oder nicht. Da halfen auch all die beruhigenden Worte nichts mehr. Aber es ließe sich jetzt nicht mehr ändern und ich war der festen Überzeugung, dass es besser für uns alle war, wenn wir einfach auf Nummer sicher gingen und solange Sabin und ich der Unterhaltung beiwohnten, konnten wir ja zumindest das Rollen seines Kopfes verhindern oder es zumindest versuchen. Was seine mit Angst untermauerte Aussage anging, konnte ich nur leise seufzen. Ich hatte inzwischen die Beine überkreuzt und meine beiden Hände auf dem oben liegenden Knie ineinander gehakt. Es schien, als sei an genau dieser Stelle wieder das Einfühlungsvermögen der FBI Agentin gefragt, um zumindest zu versuchen, dem jungen Mann einen Teil seiner Angst zu nehmen, denn so schlimm, wie er sich das ausmalte, würde es bestimmt nicht werden. "Ich kann verstehen, dass du Angst hast. Ich war auch schon einmal in genau der gleichen Situation und musste unter Umständen mit Hunter sprechen, die alles andere als schön waren.", ließ ich ihn wissen, dass der Amerikaner auch mich nicht unbedingt mit Samthandschuhen angepackt hatte, als er herausfand, dass ich für den ihn suchenden Staat arbeitete. "Mir hat man jedoch nicht die Wahl gelassen, ob ich lieber gefesselt werden wollte oder nicht, das war dann einfach so.", schilderte ich ihm ferner den Umstand von früher, dass über meinen Kopf einfach so hinweg entschieden worden war und ließ ihn damit indirekt wissen, dass er sich glücklich schätzen konnte, sich selbst den Weg aussuchen zu dürfen, wie er denn lieber entführt werden wollte. "Aber ich sitze heute auch noch hier und kann mit dir reden. So schlimm war das also alles überhaupt nicht. Wir sind auch keine Sekte, vor der du Angst haben musst. Man hört in den Medien zwar immer ziemlich viel Unsinn diesbezüglich, aber eigentlich... versuche ich persönlich zumindest mir hier auf Kuba ein halbwegs normales und legales Leben aufzubauen. Ohne, dass ich meinen Lebensunterhalt mit Nötigungen verdienen muss. Mir gefällt das hier auch nicht und deswegen wäre ich ganz froh, wenn wir das schnell hinter uns bringen könnten. Du brauchst dir wirklich nicht so viele Gedanken machen. Sabin ist entgegen aller Nachrufe ein sehr netter Mensch und Hunter ist... na ja, ein Arschloch, machen wir uns nichts vor. Aber ich werde bei dem Gespräch ebenfalls dabei sein, falls dich das zumindest ein bisschen beruhigt." Glaubte ich zwar eher nicht, denn er zitterte ja jetzt schon wie ein nasser und getretener Hund, aber mehr konnte ich ihm in diesen Moment einfach nicht sagen oder anbieten. Ich geriet fast schon in Panik, als er plötzlich nach dem Hörer des Telefons griff und wollte gerade dazu ansetzen, ihm mitzuteilen, dass er solche Sperenzien zu unterlassen hatte, wenn er mich nicht noch davon überzeugen wollte, dass er doch auf die harte Tour abgeholt werden wollte. Aber es schien, als ließe sich der Angerufene ohnehin nicht erreichen und so informierte Samuele ihn kurzerhand via Bandaufnahme, dass er für den Rest des heutigen Tages weg musste, weil es einen dringenden Notfall gab, der seine Aufmerksamkeit erforderte. Ja, so konnte man das Ganze natürlich auch etwas netter umschreiben... Es dauerte dann allgemein tatsächlich nicht mehr sehr lange, bis ich mit dem Italiener im Schlepptau das Büro und schließlich auch das Café verließ, um unweit des Gebäudes mit ihm um eine Ecke zu biegen. Ich verzichtete dabei ganz bewusst darauf, ihm am Arm festzuhalten oder anderweitig Anstalten zu machen, ihn einzuschränken, weil die Angst in seinem Kopf vermutlich Barriere genug war, um ihn nicht weglaufen zu lassen. Wir nahmen also wenig später gemeinsam in der dunklen Limousine Platz, wobei sich einer von Hunters Schlägern bereits auf die Rückbank verzogen hatte. Für den Fall der Fälle, dass Sam doch noch der Sinn danach stand, Ärger machen zu wollen, sollte er das mit dem Schrank ausdiskutieren und nicht mit mir. Ich hatte nämlich verdammt wenig Lust auf ein blaues Auge oder dergleichen. Deshalb nahm ich auf dem Beifahrersitz Platz, von wo aus ich mich dann noch einmal zu unserem heutigen Gast nach hinten drehte. "Wir werden dir die Augen verbinden müssen, weil du natürlich nicht sehen sollst, wo wir dich hinbringen. Später, wenn alles geklärt ist, lassen wir dich dann hier am Café wieder raus.", informierte ich ihn kurzerhand über das geplante Vorgehen, bevor Eric ihm auch schon besagte Augenbinde anlegte und wir somit starten konnten. Zwar hatte jener Schläger auf der Fahrt in Richtung Wohnheim immer mal wieder ein Auge darauf, dass der Italiener auch nicht versuchte, den Sichtschutz zu verschieben um durch einen kleinen Schlitz vielleicht die ein oder andere Information zu erhaschen, aber auch ich selbst drehte mich ab und an mal zu ihm um. Einfach nur um zu sehen, ob Sam noch lebte oder bereits mit einem Herzinfarkt abgedankt hatte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Wahrscheinlich war absolut egal, was Sydney mir hier zu erzählen versuchte. Egal wie weise und sorgsam die junge Frau ihre Sätzen wählte, konnte mich nichts davon auch nur im Ansatz beruhigen. Da spielte es auch keine Rolle, ob sie schon mal in etwa der gleichen Situation gewesen war, wie ich in diesem Augenblick und meine Angst - die wohl mit jedem Schritt nur noch offensichtlicher wurde - konnte das auch nicht schmälern. War ja schön und gut, dass die Brünette damals lebend aus der Sache herausgekommen war, aber sie hatte ihnen als ehemalige Agentin sicher auch irgendwas bieten können, dass ihnen etwas nützte. Dass der ehemalige Anhänger der italienischen Mafia ganz nett war konnte ich für meinen Teil mir auch einfach nicht vorstellen. Niemand, der irgendwie menschlich ganz in Ordnung war, würde jahrelang einer kriminellen Organisation wie dieser dienen. Zumindest leuchtete mir selbst absolut nicht ein, an welchen Ecken und Enden das bitteschön einen Sinn ergeben sollte. Gut, natürlich stand er jetzt nicht mehr unter der Fuchtel meiner Verwandtschaft, sondern schien sich hier etwas Eigenes, aber vermutlich nicht minder illegales aufzubauen - im Gegensatz zu Sydney, wo ich auch prompt in Frage stellte, ob sie mich diesbezüglich nicht anlog. Schließlich verdiente sich Geld schneller, wenn man keine Steuern zahlte und keine Regeln befolgte, also war es gut möglich, dass sie mir damit einfach nur ein Märchen auftischte. Ich konnte gar nicht mehr klar denken und setzte nur noch stumpf einen Schritt vor den anderen, als wir uns der Limousine näherten. Das Blut rauschte mir in den Ohren und ich nahm mein Umfeld nur noch durch einen Tunnelblick wahr, der mich alles bis auf das Auto komplett ausblenden ließ. Mir wurde die Tür zum Rücksitz bereits von innen aufgemacht und ich schluckte schwer, als ich noch einen letzten Blick zu Sydney warf, ehe ich im Anschluss daran einstieg. Noch immer zitternd die Tür wieder hinter mir zuzog und dann in das grimmige Gesicht neben mir blickte. Losfahren taten wir aber nicht gleich, hörte ich zuerst doch noch ein paar Worte von der jungen Frau auf dem Beifahrersitz und zuckte dann unweigerlich zusammen, als sich mir der Kerl mit seinen Händen näherte. Tja, danach war es dunkel. Ich hörte zwar weiterhin das Motorengeräusch und der Kerl neben mir machte auch ein, zwei neckisch klingende Bemerkungen nach vorne zum Fahrer, die ich aber nicht verstand, aber sonst nahm ich der Angst wegen kaum etwas bewusst war. Wahrscheinlich machte er sich nur auf Norwegisch über mich lustig, weil ich ganz gleich wie sehr ich es versuchte, das leichte Zittern nicht einstellen konnte. Auch nicht, dass ich immer mehr aus Angst zu schwitzen begann. An der Temperatur im Wagen konnte es schließlich nicht liegen, weil offenbar die Klimaanlage lief, es kaum mehr als angenehme 23 Grad hier drin haben konnte. Ich versuchte mir die Fahrt über schon ein paar Eckdaten zur Strecke einzuprägen. Wann wir in welche Richtung abbogen, wie schnell sich die Fahrt anfühlte und ob von draußen irgendwelche Geräusche an meine Ohren drangen, die mir später nützlich sein konnten. Nur war all das prompt wieder wie aus meinem Hirn gefegt, als das Auto zum Stehen kam und wir nach gefühlt drei endlosen Stunden am Zielort ankamen, obwohl es vermutlich nicht einmal dreißig Minuten gewesen waren. Die anderen drei stiegen zuerst aus und als dann die Tür neben mir aufging, pumpte die nächste Stoßwelle Adrenalin durch meinen hochgradig gestressten Körper. Ich war nach wie vor blind, wurde aber vom Rücksitz gezogen - nicht unbedingt sanft, aber es hätte sicherlich auch schmerzhafter ausfallen können - und danach am Arm festgehalten, damit ich in der Spur blieb und in die vorgegebene Richtung ging. Dass ich dabei ein oder zwei Mal stolperte, weil ich mich kein bisschen auf die Schritte konzentrieren konnte und meine Beine inzwischen sicher die Konsistenz von Pudding hatten, ließ den Kerl neben mir leise vor sich hin fluchen, weil er mich dabei natürlich jedes Mal festhalten musste, damit ich keinen Sturz nach vorne hinlegte.
Ich verfolgte dem Wagen bereits durch das Küchenfenster akribisch mit meinen Augen, als er schließlich die Einfahrt entlang rollte, die sich durch nicht mehr als einen rissigen, betonierten und eher schmalen Weg definierte. Sabin stand unweit neben mir und tat es mir gleich. Inzwischen hatte sich meine gestrige Wut zwar weitgehend gelegt, aber ich brauchte wohl kaum zu erwähnen, dass ich nach wie vor hochgradig angepisst davon war, dass Sydney uns diese Scheiße hier überhaupt eingebrockt und damit gleich den ersten Stolperstein auf unseren Weg in ein neues Leben gelegt hatte. Es war einfach so eine Sache, die wir absolut nicht gebrauchen konnten. Die ansonsten so friedlichen Kubaner dürften kaum über uns Bescheid wissen, aber mit diesem Samuele war das leider anders. Er besaß unheilvolle italienische Wurzeln und sich dabei auf das bestehende Risiko einzulassen kam absolut nicht in Frage. Es wäre auch schlichtweg am einfachsten den Typen hier und heute kalt zu machen und die Sache damit aus dem Weg zu räumen. Ganz eindeutig lag es auch nicht an Sydneys Bitte, dass ich das nicht in die Tat umsetzte, sondern lediglich daran, dass Sabin die Überlegung ins Spiel gebracht hatte, dass er uns womöglich von Nutzen sein konnte. Dass er hier schon ein paar Jahre leben musste und demnach womöglich die besten Mittel und Wege dazu kannte, uns hier ideal auszubreiten, ohne dabei auf Komplikationen zu stoßen. Noch immer knirschte ich gedanklich mit den Zähnen über diese ganze Sache, sah aber mittlerweile auch die eine oder andere profitable Gelegenheit darin. Blieb für den Burschen zu hoffen, dass er mir nicht auf den Sack ging und ich es mir deshalb anders überlegte. Mein Geduldsfaden ihm gegenüber war keinen Millimeter zu lang, weil er einfach zu viel über uns zu wissen schien, als gut für uns sein konnte. Als die Jungs, sowie auch Sydney letztlich mit ihm ausstiegen ging ich vom Küchenfenster weg und zur Tür, während Sabin selbst sich schon auf den Weg nach unten in den Keller machte. Ich machte ihnen von innen die Haustür auf und nahm Eric mit einem direkten Blick die Zielperson ab. Von meiner Gefolgschaft war Niemand mit in die Sache involviert, Ashton ausgenommen. Der war aber auch nicht an der Verhandlung an sich beteiligt, sondern würde lediglich abseits an der Wand lehnen und sich die Sache in Ruhe mit ansehen, damit er voll im Bild war und zukünftig entsprechend handeln konnte, wenn ich ihn mit Aufgaben bezüglich des Italieners betrauen würde. Das erste, was mir persönlich auffiel, als ich den jungen Mann dann am Arm festhielt, war seine nicht besonders respekteinflößende Statur. Er war zwar kein Strich in der Landschaft, hatte sicherlich hier und und da ein paar Muskeln, war aber an die zehn Zentimeter kleiner als ich und gefühlt auch lediglich halb so breit wie ich gebaut. Nur sagte die Optik allein absolut nichts über das aus, was in seinem Schädel vor sich ging, also brachte ich ihn mit den forschen Worten "Stufen, brich dir kein Bein.", an die Kellertreppe. Nicht, ohne Sydney davor noch einmal einen hochgradig giftigen Blick zugeworfen zu haben, versteht sich, aber zumindest jetzt gerade war sie noch nicht meine Priorität. Also stützte ich Samuele auf dem Weg nach unten und bewahrte ihn vor dem Fall, weil er mehrfach die Stufen verfehlte und dementsprechend war ich froh, als wir endlich unten ankamen und ich ihn loswerden konnte. Ich setzte ihn auf den einsamen Stuhl gegenüber Sabin an den Tisch und riss ihm unsanft die Augenbinde vom Kopf, woraufhin der junge Mann erst einmal gegen die vom grellen Deckenstrahler fabrizierte Helligkeit anblinzelte. Fenster gab es in diesem ansonsten vollkommen leeren Raum auch keine und so ließ ich mich gegenüber dem jungen Mann unweit von Sabin auf einem Stuhl nieder. "Ich denke eine offizielle Vorstellungsrunde ist ziemlich überflüssig, also sag uns doch am besten zuerst, wie viel zu viel du wirklich weißt.", forderte ich den Italiener dazu auf, mit der Sprache heraus zu rücken und er starrte daraufhin sicher zehn Sekunden lang perplex zwischen Sabin und mir hin und her, während er einmal tief schluckte und gefühlte Schnappatmung praktizierte, stetig begleitet von einem sichtbaren Zittern seines gesamten Körpers. "Das war keine Bitte..!", knurrte ich zu ihm rüber und dann ging das wirre, unkoordinierte, aber zumindest recht informative Gestammel nach einem Zucken seinerseits los.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es war augenscheinlich ziemlich egal, auf welchem Weg ich versuchte, Samuele einen Teil seiner Angst zu nehmen - er zitterte trotzdem und schien sich kein bisschen entspannen zu können. Verübeln und ihm einen Vorwurf daraus machen konnte ich ihm nicht, würde es mir an seiner Stelle doch nicht anders gehen, wenn man mich plötzlich zu wildfremden Menschen, von denen bekannt war, dass sie schon die ein oder anderen Menschenleben auf dem Gewissen hatten, verschleppte. Da würden auch meine Nerven ordentlich blank liegen und sich nicht durch ein paar lieb und noch so ernst gemeinte Worte beruhigen lassen. Aber das war eben alles, was ich ihm hatte anbieten können und somit schwieg ich schließlich den Rest der Fahrt über, die mit dem Auto im Prinzip genau so lange dauerte, wie wenn wir mit dem Bus gefahren wären. Logisch, denn die Strecke war schließlich gleich, fuhr der Bus doch auch die Hauptstraße entlang, ohne jedes Gässchen rechts und links einzeln abzuklappern. Es brauchte uns daher wie gewohnt etwa zwanzig Minuten, bis der Wagen vor der äußerlich noch immer ziemlich heruntergekommenen Bruchbude zum Stehen kam und wir ausstiegen. Sam wurde als letztes aus dem Auto gezerrt - etwas unsanft, wie mir schien, weshalb ich ein "Bisschen vorsichtiger bitte, ja?", in Erics Richtung blökte. Die ihm ins Gesicht geschriebene Überraschung darüber, dass ich meine Stimme gegen ihn erhoben hatte, schien Eric im ersten Moment dieser Anweisung tatsächlich nachkommen zu lassen, ohne dass Hunter ihn ansatzweise darum gebeten hatte, nach meiner Pfeife zu tanzen. Aber dem Italiener, der nur mehr schlecht als recht die Einfahrt entlang stolperte, ging es ohnehin schon nicht besonders gut und er würde unter Hunters Stimme gleich noch genug zittern, da musste man ihn nicht auch noch auf dem Weg ins Kellergewölbe drangsalieren. Im Inneren des Hauses angekommen, schien der hitzköpfige Amerikaner bereits auf uns zu warten und nahm seinem Handlanger Samuele kurzerhand ab, um ihn persönlich die letzten paar Meter inklusive der Treppenstufen in das Untergeschoss zu geleiten. Dass Hunter mir über die Schulter hinweg noch einen sichtlich angepissten Blick zuwarf, tat ich lediglich mit einem Augenrollen ab. Er übertrieb maßlos, aber das musste ich sicherlich für niemanden der hier Anwesenden noch einmal wörtlich feststellen, weil das ganz allgemein bekannt sein durfte. Jedenfalls folgte ich den Männern in den moderig riechenden Keller, wo Sabin bereits an einem Tisch sitzend auf unseren Gast gewartet zu haben schien. Ich warf ihm nur einen kurzen, flüchtigen Blick zu, ehe ich mich nahe Ashton an der Wand postierte. Ohne mich aus Bequemlichkeit dagegen zu lehnen, weil ich keine besonders große Lust verspürte, mich hinterher von etlichen Spinnweben und Schimmelsporen befreien zu müssen. Mit vor der Brust verschränkten Armen hielt ich mich also im Hintergrund, als Hunter Samuele kurzerhand die Augenbinde vom Kopf riss und quasi im selben Atemzug anfing, Informationen aus ihm herausquetschen zu wollen. Binnen der ersten paar Minuten hätte ich mir bereits mehrfach mit der flachen Hand vor die Stirn schlagen können, weil ich das Verhalten meines ehemaligen Klassenkameraden als einfach unter aller Sau empfand. Sollte er den armen Kerl doch erst mal Luft holen und sich sortieren lassen, mein Gott. Ich hielt mich jedoch ganz bewusst damit zurück, ihm ins Gespräch zu grätschen, denn auch wenn Sabin mir mehr oder weniger versprochen hatte, sich im Fall der Fälle zwischen mich und Hunter zu stellen, musste ich das Schicksal trotzdem nicht herausfordern. Es gab auch Tage, da war Sabin nicht in meiner Nähe und wenn ich heute mein Todesurteil unterschreiben würde, indem ich dem Amerikaner ins Wort fiel und ihn in die Schranken wies, dann konnte ich mir sehr sicher sein, dass mein Kopf früher oder später rollen würde.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Der Weg in das Haus und dann nach unten in die Treppe verlief weiterhin beschwerlich und die Übelkeit wurde auch nicht gerade weniger bei all der innerlichen Aufregung. Ich war demnach an sich eigentlich froh darüber, dass ich zeitnah wieder sitzen durfte. Nur war das gleisend helle Licht im ersten Moment wahnsinnig unangenehm für meine Augen und so brauchte ich erst einmal ein paar Sekunden, um überhaupt wieder etwas erkennen zu können. Danach blickte ich zwischen den mir von Fotos bekannten Gesichtern hin und her und vermutlich sah ich in etwa so aus, als hätte ich gerade einen Geist gesehen. Kreidebleich, noch immer am Zittern und kein bisschen gefasst. Mein Blick schwenkte dann einmal ganz kurz zu den anderen beiden im Raum anwesenden Personen - Sydney und irgendein Kerl, den ich bisher noch nie gesehen hatte. Dann aber richtete Hunter sein Wort wieder an mich und meine Augen fanden unwillkürlich erneut die seinen, die mir in diesem Augenblick nur noch mehr Angst einjagten. Sie waren einfach so unfassbar kalt und unnachgiebig, dass mir prompt der nächste Schauer über den inzwischen sicher schon nassgeschwitzten Rücken lief. Ich brauchte eine ganze Weile lang um seine Worte zu sortieren - offenbar zu lang, denn sinnbildlich folgte kurz darauf schon die geschwungene Peitsche. "Ich... eigentlich nur das, was... man im Internet über euch finden kann. Ich hab die... Flucht von Sabin aus Neugier ein bisschen verfolgt und deswegen kam mir Sydneys Gesicht auf der Bewerbung bekannt vor... und dich hat das dann irgendwann auch mit einbezogen... weil du ja in Oslo an der Fehde beteiligt warst. Dann hab ich... weiter gesucht und ein paar Artikel über deine... Handlungen in den USA gelesen... und was aus Norwegen alles an die Öffentlichkeit gekommen ist, hab ich auch angeklickt... aber sonst weiß ich gar nichts... nichts, was man nicht im Internet finden kann, meine ich. Ich hab... Sydney dass wirklich nur gefragt, weil ich nicht will, dass die... Mafia mich hier findet.", redete ich stockend vor mich hin, konnte meinen Kopf einfach nicht recht sortieren und endete deshalb mit diesen sehr wirr zusammengewürfelten Aussagen. Sabin enthielt sich der ganzen Sache noch gänzlich, musterte mich lediglich mit ruhigem Blick und überließ wohl weiterhin dem Amerikaner das Zepter. Ich glaubte zu wissen, dass es mir andersherum doch wirklich lieber gewesen wäre, denn entgegen meiner Erwartung wirkte mein Landsmann doch wirklich wesentlich entspannter als der chronisch einschüchternd guckende Kerl nebenan. Er durchbohrte mich weiterhin unnachgiebig mit seinem Blick, forderte mich dann dazu auf mein Handy rauszurücken und zu entsperren. Das bekam ich nur leider nicht so recht hin. Ich holte es zwar mit zitternden Fingern aus der linken Hosentasche, ließ es dann aber fallen und zuckte dabei selbst ein weiteres Mal zusammen. Daraufhin schickte Hunter seinen Handlanger dazu an, das Telefon aufzuheben und gleich im Anschluss daran meinen Körper nach etwaigen Abhörgeräten abzutasten. Kam ihm wohl etwas spät, der Gedanke, aber er schien damit sichergehen zu wollen. Natürlich fand der Kerl nichts dergleichen unter meinen Klamotten, auch sonst keine Taschenmesser oder andere Waffen. Als ich quasi durchgecheckt war entsperrte ich dann - ich brauchte alle drei Versuche - das Handy und schob es langsam zu meinem Gegenüber auf die andere Seite des Tisches. Sabin war damit an der Reihe sich sämtliche Kontakte und Co. zu besehen, bestätigt nach etwas mehr als zwei Minuten aber mit den Worten "Abgesehen von seinen Eltern sind da keine Italiener zu finden, so weit ich das sehen kann. Sind aber insgesamt 34 gespeicherte Nummern.", äußerte er sich dazu und daraufhin griff Hunter zu dem einsamen Block inklusive Stift an der seitlichen Tischkante, um mir beides direkt vor die Nase zu schieben. "Du wirst mir jetzt alle der Nummern mit Namen aufschreiben und eine Adresse, sowie eine oberflächliche Personenbeschreibung noch dazu. Wenn du erstere nicht weißt frag nach.", forderte der Amerikaner mich dazu auf, ihm sämtliche meiner Kontakte aufzulisten und sie auch noch mit zusätzlichen Informationen lokalisierbar zu machen. Dementsprechend entgeistert sah ich ihn jetzt auch wieder an. "Ist nur eine Absicherung. Wenn du keine Scheiße baust passiert auch Niemandem was. Dass ich das als Sicherheit brauche verstehst du sicher.", gab er mir noch ein paar mehr Worte mit auf den Weg und äußerte damit die indirekte Androhung sich an Freunden oder gar meinen Eltern zu vergehen, wenn ich Irgendwas tat, dass in seinen Augen nicht in Ordnung war. Ich schaffte es nicht mehr als ein Nicken darauf zu erwidern. Zögerte noch einen Augenblick, richtete mich dann aber etwas mehr auf, um die Kontakte vom Handy, das Sabin mir zur lückenfreien Übertragung wieder rüber schob, auf das Blatt Papier zu überschreiben.
Es schmeckte mir natürlich kein bisschen, dass der junge Mann scheinbar alles, was er im Internet über uns drei ausfindig gemacht hatte, wie mit Löffeln gefressen hatte. Natürlich wusste er damit im Grunde nicht mehr, als auch jeder Andere über uns herausfinden konnte, der genug Zeit und Muße dafür besaß etliche Stunden seines Lebens in die Recherche zu investieren, aber es war trotzdem beschissen. Wir waren nach Kuba gekommen, weil uns hier Niemand kennen sollte und nicht, damit irgendein naiver Idiot uns am Ende aus Angst an die Bullen verriet. Deshalb brauchte ich auch diese Absicherung. Wenn er wirklich nur deshalb bei der Brünetten nachgehakt hatte, weil er nicht wollte, dass ihm oder seinen Mitmenschen etwas passierte, dann konnte er das ganz einfach weiterhin damit umgehen, nach meiner Pfeife zu tanzen, solange und wie ich das wollte. Wenn nicht glaubte halt irgendwer aus seinem Umfeld dran, das ging dann auf seine Kappe. Extra nach Italien fliegen, wo seine Eltern scheinbar weiterhin hausten - war zumindest der Adresse auf dem Blatt zu entnehmen, als jene an der Reihe waren -, würde ich dafür wohl eher nicht, aber es gab scheinbar auch hier in Kuba auf zwei Städte verteilt einige Leute, die mit denen er etwas am Hut hatte. Er brauchte natürlich eine ganze Weile dazu den ganzen Mist zu notieren, aber ich hatte es dahingehend nicht eilig. Wenn er bis heute Nacht in diesem Keller saß und noch vor sich hin kritzelte war das mehr sein Problem als meins. Ich nutzte die Zwischenzeit dazu mich mit Sabin auszutauschen. Auf Norwegisch, damit Samuele im besten Fall nichts davon verstand. Wir wechselten ein paar Worte darüber, was wir sonst noch erfragen wollten und als der Kerl auf der anderen Seite des Tisches dann offenbar mit schreiben fertig war schob er die Liste mit den kleinlauten, leicht kratzigen Worten "Geht das so?", wieder zu mir rüber. Ich musterte die Schrift akribisch, aber soweit ich das sehen konnte fehlte nichts und so nickte ich die ganze Sache für mich leicht ab. "Ja, ist ausreichend.", bestätigte ich ihm erst einmal, dass das so passte und locker reichte, um etwaige Personen dingfest machen zu können. "Wie lang bist du schon auf Kuba?", hakte ich nach. "Seit ich 18 bin, also... 5 Jahre ungefähr.", folgte dieses Mal ein wenig schneller eine Antwort seinerseits. "Dann wirst du doch sicher wissen, wie man hier am ehesten Transportwege ins Ausland findet, ohne dass einem der Zoll Striche durch die Rechnung macht?", folgte prompt meine nächste Frage an ihn. Daraufhin folgte erst einmal ein kurzzeitiges Schweigen seinerseits und der Dunkelhaarige sah nachdenklich auf die Tischplatte hinunter. Ich ließ ihm auch nur deshalb ein wenig Zeit mit dem Antworten, weil er bisher brav gespurt hatte und keine Widerworte gab. "Ich weiß nicht... es gibt bestimmt ein paar Leute am Hafen, die sich... eher schmieren lassen als andere... ich bin selbst im Vertrieb, also kenn ich ein paar dort...", redete er wiederholt ein wenig wirr vor sich hin und merkte wohl noch im gleichen Moment, dass er damit womöglich zu viel gesagt hatte, weil ihm der Mund offen stehenblieb. Auf meinen eigenen Lippen hingegen zeichnete sich langsam aber sicher ein erfreutes Grinsen ab. "Was verschickst du denn, Samuele?", folgte dementsprechend meine nächste Frage. "Nein, ich... mir gehört das nicht, ich kümmere mich nur darum, dass... es verschickt wird.", versuchte er mich aus dieser Einbahnstraße rückwärts wieder herauszuschieben, mich abzuwimmeln. "Das war nicht meine Frage.", zog ich mit ein paar wenigen Worten sofort die Handbremse an. Er schluckte wiederholt, sah dann erneut auf den Tisch nach unten. "Geröstete Kaffeebohnen... und gemahlenen Kaffee...", offenbarte er mir dann, was ich wissen wollte und entlockte mir damit ein durchweg angetanes, zufriedenes Seufzen. "Du bist eine Goldgrube, Sammyboy.", lachte ich leise in mich hinein, woraufhin mein Blick Sabins' wiederfand. "Schätze das könnte funktionieren, je nachdem wie sie den Kaffee verpacken.", klinkte er sich dahingehend dann das erste mal für den zweiten Italiener verständlich mit ein und nickte leicht. Musik in meinen Ohren. Dann brauchten wir für den Transport der Drogen zumindest in den ersten Teilabschnitten keine unzähligen Münzen investieren und konnten uns damit langfristig einen riesigen Teil an Kosten sparen. Sabin zahlte mir die Schulden schneller zurück und wurde selbst wieder früher flüssig, also könnte es wohl kaum besser laufen - für uns zumindest. "Okay, der Deal ist demnach folgender: Du wirst beim Export unsere Ware mit durchschleusen und im Gegenzug lass' ich dich am Leben. Eine Win-Win-Situation, wenn du mich fragst. Wir schauen uns in den nächsten Tagen mal an, wie du das abwickelst und wenn das alles so funktionieren kann, wie wir uns das vorstellen, bist du aus der Sache ganz fein raus.", legte ich Samuele aus, was in der Zukunft auf ihn zukam. Stellte es als Tatsache in den Raum, weil es dabei ganz einfach keinen Spielraum für Diskussionen gab. Er tat es oder sein Kopf rollte. Vielleicht zuerst der von jemand Anderem, um ihn damit psychisch noch einmal unter Druck zu setzen und ihm eine letzte Chance zu geben, meine Forderungen zu erfüllen, aber danach würde er selbst dran glauben müssen. "Gibt es nicht... irgendeinen anderen Weg? Ihr habt mich doch... mit dem Zettel jetzt schon in der Hand, warum...", setzte er zu einem Versuch an mir die Sache wieder auszureden, was mich lediglich schnauben ließ. "Dann hab ich nichts davon, dass ich dich nicht kalt mache. Wenn ich die Liste abarbeiten soll und du lieber sterben willst, dann steht dir das natürlich auch frei und du musst es nur sagen, aber ansonsten ist das hier gerade deine einzige Option.", machte ich ihm unmissverständlich klar, dass er sich dem Ganzen einfach zu fügen hatte, wenn es keine Konsequenzen geben sollte. Wieder schluckte er hörbar, bekam glasige Augen, schloss die Lider und senkte den Kopf erneut in Richtung Tisch. "In Ordnung.", war also final dann doch alles, was der Italiener dazu noch zu sagen hatte und im direkten Anschluss zog er die Nase hoch. "Gut, dann war's das für mich.", sagte ich und stand im Anschluss vom Stuhl auf. "Falls du noch irgendwelche Fragen an ihn hast gehört er jetzt ganz dir, Sabin.", verabschiedete ich mich auch von meinem Mitstreiter indirekt und unterstrich meine Worte noch mit einer Handbewegung. Ging darauffolgend am Tisch vorbei zu unserem Häufchen Elend und klopfte ihm im Vorbeigehen beiläufig die Schulter, was ihn nur ein weiteres Mal zusammenzucken ließ. Für mich war es das hier jetzt gewesen, ich hatte alles was ich wollte. Also schlug ich den Weg nach draußen ein. Der Tag hatte eine überraschend angenehme, gute Wendung genommen und meine Laune schwungvoll nach oben getrieben.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Tja und das war es dann auch schon wieder gewesen. Alle lebten - niemand war verletzt. Hätte in meinen Augen fast nicht besser laufen können - na ja, außer, was Hunters Zukunftspläne für Sam angingen natürlich. Ich sah dem Amerikaner noch einen Augenblick lang nach, wie er aus dem Keller wieder ans Tageslicht stieg, dann gab ich mir einen Ruck und nahm auf dem frei gewordenen Stuhl neben Sabin am Tisch platz. Samuele sah aus, als hätte man ihn gerade durch den Fleischwolf gedreht und mich überkam das dringende Bedürfnis, ihn einfach nur in den Arm zu nehmen. Wir kannten uns nicht besonders gut oder gar, aber das änderte absolut nichts daran, dass ich sehr gut nachvollziehen konnte, wie er sich gerade fühlte. Schließlich hatte ich das selbe Prozedere durchlaufen und dabei den Job und meine Familie verloren - mich hatte damals niemand umarmt, obwohl mir das sicher geholfen hätte. Die Tatsache, dass er weiterhin seinem Job nachgehen konnte, wenn alles reibungslos ablief, beschönigte den Umstand, dass ich ihn ja jetzt doch irgendwie mit in die kriminelle Scheiße hineingezogen hatte zwar keinesfalls, aber es beruhigte mein eigenes Gewissen zumindest ein bisschen. Außerdem - und das würde ich so wohl niemals offen aussprechen - war er ja irgendwie auch selber Schuld an der Geschichte. Wieso war er denn bitte auf die glorreiche Idee gekommen, mich trotz der Tatsache, dass er ja ganz offensichtlich wusste, wer sich hinter dem Pseudonym Elena Carter verbarg, in sein Café einzuladen, um dann auch noch Fragen zu stellen, bei denen ihm klar gewesen sein musste, dass ich sie entweder potenziell anders hätte beantworten können oder eben diejenigen, die sich mit mir auf der Insel aufhielten über sein Wissen informierte, wie ich es letztlich getan hatte? Was hatte er sich dadurch erhofft? Wenn die Mafia uns bis nach Kuba gefolgt wäre, was hätte er dann gemacht? In meinen Augen wäre ihm eine ganze Menge Übel erspart geblieben, wenn er die Bewerbungsunterlagen zurück geschickt hätte mit der Aussage, dass ich ganz einfach nicht zum Team passte. Dadurch wäre nichts von alledem hier passiert. Weder würde er hier sitzen und sich vor Angst beinahe einnässen, noch hätte ich ein schlechtes Gewissen, ihn als offensichtlich Unbeteiligten mit in diesen kriminellen Teufelskreis hinein gezogen zu haben. Aber der Drops war gelutscht, jetzt gab es - ganz abgesehen vom Freitod - keine gangbare Alternative, Hunters Klauen zu entkommen und damit sollte er sich besser zeitnah abfinden und darüber stehen. Ansonsten hing er noch für den Rest seines Lebens wie ein Schluck Wasser in der Kurve und das brachte ihn auf kurz oder lang nicht mehr, als eine zerfressende Psyche. Aber wie brachte man das jemanden bei, der sein ganzes Leben leben lang nicht mehr als ein Kaugummi im Supermarkt hatte mitgehen lassen? Ich seufzte, wusste nicht so recht, wie ich das Ganze jetzt beurteilen sollte und sah fast schon resigniert zwischen Sabin und Samuele hin und her. "Na, das lief doch... okay, würde ich sagen.", setzte ich vorsichtig dazu an, wieder ein bisschen Leben in den jungen Mann mir gegenüber zu bringen. Brachte natürlich nicht besonders viel und das war mir auch klar, aber irgendwo musste ich ja schließlich anfangen. "Ich weiß, dass das alles nicht gerade... optimal ist, aber sieh' es mal so... du arbeitest dann immerhin nicht mit Hunter direkt zusammen, sondern mit Sabin und in meinen Augen ist er deutlich umgänglicher. Und Richard erst! Eine ganz liebe Seele. Ich möchte mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen und sagen, dass ihr sicherlich viel Spaß zusammen haben werdet, aber es wird das ganz sicher alles irgendwie... angenehmer gestalten.", versuchte ich zu retten, was noch zu retten war. Wohl vergebens, was mir auffiel, als ich mich selbst reden hörte. Ich versuchte Sam gerade eine Sache schön zu reden, mit der er gar nichts zutun haben wollte - und ich eigentlich auch nicht. Die ihn seine Existenz und seine Freunde und Verwandten gleich mit kosten konnte, wenn etwas schief ging, aber ich wollte das Ganze auch nicht unkommentiert stehen lassen, weil die kurzzeitige Stille - mal ganz abgesehen vom leisen Schniefen des Italieners -, nach Hunters Abgang irgendwie reichlich unangenehm war. Vielleicht konnte mir Sabin ja unter die Arme greifen, jetzt, wo er wusste, woran er an Samuele war, könnte er ihn doch auch ein wenig beruhigen, oder? Es zumindest versuchen... bitte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es lief okay... okay?! Gar nichts war hier okay und Sydneys Worte drangen nur ziemlich stumpf an meine Ohren, weil gerade durch den ganzen Stress ein Tinnitus einzusetzen begann, der mir gefühlt das Trommelfell zerschellen ließ. Ich verzog das Gesicht und versuchte verzweifelt meinen Schädel wieder zu sortieren, während die Brünette weiter vor sich hin redete. Ich tat mir schwer damit ihr überhaupt noch mental zu folgen und ließ auch die Augen noch geschlossen, als ich den Kopf anhob um ihn stattdessen nach hinten in den Nacken kippen zu lassen. Das war zumindest ein bisschen angenehmer und ich hatte das Gefühl, dass das Licht an der Decke ein bisschen dazu beitrug, wieder halbwegs klare Gedanken fassen zu können. Ich war offenbar auf dem besten Weg dazu Hunter - oder viel mehr Sabin dem Anschein nach - bei irgendwelchen kriminellen Geschäften unter die Arme zu greifen. Sollte irgendwelche Ware für sie schmuggeln, bei der es sich sehr wahrscheinlich entweder um Diebesgut oder Drogen handelte. Zumindest war das meine erste Intention. Allerdings war mir schleierhaft, wie ich geklaute Gegenstände in meinem Kaffee unterbringen sollte - und was man hier auf Kuba außer Zigarren überhaupt klauen sollte, war das Land doch eher arm -, also war die andere Option wohl weitaus wahrscheinlicher. Wie sollte ich das denn anstellen, ohne dass mein Chef irgendwas davon mitbekam? Ich wollte seinen Kopf nicht auch noch rollen sehen, nur weil vielleicht Irgendetwas schief ging. Ich kannte mich doch mit dem ganzen Mist kein Stück aus und wollte das auch gar nicht. Ich wollte weder Sabin, noch Hunter bei dem Mist behilflich sein. Wollte mit diesem ganzen illegalen Scheiß nicht mal ein bisschen was zu tun haben. "Okay? Gar nichts ist okay.", wiederholte ich meinen vorherigen Gedanken noch einmal für die beiden, die mir gegenüber saßen. Atmete dann einige Atemzüge lang tief durch, bevor ich den Kopf wieder gerade richtete und die Augen langsam öffnete. "Ist ja schön, dass das für euch alles irgendwie normal ist, aber für mich bricht hier gerade... einfach alles zusammen. Ich muss Leute hintergehen, die mir jahrelang vertraut haben... denen ich viel zu verdanken habe... wie kann sowas für euch okay sein?", faselte ich noch immer hörbar aufgelöst und eher leise vor mich hin. Ich verstand das einfach nicht, würde es wohl nie verstehen. Wie konnte für Jemanden in Ordnung sein, dass unschuldige Leute betrogen und schamlos ausgenutzt wurden? Würde wohl nie in meinen Kopf reingehen. Den Kerl an der Wand schien ich mit meinen Worten sichtlich zu amüsieren, wo er doch leise in sich hinein zu lachen begann. "Was muss ich überhaupt schmuggeln?", fragte ich nach, nur um mich mental darauf vorbereiten zu können und sah dann von Sydney weg zu Sabin. Falls das überhaupt irgendwie im Bereich des Möglichen war, bisher glaubte ich noch nicht recht daran alsbald wieder geradeaus denken zu können.
Na ging doch. Keiner hatte den Löffel abgeben müssen und der Ausgang dieses Gesprächs war auch für mich ziemlich zufriedenstellend. Denn sollte das Alles so hinhauen, wie sich das bisher anhörte, dann war das die vermutlich absolut profitabelste Lösung dafür unsere Drogen auch ins Ausland zu kriegen. Bis dahin würde zwar sicher noch ein wenig Zeit vergehen, aber früher oder später war es soweit und wenn sich dabei ein großer Teil der Transportkosten einsparen ließ, war das nahezu perfekt. Für mich zumindest - sah Samuele natürlich anders und ich konnte es ihm nicht verübeln. So, wie er hier auf mich wirkte, hatte er einfach nur in Frieden ein gutes Leben hier auf Kuba führen wollen, nachdem er Italien verlassen und damit der Mafia endgültig Adieu gesagt hatte. Er war zumindest dem Anschein nach ein guter Mensch, der bis hierhin noch nie in Kontakt mit Kriminellen gestanden hatte, was seine Reaktion auf die kleine Entführung sehr deutlich machte. Er war absolut am Ende mit seinen Nerven und gefühlt konnte ich den Angstschweiß bis über den Tisch hinweg riechen. Aber so ungern er das jetzt sicher hören wollte war er an dieser Situation selbst Schuld. "Gib nicht uns die Schuld daran, dass du zu neugierig warst. Hättest du nicht gefragt würdest du hier auch nicht sitzen, weil keiner hier eine Ahnung davon gehabt hätte, dass du uns kennst. Jeder von uns trifft mal mehr und mal weniger sinnvolle Entscheidungen, mit den Konsequenzen muss man dann eben zurechtkommen. Egal wie scheiße sie sind.", redete ich ruhig vor mich hin, schlug dabei nicht ansatzweise so einen forschen Ton an wie Hunter. Im Gegensatz zu letzterem hatte ich Verständnis für den Nervenzusammenbruch des jungen Mannes, dessen Leben sicher gerade vor seinem inneren Auge vorbeigezogen war. "Du erfährst worum genau es geht, wenn es so weit ist.", ließ ich den jungen Mann weiterhin darüber im unklaren, was genau mit dem Kaffee über die Landesgrenzen kommen sollte. "Es ist sicher schwer für dich, das Ganze erst einmal zu verarbeiten... aber es dauert sicher auch noch ein ein oder zwei Wochen, bis ich mir anschauen werde, wie genau das dann ablaufen wird. Solange kannst du erstmal durchatmen und normal weitermachen, dich langsam an den Gedanken gewöhnen.", versicherte ich dem Dunkelhaarigen, dass er erst einmal ein paar Tage Zeit haben würde, um wieder etwas zur Ruhe zu kommen. Dass er nicht sofort aufspringen und etwas für mich erledigen gehen musste, sondern sich in aller Ruhe sammeln und einige Nächte darüber schlafen konnte. Falls er schlief, versteht sich. Womöglich sollte er sich erst einmal ein paar Tage von der Arbeit frei nehmen. Es sei denn er bekam den Kopf besser frei, wenn er bei der Arbeit blieb, aber das konnte er selbst sicher am besten einschätzen. "Solange du dich gut anstellst und keine Probleme machst, bin ich wirklich ein angenehmer und auch fairer Chef... ein Mitgrund dafür, warum ich damals Kehrt gemacht und Italien verlassen habe. Ich bin nicht der Typ dafür meine Untergebenen ständig anzuschreien oder sinnlos Köpfe abzuschlagen. Sei loyal und mach deine Arbeit, dann passiert dir auch nichts... und ich weiß, dass Geld keine Wunden heilt, aber es macht sie erträglicher. Sobald meine eigenen Wunden geleckt sind", ich wollte es jetzt nicht namentlich Schulden bei Hunter nennen. "und du die Sache einwandfrei durchziehst bin ich gerne dazu bereit dir einen kleinen Teil des Geldes zukommen zu lassen, das du uns durch den Transport einsparst. Du hast also zumindest etwas mehr als nur dein Leben von der Geschichte.", versuchte ich Samuele ein wenig zu beruhigen und ihm zu schildern, dass er unter meinem Kommando stehend eigentlich eine sehr angenehme Zusammenarbeit zu erwarten hatte, solange er sich an die Regeln hielt und uns nicht in Schwierigkeiten brachte. Wie du mir, so ich dir - ganz einfaches Prinzip. Er schien sich aber weiterhin schwer mit all den äußeren Einflüssen zu tun und schüttelte nur überfordert mit dem Kopf, als er sein Gesicht erneut in seinen Händen vergrub. Deshalb wanderte mein Blick zu Ashton. "Bringst du ihn weg?", fragte ich ihn gerade heraus, woraufhin er nickte. Er stand aber sicherlich nicht nur deswegen noch hier, sondern auch, weil er für Hunter weiter ein Ohr offen haben sollte. Ein Mitgrund mehr dafür nichts zu sagen, was nicht für die Ohren seines Chefs bestimmt war.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Samuele konnte wohl von Glück reden, dass Sabin meine unausgesprochene Bitte zur Kenntnis genommen hatte und erstmals das Wort an seinen Landsmann richtete. Mir reichte es langsam nämlich doch ein bisschen mit diesem Gejammer. Zwar war ich ein ausgesprochen geduldiger Mensch mit recht langer Lunte, aber ich hatte trotzdem keine besonders große Lust, immer und immer wieder die selbe Scheiße zu wiederholen, obwohl es ganz offensichtlich nichts brachte. War einfach verschenkte Zeit und Kraft, die ich momentan an anderen Ecken sehr viel sinnvoller einsetzen konnte. Wir hatten mittlerweile alle verstanden, dass das in seinen Augen alles ganz furchtbar und unfair war, seine Welt dadurch zusammen brach, aber das war nun mal das Lehrgeld, was er für seine Neugier zahlen musste. Und weil ich, wenn mich etwas akut nervte, gut und gerne auch etwas schroffer werden konnte - natürlich weitaus weniger, als Hunter -, war ich Sabin sehr dankbar dafür, dass er das Ganze doch weitaus freundlicher verpackte, als ich es in diesem Moment gekonnt hätte. Zwar tat mir Sam nach wie vor Leid und er sollte sich auch ruhig die Zeit nehmen, den Verlust seiner heilen Welt zu verarbeiten, aber wenn ich ihm einen Tipp geben durfte, dann sollte er bereits jetzt schon damit anfangen, die Scherben aufzusammeln, bevor er den Überblick über seinen ganz persönlichen Trümmerhaufen verlor. Am Ende, wenn man vor Millionen Einzelteilen stand, wusste man nämlich noch sehr viel weniger, wohin mit sich und dann wurde es langsam gefährlich. Alles in allem konnte ich Sabins Worte durchweg mit einem Nicken begleiten, während ich mich im Hintergrund hielt. Zumal es ab eine gewissen Punkt dann um geschäftliche Aspekte ging und da war ich sowieso raus. Ich wusste zwar, womit sich der Italiener sein Geld verdiente, aber die Einzelheiten hatten mich weder interessiert, noch gingen sie mich etwas an. Ich hatte ab dem Punkt also auf Durchzug geschalten und war erst wieder hellhörig geworden, als es schließlich um die scheinbare Verabschiedung unseres Gastes gehen sollte. Ashton hatte sich auf die Worte Sabins hin bereits von der Wand abgestoßen und war auf uns zukommen, was ich zum Anlass nahm, mich ebenfalls von dem Tisch zu erheben. Wenn Sam erst einmal weg war, dann mussten wir uns auch nicht weiter in den modrig miefenden Gemäuern aufhalten, sondern konnten ebenfalls wieder nach oben gehen. Hunters rechte Hand war dann mit dem noch immer zittrig wirkenden jungen Mann auch relativ bald verschwunden und ich verzichtete darauf, ihn auf dem Weg zum Café zu begleiten, schlicht... weil ich einfach keine Lust hatte. Wir würden einander ohnehin bloß anschweigen, weil ich zwar Sam und sein Verhalten verstehen konnte, ich aber anders herum bei ihm auf Granit zu beißen schien. Vorerst zumindest, schließlich hatte auch ich mich eine lange Zeit nach der unehrenhaften Entlassung vom FBI dagegen gesträubt, die ganzen kriminellen Einflüsse auf mich wirken zu lassen, aber irgendwann gab man dann doch nach und versuchte langsam zu verstehen, wie der Hase lief. Zwar war mein Wunsch weiterhin, ein Leben fernab von illegalen Machenschaften zu führen, aber ich hatte über die Zeit zumindest die ein oder andere Vorgehensweise nachvollziehen können, die mir vor wenigen Monaten noch unbegreiflich erschienen. War also alles eine Frage der Zeit. Hing man erst einmal lange genug mit dem schlechten Einfluss ab, dann konnte man für einiges deutlich mehr Verständnis aufbringen, als andere, die damit noch nie etwas zu tun gehabt hatten, dazu in der Lage gewesen wären. Jedenfalls sah ich auch dem noch immer sichtlich aufgelösten Burschen hinterher, der auch für den Rückweg die Augenbinde angezogen bekommen hatte, dann richtete sich meine gesamte Aufmerksamkeit auf Sabin, der noch immer seelenruhig auf dem Stuhl neben mir hockte. "Ich werd' zu alt für so eine Scheiße, glaube ich...", stellte ich hörbar ironisch fest, dass mir dieses ruhige und friedliche Einreden auf Menschen mittlerweile schwerer zu fallen schien, als noch zu meiner aktiven Zeit beim FBI. Aber vermutlich war das eben einer der wenigen Punkte, wo das Umfeld auf mich abzufärben schien und meinen Geduldsfaden zusehends schrumpfen ließ. "Ich meine... puh, keine Ahnung. Auf der einen Seite kann ich ihn echt verstehen, aber auf der anderen... war Hunter heute erstaunlich handzahm. Wenn ich daran zurück denke, wie ihr mich tagelang in der Hütte festgehalten habt, ohne Handy oder meinen Laptop. Da war das hier ja gerade der reinste Kindergeburtstag.", kam ich nicht drum herum, das Gespräch kurzzeitig ins Lächerliche zu ziehen, aber es ließ sich einfach nicht leugnen. Sam hatte nicht einmal ansatzweise zu spüren gekriegt, wozu Hunter sonst noch in der Lage war. Das hier war mehr oder weniger ein friedlicher, von einer Seite aus eher unfreiwilliger Deal gewesen, überhaupt nicht zu vergleichen mit dem, wozu der Amerikaner sonst noch so imstande war.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich sah Ashton und Samuele nach, als sie gemeinsam den Raum verließen. Ein Stück weit war ich ziemlich froh darüber, dass das Gespräch jetzt dann erstmal sein Ende gefunden hatte und ich damit für den Rest des Tages nicht mehr wirklich was zu tun hatte. Nochmal mit Renovierungsarbeiten anfangen würde ich jetzt gegen 19 Uhr ganz bestimmt nicht mehr, hatte ich mich doch heute sicherlich schon um die fünf Stunden damit zu gefühlt zu Tode geackert und dabei ein paar meiner inzwischen gefühlt nicht mehr vorhandenen Nerven an Hunters Männer verloren. Ein bisschen verstand ich ihn mittlerweile schon - der eine oder andere wollte hin und wieder mit Vorliebe einfach eine Faust ins Gesicht, um wieder aufzuwachen. Ich selbst wusste nicht wie der Amerikaner darauf reagieren würde, wenn ich nach einem seiner Männer schlug, also hielt ich mich damit zurück und für gewöhnlich reichten ja auch blanke Worte. Aber manchmal kroch selbst mir der Ärger bis in die Haarspitzen und dann wurde es hier und da schon wirklich knapp, dass ich nicht doch ausholte. Überwiegend aus alter Gewohnheit, hatte ich das früher bei der Mafia doch wirklich oft getan, aber ich hatte glücklicherweise ja einen recht langen Geduldsfaden. Sonst wären in diesen vier Wänden wohl schon so einige Leute verreckt. Aber zurück zum Hier und Jetzt - ich hatte nach dieser Einigung mit Samuele jetzt nur noch Entspannung zu befürchten und das war ein wirklich angenehmes Gefühl. Trotzdem konnte ich Sydneys Worte nachvollziehen. Es war eben einfach anstrengend, wenn man so gar nicht zu Jemandem durchdringen konnte, aber sie teilte sich nach wie vor mein Verständnis mit dem jungen Mann, der vollkommen durch den Wind gewesen war. "Und das von dir zu hören, wo du dich doch früher bestimmt wesentlich öfter und länger mit uneinsichtigen Kriminellen rumgeschlagen hast... witzig.", stellte ich mit einem schwachen Grinsen fest, dass das schon ganz amüsant war. Für mich zumindest, Sydney schien eher ein klein wenig genervt von dem Italiener zu sein. Jedenfalls tat ich es ihr gleich und stand dann auf, nahm mir noch den Block mit den Notizen zur Hand und würde ihn vermutlich irgendwo in unserem Zimmer verstauen. Hatte schließlich nichts in den Händen von Hunters Gefolgschaft zu suchen und auch, wenn einige von ihnen wahnsinnig dreist waren, müssten sie schon extrem dumm sein, um die Grenze zu meinem privaten Reich zu überschreiten, wenn sie keiner darum bat. "Was Hunter angeht schätze ich lag das vermutlich hauptsächlich daran, dass der Samuele mit einem Schlag ins Gesicht wahrscheinlich ohnmächtig geworden wäre und gar nicht mehr geredet hätte. Kam ihm bestimmt auch zu Gute, dass er kein Cop ist.", konnte ich daher nur mit sarkastischen Worten und einem Schulterzucken mutmaßen, wobei ich das durchaus ernst meinte. Ich glaubte zu wissen, dass selbst Hunter einsah, dass in diesem Fall Gewalt extrem kontraproduktiv gewesen wäre. Wir konnten vermutlich schon froh darum sein, dass der Kerl sich nicht vor Angst in die Hose gemacht hatte. "Wobei es Hunter wiederum ziemlich sicherlich egal gewesen wäre, wenn der Gute sich irgendwie störrisch gezeigt hätte.", verfolgte ich meinen Gedankengang weiter, warf das Thema für heute damit aber über Bord. "Aber ist mir auch eigentlich ziemlich egal... hast du Hunger?", vollführte ich den Themawechsel des Jahrhunderts, als wir den Raum verließen und kurz darauf die Treppe nach oben ansteuerten. Mein Magen knurrte auf jeden Fall und nachdem es heute noch keine warme Mahlzeit gegeben hatte, würde ich mich vermutlich gleich an den Herd stellen. Gerne mithilfe von Sydney, aber das war selbstredend keine Bedingung dafür, dass sie ebenfalls eine Portion bekam.
Die letzten paar Tage waren furchtbar. Nicht nur, dass ich immer noch keinen brauchbaren Ansatz dafür gefunden hatte mich mal mit Richard zu unterhalten war dafür die Ursache, sondern auch die anhaltende negative Spannung zwischen Vahagn und mir. Wir gingen uns ebenfalls ziemlich viel aus dem Weg und wenn wir uns doch mal im selben Raum aufhielte, dann schwiegen wir uns in der Regel an. Das war einer der Hauptgründe dafür, warum ich häufig schon vormittags förmlich die Flucht ergriff und nach draußen verschwand, um noch mehr kleine Touren mit dem Skateboard zu absolvieren. Dabei hatte ich meine Ruhe und musste mich nicht mit dem toxischen Umfeld Zuhause beschäftigen, konnte frische Luft und viel Sonne tanken. Das war wohl auch der einzige Grund dafür, warum ich es überhaupt so lange aushielt unseren Streit nicht aus dem Weg zu räumen. Wenn ich sie nicht ständig sah, dann dachte ich ganz einfach auch deutlich weniger an sie... aber ich ertappte mich trotzdem auch dann, wenn ich allein unterwegs war, immer wieder dabei, dass mich die Gedanken an die schlanke Brünette einholten. Dass ich sie womöglich einfach schon zu gern hatte, um sie mit diesem Streit und ohne jegliche Klärung dessen irgendwann wieder aus dem Haus zu entlassen, sobald sie fit genug dafür war. Einfach so getrennte Wege zu gehen und dabei nicht einmal versucht zu haben, das Ganze wieder zurück in die richtige Spur zu lenken, fühlte sich einfach nicht richtig an. Vielleicht stand ich mit dieser Ansicht allein da und würde, sobald ich darauf zu sprechen kommen würde, nichts als ein Schnauben und ein 'Nein Danke' von der jungen Frau zu hören kriegen, weil ich mir einfach schon zu viel Zeit mit alledem hier gelassen hatte. Nur würde ich das eben auch nie herausfinden, wenn ich es gar nicht erst versuchte, also gab es im Grunde nur eine einzige brauchbare Option - es versuchen und dabei entweder die nächste Bruchlandung hinlegen, oder aber mit endlich beruhigtem Gewissen und allgemein sehr viel besserem Wohlbefinden aus einem klärenden Gespräch herausgehen. Viel schlimmer als jetzt konnte ich mich in meinen Augen Zuhause sowieso nicht mehr fühlen, also hatte ich nicht viel zu verlieren. Nur wie das Ganze anstellen? Wo ich schon eindeutig zu lange auf eine Entschuldigung und Erklärung hatte warten lassen, wollte ich mich eigentlich nicht einfach nur wieder stumpf mit ihr ins Wohnzimmer oder an den Küchentisch zu setzen. Wollte lieber auf besserem, neutralen Boden mit ihr reden und dafür kam mir einer der Plätze in Havanna in den Sinn, den ich in den letzten Tagen schon einmal besucht hatte. Fehlte nur noch der fahrbare Untersatz um dorthin zu kommen, weil ich gerne auf den Bus verzichten wollte und es zu Fuß aber doch wirklich ein paar zu viele Kilometer waren. Zwar würde mir das jetzt sicher ein schlechtes Gewissen einbringen, aber ich bediente mich am späten Nachmittag einfach an einem abgelegen geparkten Auto in einer von Havannas weniger beliebten, nicht einmal betonierten Gassen. Ich konnte es ja morgen zurückbringen, es mir quasi nur für heute ausborgen, damit ich mein Vorhaben erfolgreich umsetzen konnte. Mein Skateboard hatte ich nur zügig auf den Beifahrersitz geschmissen, als ich in das nicht einmal abgeschlossene Fahrzeug einstieg. Ich hatte gerade damit anfangen wollen die Kiste kurzzuschließen, da fiel mir der im Fußraum des Fahrersitzes liegende Schlüssel auf und ließ damit meine Augenbrauen nach oben wandern. Für dieses Phänomen sah ich genau zwei Möglichkeiten. Entweder der Inhaber hatte riesiges Vertrauen in seine Nachbarschaft, oder aber es war sowas wie ein Gemeinschaftsauto, dass sich einfach mehrere Parteien teilten. Hielt ich in diesem armen Viertel für gar nicht allzu unwahrscheinlich, hatte ich die Kubaner doch bisher als sehr freundliches, familiäres Volk erlebt, das gerne teilte und immer gute Laune hatte. Im Grunde war mir aber auch egal, warum der Schlüssel da nun lag - Hauptsache er vereinfachte mir mein Vorhaben und ich konnte kurz darauf mit der Karre abzischen. Oder eher Wegkriechen, weil besonders viel PS nicht unter dieser Haube schlummern konnten. Womöglich war ich was das anging aber auch einfach von den mit nie weniger als zweihundert Pferden bestückten Dienstwagen von Hunter verwöhnt. Als ich Zuhause ankam und den Wagen angehalten hatte atmete ich einmal ganz tief durch. Wie sagte ich das denn jetzt am besten? Ich konnte eigentlich gut mit Worten umgehen, aber die Situation war schwierig. Ich sollte mich wahrscheinlich wie so oft einfach auf mein Taktgefühl verlassen, also ließ ich den Wagen schließlich allein vor der Haustür zurück und ging nach drinnen, wo ich mein Skateboard im Flur parkte. Der Fernseher lief, also warf ich einen Blick ins Wohnzimmer und fand die hübsche Brünette da auch prompt vor. Noch ein weiterer tiefer Atemzug, dann betrat ich den Raum und setzte mich kurzerhand einfach in ihr direktes Sichtfeld. Setzte mich vor sie auf den Wohnzimmertisch, der in etwa die gleiche Höhe wie das Sitzpolster des Sofas hatte. "Hey. Ich...", ah, wusste ich wirklich jetzt schon nicht mehr, was ich sagen sollte? War ja großartig. Kurzzeitig senkte ich meinen Blick auf meine Hände, wo ich etwas unruhig mit den Fingern herumnestelte. "...ich weiß, dass die Erkenntnis jetzt echt viel zu spät kommt... und das allein tut mir echt leid, aber ich würde gerne noch mal ganz in Ruhe mit dir reden, Vahagn. Du musst natürlich nicht, aber es würde mir viel bedeuten, wenn du mir noch eine Chance dazu geben würdest, es wieder ein bisschen grade zu biegen... mit einem kleinen Ausflug. Jetzt.", fing ich dann halbwegs flüssig zu reden an und entschuldigte mich vorab schon einmal dafür, dass ich überhaupt die Dreistigkeit dazu besaß nach mehreren Tagen erst angekrochen zu kommen. Schließlich hätte ich den Arsch früher hochkriegen können und dementsprechend sah ich sie auch mit einem aufrichtig entschuldigenden Lächeln an. "...ganz vielleicht hab ich deswegen auch ein Auto in der Stadt mitgehen lassen, damit du dir die Strecke nicht zu Fuß antun musst.", fügte ich noch ein paar mehr Worte an und grinste ein bisschen schief. Vermutlich hätte ich ein doppelt schlechtes Gewissen wegen der Karre, wenn ich sie jetzt auch noch umsonst mitgenommen hatte. War ich dann aber genauso selbst dran Schuld wie an der Abfuhr an sich, die sicherlich berechtigt wäre.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich konnte gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich mich nach dem für beide Seiten sehr verletzten Streit mit Tauren eigentlich langweilte. Die Tage darauf kamen mir wegen des nicht vorhandenen Unterhaltungsfaktor - waren wir mal ehrlich, der Norweger war das einzige Entertainment hier in dem Schuppen gewesen - in etwa doppelt so lang vor und ich wusste langsam einfach nicht mehr, wohin mit mir. Machten wir uns nichts vor - Richard befand sich mittlerweile nur noch im Delirium, konnte sich zu nichts aufraffen und das mit mehr Glück als Verstand verdiente Geld aus dem Casino für Bus- und Taxifahrten in Havannas Innenstadt rauszuschmeißen erschien mir auch nicht als die optimale Lösung. Aus Mangel an Alternativen saß ich jetzt also schon eine ganze Weile einfach nur dumm rum und man könnte meinen, ich täte das mit Absicht, um den noch immer hier und da schmerzenden Wunden endlich ihre wohlverdiente Ruhe einzuräumen - war aber nicht so. Die Beweggründe spielten letztlich aber auch überhaupt keine Rolle, wenn man mich fragte. Fakt war jedenfalls, dass ich mal im Wohnzimmer vor der Glotze hing, dann saß ich in der Küche mit einem Kaffee in der Hand und an einem wieder anderen Tag ging ich raus in den Wald, weil mir in der Bude langsam die Decke auf den Kopf zu fallen schien. Wie ich mich entschied, kam nicht zuletzt darauf an, wo sich Tauren zu dem Zeitpunkt der entscheidenden Frage befand und ob der Engländer wieder einmal unter seinen Wahnvorstellungen litt, die sich in letzter Zeit zu häufen schienen. Grundlegend konnte man sagen, dass ich möglichst beiden Männer weitläufig aus dem Weg ging und das Maß an Kommunikation auf ein Minimum reduzierte, weil ich mittlerweile die Schnauze gestrichen voll hatte. Mit Junkies konnte man sich ohnehin nur bedingt gut länger unterhalten und im Bezug auf den anderen, nicht drogenabhängigen Mann hier im Haus, verstand ich einfach immer noch nicht, wo das Problem des Norwegers gen Ende unseres Streits gelegen hatte und der Schmerz über seinen Verrat saß derart tief, dass ich es auch gar nicht mehr herausfinden wollte. Für mich war die Sache vom Tisch und ich würde wohl nur noch ein oder zwei Wochen bleiben, in denen sich Iljah hoffentlich meldete und mir mitteilte, dass das Geld für einen Umzug ins eigene Heim auf dem Weg war. Sollte überraschenderweise am heutigen Nachmittag dann auch so weit sein und ich war mittlerweile derart vereinsamt, dass ich mich richtig freute, die Stimme meines Bruders am Telefon zu hören, dem anzumerken war, dass er sich Sorgen um meine geistige Gesundheit machte. Klar, Sydney war hier und da auch mal wieder zu Besuch gekommen, weil nach dem letzten Streit ausnahmsweise keine Trotzreaktion negativ auf mich zurück fiel, aber seitdem ich ihr einmal die kalte Schulter gezeigt hatte, schien sie sich nicht einmal mehr auf einen Smalltalk einzulassen, den ich initiierte. Sollte mir dann auch recht sein, wurde mir damit doch nur noch sehr viel klarer, wie wenig ich hier erwünscht war und das es an der Zeit war, endlich die Biege zu machen. Die Mittel dafür befanden sich laut Iljah auf dem Weg zu mir und nachdem er mir mitteilte, um wie viel Kohle es sich dabei handelte, hatte ich nach dem Telefonat doch noch einmal eine Reise ins Herz von Havanna gemacht, um mir in einem Internetcafé einige Immobilien anzusehen. Günstige, verstand sich. Kleine, praktische Räumlichkeiten, wie geschaffen für meine einsame Seele eben. Ich verbrachte bestimmt drei oder vier Stunden dort, bis ich schließlich mit einer Mappe voll potenzieller Objekte wieder den Heimweg antrat. Von da an hatte ich mich wieder auf die Couch gehockt und ferngesehen, während ich in aller Ruhe die Häuser miteinander verglich. Nebenkosten, musste noch renoviert werden, waren sie bereits möbliert, und, und, und. Ein paar Eigenschaften hatten sie wohl allesamt gemeinsam, waren sie ziemlich klein und abgelegen. Quasi perfekt für mich, aber das war auch nicht besonders schwer. In jedem Fall war alles besser, als weiterhin unter den Pantoffeln des Norwegers zu stehen. Zwar räumte er mir nach wie vor meine Freiheiten ein, aber irgendwie... keine Ahnung, bereitete er mir trotzdem Magenschmerzen, ohne das ich so wirklich wusste, warum und wieso überhaupt. Wenn man vom Teufel sprach, war dieser bekanntlich auch nicht sehr weit weg. Das bestätigte sich mir einmal mehr, als ich die Haustür ins Schloss fallen hörte und weil ich wusste, dass Richard wieder im Vollrausch sein Schlafzimmer umdekorierte, konnte es sich nur um den zweiten im Bunde mit Hausschlüssel handeln. Weil wir uns seit dem Streit noch nicht weiter ausgesprochen hatten und von meiner Seite aus auch nur wenig Interesse daran bestand, gab ich mir Mühe, das weitestgehend zu ignorieren und mich stattdessen entweder auf das Fernsehprogramm oder auf die Zettel in meinen Händen zu konzentrieren. Das war kurze Zeit später aber gar nicht mehr so leicht, weil Tauren sich plötzlich vor mich gesetzt hatte. Mir so zum einen den Blick auf den Fernseher verwährte und zum Anderen seinen Hintern auf meinen Unterlagen geparkt hatte. Verständnislos und wenig begeistert sah ich ihn an, weil es in dem Augenblick wohl schwachsinnig gewesen wäre, die beiden Grundstücke, die ich bereits seit etwa fünfzehn Minuten in den Händen hielt noch ein weiteres Mal zu vergleichen, nur damit ich den Norweger nicht ansehen musste. Eine Erklärung dafür, warum er mir auf den Sack gehen musste, wo ich vor ihm doch einfach gerne meine Ruhe gehabt hätte - und damit eben auch die Einsamkeit in Kauf nahm -, folgte prompt und ich wusste echt nicht, wohin das Ganze seiner Meinung nach führen sollte. Offensichtlich schien er einzusehen, dass nicht nur ich alleine mich in dem Gespräch von vor einigen Tagen falsch verhalten, sondern auch er selbst gut ausgeteilt hatte. Aber ob diese Erkenntnis seinerseits ausreichte, um mich dazu zu überreden, mich auf ein weiteres, klärendes Gespräch mit ihm einzulassen? Wohl eher nicht. Schließlich ließ sich die Aussage, die er getroffen hatte, nicht mit einer einfachen Entschuldigung oder Erklärung seinerseits aus der Welt räumen. Genau so wenig würde mich eine Entschuldigung umstimmen, mich ihm gegenüber wieder ein wenig mehr zu öffnen, weil... nein. Ich hatte jetzt gesehen, wo das hinführte, was es mir brachte und ich war schwer enttäuscht. Es hatte mich unzählige Nerven, Gedanken, Überlegungen gekostet, ihm den ersten Schlüssel anzureichen, dann den nächsten und wofür das Ganze? Dass es ihm offenbar nicht genug war und dahingehend schien es mir einfach vergeudete Liebesmüh zu sein, es weiterhin mit ihm versuchen zu wollen. So weit zumindest die Theorie. Tauren wäre nur leider nicht Tauren, wenn er nicht doch immer einen Weg fand, selbst die Aufmerksamkeit des ihm abgeneigtesten Individuums dieses Planeten auf sich zu ziehen. In diesem Fall hier ließ mich vor allem die Aussage bezüglich einer ganz offensichtlich gestohlenen Karre die rechte Augenbraue heben, noch bevor ich auch nur darüber nachdachte, wie ich auf seine Bitte jetzt eigentlich reagieren würde. Prinzipiell hatte ich mich damit abgefunden, mein Dasein hier mehr oder minder alleine und ohne soziale Interaktionen auch noch für die letzten Tage zu fristen, auf der anderen Seite... na ja, fehlte er mir halt schon ein bisschen, wenn ich ehrlich zu mir selbst sein sollte. Also nicht so richtig was seine Nähe anging, denn davon hatte ich schließlich noch immer genug, seitdem wir uns das Bett teilten, aber halt... seine einfühlsame Art, wenn er gerade mal nicht mein Herz mit den Füßen trat. Ich machte mir die ganze Sache vermutlich komplizierter, als sie das eigentlich war, aber ich fühlte mich momentan gefangen in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite hallte seine Aussage, er würde sich in einer Einbahnstraße bewegen, immer und immer wieder in meinem Oberstübchen nach und das kleine Engelchen mahnte mich zur Vernunft, endlich die Finger von ihm zu lassen, während das Teufelchen auf der anderen Seite mittlerweile scheinbar für den Norweger arbeitete und mir immer wieder einzureden versuchte, dass er das gar nicht so meinte und ich nicht immer alles gleich in den falschen Hals bekommen sollte. Überraschend positive Worte für den gehörnten Bastard. So und da saß ich nun. Ihn ratlos anstarrend, weil ich definitiv nicht damit gerechnet hatte, dass er nach dieser langen Zeit, in der er schon mehrfach die Gelegenheit gehabt hatte, mich noch einmal anzusprechen, wenn ihm das so wichtig war, noch einmal auf mich zukommen würde. Mit einem Vorhaben, wie mir schien. Ich seufzte leise, weil er ja doch nicht locker lassen würde und legte die beiden Blätter neben mir auf das Sofa. "Hoffentlich ein schicker Sportwagen?", fragte ich hörbar ironisch und ein Stück weit amüsiert, obwohl mein Gesichtsausdruck weiterhin kalt blieb. Weder meine Augen, noch meine Mundwinkel verrieten meine innere Unruhe, als ich meinen Blick in den seinen legte. Dass ich mich so bereitwillig dazu erklären würde, mit ihm mitzukommen, obwohl ich weiterhin eher weniger gut auf ihn zu sprechen war, ließ sich wohl ganz leicht damit erklären, dass ich froh über jeglichen Tapetenwechsel war. Ich hatte die Inneneinrichtung der Bude hier jetzt schon förmlich in mich aufgesaugt und auch der umliegende Wald war mir jetzt bis zum letzten Ast bekannt. Er sollte sich also ja nicht einbilden, dass ich ihm wegen seinem Vorhaben folgen würde. Denn das tat ich nicht... na ja, zumindest nicht offiziell. Praktisch sah das Ganze natürlich anders aus, weil wohl klar sein dürfte, dass mich keine zehn Pferde in das Auto desjenigen bekamen, mit dem ich einen ziemlich heftigen Streit gehabt hatte, nur weil ich mir die Umgebung ansehen wollte. Niemals, nie und nimmer.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es dauerte in meinen Augen eine viel zu lange Ewigkeit, bis ich eine Antwort von der Brünetten bekam. Deshalb rechnete mein Unterbewusstsein auch schon mit einem sehr entschiedenen Nein, bis Vahagn schließlich den Papierkram von ihrem Schoß nahm, den ich flüchtig mit den Augen musterte. Ich sah nicht lange hin, weil ich das wahrscheinlich gar nicht wollte. So weit ich das mit einem flüchtigen Blick erkennen konnte waren darauf Bilder einer oder mehrerer Immobilien abgedruckt und das letzte, das ich gerade wollte, war, dass die Russin auf und davon war. Es war also tatsächlich sehr dringend an der Zeit, dass ich einschritt und sie nicht morgen schon das bisschen an Sachen zusammen packte, das sie nach dem Zwischenfall in Italien noch besaß. Natürlich würde sie früher oder später trotzdem aus diesen vier Wänden ausziehen, aber ich war schon zufrieden wenn es sich vielleicht noch ein bisschen hinauszögern ließ. Nur ein paar Tage, in denen ich ihr zeigen konnte, dass ich eingesehen hatte mindestens eine Teilschuld an der Eskalation des Gesprächs zu haben und dass ich es aufrichtig wiedergutmachen wollte. Dass mir etwas an ihr lag, auch wenn sie nicht besonders gut darin war ihre Worte wirklich einfühlsam zu wählen und auszusprechen. Ich wusste ja, dass sie so war und dass sie Eigenschaften wie diese schlichtweg nicht von jetzt auf gleich ändern konnte, also durfte ich ihr auch keinen Strick daraus drehen. Als Vahagn dann endlich auch ein paar Worte neben ihrer Geste ergriff atmete ich erleichtert aus. Einfach nur, weil das ein sehr indirekt ausgesprochenes Ja mit sarkastischer Formulierung war. Keine kalte Abweisung, kein du hattest schon mehr als genug Chancen, Tauren. Was den Sportwagen anging musste ich sie natürlich enttäuschen, handelte es sich bei der Kiste doch nur um einen alten amerikanischen Wagen, der eindeutig bessere Tage hinter sich hatte. Aber er reichte, um noch von A nach B zu kommen und man konnte bei der mauen Auswahl an Autos hier auf Kuba wahrscheinlich schon von Glück reden, dass der alte Diesel keine schwarzen Wolken aus dem Auspuff spuckte. Glaubte ich jedenfalls, aber wäre mir vermutlich schon im Rückspiegel und auch am Geruch aufgefallen. "Leider sind gute oder gar moderne Autos auf Kuba nach wie vor nur sehr schwer aufzutreiben...", musste ich die Brünette mit leicht schiefgelegtem Kopf spaßeshalber daran erinnern, dass man aktuellere Bauten in Form von Fahrzeugen hier ziemlich vergeblich suchte. "Aber er wird schon nicht liegen bleiben... glaube ich. Immerhin sind die Sitze aber ziemlich bequem.", hängte ich noch ein paar mehr sarkastisch angehauchte Worte hintenan und stand dann langsam wieder von dem Couchtisch auf. Ich fühlte mich schon jetzt so, als hätte man mir zumindest den Großteil der eigentlichen Last abgenommen, obwohl das eigentliche Gespräch weiterhin ausstand und ich noch nicht wirklich über den Berg war. Trotzdem feierte ich innerlich ein bisschen den Teilerfolg die hübsche junge Frau überhaupt zu dem kleinen Ausflug überredet zu haben und so schlug ich langsam den Weg zum Flur ein, um aufzubrechen. Allerdings machte ich noch einen kurzen Abstecher in die Küche, um zwei volle Bierflaschen mitgehen zu lassen. Vielleicht war der Russin nicht nach Alkohol und vielleicht verging mir selbst auch die Lust daran, wenn nicht alles in etwa so lief, wie ich mir das vorgestellt hatte - oder ich trank dann beide allein -, aber ich hatte nicht vor nur fünf Minuten mit ihr auf der Festung an Havannas Küste zu verbringen. Wollte nach Möglichkeit, wenn wir uns einigen konnten, schon zwei oder drei Stunden dort über den unten an der Mauer zerschellenden Wellen sitzen bleiben. Was passte auch schon besser zu einem Sonnenuntergang, als ein kühles Bier? Champagner vielleicht. Oder teurer, richtig edler Wein. Hatten wir aber beides nicht da und konnte, beziehungsweise wollte ich mir momentan auch nur ungern leisten. Schließlich war ich nach wie vor dabei meine Ersparnisse so gut es ging beisammen zu halten, solange noch nicht wieder aktiv Geld in meine Taschen floss. War aber sicher bald soweit und dann konnte ich mir - oder uns - hier und da auch eher wieder etwas gönnen. Als die Brünette ebenfalls im Flur angekommen war und sich die Schuhe angezogen hatte ging es dann auch weiter nach draußen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Stimmt, da war ja was. Ich hatte ganz vergessen, dass Kuba und ganz speziell dessen Hauptstadt irgendwo inmitten der 50er Jahren stehen geblieben war, was den Baustil der Häuser und die Autos anging. Dass es da eher schwierig werden würde, an einen schicken Sportwagen zu kommen hätte mir klar sein müssen. "Enttäuschend.", erwiderte ich dennoch weiter mit reichlich Ironie behafteter Stimme und meine Mundwinkel zuckten belustigt. Ich sah Tauren noch einen Moment lang nach, wie er in den Flur verschwand, ehe ich leise seufzend auf den Rand des Sofas rutschte, um auch die restliche Unterlagen, welche über dem Tisch verteilt lagen, zusammenzupferchen. Ich stopfte die Papiere zurück in die Klarsichthülle, die mir der Mitarbeiter des Internetcafés freundlicherweise zu meinen Ausdrucken dazu gegeben hatte. Dabei versank ich kurzzeitig noch einmal in Gedanken und überlegte, ob das wirklich eine so gute Idee war, mich wieder einmal von ihm einlullen lassen zu wollen - denn nichts anderes schien er vor zuhaben. Die Vergangenheit hatte doch bereits gezeigt, wohin das immer wieder führte und eigentlich hatte ich keine Lust darauf, mich jedes Mal von Anfang an über genau den gleichen Mist zu ärgern. Irgendwann war nun mal eben auch gut, aber... es war so unglaublich schwierig, mich von dem Norweger los zu sagen, selbst wenn ich mir selbst immer wieder einredete, dass es das Beste wäre, einfach so schnell wie möglich abzuhauen. Wobei das vermutlich auch nur bedingt helfen würde. Immerhin waren wir uns die letzten Tage schon so gut es ging aus dem Weg gegangen und trotzdem hatte ich ab und zu an ihn denken müssen. Und ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass ich mich nicht schon einmal dabei erwischt hatte, dass ich darüber nachdachte, noch einmal das Gespräch mit ihm zu suchen. Letzten Endes hatte ich das aber nie getan, weil ich mir dafür einfach zu stolz war und auch nie so wirklich wusste, was ich ihm eigentlich mitteilen wollte. Ja, hey, also irgendwie dumm gelaufen das Ganze. Hör mal, du hast mich zwar echt verletzt, aber irgendwie stört mich das nicht so sehr, dass ich den Kontakt zu dir gänzlich abbrechen möchte. - eventuell? Vom Inhalt her... vermutlich ja und von der Formulierung? Nein. Ich war einfach kein besonders guter Wortakrobat und ließ solche Gedanken dann doch lieber unausgesprochen, wie ich das in der Vergangenheit auch schon getan hatte. Zwar würde es mir ganz bestimmt psychisch ein bisschen besser gehen, wenn ich mich einfach mal dazu hätte aufraffen können, hier und da meinen Stolz hinunter zu schlucken, aber irgendwie hatte ich einfach viel zu viel Angst davor, dass man mir direkt noch eins reindrücken würde. So gesehen war ich beinahe schon ein wenig erleichtert, dass der Norweger es scheinbar ebenso wenig lassen konnte, es nicht immer weiter zu versuchen und vielleicht hatte er die Worte ja wirklich gar nicht so böse gemeint, denn Ausdauer schien er entgegen meiner ziemlich frustrierten Gedanken am Tag des Streits ja ganz offensichtlich doch zu haben. Aber gut, ich würde mich einfach überraschen lassen, was der Abend noch brachte und nahm mir fest vor, mir heute ausnahmsweise mal nicht so schnell auf den Schlips treten zu lassen. Ob das letzten Endes auch so gut funktionierte, wie ich mir das vorstellte, stand natürlich auf einem anderen Blatt, aber na ja. Jedenfalls ließ ich die Unterlagen einfach auf dem Wohnzimmertisch liegen, um mich kurz darauf vom Sofa zu erheben. Das klappte, seitdem die Verletzungen so etwas wie Zeit zum Regenerieren bekommen hatten, auch echt verhältnismäßig gut. Zwickte hier und da noch immer, wenn ich eine falsche Bewegung machte, aber ansonsten fühlte ich mich fast schon wieder wie ein Mensch. Das Oxycodon hatte ich in den letzten Tagen auch nur sehr selten angefasst. Maximal eine halbe Tablette zu mir genommen, seitdem die Schmerzen durch die wenige Belastung der Einschusslöcher immer weiter nachließen. Ich schlurfte in den Flur, um mir dort meine Schuhe anzuziehen und gemeinsam mit Tauren das Haus zu verlassen. Beim Anblick der zwei Bierflaschen in seinen Händen hob ich allerdings ein weiteres Mal die rechte Augenbraue, weil sich mir immer noch nicht ganz erschloss, was er eigentlich vor hatte. Ich würde es wohl auch erst heraus finden, wenn wir da waren und so ließ ich mich - natürlich nicht ohne dieses gewisse mulmige Gefühl in meinem Bauch - auf den Beifahrersitz der ollen Schüssel fallen, die der Norweger laut eigener Aussage hatte mitgehen lassen. Als ich jedoch sah, dass an dem Auto nichts gebastelt war und er augenscheinlich den Zündschlüssel besah, bahnte sich wider Erwarten ein leises Lachen sein Weg über meine Lippen. "Sag mal, hast du nicht gesagt, du hast ein Auto mitgehen lassen? Lebt der Besitzer noch?", fragte ich und nickte vielsagend mit dem Kopf in Richtung Autoschlüssel, weil mir nicht ganz klar war, wie er bitteschön in Besitz des Schlüssels gelangt war. Anders als Tauren hatte ich bis jetzt noch nicht besonders viel Kontakt zu den Kubanern gehabt und wusste daher auch nicht, dass sie sich scheinbar einander so sehr vertrauten, dass sie einfach ihre Autoschlüssel im Wagen liegen ließen. Was ich hingegen wusste war, dass meine Laune gerade eine ganze Ecke besser wurde und ich war mir nicht ganz sicher, ob das ein eher gutes oder doch schlechtes Zeichen sein sollte. War ich nicht diejenige gewesen, die gepredigt hatte, dass sich die Beziehung zueinander nicht darauf auswirkte, wie man sich verhielt? Tja. Offensichtlich lag ich damit falsch.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Okay, so weit, so gut - Vahagn kam mit mir nach draußen und sogar mit ins Auto, wo ich das Bier einfach in die beiden fast wie maßgeschneiderten Getränkehalterungen zwischen den vorderen Sitzen abstellte. Da wurden sie schlichtweg am wenigsten durchgeschüttelt und es blieb uns erspart beim späteren Öffnen in Bier zu baden, weil die Kohlensäure nach der Autofahrt Amok lief. Als ich den Wagen anlassen wollte kam mir meine Beifahrerin aber noch einmal mit einem kurzen Lachen zuvor, dicht gefolgt von ein paar Worten, die mich irgendwie einfach grinsen ließen. Wäre streng genommen gar nicht so lustig, wenn ich einen Unschuldigen abgemurkst hätte, nur um an ein Auto wie diesen Schrotthaufen zu kommen, aber es freut mich ganz einfach, dass sie schon jetzt deutlich ungezwungener redete, als das heute Morgen beispielsweise noch der Fall gewesen war. Das erleichterte mich unheimlich und es fühlte sich einfach gut an, auch wenn sie mir dabei spaßeshalber - denke ich - mehr oder weniger einen Mord unterstellte. "Nein, liegt im Kofferraum.", antwortete ich erst einmal hochgradig ironisch, bevor ich den etwas schwerfällig anspringenden Wagen zur Abfahrt bereit machte und ihn im Anschluss wendete, um das Wohnhaus hinter uns zu lassen und auf dem eher schmalen Weg aus dem Wald heraus Richtung Hauptstraße zu fahren. "Frag mich nicht warum, aber der Schlüssel lag im Fußraum. Ich war schon drauf und dran die Kiste kurzuschließen, aber der Besitzer hat scheinbar großes Vertrauen in seine Nachbarschaft. Mir kommt es aber auch so vor, als würde hier auf Kuba jeder jeden kennen, selbst wenn er auf der anderen Seite der Stadt wohnt. Die sind hier alle sehr eng miteinander und absolut freundlich. Vermutlich hätte er mir die Kiste sogar ohne weiteres für ein paar Münzen verliehen, wenn ich gefragt hätte, obwohl er mich nicht mal kennt. Zutrauen würde ich's den Kubanern auf jeden Fall.", erklärte ich Vahagn, dass der Inhaber des Wagens mir die Sache ganz besonders leicht gemacht hatte und zuckte im Anschluss mit den Schultern. Ich hielt es nicht für abwegig, dass derjenige mir die Karre auch vertrauensvoll gegen eine kleine Gebühr, die womöglich nur die sicher hohen Spritkosten für das alte Auto eingebracht hätte, einfach so verliehen hätte. Ohne irgendeinen schriftlichen Vertrag oder eine andere Form der Absicherung, weil das hier auf Kuba einfach so gang und gäbe zu sein schien. "Jedenfalls hab ich mir die Karre jetzt halt inoffiziell geliehen und werde sie morgen wieder zurückbringen... wahrscheinlich etwa um die gleiche Uhrzeit.", hängte ich noch ein paar mehr Worte an, als wir bereits die Landstraße entlang fuhren, die uns zur Hauptstadt des Landes bringen würde. Allzu weit war es zum Glück nicht, wenn man ein Auto hatte. Mit dem Skateboard dauerte es dann doch deutlich länger, weshalb ich selbst auch ganz froh darum war, dass ich gerade einen deutlich bequemeren Weg in die Stadt nutzen konnte. Mal nicht laufen oder mit dem Board fahren zu müssen, auch wenn mein Arm hier und da beim Schalten der Gänge ein wenig zwickte. Aber auch letzterer sollte bald wieder fit sein und dann würde ich mich vielleicht am ehesten Mal nach einem Motorrad umsehen. Kein nobles oder besonders bequemes, sondern eher so in Richtung Offroad Bike, weil es hier auf Kuba auch sehr viele unbetonierte, beziehungsweise einfach sehr schlechte Straßen gab. Das war bei den Straßenverhältnissen hier im Land womöglich in weiten Teilen angenehmer, als mit einem Auto durch die Gegend zu fahren. Auch, wenn ich keinen Zweifel daran hegte, dass Hunter sicher schon den einen oder anderen neuen Dienstwagen für seine Truppe beordert hatte. Öffentliche Verkehrsmittel waren einfach nicht tauglich, um sich unter gewissen Umständen notwendigerweise mal schnell aus dem Staub zu machen. Es brauchte ein paar Minuten, bis wir den Stadtrand erreicht hatten und von dort aus dauerte es dann tatsächlich nicht mehr lange, bis die Festung langsam in Sicht kam. Sie lag am Rand des städtischen Küstenabschnitts und ersparte uns damit lästiges Fahren quer durch den Stadtverkehr, was einer entspannten Stimmung ganz sicher nicht geschadet hatte und so hielt ich den Wagen schließlich auf dem nahen Parkplatz an, der sicher irgendwann hauptsächlich für den Tourismus angelegt worden war. Jetzt war er aber glücklicherweise leer und mit ein bisschen Glück waren wir oben auf der Mauer dann so gut wie oder gar ganz allein. Ich würde dann jedenfalls drei Kreuze machen, weil ich einfach meine Ruhe mit der jungen Frau haben wollte. Bis zum Eingang an der dem Festland zugewandten Mauer waren es von hier aus wohl höchstens noch hundert Meter zu Fuß, was auch für die Russin kein Problem sein sollte. "So, jetzt sind's nur noch ein paar Meter..", äußerte ich ein paar beiläufige Worte an die Brünette, die daraus vermutlich relativ sicher schon schließen konnte, dass wir uns dem imposanten, alten Gemäuer der unweit gelegenen Festung nähern würden. Etwas anderes gab es hier sonst nämlich eher nicht zu sehen. Ich stieg nach einem letzten Blick inklusive einem leichten Lächeln in ihre Richtung dann aber auch mit den Hälsen der Bierflaschen in der Hand aus und wartete nur noch auf Vahagn, bevor es losgehen konnte. Zwar war ich mir mittlerweile eigentlich relativ sicher, dass ich den Streit gänzlich beigelegt kriegen würde, aber ein kleines bisschen nervös war ich jetzt ja irgendwie doch.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ah, gut zu wissen. Leichen im Kofferraum waren mir persönlich ja weitaus lieber, als sie im Keller liegen zu haben. Das Auto konnte man nämlich ganz beiläufig irgendwo abstellen oder einfach versenken, während der tote Körper im unteren Geschoss der eigenen vier Wände leider irgendwann zu miefen anfing, wenn man sich nicht um die Entsorgung kümmerte. Natürlich war ich mir fast sicher, dass Tauren nicht wirklich die leblosen Überreste des ursprünglichen Besitzers der Karre im Kofferraum, aber witzig war die Vorstellung schon irgendwie. Würde mir ja stinken, wenn ich wegen meiner alten Schrottlaube erst abgemurkst und dann auch noch gezwungen werden würde einer Art Date meines Mörders beizuwohnen. Nicht, dass ich die Verabredung als solches titulieren würde, aber... na ja, war ja auch nicht weiter wichtig. Jedenfalls ließ mich die Erklärung des Norwegers, wie er tatsächlich an den Schlüssel gekommen war nur leicht ungläubig, aber mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen mit dem Kopf schütteln. Wer ließ denn bitteschön einfach den Schlüssel im Auto zurück? Das war in meine Augen schon keine Einladung mehr, die Karre mitgehen zu lassen, sondern viel eher eine Aufforderung. Gut, auf der anderen Seite hatte vermutlich niemand ein wirklich großes Interesse daran, diese Blechschüssel zu stehlen, gab es doch sicher auch unter den Rostlauben deutlich modernere und schönere Fahrzeuge - selbst hier auf Kuba. Aber eines musste ich Tauren ja lassen - was die Sache mit den bequemen Sitzen anging, hatte er immerhin nicht gelogen. Für das Alter des Autos ließ es sich auf dem Beifahrersitz verdammt gut aushalten, sodass mir beim Aussteigen weder der Rücken, noch das Steißbein weh tat. Die verhältnismäßig schlechten Straßenverhältnisse konnte der Wagen mangels Federung nämlich nicht kompensieren und ich befürchtete schon einen Bandscheibenvorfall, jedoch überraschte mich der gepolsterte, ziemlich einfach gehaltene Sitz durchweg positiv. Auf der Fahrt in Richtung der kubanischen Festung hatte ich auf weitere Kommunikation verzichtet und mir stattdessen die Landschaft angesehen, mir den Weg eingeprägt, für den Fall der Fälle, dass der Abend doch noch ordentlich in die Hose gehen würde und ich alleine zurück finden musste. Ich wusste ja noch immer nicht, was der junge Mann vor hatte und das änderte sich auch erst, als er den Wagen nahe des Meeres auf einem Parkplatz anhielt, der an eine alte, in die Höhe ragende Mauer angrenzte. Die Augenbraue wanderte wieder ein Stück nach oben, als ich aus ausstieg, den Schotter unter meinen Füßen spürte und über das Autodach hinweg zu Tauren sah. So langsam aber sicher leuchtete mir ein, warum er die zwei Flaschen Bier dabei hatte und worauf die ganze Aufmachung hier vermutlich hinaus laufen würde. Ich hatte mir ja schon gedacht, dass er noch einmal auf mich zukommen würde, um sich bei mir zu entschuldigen oder noch ein Mal die Fronten zu klären, aber dafür war ihm wohl weder die Couch, noch der Küchentisch fein genug und es musste etwas... sehr viel schöneres sein. Das mulmige Gefühl war inzwischen verschwunden und statt dem sonst so ernsten Gesichtsausdruck zierte fast schon ein leichtes Lächeln meine Lippen, als ich den Blick erstmals von dem jungen Mann abwandte und stattdessen auf das Bild vor mich richtete. Man konnte schon von hier aus hören, wie die Wellen an den Steinen der dem Meer zugewandten Seite brachen und der Sonnenuntergang färbte den weißen Sandstein in ein angenehm warmes Terrakotta, das einen ganz herzlich dazu einlud, die Mauern zu erklimmen, um all die Sorgen für den Augenblick hinter sich zu lassen. Ich lief neben dem Norweger in Richtung des Eingangs, der lediglich aus einer Treppe bestand, die in ihrem Verlauf schließlich nach links und rechts oben führte. Weil das Meer in meinen Augen noch immer sehr viel schöner war, als die Hauptstadt an sich, entschied ich mich kurzerhand für die linke Seite und nachdem mir langsam aber sicher das etwas geschundene Bein weh tat, waren wir auch endlich am Ort der Begierde angekommen. Mit den letzten beiden Treppenstufen konnte man bereits die Sonne am Horizont untergehen und ihr Spiegelbild auf dem Meer reflektieren sehen, was mich sofort an die Zeit in Italien erinnerte. Ich hatte mir auf genau die gleiche Art und Weise inneren Frieden verschafft, wenn alles um mich herum ein wenig zu viel wurde. Stillschweigend im Hafen von Palermo sitzen, die Füße über dem Wasser baumeln lassen und der Sonne beim Untergehen zugucken. Es gab in meinen Augen nichts, was einen mehr entspannen konnte. Und das merkte ich quasi sofort, waren mit dem Rauschen der Wellen all die Sorgen der letzten Tage wie weggeblasen, als ich vorerst noch stehend über die Mauer hinweg in die Ferne sah.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich passte mich vom Tempo her einfach mal Vahagn an, damit sie sich mit ihren Verletzungen - auch wenn jene nur minder ihre Beine betrafen - nicht noch mehr belasten musste als ohnehin schon und außerdem hatten ich es auch nicht wirklich eilig. Hatte heute nichts mehr vor, außer der jungen Frau mit dem Ausblick hier eine kleine Freude zu bereiten und dabei die Unstimmigkeiten aus dem Weg zu räumen, damit wir endlich wieder ganz normal miteinander umgehen konnten. So wie vor der blöden Auseinandersetzung, auf die ich dann sicher doch etwas zu empfindlich reagiert hatte. Vielleicht hatte dabei einfach auch die hiesige Enttäuschung aus mir gesprochen, als die Brünette mir verkündet hatte, dass da lieber doch nichts laufen sollte, obwohl sie sich hier und da recht wohl unter meinen Berührungen gefühlt hatte. Fand ich noch immer schade, aber dabei hatte ich wohl nicht wirklich ein Mitspracherecht. War ihr Körper, ihre Einschätzung, ihre Gefühle und damit auch ihre Entscheidung, was passierte und was eben nicht. Diese Erkenntnis rief ich mir erneut ins Gedächtnis, als ich die Stufen erklomm und dabei unterbewusst einmal etwas tiefer durchatmete. Warum machte ich mir darum überhaupt so einen Kopf? Es war ja nicht so, als wäre Vahagn schon ewig lang Teil meines Lebens, prägte bis hierhin nur einen sehr kurzen Abschnitt davon und ich würde theoretisch sicher nach ein paar Tagen oder Wochen wieder sehr gut ohne sie zurechtkommen, wenn sie das Weite suchte. Der springende Punkt dabei war wohl nur, dass ich das nicht wollte. Ich hatte wohl einfach ein Faible dafür mich in aussichtslose Labyrinthe zu verrennen und immer wieder ganz bewusst am Ausgang vorbei zu gehen, um mich von neuem in das komplizierte Wirrwarr zu schmeißen. Jedenfalls kam Vahagn am Platz ihrer Wahl schließlich oben auf der Festungsmauer stehen und ich stellte erst einmal das Bier auf der Mauer vor uns ab, die Allemann daran hindern sollte nach vorne in den Abgrund zu kippen. War unwahrscheinlich, dass man dabei nur ins Wasser des Meeres stürzen und nicht an einem der unzähligen Felsen direkt am Fuß der Mauer hängen bleiben würde. Waren sicher zehn oder fünfzehn Meter nach da unten und wenn man mit dieser Fallgeschwindigkeit auf den Felsen aufschlug war es das sehr sicher gewesen. Ich nahm meinen Schlüsselbund aus der rechten Hosentasche, an dem sich auch eine kleine Allzweckwaffe inklusive Flaschenöffner befand, den ich mir jetzt bei den Bierdeckeln zu Nutze machte und die Flaschen öffnete. "Trinkst du überhaupt Bier?", kam dann mit einem leicht schiefen Grinsen meine etwas verspätete Frage, als die Flaschen bereits beide geöffnet waren. Ich konnte theoretisch sicher mit zwei Bier noch Auto fahren, auch wenn das bestimmt nicht empfehlenswert war. Konnte ja langsamer als gewöhnlich fahren, was mit diesem Auto kaum schwer fallen dürfte. Ich nahm mir eine der beiden Flaschen und machte erstmal zwei kleine Schlucke, bevor es dann doch mal ans Eingemachte gehen sollte. Half ja nichts, von allein räumten sich die Unstimmigkeiten nicht aus dem Weg. "Vahagn, ich... es tut mir wahnsinnig leid, dass ich so überreagiert habe. Ich wollte dir wirklich nicht so sehr zu nahe treten, dir nicht weh tun... ich weiß ja eigentlich, dass du's mit Worten manchmal einfach nicht so hast und hätte dir das nicht vorhalten dürfen. War nicht in Ordnung von mir...", fing ich damit an, mich aufrichtig bei der jungen Frau zu entschuldigen, weil ich ihr das allem voran ganz einfach schuldete. Sah sie auch fortwährend dabei ein, weil ich wollte, dass sie in meinem Gesicht sehen konnte, dass ich jedes einzelne Wort davon ernst meinte. Natürlich war sie nicht wirklich sachte mit ihren Worten umgegangen, aber ich hatte auch einfach extrem sensibel reagiert, weil es mir nicht in den Kram gepasst hatte. "Es hat nur einfach irgendwie weh getan, wie... kalt du das gesagt hast und dann ist das alles so in mir hochgekocht... ich war wohl einfach enttäuscht.", fügte ich noch ein paar weitere, eher gemurmelte Worten hinten an und wendete mit einem kaum sichtbaren Schulterzucken meinen Blick zurück in Richtung der untergehenden Sonne. Ich brauchte da wohl weder mir selbst, noch der jungen Frau etwas vorzumachen. Wir wussten ziemlich sicher beide, dass ich gern mehr als nur das Bett zum Schlafen mir ihr geteilt hätte und sie das gekonnt zu Nichte gemacht hatte. Dabei ging es mir auch gar nicht um meinen Stolz oder mein männliches Ego, sondern einfach nur um die blanke Enttäuschung.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mein Blick löste sich bei den folgenden Worten Taurens noch einmal kurzzeitig, um ihn schief grinsend anzusehen und eine der Bierflaschen an mich zu nehmen, nachdem er sie freundlicherweise für uns beide geöffnet hatte. "Klar.", ließ ich ihn lediglich mit einem Wort wissen, dass er mit Bier bei mir eigentlich kaum etwas falsch machen konnte. Ich bevorzugte zwar noch immer einen eher trockenen Sekt, aber ein kühles Blondes war allemal besser als Wein. Rot- oder Weißwein spielte in dem Fall auch gar keine Rolle, ich war irgendwie mehr für... na ja, den herben Geschmack, passend zu meinem Charakter eben. Gerade, als ich ihm mit dem Flaschenhals zugeprostet und dann selbst einen Schluck vom Bier genommen hatte, drangen nach einer kurzen Pause auch schon die nächsten Worte des Norwegers an mein Ohr, welche mich leise seufzen ließen und die Stimmung augenblicklich wieder ein wenig drückten. Ich richtete den Blick wieder raus aufs offene Meer, während ich Taurens Entschuldigung schweigend folgte. Ich wusste ja, dass das Thema noch einmal aufkommen würde, hatte mich auf der Fahrt hierher auch schon darauf vorbereitet und doch wusste ich nicht, was ich dazu jetzt sagen sollte. Deshalb schwieg ich bestimmt eine ganze Minute lang, nachdem der junge Mann den ersten Stein für die heutigen Aussprache gelegt hatte. Dann, als ich meine eigenen Gedanken größtenteils sortiert hatte, drehte ich mich leise seufzend wieder in seine Richtung, lehnte mit der Hüfte gegen die Mauer, auf der ich ohne Probleme auch hätte Platz nehmen können, aber stehen war mir momentan doch lieber. Mein Blick lag noch einen kurzen Moment lang auf dem Gesicht des Norwegers, sank dann aber auf die Bierflasche in meinen Händen ab, von der ich nachdenklich das Etikett zu pulen begann. "Ich... weiß ehrlich gesagt nicht, was ich sagen soll.", stellte ich in Richtung Boden redend für den jungen Mann neben mir hörbar fest, ehe ich meinen Kopf doch wieder anhob, um ihn direkt anzusehen. Mit einem Blick, der zum ersten Mal seit einer sehr langen Zeit verdammt weich war, fast schon ein wenig verzweifelt wirkte und ihn geradewegs in meine zerbrochene Seele sehen ließ, mit der ich mich in den letzten Tagen wieder ein bisschen zu ausgiebig beschäftigt hatte. "Das... also die Sache ist... Wir wissen wohl beide, dass ich mit Worten absolut nicht umgehen kann und das war auch überhaupt nicht der Punkt, an dem ich mich aufgehangen habe. Es ist vielleicht auch gar nicht so verkehrt, wenn man mir sagt, wann ich unsensibel bin, weil ich das selbst einfach nicht merkte, aber...", sprach ich etwas stockend meine Gedanken mit der anschließenden Bitte aus, dass er mich auch künftig gerne darauf aufmerksam machen durfte, wenn ich ihm mal wieder zu kalt war. Das konnte ich problemlos wegstecken und hatte nicht im Ansatz für das verbeulte Stück Blech in meiner Brust gesorgt, dass seit dem Streit irgendwie an Masse zugelegt hatte und immer schwerer geworden war. Jedenfalls war es das an Erklärung ja noch nicht ganz gewesen, ein wichtiger Teil fehlte nämlich noch. Bevor ich allerdings dazu ansetzen konnte, Tauren zu offenbaren, womit er mich letztlich ihm gegenüber wieder so verschlossen hatte werden lassen, musste ich erst einmal den unangenehmen Kloß im Hals los werden. Ich wandte den Blick beim Reden wieder ab, sah zurück auf die Bierflasche. "Aber als du sagtest, dass du dich im Umgang mit mir fühlst wie in einer Einbahnstraße... Scheiße man, das hat weh getan.", murmelte ich ein wenig undeutlich vor mich hin und musste mir gegen Ende des Satzes eine einzelne Träne von der Wange wischen, die ich nicht hatte zurückhalten können. "Ich meine... ich hab dir schon etliche Schlüssel zu meinem Herzen in die Hand gedrückt, weil ich einfach nicht wusste, wie ich dir sonst zeigen sollte, dass ich mich entgegen aller meiner... keine Ahnung, kalten und unfairen Aussagen dir gegenüber in deiner Gegenwart verdammt wohl gefühlt habe und dann sowas zu hören...", redete ich mir all den Frust, der sich in den letzten Tagen angesammelt hatte, von der Seele, stammelte hier und da ein wenig, weil mir einfach die passenden Worte fehlten oder ich mir einfach nicht sicher war, ob ich mich ihm wirklich so verletzlich zeigen wollte. Aber im Endeffekt war das jetzt dann auch egal, wo er mich doch maximal nur noch auslachen könnte, wenn ihm der Sinn danach stand. Glaubte ich zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht, weil er sich den Versuch einer Aussprache dann gelinge gesagt in den Arsch hätte stecken können, wenn er noch nicht einmal bereit dazu war, mit meinen überschäumenden Emotionen Bekanntschaft zu machen, auf die er es die ganze Zeit zuvor bereits abgesehen hatte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Immerhin schien Vahagn es mir nicht anzukreiden, dass ich sie bezüglich ihrer kalten Art so angeschnauzt hatte. Dass ich sie unter Umständen sogar vielleicht hin und wieder ganz gerne mal darauf hinweisen sollte, wenn sie wieder mal mit mir redete, als wäre sie die Eiskönigin höchstpersönlich, weil sie es selbst einfach manchmal nicht so richtig merkte. Sie dahingehend vielleicht hier und da einfach eine kleine Stütze brauchte, um immer mal wieder ein paar Schritte in Richtung weniger kalter Fassade zu tätigen. Also nickte ich ein klein wenig, wobei das Ende ihres Satzes irgendwie schon gar nicht gut klang. Ein aber war nur selten was Gutes und das, was dann als nächstes von ihrer Seite aus folgte, stürzte meinen Kopf in gänzliche Verwirrung - als wäre ich nicht ohnehin schon die ganzen letzten Tage über genug durch den Wind gewesen. Die Brünette hatte es innerhalb von ein paar wenigen Sätzen geschafft, dass ich wirklich gar nicht mehr wusste, was ich denken oder dazu sagen sollte. Sagte sie mir hier gerade, dass sie mich eigentlich schon ganz gern mochte, obwohl sie mir ein paar Tage zuvor noch gesagt hatte, dass sie mir auf keinen Fall näher kommen wollte, beziehungsweise sollte? Sie fing schon wieder damit an etliche neue Fragezeichen in meinem Kopf zu schaffen, indem sie ein anderes beigelegt hatte. Mal ganz davon abgesehen, dass es auch absolutes Neuland für mich war, dass Vahagn sich mir ganz bewusst so verletzlich zeigte. Mir wortwörtlich sagte, wo die eigentlichen Knackpunkte lagen und dass ich ihr weh getan hatte, obwohl ihr doch eigentlich gar nicht genug an mir gelegen hatte, um die Freundschaftsgrenze zu überschreiten... wobei, nein, so hatte sie das eigentlich nie wortwörtlich gesagt. Sie hatte lediglich ausformuliert, dass sie es für keine gute Idee hielt und es angeblich besser für alle Beteiligten war, wenn wir das mit dem Sex einfach bleiben ließen, obwohl da durchaus Anziehung zwischen uns war. Im Grunde genommen war dieser ganze Mist also nur so gelaufen, weil sie keine offen ausgespielten Karten hatte auf den Tisch legen wollen und dahingehend nicht mit mir kommuniziert hatte. Beziehungsweise eben keine wirklich eindeutigen Signale, sondern immer so eine Mischung aus Pro und Kontra an mich abgesandt hatte, um mich zwar irgendwie auf Abstand zu halten, aber irgendwie halt auch nicht. Je länger ich darüber nachdachte, desto eher hatte ich das Gefühl bald Kopfschmerzen von der Karussellfahrt in meinem Schädel zu kriegen. Mal ganz davon abgesehen, dass mir die einsame Träne auf der Wange der Russin gleich wieder ein doppelt schlechtes Gewissen einbrachte, weil jene ganz eindeutig meine Schuld war, wusste ich wirklich nicht mehr wo mit gerade der Kopf stand, weil sich kaum einer meiner Gedanken noch in eine sinnvolle Reihenfolge schieben ließ. Dementsprechend hatte ich sie auch bestimmt erstmal eine halbe Minute lang komplett verwirrt und leicht überfordert angesehen, bevor ich jetzt langsam die Sprache wiederfand und meine freie Hand anhob, um mir damit durch die Haare und über die angespannte Kopfhaut zu raufen. "Ich hab das nicht so gemeint... wirklich nicht, ich war einfach nur... verletzt und dann hat das viel härter geklungen, als es eigentlich sollte... ich meine, ich hab ja gemerkt, dass du ganz anders kannst. Wir haben uns ja auch oft gut verstanden... nur steht das dann manchmal so komplett im Gegensatz zu dem, was du sagt und dann weiß ich jedes Mal wieder gar nicht mehr, was jetzt richtig und was falsch ist und was du während du mich abweist eigentlich wirklich denkst, was du nur nicht aussprechen willst... kannst.", redete ich ebenfalls leicht zerstückelt, wirr und etwas betreten vor mich hin, wo in meinen Augen hier das eigentliche Problem lag. Nämlich in der mangelnden eindeutigen, klaren Kommunikation zwischen uns. Sie konnte schließlich auch nicht von mir erwarten, dass ich vollkommen ruhig mit einem 'Ja klar, kein Ding' darauf reagierte, wenn wir zuerst diesen merkwürdig intimen Moment im Badezimmer miteinander teilten und sie sich auch noch dafür aussprach, selbst schon über das Überschreiten der platonischen Grenze nachgedacht zu haben, nur um mir dann ein paar Stunden später eiskalt eine absolut herzlose Abfuhr zu erteilen. Das war an Taktlosigkeit schlichtweg nicht zu übertreffen. "Ich weiß, wie unheimlich schwer dir das fällt, aber... du musst mir einfach sagen, was du wirklich denkst... und was du fühlst... ich kann dir leider nicht in den Kopf schauen und nicht erkennen, was du hinter der kalten Fassade versteckst...", murmelte ich, wurde gegen Ende hin immer leiser. Es war einfach ein wahnsinnig unangenehmer Moment und ich hatte das dringende Bedürfnis dazu Vahagn einfach zu umarmen, um ihr ein positives Gefühl zu vermitteln, obwohl das Thema gerade so ein unangenehmes war - für uns beide wohlgemerkt. Es ließ sich nun mal einfach nicht umgehen und musste ausgesprochen werden, wenn wir die Sache richtig klären und weniger holprig als vorher weitermachen wollten. Aber sie einfach so da stehen zu lassen tat schon beim hinschauen weh. "Komm... komm mal her.", setzte ich leise zu einem vorsichtigen Annäherungsversuch an, streckte meine Hand nach ihrem schmalen Handgelenk aus und gab ihr nur einen sachten Impuls dazu, näher zu mir hin zu kommen und sich umarmen zu lassen. Ich wollte sie ganz bewusst nicht dazu drängen, sondern ihr die Wahl lassen, bevor ich hier wieder irgendwas falsch interpretierte und umsetzte. Mir ihren Arm wieder zu entziehen wäre kein Problem, ich hielt sie schließlich nur ganz locker fest.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mittlerweile sollte Tauren eigentlich wissen, dass ich in der Regel kein Blatt vor den Mund nahm, wenn es um das Aussprechen meiner Gedanken ging. Fand ich etwas scheiße, dann teilte ich das auch mit. Mal absolut offensichtlich, mal weniger, aber letzten Endes wusste man ja doch immer, woran man an mir war. Das gestaltete sich nur alles ein bisschen schwieriger, wenn ich selbst nicht so genau wusste, was ich eigentlich denken sollte. Auf der einen Seite hielt ich weiterhin daran fest, dass so etwas wie Liebe und Gefühle im Allgemeinen in meinem Leben schlichtweg nicht existierten, aber auf der anderen Seite ließ sich die Existenz ja doch nur schwer leugnen. Denn warum sonst lag mir Tauren so sehr am Herzen lag, dass ich mich durch ihn verletzt fühlen konnte, wenn da nicht irgendeine Art speziellerer Bezug zu ihm war. Ich wollte mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen und von Liebe reden, denn dafür kannten wir uns schlicht noch nicht lange genug, aber... da war eben ein bisschen mehr, als reine sexuelle Anziehungskraft, wenn man mich fragte. Vielleicht lag es einfach daran, dass der Norweger so ziemlich alles daran setzte, sich neben seinem eigenen auch um mein Wohlergehen zu sorgen, wo ich das in den letzten Jahren doch immer bloß alleine getan hatte. Niemand sonst so geduldig und empfindsam war, als dass er auf Dauer meinen ewigen Zickereien standhielt, die im Grunde genommen allesamt nie wirklich böse gemeint waren. Der junge Mann hingegen... ließ einfach nicht locker, egal, wie kalt die Schulter war, die ich ihm zeigte und egal, wie oft ich mich im Kreis bewegte... immer dann, wenn ich hinter mich sah, stand er da. Mit dem Latein am Ende, aber das spielte nicht wirklich eine Rolle - Hauptsache, er war da. Folgte mir und bewahrte mich vor dem Fall. Als Beispiel hierfür würde ich gerne die Eskorte vom Casino bis nach Hause anführen. "Ich weiß, ich weiß...", antwortete ich jedoch erst einmal mit zittriger Stimme auf die Tatsache, dass vieles, was ich tat, absolut nicht zueinander passte. Man könnte mein, dass ich das absichtlich tat, um ihn - wie auch jetzt - immer wieder vor ein neues Rätsel zu stellen, welches er lösen musste, aber dem war nicht so. Ich wusste es nur einfach nicht besser und auffallen tat es mir auch nicht. Dass da vieles einfach im kompletten Widerspruch zueinander stand, lag wohl ganz einfach daran, dass ich mir selber unklar darüber war, was ich eigentlich genau wollte. Würde ich die Aufmerksamkeit eines anderen gerne genießen? Oder doch weiterhin alleine und und nur für mich selbst leben? Beides hatte seine Vor- und Nachteile und so lange ich mir selbst nicht den nötigen Ruck gegeben hatte, mich für eine Option zu entscheiden, würden diese mal möchte ich das, dann wieder etwas anderes Phasen wohl nicht verschwinden. Tja, nun, dafür konnte aber der arme Tauren nichts - oder zumindest nur sehr indirekt -, wie mir schmerzlicher weise bewusst wurde, als ich gerade etwas intensiver darüber nachdachte, wo doch die Bitte, ihm einfach zu sagen, was ich dachte und was ich fühlte, aufkam. Unterstrichen von einer zaghaften Berührung meines Handgelenks, die mich meinen Blick wieder anheben ließ. Ich seufzte leise, die Gedanken fuhren Achterbahn und ich wusste überhaupt nicht mehr, wohin mit mir. Und weil mein Hirn momentan ganz offensichtlich schon genug zu verarbeiten hatte, übernahm kurzerhand das Herz die Führung und ließ mich die Bierflasche abstellte, um dann die wenigen Zentimeter Distanz zwischen dem Norweger und mir zu überbrücken. Ich lehnte meinen Kopf gegen seine Brust und sah aus der Position heraus wieder aufs Meer, dessen rauschende Wellen wohl jede Art von Konversation mit dem gewissen Extra unterstrich. Streitete man sich hier, versinnbildlichte das Brechen der Wellen das heran nahende Donnerwetter, während man in Situationen wie diesen hier der Meinung sein konnte, dass das Rauschen doch einen eher beruhigenden Einfluss auf einen selbst und die Gedanken haben konnte, welche einen auf Trab hielten. Einem damit half, sich als eine der Wellen zu identifizierten, die oft in ihrem Leben gegen Steine, Ecken und Kanten prallte, fiel und letzten Endes viel stärker zurück kehrte. "Das Problem ist, Tauren, dass ich überhaupt nicht weiß, was ich will und was gut ist oder wofür ich mich letztlich entscheiden soll, weil ich mir immer wieder nur selbst im Weg stehe.", brachte ich das Problem, welches in dem Fall kein anderes als ich selbst war, auf den Punkt. Mein Kopf wollte das nun mal so, während mein Herz nach etwas ganz anderem verlangte und einen Kompromiss zu finden war dahingehend einfach verdammt schwer. Aber mit der Aussage war leider auch niemanden geholfen und wenn ich wollte, dass der junge Mann mir eventuell bei der Findung einer Lösung behilflich sein musste, dann brauchte er wohl mehr Anhaltspunkte zu dem Knoten, der sich in meinem Inneren gebildet hatte. "Es ist irgendwie... ich weiß nicht... auf der einen Seite würde ich gerne mehr Zeit mit dir verbringen, mich damit aber an keine Verpflichtungen binden. Außerdem würde ich dir auch gerne ein wenig mehr über mich erzählen, dann aber wieder doch nicht, weil... ach, keine Ahnung... ich das Gefühl hab, dass es ja doch nicht so wichtig ist.", stammelte ich wirsch vor mich und irgendwie waren in der Zwischenzeit die Dämme gebrochen. Wie bereits an dem Abend nach unserem Streit liefen die Tränen wortlos über meine Wange, ohne das ich dabei das Gesicht verzog. Es war mehr so, als wären die Füllstände erreicht und das Fass lief über, anstatt das ich bewusst zu weinen anfing. War einfach alles irgendwie... komisch.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #