War ein schöner Gedanke. Eigentlich war ich normalerweise nicht wirklich begeistert davon noch weitere Leute mit in die Sache hinein zu ziehen, die an sich grundlegend nicht viel mit dem eigentlichen Problem zu schaffen hatten, aber in diesem Fall könnte ich über die Ermordung zahlreicher Italiener, die nur mit ihrer Zugehörigkeit zur Mafia den falschen Schritt gemacht hatten, ganz gut leben. In diesem Verein war meiner Vermutung nach einfach nur einer schlimmer als der andere und es tat mir maximal um die Familien leid, die dann unter dem Verlust jener litten. Andererseits war kein Vater relativ sicher immer noch besser als ein Mafia-Vater. "Ein schöner Gedanke ist es trotzdem.", stellte ich fest und zuckte ein klein wenig mit den Schultern. War vielleicht gemein, aber hin und wieder war auch mir mal ein gehässiger, absolut egoistischer Gedanke vergönnt. Natürlich war es ziemlich genau absolut unmöglich eine so große Organisation wie die italienische Mafia auszurotten, aber allein der Gedanke daran erheiterte mich wieder ein bisschen. Als Vahagn noch weiter auf ihr eigenes Problem zu sprechen kam verging mir die Lust am Lächeln aber recht schnell wieder. Es war irgendwie so abwegig, dass sie in diesem Punkt so unheimlich selbstlos war, obwohl in den meisten anderen Fällen eher das Gegenteil präsent war. Sie handelte oft zu ihrem eigenen, ganz persönlichen Vorteil und hierbei lag ihr Hauptaugenmerk aber eindeutig auf ihrem älteren Bruder. Das war wohl, was ein gutes Geschwisterverhältnis ausmachte, wenn man sich gerne für den jeweils anderen opferte und demnach ergab das auch Sinn, nur war es für die junge Frau selbst nicht gut. Vielleicht war ihr das weniger bewusst, jetzt wo sie im Normalzustand fähig war sich gegen den Kerl zu wehren, aber das war auch bei den meisten Menschen eher ein unterschwelliger Prozess, der sie nur dann irgendwann einholte, wenn sie allein waren und zu viel Zeit zum Nachdenken hatten. "Ich will dir da auch gar nicht rein reden, nur... solche Sachen eine Ewigkeit mit sich rumzuschleppen und nichts dagegen zu unternehmen ist einfach in den seltensten Fällen gesund. Für einen selbst, meine ich.", murmelte ich so vor mich hin und merkte erst im Nachhinein, dass ich ein bisschen klang wie ein Therapeut. Deshalb schüttelte ich auch kaum äußerlich sichtbar den Kopf und war mir fast sicher, dass jetzt ein relativ guter Zeitpunkt war, um endlich schlafen zu gehen. Vahagn hatte gegähnt und außerdem glaubte ich zu wissen, dass es nicht gut wäre, wenn wir uns jetzt zu stark an dem Thema festbeißen würden. Sie hatte mir jetzt schon viel anvertraut, das ich mir gar nicht erhofft hatte und das reichte für heute sicher. Wir hatten schließlich noch die eine oder andere Woche Zeit dazu, uns noch einmal darüber zu unterhalten, falls die Brünette das gerne wollte oder wir durch Zufall darauf zurück kamen. Aber hier noch etwas übers Knie brechen wollte ich wirklich nicht. "Ich glaub ich sollte langsam echt schlafen gehen, der Tag war verdammt lang.", setzte ich also langsam zu einer Verabschiedung an, wobei mein Blick dann aber doch noch einmal zu ihrer Hand auf meinem Oberschenkel glitt. Ich beschloss kurzerhand, dass es nicht so verkehrt sein konnte der Brünetten ein kleines bisschen Zärtlichkeit zurück zu geben, weshalb ich bei meinen noch folgenden Worten kurze Zeit ein kleines bisschen mit dem Daumen über ihren Handrücken strich. "Brauchst du noch was?", erkundigte ich mich zur Sicherheit danach, ob ich Vahagn noch Irgendwas bringen sollte, bevor ich für diese Nacht wohl endgültig rüber ins Wohnzimmer ging. Was ich nur mehr oder weniger wollte, weil das Bett schlicht viel bequemer als das Sofa war - erst recht mit der hübschen jungen Frau darin-, aber das hatte ich mir selbst zuzuschreiben.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Allemal, ja. Aber dabei würde es wohl auch bleiben - bei einem Gedanken daran. Und damit war das Thema für mich schließlich vom Tisch, denn es brachte uns rein gar nichts, wenn wir jetzt noch weiter darüber philosophierten, wie schön und friedlich die Welt ohne einen Großteil der Bewohner des stiefelförmigen Kontinents doch wäre, außer vielleicht eine Menge Frust und ein Hauch von innerer Unruhe. Ich beschloss also, nichts weiter dazu zu sagen, sondern ihm diesbezüglich nur ein zustimmendes Nicken zu schenken, bevor ich mich den darauffolgenden Worten mein Gehört schenkte. Und ich erwischte mich dabei, wie ich mit den Augen rollte, als Tauren weiterhin darauf bestand, dass das keine wirklich gute Lösung war, wenn ich Michail weiterhin am Leben und bei meinem Bruder wohnen lassen würde. Das war für mich doch auch überhaupt nichts Neues, ich wusste, dass das auf kurz oder lang einfach nicht gut war, mir mit meinem Problem überhaupt nicht weiterhelfen würde, aber ich war nun mal noch nicht im Ansatz dazu bereit, dahingehend irgendwelche Schritte einzuleiten. Deswegen war ich ganz froh, dass der Norweger selbst einzusehen schien, dass dieses Gespräch hier bald wieder meine gewohnt genervten, störrischen Facetten zutage fördern würde. Um das zu vermeiden, setzte er wohl ganz bewusst einen Cut, indem er sich dazu entschied, dass es Zeit wurde, ins Bett zu gehen. Sollte mir nur recht sein, schließlich wäre mir wohl anderweitig keine besonders nette Antwort über die Lippen gekommen und weil die Unterhaltung bis dato eigentlich ganz schön gewesen war, fand ich es gut, dass wir es dabei beließen. Man sollte aufhören, wenn es am schönsten war. Genau. "Absolut nachvollziehbar, ja. Ich werde tatsächlich auch langsam müde. Die Pillen wirken Wunder.", stellte ich nüchtern fest und ein erneutes Gähnen unterstrich die Aussage doch sehr tatkräftig. Auf die Frage hin, ob ich noch irgendetwas bräuchte schüttelte ich entschieden mit dem Kopf. "Ich brauche nichts mehr, danke. Etwas zu trinken habe ich ja und wenn ich Schmerzmittel brauche, werde ich mich bemerkbar machen...", klärte ich Tauren darüber auf, dass Wasser so ziemlich das Einzige war, was immer in ausreichender Menge zur Verfügung stehen musste. Manchmal wurde mein Hals in der Nacht furchtbar trocken, sodass ich hustend aus dem Schlaf schreckte. Mich mit den aktuellen Verletzungen dann noch bis zur Küche schleppen zu müssen, hätte mich auf halben Wege wohl ersticken und leblos auf den Boden zusammen sacken lassen. "Ich... danke noch mal. Für alles.", murmelte ich ein paar leise, ernst gemeinten Worte des Dankes in Richtung Tauren, ehe ich meine Hand schließlich von seinem Oberschenkel nahm und sie stattdessen auf einer der halbwegs unversehrten Stellen meines Bauches legte. "Schlaf gut.", folgte eine knappe Verabschiedung, die mich ungeachtet des letzten, sehr sensiblen Themas doch noch einmal aufrichtig lächeln ließ. Es dauerte dann zu meinem Erstaunen auch nicht mehr wirklich lange, bis ich schließlich ins Land der Träume abgedriftet war, nachdem Tauren das Schlafzimmer verlassen und die Tür beim Rausgehen angelehnt hatte. Ich lag vielleicht noch zwei, drei, maximal jedoch fünf Minuten wach, ehe mich das Oxycodon fest in seinen Bann zog und mich schließlich in einen traumlosen Schlaf riss. Dieser wurde jedoch ein paar Stunden später ziemlich unschön unterbrochen und zwar durch einen stechenden Schmerz auf Höhe des Bauchnabels. Liebend gerne wäre ich nach den etwa neun Stunden Schlaf aufgewacht und einfach fit wie ein Turnschuh gewesen, aber stattdessen fühlte ich mich vollkommen ausgelaugt und überhaupt nicht ausgeruht, was unter anderem wohl daran liegen mochte, dass ich gerade im Begriff war, eine ganze Menge Blut zu verlieren. Ich konnte gar nicht so schnell wach werden, um zu realisieren, was passiert war, aber ganz offensichtlich war eine der genähten Wunden unweit meines Bauchnabels am oberen Ende ein wenig Teil aufgerissen und das bis dahin saubere T-Shirt - auf dem Weg nach Kuba war ich nach der Operation ganz offensichtlich umgezogen worden - klebte mit blutroter Farbe und einer sehr unangenehmen Wärme auf meiner Haut. Die Schmerzen rührten zwar alles in allem nicht nur von der aufgeplatzten Naht her, sondern waren auch mangels schmerzstillender Mittel auch so wieder recht präsent, ließen mich jedoch ungeachtet dessen anfangs müde stöhnen und später dann gequält jaulen. Es war ja wirklich ganz toll, dass ich immerhin meine Beine noch halbwegs bewegen konnte, aber das brachte mir leider überhaupt nichts, wenn ich mich nicht einmal aufsetzen konnte, um aufzustehen. Also musste ich zwangsläufig liegen bleiben und hoffen, dass entweder Tauren oder Richard bald nach mir sehen kamen. So ganz alleine konnte ich mich nämlich nicht um meine Verletzung kümmern. Der Engländer sollte tatsächlich der Erste sein, der auf der gegenüberliegenden Seite von Taurens Zimmer aus der Tür gestiefelt kam, allerdings schien er sich nicht besonders für meine Probleme zu interessieren und so sah ich durch den Spalt lediglich, wie er am Zimmer vorbei in Richtung der Küche lief. Sein Blick war stur auf den Boden gerichtet und zuckte nicht einmal mehr in meine Richtung, sodass ich ihm hätte anderweitig bedeuten können, dass ich hier gerade Hilfe gebrauchen könnte. Mir war indessen auch aufgefallen, warum die Wunde sich entschieden hatte, das Bluten anzufangen. Scheinbar hatte ich die Hand, welche ich am gestrigen Abend noch auf dem Bauch abgelegt hatte, in der Nacht sehr unglücklich verkrampft und die Fingernägel hatten sich alles andere als angenehm in die Wunde gebohrt. Ich konnte also von Glück reden, dass nur der obere Teil und dieser auch wirklich nur ein bisschen aufgerissen war, aber es langte allemal, um mich nach Luft schnappen zu lassen, die aus der Position heraus irgendwie immer knapper zu werden schien.
