Mir wurde schon mulmig in der Magengegend als hier draußen im Flur hörbar war, dass die beiden Frauen sich augenscheinlich in die Haare kriegten. Sich gegenseitig anschnauzten, auch wenn der genaue Wortlaut nicht hörbar war. Es klang in jedem Fall ungemütlich und ich sah von der Tür weg noch einmal mit unruhigem Blick zu Hunter, der nur mit den breiten Schultern zuckte. "Sie wird sie schon nicht umlegen... denk ich.", machte er weiterhin Witze darüber und ließ sich von Ashtons Grinsen anstecken, bevor er erneut ein paar Schlucke von dem Kaffee nahm. Letzterer lachte leise vor sich hin und fand es scheinbar nach wie vor zum schießen, dass ich mir ernsthafte Sorgen um die Russin machte, obwohl ich sie kaum kannte. Trotzdem kannte ich sie schon besser als jeder andere hier und ich sah etwas Gutes in ihr. Vielleicht war sie nicht fähig dazu jene Eigenschaften an der Öffentlichkeit nach außen zu tragen, aber sie waren da und ich wollte ihnen eine Chance dazu geben sich weiterzuentwickeln - was nur ging, wenn sie nicht vorher in einer Badewanne ertränkt wurde. Die Tür öffnete sich nach weiterem Gekeife von innen und heraus kam eine noch tropfnasse Vahagn, dicht gefolgt von dem rothaarigen kleinen Teufel, der sich postwendend an uns allen vorbei und zur Treppe mogelte. Ich hätte wohl vorher wissen müssen, dass diese Sache nicht gut ausgehen konnte und jetzt stand die Brünette da wie ein begossener Pudel ziemlich hilflos im Flur herum. Mit nicht mehr als einem Handtuch bekleidet, noch tropfenden Haaren und Klamotten in der Hand, die sie sich nur schwer allein anziehen konnte... und die sie fallen ließ, weil ihre Arme nicht mehr konnten. Dicht gefolgt von dem einzigen Sichtschutz an ihrem Körper, der ebenso einen plötzlichen Abgang machte. Ab da wusste ich weder wo ich hinsehen, noch was ich tun sollte und senkte den Blick sofort nach unten auf den edlen, glänzenden Steinboden vor meinen Füßen. Ich sollte die Brünette nicht nackt sehen, weil sie das nicht wollte und ich auch einfach keinerlei Rechte dazu hatte ihr diese Privatsphäre zu nehmen. Aber ein anderer Teil meines Gehirns plädierte fröhlich darauf, dass ein einziger Blick doch nicht schaden konnte, Hunter und Ashton sicher sowieso auch hinsahen, das mehr oder weniger also gar keinen Unterschied mehr machte. Also passierte in den ersten fünf bis zehn Sekunden, die sie da unweit von uns nackt im Flur stand, meinerseits erstmal absolut gar nichts, außer dem starren Blick auf den Boden. Sowohl der Amerikaner, als auch seine rechte Hand waren weit agiler als ich unterwegs und sie hätten längst nach dem Handtuch greifen und es ihr wieder umlegen können. Taten sie natürlich aber nicht, weil das nett oder gar menschlich gewesen wäre. Hunter fing nach ein paar schweigsamen Sekunden kopfschüttelnd an in sich hinein zu lachen und drehte sich um, augenscheinlich um Cosma zu folgen, während Ashton die Brünette ganz ungeniert von oben nach unten musterte. Also blieb es wohl doch an mir kleben, weshalb ich in ihre Richtung zu humpeln und die wenigen Meter zu überbrücken begann. Es war einfach absolut unvermeidlich, dass ich, nachdem ich das Handtuch möglichst zügig vom Boden gefischt hatte, beim Anheben meines Blickes auch Stellen ihres Körpers sah, die ich zwar durchaus gerne sehen wollte, aber nicht sollte. Vor allem deswegen, weil das Unterfangen unnötig lange dauerte, da ich nach wie vor nur den einen brauchbaren Arm hatte - unter dem vorübergehend die Krücke klemmte - und der zweite sich nur schwer unter Schmerzen dazu ermutigen ließ, aktiv mitzuhelfen. Ashton wandte sich hinter mir indessen auch mit den amüsiert klingenden Worten "Darauf erstmal Eine rauchen.", von uns ab, steuerte die Haustür an. Ich fing mit einem leisen Schlucken an die Klamotten auf dem Boden noch einzusammeln, als ich sicher war, dass Vahagn das Handtuch relativ sicher allein festhalten konnte. Ich klemmte sie mir unter den unverletzten Arm und nahm die Krücke wieder in die Hand, ehe ich die Brünette vorsichtig direkt ansah. "Mach dir um die Idioten keinen Kopf, sie sind's wirklich nicht wert.", murmelte ich in ihre Richtung, bevor ich an ihr vorbei ins Badezimmer humpelte. Meine Worte schlossen auch die Rothaarige mit ein, die sich hier reichlich unreif gezeigt hatte und natürlich wusste ich, dass das leichter gesagt als getan war. Denn es war der Russin anzusehen, wie furchtbar unangenehm ihr die ganze Geschichte war. Wenn sie weiter darauf bestand sich noch allein anzuziehen, obwohl sie offensichtlich auch Schmerzen hatte, dann ließ ich sie damit natürlich wieder allein oder drehte mich zumindest um... aber ich wollte ihren Armen wenigstens die Last der Klamotten abnehmen und sie nahe des Klos mit runtergeklapptem Deckel ablegen, um ihr einen Hauch des Schmerzpensums zu ersparen.
Tauren sollte sich mal nicht so haben. Er war doch selbst daran Schuld, hatte die junge Frau eigenhändig - mit Ashton - hierher geschleppt und in genau diese Situatiob beordert. Also sollte er sich jetzt auch nicht darüber beschweren, dass die ganze Sache reichlich schief gegangen war. War immerhin auf seinen Mist gewachsen und nicht auf meinen, Cosmas oder Ashtons. Dementsprechend konnte ich die folgende Szene nur belächeln. Nicht, weil ich mich an Vahagns Nacktheit erfreute, sondern an der ganz allgemeinen Situation. Wäre ich nicht in festen Händen und würde keine Geschäfte mit ihr machen, dann würde ich sie bei einem Angebot ihrerseits zwar sicher nicht nein sagen, weil sie trotz der zahlreichen Narben ganz gut aussah - wobei ich sie aber eher nur flüchtig ansah -, aber das war gerade wirklich nicht meine Priorität. Der Anblick machte mein Gehirn kurzzeitig erneut darauf aufmerksam, wie sehr ich auf dem Trockenen saß, aber da war die Russin aus diversen Gründen weiterhin so ziemlich meine letzte Wahl und demnach vollkommen uninteressant. Also lachte ich bestens unterhalten von der Gesamtsituation - der entblößten, sich sichtlich unwohl fühlenden jungen Frau, die sich das mit großer Wahrscheinlichkeit selbst zuzuschreiben hatte, sowie auch Taurens offensichtliche Unschlüssigkeit - einen Augenblick lang vor mich hin, bevor ich mich abwendete um stattdessen nach Cosma zu sehen. Immerhin hatte sie das Badezimmer keineswegs in bester Laune verlassen und solange die beiden Turteltauben noch damit beschäftigt waren den Job meiner besseren Hälfte zu Ende zu bringen, konnte ich mich solange der Beruhigung von letzterer widmen. Das Erklimmen der Treppenstufen war wegen dem Streifschuss an der Hüfte weiterhin ein wenig schmerzhaft, aber ich verzog keine Miene auf dem Weg nach oben. Lediglich neutralisierte sich mein Gesichtsausdruck wieder und ich schloss zu der Rothaarigen in unser Schlafzimmer auf. "Was hat sie gesagt?", hakte ich relativ entspannt nach als ich die Tür - wesentlich sanfter als meine Freundin zuvor - hinter mir wieder geschlossen hatte, weil es zum einen einfach von Interesse für mich war und Cosma sich zum anderen bei einer derartig formulierten Frage quasi direkt über das Miststück auskotzen konnte, ohne, dass ich sie direkt dazu auffordern musste. Ich wusste zwar nicht, von wem die Provokation ausgegangen war, jedoch würde ich der jungen Frau so oder so keinerlei Vorwürfe für ihre Aktion von gerade eben machen. Vahagn hatte einfach nur mal eine Quittung für ihre vorheriges Verhalten kassiert und das war vollkommen in Ordnung für mich. Dann kam Tauren wenigstens kein zweites Mal auf eine dermaßen naive Idee und blieb mit dem Biest meinen vier Wänden fern.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es gab Menschen, die verließen eine Konfliktsituation, atmeten zwei oder drei Mal tief durch, um danach sofort wieder klar im Kopf zu sein. Tja und dann gab es mich... Auch nachdem die Tür hinter mir ins Schloss gefallen war, stand mir dir rote Farbe noch immer im Gesicht und ich fluchte leise vor mich hin, als ich zielstrebig in Richtung Balkontür lief. Ich brauchte frische Luft, musste den Frust wegatmen, weshalb es vielleicht besser gewesen wäre, aus dem Haus raus und nicht hoch ins Schlafzimmer zu laufen. Ich sah es jedoch gar nicht ein, mich von der Russin auch noch aus meinen eigenen vier Wänden ekeln zu lassen, weshalb die frische Meeresbrise vom Balkon aus seine Arbeit leisten musste. Die nach Salz und Sand duftende Luft im Zusammenspiel mit der angenehmen Wärme ließ mich tatsächlich ein kleines bisschen runter kommen, sodass mein Blick zur Tür nicht ganz so streng war, als Hunter wenige Minuten nach mir das Schlafzimmer betrat. Ich drehte mich dennoch weiterhin aufgebracht in seine Richtung, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte mich mit der Hüfte gegen das massive Balkongeländer aus rauem Stein. Als der Amerikaner noch ein paar Meter auf mich zukam, stieß ich mich allerdings leise seufzend von letzterem ab, um an der Schwelle zum Schlafzimmer meinen Kopf durch den Rahmen der Balkontür zu stecken. "Ich hab ihr versehentlich weh getan und da hat sie mich direkt angemotzt, dass ich doch bitte aufpassen soll und es mir scheinbar schwer fällt, ein wenig Rücksicht zu nehmen.", fasste ich kurz und knapp alle wichtigen Details des Gespräch von vor wenigen Minuten mit Vahagn im Badezimmer zusammen und hängte nicht weniger gereizt noch ein paar weitere Worte hinten dran. "Dabei war es wirklich nicht meine Absicht gewesen, auch wenn ich sicherlich genug Gründe dafür gehabt hätte." Klar, die Art, wie ich darauffolgend mit ihr umgegangen war, konnte man auch nicht unbedingt als die feine Englische titulieren, aber alle der hier Anwesenden wussten, dass ich sowas nun mal nicht einfach auf mir hätte sitzen lassen können. Außerdem war ja nichts weiter passiert, außer dass ich einer ihrer Wunden gegen Ende dann doch noch einmal ganz bewusst gereizt hatte. Die Treppenstufen nach oben hatte ich jeweils in Zweischritten genommen und somit war auch das von mir alles andere als geplante Malheur vollkommen an mir vorbei gezogen. Nicht, dass das Wissen darüber mich jetzt in meiner Denkweise beeinflusst oder mich das schlechte Gewissen geplagt hätte, aber eventuell wäre ich dann jetzt weniger aufgebracht und dafür etwas amüsierter gewesen, wenn ich wusste, dass die Brünette in einer sehr unangenehmen Situation steckte - Schadenfreude und so. "Das war einfach eine verdammt beschissene Idee, noch mal tue ich mir das ganz sicher nicht an.", stellte ich für mich eine trotzige Entscheidung fest. Zwar war das, was zwischen der jungen Frau und mir passiert war eigentlich nichts weiter als ein Missverständnis, eine blöde Lappalie gewesen, aber ich wäre ja nicht ich, wenn aus der Mücke kein Elefant wurde. Zudem musste man sagen, dass sich mein Gemüt natürlich sehr viel leichter durch die ohnehin angeknackste Beziehungsebene beeinflussen ließ. Vermutlich hätte ich bei einer solche Diskussion mit jemand anderen, gegen den ich keine persönliche Abneigung hegte, nicht dermaßen überreagiert - in Stein meißeln würde ich das allerdings auch nicht.
Es gab nichts, wirklich gar nichts, was ich in diesem Moment lieber getan hätte, als alle der hier Anwesenden eigenhändig umzubringen, nur um daraufhin vor Scham im Erdboden zu versinken. Für mich wäre es die eine Sache gewesen, wenn nur Tauren mich doch noch nackt gesehen hätte - wäre immer noch unangenehm gewesen, aber bei weitem nicht so schlimm, wie das hier -, aber mussten denn Hunter und Ashton auch unmittelbar vor der Badezimmertür darauf warten, dass die Situation im Inneren eskalierte? Glücklicherweise schien Hunter nur einen kurzen, eher flüchtigen Blick auf meinen Körper geworfen zu haben, denn er wandte sich nach nur ein einem kurzen undefinierten, dafür hörbar amüsierten Laut ab, wobei ich der festen Überzeugung war, dass er mich künftig trotzdem noch weniger Ernst nehmen würde, als das ohnehin schon der Fall war. Genau das war der ausschlaggebende Grund dafür gewesen, warum ich mir nicht direkt hatte helfen lassen wollen, sondern es stattdessen lieber erst einmal alleine versucht hätte. Aber nein, in Taurens Augen war ich ja noch viel zu schwach und gebrechlich. Dabei hatte es vor wenigen Minuten verhältnismäßig gut geklappt, eigenständig aus der Wanne zu krabbeln. Mit genügend Zeit und ausreichend Durchhaltevermögen wäre das Duschen sicher irgendwie gut gegangen. Stattdessen stand ich jetzt hier wie Gott mich schuf und musste die eindringlichen Blicke von Hunters rechter Hand über mich ergehen lassen, ehe auch dieser sich - natürlich nicht ohne einen entsprechenden Kommentar - nach draußen verzog. Damit blieb nur noch der Norweger übrig, der so ziemlich als einziger darum bemüht war, mir das Handtuch anzureichen, weil ich selbst kaum dazu imstande gewesen wäre, es eigens vom Boden aufzuheben. Indessen war ich wieder ein wenig in Gedanken versunken, weil ich absolut nicht mehr wusste, was ich jetzt noch groß sagen sollte. Auf der einen Seite war ich stinksauer, dass der junge Mann mich mehr oder weniger in diese Situation gebracht hatte, auf der anderen Seite wusste ich irgendwie aber auch, dass er es keinesfalls böse gemeint hatte. Wäre das der Fall gewesen, würde ich wohl nicht hier stehen, sondern mich irgendwo in Russland von Michail belästigen lassen. Nichtsdestotrotz fand ich in diesem Augenblick keine Worte, die nicht irgendwie verletzt, beschämt oder wütend klangen und so drehte ich mich mit zusammengezogenen Augenbrauen, aber einem Gesicht, dass einem kolossalem Nervenzusammenbruch nahe war in seine Richtung, atmete vor dem Ansprechen des jungen Mannes noch einmal tief durch, weil ich merkte, dass der Kloß im Hals mir sonst die Luft zum Atmen genommen hätte. Es war wie gesagt nicht so, als gäbe es große Probleme, wenn mich jemand nackt sah, aber momentan war selbst mir einfach alles ein wenig zu viel. Zwar war ich vom Heulen grundlegend noch ziemlich weit entfernt, tat ich das doch ohnehin nur selten ohne einen wirklich triftigen Grund - wie beispielsweise der Schmerzen -, aber auch mir sah man manchmal an, dass ich doch nur ein Mensch war. Der eben auch nicht unendlich viel Last auf seinen Schultern mit sich herum schleppen konnte, auch wenn das wünschenswert wäre. "Vielen Dank auch...", setzte ich vorwurfsvoll an. "Hättest du mich nicht einfach ausprobieren lassen können, ob ich nicht doch dazu in der Lage gewesen wäre, mich selbst zu waschen? War das hier jetzt wirklich nötig?", richtete ich ein paar hörbar gekränkte, rhetorische Frage an ihn, ehe ich ein paar Schritte ins Badezimmer trat. Eigentlich nur, um mir von dem geschlossenen Toilettendeckel gleich mal Socken und die Unterhose der zusammen gesammelten Klamotten zu schnappen. Beim Oberteil würde ich wohl ziemlich sicher noch Hilfe brauchen, aber im Grunde genommen war das jetzt auch alles irgendwie... egal. Auch Tauren hatte sicher einen Blick riskiert, als das Handtuch einen Abgang gemacht hatte, dann konnte er mir bei dem Shirt auch gleich behilflich sein. Bis dahin konnte ich aber noch eindringlich darüber nachdenken, was ich von der ganzen Sache hier noch halten sollte. War es wirklich eine gute Idee gewesen, hier auf Kuba zu rasten?
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Cosma fackelte gar nicht lange damit mir die Situation unten im Badezimmer grob zu schildern, wobei nicht zu überhören war, dass sie noch immer reichlich genervt von der Geschichte war. Übel nehmen tat ich für meinen Teil ihr das aber absolut nicht. Das hier waren schließlich unsere vier Wände und da hatte die Brünette sich ganz einfach zu benehmen. Ganz gleich wie schwer ihr das fallen mochte - tanzte sie hier nicht so, wie die Rothaarige und ich das gerne hatten, dann musste sie ganz einfach mit dem darauffolgenden Echo klarkommen. Auge um Auge, Zahn um Zahn. "Ich glaube nicht, dass sie sich das überhaupt nochmal freiwillig antun will...", setzte ich zum Reden an und kam der jungen Frau dabei die letzten paar Meter entgegen. Stand dann vor ihr und legte ihr den freien Arm locker um die Taille, während mein Blick weiterhin den ihren suchte. "...ich weiß nicht, ob du das noch gesehen hast, aber sie hat absolut Alles fallen lassen, weil sie's nicht festhalten konnte. War herrlich zu sehen, wie unangenehm ihr das war. Hat da gestanden wie ein Köter im Regen. Mit eingeklemmter Rute.", versinnbildlichte ich der jungen Frau mir gegenüber mit einem leichten Grinsen das absolut zufriedenstellende Bild von der Russin, die in jenem Moment kaum mehr wiederzuerkennen gewesen war. Da war von der großen Klappe, die sie sonst absolut immer an den Tag zu legen pflegte, kein einziger kleiner Funke mehr zu sehen gewesen. Irgendwann holte einen das Karma eben einfach ein - wobei es mit mir meistens irgendwie sehr gnädig zu sein schien, wenn man Schussverletzungen nicht dazu zählte. Die waren zwar auch kein Alltag bei mir, kamen aber eben doch immer mal wieder vor. Stichverletzungen waren hingegen sehr selten, weil mir kaum Jemand auf norwegischem Grund freiwillig nahe gekommen war. Vielleicht änderte sich das hier in Kuba, sobald mich die ersten auf dem Kieker hatten. Würde bestimmt lustig werden, Nahkämpfe waren für mich wirklich zur Seltenheit geworden. Wurde quasi mal wieder Zeit, meine Fähigkeiten dahingehend auf die Probe zu stellen, auch wenn ich irgendwie nicht glaubte, dass ein paar kubanische Zigarrenhändler oder dergleichen mir überhaupt etwas entgegenzusetzen hatten. "Kann man ihr von jetzt an dann immer wieder schön unter die Nase reiben, wenn sie den Mund zu voll nimmt.", stellte ich amüsiert fest, dass man sich das auch künftig noch zu Nutze machen konnte und wanderte im gleichen Atemzug mit meinen Fingern am Rücken unter Cosmas Shirt. Strich ihr ein klein wenig über die weiche Haut, bevor ich den Kopf kurzzeitig zur Seite drehte, um ihr die Tasse beim leer trinken des Kaffees nicht ins Gesicht zu halten.
Vermutlich hätte mir klar sein müssen, dass die blöde Situation jetzt gänzlich auf mich zurückfiel. Dass die Brünette folglich mir die Schuld an der ganzen Misere gab, obwohl es gar nicht so wirklich meine war. Natürlich hatte ich sie hierher gebracht, aber halbnackt in den Flur geschubst wurde sie von Cosma. Zwar war die Eskalation ein Stück weit vorprogrammiert gewesen, aber... ach man, ich hatte doch wirklich nicht gewollt, dass es so kam. Hatte keinerlei böse Hintergedanken mit dieser Aktion gehabt, sondern hatte einfach nur nicht gewollt, dass die Russin sich selbst noch mehr wehtat, indem sie ihre Wunden beim eigenhändigen Abduschen überstrapazierte. War eben leider nicht so aufgegangen, wie ich mir das gewünscht hatte, aber das hatte ich ganz einfach nicht vorher wissen können. Cosma war, wenn es erforderlich war, meistens eigentlich relativ vernünftig... nur war ihre Person in Kombination mit Vahagn wohl einfach zu viel für beide Seiten. Vielleicht hätte ich das einfach kommen sehen müssen und die junge Frau schaffte es mit ihren Worten hier gerade ganz hervorragend, mir ein verdammt schlechtes Gewissen einzureden. "Es tut mir leid, okay? Ich konnte doch nicht wissen, dass sie dermaßen austickt... ich wollte dir wirklich nur helfen.", murmelte ich hörbar geknickt vor mich hin und senkte den Blick zeitnah wieder auf die Fliesen im Badezimmer, weil mir das Ganze hier einfach unfassbar unangenehm war. Ich hatte es wirklich nur gut gemeint, dafür aber augenscheinlich den falschen Weg eingeschlagen und jetzt war es zumindest anteilig irgendwie meine Schuld, dass die Sache dermaßen aus dem Ruder gelaufen war und die Brünette diesen schrecklich peinlichen Moment hatte erleben müssen. Das mulmige Gefühl in der Magengegend blieb deshalb auch bestehen und ich schluckte noch einmal kaum hörbar, während ich die Fugen der Fliesen förmlich mit den Augen aufsaugte. Ich konnte das hoffentlich noch irgendwie wieder gutmachen. Wir beide hatten uns eigentlich ein Stück weit angenähert, uns hier und da durchaus ein wenig mehr Vertrauen geschenkt und mit ein bisschen Pech hatte ich das Alles womöglich gerade in den Sand gesetzt. Nicht bewusst und vor allem nicht gewollt, aber es war absolut offensichtlich, dass Vahagn jetzt mir die Schuld dafür gab.
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Umso besser. Damit tat sie mir und sich selbst einen riesigen Gefallen, denn ich für meinen Teil konnte mir das Gezicke und anderweitige Anstrengungen das nächste Mal dann sparen, wenn die Russin schon freiwillig darauf verzichtete, dieses Haus noch ein weiteres Mal zu betreten. Ohnehin stellte ich mir unweigerlich die Frage, was sie bitte dazu geritten hatte, sich auf diese absolut absurde Idee des Norwegers einzulassen. Hatte einer der beiden auch nur ansatzweise darüber nachgedacht, dass das Ganze schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war? Na ja, ganz offensichtlich nicht, aber für die Zukunft waren die beiden, meiner Meinung nach, ausreichend belehrt worden. Das sollte mir Hunter mit seinen nachfolgenden Worten auch noch mal unmissverständlich klar machen, denn es schien nach meinem Abgang wohl noch etwas passiert zu sein, dass die Brünette in Zukunft gleich doppelt abschrecken würde, uns mehr als das unbedingt nötig war, auf den Geist zu gehen. "Na toll, ich hab scheinbar ein Händchen dafür, gerade dann zu gehen, wenn es noch mal lustig wird.", stellte ich ziemlich sarkastisch fest, ehe meine Lippen ein schmales Grinsen formten. Meine Arme, die ich bis dato noch schnippisch vor der Brust verschränkt hatte, lösten sich und ich hakte mich mit den Zeigefingern in den Bund der leichten Stoffshorts ein, als Hunter auch das letzte bisschen Distanz zwischen uns überwunden und mir, wie so oft, seinen Arm um die Taille gelegt hatte. "Man, das hätte ich gerne gesehen...", fügte ich leise seufzend hinzu, wobei ich kurz darauf dann aber auch wieder mit den Schultern zuckte und das Thema damit für mich erst einmal abtat. Im Hinterkopf würde ich mir diese Information ganz sicher behalten. Auch wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hatte, glaubte ich Hunter sofort, dass auch Vahagn mal wie ein getretener Hund aussehen konnte. Sie schien schon nicht besonders glücklich gewesen zu sein, als ich sie mitamt der Klamotten und lediglich einem Handtuch bekleidet in den Flur geschubst hatte, da erschien mir der weitere Verlauf der Geschichte durchaus plausibel und gar nicht mal realitätsfremd. Spätestens dann, wenn ich ihr diesen Vorfall wirklich mal unter die Nase halten würde - was ich mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorstellen konnte, denn ich hoffte inständig, dass sie schon sehr bald wieder weg sein würde und das dann auch für immer -, ließ sich aus ihrer Reaktion darauf bestimmt einen Rückschluss ziehen, ob die Geschichte nun wahr oder erfunden war. Aber warum sollte mich mein Freund dahingehend anlügen? Machte nicht viel Sinn, wenn man mich fragte. So wirklich etwas bringen tat ihm weder die eine, noch die andere Behauptung. Nichtsdestotrotz ließ mich das wieder kurzzeitig daran zurück denken, dass Tauren doch ganz bestimmt nicht ohne weitere Absprache mit Hunters die Russin bei sich aufgenommen hatte, denn immerhin war der Amerikaner im Verhältnis ziemlich ruhig geblieben, als er Vahagn und seinem Handlanger die Tür aufgemacht hatte. Von Anzeichen der Überraschung war in seinem Gesichts nichts zu sehen gewesen. War doch etwas auffällig, wo die Beziehung zwischen ihm und dem Norweger nicht besonders gut war - da wäre er doch spätestens dann ausgeflippt, wenn Tauren wieder einmal über seinen Kopf hinweg für sich selbst entschieden hätte, oder? Und weil er genau wusste, wie empfindlich ich auf die Brünette reagierte, sollte er auch ruhig wissen, dass er zumindest eine winzige Teilschuld an meiner schlechten Laune hatte. Einfach nur deswegen, weil er seinem Fußabtreter nicht untersagt hatte, Vahagn bei sich wohnen zu lassen und sie wieder gesund zu pflegen. Außerdem hätte er mich informieren müssen, dann wäre noch genug Zeit gewesen, um an der nächsten Ecke ausreichend Gras kaufen zu gehen, um den Mist hier halbwegs souverän und nicht ansatzweise so mürrisch, wie es jetzt der Fall gewesen war, durchzuziehen. Ich löste daher eine Hand vom Bund der Shorts, um mit dem Zeigefinger stattdessen gegen die durchtrainierte, volltätowierte und nicht wenige Narben aufweisende Brust zu tippen. "Ungeachtet der ganzen Scheiße, habe ich das Gefühl, dass du von ihrer Anwesenheit hier auf der Insel wusstest. Hast du mir dahingehend etwas zu sagen?", fragte ich mit einer erhobenen Augenbraue. Dabei war gerade die letzte Frage mit einem amüsierten Unterton belegt, denn er wusste ziemlich sicher, dass ich hier und jetzt nicht unbedingt noch mehr Streit gebrauchen konnte. Davon hatten gerade wir beide in der letzten Zeit einfach viel zu viel gehabt - nicht zuletzt eben auch wegen der Russin. Deshalb wollte ich mit der etwas scherzhaft verpackten Frage meine vorangegangenen, durchweg Ernst gemeinten Bedenken ein wenig auflockern.
Das war ja schön, dass ihm das Leid tat. Nur machte es die ganze Sache nun mal nicht ungesehen, weshalb ich auf die Entschuldigung nur mit dem Kopf schütteln konnte. Seine Aussage blieb vorerst jedoch unkommentiert, weil ich auf Biegen und Brechen versuchte, mir die Socken anzuziehen, was in Anbetracht des geschundenen Oberkörpers leichter gesagt, als getan war. Aber ich biss mich da durch, aus Prinzip, weil ich jetzt erst Recht nicht mehr Schwäche zeigen wollte, als notwendig war. Dass ich mir dabei gefühlt eine Schulter auskugelte und dem ohnehin schon geschädigten Schlüsselbein beinahe den Rest gab, ließ ich auch einfach mal so stehen. Meine schmerzverzerrte Miene sprach in dem Punkt für sich und auch die scharf eingezogene Luft, als ich wieder in meine Ausgangsposition zurück kehrte, machte deutlich, wie wenig ich eigentlich tatsächlich dazu in der Lage war, mich eigenständig anzuziehen und zu bewegen. Man durfte an der Stelle auch nicht vergessen, dass das Oxycodon noch weite Teile des Nervensystems lähmte, der eigentliche Schmerz wäre sonst wohl keinesfalls auszuhalten gewesen, wenn es so schon verdammt grenzwertig war. Aber egal, das war ja nicht weiter wichtig. Vorerst würde ich mich sowieso weiterhin mit Schmerzmitteln über Wasser halten und wenn der Grad des Ziepen und Zwicken sich fortwährend im aktuellen Rahmen bewegte, sollte das für mich in Ordnung sein. Hauptsache ich erlangte einen Teil meiner Selbstständigkeit wieder. Wobei mir diese beim Thema An- und Umziehen nicht besonders viel brachte, denn auch wenn ich in der Lage war, mich eigenständig um Socken und einer Unter- sowie Jogginghose zu kümmern - das auch nicht mit Glanzleistung, aber Performance wurde hier ja Gott sei Dank nicht bewertet -, brauchte ich spätestens beim Oberteil und dem BH Hilfe. Letzteres war heute zwar nicht mehr unbedingt von Nöten, aber sobald ich wieder fit genug war, längere Strecken als die paar Meter bis zum Auto zu laufen, wurde auch dieser wieder zur Pflicht. Und wenn Cosma mir nicht half, Sydney nicht rund um die Uhr bei uns war, blieb mir wohl nichts anderes übrig, als diese Aufgabe dem sichtlich schuldbewussten jungen Mann aufs Auge zu drücken. Schmeckte mir mindestens genau so wenig, wie der Gesamtumstand meiner Hilflosigkeit im Allgemeinen, aber wirklich eine Wahl hatte ich wohl nicht. Dementsprechend erhob ich mich jetzt auch wieder vom Rand der Badewanne, auf welcher ich mich zum Anziehen niedergelassen hatte, um nach dem Shirt zu greifen, welches Tauren ebenfalls aus dem Toilettendeckel abgelegt hatte. War eben das, was der Vollständigkeit halber noch fehlte. Wirklich hoch heben konnte ich den sehr leichten Stoff jedoch nicht, streikten meine Arme noch von der übermäßigen Belastung der letzten Minuten, aber es reichte, um dem Norweger das Teil gut sichtbar unter die Nase zu halten. "Wenn du mir helfen willst, dann bitte sehr.", waren meine recht neutral klingenden Worte, als ich ihm das Top in die Hand drückte und wenige Sekunden später den Sichtschutz in Form des Handtuchs freiwillig ablegte. Rückblickend betrachtet war das irgendwie ziemlich schwachsinnig, denn... Tauren hatte während des Malheurs hinter mir gestanden, somit im Gegensatz zu den anderen beiden nicht sehr viel mehr als den runden Hintern und die unzähligen Tattoos zwischen den Narben zu Gesicht bekommen. Auch beim Aufheben und Anreichen des Handtuchs war er stets darauf bedacht gewesen, den Blick abzuwenden, weil er sich meine heute Vormittag getroffene Aussage wohl wirklich zu Herzen genommen hatte. Ich mich nun mal ungerne vor Handlangern eines Geschäftspartners nackt zeigte. In dem Sinne hätte ich mir sogar noch jemanden - vielleicht eine Dame von irgendeiner Hilfseinrichtung - suchen können, die das tägliche Baden, sowie An- und Ausziehen übernehmen würde und mir damit schon einmal vor Augen hielt, was es bedeutete, alt zu werden, aber nun war das wohl auch egal. Meinen Blick hatte ich bereits auf den Boden geheftet, insofern würde ich etwaige Reaktionen meines aktuellen Pflegers ohnehin nicht sehen.
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Ich würde es auch gern nochmal sehen, weil es schlichtweg witzig gewesen war. Leider passierte es aber nur in den seltensten Fällen, dass man solche durchweg unterhaltsamen Momente auch auf Video bekam. Also blieb mir eine Zweitvorstellung dahingehend verwehrt und Cosma würde es leider auch nie zu Gesicht kriegen, aber es gab wohl weit Schlimmeres. Sie wusste es jetzt von mir und konnte ebenso damit sticheln wie ich selbst, also hatte sie immerhin ein kleines bisschen was davon. Vahagn wusste jetzt in jedem Fall, dass sie sich mit der Rothaarigen hier besser nicht in derart unangebrachten Momenten anlegte. Worin das resultierte war spätestens jetzt für sie selbst und auch mindestens 4 weitere Menschen ziemlich offensichtlich. Ich sah auf den schmalen Finger der jungen Frau hinunter, als sie mir damit an die nackte Brust tippte und jene Geste auch noch mit ein paar Worten verband. Ach ja - ich hatte recht früh am Morgen mit Tauren telefoniert als es darum ging, ob es für mich in Ordnung war, dass die Russin vorübergehend wegen ihres Gesundheitszustandes bei Richard und ihm einzog. War danach auch wieder eingeschlafen, um noch etwas mehr Kraft zu tanken. Schließlich war die erste Nacht eher noch ein wenig holprig und mein Schlafrhythmus reichlich irritiert gewesen. Ich war mir zwar fast sicher, dass ich noch ein paar Worte in Richtung "Vahagn ist wohl bald wieder auf Kuba." zu Cosma rüber gemurmelt hatte, aber sie war dabei auch maximal halbwach gewesen. Wenn überhaupt, hatte sie kurz vorher doch vermutlich nur deshalb ein wenig vor sich hin gegrummelt, weil ihr Unterbewusstsein der Ansicht gewesen war, dass ich neben ihr zu laut telefoniert hatte. Dass sie sich daran nicht mehr erinnerte war also wirklich kein Wunder und danach hatte ich wohl einfach nicht mehr daran gedacht. War schließlich auch keinesfalls davon ausgegangen, dass das zeitnah ausgerechnet auf uns beide zurückfallen würde. Gerade deswegen, weil ich Tauren eigentlich sehr deutlich gesagt hatte, dass Vahagns Verletzungen und ihres gesamte Genesung an sich absolut nicht mein Problem waren. Dass er sich gefälligst selbst um sie kümmern und mich da nicht mit reinziehen sollte - hatte wieder richtig gut funktioniert. Wie fast Alles, was ich ihm in der letzten Zeit angeordnet hatte. Morgen hatte ich vor die Insel ein bisschen zu erkunden - wenn Cosma da mit wollte, dann konnte sie sich gerne einklinken und auf den Beifahrersitz schmeißen, damit sie nicht allein hier in der Villa war - und würde wohl auf dem Rückweg am Bungalow der beiden Vollidioten Halt machen, um mir den Norweger noch einmal zur Brust zu nehmen. Endlich dieses eine, hoffentlich in eine brauchbare Richtung verlaufende Gespräch abzuhaken, damit er mir mit Kinkerlitzchen wie dem heutigen ganz einfach fern blieb. Das Maß war dahingehend übervoll und er konnte wirklich von Glück reden, dass mir momentan wenig nach Streit oder gar Mord war. Wäre mit meinen bisherigen Mitteln hier auch deutlich schwieriger seine Überreste verschwinden zu lassen, als es das in Oslo gewesen war. "Tauren hat mich gestern irgendwann ziemlich früh am Morgen angerufen... wir waren beide noch im Bett und du bist nicht wirklich wach geworden. Danach hab ich's wohl einfach vergessen.", stellte ich wahrheitsgemäß fest und zuckte leicht mit den Schultern. "Hab aber auch nicht gedacht, dass er wirklich die Dreistigkeit besitzt, sie hierher zu schleppen. Ich hab ihm eigentlich sehr deutlich gesagt, dass sie nicht mein Problem ist... und deins ja noch viel weniger.", hängte ich ein paar Worte an, ohne den Blick von Cosmas Augen abzuwenden oder das sachte Streicheln an ihrem Rücken einzustellen. Sowohl mein Blick, als auch meine Stimme blieben dabei vollkommen neutral, weil ich mir dahingehend in meinen Augen jetzt nicht wirklich was vorzuwerfen hatte. War ja keine Absicht gewesen, ich hatte nur einfach nicht mehr aktiv daran gedacht. Es gab schließlich wesentlich schönere Themen als Vahagn für uns beide.
Die Situation war nichts als pure Folter. Ich hätte einfach unfassbar gerne Irgendwas gesagt, das gut genug dazu gewesen wäre, sie wieder ein wenig aufzuheitern. Oder Irgendwas, das sie dazu bewegen konnte nicht mehr sauer auf mich zu sein. Aber weder mein Kopf, noch die langsam eintönig werdenden Fliesen auf dem Boden ließen mich dahingehend irgendwas Brauchbares wissen, also schwieg ich erstmal. Warf nur einmal einen ganz flüchtigen Blick zu der Brünetten, weil sie bei ihrem waghalsigen Unterfangen hier und da ein wenig schwankte oder hörbar schmerzerfüllte Laute von sich gab. Ihr dabei gleich wieder meine Hilfe anzubieten vermied ich trotz des dringenden Bedürfnisses dazu aber dennoch, einfach weil ich ganz gut darauf verzichten konnte dahingehend nur wieder angeschnauzt zu werden. Würde in den kommenden Tagen sicher noch oft genug vorkommen, wo es sich hier und da doch ganz einfach nicht vermeiden lassen würde, dass ich Vahagn unter die Arme griff, was sie vermutlich weiterhin so gut es ging vermeiden wollen würde. Aber wie dem auch sei - ich kam aus diesem einseitigen Gedankenstrudel erst wieder raus, als sich ein Stück Stoff vor meine Augen schlich und die Russin mich doch tatsächlich darum bat ihr dabei zu helfen, in das Oberteil zu schlüpfen. Ich hob gerade wieder den Blick zu ihr an und griff nach dem Top, als sie das Handtuch einfach so fallen ließ und meine Augen daraufhin ganz schnell, leicht blinzelnd weiter nach oben rechts wandern. Abseits des viel zu ansehnlichen Körpers der Brünetten auf die geflieste Wand über der Duschwanne hinter ihr. Zwar war irgendwie schon offensichtlich, dass es ihr jetzt relativ egal zu sein schien, ob ich sie nun doch noch halbnackt sah oder eben nicht, aber es schien mir ganz einfach nicht richtig zu sein sie jetzt zu mustern. Ihr Hintern reichte nämlich fast sicher auch schon aus, um meinem unausgelasteten Hirn hier und da ein paar nette Träume zu bescheren, da brauchte ich nicht auch noch zu wissen wie ihre Brüste aussahen. Wobei es dahingehend jetzt sowieso zu spät war, weil ich sie schon beim Anheben meines Blickes vom Boden gesehen hatte. Ich war wirklich fast ausschließlich immer ein Gentleman, weil ich schlichtweg der Ansicht war, dass man Frauen mit dem nötigen Respekt behandeln sollte, aber ich war eben trotzdem nur ein Mann und sie machte es mir selbst im verletzten Zustand gefühlt jeden Tag noch ein bisschen schwerer der Versuchung zu widerstehen. Wie sollte ich mir denn die Flirterei verkneifen, wenn ich wusste, wohin sie mich womöglich irgendwann - in eher ferner Zukunft, machen wir uns nichts vor - führen könnte? Ich seufzte hörbar, weil die Gesamtsituation gerade einfach nur pure Folter für mich war, bevor mein Blick sich in Vahagns Augen legte und ich die Krücke bei Seite stellte. Zweifelsohne würde ich beide Arme für dieses Unterfangen brauchen und so oder so vor allem den unverletzten von beiden, also ging ich den letzten Schritt ohne die Gehhilfe auf die junge Frau zu. Bedeutete ihr die Arme gerade nach vorne zu strecken, damit sie zumindest in beide gleichzeitig reinschlüpfen konnte und im Anschluss nur noch der Kopf durchmusste. Während ich ihr die Ausschnitte für die beiden Arme um ihre Hände legte und sie dann vorsichtig an ihren Armen nach oben schob, war ich immer möglichst bedacht darauf die Wunden am angeschossenen Arm auch ja nicht zu berühren, um ihr damit nicht auch noch weh zu tun. Ich sah soweit es mir möglich war nur auf ihre Hände und Arme, aber ihre Oberweite hing zwangsweise eben doch fast die ganze Zeit in meinem Sichtfeld. Auch dann noch, als ich Vahagn schließlich ebenso behutsam zum Ende hin den Kopf durch das Top stecken ließ und ich war irgendwie ein Stück weit froh darüber, als das Top endlich vollends an ihrem Oberkörper saß. Der Stoff konnte nur leider auch nicht die Bilder auslöschen, die sich vorher in meinem Schädel angesammelt hatten. "Das war dann wohl meine Quittung.", murmelte ich nur ziemlich leise, recht ironisch an mich selbst gewandt vor mich hin, als ich mich wieder von der Brünetten abwendete und nach meiner Krücke griff. Hatte das Karma wohl doch auch mal in meine Richtung geschlagen, nachdem Hunter es in den letzten beiden Tagen allgemein schon sehr gut mit mir gemeint hatte. Es war für den Ausbau einer halbwegs brauchbaren, so oder so erstmal nur freundschaftlichen Beziehung ganz gut gewesen, dass die Brünette darauf bestanden hatte beim Duschen von einer Frau Hilfe zu bekommen. Irgendwie hatte ich allgemein nicht wirklich daran gedacht, dass ihr das Anziehen womöglich allgemein ziemlich schwer fallen könnte und sie auch dabei auf Unterstützung angewiesen war, als ich sie so bereitwillig hatte aufnehmen wollen. Aber der Zug war ja jetzt sowieso komplett abgefahren und ich hatte eindeutig zu viel gesehen, um mir von jetzt an nicht immer mal wieder Gedanken darüber zu machen, wie es wohl sein konnte, wenn sie mir gehören würde. Und wenn's nur eine Nacht war, weil sie Ablenkung von was auch immer brauchte - der Gedanke daran blieb.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ah, also war das doch keine Einbildung gewesen und Hunter hatte letzte Nacht tatsächlich noch einmal telefoniert. War in meinen Augen jetzt keine große Sache, schließlich war es ja auch in Norwegen schon öfter mal vorgekommen, dass der Amerikaner während einer der wenigen Nächte, die wir zusammen verbracht hatten, aus dem Bett geklingelt worden war - lag nun mal an seinem Job -, aber wenn es um Vahagn ging, war ich dann doch einfach gerne informiert. Dabei ging es mir nicht einmal um den Aspekt, Hunter in irgendeiner Weise vorschreiben zu wollen, wie er darauf zu reagieren hatte, denn sagen lassen tat er sich im Umgang mit seinen Handlangern ohnehin nichts, aber ich für meinen Teil hätte mich ein bisschen besser auf ein potenzielles Wiedersehen vorbereiten können. Vielleicht wäre die Sache hier heute gar nicht erst so eskaliert, wenn das Gefühl von völlig überrannt werden nicht gewesen wäre. Klar, das hätte an meiner mangelnden Sympathie der Russin gegenüber nichts geändert, nur wäre mir die ein oder andere Idee, wie ich auf etwaiges Fehlverhalten ihrerseits hätte reagieren können, eventuell früher eingefallen, aber nun gut. Jedenfalls störte es mich einfach ein bisschen, dass Hunter scheinbar der Meinung gewesen war, mich mit gefühlt nur drei Worten und das einen Atemzug von der Tiefschlafphase entfernt, über die Ankunft Vahagns hier auf Kuba informiert zu haben. Ganz offensichtlich war ich nämlich nicht mehr besonders aufnahmefähig gewesen, sonst hätte es entweder in der Nacht oder aber spätestens am heutigen Morgen noch eine Unterhaltung diesbezüglich gegeben. Kam ihm das denn gar nicht komisch vor, dass ich darauf vermutlich mit nicht viel mehr als einem Grummeln reagiert hatte? Na ja... wie dem auch sei. Ich wollte dem jungen Mann jetzt keinen Vorwurf daraus machen, dass er eine für mich ziemlich wichtige Information vergessen hatte, an mich weiter zu geben, aber ein Stück weit angenervt - nicht nur von der jetzigen Unterhaltung, sondern dem bisherigen Tag im Allgemeinen - war ich halt trotzdem noch. "Na ja, okay...", kommentierte ich erst einmal recht neutral klingend, dass ich die mir eben mitgeteilten Informationen zur Kenntnis genommen hatte. Bezüglich des zweiten Teils seiner Aussage blieb mir dann eigentlich gar nichts anderes mehr übrig, als leise seufzend mit dem Kopf zu schütteln. Ja, momentan fiel auch mir langsam auf, was Hunter meinte, wenn er sich wieder einmal darüber beschwerte, dass Tauren ihm ständig auf der Nase herum tanzte. Und diese Situation als Dritte zu beurteilen, war eine Sache - da konnte ich noch ruhig und sachlich bleiben; alles war ganz einfach und ließ sich mit Reden aus der Welt schaffen, ja ja -, eine ganz andere aber, wenn man plötzlich selbst von den Launen des jugendlichen Leichtsinns betroffen war. "Was Taurens Aktion angeht... verstehe ich wohl langsam, warum du manchmal... na ja, so schroff zu ihm bist halt. Ich konnte mich an der Haustür auch nur schwer zusammenreißen, seinem invaliden, norwegischen Hintern keinen Tritt zu verpassen.", redete ich weiter vor mich hin, während ich statt nur einem Finger nun die flache Hand auf seiner Brust ablegte, um geistesabwesend über die schwarze Tinte zu streichen, welche tief in seine Haut gestochen ihre ganz eigene Geschichte erzählte. Wirklich, es hatte nicht mehr viel gefehlt, maximal ein falsches Wort noch und ich hätte eigenhändig dafür gesorgt, dass er zurück in die kalte, europäische Hölle verbannt wurde. Ganz ungeachtet dessen, was für gute Erfahrungen wir bereits miteinander gesammelt hatten und wie nah unser Verhältnis einer Freundschaft war. Irgendwann hörte der Spaß einfach auf.
Ich hatte schon Angst, dass mich Tauren nach dem hörbar lauten Seufzen jetzt einfach stehen lassen und sich ebenfalls aus dem Staub machen würde. Er plötzlich eingesehen hatte, was für einen schwerwiegenden Fehler er damit begangen hatte, sich mir und meinen Verletzungen anzunehmen, weil ich unter diesen Umständen noch sehr viel anstrengender war, als ohnehin schon, aber schließlich konnte ich erleichtert aufatmen. Der Norweger hatte einfach ein bisschen gebraucht, um die Gehhilfe beiseite zu räumen, nur um im direkten Anschluss mit dem Top in der Hand auf mich zu zukommen. Meinen Blick hatte ich nur kurz angehoben und den seinen damit erwidert, bis er beim Anziehen wieder auf den Boden abrutschte. Für gewöhnlich hatte ich mit dem Halten von Blickkontakt keinerlei Probleme, aber die ganze Situation war mir derart unangenehm, dass ich heute ausnahmsweise darauf verzichten konnte, überhaupt irgendjemanden in die Augen zu sehen. Ich tat also wortlos und merklich geistesabwesend, zu was der junge Mann mich aufforderte. Stellte überhaupt nichts in Frage und beschwerte mich auch gar nicht, wo das doch bei mir normalerweise zum guten Ton gehörte. Jedoch hielten mich meine aktuellen Gedanken in einer nicht allzu weit entfernten Parallelwelt gefangen, aus der ich momentan nicht ganz so einfach entfliehen konnte. Ich hob meine Arme so weit nach oben, wie das für mich möglich war, damit Tauren darauffolgend dafür sorgen konnte, dass schon bald auch die letzte intime Zone wieder verhüllt war. "Danke.", murmelte ich in seine Richtung und setzte mich dann vorerst ohne ein weiteres Wort sofort in Bewegung, um das Bad und auch das Haus möglichst zeitnah wieder zu verlassen. Das blutige Oberteil, den Slip und das Handtuch hatte ich achtlos auf dem Boden liegen gelassen, weil ich es nach der demonstrativen Bloßstellung erst recht nicht einsah, dem Amerikaner oder seiner rothaarigen Freundin noch irgendeine Art von Gefallen zu tuen und so hinkte ich langsam, Stück für Stück in den Hausflur, von wo aus ich durch das Glas in der Haustür auf das Auto blicken konnte und zudem auch auf Hunters rechte Hand, der noch immer genüsslich an seiner Zigarette zugange war. Zwar hatte ich von Anfang an gewusst, dass ich in der Villa ohnehin nicht wirklich Willkommen geheißen werden würde, aber ungeachtet dessen verspürte ich gerade das noch sehr viel dringendere Bedürfnis, mich einfach wieder zurückziehen zu wollen. Bestenfalls irgendwo hin, wo auch der Norweger mich nicht finden würde, aber es war offensichtlich, wie abwegig es war, dass ich mit meinen Verletzungen jetzt schon abhauen und mich eigenständig versorgen konnte. Demnach blieb mir leider auch nichts anderes übrig, als gegebenenfalls blöde Kommentare von Hunters rechter Hand wegzustecken, der uns gleich noch nach Hause fahren durfte. "Lass uns bitte gehen. Ich würde gerne etwas essen...", informierte ich über meine Schulter hinweg auch noch den jungen Mann darüber, dass ich es hier nicht länger aushielt und etwas frische Luft zum Atmen brauchte. Außerdem knurrte mir der Magen, war der Flug nach Italien jetzt doch schon etwas länger her. Das mochte auch erklären, warum ich mich mal ganz abgesehen von den Schuss- und Schürfwunden irgendwie schwach und ausgelaugt fühlte. Seit meiner letzten Mahlzeit waren wirklich schon etliche Stunden vergangen und etwas Energie wäre für einen beschleunigten Heilungsprozess sicher nicht verkehrt.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Wirklich begeistert schien Cosma nach wie vor nicht darüber zu sein, dass es mir wohl einfach komplett entfallen war, dass ich ihr das nicht noch mal gesagt hatte. Ich verstand den Hintergrund dabei schon, wo sie die Russin doch einfach so gar nicht leiden konnte, aber es war eben wirklich keine Absicht gewesen. Außerdem hatte ich ja auch nicht gedacht, dass dieser Mist so bald auf mich oder gar uns beide zurückfallen würde. War eher davon ausgegangen, dass der Norweger meine Worte verstanden hatte und mich mit nicht mit Vahagn und ihren Wehwehchen belästigen würde. Zumindest dahingehen hatte ich mich wohl verkalkuliert. Tauren schien auch sein letztes bisschen an Respekt meiner Autorität gegenüber in den Sand setzen zu wollen. Aber zurück zu Cosma - ihr Tonfall gefiel mir noch nicht. Er war zwar fast sowas wie neutral, aber der angesäuerte Unterton wollte wohl noch nicht so recht verschwinden. "Jetzt sei nicht sooo..", sagte ich ein wenig langgezogen, wobei ich aber schwach zu grinsen anfing und lehnte mich leicht nach hinten und zur Seite, um den Arm mit der Tasse nach dem nahegelegenen, wohl rein dekorativen Beistelltisch unweit der Balkontür auszustrecken. Vermutlich hatte da früher mal irgendwann eine Topfpflanze drauf gestanden, wäre zumindest meine erste Vermutung. Sobald die Tasse abgestellt war legte ich dann auch noch meine zweite Hand um ihren schmalen Körper, umarmte sie ein bisschen inniger. Dabei rutschte ihr Oberteil unweigerlich bis über die Taille nach oben, weil meine Arme sich direkt an ihrer Haut wohl einfach wohler fühlten. "War wirklich keine Absicht... ich wollte morgen ein bisschen auf der Insel rumfahren, mir mal einen kleinen Überblick verschaffen. Willst du mit? Oder soll ich dich vorher irgendwo absetzen?", versuchte ich sie ganz einfach ein bisschen mehr von dem vorherigen Thema abzulenken, weil ihr das augenscheinlich noch sauer aufstieß. Natürlich war sie nicht richtig wütend - wie das aussah wusste ich schließlich zu Genüge -, aber ich kannte Cosma inzwischen gut genug um zu wissen, dass sie gerade einfach grundlegend gereizt war. Vielleicht konnte sie sich ja stattdessen mit dem Gedanken anfreunden morgen mal ein paar neue Ecken Kubas zu sehen und sich darauf freuen, anstatt sich weiter von der Brünetten die Laune vermiesen zu lassen. Ich war froh, dass mich das Ganze gerade nicht wirklich betraf - und auch darüber, dass der Rothaarigen langsam auf unliebsame Art und Weise klar zu werden schien, warum ich für gewöhnlich sehr viel grober zu Tauren war. Nur funktionierte das ja leider auch nur so semi-gut. Also nickte ich ein klein wenig, bevor ich mich dazu äußerte "Wollte nach der Tour morgen dann auch bei Tauren vorbeischauen, um ein bisschen Klartext zu reden. Hab langsam das Gefühl, dass es schlimmer wird je länger er ganz einfach nichts besseres zu tun hat, als anderen auf den Sack zu gehen. Er hat zu viel Zeit um sich Bullshit auszudenken.", meinte ich gegen Ende hin recht ironisch und zuckte dann ein klein wenig mit den Schultern. Der Norweger war sehr sicher geistig unterfordert und da schuf ich gern Abhilfe, indem ich ihm Alles auflistete, was ich ihm schon hatte durchgehen lassen, damit er darüber nachdenken konnte. Das Ende der Fahnenstange war dahingehend nämlich wirklich erreicht und er sollte zusehen, dass er etwas an seinem Verhalten änderte. Denn ich war rückblickend betrachtet wirklich sehr gnädig mit ihm, wenn ich ihn mit anderen meiner Männer verglich, denen sicher schon der Kopf gerollt wäre... aber es waren eben auch wenige so grundlegend talentiert wie er.
Vahagn hätte sich nicht wirklich für diese kleine Geste bei mir bedanken müssen, wo ich damit die ganze, reichlich unangenehme Situation doch nicht ansatzweise ausbügeln konnte. Aber ich nahm den Dank trotzdem mit einem schweigsamen Nicken zur Kenntnis, kurz bevor ich ihr einen Augenblick lang etwas nachdenklich nachsah, während sie langsam aus dem Badezimmer humpelte. Dann aber setzte ich selbst ebenfalls zum Gehen an und folgte ihr in den Flur, wo die Brünette dann erneut ihr Wort an mich richtete. Was zu Essen käme sicher auch mir zu Gute, wo ich das Frühstück doch bisher leider hatte versäumen müssen. Ich war unregelmäßige Mahlzeiten durch den oft stressigen Arbeitsalltag zwar gewohnt, aber jetzt wo ich Zeit dazu hatte über das Hungergefühl nachzudenken und es bewusster wahrzunehmen, was das eine andere, sehr unangenehme Geschichte, wenn auch nach wie vor ein absolutes Luxusproblem. Also konnte ich mich was das anging nur anschließen. Erst einmal rief ich aber noch die Worte "Wir sind wieder weg.", nach oben, als wir am Fuß der Treppe vorbei und zur Haustür gingen. Nicht, dass es hieß wir wären ohne Abmeldung abgezischt. Konnte Hunter wohl auch nicht leiden. War verhältnismäßig sicher weniger schlimm als unangemeldet aufzukreuzen, aber nun ja. Dann wendete ich mich an Vahagn und sah sie an, als ich ihr die Haustür aufzog, damit sie ihre beiden Arme möglichst viel schonen konnte. Reichte schon, dass sie das Gehen jetzt ohne wirkliche Absicherung an ihrer Seite übernehmen musste. "Sollen wir irgendwo was mitnehmen? Oder reicht's dir, wenn ich was simples koche? Sofern mit vorhandenen Mitteln machbar nehm' ich auch Wünsche entgegen.", hakte ich leicht gemurmelt nach, was Vahagn denn lieber wäre. Es war jetzt fast eine halbe Stunde nach Elf, bis wir Zuhause waren dann fast Zwölf. Noch ein richtiges Frühstück einzuschieben schien mir nicht wirklich sinnvoll, aber wenn der jungen Frau ein belegtes Brot reichte, konnte sie natürlich auch das haben. Ich fühlte mich nur nach wie vor reichlich schlecht wegen der Eskalation von vor ein paar Minuten und hatte demnach auch wirklich kein Problem damit mich an den Herd zu stellen. Tat ich von jetzt an sicher sowieso fast jeden Tag, weil Richard sich eher nicht dazu bewegen können würde und ich ja mehr als genug Zeit dafür übrig hatte. War eine willkommene Abwechslung. Ich ging noch hinter ihr her weiter zum Wagen als ich die Haustür hinter mir zugezogen hatte. Ashton schnippte seine Kippe an die Front des Autos gelehnt auf den Boden und trat sie aus. Nur, um sie dann einen Moment lang nachdenklich anzusehen und sie im Anschluss wieder aufzusammeln, sie stattdessen im Aschenbecher im Auto abzulagern, nachdem er wieder hinter dem Steuer Platz genommen hatte. War schlau, wäre Hunter ziemlich sicher nicht begeistert davon, wenn ihm hier prompt der noch sehr saubere, gepflasterte Weg mit Kippenstummeln verunreinigt wurde. Ich ließ mich wenig später wieder auf den Rücksitz fallen, schlug mit dabei auch noch dicht gefolgt von einem leisen Fluchen ungünstig das Knie an. War wohl einfach nicht mein Tag.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich fand es irgendwie immer noch ein wenig befremdlich, wie sehr sich der Umgang zwischen Hunter und mir eigentlich verändert hatte. Noch vor ein paar Monaten wären wir uns einander am liebsten an die Kehle gesprungen und hätten bis zum bitteren Ende darum gekämpft, dem jeweils anderen das Licht auszuknipsen... und jetzt? Standen wir turtelnd wie ein Paar aus irgendeinem Liebesfilm inmitten unseres neuen Eigenheims und ließen uns durch nichts anderes als puren Kitsch die Laune erheitern. Auf der einen Seite empfand ich das noch immer als ein wenig gewöhnungsbedürftig, weil ich mich persönlich schon lange nicht mehr derart für einen anderen Menschen geöffnet hatte, aber auf der anderen Seite schien mich diese ganze Beziehungsgeschichte auch wieder ein wenig im Leben ankommen zu lassen. Zeigte mir, dass es noch sehr viel schönere Dinge gab, als tagein, tagaus sein Leben hinter einem Tresen zu fristen und missmutig all den anderen Menschen um einen herum nur Schlechtes zu wünschen, weil es einem selbst nicht besonders gut ging. Außerdem konnte ich endlich wieder lachen, weil da jemand war, der mir einen Teil meiner Last abzunehmen wusste und ich deswegen nicht mehr unter all meinen Problemen auf einmal begraben wurde. Bis dato sah ich in der Sache also nur Vorteile, wobei das sicherlich die anfängliche Euphorie war, die früher oder später abebben würde. Nichtsdestotrotz schien ein Partner an der Seite des jeweils anderen genau das gewesen zu sein, nach dem wir beide jahrelang - lediglich unterbewusst - gesucht zu haben schienen. Und bis jetzt machte es mir weder den Eindruck, dass der Amerikaner, noch ich selbst diese getroffene Entscheidung bereute. Hoffentlich blieb das auch noch eine Weile so. Es fing langsam an, mir zu gefallen, hier und da die Klischees von Verliebten zu erfüllen, so wie beispielsweise in jenem Moment, als Hunter seine Tasse abstellte, um auch den anderen Arm noch um mich zu legen, meinen Körper damit enger an seinen eigenen zu schmiegen. Mit den darauffolgenden Worten sollte der volltätowierte Ex-Häftling dann auch mir ein Grinsen auf die Lippen zaubern, welches allerdings nur daher rührte, dass ich seinen Versuch, sich indirekt aus der Affäre zu ziehen durchaus amüsant fand. "Du denkst, du kommst mir so leicht davon, ja?", erwiderte ich belustigt, als ich nun auch die andere Hand vom Bund der Hose löste, um stattdessen beide Arme um seinen Nacken zu legen. Dabei hielt ich seinen Blick fortlaufend aufrecht, nur um schließlich kopfschüttelnd mit der Zunge zu schnalzen. "Gut, okay, vielleicht kommst du das tatsächlich, aber auch nur, weil ich dir mittlerweile irgendwie nicht mehr lange böse sein kann.", stellte ich fest und streckte mich den Lippen des Amerikaners ein wenig entgegen, um ihnen kurzerhand einen flüchtigen Kuss aufzuhauchen. Damit war seine Frage jedoch noch nicht beantwortet und ich löste mich schon sehr bald wieder von den verführerischen Lippen, auch wenn ich bestimmt noch eine halbe Ewigkeit so hätte dastehen können. Ging nur auf Dauer ziemlich auf die Füße, musste ich mich doch immer auf Zehenspitzen erheben, um ihm auch nur ansatzweise ins Gesicht gucken zu können. War halt leider nicht wirklich von Vorteil, wenn man einen solch riesigen Freund hatte und selber nur einen halben Meter hoch war. Aber man fand sich damit irgendwann ab. Für gewöhnlich kam Hunter mir ja auch auf halber Strecke entgegen und ich musste mich nicht so lang strecken, aber in Anbetracht der noch immer reichlich empfindlichen Verletzung an seiner Hüfte erschien es mir nur fair, ihn einfach mal aufrecht stehen zu lassen, damit der Streifschuss entlastet wurde. "Das mit der Tour hört sich gar nicht so schlecht an. Eigentlich könnte ich dann, wenn du sowieso mit Tauren reden willst dann auch mal nach Richard...", schauen gehen, wollte ich sagen, bis mir plötzlich wieder einfiel, wer sich aktuell im Hause meines besten Freundes eingenistet hatte. Und mit der Erkenntnis rollten auch schon meine Augen, während sich ein angestrengtes Seufzen den Weg über meine Lippen machte. "Ich mach's abhängig von meiner Laune morgen, ob mir ein Gespräch mit Richard eine potenzielle Konfrontation mit dem Miststück wirklich wert ist.", äußerte ich reichlich ironisch eine etwas abgewandelte Form jener Antwort, die ich zu Anfang hatte geben wollen. Ja, ich hatte von Richie seit der Landung nichts mehr gehört, aber wenn ich mir überlegte, dass er Vahagn scheinbar freiwillig in seine eigenen vier Wände gelassen hatte, war ich mir auch nicht mehr ganz so sicher, ob ein Kontaktabbruch wirklich etwas schlimmes wäre. Ich konnte mir nämlich nicht wirklich erklären, warum er sich dazu hatte breitschlagen lassen, wo er doch mit am besten wissen sollte, was für eine negative Art von Stein im Brett die Russin bei uns hatte. Andererseits... okay, musste man ihr zugestehen, dass sie wirklich ganze Arbeit geleistet hatte, als sie den Engländer aus den Klauen der Italiener befreit hatte, aber dennoch... die Begeisterung über ihre Anwesenheit hielt sich weiterhin in Grenzen.
Jetzt, wo ich ein wenig intensiver über das Grummeln in meiner Magengegend nachdachte, wurde das ja schon richtig unangenehm. War mir bis hierhin gar nicht so wirklich aufgefallen, aber ganz offensichtlich schien mein Körper sich einen einzigen großen Spaß daraus zu machen, mir jetzt noch einmal so richtig den Rest zu geben. Sowohl was die körperlichen, als auch seelischen Leiden anging, wurde ich gerade bestens bedingt. Die Blamage saß mir noch tief in den Knochen, als sich mein Blick auf Tauren legte, welcher unweit der Treppe ins obere Geschoss noch ein paar wenige Worte des Abschieds rief, bevor er schließlich zu mir aufschloss und die Tür nach draußen öffnete. Für mich lag die Türklinke einfach noch ein Stück weit zu hoch, als das ich sie ohne unangenehmes Piepen und Zwicken im Arm erreichen konnte, deshalb war ich ganz froh, dass der junge Mann diese Aufgabe übernahm. Bis dahin hatte ich wohl nach wie vor ziemlich betroffen einfach im Flur gestanden und nicht gewusst, wie ich mich so recht verhalten sollte. Seine an mich gerichteten Worte ließen mich dann kurzzeitig nachdenklich wirken, aber meinen Blick anheben, bis ich beschloss, dass mir das grundlegend vollkommen egal war. Unangenehm war es mir so oder so, denn entweder musste Tauren sein hart verdientes Geld für irgendein Imbiss- oder Lieferserviceessen ausgeben, weil ich selbst nämlich gar nichts in meinen eigenen Taschen hatte oder aber er opferte noch ein Stück mehr seiner kostbaren Freizeit, um sich für mich hinter den Herd zu stellen. Keine der beiden vorgeschlagenen Optionen fand bei mir so richtig Anklang, aber da ich nur bedingt Lust darauf hatte, zwischendrin noch irgendwo anzuhalten, entschied ich mich wohl für zeitintensivere Variante. "Habt ihr Quark?", stellte ich statt ihm eine konkrete Antwort zu geben lieber eine Gegenfrage. Das war so ziemlich das einzige, was nicht unbedingt jeder Haushalt auf Lager hatte, Mehl und Ei hingegen würde wohl jeder besitzen, oder? "Dann zeige ich dir, wie man Syrniki macht.", schlug ich vor, Iljahs durchaus ernst gemeinte Offenbarung meines Leibgerichts gegenüber Tauren dadurch zu untermauern, dass ich selbst noch einmal auf die herrlich leckeren, frittierten Quarkpfannuchen zu sprechen kam. Nicht, als würde ich den jungen Mann tatkräftig bei der Vorbereitung unterstützen können, aber im Allgemeinen war das Rezept wirklich simpel. Lediglich beim Vermengen der einzelnen Zutaten würde ich meine Probleme bekommen. Tauren vermutlich genau so, war doch auch sein einer Arm noch etwas lädiert, aber es blieb immer noch die Option, Richard zu fragen, ob er uns dabei nicht kurzzeitig unterstützen wollen würde. Zwar war auch er noch nicht zu einhundert Prozent genesen, aber der Grad seiner Verletzungen am Arm war nicht ansatzweise mit denen von dem Norweger und mir zu vergleichen. Richards Gesicht, sein Oberkörper und die Beine hatten neben seiner Psyche wohl das meiste an Schmerz über die Zeit in Agnolos Händen hinweg aushalten müssen. Jedenfalls lief - laufen war gut, ich humpelte eher - ich neben dem jungen Mann nach draußen an die frische Luft, wo ich für die Treppenstufen dann kurzzeitig doch wieder ein wenig auf Hilfe seitens des Norwegers angewiesen war, weil Ashton ja absolut keine Anstalten machte, sich irgendwie in unsere Richtung zu bequemen. Auf der einen Seite war ich froh, dass ich bis dahin auch von dummen Kommentaren verschont geblieben war, aber es war absolut nicht zielführend, wenn sich zwei Verletzte einander beim Treppenstufen nach unten laufen stützten. Aber gut, ich wollte mich nicht beschweren, hatte ich doch gerade noch auf meine Selbstständigkeit plädiert. Am Wagen angekommen, war es gar nicht mal so leicht, sich ohne weitere Hilfe auf den Beifahrersitz fallen zu lassen, aber wenige Minuten und ein schmerzverzerrtes Aufstöhnen später war dann auch das geschafft und von mir aus konnte es los gehen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ja, das tat ich. Offenbar lag ich damit ja auch goldrichtig, wie mir die junge Frau kurz nach ihrer rhetorischen Frage zugestand, wodurch mein eigenes Grinsen noch einmal merklich breiter wurde und meine Augen so ein bisschen vor sich hin zu funkeln begannen. Das hatte aber so gar nichts mit dem wütenden Funkeln zu tun, das sonst so oft in meinen unruhigen, hellblauen Augen lag. Ich wusste nicht, wie Cosma das eigentlich anstellte, aber es fiel mir in ihrer Gegenwart inzwischen herrlich leicht einfach nur abzuschalten und mich für ein paar Minuten nur um meinen eigenen Dreck zu scheren. Ich vernahm beiläufig Taurens Ruf von unten, als ich den kurzen Kuss erwiderte. Auch letzterer wischte mir jedoch nicht das Grinsen aus dem Gesicht. "Beruht wohl auf Gegenseitigkeit.", stellte ich mit einem schwachen Schulterzucken fest. Natürlich konnte ich auch auf die Rothaarige hier nach wie vor leicht wütend werden, weil ich nun mal einen grundlegend sehr explosiven Charakter mit mir herumschleppte, aber das hielt mittlerweile nur noch sehr selten mal etwas länger an. Auch deshalb, weil ich selbst inzwischen vermehrt nach einer Lösung etwaiger Konflikte suchte, weil ich es nicht mochte, wenn wir uns unschöne Sachen an den Kopf schmissen. Um zu streiten brauchte ich schließlich keine Freundin und laut werden konnte ich, wenn mir danach war und Irgendwer was verbockt hatte, ganz einfach gegenüber meinen Handlangern. Cosma sollte so weit es möglich war von meiner Wut verschont bleiben, wo sie mir doch eigentlich nur Positives entgegenbrachte - gut, ein oder zwei kleinere Zwischenfälle halt mal außen vor gelassen, weil jene hier und jetzt nicht relevant waren. An sich schien die junge Frau alles in allem der Rundfahrt nicht abgeneigt zu sein und es war sicher auch für mich angenehmer, wenn ich nicht den ganzen Tag allein war. Schon grotesk, wie schnell sich ein Mensch an die Gegenwart eines anderen gewöhnte. Seit ich die Italiener mit Vahagn beseitigt hatte war Cosma jeden Tag um mich herum gewesen und es würde mir vermutlich wirklich negativ auffallen, wenn sie mal 24 Stunden lang nicht da wäre. Ich genoss es einfach, war so entspannt wie schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr und auch das war wohl ein Grund dafür, warum Tauren keinen Schlag von mir hatte erleiden müssen. "Ach was... notfalls sperr ich sie solange ins Bad. Kann sich ja nicht wehren, die Ärmste.", erwiderte ich durchaus wahrheitsgemäß, wenn auch leicht sarkastisch, weil es nun wirklich reichte, wenn sie uns einmal innerhalb von zwei Tagen die Laune kurzzeitig versaute. Noch mal bekam sie dazu sicher keine Gelegenheit. "Außerdem wär das für Richard glaube ich ganz gut... er kann sich eigentlich nicht allzu viel Zeit damit lassen den Arsch wieder hochzukriegen.", fügte ich ein paar ernstere Worte hinzu und hielt den Blick in Cosmas Augen weiterhin aufrecht. War nun mal so - Sabin konnte, sobald wir eine geeignete Location für die Drogenküche hatten und alles aufgebaut war, zwar vielleicht zu Beginn noch kleinere Mengen allein kochen, aber spätestens wenn wieder größere Mengen von Nöten waren musste der Engländer ihn wieder unterstützen.
Quark? Vielleicht. Um ehrlich zu sein war ich mir nicht mehr ganz sicher, weil ich innerhalb des letzten Tages keinen gebraucht hatte und Ashton ja doch ziemlich viel an Lebensmitteln bei uns abgeliefert hatte, damit er nicht so oft rüber fahren musste - welch Ironie. Bei jener Menge an Konsumgütern war es schwierig jetzt gedanklich absolut Alles abzurufen, was ich in den Kühlschrank gepackt hatte. Ich glaubte mich zwar daran erinnern zu können, dass ich mehrere Variationen von Sahne in den Kühlschrank gepackt hatte, aber Quark? "Ich glaub schon, bin mir aber nicht ganz sicher.", antwortete ich demnach ehrlich und ein wenig nachdenklich klingend. Aber an sich hätte ich keinesfalls was dagegen, wenn Vahagn mir das Zubereiten ihrer offensichtlichen Lieblingsmahlzeit beibrachte. Dann wusste ich zumindest wie und was ich ihr unterschieben konnte, wenn sie mal mit dem falschen Fuß aufgestanden oder sauer auf mich war. Das richtige Essen konnte natürlich nicht alles wieder gutmachen, aber es beruhigte oftmals hitzige Gemüter. Bei ihrem durchaus impulsiven Charakter könnte mir das hier und da also behilflich sein, auch wenn sich das eigentliche Problem dadurch nicht lösen ließ. "Aber falls wir welchen haben - dann gern.", ergänzte ich meine vorherigen Worte noch um eine Einwilligung hinsichtlich der Syrniki mit einem schwachen Lächeln, weil ich durchaus dazu bereit war mein gedankliches Kochbuch um die eine oder andere Speise zu erweitern. Zwar hatte ich bis jetzt keinen Schimmer davon, was bei der Zubereitung jener eigentlich genau auf mich zukam, aber das war auch nicht so wichtig. Ich hatte ja Zeit, falls hier und da etwas in die Hose ging, wobei ich am Herd eigentlich keine zwei linken Hände hatte. Sobald wir alle im Wagen saßen ließ Ashton den Motor an und wendete auf dem gepflasterten Platz vor der Haustür, bevor es die etwas längere Auffahrt wieder zurückging und wir uns auf dem Heimweg befanden. Der war logischerweise ebenso lang wie auf der Hinfahrt und ich verbrachte wieder die meisten Zeit damit aus dem Fenster zu sehen, wenn auch diesmal ohne Handy in der Hand. Es war einfach ein Jammer, dass ich meine freie Zeit nicht einfach auf einem Skateboard verbringen konnte. Oder ganz allgemein nicht damit, wirklich ein wenig rum zu kommen. Könnte ich wenigstens wieder Autofahren wäre das halb so wild, aber der Arm brauchte noch eine halbe Ewigkeit. Das Bein mit den weniger tiefen Einstichen war sicher früher wieder voll bewegungsfähig, aber ein durchstochener Muskel war einfach ein anderes Kaliber. Ich würde mich auch wahnsinnig gern mit ein paar Einheimischen in Havanna unterhalten. Mir die besten Locations und Geheimtipps abholen, damit ich wusste wohin ich mich verziehen konnte, wenn mir die Decke mal wieder auf den Kopf fiel und ich Ruhe zum Durchatmen brauchte. Das Alles blieb mir aber vorerst noch verwehrt, weshalb ein gedankliches Seufzen folgte. Zuhause wieder angekommen stieg ich aus und ließ Ashton noch ein flüchtiges, womöglich nur halb ernst gemeintes "Danke.", zukommen. Natürlich war es keine Selbstverständlichkeit, dass er sich zu dieser Aktion hatte hinreißen lassen und dafür war ich ihm dankbar, aber ich müsste wohl lügen um zu sagen, dass ich besonders begeistert von der Art war, wie er die hübsche Brünette angesehen hatte. Dann wendete ich mich auch schon von ihm ab und ging zu Vahagn, um ihr zumindest im mir möglichen Ausmaß beim Aussteigen behilflich zu sein, bevor es weiter zur Haustür ging.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Musik in meinen Ohren, wirklich. Zumindest der Teil, an dem Hunter mir offenbarte, zu welchem Gefallen er sich überreden lassen würde, sollte Vahagn noch ein weiteres Mal so blöd sein, mir auf den Keks gehen zu wollen. Ich war zwar der festen Überzeugung, dass sie nach der Aktion heute gelernt hatte, wann es besser war, die Klappe zu halten - zumindest dann, wenn man sich nicht entsprechend zur Wehr setzen konnte -, aber sicher sein konnte man sich bei der Russin wohl nie. Dementsprechend nickte ich das indirekte Angebot mit einem weiterhin durchaus amüsierten Grinsen zustimmend ab, ehe sich jenes bei dem Gedanken an Richard wieder etwas schmälerte. Der arme Kerl... Ich konnte ja wirklich nachvollziehen, dass Hunter hinterher war, dass die Geschäfte zeitnah wieder an Fahrt aufnahmen, aber ich war der Auffassung, dass man dem Engländer ruhig die Zeit geben sollte, die er brauchte, um sich von seiner Gefangenschaft zu erholen. Bis dato hatte er ja auch noch mit niemanden so wirklich darüber geredet, was hinter den geschlossenen Türen im Hotel alles vorgefallen war und da ich bei Agnolo grundlegend vom Schlimmsten ausging, würde ich ihm alle Zeit der Welt geben. Demnach fand ich es ein wenig unpassend, auch wenn Hunter das sicher keinesfalls böse gemeint hatte, sondern eben wirtschaftlich betrachtet Fakten schilderte, dass ihm das Wohlbefinden Richards nur in Hinsicht auf den eigenen Profit interessierte. Ich seufzte leise, als ich mich ein kleines bisschen von ihm löste - nur so weit, dass ich ihm wieder ungehindert ins Gesicht schauen und nicht zwangsläufig seine Brust anstarren musste. Natürlich besah ich mir letztere ganz gerne, nicht zuletzt wegen den unzähligen, sehr interessanten Tattoos und der üppigen Muskelmasse, aber bei diesem Gespräch sah ich ihm dann doch lieber in die kristallblauen Augen. "Gib ihm noch ein bisschen Zeit. Du weißt, wie sensibel er ist. Ganz so einfach und schnell wie Tauren wird er das nicht wegstecken können.", nahm ich meinen besten Freund dahingehend in Schutz, wobei mir ja überhaupt nicht bewusst gewesen war, was der eigentliche Grund für seinen aktuell ziemlich labile geistige Gesundheit war. Mir war schon vor dem Abflug aus Norwegen aufgefallen, dass Richie nur noch bedingt ansprechbar gewesen und von dem einstigen Strahlemann absolut gar nichts mehr übrig gewesen war. Rückblickend betrachtet hielt das jetzt auch schon eine halbe Ewigkeit an und wegen der rein körperlichen Wunden war er ganz bestimmt nicht so bedrückt. Es musste noch irgendetwas, weitaus schlimmeres vorgefallen sein, dass den so lebensfrohen, fidelen Mann in ein Schatten seiner selbst verwandelt hatte. Eventuell würde ich dem Ursprung in einem Gespräch morgen ja auf den Grund gehen können und so nachträglich gegenüber Hunter rechtfertigen, warum er dem Engländer doch bitte noch eine längere Schonfrist einräumen sollte. Ich wusste, dass er persönlich nicht sehr viel von ihm hielt, aber er war uns, ganz anders als Tauren und Vahagn, bis jetzt noch nicht wieder auf den Keks gegangen. Hatte sich stillschweigend sein Häuschen ausgesucht und war bis jetzt lediglich Ashton zur Last gefallen, weil er aufgrund der noch anhaltenden Schmerzen nicht imstande, den ersten Einkauf - der ganz allgemein wohl der größte von allen war, aufgrund von Waschmittel und dem ganzen anderen Zeug, was man später dann nur immer mal wieder in den Einkaufswagen wandern ließ - selbst zu übernehmen, aber ansonsten... Der Flug und die Woche davor hatte er sich nur mit wirklich wichtigen Anliegen vorzugsweise an mich gewandt, also sah ich aktuell keinen plausiblen Grund, warum der Amerikaner weiter seinen Hass gegen Richard schüren und ihn mit vorzeitiger Arbeitsaufnahme zusätzlich belasten sollte.
Die einkehrende Ruhe auf der Rückfahrt war so etwas wie Balsam für meine Seele. Ich war froh, dass man mich grundlegend in Ruhe ließ und erst wieder mit mir interagierte, als es darum ging, meinen runden Hintern aus der Karre zu bekommen. Auf der Fahrt zu dem abgelegenen Bungalow hatte ich meinen Blick entweder stur geradeaus gerichtet oder aber ihn auf meine ineinander verschränkten Hände ruhen lassen, bis Ashton den Wagen irgendwann schließlich abstellte und es an der Zeit war, aus dem Auto zu steigen. Tauren war mir dabei freundlicherweise behilflich, war es doch etwas beschwerlich, sich aus dem Ledersitz wieder auf die Beine zu raffen, ohne dabei Oberkörper und die Arme überdurchschnittlich viel belasten zu müssen. Das lag unter anderem sicher auch daran, dass solche Limousinen in der Regel für etwas größere Leute gebaut worden waren und Frauen beim Ein- und Aussteigen meistens ihre Schwierigkeiten hatten. War aber in meinen Augen weder schlimm, noch weiter relevant, denn meine Füße standen schon wenige Sekunden später auf dem knirschendem Kies der Einfahrt. "Ja... danke.", ließ auch ich eine knappe Danksagung verlauten, wobei das mehr aus Reflex geschah, als das ich wirklich vorgehabt hatte, mich bei Hunters rechter Hand zu bedanken. Wozu auch? Für das Hin- und Herkutschieren, nachdem er mich ganz ungeniert angestarrt und dann einfach nackt im Flur stehen gelassen hatte, ohne mir zu helfen? Nein... da war das vielleicht ein Stück weit die Wiedergutmachung für sein Verhalten und zählte für mich in dem Fall zum guten Ton. Es dauerte dann auch gar nicht lange, bis der junge Mann hinterm Steuer den Rückwärtsgang einlegte und verschwand, was mich ihm kurzzeitig hinterher sehen ließ, bevor ich mich seufzend wieder zu Tauren umdrehte, um mit ihm an meiner Seite zur Eingangstür zu humpeln. Wieder verstrichen ein paar Sekunden an Zeit, in denen der Norweger die Tür aufschloss, um uns dann quasi ins Innere einzuladen. Seitdem wir das Haus verlassen hatten, schien sich nichts wirklich verändert zu haben. Selbst Richard saß noch immer am Küchentisch, wobei er indessen aufgehört hatte, in seiner Tasse zu rühren. Vermutlich hatte sich das Keramik unter dem Metalllöffel aufgelöst oder so. "Syrniki ist ganz leicht.", kam ich direkt noch einmal auf das Thema Essen zu sprechen, noch bevor die Haustür hinter uns ins Schloss gefallen war. Schließlich hatte ich die Fahrt über nichts weiter dazu gesagt, sondern es einfach nur so hingenommen, dass das für den Norweger so in Ordnung ging. Vermutlich wollte ich mich jetzt mit dem Gerede auch nur davon ablenken, dass mit der Autofahrt wieder ein paar unliebsame Gedanken an meine Vergangenheit angeklopft hatten, die ganz sicher Überhand nehmen würden, wenn ich mich jetzt schweigend auf die Couch fallen ließ. Ich entschloss mich also dazu, ungeachtet der mittlerweile wieder stärker werdenden Schmerzen zu dem Engländer in die Küche aufzuschließen. "Hey Richard. Würdest du uns helfen, etwas zu Essen zu machen? Du kriegst logischerweise auch etwas ab.", richtete ich ein paar heiser Worte an den Hausherren, weil ich vermutete, dass er seit unserem Verschwinden heute früh sicher auch nichts weiter gegessen hatte. Da musste er doch sicher Hunger haben und würde uns bereitwillig unterstützen, aber wider Erwarten sollte ich erst einmal gar keine Antwort von dem jungen Mann bekommen, was mich irritiert die Augenbrauen zusammenziehen ließ. Hatte ich etwa zu leise geredet? War ich für seinen Geschmack zu aufgewühlt gewesen, so wie ich in die offene Küche gestürmt war, ohne mir kurz die Zeit dazu zu nehmen, zumindest mal die Schuhe abzustreifen? Ich konnte es mir nicht erklären, weshalb ich die Worte einfach wiederholte. Dieses Mal eine ganze Ecke lauter, was postwendend zur Folge hatte, dass der Engländer demonstrativ die halb volle Kaffeetasse vom Tisch fegte. "Ich hab dich schon verstanden.", knurrte er daraufhin hörbar gereizt, was mich ihn etwas erschrocken ansehen ließ. Heute schien weder Taurens, noch mein Tag zu sein und die Lust, jetzt noch etwas zu Essen zuzubereiten, minimierte sich sekündlich.
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Ein bisschen Zeit bekam er ja. Es galt schließlich einiges beim Standort abzuwägen und es konnte durchaus die eine oder andere Woche ins Land ziehen, während ich mit Sabin auf der Suche nach einer geeigneten Immobilie war, bevor wir dann letztendlich etwas absolut passendes fanden. So oder so konnte ich nicht von jetzt auf gleich ein komplett neues System auf die Beine stellen. Es galt sich auch ausgiebig darüber zu informieren, vor wem man sich hier so in Acht nehmen musste, wenn man ein neues, ortsansässiges Drogenimperium formte und mit dem neuen Produkt womöglich die Nachfrage bei anderen Rauschmitteln sank. Bis Alles in trockenen Tüchern war würden also sicher noch einige Tage ins Land ziehen und außerdem wollte ich ja auch gerade jetzt zu Beginn noch möglichst viel Zeit mit der Rothaarigen verbringen. Schließlich war das nur noch in schwächerer Ausführung möglich, sobald ich damit anfing mich wieder aktiv den Vorbereitungen für künftige Geldeinnahmen zu widmen. "Ein paar Wochen hat er so oder so noch Zeit... schätzungsweise ein bis zwei Monate.", konnte ich Cosma mehr oder weniger dahingehend beruhigen, dass ich den Dunkelhaarigen ganz sicher nicht schon in ein paar Tagen aus seinem Haus schleifen würde, weil ich ihn brauchte. Sabin vielleicht, aber Richard nicht. Er war nur der Fachmann für die Kocherei, den ganzen organisatorischen Kram wickelte ich so oder so mit dem Italiener ab. Er hatte damit schließlich auch wesentlich mehr Erfahrung als der Engländer, da war seine Anwesenheit ganz einfach nicht notwendig. Andererseits konnte ich aus eigener Erfahrung und auch wegen dem Mitschneiden einiger anderer Fälle ganz eindeutig sagen, dass es auch nicht gut war, wenn man zu lange nur herumsaß, um etwas zu verarbeiten. Wenn man es auf diese Weise anging, dann wurde es ab einem gewissen Punkt immer nur noch schlimmer. War schon der eine oder andere dran zerbrochen - inklusive mir selbst in jungen Jahren, bevor ich dann angefangen hatte die Scherben mühselig wieder einzusammeln und aufwendig erneut aneinander zu kleben. Es war eigentlich sogar von Vorteil, wenn man nebenher wieder eine regelmäßige Beschäftigung hatte, um den Kopf auch mal ein paar Stunden einfach aus machen zu können. Sich auf etwas Anderes als sein ewiges Leid zu fokussieren konnte Berge versetzen, das immer wieder darüber nachdenken jedoch keineswegs. "Mag ja sein, dass er eine dünnere Haut hat als der Jüngling, aber zu lange untätig herumzusitzen macht es auch nur schlimmer. Seine Pause kriegt er natürlich, aber den Arsch muss er trotzdem wieder hochkriegen. Nicht nur körperlich, sondern vor allem geistig.", legte ich mit einem leichten Schulterzucken meine Ansicht der Dinge dar und löste mich langsam doch gänzlich von Cosma. Nicht, weil mir die Umarmung zu viel wurde oder zu lang dauerte, sondern weil es mir deutlich liebere Themen gab. Unsere Meinungen sich dahingehend vielleicht auch wieder unterscheiden würden, aber so war das bei uns beiden eben - einig waren wir uns nicht immer, aber einen Weg darüber hinweg zu sehen fanden wir ja doch fast jedes Mal. Bisher zumindest. Ich sammelte auch die Kaffeetasse wieder von dem kleinen Tischchen nahe der Tür, würde wohl gleich runter in die Küche gehen. Aus dem Frühstück war ja bisher noch nichts geworden und irgendwann sollte man dann doch mal was in den Magen kriegen, obwohl ich noch nie ein sonderlich ausgeprägtes Hungergefühl hatte. Als Kind vielleicht, aber sobald ich immer mal wieder mehrere Stunden lang weggesperrt worden war... kam mir manchmal so vor, als war das gar kein Bedürfnis mehr meines Körpers. Ich vergaß es tatsächlich auch immer mal wieder etwas zu essen. Merkte das dann irgendwann nur daran, dass ich energie- und kraftlos wurde. Aber gerade hatte ich reichlich Zeit zum Essen übrig, also konnte man dem ganzen ja mal vorbeugen.
Das Unheil wollte wohl vorerst kein Ende nehmen. Ich war noch dabei mir etwas umständlich die Schuhe von den Füßen zu schieben, was ein Zwicken in meinem Oberschenkel zur Folge hatte - ich hatte mir heute ja noch nicht mal Schmerzmittel genehmigt -, als ich die Tasse kurz nach hörbar gereiztem Geknurre des Engländers auf dem Boden zerschellen hörte. Ich zuckte unweigerlich zusammen, weil mein Gehör auf die klirrenden Laute keineswegs vorbereitet gewesen war, bevor ich mit hochgezogener Augenbraue zu den anderen beiden in die Küche humpelte und mir das Desaster besah. Was war denn jetzt Richards Problem? Er war zwar schon die ganze Zeit über ein wenig merkwürdig, aber er war eigentlich wirklich Niemand, der zu nicht gerechtfertigten Ausrastern neigte. Dass seine Laune nicht die allerbeste war und er noch etwas mit sich selbst zu kämpfen hatte war absolut nachvollziehbar und ich wäre wohl der letzte, der ihm daraus jetzt einen Strick drehen würde, aber Vahagn hatte ihn doch nur etwas gefragt. Ihn weder direkt dazu aufgefordert noch anderweitig dazu genötigt sich am Kochen zu beteiligen, ein ganz schlichtes Nein hätte zur Antwort also vollkommen gereicht. Weder die Brünette, noch meine Wenigkeit konnte etwas für seinen derzeitigen Gemütszustand, der gefühlt stündlich merkwürdiger wurde. Eine Tasse seinen Launen zum Opfer werden zu lassen war absolut nicht notwendig an dieser Stelle. "Woah, kein Grund gleich auszurasten... ich krieg das schon irgendwie allein hin, ist ja nicht das erste Mal.", versuchte ich mehr oder minder ihn zu beschwichtigen, wobei ich mir wohl nicht allzu viel Mühe damit gab. Einfach, weil ich es nicht mochte, wenn Jemand grundlos wütend wurde und Stress auslöste, so wie in diesem Fall. Es war einfach nicht besonders nett Anderen die Laune gleich mit zu verderben, nur weil man selbst nicht gut drauf war. Das Kochen hatte ich aber gestern schon alleine hingekriegt, das sollte das auch jetzt kein Problem darstellen. "Geh ruhig.", ließ ich ihn wissen, dass er sich auch gerne aus unserem direkten Radius wegbewegen konnte, damit wir ihm nicht weiter auf die Nerven gingen und ebenso umgekehrt. Eigentlich hoffte ich, dass er das Chaos auf dem Boden vorher noch beseitigte, aber ich schätzte meine Chancen dahingehend gerade relativ schlecht ein. Er schien schlichtweg im jetzigen Moment ganz allgemein nicht besonders engagiert zu sein. Ich humpelte erst einmal weiter zum Kühlschrank, um dann mal nachzusehen, ob überhaupt Quark da war und die Syrniki nicht sowieso flachfielen. Aber wir hatten Glück - zumindest eine Packung war da. "Reicht das?", hob ich den einsamen Becher für Vahagn sichtbar aus dem Kühlschrank, hielt ihn seitlich meines Körpers, weil ich aktuell mit dem Rücken zu ihr stand. Falls es für zwei oder gar drei Portionen - ob Richard sich mit seiner Aktion gerade etwas zu essen verdient hatte oder nicht, sei mal dahingestellt - nicht ausreichte, dann würde ich mir eben einfach noch irgendwas anderes zu essen machen. Mir nur mal eine Ecke - oder zwei - zum Probieren stehlen, damit ich wusste, ob sich das Abspeichern des Rezepts in meinem imaginären Gedanken-Kochbuch auch lohnte. Wenn man das mit Himbeeren aß, dann war es vermutlich eher die Kategorie Süßspeise. Oder sowohl herzhaft, als auch süß genießbar, ganz je nach Beilage und Zubereitung. Aber ich war grundsätzlich immer eher für süß - mein Stoffwechsel war super und es setzte sowieso nur selten mal ein bisschen Fett bei mir an, da konnte ich mir das hier und da auch ganz einfach mal gönnen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Dann waren wir uns in dem Punkt ja schon mal einig. Schätzungsweise ein bis zwei Monate sollten vollkommen ausreichen, bis Richard sich von seinem Schock so weit erholt hatte, dass er wieder dazu in der Lage war, das Haus zu verlassen, ohne eine Gefahr für sich selbst und andere darzustellen. Hätte Hunter mir direkt mitgeteilt, dass es sich um einen solch großzügigen Zeitraum handelte, hätte ich wohl auch nichts weiter gesagt. Jedoch war ich davon ausgegangen, er wolle den Engländer binnen der nächsten Tage dazu verdonnern, endlich wieder mit dem Meth kochen anzufangen. Ich wusste nicht, inwieweit der Amerikaner hier auf Kuba bereits Vorkehrungen getroffen hatte, weil ich mich aus seinen Geschäften nach wie vor raus hielt und ich von seinen Machenschaften im Allgemeinen auch nicht viel mitbekam - vorausgesetzt, er telefonierte nicht direkt neben mir mit einem seiner Handlanger, um die Lage zu besprechen. Es wäre daher durchaus naheliegend gewesen, dass er gemeinsam mit Sabin schon vorab ein Grundstück auf dem virtuellen Immobilienmarkt erworben hatte, um die Geschäfte möglichst zeitnah nach unserer Ankunft auf der Insel anlaufen zu lassen. Aber gut, war ja im Prinzip jetzt auch nicht weiter wichtig, solange er Richard eben noch das bisschen an Schonfrist einräumte. Den darauffolgenden Worten des jungen Mannes konnte ich ungeachtet der Vorkommnisse im Hotel auch nur zustimmen. Ich selbst und auch Hunter zählten diese Art der Bewältigung von Problemen in unserem Leben sicher zu den Paradedisziplinen, aber wenn man sich erst einmal näher damit befasste, leuchtete einem schnell ein, dass das langfristig einfach nicht die beste Option war. Man daran noch sehr viel tiefer fiel, als es ohnehin schon der Fall war. "Ich weiß, ich weiß...", stimmte ich meinem Freund dahingehend also zu und sah ihm einen Augenblick lang nach, als er sich von mir löste, um stattdessen seine Kaffeetasse aufzugabeln und die Schlafzimmertür anzusteuern. "Ich werde einfach mal hören, was er morgen so zu sagen hat. Eventuell... lässt sich ihm ja irgendwie helfen.", erläuterte ich ein Stück weit mein Vorhaben für den nächsten Tag, bevor ich mich dann doch in Bewegung setzte, um dem Amerikaner in die Küche folgen zu wollen. Vielleicht ließ Richie sich ja dazu überreden, die Stadt mit mir zu erkunden oder mich bei der Suche nach einer vorläufigen Arbeitsstelle zu unterstützen. Damit war er abgelenkt und schaden konnte die Bewegung an der frischen Luft auch nicht. An den Strand zu gehen wäre auch noch eine Alternative, aber ich würde meinem besten Freund dahingehend die Entscheidungsfreiheit lassen. Zwar mochte er momentan einen leichten psychischen Knacks haben, aber ich ging trotzdem davon aus, dass er weiterhin wusste, was am besten für ihn war. "Hab da schon die ein oder andere Idee. Mal sehen, wie schlimm es wirklich um ihn steht und wie viel Überredungskunst es braucht, ihn aus dem Haus zu kriegen.", fasste ich meinen Gedanken dahingehend noch etwas ironisch zusammen, als ich schließlich meine Hand auf die Türklinke legte, um uns die Tür in den Flur zu öffnen. Dabei überlegte ich dann noch einen Moment lang stillschweigend für mich selbst, was ich tun würde, wenn Richard auf überhaupt kein Hilfsangebot reagieren würde. Wäre blöd, war ich doch nicht ganz so bewandert darin, Abweisungen einzustecken, auch wenn es sich dabei um die des Engländers handelte. Vermutlich sollte ich mir für den Fall der Fälle trotzdem einen Plan B überlegen, bevor ich wie der Ochs vor dem Scheunentor nicht mehr weiter wusste.
Ja, Richard ging es nicht besonders gut, das hatten wir inzwischen alle mitbekommen, aber das er mittlerweile leicht cholerisch wurde, ließ mich ein wenig stutzig werden. Schließlich hatte der Engländer in der Vergangenheit nicht den Anschein erweckt, als würden ihn solche Kleinigkeiten wie eine simple Frage derart auf die Palme bringen, dass gleich die Kaffeetasse daran glauben musste. Mein misstrauischer Blick lag deshalb noch eine ganze Weile auf dem jungen Mann, der mittlerweile fast ein wenig nervös wirkend mit dem Bein wippte. Allgemein schien er nach seinem kleinen Anfall plötzlich irgendwie unruhig zu sein, was mich letztlich nur leicht mit dem Kopf schütteln ließ. Ich besah mir flüchtig die Sauerei auf dem gefliesten Teil des Küchenbodens, ehe meine Aufmerksamkeit schließlich Tauren galt, der hinter mir nach ein paar ebenso fragenden Worten der Verwunderung an den Kühlschrank getreten war, um nach der von mir gewünschten Zutat zu fragen. Ich wandte mich nur äußerst ungerne von dem hibbeligen jungen Mann ab, um mich stattdessen langsam in Richtung des Norwegers zu drehen und auf seine Frage mit dem Kopf zu nicken. Als mir klar wurde, dass er mich aus seiner jetzigen Position heraus nicht sehen konnte, unterstrich ich das Ganze mit einem "Ja, sollte passen." auch noch einmal verbal. Dann wanderte mein Blick aber auch schon wieder zurück zu dem Engländer, der sich indessen vom Tisch erhoben hatte und sich ebenfalls das Ausmaß seiner Laune besah. "Ist wohl besser so.", ließ er als Antwort auf Taurens indirekte Bitte verlauten, ehe er auf dem Absatz Kehrt machte und sich nicht minder zitternd aus dem Kochbereich des Bungalows in sein Zimmer zurück zog. Mein nachdenklicher Blick lag noch so lange auf ihm, bis die Zimmertür unsanft ins Schloss geschlagen wurde. Erst dann drehte ich mich reichlich verwirrt und in voller Gänze zu dem gutherzigen Samariter am Kühlschrank, um wenige Sekunden später die paar Schritte zu ihm aufzuschließen. "Also ich habe echt keine Ahnung, was mit ihm los ist, aber Richard braucht ganz dringend ein bisschen Hilfe. Ich muss sicherlich nicht sagen, dass sein Verhalten nicht normal ist. Und ich kenne ihn noch nicht einmal besonders gut.", redete ich nachdenklich vor mich hin. Meinen Blick warf ich dabei über Taurens Schulter in den Kühlschrank hinein, um dort nach dem Rest der benötigten Zutaten zu suchen. Fehlten nur noch ein paar Eier und ein bisschen Butter, außerdem Mehl. "Ich... versuch gleich mal, die Schweinerei wegzumachen, die er hinterlassen hat.", fügte ich noch hinten an, wobei ich bezweifelte, dass das so einfach werden würde. Aber ich wollte immerhin meinen guten Willen zeigen, mich ein wenig im Haushalt nützlich zu machen, wenn ich mich hier schon ohne einen müden Penny zu zahlen, aushalten ließ. Ich war zwar von der Sache in Hunters Villa immer noch mächtig angepisst und auch der Norweger hatte bei mir deswegen ein paar wenige Sympathiepunkte verloren, aber das änderte rein gar nichts an der Tatsache, dass ich mich ein wenig erkenntlich zeigen sollte. Selbst wenn er mir das Putzen dann doch noch abnehmen würde oder Richard wider Erwarten sein Chaos innerhalb der nächsten paar Minuten selbst beseitige, wäre mein Gewissen dahingehend zumindest beruhigt.
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Blieb auf jeden Fall zu hoffen. Ich wollte den Engländer, den ich ja ohnehin nicht ausstehen konnte, schließlich nicht umsonst mit nach Kuba verschleppt haben. Dabei war für mich nicht von Bedeutung, ob er die Kosten dafür selbst getragen hatte - es hätte wohl durchaus ziemlich vehemente Bettelei seitens Cosma gebraucht, damit ich ich den Dunkelhaarigen ebenfalls auf die Liste gesetzt hätte, wenn er sich nicht weiterhin an alledem hier beteiligen würde. Er war andernfalls nämlich nicht von Wert für mich und ich wäre froh darum gewesen ihn ganz einfach los zu sein. Sydney war natürlich auch keine großartige Bereicherung für mich, aber ihr stand eindeutig weniger im Sinn mich zu hintergehen und irgendwelche unsinnigen Spielchen zu treiben, wie es bei Richard der Fall war. Mit ihr konnte ich gut leben, auch wenn wir seit unserer gemeinsamen Schulzeit sicher die eine oder andere Differenz zueinander entwickelt hatten, solange sie mir in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft die Summe für den Überflug zurückgab. Danach konnte sie von mir aus machen was sie wollte, aber wenn sie nicht profitbringend für mich war, dann konnte sie definitiv ausziehen. Immerhin wohnte sie momentan genauso wie der Rest vollkommen mietfrei, wenn auch in einer Bruchbude. Die Jungs hatten alle Kraft und die meisten sicher auch handwerkliches Geschick, sie würden das alte Wohnhaus also bestimmt eigenständig fit kriegen. Wasser und Strom funktionierten ja problemlos, nur die Optik war absolut miserabel. "Hoffen wir's. Er soll mir Tauren bloß nicht mit seinem Wahnsinn anstecken.", kommentierte ich das ganze wieder eher recht sarkastisch, als ich die Tür zum Flur durchschritt und kurz darauf auch schon die Treppe nach unten ansteuerte. Der Weg abwärts gestaltete sich wie so oft momentan noch leicht hinkend und ich stützte mich mit der freien Hand am Geländer ab, um meine Hüfte möglichst großzügig zu entlasten. Was die Küche anging kam es uns wohl wirklich zu Gute, dass das Haus erst vor wenigen Jahren gebaut worden war und der Kochbereich doch dementsprechend aktuell war. Der vorherige Eigentümer hatte wohl nur einfach ein Faible für Möbel im älteren Stil gehabt, während ich an der Küche nicht wirklich etwas auszusetzen hatte. Die leere Tasse konnte ich so ganz entspannt in den eingebauten Geschirrspüler wandern lassen, dessen Existenz ich schon jetzt zu schätzen wusste.
Wenigstens schien der Dunkelhaarige zu merken wie unangebracht er hier und jetzt mit seiner Laune war und verzog sich von allein aus der Küche. Wie bereits befürchtet ließ er die Sauerei natürlich einfach wo sie war und rührte keinen Finger damit sie zu beseitigen - schönen Dank an dieser Stelle nochmal. Ich hatte den Quark gerade auf dem Tresen abgestellt und sah in seine Richtung, als er sich zitternd erhob. Das allein ließ mich den jungen Mann bei den wenigen Schritten, die er in meinem Sichtfeld noch verrichtete, doch mit leicht ins Gesicht gezogenen Augenbrauen akribisch verfolgen. Vielleicht instinktiv, weil er langsam aber sicher immer besser in ein Muster rein passte, von dem ich wirklich hoffte, dass er ihm nicht wirklich zugehörig war. Ich hielt ja viel aus, aber wenn er sich wirklich dem Drogenkonsum verschrieben hatte, dann war ein Zusammenleben mit Richard früher oder später absolut unmöglich. Zwar war das bis hierhin nur eine blanke Vermutung und ich hatte nicht mehr als mein ungutes Bauchgefühl als Indiz in der Hand, aber ich würde jetzt vermutlich unterbewusst nach immer mehr Hinweisen darauf suchen. Hier und da mal eine Nase ziehen, okay - aber täglicher Konsum war für mich ein No Go und da würde ich nicht anders können, als einzugreifen oder mich zu verpissen. Ich schüttelte leicht den Kopf um von jenem Gedanken wegzukommen, bevor ich mich wieder ganz Vahagn widmen wollte. Eigentlich stand mir auch an dieser Stelle der Sinn danach ihr das Saubermachen auszureden, aber ich hielt mich damit zurück. "Okay... aber wenn's doch nicht geht sag Bescheid.", murmelte ich stattdessen in ihre Richtung, dass sie sich bitte zu Wort melden sollte, falls der Schmerz dabei zu verheerend ausfiel und sie diese Aufgabe doch lieber an mich abtreten wollte. Indessen schnappte ich mir schon mal eine der größeren Schüsseln aus dem oberen Regal, weil mir die Zutaten allein doch schon sehr nach verrühren aussahen.
* hier Zeitsprung einfügen bidde, dange. *
Nach der unschönen Misere in der Küche, die immerhin aber noch mit schmackhaften Syrniki geendet hatte, war inzwischen etwas mehr als eine Woche vergangen. Allerdings hatten Richards Anfälle tatsächlich noch weiter zugenommen und so hatte ich nach drei Tagen doch aktiv mit dem Nachforschen angefangen. Hatte auch nicht lange gedauert, bis ich absolut unmissverständlich genutzte Utensilien vorfand, die mich prompt an meine jüngeren Jahre erinnert hatten. Ich wusste bis heute nicht, was mein Vater Alles konsumiert hatte über all die Jahre hinweg, aber Methamphetamin war eine Droge davon gewesen. Es war naheliegend, dass der Dunkelhaarige sich daran auch am leichtesten hatte bedienen können. Er würde sich, bevor Hunter und Sabin den Rest verscherbelt hatten, sehr sicher einfach noch was abgezweigt haben. Ich wusste noch immer nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Mir war wirklich danach ihn direkt darauf anzusprechen und ihm diese Scheiße auszureden, aber damit stieß man bei Süchtigen selten auf Einsicht. Also ließ ich ihn weitermachen, vermied ihn nur so gut es irgendwie ging, weil ich mich permanent unwohl in seiner Gegenwart zu fühlen begann. Als wäre das an sich schon nicht genug hatte auch Hunter uns am Tag nach der gemeinsamen Kocherei mit Vahagn aufgesucht. Beziehungsweise eher nur mich - und Cosma parallel Richard -, weil er wohl ein paar finale Worte an mich abtreten wollte. Auch das war mir reichlich unangenehm, weil mir irgendwie vorher nicht bewusst gewesen war, dass ich wirklich schon so oft seine Nachsicht bekommen hatte, wo bei anderen schon ein Finger abgehackt worden wäre. Dementsprechend einsichtig zeigte ich mich auch und versicherte ihm, mir nichts mehr zu Schulden kommen zu lassen. Im Gegenzug, wenn ich mich wirklich daran hielt und mich von jetzt an von meiner besten Seite zeigte, sollte ich auch mit einem besseren Posten belohnt werden und das klang wie Musik in meinen Ohren. Endlich mal nicht mehr mühselig ein paar Kronen pro Monat zu sparen, sondern besser leben zu können. Andererseits hieß das von nun an eben auch, dass ich wirklich aufpassen musste, was ich tat. Das war die letzte, unmissverständliche Warnung seitens des Amerikaners an mich, wobei ich dennoch auch sein Wort dafür bekam, dass mit dem Zuschlagen Schluss war... sofern ich eben keine Zicken machte. Aber das bekam ich hin, oder? Immerhin war es das wirklich wert. Allein schon Ashton anzusehen reichte aus, um sich damit sicher sein zu können. Michaels Posten war noch immer leer, soweit ich wusste - vermutlich pures Wunschdenken, aber zutrauen würde ich mir das durchaus. Entsprechend viel ging mir dank der aufgewühlten, letzten Tage jetzt aber auch durch den Kopf. Als wäre das an sich noch nicht genug, war auch noch keine Spur mehr von Vahagn, als ich von einem kleinen Einkaufstrip mit Hunters rechter Hand zurückkam. Sie war wie vom Erdboden verschluckt und als ich Richard danach fragte, wo sie denn hin sei, stammelte er nur wirres Zeug vor sich her. Ashton blieb, weil er die Befürchtung hegte, dass ich sonst auf irgendwelche äußerst dummen Ideen zwecks einer Suchaktion kam. Also saß ich eine um die andere Kippe rauchend neben dem jungen Mann auf dem Sofa, wippte hochgradig nervös mit dem rechten Bein und das Nikotin schien rein gar nichts zu bringen. Warum machte sie das? Wie konnte sie einfach so gehen, ohne auch nur eine Spur von sich zu hinterlassen? Es ging der Russin inzwischen zwar besser, aber vom gesund sein war sie noch meilenweit entfernt und da war ein alleiniger Trip wohin auch immer nun wirklich nicht das richtige. Erst recht nicht, wenn Niemand wusste, wo sie überhaupt war und wie lang sie weg sein würde.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Zu sagen, dass ich mein Leben momentan mit Lichtgeschwindigkeit an die Wand setzte, hätte wohl den Award für die Bagatellisierung des Jahrhunderts gewonnen. Scheiße oder nicht besonders gut waren nämlich schon gar keine Ausdrücke mehr dafür, wie schlecht es mir momentan sowohl physisch, als auch psychisch ging und eine absolut treffende Beschreibung müsste hierfür erst noch erfunden werden. Die Bilder der Gefangenschaft waren nach der Rettungsaktion des Amerikaners und seiner Helferin sehr viel schneller wieder vor meinem inneren Auge aufgetaucht, als ich das erwartet hatte und so war ich bereits in Norwegen ziemlich experimentierfreudig gewesen, mir mit irgendeinem Konsumgut das Hirn zu benebeln. Zumindest eben dann, wenn mich mal wieder ein Alptraum plagte oder ich zu lange mit mir selbst alleine gelassen worden war und anfing, über viele der unschönen Details aus der Zeit bei Agnolo nachzudenken. Sie noch einmal Revue passieren zu lassen, was mich ausnahmslos jedes Mal für mehrere Minuten ins Hotel zurück versetzte und mich Höllenqualen erleiden ließ. Anfangs hatte ich versucht, lediglich die apathischen Phasen mit legalen Schmerzmitteln zu unterdrücken, aber diese hatte mein Körper bereits nach kurzer Zeit verstoßen und sie mich provokativ quasi als noch gut identifizierbare Pille wieder auskotzen lassen. Dann war ich auf Gras umgestiegen, nur erzielte auch das leider nicht den gewünschten Erfolg, bis mir schließlich die Idee gekommen war. Eigentlich war es wirklich nicht meine Intention gewesen, öfter, als das wirklich nötig gewesen war, etwas von Sabins Methamphetamin abzuzwacken, welches sich noch in rauen Mengen in unmittelbarer Nähe befand, aber irgendwie... na ja, hatte ich wohl ein wenig die Kontrolle verloren. Plötzlich spritzte ich mir die Dosis, welche mich lediglich ohne Alpträume durch die Nacht bringen sollte auch am frühen morgen, unmittelbar nach dem Aufstehen, weil ich sonst nicht aus dem Bett kam. Und wenn das Zeug nicht so elend lange anhalten würde, hätte ich am Mittag noch einmal das selbe Prozedere durchlaufen, da war ich mir ziemlich sicher. Alles in allem konnte man also grob zusammenfassen, dass ich zwar viele meiner alten Probleme in Norwegen gelassen hatte, aber mit einem sehr viel schwerwiegenderen hier auf Kuba gelandet war. Zwar wollte ich mir das weder so wirklich eingestehen, noch nahm ich das Verhalten meinen Mitmenschen gegenüber so richtig wahr, aber leugnen würde ich eine Methamphetamin Abhängigkeit wohl keinesfalls. Bis jetzt hatte mich dahingehend nur noch niemand darauf angesprochen und von alleine würde ich das Thema sicher nicht anschneiden. Beließ es dabei, dass ich über den Tag hinweg meist relativ abwesend wirkte, weil ich mit den vielen bunten Luftballons und dem ganzen Konfetti in meiner eigenen kleinen Parallelwelt beschäftigt war. Oder eben im tiefsten Loch dieser Gott verdammten Erde meinem Kater erlag. Vermutlich war das bereits nach dem ersten oder zweiten Mal der ausschlaggebende Grund gewesen, warum ich nicht hatte aufhören können, mir die Nadel immer und immer wieder in den Arm zu stechen... zum einen war die Depression an sich schon echt zum Kotzen, aber die verstärkten negativen Gefühle bei einem Gedanken an damals hatten mir letztlich den Rest gegeben und was sollte ich sagen... da saß ich nun. Etwas desorientiert in der Küche und stierte wie ein Bekloppter in meine Kaffeetasse, als Tauren samt Anhang den Einkauf ins Haus schleppte. Ich schenkte ihm keinerlei Beachtung, weil ich mal wieder auf einem Trip hängen geblieben war, als er nach Verräumen der Utensilien durchs Haus streunte, um nach seiner Freundin zu suchen. Jene hatte ich im Übrigen auch nur so mehr oder weniger auf dem Schirm gehabt und mich bereits des Öfteren erschrocken, als ich Vahagn plötzlich auf dem Sofa hatte sitzen sehen oder sie mir im Flur entgegen gehumpelt kam. Zwar war mir darauffolgend auch immer wieder sofort eingefallen, wer sie war und warum sie sich in meinem Haus aufhielt, aber so richtig zur Kenntnis nahm ich ihre Anwesenheit dann doch irgendwie nicht. Das war wohl auch der Grund, warum ich dem Norweger seine Frage nach dem Verbleib der Russin eingangs nicht beantworten konnte. Irgendwann, bestimmt eine oder zwei Stunden, nachdem er mich gefragt hatte, fiel mir dann aber doch noch ein, dass sie mich darüber in Kenntnis gesetzt hatte, sich für den heutigen Abend in die Stadt zu verabschieden. Ein bisschen an die frische Luft zu kommen und sich - dem Grad ihrer Verletzung entsprechend - ein wenig zu amüsieren. Außerdem bat sie mich um ein bisschen Geld für ein Taxi und fragte, ob es okay war, wenn sie sich einen Schein mehr einsteckte, den ich in jedem Fall heute Abend, gemeinsam mit dem Fahrgeld, wiederbekommen würde. Ich nickte das Ganze nur beiläufig ab, ohne diese Informationen bewusst in meinem Oberstübchen zu speichern. Genau so lief das dann auch mit Vahagns Nummer ab, die sie mir mit den Worten "Falls Tauren fragen sollte, lass ihn mich anrufen." in mein Handy getippt hatte, weil sich so spontan weder ein Stift, noch ein Stück Papier finden ließ. Anschließend war sie dann frohen Mutes aus dem Haus gehumpelt. Das war jetzt bestimmt an die drei Stunden her, wovon zwei alleine schon durch die Panik des Norwegers absolut unterhaltsam gestaltet waren. Er konnte einem ja fast Leid tun und wäre ich nicht zwischendrin von irgendwelchen schrägen Halluzinationen abgelenkt worden, hätte ich ihm sehr viel eher den Hinweis gegeben, dass er die Russin doch auch einfach anrufen und sich nach ihrem Aufenthaltsort erkundigen konnte, wenn er sie denn so vermisste. Dass dabei zehn Minuten in meiner Parallelwelt an die zwei Stunden im realen Leben waren, hatte ich zu dem Zeitpunkt nicht bedacht, als ich mich langsam vom Stuhl in der Küche erhob, um ins Wohnzimmer rüber zu schlurfen. "Ich weiß gar nicht, warum du dir so einen Stress machst.", durchbrach ich die anhaltende Totenstille, während ich kurzerhand mein Handy aus der Hosentasche zauberte, um es wenig später Tauren vor die Nase zu halten. Auf dem Display prangte in dicken Lettern der Name der Vermissten und es war nur noch ein Knopfdruck, um die Nummer zu wählen. "Ruf sie doch einfach an und frag sie, ob es ihr gut geht.", untermauerte ich das ziemlich simple Unterfangen, der jungen Frau auf die Spur zu kommen. Dass ich das vor etwas mehr als einhundert und zwanzig Minuten hätte tun sollen, erschien mir an dem Punkt nebensächlich. Stattdessen feierte ich mich als den Held des Tages, den Retter der Nation oder sowas in der Art. Zumindest für die paar wenigen Minuten, in denen mein Gehirn mir nicht vorgaukeln wollte, dass mein Leben aus einer einzigen, riesigen Wolke Zuckerwatte bestand, die keine negativen Gedanken zulassen würde.
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Ashton fragte mich immer wieder, ob ich bekloppt war. Sagte mir auch mehrfach, dass Vahagn jawohl alt genug war und schon genug Scheiße durchhatte, um auf sich selbst aufzupassen und dass ihr wohl kaum irgendein kubanischer Straßenköter ein Bein abbeißen würde. Dass sie mit ihrer schroffen Art sicher auch sämtliche nette Kubaner sofort wieder verscheuchen würde und ich bestimmt nichts zu befürchten hatte. Um letzteres ging es mir ja gar nicht, theoretisch konnte die Russin rummachen mit wem sie wollte - redete ich mir zumindest ein, sollte ich das zu Gesicht kriegen wäre das vielleicht was anderes -, aber ich wollte einfach nicht, dass ihr was passierte. Oder dass sie anderweitig irgendwas dummes anstellte, dass ihr im Nachhinein nur zum Verhängnis werden konnte. Außerdem reichte mir ein Drogenjunkie im Haus und von Alkohol sollte sie in ihrem Zustand eigentlich auch noch die Finger lassen. Es gab ungefähr unendlich viele Möglichkeiten dafür, was bei ihrem Alleingang alles schiefgehen konnte. Da reichten ein paar dumme Witze oder ruhige Worte von meinem Sitzpartner auch nicht aus, um mich wieder auf den Boden zu holen. Ich drückte gerade die letzte Kippe der Schachtel - tja, die war eigentlich für ein paar mehr Tage berechnet gewesen - im Aschenbecher auf dem Couchtisch aus, als Richard sich wider Erwarten zu uns gesellte. Ich lehnte mich zurück und sah ihn nach wie vor unruhig an, als er den Mund aufmachte und was er dann sagte und tat, verschlug mir einen Augenblick lang wirklich die Sprache. Scheinbar hatte er die junge Frau nämlich sehr wohl gehen sehen und sie hatte sich auch bei ihm verabschiedet, nur schien das dem Engländer jetzt erst wieder einzufallen und allein die Tatsache wie er das Ganze aussprach, ließ Wut in mir hochkriechen. War das sein verdammter Ernst? Er ließ mich hier zwei Stunden lang halb krank vor Sorge herumsitzen und darauf warten, dass Vahagn vielleicht zufällig in nächster Zeit nach Hause kam und sich das Problem von selbst in Luft auflöste, bevor er mir sagte, dass ich sie doch einfach anrufen sollte, wenn ich mir deswegen so einen Stress machte. Ich war ja wirklich selten wütend, aber in Zusammenhang mit seinem von mir absolut verhassten, offensichtlichen Drogenproblem, ließ mich das richtig sauer werden. Hätte ihm am liebsten nur deshalb das Handy aus der Hand genommen, um es ihm im direkten Anschluss an den Schädel zu werfen und zu fragen, ob er eigentlich noch ganz dicht war. Ob er sich jetzt schon alle seine Gehirnzellen verspritzt hatte und auch nur noch einen Funken Anstand besaß. Aber nicht nur ich sah ihn durchweg finster an - auch der junge Mann, der neben mir auf dem Sofa saß, durchbohrte ihn förmlich mit seinen Augen, weil er jetzt im Grunde zwei Stunden seines Lebens komplett sinnlos damit verschwendet hatte, mir hier Gesellschaft zu leisten, weil ich Vahagn zu jeder Sekunde hätte anrufen können. Naja, zumindest das konnte ich positiv sehen - vielleicht kotzte er sich bei Hunter darüber aus und der leitete das an Cosma weiter, sofern sie Richards Problem bei ihrem Besuch neulich nicht zufällig schon mitbekommen hatte. Wenn dem so war, dann fragte ich mich wiederum aber schon, warum sie nichts dagegen unternahm. "Du hast echt Nerven.", waren aber vorerst die einzigen, jedoch hörbar angepissten Worte, die ich ihm entgegen zischte, als ich das Smartphone aus seiner Hand nahm und dann auch nicht mit dem Wählen der Nummer zögerte. Sobald das Verschwinden der Brünetten - das jetzt offiziell eigentlich nicht mehr als solches betitelt werden konnte - geklärt und ich sicher war, dass es ihr gut ging, konnte der Engländer sich von mir sehr sicher Einiges an den Kopf werfen lassen. Ich hatte seinen Konsum bis hierhin stillschweigend akzeptiert, weil er bis auf seine Launen hier und da noch relativ erträglich gewesen war, aber das sprengte jetzt wirklich das ohnehin von mir niedrig angesetzte Maß. Er setzte mich nervlicher Selbstfolterung aus, nur weil sein Junkie-Hirn es nicht mehr auf die Reihe bekam, alle Informationen zu jeder Zeit aktiv bei sich zu halten. Es dauerte noch dazu erst einmal einige Sekunden, bis Vahagn überhaupt abhob. Auch an dieser Stelle fragte ich mich natürlich prompt, ob sie womöglich nicht ranging, weil ihr etwas zugestoßen war... aber dann nahm das Klingeln doch ein Ende und ich meldete mich sofort mit den Worten "Wo bist du?", um direkt auf den Punkt zu kommen und im Idealfall gleich mein Gewissen beruhigen zu können. Oder halt auch nicht, wenn sie irgendeinen Unfug trieb, für den sie eindeutig noch nicht fit genug war.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Die letzten paar Tage zählte ich persönlich zu den bis jetzt anstrengendsten meines Lebens. Nicht nur, dass ich durch meine Verletzungen permanent an das Bett oder ans Sofa gekettet war - das alleine ließ mich schon beinahe Amok laufen -, nein, auch von Hunter und seiner absolut ätzenden Freundin blieb man nach den jüngsten Vorkommnissen nicht verschont. Alles in allem ließ sich zusammenfassen, dass meine Laune in der letzten Woche... mittelmäßig bis eher ziemlich schlecht gewesen war. Zwar genoss ich zeitweise das Rundum-sorglos-Paket, bei dem Essen und eine nette Unterhaltung inkludiert waren, aber mir fiel zunehmend mehr die Decke auf den Kopf. Ich war es einfach nicht mehr gewohnt, so lange einfach nichts zu tun und abzuschalten, obwohl genau das der richtige Zeitpunkt dafür gewesen wäre. Sonst war ich ja immer im Stress gewesen, hatte mir Gedanken machen müssen und selbst in meinem Urlaub mehr gearbeitet, als ich auf der faulen Haut lag. Mir lag das Stillsitzen einfach nicht und aus diesem Grund war ich ganz froh, dass die paar Tage komplette Ruhe wirklich Wunder gewirkt hatten. All die Schuss- und Schürfwunden befanden sich auf dem besten Weg der Genesung. Noch konnte ich die betroffenen Gliedmaßen zwar noch nicht wieder vollständig bewegen, aber es funktionierte stetig ein bisschen besser. Heute war ein ganz besonders guter Tag und seit der Oxycodontablette von heute früh hatte ich keinerlei Schmerzmittel nachschmeißen müssen. Klar, das unangenehme Zwicken und Ziepen war weiterhin auf ziemlich unangenehme Art und Weise ziemlich präsent, aber es war mir schon mal verdammt viel wert, wenn ich meine Arme zumindest ein Stück weit wieder anheben konnte. Nicht für lange und von absolut geheilt waren sie auch noch meilenweit entfernt, aber ich deklarierte es als ausreichend geschont, dass ein kleiner Ausflug am heutigen Abend ganz bestimmt drin war. Ich musste langsam mal raus, wieder ein wenig atmen, fiel mir die Decke doch momentan irgendwie ganz schön auf den Kopf, was nicht zuletzt daran lag, dass die Luft zwischen Richard und Tauren immer dicker wurde. Logischerweise hatte ich mich mit dem Norweger über die Vermutung und letztlich auch den absoluten Beweis unterhalten, dass Richie ab und an zu Drogen griff, aber ich hatte den Engländern weiterhin so behandelt, wie ich es auch ohne das Wissen getan hätte und meiden tat ich seine Nähe auch nicht unbedingt. Fakt war aber einfach auch, dass ich mit Drogenkonsum überhaupt kein Problem hatte - anders als der, sich gesundheitlich ebenfalls auf einem aufsteigenden Ast befindlichen jungen Mann. Jener im Übrigen jetzt etwa schon seit einer halben Stunde aus dem Haus und nachdem sich Richard zu keinerlei Aktivitäten außerhalb der Bude hatte überreden lassen, war ich schließlich alleine losgezogen. Erst war ich ein paar Meter zu Fuß in den Wald hinein gehumpelt, noch voller Motivation und Vorfreude, bis ich feststellte, dass ich in dem Tempo wohl erst am morgigen Abend in der Innenstadt ankommen würde. Also war ich wieder umgedreht und hatte Richard um ein wenig Geld gebeten, weil ich momentan ja noch ziemlich blank war. Dabei war mir spontan eingefallen, wie sich das mit ganz viel Glück - im wahrsten Sinne - heute Abend ändern lassen könnte und sackte daraufhin gleich ein paar mehr Scheine ein. Indessen hatte mich Richard leicht am Arm getätschelt und mich darauf aufmerksam gemacht, dass Tauren mich suchen würde und was er ihm sagen sollte, wenn er sich nach mir erkundigte. Ich überlegte kurz und zuckte dann mit den Schultern. "Die Wahrheit. Ich bin in der Stadt unterwegs, wenn etwas ist, soll er mich anrufen.", hatte ich ihm aufgetragen und zeitgleich nach seinem Telefon gegriffen, welches unweit von mir auf dem Küchentisch gelegen hatte. Ich tippte spontan meine Handynummer ins Display und verließ daraufhin den Bungalow erneut. Bis zur Hauptstraße war ich dann gelaufen und von da schließlich mit einem Taxi in die Innenstadt gefahren. Nach einer kurzen Bummelei durch die Fußgängerzone Havannas, hatte ich mich schließlich auf die Suche nach dem Casino gemacht, dessen Name mir der Fahrer des Taxis in einem gebrochenen Englisch nahegelegt hatte. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich das imposante Gebäude des Palacio de los Matrimonios gefunden hatte, aber im Inneren sollte ich meinen Ärger über die vorangegangene Unauffindbarkeit schnell ablegen. Neben dem Sektempfang war das Klima gleich ein ganz anderes und ich fühlte mich glatt um ein paar Monate in der Zeit zurück versetzt, als ich das letzte Mal in Italien einer Pokerrunde beigewohnt hatte. Das Ambiente hier war super, die Dealer allesamt heraus geputzt und das Klientel entsprechend wohlhabend. Ich wirkte mit den wenigen Dollarn, die ich mir von Richard geborgt hatte und den zahlreichen, sich nach der vielen Bewegung wieder zu Wort meldenden Wunden hingegen fast ein wenig verloren und ich hatte kurzzeitig bange, dass mich die nächste Security direkt vor die Tür setzen würde, aber ich hatte Glück. Und so durchforstete ich die riesigen Hallen voll Roulette, Blackjack und Poker Tischen, bis ich schließlich nach einigen Stunden an letzterem hängen geblieben war, weil ich dort mit Abstand den meisten Erfolg verzeichnen konnte. Gut, eventuell konnte ich mich auch anderweitig momentan nicht wirklich bewegen, weil ich mir beim Wechseln der Tische oder einer kurzen Spielpause immer mal wieder eines der Gläser von den Tablett genehmigt hatte, mit denen die Bedienungen durch das Casino liefen und somit war der Alkoholpegel entsprechend hoch, als der Dealer gerade den Turn, also das vorletzte Blatt der Runde vor sich auf dem Tisch platzierte. Ein kurzer Check meiner Karten unter Berücksichtigung der mich angaffenden Mitspieler ließ mich die Gewinnchancen als ziemlich hoch einschätzen, ehe ich schließlich etwas gestresst feststellen musste, dass ich einen Anruf bekam. Die Nummer war mir bis dato unbekannt, die Stimme am anderen Ende der Leitung, nachdem ich meine Chips für die Runde gesetzt hatte, allerdings nicht. Ich seufzte genervt, mehr für mich und auch kaum hörbar, weil Tauren sich den denkbar ungünstigsten Zeitpunkt ausgesucht hatte, mir auf die Nerven zu gehen. Ich hatte Richard doch extra gesagt, dass ich weg war. Wollte er jetzt echt noch wissen, wo genau ich mich in meiner Freizeit aufhielt? Weil der River, die letzte Gemeinschaftskarte, nicht mehr lange auf sich warten lassen würde, lallte ich beim Setzen mehrere hundert Dollar - ich hatte an dem Abend schon so einige Gewinne und Verluste gemacht - in Form von farbigen Chips, nur knapp die Worte "Palacio de Irgendwas. Hab gerade keine Zeit zu reden." und legte auf. Dann, als der Dealer schließlich die letzte Karte legte, konnte ich nur jubelnd die Arme nach oben reißen, weil ich mit dem Straight Flush gerade den Pot für mich gewonnen hatte und warf dabei fast mein Handy einem vorbeilaufenden Gast gegen den Kopf. Außerdem erinnerten mich die Wunden postwendend daran, dass das eine ganz schöne Scheißidee gewesen war und ich lieber noch ein oder zwei Gläser trinken sollte, damit der Schmerz wieder nach ließ. Jetzt, wo ich - gelinde gesagt - wieder etwas flüssiger war, sollte es auch an einer Flasche Champagner für den Heimweg nicht scheitern.
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Moment... was? Vahagns einzige, reichlich wenig informative und knappe Aussage, war ungefähr genauso nervig und unangebracht wie Richards Gestammel von vor ein paar Stunden. Ich müsste wohl lügen, um zu sagen, dass es mir meine Laune nicht noch weiter runterzog, als sie einfach postwendend nach dem viel zu kurzen Satz auflegte und mich das taktvolle Piepen vom anderen Ende der Leitung empfing. Ich ließ das Handy sinken und starrte einen Moment lang aufs Display, wobei die Augenbrauen sich noch immer nicht aus ihrer angespannten Position bewegen wollen. Dann legte ich das Handy des Engländers auf meinem rechten Oberschenkel ab und stibitzte mir die Nummer der Brünette, tippte sie kurzerhand in mein eigenes Smartphone. Ganz einfach deshalb, weil mich das ungute Gefühl beschlich, dass sowas zukünftig gut und gerne öfter vorkommen könnte. Womöglich hätte ich mich nach dem Lebenszeichen der Russin jetzt sogar beruhigen können, wäre da nicht dieser beschwipste Unterton gewesen. Kein richtiges Lallen, aber doch hörbar undeutlichere Aussprache als für gewöhnlich. "Wir fahren in die Stadt.", stellte ich Ashton mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen, obwohl ich keinerlei Mittel dafür hatte ihn dazu zu zwingen, wenn er es ganz einfach nicht wollte. "Warte, was? Du weißt jetzt, dass sie noch atmet. Das wird doch wohl ausreichen..?!", zeigte er sich sichtlich verständnislos und seufzte schwer. "Nur, weil sie noch lebt, heißt das nicht, dass wir sie betrunken durch Havanna schlendern lassen sollten.", erwiderte ich eindringlich und stand auf, ehe ich zwei Sekunden später Richard sein Handy entgegen schmiss. Mit Schwung, auf Bauchhöhe. So, dass es ihm zumindest einen kurzen, unangenehmen Dämpfer verpasste, bevor er es mit seinen Handy zu packen kriegte - falls er denn überhaupt irgendwas spürte, Drogeneinflüsse waren kaum mein Fachgebiet. "Und wo geht's hin?", fragte Hunters rechte Hand mich genervt mit einem Augenrollen, ehe er sich ebenfalls vom Sitzpolster erhob und sich einen Moment lang streckte. Wohl aus weiser Voraussicht, weil Ashton mich inzwischen gut genug kannte, um zu wissen, dass ich nur selten locker ließ, wenn ich etwas unbedingt wollte. "Sag ich dir gleich.", grummelte ich nur zurück und hinkte zum Flur - ohne Krücke. Ich versuchte das Bein nach wie vor nicht voll zu belasten, aber es tat selbst ohne Schmerzmittel nicht mehr in erwähnenswertem Ausmaß weh. Zwickte hier und da, aber das war's dann auch schon. Kein unerträgliches Stechen mehr, das sich bis tief in den mehrfach angepieksten Muskeln erstreckte, der weitgehend verheilt sein dürfte. Sobald ich auf dem Beifahrersitz saß - womöglich könnte ich auch selbst wieder fahren, aber sofern möglich schonte ich den Arm gerne weiterhin, weil der zerstochene Muskel dort sicher noch mindestens eine Woche brauchte - fing ich also mit der vagen Information von Vahagn zu googlen an. Die Hintergrundgeräusche hatte ich nicht wirklich bewusst aufgenommen, aber das Internet schaffte wie so oft Abhilfe. Es schien ein durchweg nobles Casino zu sein, weshalb ich mich prompt fragte, wie um Himmels Willen die Brünette da überhaupt reingekommen war. Hatte sie sich vorher in einem Schaufenster ein Kleid mitgehen lassen oder was? Gut, sie war immer noch eine Frau - mit Oberweite konnte man sich hier und da durchaus leichter einschleichen, zumal ihr Gesicht ja nun auch alles andere als unschön war. Andererseits war sie eigentlich schon auf den ersten Blick nicht sonderlich agil unterwegs... ach, was wusste ich schon, war im Grunde ja auch vollkommen egal. Irgendwie war sie rein gekommen, bediente sich an weiß Gott welchem Alkohol und verzockte welches Geld auch immer, während ich Ashton in die entsprechende Richtung lotste. Ich fing auch während der Fahrt wieder an, unruhig mit dem Bein auf und ab zu wippen, was in den letzten Tagen irgendwie ziemlich zur Normalität geworden war - daran war allerdings nicht die Russin schuld. Ich war dennoch heilfroh, als das relativ große Gebäude in Sicht kam und Ashton den Wagen endlich anhielt. Mit dem Aussteigen wartete ich keineswegs und steuerte den Eingang an. Selbstredend hatten die beiden Securitys am Eingang mich schon im Blick, als ich etwa zehn Meter weit vor dem Eingang war. Hielten mich auf, als ich nach drinnen wollte. Ich schilderte ihnen die Situation mehrfach, packte dabei ungefähr alles an Freundlichkeit und Charme aus, was ich hatte, aber es war nichts zu machen. So stand ich dort sicher fünf Minuten und diskutierte mit den beiden schrankbreiten Kerlen, während Hunters rechte Hand am Wagen geblieben war und das ganze vermutlich just in diesem Moment hochgradig belustigt beobachtete, während er mit heruntergelassenem Fenster eine rauchte. Doch dann kam endlich mal Licht am Ende des über zwei Stunden langen Tunnels und ich sah Vahagn begleitet von einem weiteren Security ganz nahe in Richtung Ausgang kommen, der sie fragte, ob nicht ein Taxi nach Hause für sie gerufen werden sollte. Ich warf den beiden Securitys einen besserwisserischen Blick zu, weil ich den beiden sehr wohl die Wahrheit aufgetischt hatte und sie jene nur nicht hatten glauben wollen. Der - mehr oder weniger - lebende Beweis dafür kam gerade an den beiden vorbei und ich war so frei dem Begleiter der Brünetten mit den Worten "Danke, aber das ist nicht notwendig, ich bring sie heim." was das Taxi anging abzusagen. Er nickte nur leicht und übergab sie mir quasi, woraufhin die beiden Männer am Eingang mir einen mehr oder weniger entschuldigenden Blick zuwarfen und sich dann wieder vollends auf den Rest der ankommenden Menschen fixierten. "Hast du jetzt vollkommen den Verstand verloren?", fragte ich Vahagn durchweg trocken und sah sie an, mein Blick so angesäuert wie schon seit Stunden, nur jetzt eben nicht mehr nervös.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Seit dem überaus knappen Schlagabtausch zwischen Tauren und mir waren inzwischen mehrere Minuten vergangen, die ich sinnvollerweise damit verbracht hatte, den Haufen Pokerchips über den großen runden Tisch hinweg in ein kleines Stoffsäckchen zu schaufeln, welches mir der Dealer mit einem anerkennenden Nicken angereicht hatte. Ich bedankte mich freundlich für das überaus nette Spiel und stiefelte daraufhin mit einem zufriedenen Grinsen und mehreren verdutzten Blicken in meinem Rücken in Richtung der Kasse des Casinos, bei der sich die Spielwährung schließlich in reales Geld wechseln ließ. Ich blätterte gerade durch an die fünfhundert, sechshundert Dollar, als ich von der Seite bereits einen der Security Mitarbeiter auf mich zukommen sah, der mir anbot, mich nach draußen zu geleiten. Ein solcher Erfolg blieb selten unbemerkt und als Frau, die sichtlich angeschlagen war, sollte man sich womöglich nicht ohne weiteres vor die Tür der an und für sich akribisch überwachten Spielhalle bewegen. In der Regel lehnte ich solche Angebote zwar ziemlich bestimmt ab, weil ich mich ausreichend selbst verteidigen konnte - auch ohne Waffen, auf die man beim Eintritt immer sehr genau kontrolliert wurde -, aber angesichts der noch nicht gänzlich verheilten Verletzungen und der trotz des ziemlich bedenklichen Alkoholkonsums wieder einsetzenden Schmerzen nahm ich die Hilfe des breit gebauten Schranks schließlich doch an und nachdem mir die ältere Dame auf der anderen Seite der Durchreiche auch noch die letzten zweihundert Dollar ausbezahlt hatte, bewegte ich mich leicht hinkend neben dem Gebäude- und Personenschützer bis nach draußen. Auf dem Weg hatte ich mir an der Bar unweit des Eingangs tatsächlich noch eine Flasche Sekt gekauft, wobei ich von der Dekadenz, mein Geld jetzt auch noch für einen absolut scheußlich schmeckenden Champagner aus dem Fenster zu schmeißen, absah. Schmeckte einfach nicht, der Fusel. Da entschied ich mich doch lieber für einen spritzig frischen Pinot Sekt, der zudem um ein Vielfaches günstiger war und mich am Ende des Abends genau so gut schlafen lassen würde. Ich hielt also das Bündel voll Geld in der einen und die Flasche Alkohol in der anderen Hand, als wir das Casino letzten Endes verließen und eine plötzlich einsetzende Gänsehaut mir die feinen Härchen auf den Armen und im Nacken zu Berge stehen ließ. Ich hatte nur ein schlicht schwarzes, sehr dünnes Rollkragenshirt an, dazu eine ebenfalls schwarze Jeans, weil man sehr viel mehr über den Tag hinweg einfach nicht tragen konnte, ohne förmlich dahin zu schmelzen. Aber gegen Abend wurde es doch reichlich frisch in Havanna und auch der Alkohol, der mich angeheitert und mit guter Laune recht agil wirken ließ, konnte mich dahingehend leider nicht wärmen. Ich zitterte also ein wenig, als sich der Sicherheitsmann mit der Frage, ob er mir ein Taxi rufen sollte, an mich wendete. Gerade, als ich zum Antworten ansetzen wollte, grätschte mir eine nur allzu bekannte Stimme dazwischen und ließ mich damit unweigerlich die Augenbrauen zusammenziehen. Jedoch nur so lange, wie der Norweger noch von der Masse an Mann mir gegenüber verdeckt wurde. Als dieser einen Schritt zur Seite trat und mir damit diesen unverschämt gut aussehenden, wenn auch sichtlich angenervten Tauren offenbarte, zierte plötzlich wieder ein breites Grinsen meine Lippen. Ich war erst misstrauisch gewesen, in welche Hände mich der Typ hatte geben wollen, deswegen war ich eigentlich ganz erleichtert, dass der junge Mann - mitsamt seines Anhangs im Hintergrund - gekommen war, um mich abzuholen. Dabei hatte ich ihn in unserem Telefonat doch gar nicht darum gebeten, oder etwa doch? Na ja, war eigentlich auch egal. Ich freute mich jedenfalls, dass er da war, obwohl er alles andere als amüsiert klang, was ich ehrlich gesagt nicht ganz nachvollziehen konnte. Schließlich war doch alles in absolut bester Ordnung. Zumindest redete mir das mein angeheitertes Hirn ein, welches das Denken inzwischen fast vollständig eingestellt hatte. Ich brauchte daher einige Sekunden, um mich zu sortieren, ehe ich schließlich mit einem Glucksen zu einer Antwort ansetzte. "Wieso denn? Ich hab Richard doch Bescheid gesagt, dass ich in die Stadt gehen würde und schau mal...", ich wedelte abwechselnd mit dem Bündel Geld und der Sektflasche. "Du kommst gerade richtig, um mit mir zu feiern.", stellte ich bestens gelaunt fest und hakte mich spontan bei ihm ein, bevor ich der Security ein angemessenes Sümmchen für den Begleitservice in die Hand drückte und mich damit verabschiedete. Dann galt meine volle - wenn man das so nennen konnte - Aufmerksamkeit wieder dem jungen Mann, der sichtlich wenig begeistert zu sein schien. Klar, meine Art, wie ich ihn am Telefon abgefertigt hatte, war vielleicht nicht die feine Englische gewesen, aber er sollte sich glücklich schätzen, dass ich diesen Gewinn heute wider Erwarten gemacht hatte. Denn dann würde ich ihm nicht mehr allzu sehr auf der Tasche liegen und aktiv etwas zum Einkauf beisteuern können, so lange ich noch Asyl bei ihm suchte. Außerdem war ja gar nichts weiter passiert, erwachsen war ich auch und so entspannt und locker hatte ich seit Jahren nicht mehr durch eine Stadt schlurfen können. Ohne Angst haben zu müssen, dass mein leicht beschwipster Zustand direkt ausgenutzt wurde. Tat richtig gut, wenn ich ehrlich sein sollte. So ließ sich das Leben beinahe wieder genießen. Aber gut, jedenfalls stand ihm nicht ansatzweise das Recht zu, wütend oder enttäuscht zu sein, selbst wenn ich aktuell unter seinem Dach lebte. Das schränkte mich nämlich keineswegs in meinem freien Denken und Handeln ein und ich hatte schon ein Stück weit Rücksicht auf ihn genommen, als ich Richard mitteilte, wo ich mich am Abend aufhalten würde. Wenn das nicht genug war, wusste ich auch nicht. Natürlich war mir nicht klar gewesen, dass das berauschte Hirn des Engländers nur bedingt diese Information an Tauren weiter gegeben würde, aber das spielte im Prinzip auch überhaupt keine Rolle. Schließlich war ich so oder so nicht verpflichtet dazu, ihm Auskunft darüber zu erteilen, wo ich mich wann aufhalten würde. Immerhin führten wir weder eine Beziehung, noch gab es andere Gründe, die eine detaillierte Aufklärung meinerseits rechtfertigen würde.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ja, genau. Die junge Frau hatte Richard Bescheid gesagt. Einem Kerl, bei dem man momentan schon grundlegend froh darüber sein konnte, wenn er wusste wo oben und wo unten war. Es war offensichtlich, dass er hier und da immer wieder irgendwelche nicht existenten Filme schob, sich kurzzeitig in Parallelwelten beamte und damit absolut aus dem Schema verantwortungsvoller, zuverlässiger Persönlichkeiten fiel. Er war also von vornherein gänzlich ungeeignet dafür ihm auch nur einen Hauch Verantwortung aufzutragen, was eigentlich auch für Vahagn erkennbar gewesen sein sollte. Es war ja schön, dass die Brünette offenbar allerbester Laune war - dank Alkohol und auch dem scheinbar gewonnenen Geld -, aber das konnte mir jetzt auch im Nachhinein nicht mehr die Sorgen der letzten beiden Stunden auslöschen. Zumal meine Sorge ja auch ziemlich berechtigt gewesen war. Oxycodon und Alkohol in Kombination war absolut nicht zu empfehlen und entweder hatte sie bis hierhin noch nicht allzu viel getrunken, oder schon seit einer halben Ewigkeit keine Pille mehr eingeschmissen... wobei mir im Grunde genommen vollkommen egal war, warum sie noch auf den Beinen stand und nicht schon in irgendeinem Krankenhaus um die Ecke den Magen ausgepumpt bekam, solange letzteres eben nicht passierte. So beobachtete ich Vahagn erst einmal kurzzeitig mit hochgezogener Augenbraue dabei, wie sie mich auch noch zum Feiern animieren wollte, sich allzu fröhlich bei mir einhakte und schüttelte wenig später entschieden den Kopf. Nein. Ich nahm zwar keine Schmerzmittel mehr - wobei Ibuprofen mit Alkohol mich wohl ohnehin kaum umhauen würden, weil das mit der einen Flasche Sekt bei mir einfach ziemlich unmöglich war und ich es auch andernfalls ziemlich übertreiben musste, weil ich recht viel vertrug -, aber mir stand gerade wirklich nicht der Sinn nach einem Gläschen Sekt. Ich mochte letzteren ohnehin nicht besonders gern, bevorzugte in jedem Fall verhältnismäßig herbes Bier oder hin und wieder mal Cocktails, in denen Rum enthalten war. Wirklich pur trank ich hochprozentiges nur selten, weil ich Kontrollverlust schlichtweg nicht leiden konnte. Das war's dann auch ziemlich gewesen, was Anderes floss mir an alkoholischen Getränken hochgradig selten die Kehle runter. Ich setzte mich mit meinem Anhängsel am Arm langsam in Bewegung, um wieder das Auto anzusteuern, das auf der anderen Straßenseite am Gehweg parkte. Bugsierte Vahagn nach kurzem Warten sicher über die Straße, auf der jetzt aber ohnehin kaum noch was los war. "Es war ja auch gut, dass du zumindest Richard Bescheid gesagt hast... aber nachdem er wieder in seinen Drogen versumpft ist wusste ich bis vor ein paar Minuten trotzdem nicht, wo du bist. Ich hab mir verdammt nochmal Sorgen gemacht, du hättest sonst wo landen können", redete ich noch immer mit genervtem Unterton vor mich hin, fügte am Ende noch ein hörbares Seufzen hinzu. War ja gut gemeint gewesen, das mit dem Bescheid sagen. Hatte halt nur nicht funktioniert und das hätte ihr vorher schon klar sein müssen. Als wir beim Wagen ankamen hielt ich der leicht schwankenden Brünetten, die mich dadurch mehrfach ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, die Tür hinter dem Fahrersitz auf und ließ sie dort Platz nehmen, wobei ich sie doch ein bisschen festhielt und ihr half. Es parallel irgendwie beängstigend fand, dass ich ihr bei ihrer guten Laune schon kaum mehr böse sein konnte, obwohl ich das weiterhin wollte. Es war schlichtweg leichtsinnig und dumm gewesen, erst recht die Alkoholtrinkerei. Ich ließ die Tür hinter Vahagn wieder zufallen, bevor ich mir die Haare raufend ums Heck des Wagens herumging und mich auf der Beifahrerseite ebenfalls auf den Rücksitz fallen ließ. Hatte zum einen den Grund, dass ich mich so besser weiter mit ihr unterhalten können würde und zum anderen leicht nach der Sektflasche greifen konnte, wenn sie nun wirklich vor hatte weiter zu trinken. Ashton fuhr auch kurz nachdem ich mich angeschnallt hatte wieder los, wollte vermutlich einfach nur noch Feierabend von der ganzen Misere hier haben, womit wir schon zu zweit waren. Uns abladen und dann nach Hause. "Du solltest wirklich nicht noch mehr trinken, Vahagn.", versuchte ich erst einmal ein wenig ruhiger an ihre Vernunft zu appellieren. Vielleicht war es gar nicht notwendig, sie durch meine Hand vom Alkohol zu trennen. Womöglich hatte ich nach diesem alles in allem beschissenen Abend ja ausnahmsweise mal ein bisschen Glück. Wenn nicht würde ich vermutlich aber kaum damit zögern, mir die gläserne Flasche anzueignen. Sie war so schon angeheitert genug, mehr musste echt nicht sein. Außerdem waberte das Oxycodon immer noch irgendwo in ihrem Gehirn vor sich hin und ich hatte nach wie vor keine Lust, eine in Atemdepression verfallene, bewusstlose Person neben mir sitzen oder im Bett liegen zu haben. Ich verstand nicht wie man im Umgang mit Opiaten so verantwortungslos sein konnte, immerhin verstärkte Alkohol deren Wirkung grundsätzlich in überproportionalen Maßen. Sie könnte von jetzt auf gleich umkippen, auch wenn sie es nicht bewusst hatte herbeiführen wollen, wo die Wirkung von Alkohol doch erst verspätet eintrat. Konnte und wollte ich nicht verstehen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mein Gott, wie konnte man denn so spießig sein? War mir nach den letzten Tagen denn nicht einmal das geringste bisschen Spaß vergönnt? Ich schüttelte ziemlich verständnislos mit dem Kopf, was mich die Welt angesichts des mittlerweile relativ hohen Promillewerts - lag wohl unter anderem an den russischen Genen, dass die Messlatte verhältnismäßig hoch hing - etwas verschwommen sehen ließ, als ich neben Tauren die Straße überquerte. "Na ja, aber das' ja wohl nicht mein Problem. Streng genommen hätte ich ihm nicht einmal Bescheid sagen müssen, dass ich einfach mal weggehen wollte.", stellte ich weiterhin recht gut gelaunt fest, wobei aus der Aussage ziemlich deutlich hervorging, wie wenig mich seine Sorge um mein Wohlergehen im Moment eigentlich kümmerte. Schließlich war ich niemanden eine Rechenschaft schuldig und nur weil er sich Gedanken machte, musste ich ja wohl keineswegs nach seiner Pfeife tanzen. Würde ich auch nicht, so viel stand fest. Ich wusste immerhin am besten, wie gut es mir aktuell ging und das war für den Moment, in dem mich der Norweger auf der Rückbank drapierte, alles was zählte. Während seine besorgten Worte in das eine Ohr rein und zum anderen wieder raus gingen, ließ mich der genervte Unterton sauer aufstoßen, weil jener schlicht meine überschwänglich gute Laune dämpfte, mit der ich momentan eigentlich wirklich glücklich war. Klar, lag das nicht zuletzt auch an dem Alkohol, der einen so herrlich den Tag versüßen konnte, wenn man ihn in moderaten Menschen konsumierte, aber war das denn wirklich so schlimm? Ich lag noch lange nicht halbtot in irgendeiner Ecke und hatte auch nicht vor, das heute noch zu ändern. Zwar war der ein oder andere Schluck des Sektes heute schon noch mein Ziel gewesen, aber den Korken hier im Auto zu entfernen, wäre ein ziemlich sportliches Unterfangen und sobald wir Zuhause angekommen waren, hatte mich das leichte Schaukeln des Autos während der Fahrt vermutlich so müde gemacht, dass ich dann gar nicht mehr daran denken und mir die Mühe machen würde. Ich war froh, die für meine Verletzungen immer noch viel zu schwere Glasflasche überhaupt heile ins Auto bekommen zu haben und sofern man nicht den Flaschenhals abschlagen wollte, war der Korken eigentlich eine sehr gute Kindersicherung. Auch ohne die mahnenden Worte Taurens, der sich nur wenige Augenblicke später zu mir auf die Rückbank gesellte. Er erntete von mir einen, auf seinen entnervten Unterton zugeschnittenen, bösen Blick, bevor ich dann mit den Augen rollte. "Jetzt beruhig' dich doch mal. Was machst du dir denn überhaupt so einen Kopf? Ich bin alt genug, um auf mich selbst aufzupassen und brauche keinen kleinen Engel auf meiner Schulter, der jeglichen Spaß ausreden will.", entgegnete ich mittlerweile hörbar gereizt, weil ich selbst im angeschwipsten Zustand noch meinen Stolz hatte und mir ungern von irgendwem in meine Entscheidungen reinreden ließ. Da hatte einfach niemand ein Recht zu, Ende der Diskussion. Und das Richard in seinem Rausch die hinterlassene Information nicht mehr abrufbereit gehabt hatte... ja nun, war halt so. Wieso war ihm das denn überhaupt so wichtig, zu wissen, wo ich mich aufhielt? Er konnte doch froh sein, wenn ich nicht mehr da wäre. Der Ärger mit Hunter ging schließlich zu einem Großteil auf meine Kappe, auch wenn eine Aussprache der beiden die Wogen etwas geglättet zu haben schien, aber ich war ja nicht auf den Kopf gefallen. Mochte sein, dass meine Arme unter dem Beschuss der Italiener gelitten hatten, aber der Kopf hatte nichts abbekommen. Also... na ja, streng genommen schon, weil ich irgendwann einfach zu Boden gegangen und auf dem Asphalt der Landebahn aufgeschlagen war, aber man brauchte auch nur maximal drei funktionierende Gehirnzellen, um erkennen zu können, dass meine Anwesenheit lediglich Unbehagen auslöste. Ashton war nicht besonders begeistert von mir und meiner Art, Hunter ebenso wenig und von dem rothaarigen Teufel brauchte ich gar nicht erst anfangen. Er zog seinen ohnehin schon angeknacksten Ruf doch nur noch weiter durch den Dreck, wenn er sich länger mit mir herum schlug, als das wirklich nötig war - warum? Und wenn die Wundern weiterhin so gut heilten, dann stand die Reise nach Russland sowieso schneller an, als er gucken konnte. War er denn ernsthaft der Meinung, dass ich ihm dahingehend groß Bescheid geben und ihn, erst noch eine Abschiedsparty feiernd, verlassen würde? Eher nicht. Wir verstanden uns zwar mittlerweile wirklich gut - zu gut, wenn man mich fragte -, aber es wurde Zeit, dass ich meinen eisigen Pelz wieder aus dem Schrank kramte. Komplett verweichlichen wollte ich nämlich keinesfalls und da brauchte es Routine. Also konnte sich Tauren schon mal darauf gefasst machen, dass ich noch heute damit anfangen würde, ihm wieder sehr negativ auf die Nerven gehen zu wollen. Einfach unter den Teppich kehren würde ich sein Auftreten von gerade eben nämlich nicht, auch wenn ich daheim angekommen ziemlich müde sein würde, nur wartete ich damit ganz bewusst, bis wir Zuhause waren. Dann konnte er sich warm anziehen.
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