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Ich nickte Vahagn nur noch einmal leicht zu, lächelte aber aufrichtig, als ich ihr noch ein knappes "Du auch.", zukommen ließ, ehe ich mit der Krücke in der Hand aufstand und dann zur Zimmertür ging. Von da aus noch einen allerletzten, prüfenden Blick in Richtung der Brünetten warf und mich dann auf den Weg ins Bad machte. Von da aus ging es ein paar Minuten später weiter ins Wohnzimmer und ich schnappte mir die dünne Decke von der Rückenlehne, bevor ich mich aufs Sofa setzte und die überflüssigen Klamotten loswurde, beim Ausziehen der Hose das Oxycodon auf dem Couchtisch abstellte. Dann nahm ich noch einen Schluck aus der angebrochenen Wasserflasche vom Abend vor der ganzen Abholaktion und breitete im Anschluss die Decke aus, um es mir darunter bequem zu machen. Mir fiel das Einschlafen tatsächlich nicht ganz so leicht, obwohl ich schrecklich müde war. Aber nachdem ich das Gespräch von gerade eben einige Male hatte Revue passieren lassen driftete ich doch noch in einen eher unruhigen Schlaf. Nicht zuletzt wegen ein oder zwei Alpträumen schlief ich längst nicht ganz durch, aber auch hierbei nahm ich wohl einfach, was ich kriegen konnte. Mit dem entsprechend eher nur leichten Schlaf wachte ich auf, als Richard sich im Flur herumtrieb. Gähnte sehr ausgiebig, bevor ich die Augen aufschlug und einige Sekunden lang an die Decke starrte. War keine gute Nacht gewesen und noch dazu eindeutig zu kurz. Demnach war ich wenig dankbar für die Ruhestörung des Engländers, gab ihm daran aber keine Schuld. Immerhin war ich selbst dumm genug gewesen die Wohnzimmertür vor dem ins Bett gehen nicht hinter mir zu schließen, sondern sie etwa bis zur Hälfte offen zu lassen. Durch die Geräusche aus der Küche kam ich auch jetzt nicht mehr wirklich zur Ruhe, also beschloss ich irgendwann schwer seufzend mich aufzusetzen und mir über das müde Gesicht zu streichen. Im Anschluss daran wollte ich nach wie vor lediglich mit den schwarzen Boxershorts an den Hüften eigentlich ins Bad humpeln, beschloss aber auf halbem Wege doch erst noch einmal in meinem Zimmer nach der Russin zu sehen. Sicher zu gehen, dass Alles in Ordnung war und danach konnte ich dann wie gehabt fortfahren. Ich war eigentlich guter Dinge, dass es bei einem kurzen Blick ins Zimmer bleiben würde und sie noch schlief, aber da wurden meine Hoffnungen unbarmherzig durchkreuzt. All das Blut und noch dazu die durchweg schmerzerfüllte Miene seitens Vahagn, ließen sofort sämtliche Alarmglocken in mir schrillen und ich fiel mit einem "Oh Gott.", beinahe rückwärts aus dem Zimmer, als ich mich postwendend ziemlich hastig wieder umdrehte. Diesmal um zügig zum Badezimmer zu humpeln und in den beiden Schränken nach dem Verbandskasten zu suchen, den Ashton bei seiner ersten Lebensmittellieferung auch mit hergebracht hatte. Nur zur Sicherheit, wo Richard und ich doch beide noch nicht fit waren. Stattdessen kam der Inhalt jetzt aber wohl der Russin zu Gute, als ich so schnell wie nur irgendwie möglich mit dem Kasten unter dem Arm zurück zu meinem Zimmer humpelte. "Richard..!", appellierte ich laut an die Mithilfe des Dunkelhaarigen, den ich bisher nicht gesehen, sondern nur gehört hatte. "Bring' mir das Oxycodon aus dem Wohnzimmer.. bitte!", vollendete ich meinen Wunsch über meine Schulter hinweg zurück in den Flur sehend, als ich wieder an meiner Zimmertür angekommen war. Jedoch humpelte ich schnell weiter bis zum Bett ohne eine Antwort abzuwarten. "Scheiße man, wie lang blutet das schon..?", stellte ich mehr nur mir selbst eine eher rhetorische Frage, als ich mich ans Bett setzte und das Ausmaß des Blutverlustes erstmals richtig sichtbar wurde. Zuerst schob ich die Bettdecke vorsichtig noch ein Stück bei Seite, dann auch nach einem kurzen, prüfenden Blick in Vahagns Gesicht noch ihr blutdurchtränktes Shirt. Der Auslöser war leicht auszumachen und so zog ich den Verbandskasten, den ich vorübergehend kurz auf dem Boden abgestellt hatte, hoch aufs Bett. Desinfizierte mir erst selbst ein wenig die Hände mit dem enthaltenen Desinfektionsmittel, bevor ich mit den Worten "Zähne zusammenbeißen.", vorsichtig damit anfing, die offene Wunde zu spülen. Zwar war die Naht nicht allzu weit aufgerissen, aber sie blutete sicher schon eine gefühlte Ewigkeit so vor sich hin und es konnten sich unter der Wärme der Kleidung schon weiß Gott welche Keime in den Körper der jungen Frau eingeschlichen haben.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es vergingen bestimmt an die fünf, vielleicht zehn Minuten, bis nach dem Engländer auch Tauren an der Tür auszumachen gewesen war und anders als Richard reagierte dieser sofort auf die schmerzverzerrten Laute meinerseits, indem er seinen Kopf durch Tür steckte, um nach dem Rechten zu sehen. Es war offensichtlich, dass es mir nicht besonders gut ging und das schien auch bei dem halbnackten jungen Mann zügig anzukommen, denn ich konnte nicht einmal bis drei zählen, da war er schon hellwach und mit aufgebrachten Worten wieder aus dem Türrahmen verschwunden, nur um einen Augenblick später mit einem kleinen Verbandskasten unter dem Arm zu mir zurück zu kehren. Auf dem Weg zum Bett rief er noch nach dem Brünetten, der sich in der Küche wohl in aller Seelenruhe einen Kaffee einschenkte oder weiß der Geier was trieb. Erst auf die Worte des Norwegers schien er sich dazu überreden zu lassen, mit dem Behältnis von gestern zu uns aufzuschließen, wobei er alles in allem nicht sonderlich begeistert aussah, auch nicht sehr agil wirkte. Nicht, dass ich in der aktuellen Situation das Interesse dafür aufbringen konnte, irgendwelche Mutmaßungen anzustellen, aber Richard wirkte irgendwie... fertig. Das letzte Mal, als ich ihn gesehen hatte, sah er für den Grad an Verletzungen noch relativ gut aus, aber das hatte sich binnen der wenigen Stunden, in denen ich nach Italien und zurück nach Kuba geflogen war augenscheinlich geändert. Die tiefschwarzen Schatten unter seinen Augen machten es schwer, daran zu glauben, dass Kaffee ihm noch irgendwie helfen konnte, die schlaflosen Nächte zu kompensieren. Außerdem wirkte er allgemein ein wenig gerädert, nur konnte ich momentan absolut nicht fest machen, woran das liegen mochte. Gründe gab es schließlich viele, aber da würde ich mir wohl auch erst Gedanken drum machen, wenn die Blutung gestillt war und der Schmerz ein wenig nachgelassen hatte, weil mir das Denken davor einfach unglaublich schwer fiel. Tauren ließ mit der Behandlung der aufgeplatzten Naht auch gar nicht lange auf sich warten, sondern setzte sich relativ zielstrebig zu mir ans Bett, um sich das Ausmaß der letzten Minuten anzusehen. Vermutlich sah es nach sehr viel mehr Blut aus, als ich letztlich wirklich verloren hatte, aber nichtsdestotrotz tat die offene Wunde verdammt weh und das wurde auch während der Desinfektion keinen Deut besser. Im Gegenteil. Es sammelten sich wieder ein paar Tränen in meinem Augenwinkel und ich tastete mit der einen Hand vorsichtig nach dem Papiertaschentuch, welches von heute Nacht noch irgendwo unweit von mir auf der Matratze liegen musste, als ich mit etwas brüchiger Stimme zu einer Antwort ansetzte. "Paar Minuten vielleicht.", war alles, was ich bezüglich der wenig relevanten Frage über die Lippen brachte, bevor meine Stimme abbrach und ich mich stattdessen auf die Anweisung des jungen Mannes konzentrierte. Zähne zusammenbeißen. Tat ich, half nur absolut gar nichts, weshalb ich gleich doppelt dankbar war, dass Richie mir noch während der Behandlung quasi als Ablenkungsmanöver eine der Pillen in den Mund steckte und mich zwang, diese mit einem Schluck Wasser hinunter zu spülen. Schön, so etwas wie Eigeninitiative konnte er also doch noch zeigen, warum nicht schon... zehn Minuten früher? Verstehen musste ich sein Verhalten nicht, die Hauptsache war jedoch, dass das kleine Loch in meiner Bauchdecke verschlossen wurde und das Oxycodon würde dann schon den Rest erledigen. Mir standen mittlerweile Schweißperlen auf der Stirn, als ich den Kopf in Richtung des Sanitäters richtete, der mit sehr viel Eifer und Geduld dabei war, das Bluten der Wunde zu unterdrücken. Jetzt, wo weder die Decke, noch das T-Shirt mir das Antlitz verwährten, warf ich einen kurzen flüchtigen Blick auf die unzähligen Narben, welche bereits veraltet und von vor einigen Jahren waren, sowie auf die fein säuberlich abgetrennten Fäden des neueren Streifschusses, der meine Haut rund um die Wunde in ein zartes rosé rot tönte. Ich konnte nichts anderes dazu sagen, als das es absolut unvorteilhaft war, nur auf dem Rücken zu schlafen. War wohl deshalb auch mit Abstand die Position, in der ich normalerweise am längsten brauchte, um in den Schaf zu finden. Heute Nacht war es wohl nur Dank der Schmerzmittel so problemlos verlaufen, aber man sah ja, wo einen das hinführte. War doch ein absolut perfekter Start für einen Tag, der in seinem Verlauf nur noch beschissener werden konnte.
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Womöglich reagierte ich wie öfter Mal ein wenig über. Aber wenn Menschen, die ich mochte, verletzt waren, dann bekam mir das selten gut. Ich sah das nicht gern und handelte dann hier und da lieber ein wenig überzogen, als mehr Zeit als notwendig zu verschwenden. Vahagn litt schließlich auch ohne die wieder aufgerissene Wunde genug, da wollte ich das Ganze so schnell wie möglich beseitigen. Richard schien meiner Bitte auch tatsächlich nachzukommen und schneite alsbald ebenfalls ins Zimmer, um der Brünetten eine der Pillen zu verabreichen. Sobald mir die Wunde sauber genug erschien machte ich mich dann daran jene wieder zu verschließen, was auch kaum angenehm für die junge Frau sein dürfte, aber ich konnte schlecht mit alledem hier warten bis dann in einigen Minuten endlich mal das Oxycodon zu wirken anfing. Dauerte mittels Tabletten ja meist leider ein paar Minuten mehr, also konnte da die akute Wundversorgung eher nicht hinten angestellt werden. Demnach flickte ich das wieder aufgerissene Stück der Wunde erneut mit Nadel und Faden, was mir an sich zum Glück absolut nicht schwer fiel. Natürlich tat ich Vahagn ungerne weh und jeder noch so kleine, schmerzverzerrte Laut ihrerseits war hochgradig unangenehm in meinen Ohren, aber da mussten wir jetzt beide durch. Wenigstens waren meine Handgriffe geübt, weil ich mir selbst ja schon einige Male hier und da Wunden hatte flicken müssen, wenn es nichts zu großes oder schwerwiegendes war. Kleinere Stich- und Schnittverletzungen eben, maximal noch das Einschussloch einer nicht tief steckenden Kugel oder einen milden Streifschuss, sofern die entsprechende Wunde eben nicht an den Armen war - einhändig nähen hatte ich nur einmal versucht und das funktionierte schlichtweg nicht. Jedenfalls war die Wunde dann soweit ich das beurteilen konnte wieder sauber verschlossen und ich kramte noch nach einer entsprechenden Abdeckung im Verbandskasten, sobald ich die Nadel desinfiziert und wieder verstaut hatte. Ein paar Sekunden später klebte ich die Wunde dann mit einer entsprechenden Kompresse ab, falls doch noch ein wenig Blut austreten sollte. Sicher war sicher. Im Anschluss machte ich den kleinen Metallkoffer dann wieder zu, reichte ihn Richard - mit einem bittenden Blick, ihn zu verstauen - und besah mir das Ausmaß des Blutes noch einmal. Seufzte schwer, bevor ich meine Augen in die der jungen Frau richtete. "Warum hast du nicht gerufen? Ich wär doch gekommen..", fragte ich sie murmelnd, ziemlich leise. Vielleicht hatte sie sich einfach nur fälschlicherweise die Schwäche nicht geben wollen. Oder sie hatte wirklich solche Schmerzen gehabt, dass sie es einfach nur nicht gekonnt hatte. Es sollte auch absolut kein Vorwurf sein, denn ich wollte Vahagn nur einfach verdeutlichen, dass sie mich gerne jederzeit aus dem Bett schmeißen konnte. Egal um was es ging. "So oder so musst du aber wohl zwangsweise... irgendwann demnächst mal duschen.", merkte ich etwa zwei Minuten später mit einem Seitenblick auf ihren blutverschmierten Oberkörper an. Das war, wenn ich gerade so darüber nachdachte, irgendwie ein bisschen problematisch. Natürlich war Vahagn bei Weitem nicht die erste Frau, die ich nackt sah, aber wenn wir diesen rein platonischen Kram beibehalten wollten - oder zumindest aus ihrer Sicht sollten -, dann war das nicht förderlich. Ich würde es schon verkraften, aber ganz gleich wie verletzt und schwächlich ösie dabei aussehen würde, wusste ich dann auch danach noch weiterhin, wie sie ohne Klamotten aussah. Dementsprechend folgte ein nur innerliches Seufzen meinerseits, weil das eine Sache war, an die ich vorher einfach absolut nicht gedacht hatte.
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Es wäre zu schön gewesen, wenn ich unmittelbar nach der Einnahme des Schmerzmittels nicht mehr gespürt hätte, denn bei den Nadelstichen von einem unangenehmen Zwicken zu reden, wäre wohl die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen. Es tat einfach einfach nur fürchterlich weh, selbst wenn es sich bei dem zu nähenden Stück nur um wenige Millimeter, maximal einen Zentimeter handelte. Es ließ mich trotzdem wieder anfangen zu weinen und dieses Mal war da niemand, der mir die Tränen aus dem Gesicht tupfte. Richard hatte sich bereits von mir abgewandt und den Rest der Verarztung stillschweigend vom anderen Ende des Bettes beobachtet, bis Tauren ihn schließlich nach getaner Arbeit mit dem Verbandskasten aus dem Zimmer schickte. Ab dem Zeitpunkt kehrte auch bei mir wieder ein kleines bisschen Ruhe ein, auch wenn ich mich nach wie vor kaum bewegen konnte, weil es die stechenden Schmerzen einfach nicht zuließen. Lediglich der Kopf ließ sich ohne weiteren Probleme drehen, weshalb mein benebelter, sichtlich erschöpfter Blick ziemlich bald den des Norwegers fand. Jener hatte ein paar fragende Worte an mich gerichtet, über die ich erst einen kurzen Moment lang nachdenken musste, bis ich genug Kraft gesammelt hatte, um ihn darüber aufzuklären, dass ich mich bereits vor einigen Minuten bemerkbar gemacht hatte. "Ich... Richard war vor der Tür und ich dachte... er... aber...", stammelte ich kraftlos vor mich hin. Weil ich wusste, dass sich mit solch vagen Aussagen nicht arbeiten ließ, schloss ich für wenige Sekunden die Augen, um mich kurz zu sammeln. Dann startete ich einen neuen Versuch, Tauren zu erklären, was vor weniger als zehn Minuten vorgefallen war. "Ich dachte, Richard hätte mich gehört und würde noch mal wieder kommen. Er... er war vor der Tür.", klärte ich den Norweger darüber auf, dass dem Hausbesitzer ganz bestimmt nicht entgangen sein konnte, wie ich qualvoll vor mich hingestöhnt und gejammert hatte. Dabei wollte ich dem jungen Mann mit meinen Worten gar nicht unterstellen, dass er mir seine Hilfe ganz bewusst Hilfe verweigert hatte. Es war nur... in meinen Augen irgendwie seltsam, dass Richard überhaupt gar nicht reagiert hatte, obwohl offensichtlich gewesen war, dass ich Unterstützung gut hätte gebrauchen können. Aber na ja, vielleicht war er auch einfach vollkommen fertig durch den Schlafmangel oder aber er hatte auf dem Weg in die Küche mit Kopfhörern in den Ohren Musik gehört. Konnte gut sein, immerhin hatte ich durch den Spalt nicht sehr viel mehr außer seiner Silhouette gesehen, da war mir so ein unauffälliges Detail wie ein kleiner Stöpsel im Ohr nicht wirklich ins Auge gesprungen. Aber gut, an und für sich war das ja jetzt auch egal. Mir ging es den Umständen entsprechend okay, auch wenn ich noch recht weit von der angenehmen Watte entfernt war, aber ich lebte. Die blutende Wunde war verschlossen und ich würde mich davor hüten, in der nächsten Nacht meine Hände auf dem Bauch liegen zu lassen. Stattdessen würde ich sie rechts und links neben meinem Oberkörper auf der Matratze platzieren. Was Taurens nachfolgenden Worte anging, nickte ich leise seufzend. Da hatte er wohl leider Recht. Das ausgetretene Blut noch länger auf meiner Haut trocken zu lassen, erschien mir wenig sinnvoll, aber da gab es aus meiner Sicht ein kleines Problem. Ungeachtet meiner großen Klappe und meines riesen Ego, wollte ich mir nicht die Blöße geben, vor einen der beiden Männer blank zu ziehen. Zwar hätte der Norweger oder auch Richard kaum etwas dagegen einzuwenden gehabt, so wie ich sie bis dato kennen gelernt hatte und verstecken musste ich mich aufgrund des doch sehr ansehnlichen Körpers auch nicht, aber das... nein, wollte ich einfach nicht. Es reichte schon vollkommen aus, dass ich mich ihnen überhaupt so verletzlich präsentierte, da musste man das Ganze nicht direkt auf die Spitze treiben. Also würde ich mich wohl selbst dazu aufraffen müssen, auch wenn klar war, dass das unter keinen Umständen jemals gut gehen würde. Aber hatte ich denn eine andere Wahl? Ja, streng genommen schon. War ich mir für jene zu stolz? Definitiv. "Da hast du vermutlich Recht. Ich... gehe gleich mal duschen.", klärte ich den jungen Mann mit heiserer Stimme über mein Vorhaben auf und dachte noch im selben Augenblick darüber nach, ob das überhaupt irgendwie funktionieren konnte. Selbst wenn ich es bis ins Badezimmer schaffte, brauchte ich noch immer beide Arme, um mir die Haare und den Körper zu waschen und diese waren momentan leider verhindert. Nichtsdestotrotz würde ich es versuchen wollen, weil sich mir neben der Option, dass Tauren oder Richard das Waschen übernehmen würden, keine andere Alternative auftun wollte.
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Es dauerte eine kleine Weile bis Vahagn mit eine brauchbare Antwort auf meine Frage lieferte, was aber nicht weiter schlimm war. Schließlich war ich selber eigentlich noch nicht so richtig wach, nachdem der erste Schock jetzt überwunden war und ich innerlich etwas zur Ruhe kam. Wir hatten dementsprechend beide genug Zeit und Muse für ihre Antwort und ich strich ihr mit dem Daumen ein paar der Tränen von den Wangen. Warf dann einen Blick auf die Zimmertür, durch die der Dunkelhaarige gerade eben wieder verschwunden war, als ich meine Erklärung von der Russin bekommen hatte. Wie konnte man sowas denn nicht merken? Nur, weil man unter Umständen vielleicht noch sehr müde war, starben einem ja nicht die Gehörgänge ab und er war doch unmittelbar am Zimmer vorbei gelaufen. Schon sehr merkwürdig, wenn man mich fragte. Aber jetzt im Nachhinein betrachtet schien er allgemein irgendwie auch nur so halb anwesend gewesen zu sein. Zwar ansprechbar und auch bis zu einem gewissen Punkt aufnahmefähig, aber eben nur so halb. Dass er sehr still war, war zwar nichts Neues, aber dass er derart neben der Spur war, war schon nochmal eine etwas andere Stufe. "Komisch.", war erstmal alles, was ich gemurmelt von mir gab, als ich wieder zurück zu der Brünetten sah. Auf die Sache mit dem Duschen hin äußerte sie allerdings ein paar Worte, die sie mich prompt mit hochgezogenen Augenbraue ansehen ließen. Wie zum Teufel wollte sie denn alleine duschen? Sie hatte doch nicht mal einen einzigen Arm, den sie richtig belasten konnte, beziehungsweise sollte. Wie wollte sie dann den ganzen Dreck loswerden? Außerdem hatte sie ganz sicher noch immer nicht wirklich viel Kraft und wenn sie dann auch noch einknickte und ungünstig hinfiel, sich dadurch mit Pech weitere Verletzungen einhandelte... nein. Ich schüttelte entschieden den Kopf. "Du kannst nicht allein unter die Dusche, Vahagn.", redete ich ihr diese Worte also gleich wieder aus. Kam gar nicht in die Tüte, konnte sie vergessen. "Ich meine, wenn du nicht willst, dass ich dir dabei helfe, kann ich das verstehen... aber ich kann dich nicht allein duschen lassen, das geht nicht.", fügte ich noch ein paar gewohnt ruhige Worte mehr an und bot ihr damit gleichzeitig die Option Jemand anderen um Hilfe dabei zu bitten, wenn sie mich nicht dabei haben wollte. War eben auch aus meiner Sicht vielleicht ganz gut, wenn nicht ich der Brünetten dabei half, sondern ihr wer anders beim sauber werden unter die schwachen Arme griff. Aber sie brauchte hier nicht versuchen mir weiß zu machen, dass es eine Option war allein unter den Wasserstrahl zu schlüpfen. Man müsste schon blind und taub sein, um diesem Alleingang in die Dusche stattzugeben.
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Das konnte er wohl laut sagen. Komisch war das in jedem Fall, ja, aber so wichtig, als das ich mich jetzt weiter daran aufhängen musste, war mir das Thema dann auch wieder nicht. Also redete ich mir einfach ein, dass Richard mit seinen eigenen Problemen genug zutun hatte, weshalb er ein wenig neben sich stand und beließ es schließlich dabei. Sagte dazu nichts weiter mehr und widmete mich stattdessen lieber vollumfänglich der unschönen Duschgeschichte. Ich seufzte leise, wandte meinen Blick wieder von seinem ab und starrte hoch an die weiße Decke, als würde mir diese eine solide Antwort auf die Frage geben können, was Tauren jetzt genau von mir hören wollte. Dass er Recht hatte, wussten wir immerhin beide, aber eine alternative Lösung konnte ich ihm leider nicht anbieten. "Lass es mich doch erst einmal versuchen.", bat ich ihn eingangs darum, mich erst einmal austesten zu lassen, ob es nicht vielleicht doch irgendwie möglich war, unter dem Einfluss des Oxycodons eigenständig für meine Körperhygiene zu sorgen. Das würde mir immerhin ein bisschen Zeit erkaufen, mir eine andere Idee zu überlegen, eben für den Fall, dass es nicht klappte. Aber so fürsorglich, wie der Norweger war, schien das keine Option für ihn zu sein, was mich leise schnaubend mit den Augen rollen ließ. Er konnte verstehen, dass ich keine Hilfe wollte, ließ mich aber dennoch nicht alleine gehen? Wen hätte ich denn seiner Meinung nach stattdessen fragen sollen? Ich kannte hier auf Kuba doch kaum jemanden! Tauren sollte sich wirklich glücklich schätzen, dass ich momentan nicht in der Lage dazu war, ihm an die Kehle zu springen, denn er nahm sich in meinen Augen viel zu viele Rechte dafür raus, indem er sich einfach über meine persönlichen, mich betreffenden Entscheidungen hinweg setzte und mir untersagte, das zu tun, was ich für richtig hielt - gut, unterschreiben würde ich die Richtigkeit mancher meiner Aussagen wiederum auch nicht, aber das spielte jetzt gerade keine Rolle. "Das musst du aber wohl oder übel, denn ich werde einen Teufel tun, hier vor irgendeinem Mann die Hüllen fallen zu lassen. Auch wenn ihr das vielleicht gern so hättet.", stellte ich mit der gewohnt bestimmten Stimme fest, auch wenn sie im Gegensatz zu sonst etwas brüchig und durch die vorangegangenen Tränen etwas weinerlich klang. Es sollte trotzdem klar sein, wie wenig Anklang seine Meinung bei mir fand. Ansonsten wäre die andere Alternative, dass ich einfach in meinem Dreck vor mich hinvegetieren würde, aber unter keinen Umständen ließ ich mich von dem Norweger oder dem Engländer waschen. Das wäre mir auf so vielen verschiedenen Ebenen einfach nur unangenehm, dass ich den beiden Männern womöglich nie wieder unter die Augen treten würde. Es war einfach nur demütigend und würde mich noch für eine sehr lange Zeit beschäftigen, auch wenn ich mit Tauren oder Richard dann schon lange nichts mehr zutun gehabt hatte. Normalerweise war dies ganz klar einer der Situationen, in denen ich entweder aufgestanden und gegangen wäre oder aber meinen Gegenüber angeschnauzt hätte, bis dieser mich schließlich in Ruhe ließ. Da aber krafttechnisch gerade leider beides nicht möglich war, schloss ich einfach die Augen, in der Hoffnung, dass sich der junge Mann einfach geschlagen geben und mich in Ruhe lassen würde. Mir maximal noch beim Aufsetzen half, damit ich den Weg ins Bad antreten und dann kläglich am Ausziehen der Klamotten scheitern konnte. Mittlerweile schien auch das Schmerzmittel langsam zu wirken und ließ mich zusätzlich ein wenig entspannen, aber nur, weil das unangenehme Zwicken und das dumpfe Pochen unter der Kompresse zunehmend verblasste, hieß das noch lange nicht, dass meine Bedenken sich in Luft auflösten oder ich mich spontan doch noch einmal umentscheidete.
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Ich seufzte ein wenig angestrengt. Natürlich steckte ich nicht in Vahagns Haut, aber es war schlicht und ergreifend offensichtlich, dass ein Versuch in dieser Richtung nicht gutgehen würde. Dafür brauchte ich keine fachliche Analyse eines Arztes oder ihre angeblich der Wahrheit entsprechende Diagnose dazu. Sie war zu schwach um allein unter die Dusche zu kriechen und außerdem war das Risiko, dass sie bei einer unkontrollierten Bewegung das Wasser oder gar den Schaum direkt auf ihre Wunden richtete, viel zu groß. Vermutlich sollte eigentlich ohnehin jede der Nähte abgeklebt werden, um das Risiko ganz ausschließen zu können. Aber da würde sie sich kaum auch noch reinreden lassen, wenn sie noch nicht einmal akzeptieren konnte, dass es allein einfach nicht ging. "Das muss ich nicht, um zu wissen, dass das schiefgeht. Hast du wirklich so viel Lust darauf dann allein im Bad vor dich hin zu krepieren, weil du abgeschlossen hast? Oder dich doch noch von Irgendjemandem nackt bergen zu lassen?", stellte ich ihr zwei rein rhetorische, reichlich in Ironie getränkte Fragen. Ihr Stolz und ihre unabhängige Art schnitten ihr hier gerade einfach nur ins eigene Fleisch und waren kein Stück weit hilfreich, was mich zu nerven begann. Für dermaßen sinnlose Diskussionen war es in meinen Augen nach dieser wenig erholsamen, kurzen Nacht auch einfach noch viel zu früh. Ein Mann durfte es nur augenscheinlich einfach nicht sein, der ihr bei der ganzen Sache half und so rieb ich mir angestrengt über das Gesicht. Dann war die Auswahl nur leider wirklich absolut nicht groß und sie musste eben mit dem Vorlieb nehmen, was ihr abseits vom riesigen Männeranteil in meinem Bekanntenkreis noch übrig blieb. Außerdem war die unterschwellige Unterstellung in ihren Worten echt gemein, absolut unangebracht. "Was soll das denn jetzt, man? Unterstell' jedem Anderen von mir aus was du willst, aber ich will hier nichts Anderes, als dich einfach nur davor zu bewahren, dir selbst noch mehr Schmerzen zuzufügen, nur weil du deinen Stolz nicht mal für fünf Minuten runterschlucken kannst.", erwiderte ich doch ziemlich trocken und warf ihr einen angesäuerten Blick zu, weil sie schlichtweg keine Ahnung davon haben konnte, was in meinem Kopf vorging. Solche Kommentare sollte sie sich gefälligst sparen, ich gab hier nicht weniger als mein Bestes. War nicht fair. "Im Umkehrschluss bleiben dir dann wohl auch nur noch Cosma oder Sydney, je nachdem wer eben grade Zeit hat.", offenbarte ich Vahagn dann noch die einzigen beiden Optionen, die ihr sonst zur Verfügung standen. Sie kam nicht drum herum dann wenigstens eine Frau mit ins jeweilige Badezimmer zu nehmen, da ließ ich ihr keine Wahl. Sollte sie mir von mir aus noch weiß Gott was an den Kopf knallen, aber sie betrat ein Badezimmer nur zum aufs Klo gehen allein. War das höchste der Gefühle. Also stand ich langsam wieder von der Bettkante auf, um gleich zurück ins Wohnzimmer zu meinem Handy zu humpeln. Hellseherische Fähigkeiten hatte ich schließlich keine, da musste ich schon nachhaken. Außerdem brauchte ich Ashton sowieso wieder als Taxi, Autofahren war für mich noch nicht drin und noch dazu hatten wir auch keine Karre vor dem Haus stehen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mein Gott, das lief hier, meines Erachtens nach, ziemlich aus dem Ruder und das typische Kommunikationsproblem schien die Findung einer gangbaren Lösung zu beeinträchtigen. Erstens mal hatte ich nicht vorgehabt, die Tür zum Badezimmer hinter mir zwangsläufig abzuschließen. Mir war es einfach nur wichtig, alleine zu sein und ich traute sowohl Richard, als auch Tauren zu, dass die Tür geschlossen blieb, wenn ich sie darüber in Kenntnis setzte, dass ich duschen gehen würde und anmerkte, mit etwaigen Toilettengängen oder anderen Aktivitäten - die das Aufsuchen der Sanitäreinrichtung voraussetzten - zu warten, bis ich wieder angezogen ins Wohnzimmer gehumpelt kam. Zweitens hätte ich die Bergung meines nackten Körpers durch einen Mann wohl akzeptieren müssen, wenn mich ein Ausrutscher zu Boden gerissen hätte oder ich wider Erwarten doch nicht mehr alleine aus der Badewanne krabbeln konnte. Aber dann war das eben auch unabdingbar, wenn ich nicht erfrieren, verhungern oder verdursten wollte. Das war etwas ganz anderes und überhaupt nicht die selbe Art von Problem, die das Waschen durch einen Mann für mich darstellte. Es ging mir ja grundlegend auch überhaupt nicht darum, dass ich entblößt in der Wanne aus Keramik hockte. Wie gesagt, hatte ich trotz der unzähligen Narben einen noch immer recht ansehnlichen Körper, den ich nicht verstecken musste, aber es ging da einfach um das Prinzip des hilflos ausgeliefert seins und der Berührung von Stellen, an denen ich aktuell einfach nicht berührt werden wollte. Zumindest eben nicht von einem Individuum mit Penis. Ich würde im hohen Alter schon ausreichend damit zu kämpfen haben, zu akzeptieren, dass sich jemand anderes um anstehende Rasuren oder dergleichen kümmern musste, da konnte ich in den jungen Jahren wirklich drauf verzichten, aber Tauren schien das Ganze irgendwie nicht oder nur bedingt einsehen zu wollen. Das wiederum nervte auch mich, weil mir eigentlich gar nicht der Sinn danach stand, jetzt mit ihm zu streiten, aber der hörbar trockene Wortlaut und die durch Ironie untermauerten, wenig ernst gemeinten Fragen ließen mich die Augenbrauen tief ins Gesicht ziehen. Jedoch nur für eine sehr kurze Zeit, denn die nachfolgenden Worte sollten doch tatsächlich so etwas wie eine mögliche Alternativem, einen Kompromiss darstellen darstellen. Zwar war ich im aktuellen Augenblick nicht weniger hilflos gegenüber einer anderen Frau, aber es würde mir sehr viel leichter fallen, über meinen Schatten zu springen, wenn ich wusste, dass mir beispielsweise die ehemalige FBI Agentin keinen Strick daraus drehen konnte. Schließlich war sie die einzige, scheinbar ansatzweise normale Person in diesem Zusammenschluss von Bekloppten - sie würde mich bestimmt nicht verurteilen. Nicht für meine Rundungen, die Narben, die unzähligen Tattoos und meine etwas eigene Art, wenn es um Körperpflege ging. Cosma hingegen... den Namen hatte ich ganz bewusst überhört, weil... nein. Sie war zwar auch eine Frau, aber wir hatten beide unsere Differenzen und ich hatte wenig Lust, mich in der Badewanne von ihr ertränken zu lassen, nachdem ich der Rothaarigen schon das ein oder andere Mal mit ganz viel Freude auf den Schlips getreten war. Ungeachtet der Tatsache, dass ich mich wohl danach richten musste, wer von den beiden letztlich Zeit für mich hatte, rief, beziehungsweise krächzte ich Tauren noch meine Vorliebe bei der Wahl der beiden Damen hinterher. "Sydney klingt gut, mit ihr wäre ich einverstanden.", war alles, was ich ihm noch mit auf den Weg gab, ehe der Norweger schließlich aus der Tür verschwand.
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Ja, war mir fast klar gewesen. Dass ihre erste Wahl die ehemalige Polizistin und nicht Hunters Freundin war, war schlicht und ergreifend sehr naheliegend. Also nickte ich nur noch leicht und begab mich dann ohne Umschweife zurück ins Wohnzimmer, um mich dort wieder aufs Sofa sinken zu lassen und nach dem Mobiltelefon auf dem Couchtisch zu greifen. Erst klingelte ich bei Ashton durch, der auf Anhieb reichlich angepisst darüber war, dass ich ihn aufweckte und mich erstmal anknurrte, dass ich mir gefälligst irgendeinen anderen Deppen vom Dienst suchen sollte. Es dauerte sicher an die fünf Minuten, bis ich ihn überhaupt dazu breitschlagen konnte seine vier Buchstaben aus dem Bett zu bewegen und mir - beziehungsweise uns - mit der misslichen Lage zu helfen. Danach blieb ich dann in der Leitung, solange er nach der Amerikanerin im Haus suchte. Ich verfolgte ein Gespräch im Hintergrund mit, als er einen der anderen Jungs beim Frühstück nach ihre fragte. Offenbar war Sydney nämlich schon vor ein paar Minuten mit dem Italiener aus dem Haus verschwunden. Warum und wieso wusste keiner, aber sie war nicht da und deswegen seufzte ich genervt ins Telefon. Ich versuchte noch Sabin anzurufen, mit ins Gespräch zu schalten, aber er ging nicht ran - ob bewusst oder unbewusst sei mal dahingestellt, wusste ich nicht. Tja, damit fiel die Aufgabe wohl der Rothaarigen in den Schoß, die damit vermutlich genauso wenig etwas zu tun haben wollte wie Vahagn selbst. Aber ich sagte Ashton trotzdem, dass er sich bitte fertig machen und rüber kommen sollte, weil ich das schon mit Hunter und Cosma geklärt kriegen würde. Irgendwie. Er sagte also nur noch, dass er mir schreiben würde wenn er losfuhr, bevor ich auflegte und dann einmal tief durchatmete. Ich hatte auch Cosmas Nummer, aber sie anzurufen schien mir absolut nicht sinnvoll. Sie würde sich einfach weigern und dann stand ich wieder vor dem selben Problem. Die Russin noch mehr oder weniger in ihrem eigenen Blut herumliegen zu lassen, bis Sydney vielleicht irgendwann wieder Zuhause auftauchte, war aber auch nicht das Gelbe vom Ei, also beschloss ich den Amerikaner stattdessen kurz vor knapp anzurufen. Stand wieder auf und ging mit der Krücke zurück zu der Brünetten in mein Zimmer, um mir ein paar frische Klamotten aus dem sehr schlichten Schrank zu ziehen. "Sydney ist nicht da.", informierte ich Vahagn wieder etwas ruhiger als zuvor über den Hergang des Gesprächs. "Ashton ist aber trotzdem auf dem Weg hierher.", hängte ich noch eine weitere Information hinten an, für die sie mir ganz bestimmt gerne irgendwas an den Kopf geschmissen hätte, wenn sie dazu gerade im Stande gewesen wäre. Schließlich hatte sie sehr sicher keine Lust auf Cosma und noch wusste Letztere ja auch von Nichts, aber mit der Tür ins Haus zu fallen war da vermutlich wirklich die beste Taktik. "Ich stell' dich wirklich nur ungern vor vollendete Tatsachen, aber es geht echt nicht anders.", entschuldigte ich mich mehr oder minder auch noch dafür, dass sie jetzt eben mit Cosma Vorlieb nehmen musste, bevor ich mich ungeachtet einer Antwort auch wieder aus dem Raum verzog, um das Bad aufzusuchen. Als ich dort ankam schrieb Hunters rechte Hand mir gerade, dass er auf dem Weg sei, also beeilte ich mich mit den morgendlichen Ritualen und auch dem Duschen ein wenig. Als ich fertig aus dem Bad kam hörte ich Ashton dann auch vorfahren, weshalb ich an der Küche vorbeiging und Richard noch knapp wissen ließ, was ich jetzt vor hatte, ehe ich zur Haustür ging und dem Chauffeur aufmachte. Er warf mir noch einmal an den Kopf, dass ich ihm etwas schuldete, was ich nur augenrollend abtat und nebenher in meine schwarzen Nikes schlüpfte. War wohl unterbewusst passiert, dass mein gesamtes Outfit - bestehend aus einer kurzen, grau melierten Jogginghose mit schwarzen Tascheneinsätzen und einem schwarzen Shirt - sich entsprechend meiner derzeitigen Laune komplett farblos hielt. Dann ging es für uns weiter zu Vahagn, die hier wohl oder übel irgendwie einfach ein Opfer der... Umstände war.
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Es dauerte eine ganze Weile, bis Tauren seinen Kopf wieder durch die Tür steckte, um mich darüber zu informieren, dass meine erste Wahl, wenn es um die Unterstützung beim Duschen ging, heute leider nicht zur Verfügung stehen würde. Warum auch. Schließlich hätte ich dann ja einmal alle hundert Jahre Glück gehabt, wobei... ich wollte mich nicht beschweren. Was passierte, wenn man das Schicksal heraus forderte, hatte ich bereits erlebt und wenn der Überfall durch die Italiener nur eine Warnung gewesen sein sollte, wo ich mit etwas mehr als einem blauen Auge noch einmal davon gekommen war, wollte ich nicht wissen, was für eine Resonanz auf weitere Sticheleien meiner Karmahure folgte. Ich hatte während des Wartens wortlos an die Decke gestarrt und jetzt, wo ich wusste, was Sydneys Abwesenheit im Umkehrschluss für mich bedeutete, seufzte ich schwer. Nicht, als hätte ich dem irgendetwas entgegen zu setzen, denn Cosma war immer noch besser, als Tauren, Richard oder weiß Gott wer, aber amüsiert war ich über die Darlegung der Tatsachen keinesfalls. "Okay...", kommentierte ich gleich alle seiner Aussagen mit nur einem einzigen Wort, ehe er auch schon wieder aus dem Zimmer verschwunden war und mich mit meinen Gedanken wieder alleine ließ. Es folgten weitere Minuten der Stille, in denen plötzlich Bilder vor meinem Inneren Auge aufblitzten, die ich schon vergessen geglaubt hatte. Wo wir gerade so eindringlich über das Thema Nacktheit und unangenehme Berührungspunkte gesprochen hatten, katapultierte es mich ungefähr neun Jahre in die Vergangenheit. Iljah war neunzehn geworden, während ich zu diesem Zeitpunkt gerade einmal fünfzehn Jahre alt gewesen war. Auf der Geburtstagsfeier hatte ich das erste Mal Michail näher kennen gelernt, als nur flüchtig auf dem Schulhof ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Er war ungefähr in dem Alter meines Bruder, ein Jahr jünger, war ich der Meinung und er hatte ausgesprochen gut ausgesehen. Ich erinnerte mich noch daran, als wäre es gestern gewesen, wie ihm seine kastanienbraunen Haare in die Stirn gefallen waren, als den Kopf nach hinten schlug, um herzhaft über einen absolut nicht lustigen Witz zu lachen. Aber das hatte keine Rolle gespielt, der Witz war mir egal gewesen. Viel mehr hatte ich mich auf das herrlich ansteckende Lachen konzentriert, welches eine Reihe perfekter, weißer Zähne offenbarte. Michail schenkte mir durch das Hitzeflimmern hindurch sein breitestes Grinsen und spätestens da war es um mich geschehen gewesen. Für den Rest des Abends hatte ich nur so an seinen Lippen gehangen und die Mühe hatte sich schließlich ausgezahlt. Zumindest dachte ich das, als wir uns irgendwann mitten in der Nacht an einen nahe gelegenen See gesetzt hatten, uns fern abseits der anderen Partygäste amüsierten, auch wenn ich dafür noch eindeutig zu jung gewesen war. Aber was sollte ich sagen? Ich war wohl hoffnungslos verliebt gewesen - insofern man das in dem Alter schon Liebe nennen konnte, was ich für den gut aussehenden Schulabbrecher empfunden hatte - und die rosarote Brille hatte mich ein paar ganz wesentliche Sachen einfach nicht sehen lassen. Beispielsweise die Tatsache, dass Michail meine Bereitschaft, alles für ihn zu tun, von vorne bis hinten zu seinem eigenen Vorteil ausgenutzt hatte. Ich eigentlich immer nur für das Eine gut genug gewesen war, aber mich seinen Eltern vorzustellen oder sich mit mir in der Öffentlich zu zeigen... nein, daran hatte er nie Interesse gehabt. Es war leider reichlich spät gewesen, als ich realisierte, in was für eine Scheiße ich mich selbst hinein geritten hatte, denn da hatte er mich mit etlichen Beleidigungen und Schlägen schon fest in seinen dreckigen Pfoten gehabt. Mich abhängig von ihm werden lassen, bis ich es durch Zufall geschafft hatte, die Reißleine zu ziehen und dann ... tauchte auch schon wieder der Norweger am anderen Ende des Bettes auf, riss mich damit aus meinen immer weiter abschweifenden, immer unschöner werdenden Gedanken. Mein Blick war glasig, als er auf mich zukam, aber dieses Mal behielt ich die Tränen für mich und schluckte sie mitsamt eines ziemlich unangenehmen Kloßes im Hals hinunter. "Ich denke, ich kann alleine laufen. Hilfst du mir auf?", fragte ich kleinlaut, weil ich vom Kopf her nach dem kurzzeitigen Flashback gerade nicht mehr wirklich auf der Höhe zu sein schien, hinzu kam das körperliche ausgelaugt sein. Ich wusste zwar nicht, inwieweit das eine gute Idee war, sich schon jetzt wieder auf eigenen Beinen fortzubewegen, aber notfalls hatte ich ja immer noch Tauren und auch Ashton an meiner Seite, die mich bei Bedarf stützen konnten. Der eine mehr als der andere, aber das war nebensächlich.
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Mir gefiel der Blick nicht, der mich im Zimmer empfing. Der wässrige Schimmer in Vahagns Augen war nicht zu übersehen und ich hatte unmittelbar das Bedürfnis danach zu fragen, was los war. Aber Ashton war auch hier und ich wusste nicht warum der schlanken Brünetten jetzt gerade wieder nach weinen zu Mute war. Schmerzen dürften kaum die Ursache sein, immerhin müsste die Wirkung des Schmerzmittels langsam einsetzen und sich in ihrem Körper ausbreiten, also hing die Ursache dafür vermutlich eher in ihrem Kopf fest. Sie zeigte sich nicht gern verletzlich - oder zumindest nicht noch verletzlicher als ohnehin schon -, weshalb ich auf eine Frage danach verzichtete und ihr stattdessen Gehör schenkte. Vielleicht war Laufen noch keine so gute Idee, aber das wollte ich Vahagn jetzt nicht auch noch reindrücken, also nickte ich zeitnah und schloss mit dem knappen Wort "Klar." die letzten zwei bis drei Schritte zu ihr auf. Es gestaltete sich zwar ein wenig umständlich, weil ich mich neben die Brünette setzen musste, um meinen Arm um ihren am wenigsten betroffenen Rücken zu legen und sie dann - mein schmerzendes, zweites Bein mit nutzend - auf die Beine zu kriegen, aber sie stand im Anschluss auf ihren eigenen Beinen. Noch relativ wacklig, was Niemanden hier überraschen dürfte, aber sie stand. Ich ließ sie daher nur ungern los, aber es schien zu funktionieren und so distanzierte ich mich langsam wieder von ihr. Warf noch einen letzten prüfenden Blick auf ihre Körperhaltung, bevor ich in den Flur voraus ging. Es wäre mir zwar lieber ich könnte die Brünette im Notfall selbst vor dem Fall bewahren, aber ich brauchte mir nichts vorzumachen. Wenn sie wirklich fiel, dann würde sie mich höchstens mit auf den Boden ziehen oder es würde sowohl meinem kaputten Arm, als auch dem noch immer zwickenden Bein wieder zu Schaden kommen. Es war also sinnvoller, dass Ashton den Flur entlang und bis nach draußen zum Wagen neben ihr ging, um sie im Notfall vor dem Fall und den Konsequenzen zu bewahren. Hier und da hielt er sie beim Gehen wohl auch mal fest, wenn ein sehr heikel aussehender Schritt dazwischen kam, aber ansonsten lief alles glatt. Ich verabschiedete mich im Türrahmen zur Küche noch beiläufig von Richard und hielt den anderen beiden im Folgenden die Haustür auf, bevor wir uns letztlich alle im Auto wieder fanden. Ich bevorzugte es Vahagn den mehr Platz und Komfort bietenden Vordersitz zu überlassen und setzte mich selbst auf die Rückbank. Da sie noch immer eher ein wenig instabil wirkte - körperlich, wie auch kopftechnisch - legte ich während wir die ersten paar Meter bis zur Hauptstraße hinter uns ließen meine Hand auf ihre unverletzte Schulter und streichelte sie ein klein wenig. Ich nahm sie dann auch nur wieder runter, weil ich nach dem Smartphone in meiner Hosentasche angelte und mich in den folgenden fünf bis zehn Minuten mit Hunter unterhielt, beziehungsweise mit ihm diskutierte. Natürlich schmeckte es ihm kein Stück, dass wir jetzt einfach so aufkreuzten und er schmiss mir weiß Gott was Alles an den Kopf, aber er ließ sich ebenso wie Ashton vorher breitschlagen. Fragte nur noch, wann wir da waren und legte dann ohne jegliche Form von Verabschiedung auf. "Du bist echt lebensmüde.", stellte unser Fahrer sichtlich amüsiert und vor sich hin grinsend fest, als das Telefonat beendet war und ich zuckte mit den Schultern. "Hab ich mir bestimmt von dir abgeschaut.", erwiderte ich lediglich sarkastisch und sah dann aus dem Fenster. Ein leicht unangenehmes, nervöses Gefühl breitete sich ja schon gerade in meinem Magen aus, weil der Amerikaner wirklich wütend geklungen hatte. Ich glaubte eigentlich nicht wirklich, dass er mir was tun würde, aber es reichte mir auch immer schon, wenn er laut wurde. Das allein war unangenehm genug, wo ich doch bestens wusste, was passieren konnte, wenn er wirklich die Beherrschung und die Geduld verlor. Aber Cosma war da, also hatte ich doch noch die leise Hoffnung, dass das seinen Zorn abmildern würde. Sofern die Rothaarige nicht stattdessen in das Gefauche mit einstieg, versteht sich.
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Dank des Oxycodons verspürte ich nur hier und da ein leichtes, kaum nennenswertes Zwicken, als ich mit Taurens Hilfe versuchte, mich auf die Beine zu raffen. Im Prinzip war es nur wichtig gewesen, meinen Oberkörper in eine halbwegs aufrechte Position zu bringen, denn nachdem ich die Füße über den Bettrand hinaus auf dem Boden abgesetzt hatte, kam der Rest von ganz alleine. Es fehlten nur noch ein paar Schuhe, bei dessen Ankleide mir der Norweger freundlicherweise behilflich gewesen war und dann konnte es auch schon losgehen. Anders als der junge Mann, der mich bei den ersten paar Schritten in Richtung Ausgang begleitete, hatte ich keine neuen Klamotten hier, konnte mich nicht mal eben umziehen und musste daher wohl vorerst mit dem blutverschmierten T-Shirt vorlieb nehmen, auch wenn das rote Nass auf der Haut absolut unangenehm war. Ob Cosma ein paar Wechselklamotten für mich übrig hatte? Hoffentlich. Das Schmerzmittel hatte meine Beine inzwischen ziemlich wacklig werden lassen, aber dafür konnte ich einen - den etwas weniger verletzten - Arm so weit anheben, dass ich mir zumindest im Sitzen auf dem Bett kurz über das Gesicht wischen konnte, sodass der Blick für die darauffolgenden Schritte wieder klar war. Auf dem Flur löste Ashton seinen Kumpanen schließlich ab, der mit ein paar verabschiedenden Worten in Richards Richtung schließlich vor uns aus dem Haus gelaufen war, um die Tür aufzuhalten. Ich humpelte neben Hunters rechter Hand her, ließ mich nur ungerne von ihm stabilisieren, aber hier und da hätte ich womöglich einen Oskar reifen Abgang hingelegt, wäre kein Gegengewicht dagewesen. So weit, so gut. Bis vor die Tür dauerte es nicht besonders lang und auch ich hatte mich im Türrahmen noch einmal zu dem Brünetten umgedreht, der ziemlich geistesabwesend in seine Kaffeetasse starrte und jetzt sicher schon an die drei Minuten in seinem Getränk herum rührte. Komischer Kauz, reagierte er auch auf die an ihn gerichteten Worte nicht einmal. Ungeachtet des seltsamen Auftritts des Hausherren, schleppte ich mich weiter bis zur Beifahrerseite, auf der ich mich bereitwillig in das Leder rutschen und mich anschnallen ließ, was für Ashton bedeutete, ziemlich weit in meine Komfortzone vorzudringen. Ich hielt noch eine Zeit lang, nachdem sich der muskulöse Mann wieder von mir entfernt hatte, die Luft an, bis ich sie schließlich stoßartig ausatmete, weil ich sonst vermutlich an Ersticken dahingeschieden wäre. Wenige Minuten und ein fahrtauglicher Handlanger hinter dem Steuer später rollte das Auto auch schon los und die innere Unruhe, die sich aufgrund des Gedankens an Hunter und die rothaarige Hexe ausgebreitet hatte, war kaum noch auszuhalten, je näher wir der Villa kamen. Die Hand des Norwegers konnte mich dahingehend leider auch nicht beruhigen, aber ich wusste seine Geste dennoch zu schätzen. Nichtsdestotrotz hatte ich den Blick die ganze Zeit über starr aus dem Fenster gerichtet und meinen Kopf lediglich kurz in seine Richtung gedreht, als die Hand wieder von meiner Schulter verschwand. Ich sah noch aus dem Augenwinkel, wie Tauren nach seinem Handy angelte und eine Nummer wählte, aber ich wandte mich zügig wieder ab und lauschte stattdessen der etwas hitzigen Diskussion mit dem Blick nach vorn. Wir hatten bereits einige Kilometer hinter uns gelassen, als das Telefon beendet wurde und Hunters rechte Hand als erstes wieder das Wort ergriff. "Wo er Recht hat...", konnte ihm dahingehend tatsächlich nur zustimmen, weil mir immer noch nicht zu einhundert Prozent klar war, wieso der lädierte Schönling sich wegen mir derart viel Ärger aufhalste, wo er doch der letzte war, der sich in Hunters Augen noch irgendwas erlauben durfte, aber ich fragte gar nicht erst. Überlegte lieber, wie ich der Rothaarigen eines reinwürgen konnte, wenn sie mir während des Badens blöd kam. Alles gefallen lassen musste ich mir schließlich nicht. An den Haaren ziehen und ihr Gesicht auf den Rand der Badewanne schlagen wäre eine Option, aber dann lag sie mir vermutlich im Weg, wenn ich das Bad verlassen wollte... mhm, schwierig, schwierig. Zeit blieb leider auch keine mehr, mir dahingehend noch einen anderen Plan zurecht zu legen, weil ein paar Minuten später bereits die dekadente Villa des Anführers am Horizont zu sehen war und das Unheil sich damit quasi einläutete.
Die erste Nacht im neuen Heim war... merkwürdig gewesen. Nicht so wirklich erholsam, wenn ich ehrlich sein sollte, aber das mochte wohl sehr stark daran liegen, dass der Körper aufgrund der neuen Umgebung noch nicht ganz hatte abschalten können. Entsprechend war ich am darauffolgenden Tag auch seit dem Aufstehen irgendwie gerädert und leicht reizbar gewesen. Einen besonderen Grund dafür gab es jedoch nicht, denn seit dem Streit am Flughafen war zwischen Hunter und mir nichts weiter vorgefallen. Wir hatten den gestrigen Tag und den dazugehörigen Abend noch entspannt und in aller Ruhe ausklingen lassen, nur die Nacht war eben weniger erholsam gewesen. Na ja. Jedenfalls wollte ich das neue Leben hier auf Kuba direkt mit guten Vorsätzen starten und war gerade dabei gewesen, mich anhand eines der im Hause zurückgelassenen Kochbücher an einem etwas aufwendigeren Frühstück zu versuchen, als ich aus dem Wohnbereich des Hauses die erzürnte Stimme des Amerikaners vernahm. Ich las noch einen Satz zu Ende, aber meine Augenbrauen hatten sich inzwischen schon wieder mittig im Gesicht zusammen gezogen, bevor ich das Buch schließlich weglegte und den Topf voll kochendem Wasser zur Sicherheit von der Herdplatte schob. Was die Vorbereitung von Essen anging, traute ich mir durchaus zu, dass ich es auch mit den simpelsten Kleinigkeiten schaffen würde, eine Küche in Brand zu stecken. Da ich vorhatte, zu Hunter ins Wohnzimmer zu laufen, um seiner miesen Laune auf den Grund zu gehen, konnte ich das blubbernde Nass nicht weiter beobachten und hielt es deshalb für sicherer, es später einfach noch mal neu aufzukochen. "Alles okay? Ist was passiert?", fragte ich vorsichtig, als ich den Kopf mit den langen, roten Haaren wenige Sekunden später durch die Tür in den Wohnbereich steckte, wo der aufbrausende junge Mann bereits unruhig auf und ab tigerte. Ich ahnte dabei schon nichts Gutes, weshalb ich aus eigenem Schutz erst einmal keinen weiteren Schritt auf ihn zu machte, sondern im Türrahmen gelehnt stehen blieb und meinen abwartenden, ihn akribisch musternden Blick auf ihn legte. Dabei verschränkte ich die Arme vor der Brust und hob die rechte Augenbraue an, weil ich zum einen natürlich gerne wissen wollte, was passiert war, ich zum anderen aber nicht sicher sagen konnte, ob ich mir seine Probleme bei meiner ohnehin schon angeknacksten Laune überhaupt aufbürden wollte. Aber das war wohl etwas, was man tat, wenn man in einer Beziehung war. Man erkundigte sich nach dem Wohlergehen seines Partners und griff ihm, wenn nötig, unter die Arme, sollte es Ungereimtheiten geben. Fiel mir nur unglaublich schwer, wenn ich eigentlich genug eigene Probleme hatte, um die ich mich kümmern müsste. Wie zum Beispiel die weichgekochten Frühstückseier, die in ihrem heißen Wasserbad vermutlich weiter aushärten und ungenießbar würden, weil ich vergessen hatte, sie raus zu nehmen, bevor ich zu dem Amerikaner ins Wohnzimmer gedackelt war. Noch bevor Hunter mir jedoch eine Antwort auf meine Frage geben konnte, sah ich aus dem Augenwinkel und durch das Fenster bereits ein Auto die Auffahrt passieren. Nur leider konnte ich weder den Fahrer, noch den Beifahrer erkennen. Was sicher ganz gut gewesen war, denn so konnte das Wasser in der Küche noch in Ruhe abkühlen, noch bevor ich dieses als ein durchaus effektives Abwehrmittel gegen die Russin eingesetzt hätte.
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Warum? Das war so ziemlich die wichtigste Frage, die mir durch den Kopf schwirrte. Warum zum Teufel hatte ich nicht einmal einen einzigen, ganzen Tag Ruhe von der Außenwelt? Nicht einmal explizit Tauren, aber ich hatte bis dato noch keine 24 Stunden auf kubanischem Boden allein mit meiner Freundin verbracht. Oder allgemein einfach in Ruhe, bei der mir Niemand auf den Sack ging. Schon gar nicht mit einer Frau, für die ich nicht wirklich etwas übrig hatte und die ganz einfach nicht mein Problem war. Weder sie, noch Taurens offensichtlich vorhandenes Helfersyndrom, denn anders konnte ich mir diese Geschichte langsam wirklich nicht mehr erklären. Was fand er an der Russin, dass er so weit ging, mir deshalb dermaßen auf die ohnehin kaum vorhandenen Nerven zu gehen? War sie es etwa wert, dass man selbst den Kopf abgehackt bekam, nur damit sie weiter vor sich hin leben und Andere damit provozieren konnte? Offenbar war dieser Zug komplett an mir vorbei gerauscht und ich hatte irgendwas verpasst. Ich selbst hatte gar nicht wirklich gemerkt, dass ich wohl beim Telefonieren ein wenig lauter geworden war, weil sich das immer ganz von allein einschlich, schon so gang und gäbe war, wenn mich irgendwer reizte. Demnach rechnete ich nicht aktiv mit Cosma, obwohl ich sie in jedem Fall ohnehin gleich hätte aufsuchen und ihr das Ganze erklären müssen. Das fiel jetzt weg und ich ging stattdessen recht unruhig vor dem großen Fenster hin und her, bevor ich mich nach Cosmas Eintreffen schließlich zum Sofa begab und mich dort kurzzeitig mit der Hüfte an das Rückpolster anlehnte. Ich hob die Hände zu meinem Kopf an und rieb mir über die angespannten Gesichtszüge, bevor auch schon der Wagen draußen in der Auffahrt zu hören war. Als jener zum Halten kam hob ich den Kopf dann erneut an und sah die Rothaarige im Türrahmen direkt an. "Tauren und Ashton sind hergekommen, um uns den Tag zu versauen.", setzte ich reichlich ironisch und trocken zu einer Erklärung an, schüttelte verständnislos den Kopf. "Weil sich Vahagn nämlich zu fein dafür ist, sich von einem Kerl abduschen zu lassen, darfst du das jetzt übernehmen. Sydney ist offenbar nicht auffindbar und scheinbar sind sie der Meinung, dass du dann automatisch die zweite Wahl bist.", eröffnete ich der jungen Frau murrend die Neuigkeit des Tages, die für keinen von uns beiden irgendwie erfreulich war. Immerhin war Streit da quasi schon absolut vorprogrammiert und darauf allein hatte ich schon weniger als gar keine Lust. Ich sah Cosma dann nur noch einen Augenblick lang an und stieß mich wieder vom Sofa ab, um stattdessen in den Flur und zur Haustür zu gehen. Irgendwer musste den Vollidioten schließlich Einlass gewähren und sie durften gerne gleich zu Anfang sehen, wie genervt ich von der Geschichte jetzt schon war. Ich trug nicht mehr als lockere Stoffshorts um die Hüften - weil es hier tagsüber einfach immer warm war, was ein Shirt grundlegend unnötig machte, wenn man Zuhause war - als ich die Haustür nach innen aufzog und beobachtete, wie Ashton das weibliche Anhängsel noch vom Beifahrersitz angelte, als Tauren schon auf mich zukam.
Ich staunte ja schon nicht schlecht, als ich aus dem Auto stieg und die Villa sah. Zwar hatte ich schon irgendwie ein bisschen geahnt, dass Hunter sich nicht wieder in irgendeine Bruchbude am Waldrand verziehen würde, aber das hier war wirklich ein enormes Update zu seinem vorherigen, ziemlich kleinen Haus. Okay, der Rasen war gefühlt einen Meter hoch und nicht unbedingt grün, aber das bekam man ja durchaus wieder hin und dann war das Gesamtbild ziemlich sicher sehr perfekt. Von außen zumindest, das Innere konnte ich bis dato ja noch nicht beurteilen. Ich stand also nur kurz noch am Wagen und musterte die Fassade des auffällig schönen Gebäudes, bevor Ashton sich mit den Worten "Geh vor, ich bring sie hinterher." an mich wendete und damit meinen etwas starren Blick von dem Objekt löste. Es fiel noch ein prüfender Blick meinerseits in Richtung Beifahrersitz, ehe der junge Mann die entsprechende Tür aufzog und Vahagn beim Aussteigen half. Mit einem leisen Seufzen das Donnerwetter bereits erwartend ging ich zu den drei Stufen, die auf die leicht erhobene Veranda vor der Haustür führten und kaum hatte ich jene Treppe erklommen, öffnete sich die Haustür. Es empfing mich sofort der sichtlich wütende Gesichtsausdruck des Hausherren, der mich gedanklich bestimmt gerade mehrfach ein paar qualvolle Tode sterben ließ, um das Ganze nicht stattdessen in die Tat umzusetzen. "Hi, ich... ich weiß, dass ich früher hätte anrufen sollen, aber ich hatte Angst, dass Cosma sich dann querstellt.", begrüßte ich ihn und hängte eine gemurmelte Erklärung an, die ihn nur wenig interessierte. "Und seit wann genau ist das unser Problem, Tauren? Sie ist weder eine Freundin, noch eine aktuelle Geschäftspartnerin, also warum sollte mich diese Scheiße hier eigentlich überhaupt interessieren?", knurrte er nur zurück und gewährte mir aber wie zuvor am Telefon vereinbart parallel Eintritt in seine vier Wände, indem er einen Schritt bei Seite ging. Ich schluckte das Seufzen runter und beschloss viel mehr an den Geschäftssinn des Amerikaners zu appellieren, als an seine Vernunft und Menschlichkeit, weil er letzteres wohl einfach nicht besaß. "Wenn du uns nicht helfen willst, weil das eine nette Geste ist, dann sieh's mit deinem Geschäftssinn... sie hat vielleicht materiell gesehen sehr viel verloren, aber ihre Kontakte sind ja nicht mitverbrannt. Sie kann dir sicher irgendwann noch nützlich sein und das wieder gut machen, Hunter.", murmelte ich weiterhin eher kleinlaut vor mich hin während ich eintrat, senkte den Blick dabei ganz bewusst. Nicht, weil ich den des wütenden Mannes im Türrahmen nicht ertragen konnte, sondern weil ich wusste, dass das zweifelsfrei Unterwürfigkeit signalisierte. Was das anging war es grundlegend immer schlau seinen eigenen Stolz herunterzuschlucken, wenn man Hunter gegenüber stand. So machte man mit etwas Glück eine Machtdemonstration seinerseits überflüssig. "So oder so ist es das erste und letzte Mal, dass ihr einfach so aus heiterem Himmel mit ihr hier auftaucht. Du weißt ganz genau, dass Cosma sie nicht ausstehen kann... und ich auch nicht, bevor ich noch nicht mal einen verfickten Kaffee nach dem Aufstehen hatte.", gab er mir weiterhin hörbar angepisst den Hinweis mit auf den Weg, dass das so in keinem Fall mehr vorkommen würde, ohne dass Köpfe rollten, kurz bevor die anderen beiden zu uns in den Flur aufschlossen. Ich nickte eindeutig, die Botschaft war angekommen.
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Eine Antwort seitens des Amerikaners ließ dann auch gar nicht lange auf sich warten, jedoch wusste ich im ersten Moment noch nicht so ganz, was ich davon jetzt eigentlich halten sollte. Tauren und Ashton kamen also zu Besuch, okay. Das war ja grundlegend erst einmal nichts Schlimmes. Aber die darauffolgenden Worte… ließen mich vorerst wortlos im Türrahmen verharren, als besagter junger Mann sich an mir vorbei in den Flur schob. Wer wollte sich nicht von einem Mann abduschen lassen? Vahagn? Sie war doch schon längst nicht mehr hier, hatte er sich im Eifer des Gefechts im Namen geirrt und meinte eigentlich Sydney? Aber wieso sollte sie meine Hilfe beim Duschen brauchen, ihr ging es doch super? Außerdem war ihr Name in Zusammenhang mit dieser Dienstleistung ebenfalls gefallen, also… nein. Das… das konnte nicht sein. Weder Hunter, noch Tauren oder Ashton konnten das wirklich ernst meinen. Tja und dann sah ich sie. Auf der anderen Seite des Fensters, als der Handlanger die geschundene Russin von Beifahrersitz der Limousine angelte und ihr auf die Beine verhalf. „Das kannst du knicken!“, löste ich mich plötzlich aus der anfänglichen Schockstarre und wirbelte nur so zu dem Amerikaner herum. Nun war auch ich einen Gang hochgefahren, als ich langsam realisierte, dass es sich hierbei um keinen schlechten Scherz handelte, sondern das sein bitterer Ernst zu sein schien. Hunters Miene sprach dahingehend Bände, dass die Brünette vor der Tür real und keine Einbildung meiner komischen Eifersuchtsanfälle war. Ich wollte gerade noch zu ein paar weiteren, hörbar entrüsteten Worten ansetzen, da hatte Hunter seine Hand bereits auf die Klinke gelegt und die Tür aufgezogen. Der Anblick des Norwegers ließ mich kurzzeitig verstummen und ich nutzte das daruaffolgende, angeregte Gespräch der beiden Männer, um meine eigenen Gedanken zu sortieren. Zu überlegen, wie ich jetzt reagieren und was ich sagen sollte, aber zu einer besonders zufriedenstellenden Lösung kam ich in der kurzen Zeit nicht. Deshalb platzte auch mir gegenüber Tauren bloß ein wenig der Kragen, weil ich Teile der Unterhaltung aufgefasst und absolut nicht für gut befunden hatte. „Und ob ich mich quer gestellt hätte! Was denkst du denn?“ stimmte hinter dem Amerikaner aus Richtung des Wohnzimmers kommend zu, dass die Frage, ob ich der Russin bei ihrer Körperhygiene unter die Arme greifen könnte, von meiner Seite aus sehr sicher verneint worden wäre und hängte im direkten Anschluss noch eine sehr rhetorische Frage hinten dran. Offensichtlich hielt er vom Nachdenken nämlich nicht besonders viel, ansonsten hätte er uns diesen Ärger hier auch ersparen können. Jedoch stellte ich mir unweigerlich die Frage, warum Vahagn plötzlich wieder hier war und weshalb sie so dermaßen kaputt aussah. Schließlich hatte ich mit eigenen Augen gesehen, dass sie - unverletzt! - in den Flieger gestiegen und kurz darauf abgehoben war oder verlor ich langsam aber sicher doch noch meinen Verstand? Dann aber schüttelte ich entschieden den Kopf. Ach was, eigentlich interessierte mich das alles überhaupt nicht und ich konnte mich der gleichgültigen Einstellung meines Freundes nur anschließen. In meinen Augen hatte weder Tauren, noch die Russin das Recht, wie selbstverständlich hier aufzuschlagen, auch wenn sich mir die Frage auftat, ob Hunter davon eventuell bereits gewusst hatte. Ich meinte mich daran zu erinnern, ihn in der Nacht, kurz nachdem ich in eine Phase des Dösens übergegangen war, noch reden gehört zu haben. Allerdings war ich so müde gewesen, dass ich ungeachtet dessen nicht weiterdarauf eingegangen und irgendwann einfach eingeschlafen war. Aber er hätte mich doch sicher heute früh darüber in Kenntnis gesetzt, wenn er mit dem Norweger über die Ankunft der vorerst ehemaligen Geschäftspartnerin gewusst hätte… oder? Mir war das Blut mittlerweile hochrot in den Kopf geschossen, als ich mich an Hunter vorbeigedrängt hatte, um wenige Zentimeter vor Tauren zum Stehen zu kommen. „Hey, hey, hey. Das ist ja schön, dass es hier um etwaige Geschäfte in der Zukunft geht, aber mit denen habe ich absolut nichts am Hut. Warum werde ich da jetzt mit reingezogen? Wo liegt das Problem? Sie hat doch sonst auch kein Problem mit ihrer großen Klappe und jetzt ist es ihr plötzlich unangenehm, sich vor Männern auszuziehen? Was macht das denn für einen Sinn?“, überhäufte ich den jungen Mann mit chronischem Helfersyndrom förmlich mit meinen Fragen, die ich ihm hörbar gereizt, aber noch nicht ganz so respektlos entgegen rotzte, wie ich das bei Hunter oft getan hatte, aber er sollte trotzdem ruhig auch die netten Nachteile der Beziehung zwischen mir und seinem Chef kennenlernen. Wie schön wir uns gegenseitig befeuern konnten, wenn uns ein und derselbe Scheiß nicht passte und das er das nächste Mal gleich doppelt aufpasste, was für blinde Entscheidungen er traf, weil sonst nicht nur sein Boss, sondern auch ich ihm aus Dach steigen würde. Und wenn das hier erst der Anfang von vielen weiteren blöden Ideen war, konnte er sich schon mal warm anziehen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ein wütender Tornado reichte scheinbar zur Strafe nicht. Natürlich war es nichts als nachvollziehbar, dass Cosma zu der ganzen Sache wenig bis eher gar keine Lust hatte. Auch dieses ganze Eifersuchtsdrama war ja nicht an mir vorbei gezogen, da wollte sie die Russin vermutlich auch unabhängig von ihrer nicht ganz einfachen Art schlichtweg nicht um sich haben. Aber wo sollte ich denn sonst hin? Die Straße abfahren und bei wildfremden Menschen klopfen, bis einer aufmachte und sich zu dieser Aktion bereit erklärte? Wäre Vahagn wohl mindestens genauso unangenehm gewesen wie diese ganze Geschichte hier oder weiter in dem getrockneten Blut herumsitzen zu müssen. "Ist vermutlich... vergangenheitsbedingt.", murmelte ich leise zu der Rothaarigen rüber, was dahingehend aktuell meine Hauptvermutung war. Es schien mir zumindest irgendwie recht abwegig zu sein, dass Vahagn mit ihrem Körper an sich, beziehungsweise ihrem Selbstbewusstsein ein Problem hatte. Da war das für mich die naheliegendste Theorie. Aber vielleicht hatte die Brünette auch noch mehr oder ganz andere Gründe. Ausgeprochen hatte sie dahingehend ja nicht wirklich etwas und in den Kopf gucken konnte ich ihr auch nicht. "Es ist doch nur dieses eine Mal... geb dir einen Ruck, Cosma. Wir wollten ja zu Syd, aber sie ist nicht da und auch nicht erreichbar... Vahagn sollte einfach dringend den Dreck loswerden. Je schneller wir das hinter uns bringen, desto früher habt ihr beide wieder eure Ruhe.", seufzte ich und befürchtete zum aktuellen Zeitpunkt schon, dass wir uns jetzt umsonst hierher bewegt hatten. Außerdem war es ja nicht so, dass Cosma nichts davon hatte, wenn Hunters Geschäfte weiterhin gut liefen - zwar war ich mir sicher, dass sie gerne bald wieder ganz auf eigenen Beinen stehen würde, weil ich sie doch als eher sehr unabhängige junge Frau kennen gelernt hatte, aber wenn der Amerikaner weiterhin gut bei Kasse war, dann war das auch für die Rothaarige eine gute Sache. Ich glaubte nämlich kaum, dass sie zu dem Haus viel beigesteuert hatte. Oder dass sie diejenige war, die in der ersten Zeit die Unterhaltskosten für das nicht unbedingt kleine Grundstück zahlte, was ja auch nicht schlimm war und im Grunde hatte sie deswegen noch immer nichts mit den Geschäften an sich zu tun, aber nunja... ein reicher Hunter kam ihr über kurz oder lang trotzdem zu Gute, sofern ihre Beziehung nicht in die Brüche ging. Es blieb wohl einfach zu hoffen, dass sie wenigstens einen Funken Mitleid für das Häufchen Elend aufbringen konnte, das von Ashton nach wie vor nicht aus den Augen gelassen wurde. Der Amerikaner hingegen klinkte sich an dieser Stelle mit einem deutlich sichtbaren Kopfschütteln und einem genervten Schnauben aus der Konversation aus, um sich wieder in einen der anliegenden Räume zu bewegen. Vielleicht wollte er das mit dem noch nicht getrunkenen Kaffee nachholen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Warum..? Warum tat Tauren mir das an? Er hätte taub, blind und zudem unglaublich ignorant sein müssen, um nicht zu merken, dass ich mit Vahagn einfach meine ganz persönlichen Probleme hatte. Mochte ja sein, dass sie tatsächlich ganz nützlich für die Geschäfte des Amerikaners war - das hatte ich ja auch zu keinem Zeitpunkt angezweifelt -, aber das machte sie deswegen in meinen Augen nicht unbedingt sympathischer, wenn es um ihren Charakter ging. Als Tauren erstmals erwähnte, dass er ihre Vergangenheit vermutete, konnte ich nur schnaubend mit dem Kopf schütteln. Klar, was auch sonst. Wenn kein anderes Argument die Diskussion gewann, dann wurde immer die Vergangenheits-Karte ausgespielt, weil die sich in unserem Milieu einfach schwer widerlegen ließ. Natürlich könnte ich jetzt behaupten, dass mich alles, was in Vahagns verkorkster Jugend vorgefallen war, nicht juckte und sie lieber im Hier und Jetzt als in der Vergangenheit leben, darüber stehen sollte, aber das fiel mir selbst schon schwer genug. Es dann anderen vorzuwerfen, war in meinen Augen nichts als schäbige Doppelmoral, weshalb ich lediglich mit den Augen rollte und die schmalen Ärmchen vor der Brust verschränkte. Eine halbe Minute sah ich den Norweger mit einem durchdringenden Blick an, ohne etwas zu sagen, bis meine Aufmerksamkeit schließlich der Brünette samt Anhang galt, die mehr schlecht als recht die wenigen Treppenstufen bis rauf auf die Veranda empor stiegen. Leid tun konnte sie einem rein von den Verletzungen her ja schon, aber... ich wollte einfach nicht. Ich konnte Taurens Einwände gut nachvollziehen und er hatte ja auch Recht mit dem was er sagte. Je eher wir die Sache hinter uns brachten - eine andere Alternative sah ich da im Augenblick nicht -, desto schneller dieses nervige Miststück wieder weg. Weil ich wirklich nicht wusste, was ich zu der Sache nach sagen sollte, wollte ich mich eigentlich mit Hunter kurz zurück ziehen, um mich mit ihm zu beraten, aber der besagte junge Mann hatte sich schon seit Längerem in Richtung Küche verzogen und mich alleine an der Tür stehen lassen. Ah ja, ganz toll - vielen Dank auch. Jetzt sollte ich also eigenständig eine Entscheidung treffen? Für mich selbst bewerten, ob ich es schaffen würde, die Russin nicht bei der nächstbesten Gelegenheit ertränken oder den laufenden Föhn in die Wanne fallen lassen zu wollen? Hier schien ja gerade ganz offensichtlich jeder ziemlich viel Vertrauen in das letzte Bisschen Menschlichkeit zu stecken, was sich noch irgendwo unter den Trümmern meines sich langsam reformierenden Herzens versteckte. "Hi.", drang eine leise, überraschend kleinlaut klingende Begrüßung an mein Ohr, als ich den Blick gerade wieder auf den jungen Mann vor mir gerichtet hatte. Ich sah beinahe aus Reflex schon in Richtung der Russin, die gerade mit glasigen Augen auch die letzte Treppenstufe bewältigt hatte und irgendwie... ach man. "Na schön, ich mach's. Du" - mein Zeigefinger lag auf Taurens Gesicht, den man bei seinem verdammten Schwiegersohnlächeln und dem treudoofen Hundeblick echt nicht lange böse sein konnte - "schuldest mir etwas und du, Madame..." - der Finger wanderte weiter zu Vahagn - "denk daran, dass es selbst für mich jetzt ein Leichtes wäre, dich abzumurksen, wenn du mir auf den Sack gehst.", zählte ich Fakten auf, ohne die ich mich auf diese ganze Scheiße hier nicht einlassen würde. Zumindest von der Russin erntete ich ein deutlich sichtbares, wenn auch zähneknirschendes Nicken. Ich rieb mir angestrengt über das noch etwas müde Gesicht, ehe ich einen Schritt zurück trat, um dem Trio damit finalen Einlass zu gewähren. "Komm mit.", forderte ich die Brünette dazu auf, mir ins Bad zu folgen und nahm sie Ashton kurzerhand ab. Wehe ihr, sie kam auf dumme Ideen. Sie sollte sich glücklich schätzen, dass verletzte Menschen irgendwie immer noch mein Mitleid weckten, egal, wie sehr ich sie hasste. Zwar war für mich noch immer nicht ganz nachvollziehbar, wo genau jetzt das konkrete Problem lag, aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Ich würde sie einfach schnell abduschen, abtrocknen und zumindest eine Unterhose, sowie ein Shirt von mir an sie abtreten, denn ich bezweifelte, dass sie etwas dergleichen dabei hatte. Und in Zukunft sollten sie definitiv zusehen, dass Sydney das übernahm. Denn ich würde einen Teufel tun, mich alle zwei Tage um sie zu kümmern.
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Es dauerte noch ein paar wirklich elend lang wirkende Sekunden, bis Cosma schließlich endlich einzuwilligen schien. Mit ihren noch folgenden Worten war ich soweit auch einverstanden - ein Gefallen für einen Gefallen zu kriegen klang schließlich nur fair und so nickte ich das Ganze ohne zu zögern schweigend ab. Ich war schlicht erleichtert darüber, dass sie sich der Brünetten annehmen wollte und es blieb ja wirklich eine Ausnahme. Bestimmt würde Sabin irgendwann zurückrufen und selbst wenn nicht, dann würde ich ihm eben weiter auf die Nerven gehen, bis er endlich mal abnahm und mich an die ehemalige Polizistin weitergab. Sydney hatte bis dato sicher ohnehin noch einen recht leeren Alltag und da würde es sich ganz sicher machen lassen, dass sie an Stelle der Rothaarigen der Invalidin noch ein paar Mal beim Duschen unter die Arme griff, bis sie dazu wieder allein fähig war. Andererseits hatte Vahagn sich auch bei ihr damals im Wohnzimmer eher unbeliebt gemacht... aber die Amerikanerin war bei weitem nicht so leicht reizbar wie Cosma und wusste aus ihrer vorherigen Karriere mit Sicherheit wie man Temperamentsbündel gezielt beruhigte. Oder zumindest ignorierte, also rechnete ich uns da eigentlich schon ganz gute Chancen aus. Außerdem konnte Sabin dann mitkommen. Erstens mochte war er mir ganz sympathisch und zweitens täte es Richard vielleicht auch ganz gut mal mit Jemandem zu reden, zu dem er einen beständigeren Draht als zu mir hatte. Die beiden kannten sich deutlich besser, vielleicht konnte der Italiener ihn ein wenig aufheitern. Schaden konnte dieser Versuch wohl kaum. Als ich dann sah wie Cosma sich der Russin annahm war ich mir - gerade nach ihren Worten an jene - doch nicht mehr ganz so sicher, ob das eine gute Idee gewesen war. Aber es gab nach wie vor keinen anderen Ausweg aus der Geschichte, weshalb ich den beiden doch etwas skeptisch nachsah, ehe sie im Badezimmer verschwanden. Damit ich mein Bein ein bisschen weniger stark belasten musste humpelte ich ein Stück weiter in den Flur hinein und lehnte mich vielleicht fünf Meter weit von der Tür zum Badezimmer entfernt an die weiße Wand. Sah mich noch ein wenig um und unterhielt mich flüchtig mit Ashton, der mir gegenüber stand, bevor auch Hunter wieder zu uns kam und sich zwischen uns beiden mit der Tasse in der rechten Hand in den Flur stellte. Der hochgewachsene junge Mann nippte erst noch einmal an dem koffeinhaltigen Getränk, bevor er sich mit ein paar Worten an mich wandte. "Wenn sie sie umbringt machst du's aber selber weg.", ließ er mich noch immer hörbar gereizt aber durchaus mit trockenem Sarkasmus unterlegt wissen, dass ich bei etwaigen ungeplanten Unfällen selbst dafür verantwortlich war das Ausmaß dessen im Nachhinein zu beseitigen. "Das ist echt nicht witzig.", erwiderte ich und sah daraufhin wieder ein wenig unruhig in Richtung der Badezimmertür. "Oh doch... und wie es das ist.", ließ Ashton mich breit grinsend wissen, dass er den Gedanken scheinbar durchaus amüsant fand und ich kam um ein Augenrollen, gepaart mit einem leisen Seufzen nicht herum.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Nein, ich konnte mich auch nach dem sechs Meter langen Spaziergang mit der Brünette an meiner Seite nicht damit anfreunden, dass ich mich tatsächlich auf diesen vollkommen bescheuerten Gefallen eingelassen hatte. Zwar hielt Vahagn noch immer die Klappe, aber ich bezweifelte stark, dass sich das nicht im Verlauf der nächsten Minuten noch ändern würde. Schließlich legte man seine gewohnten Charaktereigenschaften nicht mal eben so ab, nur weil man sich die ein oder andere Kugel eingefangen hatte. Sie war und blieb ein Miststück, dass sich ganz sicher zu Wort melden würde, wenn ihr etwas nicht passte, ganz gleich, in welcher Position sie sich befand. Fürs Erste versuchte ich dem Ganzen aber tatsächlich so etwas wie eine Chance zu geben, dass es vielleicht doch gar nicht so schlimm werden würde, wie ich mir das hier gerade ausmalte, als ich mit der Russin, die vorsichtig an der Schulter gestützt hatte, ins Bad verschwand. Ich gab der Tür hinter uns einen Stoß mit dem Fuß, sodass diese kurz darauf ins Schloss fiel und wir damit vom Rest der versammelten Mannschaft abgeschottet waren. Ich parkte Vahagn vorübergehend nahe der Badewanne und bat sie mit einem knappen "Warte kurz.", sich nicht vom Fleck zu bewegen. Sie nickte, aber etwas anderes hatte ich wohl kaum erwartet, denn ansonsten wäre das ganze Tamtam für die Tonne gewesen, wenn sie unverrichteter Dinge das Bad verlassen hätte. Nicht, dass ich grundlegend etwas dagegen einzuwenden gehabt hätte, aber ich wollte nicht, dass Tauren mir daraufhin dann in den Ohren lag. Die junge Frau wartete wie ein getretener Hund am Badewannenrand, bis ich ein paar Waschlappen, Handtücher und das neu gekaufte 2in1 Duschgel besorgt hatte, um damit wieder zu ihr aufzuschließen. Ich legte die Utensilien auf dem geschlossenen Toilettendeckel ab und fuhr mir dann seufzend durch das wallende Haar, welches ich in weiser Voraussicht mit einem Haargummi zusammen band, damit sie mir während des Waschens nichts ins Gesicht rutschten. Dann begann ich, Vahagn auszuziehen, besah mir dabei mal mehr, mal weniger das Ausmaß ihrer Verletzungen, aber ich schwieg. Schließlich war ich nicht hier, um mit ihr einen Plausch zu halten oder sie zu meiner besten Freundin zu machen. Ich wollte die ganze Sache einfach so schnell wie möglich hinter mich bringen und das ohne langes Gerede. Also wartete ich auch nicht lange damit, der nackten jungen Frau in die Wanne zu helfen, um unweit ihrer Füße das Wasser auf eine halbwegs angenehme Temperatur einzustellen. Ein kurzer Check, ob die Einstellungen in Ordnung waren und ein schwaches Nicken Vahagns später, fing ich schließlich an, Stück für Stück und tatsächlich recht behutsam damit anzufangen, das getrocknete Blut auf Höhe des Bauchnabels zu entfernen. Auch der restliche Dreck rund um die anderen Wunden und nicht zuletzt der einsetzende Geruch nach Schweiß spülte ich den Abschluss hinunter. Bis hierhin lief alles noch super und ich war erstaunt, wie schnell und unproblematisch das Ganze hier verlief, bis das von mir eingeschäumte, lange Haar der Brünetten über mehrere der Schussverletzungen rutschte, weil ich es nicht ausreichend befestigt hatte, während ich dabei war, auch den Oberkörper und die Arme einzuseifen. Als Resonanz auf das parfümierte Duschgel in den offenen Wunden, zischte sie einmal ziemlich laut, bevor mir gewohnt bissig ein "Pass doch auf!", an den Kopf geworfen wurde. Ja klar, als hätte ich das jetzt hier mit Absicht gemacht oder was. Da boten sich mir schon etliche Möglichkeiten, sie potenziell umbringen zu können und ich entschied mich für... ja, für was eigentlich? Ein Missgeschick, was so gar nicht geplant gewesen war? "Keif mich nicht so an, war ja keine Absicht!", erwiderte ich nicht weniger zickig, weil ich mich durch ihre gewohnt schroffe Art natürlich direkt angegriffen fühlte. Als Zeichen meines guten Willens, sorgte ich jedoch trotzdem dafür, dass die Haare eben nicht mehr auf den offenen Wunden lagen und spülte sie im direkten Anschluss daran aus. Leider ließ sich dabei nicht vermeiden, dass der ganze Siff nun mit Wasser vermischt erneut über ihre Wunden lief und dafür erntete ich gleich den nächsten, dummen Kommentar, bei dem es mir eindeutig zu dumm wurde. "Man, es kann doch nicht so schwer sein, ein bisschen Rücksicht zu nehmen!", blaffte sie mir entgegen und hätte Vahagn sich nicht schon von selbst daran versucht, aus der Wanne zu flüchten, wäre sie durch meine Hand nach draußen gezerrt worden. Brief und ein verficktes Siegel drauf. Ich zog sie recht unsanft an dem ohnehin verletzten Arm noch das letzte Stück nach auf den kalten Badezimmerboden, weil sie ohne Hilfe vermutlich noch morgen in der Wanne gelegen hätte, ehe ich sie lieblos in ein Handtuch hüllte. "Dann sieh zu, wie du die verdammten Klamotten angezogen bekommst, weil ich keine Rücksicht nehme.", antwortete ich nun etwas lauter und imitierte gen Ende ein paar Worte in ihrer Aussprache, schob sie dann ungeachtet der gequälten Laute in einem ziemlich zügigen Tempo vor mir her. Die Unterwäsche, sowie das Shirt und ihre halbwegs saubere Hose drückte ich ihr kurz vor Ankunft an der Tür in die Hand und löste damit ein hörbar schmerzverzerrtes Stöhnen ihrerseits aus, was mich nur triumphierend Grinsen ließ. "Man beißt nicht die Hand, die einen füttert und jetzt hau ab!", fauchte ich noch, als ich die Tür schließlich aufriss und Vahagn mit einem etwas unsanften Schubs in den Flur drängte, nur um mich wenig später an ihr vorbei zu schieben und rauf ins Schlafzimmer zu gehen. Pff. Ich hatte mir wirklich viel gefallen gelassen, war weiterhin bemüht gewesen, einen Streit zu umgehen, aber ganz offensichtlich schien das bisschen Schmerz sie derart zu beeinflussen, dass sie ja direkt wieder ausfällig werden musste. Dabei hatte ich es ausnahmsweise wirklich nicht darauf angelegt, ihr absichtlich weh zu tun, auch wenn ich dafür gute Gründe gehabt hätte. Aber nein.. ich hatte ihr - nein, Tauren, dem ich im Übrigen einen sichtlich angepissten Blick zuwarf, als ich das Badezimmer verlassen hatte - einen Gefallen tun wollen und wie wurde es mir gedankt? Gar nicht. Ganz toll. Jetzt musste sie dann eben zusehen, wie die Klamotten ihren Weg an ihren zierlichen Körper fanden. Meine Geduld war jedenfalls aufgebraucht und ich merklich gereizt, als ich am oberen Ende der Treppenstufen angekommen die Schlafzimmertür hinter mir ins Schloss warf.
Ich konnte gar nicht in Worte fassen, wie unangenehm mir diese ganze Situation hier eigentlich war. Dass ich jetzt auf die Hilfe der Frau angewiesen war, über die ich mich vor einiger Zeit noch lächerlich gemacht hatte, schmeckte mir einfach gar nicht. Aber es blieb mir wohl nichts anderes übrig, als für den heutigen Tag meinen Stolz hinunter zu schlucken, denn ich wusste, dass es aktuell keine gangbaren Alternativen gab und dieses Blut musste von meinem Körper runter. Dieses Gefühl von angetrocknetem Lebenssaft war nämlich noch sehr viel unschöner, als einmal den Blick gegenüber der Rothaarigen zu senken und einfach mal die Klappe zu halten. Es fiel mir schwer, keine Frage, aber es ließ sich irgendwie aushalten. Sollte ja tatsächlich auch nicht allzu lange dauern, bis sich das Temperamentsbündel durch Taurens ziemlich vagen Argumentationen schließlich breit schlagen ließ, sich meiner geschundenen Seele - ha ha - anzunehmen und so folgte ich ihr wenig später in das einrichtungstechnisch eher altbacken gehaltene, aber ansonsten sehr schöne Haus bis ins Badezimmer, wo wir letztlich dann auch unter uns waren. Wie Cosma auch, verzichtete ich ganz bewusst auf irgendwelche Unterhaltungen, weil ich genau so sehr wie sie diese ganze Sache einfach hinter mich bringen wollte. Und für ein paar Minuten klappte das auch ganz gut, wir ignorierten einander einfach und konzentrierten uns auf das Wesentliche, bis ein unglücklicher Zufall den Weg für eine verbale Auseinandersetzung ebnete. Der plötzlich einsetzende, stechende Schmerz an meinem Schlüsselbein ließ mich schneller ein paar Worte verlauten, als ich über diese hatte nachdenken können und noch bevor ich zu einer Entschuldigung für mein etwas forsches Verhalten ansetzte, fauchte die Rothaarige gleich eine gewohnt trotzige Reaktion zurück, was mich die Augenbrauen tief ins Gesicht ziehen ließ. Dass es darauffolgend keine Konversation mehr gab, die auch nur im Ansatz freundlich oder gesittet ablief, war wohl klar, aber Cosma übertrieb in meinen Augen maßlos, als sie mich derart grob aus der Wanne zerrte, wo ich doch selbst schon bemüht war, ihr nicht weiter auf den Geist gehen zu wollen. Sie hätte mir einfach noch ein bisschen Schaum vom Rücken und aus den Spitzen der Haare trocknen müssen und die Sache wäre erledigt gewesen. Nein, stattdessen entschied sie sich für die Option eines Kindergartenkindes, das sein Spielzeug einfach liegen ließ und weg rannte, wenn ihm etwas nicht passte. Schlimmer noch, dass sie der Meinung war, mir dann auch noch absichtlich weh tun zu müssen. Mochte sein, dass das Thema mit meinem Haar auf der offenen Wunde unbeabsichtigt gewesen war und wie gesagt, hatte ich für den unangemessenen Tonfall entschuldigen wollen, aber das war meiner Meinung nach einfach nur kindisch und gemein. Es war mir auch mit dem Oxycodon schon unglaublich schwer gefallen, mich halbwegs aus eigener Kraft aus der Wanne zu heben, da brauchte ich keinen kleinen Teufel, der mir auch noch grob die Wunden wieder aufriss. Ein erster, prüfender Blick verriet mir zwar, dass die Naht an meinem Schlüsselbein noch intakt war, aber schmerzen tat sie auch mit Medikamenten durch die unnötige Belastung ziemlich stark. Und weil ich ohnehin schon geschwächt war, fiel es mir gleich doppelt so schwer, unter den Schmerzen sowohl das Handtuch, welches sie mir freundlicherweise noch um den Oberkörper gelegt und unter den Achseln beiläufig befestigt hatte, zu halten, als auch die Klamotten nicht fallen zu lassen und als wäre das nicht schon schlimm genug, schob sie mich noch aus den sanitären Anlangen in den Flur hinaus. Warum? Das war so ziemlich die einzige Frage, die ich mir in diesem Augenblick stellte. Hätte sie mich nicht einfach alleine zurück und mich mein Ding machen lassen können? Brauchte sie diese Bestätigung, diesen Ausdruck in meinem Gesicht, der nichts als Hilflosigkeit wiederspiegelte, als sie mich nur mit dem Handtuch bekleidet und die Klamotten in der Hand haltend inmitten der drei Männer zurück ließ? Und mir dann noch nicht einmal die Möglichkeit gab, mich eigenständig wieder ins Bad zu verkriechen, indem sie die Tür, dessen Klinke ich so ohne weiteres nicht erreichen konnte, zugezogen hatte? Ich hasste... einfach alles. Sie, Hunter, Tauren, mein ganzes beschissenes Leben in diesem Augenblick, denn ich merkte, wie mir zunehmend Kraft dazu fehlte, die für meine Verletzungen viel zu schwere Belastung in Form der Klamotten und das gleichzeitige Zusammenhalten des Handtuchs vor meiner Brust zu managen. Und so kam es, wie es kommen musste und die Hüllen fielen wenige Sekunden später, weil ich meine schmerzenden Arme nicht weiter oben halten konnte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #